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Aufklärung und Kritik 2/2004 5 Prof. Dr. Jan Narveson (Waterloo/Kanada) Libertarianismus: Eine Philosophische Einführung Übersetzung: Peter Kopf Diese grundlegende Diskussion des The- mas wurde ursprünglich für die Stanford On-line Encyclopedia of Philosophy ver- fasst; der Leser will sie vielleicht mit der alternativen Darstellung vergleichen, die schließlich dort übernommen wurde. Vieles an politischer und moralischer Phi- losophie hat sich über die Jahrhunderte hinweg mit der menschlichen Freiheit befasst (und einiges davon sogar mit nicht- menschlicher Freiheit, wie in der Tier- rechtsbewegung). Die philosophische Sichtweise der Politik, die als Libertaria- nismus bekannt ist, treibt diese jedoch zum Extrem, indem sie vorschlägt, die Freiheit seiner Bürger zum einzigen angemesse- nen Bestreben des Staates zu machen. Dabei taucht sogar die Frage auf, ob die- ses Bestreben mit der Existenz des Staa- tes unvereinbar ist. Jedenfalls hat dies schwerwiegende Auswirkungen auf die Rechtsphilosophie sowie, allgemeiner, auf die Moralphilosophie und die politische Philosophie. Gliederung: 1. Einführung 2. Definition des Standpunktes 3. Warum Libertarianismus? 4. Anwendung des Libertarianismus 5. Historische Anmerkungen über die Quellen des Freiheitsprinzips Bibliographie Andere Internetquellen 1. Einführung 1.1. Zwei Versionen Zu Beginn müssen wir diese beiden Sicht- weisen unterscheiden: (1) Dass Freiheit der einzige Wert ist, der von Regierungen und Individuen beför- dert werden sollte (manchmal die „teleo- logische„ Version des Libertarianismus genannt) und, (2) dass Freiheit unser einziges Recht ist (manchmal „deontologischer„ Libertaria- nismus genannt; dies ist die Ansicht, wo- für das Wort „Libertarianismus„, ganz un- angebracht, heute allgemein steht). Es ist nicht klar, ob die erste Ansicht die zweite einschließt, aber ziemlich klar ist, dass die zweite nicht die erste enthält. Der springende Punkt, Freiheit zu einem all- gemeinen Recht zu gestalten, liegt darin, Regierungen daran zu hindern, Menschen zu zwingen, etwas zu tun. Dieser Ansicht nach dürfen wir nicht dazu gezwungen werden, zu helfen, andere Menschen zu befreien. Wenn im Gegensatz dazu der Theoretiker Freiheit ausschließlich daran festmacht, ein mit welchen Mitteln auch immer anzustrebender Wert zu sein, dann könnten sich Regierungen und Individu- en frei genug fühlen, einigen Menschen die Pflicht aufzuerlegen, die Freiheit an- derer zu befördern. Wir können diese beiden Versionen an ei- ner Unterscheidung ausrichten, die von verschiedenen neueren Theoretikern vor- geschlagen wurde, nämlich zwischen „lin-

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Page 1: Libertarianismus: Eine Philosophische Einführungvon Robert Nozicks Anarchie, Staat und Utopie, die zur Folge hatte, dass man die-se Sichtweise in der angloamerikanischen akademischen

Aufklärung und Kritik 2/2004 5

Prof. Dr. Jan Narveson (Waterloo/Kanada)

Libertarianismus: Eine Philosophische EinführungÜbersetzung: Peter Kopf

Diese grundlegende Diskussion des The-mas wurde ursprünglich für die StanfordOn-line Encyclopedia of Philosophy ver-fasst; der Leser will sie vielleicht mit deralternativen Darstellung vergleichen, dieschließlich dort übernommen wurde.

Vieles an politischer und moralischer Phi-losophie hat sich über die Jahrhundertehinweg mit der menschlichen Freiheitbefasst (und einiges davon sogar mit nicht-menschlicher Freiheit, wie in der Tier-rechtsbewegung). Die philosophischeSichtweise der Politik, die als Libertaria-nismus bekannt ist, treibt diese jedoch zumExtrem, indem sie vorschlägt, die Freiheitseiner Bürger zum einzigen angemesse-nen Bestreben des Staates zu machen.Dabei taucht sogar die Frage auf, ob die-ses Bestreben mit der Existenz des Staa-tes unvereinbar ist. Jedenfalls hat diesschwerwiegende Auswirkungen auf dieRechtsphilosophie sowie, allgemeiner, aufdie Moralphilosophie und die politischePhilosophie.

Gliederung:

1. Einführung2. Definition des Standpunktes3. Warum Libertarianismus?4. Anwendung des Libertarianismus5. Historische Anmerkungen über die

Quellen des FreiheitsprinzipsBibliographieAndere Internetquellen

1. Einführung1.1. Zwei VersionenZu Beginn müssen wir diese beiden Sicht-weisen unterscheiden:

(1) Dass Freiheit der einzige Wert ist, dervon Regierungen und Individuen beför-dert werden sollte (manchmal die „teleo-logische„ Version des Libertarianismusgenannt) und,(2) dass Freiheit unser einziges Recht ist(manchmal „deontologischer„ Libertaria-nismus genannt; dies ist die Ansicht, wo-für das Wort „Libertarianismus„, ganz un-angebracht, heute allgemein steht).

Es ist nicht klar, ob die erste Ansicht diezweite einschließt, aber ziemlich klar ist,dass die zweite nicht die erste enthält. Derspringende Punkt, Freiheit zu einem all-gemeinen Recht zu gestalten, liegt darin,Regierungen daran zu hindern, Menschenzu zwingen, etwas zu tun. Dieser Ansichtnach dürfen wir nicht dazu gezwungenwerden, zu helfen, andere Menschen zubefreien. Wenn im Gegensatz dazu derTheoretiker Freiheit ausschließlich daranfestmacht, ein mit welchen Mitteln auchimmer anzustrebender Wert zu sein, dannkönnten sich Regierungen und Individu-en frei genug fühlen, einigen Menschendie Pflicht aufzuerlegen, die Freiheit an-derer zu befördern.

Wir können diese beiden Versionen an ei-ner Unterscheidung ausrichten, die vonverschiedenen neueren Theoretikern vor-geschlagen wurde, nämlich zwischen „lin-

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kem„ Libertarianismus„ und „rechtem„Libertarianismus„, wobei die Wasser-scheide beider beim Problem der Reich-weite von Privateigentum liegt. Der „lin-ke„ Libertarianer behauptet, dass dasRecht auf Privateigentum für Individuenentweder nicht existiert oder weitaus we-niger als absolut ist, und dass die Gesell-schaft ein gewisses Ausmaß an Gleich-heit der Verteilung bestimmter Dinge, nor-malerweise natürliche Ressourcen, zustan-de bringen soll, um vielleicht auf dieseWeise ein soziales Minimum bereitzustel-len. Dann geben Links-Libertarianer ziem-lich bereitwillig dem Wohlfahrtstaat ihreUnterstützung. Einige Kommunalisten1 )und Sozialisten besonders im späten 19.Jh. behaupteten, „Libertarianer„ zu sein.(Beispiel Kropotkin [184-192]); eine neueAnthologie wird von immensem Wertsein, diese Ansichten zu verfolgen (sieheSteiner und Vallentyne).Der „Rechts-Libertarianismus„ behauptetdas Recht auf Privateigentum als absolutoder zumindest als sehr stark (die Aus-nahmen siehe unten). Nach dieser Ansichtist der Wohlfahrtsstaat prinzipiell falsch,und damit zum Großteil auch all das, wasuns an den gegenwärtigen Staaten so ver-traut ist. In der letzten Zeit wurde dies zu-mindest in Amerika die Standardform desLibertarianismus; sie nahm ihren plötzli-chen Aufstieg durch die Veröffentlichungvon Robert Nozicks Anarchie, Staat undUtopie, die zur Folge hatte, dass man die-se Sichtweise in der angloamerikanischenakademischen Welt ernst nahm. Nach ihrist unser einziges grundlegendes Recht dasRecht auf Freiheit; alle anderen Rechtesind diesem untergeordnet oder darausdirekt oder indirekt abgeleitet. Vertreterdieser Version haben die Neigung, zu ar-gumentieren, dass sie die einzige ist, die

Sinn macht. Auf die Probleme zwischendiesen Versionen wird später etwas ein-gegangen, doch werden wir uns haupt-sächlich auf den zweiten Typ konzentrie-ren, der von sich behaupten kann, der ra-dikalere und vielleicht aus diesem Grundauch der interessantere zu sein. Er ist auchder gegenwärtig standardmäßig mit die-sem Begriff verknüpfte Typ. Für den Restdieses Aufsatzes bezieht sich der Begriff„Libertarianismus„ auf den „Rechts-Libertarianismus„, es sei denn, es wird be-sonders darauf hingewiesen.

1.2. Drei Fragen: Definition, Grund-legung und AnwendungDas in diesem Aufsatz zu skizzierende Ge-biet kann in drei allgemeine Teile einge-teilt werden.Erstens muss man der Definition dieserSichtweise, welche weitgehend missver-standen wird, beträchtliche Aufmerksam-keit schenken. Was genau ist die libertaria-nische Idee oder ihr Prinzip? Wie würdeein Prinzip der Freiheit aussehen? Kön-nen wir ein solches so formulieren, dasses klar und in sich geschlossen ist (ohnedass es verrückt aussieht)?Zweitens muss der Grundlegung dieserIdee einige Aufmerksamkeit gewidmetwerden: Warum sollten wir Libertarianersein? Wie wichtig ist Freiheit wirklich undin welchen Zusammenhängen? Warum,wenn überhaupt, sollten wir sie anstreben?Gibt es zu ihren Gunsten überhaupt guteArgumente?Was sind drittens die auf die reale Weltbezogenen, institutionalisierbaren Auswir-kungen des Freiheitsprinzips – wie lässtes sich in der Praxis anwenden? Wie wür-de eine Gesellschaft, welche Freiheit alsihren grundlegenden politischen Wert re-spektiert, aussehen? Hätte sie beispiels-

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weise überhaupt eine Regierung? Undwenn ja, von welcher Art? Wenn nicht,wie würden die Angelegenheiten, die jetztin uns so vertrauter Weise von der Regie-rung geregelt werden, erledigt? Oder wür-den sie überhaupt erledigt werden?

Diese drei Fragen können natürlich nichtscharf und endgültig von einander unter-schieden werden, aber die so vorgenom-mene Unterteilung der Fragen sollte hel-fen, die Probleme zu klären. Wir werdenallen drei Fragen einige Aufmerksamkeitschenken, aber besonders der ersten. Auchwerden wir umrissartig die Geschichte desGegenstandes behandeln.

2. Definition der Sichtweise2.1. RechteWas ist ein Recht? Dass es eine enge Ver-bindung zwischen Freiheit und Recht gibt,wird klar, wenn wir den allgemeinen Be-griff eines Rechtes betrachten. Die bis jetztallgemein akzeptierte Analyse ist, dassRechte Pflichten aufbürden: zu sagen, dassA gegenüber einer Person oder einer Grup-pe von Personen ein Recht auf eine Hand-lung oder eine Gruppe von Handlungen xhat, heißt zu sagen, dass etwas an A ist,dass B eine Pflicht hat, von also ihm ge-fordert wird, in gewisser Weise zu han-deln – oder zumindest nichts zu tun, wasdem abträglich wäre – in Bezug auf AsVersuch, x zu tun. Dieses Etwas, das die-se Pflichten begründet, müsste von Theo-retikern identifiziert und geklärt werden,und in gleicher Weise, welche Pflichtendas Recht in diesem Fall nach sich zieht.Genauso müsste dies mit denjenigen in derB-Position geschehen.Ein sehr wichtiger Aspekt dieser Idee ist,dass Bs Pflicht so beschaffen ist, dass Bganz legitim, wenn nötig mit Gewalt, dazu

gezwungen werden kann, so zu handelnoder von den Dingen Abstand zu nehmen,wie As Recht es dem B aufbürdet. Dieseletzte Vorstellung, welche besonders aufpolitische Zusammenhänge passt, machtdie Verbindung von Recht und Freiheitbesonders klar: Das Recht einer Personsetzt der Freiheit einer anderen PersonGrenzen, d.h. es liefert Rechtfertigung zurEinschränkung der Freiheit eines anderen.Der Libertarianer besteht nun auf einerMinimierung dieser Einschränkung vonFreiheit: nach seiner Ansicht liefert nurdie Notwendigkeit, anderer MenschenFreiheit zu respektieren, die notwendigeRechtfertigung, die Freiheit eines anderenzu beschränken.

2.2. Negative und positive Rechte – eineGrundunterscheidungWie aus der nachfolgenden Diskussion er-sichtlich werden wird, macht die liberta-rianische Theorie in großem Ausmaß vonder Unterscheidung zweier Gruppen vonRechten Gebrauch, die sich durch die Artvon Pflichten, welche sie nach sich zie-hen, unterscheiden: nämlich negative undpositive Rechte.(a) Negative Rechte: A hat ein „negati-ves„ Recht B gegenüber falls das, was Btun muss, um dies zu respektieren bedeu-tet, von verschiedenen möglichen Hand-lungen abzusehen, nämlich von solchen,die Versuche von A, x zu tun, behindernoder in sie eingreifen würden, oder (fallssich dies davon unterscheidet) welche diePerson A schädigen, oder allgemeiner, dieSituation von A in welcher in diesem Kon-text auch immer in Frage kommendenHinsicht verschlechtert, innerhalb dessensich das gerade diskutierte Recht durch-setzt oder durchsetzen würde. Der Nutz-nießer des Rechtes könnte ferner festle-

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gen, welche Art von störenden Handlun-gen verboten sein sollten – vielleicht nichtalle. Zum Beispiel darf B nichts unterneh-men, was es A gänzlich unmöglich ma-chen würde, x zu tun, so sehr sich A auchbemüht, aber vielleicht darf B bestimmteHandlungen ausführen, die es A nur ge-ringfügig erschweren würden, x zu tun.

(b) Positive Rechte: A hat ein „positives„Recht, x zu tun, falls B nicht nur daraufverzichten muss, A daran zu hindern, son-dern auch Dinge tun müsste, welche Apositiv dabei helfen würden, x zu tun,wenn A ansonsten dazu ohne Hilfe nichtimstande wäre, x zu tun. Eine weiterewichtige Klausel würde auch den Fall aus-zuschließen, wo A von rein freiwilligerHandlungen anderer unterstützt werdenwürde. A hat ein positives Recht, x zu tunoder zu besitzen nur dann, wenn diesesRecht es bestimmten Menschen, z.B. B,gebietet, A in zumindest bestimmten undmöglichen Umständen zu helfen, x zu tun,oder A mit x zu versorgen, ob B zu dieserHandlung nun Willens ist oder nicht. Of-fensichtlich ist die Frage, wie viel B demA zu helfen habe, d.h. welchen Umfangan Kosten B zu tragen habe, bis die Ver-pflichtung erfüllt ist, sehr wichtig undmüsste von dem Verfechter positiverRechte festgelegt werden.

Der Unterschied zwischen den beiden magmateriell in einigen Fällen winzig schei-nen, aber kann sehr groß sein, und er istes gewöhnlich auch. Man nehme nur dasallgemeine Recht auf Leben: In seiner ne-gativen Version besagt es nur, dass ande-re den Besitzer dieses Rechtes (Right-holder) nicht töten (ihm das Leben neh-men) dürfen. Aber in seiner positiven Ver-sion würde es gebieten, dass andere et-

was tun, um dessen Leben, wenn es fürsie möglich ist, zu retten. (Wie viel? Dieswird eine entscheidende Frage.) Diese Un-terscheidung bezieht verschiedene ande-re mit ein, die entsprechend durcheinan-der gebracht wurden. Zum Beispiel sindein „Recht auf Handeln„ oder ein „Rechtauf Wohlstand„ jeweils dafür empfäng-lich, negative oder positive Formen zu bil-den. Wir könnten ein positives Recht ha-ben, eine bestimmte Handlung auszufüh-ren mit der Folge, dass anderen gebotenist, uns zu helfen – sagen wir mal, indemsie uns mit Spazierstöcken versorgen.Ebenso steht es mit negativen Rechten, diees anderen nur verbieten, uns in die Que-re zu kommen. Ähnlich könnte ich ein reinnegatives Recht auf Wohlstand haben, dases anderen verbietet, mein wie auch im-mer vorhandenes Wohlstandniveau zu sen-ken, es sie aber nicht verpflichtet, es anzu-heben, wenn es zu niedrig ist. Im Gegen-satz dazu würde ein positives Wohlstands-recht andere dazu verpflichten, alles Not-wendige zu tun, um den Wohlstand desBesitzers dieses Rechtes davor zu bewah-ren, darunter zu rutschen, oder ihn auf einebestimmte Schwelle zu heben, welchewiederum festgelegt werden müsste. DieBedeutung dieser Unterscheidung liegtdarin, dass der Libertarianer meint, dassMenschen kein grundlegendes positivesRecht haben – dass alle positiven Ver-pflichtungen in irgendeiner Weise durchdas in der Pflicht stehende Individuumunter dessen Zustimmung übernommenwerden müssen, z.B. durch das Verspre-chen, es werde die angesprochenen Hand-lungen leisten.Einige Autoren (z.B. Shue) behaupten,dass die Unterscheidung negativ/positivfehlerhaft formuliert oder falsch ist. Siebegründen dies, dass negative Rechte Po-

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lizei und Gerichte zu ihrer Durchsetzungerfordern, wobei diese Dinge positiveHandlungen darstellen, die von jemandemzu leisten sind. Dies ist jedoch ein Irrtum.Die Frage, wozu das Recht inhaltlich einRecht darauf ist, etwas zu tun, und dieFrage, wer es, wenn überhaupt, durchsetzt,sind voneinander zu unterscheiden. Wennunsere Rechte rein negativ sind, bedeutetdies auch, dass niemand die Pflicht hat,sie als solche durchzusetzen, obwohl je-der das Recht hat, sich jedes habhaftenMittels zu bedienen, mit der Zusammen-arbeit anderer, die ebenfalls so zu handelnnicht verpflichtet sind, um seine Rechtezu sichern. Die Unterscheidung zwischennegativ und positiv ist ziemlich robust.

Es muss bemerkt werden, dass der Liber-tarianismus gewöhnlich als eine Theoriebetrachtet wird, die ausschließlich er-zwingbare Rechte behandelt. Es mag hin-reichend plausibel sein zu sagen, dass esandere moralische Kategorien gibt, vondenen wir behaupten können, dass Men-schen positive Pflichten schwächerer Arthaben. Der Libertarianer kann z.B. be-haupten, dass Wohltätigkeit eine nicht er-zwingbare aber nichts desto wenigerreale Pflicht ist. Wir sollten uns schlechtfühlen, wenn wir z.B. nichts für die Ar-men und Ausgebeuteten tun, falls es unsein Leichtes wäre. Und natürlich gibt eskeinen Einwand dagegen, zu behaupten,dass es eine gute Sache wäre, wenn ver-schiedene Ziele erreicht würden und zubehaupten, dass es moralisch empfehlens-wert ist, diese Dinge zustande zu bringenund sogar, dass jene, die nichts dazu bei-tragen, sie zu erreichen, schlechte Perso-nen sind. Kurz, der Brennpunkt der Theo-rie ist der moralisch gerechtfertigte Ge-brauch von Gewalt.

2.3. FreiheitDie kurze Antwort auf die Frage „Was istFreiheit?„ ist, dass die Menschen die Frei-heit, etwas besonderes zu tun, dann ha-ben, wenn sie nichts daran hindert, es zutun, falls sie es wollen. Sie sind vollstän-dig frei, wenn sie nichts daran hindert,alles zu tun, was sie wollen. Aber dies istganz eindeutig zu allgemein für unsereZwecke, denn die politische Philosophieund die Moralphilosophie handeln davon,was Menschen geboten und was ihnenverboten ist, und einige Dinge, die uns da-von abhalten, das zu tun, was wir wollen,sind einfach naturgegeben – Krankheiten,Wirbelstürme, der Umfang und die Stär-ke unserer Muskeln, usw. Deshalb müs-sen wir hinzu fügen, dass wir aus sozia-len und moralischen Zwecken an der Ab-wesenheit von Zumutungen durch an-dere Menschen interessiert sind, besondersdiejenigen Zumutungen, die durch ihreintentionalen Handlungen verursacht sind.Wenn A den B an einen Baum bindet,dann hat A prima facie dem B etwas zu-gemutet – so auf B eingewirkt, dass er ihnan der Bewegung hindert, und es ihm sounmöglich macht, viele Dinge, die B ger-ne tun würde, durchzuführen. Wenn A denB aber schlägt, ihn ansonsten jedoch nichtdaran hindert, sich weiterhin zu bewegen,dann ist es weniger offensichtlich, dass Aauf diese Weise die Freiheit des B ein-schränkt. Doch können wir aufzeigen,dass es A geschafft hat, den B außerstan-de zu setzen, den von ihm bevorzugtenGang der Erfahrungen fortzusetzen, andem er vor den Schlägen Gefallen fand,und insbesondere hat A den von B beab-sichtigten Gang der Dinge, wie er es sichin den Kopf gesetzt hatte, über den Hau-fen geworfen.

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Es ist hinreichend offensichtlich, dass sehroft Ereignisse, die nicht den Handlungenanderer Menschen zuzuordnen sind, unsauf verschiedene Weise schwer beein-trächtigen, wie wenn uns z.B. ein Blitztot schlägt. Man könnte denken, dass dieLibertarianer die Beseitigung dieser nicht-menschlichen Hindernisse wo immermöglich mit Blick auf die Förderung derFreiheit der Menschen befürworten soll-ten. Zur weiteren Diskussion siehe unten,Punkt 2.4.

Isaiah Berlins Unterscheidung von ne-gativer und positiver FreiheitSir Isaiah Berlin (Berlin, „Two Conceptsof Liberty„) unterschied zwischen nega-tiver Freiheit, wie sie oben definiert ist,und „positiver Freiheit„, welche sich aufdie Handlungen des Individuums bezieht,wie es „wirklich„ handeln will, statt dar-auf, nur zu denken, so handeln zu wollen:man ist frei, wenn man in Übereinstim-mung mit der „wirklichen Natur„ handelt– Freiheit als „Selbst-Verwirklichung.„Aber dies verwechselt zwei verschiedeneUnterscheidungen. Ersten: Das Gegenteilder negativen Freiheit, die Abwesenheitvon äußeren Hindernissen, sollte eher dieAnwesenheit von Bedingungen sein, dieMenschen tatsächlich imstande setzt, Din-ge zu tun – sagen wir z.B. Muskeln, na-turgegebene Talente, oder Gesundheit – alsdas Bestreben nach Selbst-Verwirkli-chung. Zweitens: Berlins Kategorie der„positiven Freiheit„ spiegelt das Eindrin-gen einer ganz anderen politischen An-sicht – konservativ im Gegensatz zu libe-ral (Narveson, 2000). Der Liberalismusbesagt, dass politische Institutionen dieWünsche der Menschen wie sie sind be-friedigen sollten, anstatt irgend eine Ver-sion des Guten, die davon abweicht, was

Menschen tatsächlich vorschwebt. Letz-teres würde ihnen dann gegen ihren Wil-len in den Rachen gestopft und so im Ein-klang mit der Verletzung von Freiheit ste-hen. Es ist somit keine Verwirklichungderselben Sache, worin negative Freiheitbesteht. Das ist viel leichter erledigt – indem wir die Menschen einfach davon ab-bringen, bei anderen einzugreifen oder siezu schädigen, oder damit zu drohen.Nun können wir sagen, dass negativeRechte inhaltlich Rechte auf Berlins „ne-gative Freiheit„ darstellen – die Abwesen-heit von Eingriffen. Positive Rechte je-doch brauchen keine Rechte der Art vonDingen zu sein, die er mit positiver Frei-heit identifizierte. Es wäre sogar möglich,genauso positive Rechte auf negative Frei-heit zu fordern, wie negative Rechte aufirgend eine oder auf alle positiven Frei-heiten, die Berlin identifiziert.

2.4. Das FreiheitsprinzipDie „Links-Libertarianischen„ Versio-nenWenn wir wieder unser anfänglichen Un-terscheidung zwischen der Ansicht, dasFreiheit ein Gut ist, das man in der Ge-sellschaft maximieren sollte, und der An-sicht, dass sie ein Recht ist, das nicht be-einträchtigt werden soll, dann wollen wirfragen, wie das Leitprinzip hinsichtlichdieser beiden Sichtweisen aussehen wür-de. Bei der ersten Sichtweise besteht deroffensichtliche Vorschlag darin, dass dieGesellschaft Freiheit für alle maximierensollte. Aber dies zu behaupten bringt unsdas vertrackte Problem der „Messung„von Freiheit. Die Begrifflichkeit der „Ma-ximierung„ von Freiheit legt ja nahe, dassein Nettogewinn erreicht werden könnte,,indem wir Smiths Freiheit beschneiden umJones Freiheit in größerem Ausmaß an-

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zuheben. Um dies zu sagen bräuchten wirso etwas wie eine Skala zur Messung vonFreiheit. Es ist aber ziemlich klar, dass wirso etwas nicht haben. (Siehe Wolff, s 89-92; Steiner 1983; Kymlicka, S 135f.) Wirkönnen zumindest manchmal mit einigerSicherheit sagen, dass Jones mehr oderweniger Freiheit hat, als er vor einem be-stimmten Ereignis hatte: falls ihm jetztsein rechter Arm fehlt, kann er viel weni-ger machen. (Auch fühlt er natürlich gro-ßen Schmerz, und das gefällt ihm auchnicht.) Aber können wir sagen, dass Smithmehr Freiheit hat als Jones, falls Jones imGefängnis steckt und Smith nicht? Viel-leicht: aber was dann, wenn Jones trotzseiner Einkerkerung all die wundervollenDinge tun kann, die er sehr oft tun will,während der neurotische Smith kaum dazuimstande ist, all das zu tun, was er gernetun würde, obwohl er sich frei bewegenkann? Diese und viele andere Beispielelösen schnell jeden Gedanken auf, dass wirzuversichtlich von der Maximierung derFreiheit für alle Personen sprechen kön-nen.Intra-personale Vergleiche sind hier sichereine ganz andere Angelegenheit. Ein be-stimmtes Individuum mag sehr wohl füh-len, dass er oder sie unter der einen Be-dingung freier, unter einer anderen weni-ger frei ist. Und wir können sicherlichsagen, dass eine Beeinträchtigungen oderVerletzungen der Freiheit der Menschengrößere oder kleinere Eingriffe sind. Hierwird der Maßstab die individuelle Gesamt-wahrnehmung des Guten sein. Wie vieleine gegebene Einschränkung meinesRechtes, frei zu sein, ausmacht, ist häufigeine wichtige Frage. Aber nur manchmalwürde die Variable, anhand derer ein Wertbestimmt ist, ausschließlich oder gar vor-rangig davon betroffen sein, wie „viel„

Freiheit„ man unter jener Bedingung ge-nossen hat. Jemand könnte ein Leben aneinem ziemlich despotischen Ort vorzie-hen, um dafür imstande zu sein, z.B. mitder Frau, die er liebt, zusammen zu leben.

Die StandardversionWenn wir uns der „rechten„ Version desLibertarianismus, die nun die Standard-version ist, zuwenden, sehen die Dingevielversprechender aus. In dieser Versionist jede Person berechtigt, so zu handelnwie sie will oder es am besten beurteiltmit der ausschließlichen Ausnahme, wennihre oder seine Handlungen die andererbeeinträchtigen würden – in den beabsich-tigten oder erwünschten Lauf der Hand-lung eines anderen eingriffen, oder (fallsdies etwas anderes ist) jene Person scha-den würden in dem Sinne des Handelns,was jene Person mit ihrem Körper oderGeist nicht getan haben wollte. Hobbesspricht davon, „nach Frieden zu trachten„,was heißt, anderen gegenüber nicht „Kriegzu führen„; Locke spricht davon, ihnenhinsichtlich ihres Lebens, ihrer Gesund-heit, ihrer Freiheit, ihres Eigentums nichtzu „schaden„; Kant davon, nur nach derMaxime zu handeln, die „mit der Freiheitdes Willens von jedem und von allen ge-meinsam existieren kann„ – eine Formel,die ihr Echo in der Formel eines Freiheits-prinzips bei dem zeitgenössischen ameri-kanischen Philosophen John Rawls fin-det, dass „jede Person, die an einer Hand-lung teilnimmt oder davon betroffen ist,ein gleiches Recht auf die umfangreich-ste Grundfreiheit hat, die mit einer ähnli-chen Freiheit für andere vereinbar ist.„(Rawls, S 60 – dies lässt auch Hobbes„Zweites Naturgesetz (Leviathan, Kap.XIV) widerhallen); und bei John StuartMill, der darauf besteht, dass die Gesell-

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schaft nur im Akt der Selbstverteidigunggegen Menschen Gewalt anwenden darf.Bei dieser Sichtweise würde prinzipiellzwischenpersönliches Messen scheinbarnicht geboten sein, denn entweder hat einePerson eine andere beeinträchtigt, oder siehat es nicht. Wie viel Schaden diese Be-einträchtigung verursacht hat, ist wichtig,um die Kompensation festzulegen, die fürdenjenigen angemessen ist, der den Über-griff verursacht hat; aber es ist nicht not-wendig, zu sagen, dass eine Person mehroder weniger frei als die andere ist, umdie Leistung des Prinzips festzulegen.Wenn wir wie Rawls von „gleicher Frei-heit„ reden, dann bedeutet dies insgesamt,dass jeder ein Recht auf diese allgemeineFreiheit hat – nicht, dass es irgend etwasanderes gibt, wozu diese Person berech-tigt ist, davon eine bestimmte „Menge„ zuerhalten.Es sei darauf hingewiesen, dass in diesenFormulierungen die Betonung auf nega-tiv liegt: Menschen begegnen sich einan-der, und indem sie dies tun, sollen sie vonHandlungen Abstand nehmen, die bei deranderen Person Schaden, Gefahr, Krank-heit und ähnliches verursachen würden.Alle anderen Handlungen sind zulässig,unabhängig davon, ob sie in ihrer Wirkungetwas „maximieren„ – sie mögen nichtmal die Freiheit selbst maximieren, nochselbstredend irgend etwas anderes.Wie oben festgestellt, scheinen viele Be-schränkungen menschlicher Handlungenaus natürlichen Ursachen zu stammen,nicht nur durch die Handlungen andererMenschen. Der Links-Libertarianer magbehaupten, dass die Gesellschaft versu-chen sollte, diese anderen Beschränkun-gen zu beseitigen, wenn möglich, ohne dieMenschen zu exzessiv damit zu belästi-gen. Dies beleuchtet bei dieser Art von

Theorie erneut die Notwendigkeit zwi-schenpersönlichen Messens von Freiheit.Denn ein gegebenes natürliches Hinder-nis zu beseitigen erfordert einiges an An-strengung und Zeit. Der Links-Libertaria-ner mag vorbringen, dass es einen Netto-gewinn an Freiheit geben würde, wennman einige Menschen dazu bringt, ihreEnergie darauf zu verwenden, solche Din-ge zu beseitigen. So würden z.B. Biolo-gen ganz klar einen großen Wurf landen,wenn sie uns dazu befähigten, fast frei vonKrankheiten zu leben. Nichtsdestotrotzverbietet es uns die Standardversion desLibertarianismus, Biologen oder jede an-dere beliebige Art menschlicher Anstren-gung in dieser Richtung dazu zwangs-weise zu verpflichten. Falls es Albert ger-ne hätte, dass einige natürliche Hindernis-se zu seiner Freiheit beseitigt werden, undirgend jemand anderes, sei es Brenda,könnte es tun, dann muss Albert entwe-der die Brenda dazu überreden, dass siees wäre, das Entsprechende zu tun, oderihr etwas als Gegenleistung anbieten, wel-che sie als ausreichend fände, sie zu ver-anlassen, es zu tun – oder Albert mussdarauf verzichten. In genau so einem Fallwird klar, was den Libertarianismus zueiner derart eigenständigen Philosophiemacht.

Die Betonung von HandlungLibertarianer beschäftigen sich mit Be-schränkungen und Eingriffe auf die Frei-heit anderer. Dies könnte kurzsichtig er-scheinen: sind da nicht andere Übel, diewir erleiden können außer der Verhinde-rung des Verlaufes unserer Handlungen?Eine vorgebrachte Antwort darauf kannim Abschnitt unten über das Eigentums-recht auf sich selbst gefunden werden(2.6.). Der Punkt ist der, dass wenn wir

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handeln, dann benützen wir unsere Glie-der, unser Gehirne und all die anderenTeile von uns selbst, und irgend eines da-von zu schädigen heißt, die Fähigkeit desHandelnden zu behindern, das zu machen,was er vorzieht. Ob dies eine Übertreibungdarstellt, ist natürlich eine Gelegenheit fürDiskussion und Analyse.

Intentionalität und VerantwortungSollten Eingriffe als falsch betrachtet wer-den nur wenn sie absichtlich sind? Hiermüssen wir zwischen zwei Sichtweisenunterscheiden. Die eine ist, dass man inmeine Freiheit eingreift, wenn man etwastut mit der Absicht, in meine Freiheit ein-zugreifen. Das wäre zu restriktiv: DieHandlungen anderer können meine Frei-heit sogar einschränken, obwohl sie esnicht beabsichtigen. Die andere Ansichtist, dass man dies oder jenes – soweit essich innerhalb des Geltungsbereichsintentionaler Beschreibung befindet – be-absichtigen muss wenn man handelt, dennansonsten wäre, was immer man auch tutund meine Freiheit einschränkt, keine Ver-letzung derselben. Hinsichtlich Körperbe-wegungen, die überhaupt nicht intentionalsind, kann keine Tatfrage aufgeworfenoder irgend ein Verschulden behauptetwerden; tatsächlich stellen diese nicht dasdar, was wir normalerweise „Handlungen„nennen würden. Stolpert jemand die Trep-pe hinunter, weil er gestoßen wurde, kannes sein, dass mein Bein dadurch zer-quetscht wird und ich dadurch daran ge-hindert bin, am nächsten Tag Tennis zuspielen; aber dies ist nicht die Schuld desanderen. Trotz der Tatsache, dass dieskeine Handlung des anderen ist, dürfenMenschen, die gerade im Weg stehen,Schritte ergreifen, sich zu schützen. MeinRecht, mich selbst zu schützen, dehnt sich

nicht nur auf den Schutz gegenüber ande-ren aus, die absichtlich handeln. Falls eseinen Rechtsbrecher in diesem Beispielgibt, dann ist es die Person, die den ande-ren hinunter stieß. Andererseits kann manmöglicherweise für unvorgesehene Ne-benwirkungen anderer intentionaler Hand-lungen verantwortlich gemacht werden.Der Streitpunkt besteht hier darin, ob derLibertarianer meint, an einem Standardstrikter Haftung festzuhalten. Die prakti-sche Antwort ist, dass wir dies tun, bis zudem Punkt, wo es nicht infrage kommt,dass der Handelnde das Ergebnis sogar mitmaximaler Information hätte vorhersehenkönnen. Aber das ist ein diskutierbarerStreitpunkt (Nozick, Kap. 4). In jedem Fallhaben wir das Recht, etwas hinsichtlichder unbeabsichtigten, zufälligen Handlun-gen anderer zu unternehmen, genauso wiehinsichtlich ihrer uns schlicht uner-wünschten Anwesenheit auf unseremGrundbesitz.

Interne Hindernisse der FreiheitEs wird sicher behauptet werden, dass einePerson eine Beschränkung der Freiheitnicht nur wegen schlechter Behandlungendurch andere Personen sondern durch sichselbst erleiden kann. Der Drogenabhän-gige wird billigerweise als jemand be-schrieben, der unfrei ist, darauf zu ver-zichten, den nächsten Schuss zu nehmen,trotz der Tatsache, dass ihn niemand dazuzu zwingen scheint. Aber hier müssenzwei Argumente angebracht werden. Er-stens erfordert dies nicht eine Änderungder Definition von Freiheit. Was schließ-lich bleibt, ist, dass der Süchtige, fallsdessen Freiheit wirklich eingeschränkt ist,so beschaffen ist, weil etwas – in diesemFall etwas dem Süchtigen innewohnendes,wenn auch in nachvollziehbarer Weise sei-

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nem „inneren Selbst„ oder seinem WillenExternes, und nicht die Handlungen irgendeiner anderen Person – ihn daran hindert,das zu tun, was er will. Ja, er möchte sichden nächsten Schuss setzen – aber er willes nicht wollen, so zu handeln: er wäresehr gerne nicht in der Situation, in der ersteckt. Aber etwas hindert ihn, und diesist etwas, welches, obwohl in ihm befind-lich, er sehr schwer in den Griff zu be-kommen empfindet. Zweitens, und diesgeht mehr auf den vorliegenden Punkt ein,kann eine Theorie politischer und morali-scher Gerechtigkeit und von Gerechtigkeitunter bestimmten Menschen, darauf be-stehen, dass die Probleme des Süchtigenseine eigenen sind, nicht die anderer Men-schen. Zu argumentieren, dass dies so ist,ist ein völlig unterschiedlicher Standpunktund kann nicht mit einer Unvereinbarkeitinnerhalb des Libertarianismus gleich ge-setzt werden.

Freiheit und das Gute für die MenschenDer Libertarianer nimmt an, dass Freiheitdie Abwesenheit von Hindernissen ist, daszu tun, was man will oder wollen könntezu tun. Wie steht es mit Hindernissen, dieuns nicht nur davon abhalten, etwas zuwünschen, sondern uns davon abhalten,das zu tun, was gut für uns wäre, selbstwenn wir es nicht wollen? Es ist unklar,ob wir Aussagen darüber unter die Über-schrift „Freiheit„ stellen sollten. Die Be-hauptung, dass sich die fragliche Personnicht im Zustand der Freiheit befindet, xzu tun, will ausdrücken, dass diese x nichttun könnte, selbst wenn sei es wollte; dennwenn sie x tun könnte, falls sie x wünsch-te zu tun, dann ist die Behauptung, dassihr Nicht-Wollen ein „Hindernis„ sei, et-was, das irgendwie eingreife in die „Frei-heit„, unverständlich – Hindernisse für die

Freiheit seien Hindernisse für jemandesWillen. Falls sie es andererseits überhauptnicht tun kann, ganz egal wie sehr sie eswünscht, dann ist die Verbindung mit demWillen erneut bestätigt, denn in solch ei-nem Fall kann sie nicht nach Beliebenhandeln. Jedenfalls bestehen die Liberta-rianer darauf, dass es bei derartigen Ange-legenheiten beim Handelnden liegt, dar-über zu entscheiden und es nicht der Fallist, dass eine Person zweckmäßigerweisefür eine andere (normale) Person entschei-den darf. Ansichten, dass wir Menschenzwingen dürfen, gut zu sein, ob sie es nunwollen oder nicht, im vorgeschlagenenSinn gut zu sein, werden von Libertaria-nern abgelehnt. Aber natürlich dürfen In-dividuen ihre Ansichten darüber, was gutfür sie ist, ändern und können versuchen,sich zu zwingen, sich an solche Ansich-ten zu halten.

Handlungen und Nicht-HandlungenEin äußerst wichtiger Streitpunkt betrifftden Zusammenhang von Nichthandlungenund Unterlassungen einerseits verglichenmit Handlungen andererseits. Nehmen wiran, dass falls A x nicht tut, B unfähig wird,y zu auszuführen, was er zu tun wünscht.x ist, wollen wir weiterhin annehmen, eineHandlung, die A eine nennenswerte Men-ge an Zeit und Energie, Geld und was auchimmer kosten würde. Sollten wir in die-sem Fall sagen, dass die Nichthandlungdes A für B ein Hindernis darstellt? Dieseweit verbreitete Ansicht ist sicherlichfalsch. Es wäre vom Standpunkt des Bgewiss sehr nett, wenn A x tun würde.Aber die Vorstellung, dass das Nichtstunvon x eine Beraubung von oder ein Ein-griff in die Freiheit des B ausmacht, istabsurd. Der Test hierfür wurde von Gau-thier geliefert. In Abwesendheit von A

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wäre B auch nicht imstande, y zu tun; sokann die Gegenwart des A nicht das sein,was die Unfähigkeit des B verursacht.Deshalb kann von den Aktivitäten des A,einschließlich seiner ausgewählten Nicht-Handlungen, nicht behauptet werden, dieSituation des B verursacht zu haben. Wirverursachen alles, was auch immer alsFolgen unserer Handlungen geschieht, dieansonsten nicht geschehen wären, hättenwir nicht so gehandelt wie wir gehandelthaben; wir verursachen nicht das Nicht-Vorhandensein, das wir imstande gewe-sen wären zu korrigieren, wenn wir unsdazu entschlossen hätten. Natürlich habensich manchmal Menschen vertraglich kon-kret zu positiven Verpflichtungen bereiterklärt, wie die Beaufsichtigung des Was-serflusses über einen bestimmten Damm.Wenn sie dann diese Verpflichtungen ver-nachlässigen, tragen sie eine Schuld. Aberdas liegt begründet in ihrer vorausgegan-genen Übernahme dieser Verpflichtungund nicht, weil ihre Nicht-Handlungen,einfach für sich genommen, Hindernissefür andere darstellen. Deshalb bleibt derUnterschied, anderen durch unsere Hand-lungen Hindernisse zuzumuten und demVersagen, Nicht-Vorhandenes zu besor-gen, Notlagen zu begegnen, oder allge-mein die Situation anderer zu verbessern,soweit wir dazu imstande sind, ein abso-luter. Töten ist begrifflich verschieden vonSterben lassen. Dies bedeutet nicht, dasses keinen Fall geben kann, der es gebie-tet, anderen Menschen zu helfen; es be-deutet aber sehr wohl, dass dieser Fallausschließlich auf einem Recht auf Frei-heit beruht.

ZwangZwang, so nimmt man gewöhnlich an,kollidiert mit Freiheit. Verursacht der den

Zwang Ausübende bei seinem Opfer Ko-sten? Das wurde bestritten, z.B. bei Steiner(Steiner, 1994, S 22-32), der darauf hin-weist, dass Zwangsausübung einer Dro-hung gleich komme, was tatsächlich Frei-heit beschneiden würde – aber falls dieseDrohung wirksam ist, dann geschieht kei-ne Gewalt, und dieser Umstand überlässtes dem Opfer, so zu handeln wie eswünscht.Es ist aber falsch, zu folgern, dass ZwangFreiheit nicht einschränkt. Zwang ist dieglaubhafte Drohung durch das Individu-um A mit für die bedrohte Person B wid-rigen Konsequenzen, falls B nicht demWillen von A folgt, sich in gewisser Hin-sicht dem, was A gerade gerne hätte, zuunterwerfen. Der Status Quo oder die Si-tuation, die an dem Punkt gegeben ist, wodie Drohung ausgesprochen wird, wirdvon B jedem anderen möglichen Ergeb-nis oder Zustand, den A dem B im An-schluss danach zugesteht, vorgezogen,vorausgesetzt, die Drohung des A istglaubwürdig. B würde lieber die Straßeweiter hinunter laufen, bei intakter Brief-tasche, als darauf zu verzichten, geschla-gen oder erschossen zu werden, oder zuversuchen, die Drohung des A durch ei-gene Gewalt zu kontern. Aber die von Aausgesprochene Drohung verschlechtert,wenn glaubwürdig, die Situation des B,und so wird seine Freiheit gemindert: Erist nicht länger frei, bestimmte bevorzug-te Optionen auszuwählen, die ihm vorherzur Verfügung standen. Zwang wird des-halb von den Libertarianern verurteilt,samt seiner offenkundigen Gewalt. Frei-heit ist die Abwesenheit von Hindernis-sen, aufgezwungenen Kosten, und derAnwender von Zwang bürdet seinemOpfer Kosten auf.

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Zahlreiche jüngere Arbeiten über Zwanghaben gefolgert, dass es sich hierbei umein wesentlich normatives Konzept han-delt. (Siehe Nozick). Die vorausgegange-ne Analyse (sie ist Rhodes zuzuschreiben)zeigt, dass dies nicht so ist. Das Opfer, B,muss natürlich seine Optionen bewerten,aber die Behauptung, dass B seine Optio-nen so angeordnet hat, wie er sie hat, istkeine bewertende Feststellung sonderneine Tatsache über die Werte oder dieVorlieben von B. Was immer man von die-sen Vorlieben hält, er ist dazu gezwungen.Deshalb kann ein angehender Libertaria-ner ohne jeden Zirkel im Argument be-haupten, dass Zwang unangebracht ist.

2.5. Das Problem des BezugspunktesWenn es möglich ist, die Vorstellung, an-deren auf eine Art und Weise zu begeg-nen, die sie nicht schlechter stellt, anzu-wenden, dann besteht Hoffnung, ein all-gemeines Prinzip vorzubringen, dass wiralle darauf verzichten sollen, anderen ge-genüber so zu handeln, was ihnen etwaszumutet oder ihre Situation verschlechtert.So schrieb kürzlich ein Autor, dass Frei-heit „die Abwesenheit zugemuteter Ko-sten ist„. (Lester, S 57-59) Funktioniertdies? Einige Autoren haben bekannt, dieszu bezweifeln indem sie behaupten, dasswir einen Hintergrund an Gesetzen oderRegeln bräuchten, die festlegen, wer beiwem eingreift – wir könnten es einfachnicht als Tatsache anerkennen, dass A demB etwas zumutet oder umgekehrt. (Füreine klare, wenn auch etwas formale Dar-stellung dieser Behauptung siehe Vimitz)Diejenigen, die dies sagen, fragen nichtnachdrücklich genug, ob der Hintergrundder Regeln, die sie als notwendig für die-se Zwecke behaupten, willkürlich ist odernicht. Wenn das der Fall ist, dann gibt es

vermutlich keine unparteiischen, nicht-ideologischen Prinzipien. Libertarianersind andererseits ganz fest der Ansicht,dass Zumutungen von Grund auf feststell-bar sind – dass es eine nicht-willkürliche,natürliche Basis dafür gibt, zu sagen, dassbestimmte Fälle Beispiele für Zumutun-gen sind und andere nicht.

2.6. Besitzanspruch (Ownership)Etwas zu besitzen ist das Recht darauf,zu bestimmen, was damit passiert, soweitder Besitzer dies innerhalb der Grenzender Rechte von Dritten festzustellen im-stande ist. Das Recht auf x zu haben istdas Recht, mit x zu tun was einem beliebt(innerhalb oben genannter Grenzen), unddeshalb das Recht, beliebigen anderen zuerlauben oder zu verbieten, x zu nützen,jeweils abhängig von der eigenen aus-drücklichen Zustimmung. Da Handelneinfach darin besteht, den eigenen Kör-per und/oder Geist zu benützen, ist es klar,dass das Recht des Besitzanspruches aufsich selbst (self-ownership) dasselbe istwie das allgemeine Recht auf Freiheit: (so-ziale) Freiheit zum Handeln ist offensicht-lich die Freiheit, den eigenen Körper oderGeist zu nützen, wobei darin alle Hand-lungen, die von anderen nicht behindertwerden, einbezogen sind. (Narveson,1995, S 27).

Besitzanspruch auf sich selbst (Self-Ownership)Der natürliche Bezugspunkt, auf den sichLibertarianer in erster Instanz berufen,sind unsere Körper. Wenn eine Person Aeine andere Person B schlägt, auf sie ein-sticht oder schießt oder auf sonstige be-liebige Weise den Körper von B beschä-digt – dann stellt dies alles eine großeMenge klarer Fälle dar, auf welche wir uns

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beziehen können. Natürlich würde danndie Frage aufgeworfen, ob das Objekt die-ser Übergriffe etwas getan hat, was die inFrage kommende schlechte Behandlungverdient. Falls wir diese Frage objektivebeantworten können, dann können wireine große Klasse von Paradigmen aus-machen, um die ursprüngliche Idee inGang zu bringen. Wir können die Ge-schichte der Person B untersuchen undheraus finden, ob es irgend eine Person Cgibt, welche B irgendwann vorher einmalgeschlagen, getötet, verstümmelt oder aufsonstige Weise körperlich geschadet hat(selbstverständlich hätte diese Personebenfalls auch A selbst gewesen sein kön-nen). Falls B nicht so gehandelt hat unddies hinreichend für seine „Unschuld„wäre, dann sind wir frei, ein Prinzip zuformulieren mit der Wirkung, dass, fallsA dies der Person B unter jener Bedin-gung zufügt, dann A die Freiheit von Bverletzt hat. Dies ist natürlich nicht hin-reichend, aber ein brauchbarer Anfang.(Siehe nächsten Abschnitt) Der Liberta-rianer meint, dass wir jedermanns Frei-heit zu einem Recht machen sollten: Dasheißt, dass wir es als einen begründetenStandpunkt vorbringen sollten, dass Zu-mutungen oder beabsichtigte Zumutun-gen gegen jedermanns Freiheit ein Grundsind, zu handeln, um sie zu heilen oder zuverhindern; und genau dies leistet das Li-bertarianische Prinzip. Dieses Recht ent-spricht einem Recht auf Besitzanspruchauf sich selbst. Jede Person wird dann sobetrachtet, als würde „sie sich selbst be-sitzen„ im selben, einfach verständlichenSinne, wie wir alle möglichen Dinge be-sitzen können wie Autos und Fußbälle:nämlich imstande zu sein, zu tun, was ei-nem mit dem in Frage kommenden Selbstgerade beliebt; gleichzeitig ist man nicht

imstande, dies mit anderen zu tun; viel-mehr müssen ihre Bereitschaft oder ihreZustimmung herbei geführt werden, be-vor man es mit anderen tun kann.Beim Versuch, diese Vorstellung auszu-arbeiten, gibt es viele Probleme. Wichtigist hier die Frage, wie man entscheidet,wer an der Kreuzung nachgibt. „Besitzen„wir Dinge wie Wege und Routen, wennwir auf ansonsten herrenlosem Eigentumherum laufen? Was immer wir auch dar-über sagen, es ist klar, dass MenschenRegeln, welche die Angelegenheiten der-artigen Verkehrs steuern, erfinden müssenund dies auch werden, und vielleicht istes sehr schwierig, dies auf der Basis desreinen Freiheitsprinzips zu tun, wenn wirschließlich nicht so etwas wie Einschät-zungen der Freiheitsgrade vornehmen.Nichtsdestotrotz gibt es eine natürlicheGrundlage, die sich auf einige Fälle leichtanwenden lassen wird: Erste Besitznah-me oder erster Gebrauch. Erster Gebrauchoder erste Besitznahme sind wichtig, fallsAlice an einem bestimmten Ort zu einerbestimmten Zeit ist, bestimmte Handlun-gen ausführt, die sie begonnen hat, unddann Bob etwas später auftaucht, und die-ser Bob dann, um imstande zu sein, denWeg oder die Rohstoffe, die Alice benützthat, auch zu nützen, und vermutend, dassAlice es nicht wünscht, diesen mit Bobzu teilen, er dann Gewalt anwendenmüsste, damit sie seinen Wünschen ent-gegen kommt – und dies ist genau das,was der Libertarianismus verwirft. Erst-gebrauch ist natürlich durch viele Dingebeschränkt, insbesondere in Fällen, inwelchen es schwierig wäre, zu sagen, wer„zuerst„ da war. Falls es deshalb eine „Ge-meinschaftsnutzung„ bei einigen Gruppenvon Menschen gibt, die sich lange freifühlten, etwas zu verwenden, und keiner

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irgendeine Vorstellung davon hat, wer diesvielleicht zuerst herbeigeführt hat, dannkann, aus libertarianischen Gründen, keinMitglied ein Recht auf Privatisierung ei-nes Anteils ohne Verhandlung mit demRest beanspruchen: Denn von allen Mit-gliedern kann gesagt werden, in gleicherWeise der „Erste„ zu sein. (Siehe die fol-genden Abschnitte)

Äußerer BesitzanspruchDas Recht eines jeden auf seinen Körperund Geist beschränkt die Handlung einesjeden beträchtlich; aber es lässt auch ei-nen großen Manövrierraum – buchstäb-lich, in dem wir unter zahlreichen Um-ständen herumgehen oder -laufen oderverschiedene andere Bewegungen durch-führen können, ohne mit jemandem zu-sammenzustoßen. Manchmal können wirvon B, der mit A kollidiert, sagen, dass B„den Weg von A gekreuzt hat„. Es gibtoft eine Grundlage, eher einer bestimm-ten Person (oder meinetwegen einem Fahr-zeug) das Durchgangsrecht zu verleihen,als irgend jemand anderem, und von den-jenigen, die dagegen verstoßen, zu sagen,dass sie sich im Unrecht befinden. Wennwir dies nicht „natürlicherweise„ sagenkönnen, dann bleibt uns ein weiteres: die-jenigen unter uns, die sich in dem Gebietzu einer bestimmten Zeit aufhalten, kön-nen eine Übereinkunft abschließen mit derWirkung, dass dies das Territorium vonSmith ist, jenes das von Jones, dass esaußerdem ein Gemeinschaftseigentumgibt, welches beide nutzen können, vor-ausgesetzt, sie respektieren gewisseDurchgangsrechte, usw. Was jedoch bliebtist der Vorrang desjenigen, der zuerstkommt – der zufällig unbenützte Rohstof-fe findet und sie zu verwenden beginnt,bevor andere daher kommen. Der erste

Verwender investiert darin Energie undAufmerksamkeit; seine Anstrengungenkönnen durch andere, die derartige frühe-ren Anstrengungen nicht respektieren,ruiniert oder nutzlos gemacht werden. DerLibertarianer sieht dies als einen Eingriffan und verbietet dies deshalb. Die Regelbesteht darin, mit einer Person, die sichbereits auf dem Schauplatz befindet, eherzu verhandeln als Gewalt anzuwenden.Dies und unser Interesse, Gegenstände zubenützen, ist die Grundlage des Rechts aufEigentum an Objekten außerhalb unseresKörpers. Die Menschen beginnen mit derNutzung von Dingen im Ursprungszu-stand; wenn die Verwendung angefangenhat, dann müssen sich weitere Verände-rungen durch andere aufgrund gewaltlo-ser Übereinkunft zwischen dem ursprüng-lichen Nutzer und dem angehenden neu-en Nutzer vollziehen. Dies ist die Grund-lage ökonomischen Tausches, wenn Men-schen es unternehmen, ihre Güter durchdas Anbieten von Dienstleistungen einzu-bringen. Dies geschieht z.B. durch dieÜbertragung von Rechten auf Güter, diesie auf legitime Weise erworben haben,auf andere im Tausch für von ihnen vor-gezogenen Dienstleistungen oder Güter indie legitime Gewalt der jeweiligen Part-ner.Wie weitgehend zugegeben, sind Erst-Gebrauch und Erst-Besitz aus mehrfachenGründen problematisch. Robert Nozick(siehe Nozick 1974) bietet ein berühmtesBeispiel: Falls er seine Dose Tomaten-ketchup in das Meer schüttet und sie gutverrührt, kommt er auf diese Weise in Be-sitz des Meeres? Ganz klar nein. Aber esist weitaus weniger klar, warum dies sooffensichtlich und ziemlich wichtig ist.Ein offensichtlicher Punkt ist, dass dasMeer von vielen benützt und seine Küsten

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von vielen besessen werden, die schon vordem Ketchupverrührer da waren. Ein wei-terer ist, dass der Unterschied, den dasKetchup dem ganzen Meer zufügt, unend-lich klein ist, was den Anspruch imHöchstmaß ausdünnt. Aber ein genauesKriterium für solche Dinge einzuführenwäre extrem schwierig, noch ist es fürgewöhnlich notwendig.Es ist Anlass intensiver Diskussion, ob eseine innewohnende Grenze für z.B. dieMenge an natürlichen Rohstoffen gibt, diejedes Individuum legitimer Weise erwer-ben kann, wenn es sich einfach als ersterBenützer jenes Rohstoffes vorfindet.„Links-Libertarianer„ behaupten z.B. all-gemein ein grundlegendes Recht auf ei-nen gleichen Anteil an natürlichen Roh-stoffen, und viele Libertarianer denken,dass eine gewisse Beschränkung dem„Lockeschen Vorbehalt„, wie er gewöhn-lich genannt wurde, innewohnt. (Siehe dieberühmte Diskussion in Nozick, S 175-183) Andere lehnen diesen Vorbehalt injeder anderen Hinsicht als der, wie sie derallgemeinen Idee des Libertarianismus ei-gen ist, ab, nämlich dass Menschen annatürlichen Rohstoffen das erwerben mö-gen, was immer sie können, so lange sieauf diese Weise nicht in ein vorher erwor-benes Eigentum und in früher veranlassteTätigkeiten, oder natürlich in die Körpervon anderen, eindringen. (Siehe Narveson,1999) Wie weit der Libertarianer diese Sa-che plausibel voran treiben kann, ist nichtleicht zu sagen. Andererseits führt es vonder Grundidee weg, wenn man Überlegun-gen wie Gleichheit oder Bedürfnisse oderandere mögliche Dimensionen einführt;eine Theorie, die sich irgend einer ande-ren Quelle wie die der Freiheit nähert,lockt uns in ein Gebiet, das dem Gedan-kengut des Libertarianismus fremd ist.

Libertarianer verweisen auf die sozialenVorteile der Institution des Privateigen-tums hin, und es gibt deren viele – tat-sächlich wurden derartige Vorteile vonAristoteles bemerkt, der betont, dass in-dividuelle Personen auf ihre eigenen Sa-chen sehr acht geben und auf Gemeingutgar nicht so gut. Aber zwei Punkte dürfenhier nicht vergessen werden. Erstens be-stehen die Libertarianer darauf, dass Men-schen ein uneingeschränktes Recht dar-auf haben, ein gemeinschaftliches Grup-penleben zu begründen, wenn sie es wün-schen; das einzige Anliegen der Theorieist, dass die Beziehungen zwischen denMenschen freiwillig sei und nicht von ir-gend einer anderen Sorte. Zweitens ist essehr unklar, ob der Appell an die sozialenVorteile von Privateigentum mit all seinenBezügen zum freien Unternehmertum undKapitalismus tatsächlich eine grundlegendverschiedene Art der Rechtfertigung fürlibertarianische Verhaltensregeln ist odernicht. Ist es wirklich logisch zufällig, dassGesellschaften mit freier Marktwirtschaftmateriell erfolgreicher sind als andere?Dies bleibt ein interessanter Gegenstandweiterer Überlegung.

2.7. Freiheit und die Frage des FreienWillensAlles Reden über Handlungen ‘soweit sieinnerhalb unserer Kontrolle sind’ erhebtdie berühmte Frage über die „Freiheit desWillens.„ Sind menschliche Handlungenletzten Endes stets von irgendetwas außer-halb ihrer selbst verursacht? Wir habenkeine Wahlmöglichkeit hinsichtlich unse-rer Eltern, welche genetischen Profile wirerben, welchen Einflüssen wir in unsererKindheit ausgesetzt sein werden. Bestim-men Einflüsse, die wir nicht in Kontrollehaben, letztendlich, was wir tun wollen

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und wofür wir uns deshalb entscheidenwerden? Wenn dem so ist, wie können wirdann „frei„ sein? Es erhebt sich auch dieFrage, ob es vernünftig ist, Menschen un-ter diesen Umständen für ihre Handlun-gen verantwortlich zu halten.Diese Fragen weiter zu verfolgen würdeuns weit von der vorliegenden Untersu-chung weg führen. Das beste, was wir tunkönnen, ist, darauf hinzuweisen, dassTheorien über den Determinismus, wennsie wahr sein sollen, mit den bekanntenTatsachen vereinbar sein müssen. Men-schen treffen irgendwie Entscheidungen,welche sehr große Unterschiede für dasbedeuten, was sie tun. Wir wissen auch,dass Menschen durch Drohungen, Ange-bote, Ratschläge und Überredung durchandere beeinflusst werden können. DieseTatsachen kann keine Theorie verleugnen.Die Sozialphilosophie muss diese vertrau-ten Dinge ohne, allgemein gesprochen, siezu erklären zu wollen, voraussetzen. Indieser und in fast jeder anderen Hinsichtbleiben wir innerhalb des Bereichs des-sen, was die Philosophen in der letzten Zeitals „Alltagspsychologie (folk psycholo-gy)„ zu nennen pflegen.Noch ein Punkt soll hier zur Sprache kom-men. Einige Autoren scheinen zu denken,dass es einen bedeutsamen Unterschiedfür die Ethik ausmacht, wenn der meta-physische Determinismus wahr ist. Aberdas ist sehr zweifelhaft. Nehmen wir an,wir argumentieren wie folgt: Da jedeHandlung bestimmt ist, können Lob undTadel niemals vernünftig sein, und ausdiesem Grund sind wir gegen beispiels-weise die Bestrafung von Verbrechen.Aber dies würde keinen Sinn machen –denn falls die allgemeine Theorie wahr ist,muss auch wahr sein, dass wir unaus-weichlich dazu bestimmt sind, diese Men-

schen zu tadeln oder zu loben, usw. DieAnsicht, wir „sollten nicht„ tadeln, weilder Determinismus, dies als „unvernünf-tig„ aufzeigt, setzt tatsächlich voraus, dassder Determinismus entweder nicht wahrist oder dass er belanglos ist, denn er kannkeinen Grund liefern, der irgendeine ge-troffene Entscheidungen, verglichen mitanderen, rechtfertigt.

2.8. Neuverteilung und GleichstellungDas vielleicht kennzeichnendste und um-strittenste Merkmal des Libertarianismusist sein Widerstand gegenüber jedweder„Neuverteilung„ – einigen Personen daswegzunehmen, was sie durch freiwilligeTätigkeit eingenommen oder erworben ha-ben, um es anderen ohne die Einwilligungdes Beitragsleistenden zu geben, und dasgewöhnlich nur im Interesse einer reinenGleichstellung oder Erfüllung von Bedürf-nissen. (Die Ansicht, welche oben als„Links-Libertarianismus„ hervorgehobenwurde, erhebt selbstverständlich diesenEinwand nicht.) Libertarianer sagenmanchmal, das diese Vorgehensweisewesentlich den unfreiwilligen Beitrags-leistenden zu einem Sklaven der Personenmacht, welche die Neuverteilung erzwin-gen, oder vielleicht zum Sklaven der Emp-fänger. (Nozick, Kap. 7; Thomson, 49-65;Cohen (1995), Kap. 9,10) Vielleicht maltdas Wort „Sklaverei„ ein zu drastischesBild, aber die Angelegenheit ist eindeutiggenug: sind Handlungen, die einer Persongegen ihren Willen zum Zweck der För-derung des Wohlergehens von jemandemanderen zugemutet werden, gerechtfertigt?Auf diese Frage antwortet der Libertaria-ner negativ.Um sich von dem Problem eine klare Sichtzu verschaffen, müssen wir zwischenHandlungen unterscheiden, die im Augen-

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blick gegen den momentanen Willen desIndividuums, soweit wir ihn kennen, sind,denen es aber zustimmen würde, wenn wirZeit genug zu fragen hätten, und wenn esZeit zum Nachdenken hätte. Wir müssenebenfalls beachten, dass wir manchmalAngebots-„Pakete„ vor uns haben, undwir zustimmen würden, dass wir durcheinige Vorteile ausreichend Ausgleich er-halten, um uns für die Kosten empfäng-lich zu machen, die uns ohne unsere un-mittelbare Zustimmung entstehen. Trotz-dem scheint es möglich, eine Vorstellungvon „Netto„-Kosten für jemanden zu for-mulieren, Kosten, die, nicht im Kontext,wenn mal alles berücksichtigt, von dieserPerson akzeptiert werden, von der wir an-nehmen, dass sie hinsichtlich vergange-ner oder beabsichtigter übler Absichtenanderen gegenüber unschuldig ist. Die Li-bertarianer behaupten, dass die Zumutungsolcher Kosten niemals gerechtfertigt ist,es sei denn, dass die Handlungen jenes In-dividuums, die damit im Zusammenhangstehen, wiederum irgend eine weitere Per-son schädigen würde. Der entscheidendeFall wird dann vorliegen, wo dies eben-falls nicht gegeben ist, aber die Person,die Nutzen daraus zieht, in verzweifelterNot ist – vor der Schippe des Todes –während der Wohltäter sich den beabsich-tigten Eingriff leicht leisten kann.

Schärfe der RänderDer letzte Punkt bringt uns zur interessan-ten Frage über die Präzision oder Schär-fe, mit der wir die Linie darum ziehenkönnen, was einer Person Angelegenheitist und was die einer anderen. Nehmenwir an, dass im Laufe der Bemühungendes A, den B zu retten, A leicht gegen Cstreift; macht dies die Bemühungen desA in libertarianischer Sichtweise unge-

rechtfertigt? Wenige würden dies sagen.Oder nehmen wir an, A muss unwesentli-chen Gebrauch des Eigentums von B ma-chen, ohne dessen Erlaubnis. Falls A ei-nen Apfel vom großen Obstgarten des Bwegnehmen muss, um C auf diese Weisevor dem Verhungern zu bewahren, solltedies A abschrecken? Es sollte wahrschein-lich angenommen werden, dass die Theo-rie nicht so genau ist, um solche Hand-lungen ganz klar zu falschen zu machen.

3. Warum Libertarianismus?Die Probleme der Meta-Ethik sind weitgestreut und hunderte von tausenden vonSeiten sind ihnen in Büchern und Artikelngewidmet worden. Aber die Grundlagenfür die Auffassungen, die den allgemeinakzeptierten Ansichten nun mal so entge-gengesetzt sind wie die der Libertarianer,würden als eine dringendere Angelegen-heit erscheinen als die Grundlagen für diegewöhnlichen Auffassungen, mit derenGewöhnlichkeit sie sich aber den Men-schen geradezu empfehlen. Die kurzenDiskussionen, die nun folgen, dienen, dieVielfalt der Vorgehensweisen anzudeuten,welche in dieser Angelegenheiten gewähltwurden.

3.1. Intuitionen über natürliche RechteDie Amerikanische Unabhängigkeitser-klärung beginnt mit der berühmten Prokla-mation: „Wir halten diese Wahrheiten fürselbstverständlich...„ Viele Libertarianerscheinen es als selbstverständlich zu be-trachten, dass wir den allgemeinen Typvon Rechten haben, welchen das liberta-rianische Prinzip behauptet. (Hospers)Damit ergeben sich zwei Probleme. Daserste ist das allgemeine Problem, das wirmit jedem Appell an irgend eine Intuitionhaben: Was ist, wenn andere nicht diesel-

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be Intuition wie der Autor haben? Wenndas einzige, worüber wir verfügen, umandere zu überzeugen, die Feststellungunserer Position ist, und sie diese dannnicht annehmen, dann ist der Verfechter,dialektisch gesprochen, in einer ziemlichschwachen Position. (Narveson, 1988, S110-121) Besonders für moralische undpolitische Ansichten gibt es reichlichGrund zu denken, dass wir an Prämissenappellieren sollten, die von allen akzep-tiert werden – was im Fall des libertaria-nischen Prinzips ganz klar nicht der Fallist. Aber dies bringt uns zum zweitenPunkt. Dieser besteht darin, dass das, wasder Libertarianer plausibler weise zu seinbehaupten kann, wenn auch nicht exaktselbstverständlich, so doch sehr allgemeinakzeptiert ist. Dies sind Behauptungen wiedie, dass Menschen sich selbst besitzenund dass Aggression falsch ist. Was je-doch den Libertarianismus so sehr kenn-zeichnet, ist seine Feststellung, dass dieeinzigen menschlichen Handlungen, wel-che es rechtfertigen, dass wir auf Gewaltzurückzugreifen, um sie in den Griff zubekommen, aggressive Handlungen sind.Viele Menschen glauben, dass menschli-che Erfordernisse beispielsweise oder viel-leicht meinetwegen Gleichheit auch einenAnspruch an uns haben. Wir können dieBehauptung nicht widerlegen, dass wir dasRecht haben, den wohlhabenden Peter zuzwingen, das zu tun, was den völlig erle-digten Paul vor dem Verhungern rettet,indem wir ausschließlich darauf hinwei-sen, dass dies Gewalt gegenüber unschul-digen Menschen bedeutet würde – d.h.Menschen, die unschuldig hinsichtlich derVerwendung von Betrug oder von Gewaltgegenüber anderen sind. Das ist letztend-lich das Thema.

Es besteht auch einige Gefahr, Definitio-nen mit realen Prinzipien zu verwechseln.Man betrachte sich die Formulierung, „esist unrecht, das Eigentum anderer Men-schen zu stehlen.„ Was aber können wirmit „ihrem Eigentum„ meinen, außer, wasihnen gehört, d.h. worauf sie ein Rechthaben? Dass Menschen ein Recht daraufhaben, ein Recht darauf zu haben, ist na-türlich wahr, aber dies zeigt kaum, dassdas, was diese Person zu besitzen behaup-tet wirklich bedeutet, es gehöre zu ihr indem strengen Sinne, dass es keinen ge-rechten Grund dafür geben kann, sie die-ser Sache zu berauben. Der Libertarianerbehauptet, starke reale Prinzipien zu ha-ben. Die Person, welche x aus vorher be-sitzlosem y fertigt, sagt der Libertarianer,besitzt x; denn die Geschichte seinesUmgangs mit y ist es, was die Beschrän-kung der Handlungen anderer bezüglichx rechtfertigt. Dies ist nicht überflüssigesGeschwätz oder lässt keine Frage außenvor; der Libertarianer behauptet, dass diesauch stimmt.

3.2. Theologische AppelleUm sein sehr libertarianisch scheinendesNaturgesetz zu unterstützen, schreibt JohnLocke, „Da die Menschen das Werk deseinen Allmächtigen und unendlich weisenSchöpfers sind, ... sind sie sein Eigen-tum...„ (Locke, Sekt. 6.) Derartige Appellesind weniger häufig als sie es einst wa-ren, aber in einigen Zirkeln noch von Ein-fluss. Doch werfen sie zu viele unüber-windliche Probleme auf, um von irgend-einem Nutzen zu sein. Einmal akzeptie-ren viele Menschen nicht den Standpunkt,dass es einen Gott, gleich welcher Art,gibt; und andere werden es wohl genausoverneinen, dass Gott ein Libertarianer ist.Ganz allgemein wird ein Glaubender sei-

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nem Gott die Art von moralischem Glau-ben zusprechen, welcher der Glaubendegerade hat, so dass die Theologie anzuru-fen als Versuch, diesbezügliche Uneinig-keiten zu regeln kaum erwarten lässt, hilf-reich zu sein. Mittlerweile ist die Reich-weite von moralischen und politischenPrinzipien offensichtlich so beschaffen,dass Theoretiker einfach nicht die Exi-stenz von Milliarden offensichtlich ver-nünftiger Menschen missachten können,welche diese Voraussetzungen nicht tei-len. Appelle an die Theologie, um Proble-me der moralischen und politischen Theo-rie zu regeln, sind notwendiger Weise imbesten Fall nutzlos und natürlich potenziellstörend oder noch schlimmer – wie es derDreißigjährige Krieg illustriert.

3.3. Aristotelische AnsichtenEinige prominente Libertarianer – beson-ders jene, die ihre Anregungen von denWerken der Romanschriftstellerin AynRand2 ) holen – behaupten, dass uns eineangemessene Einschätzung der mensch-lichen Natur zeigen wird, dass die tugend-hafte Person libertarianisch sein wird. DieTheorie beruft sich auf die Teleologie, jeneThese, dass lebendige Dinge wesentlichin einem Entwicklungsprozess einbezogensind, der auf „Erfüllung„ zielt; im Fallevon Menschen würde dies natürlichmenschliche Erfüllung bedeuten. Dieswiederum heißt, dass erfolgreich leben vorallem rational zu leben meint, und dieswiederum führt uns zur Anerkennung ei-ner Anzahl von Tugenden, deren wichtig-ste Ergiebigkeit ist. Hierfür brauche wirFreiheit. Allgemeiner ist „das Recht aufFreiheit die Spezifizierung einer Norm fürsoziales Verhalten, welches eine notwen-dige Bedingung für ein menschliches Le-ben schützt.„ (Rasmussen, S 48) Um dies

alles funktionierend zu machen, scheinenjedoch die meisten Fragen außen vorge-lassen zu sein, oder es werden irreführen-de Bezüge verwendet. Freiheit auf derEbene der Libertarianer könnte beispiels-weise für menschliches Leben nicht not-wendig sein, denn jeder Libertarianer wür-de dem zustimmen, dass Freiheit seltenvorkommt und eine vollständige libertaria-nische Freiheit fast nie vorliegt – doch dasind wir nun, wir sechs Milliarden Men-schen, und fast keiner von uns hat jemalsin einer vollkommen libertarianischen po-litischen Ordnung gelebt. Dass politischeund moralische Freiheit, wie sie von Li-bertarianer beschrieben wird, für das Le-ben buchstäblich notwendig sei, ist ganzklar falsch. Der Bezug kann nicht lauten,überhaupt zu leben, sondern gut zu leben.

Selbst dann sind viele nähere Bestimmun-gen nötig; und es ist sicher überhaupt nichtoffensichtlich, das wir nicht gut auf Ko-sten anderer leben können. Falls „die Aus-übung von Tugend Freiheit erfordert,„(Rasmussen, S 49) dann scheint das Netto-ergebnis nur darin zu bestehen, zu verkün-den, dass Freiheit tatsächlich eine Tugendist. Aber das lässt uns bei der ursprüngli-chen Frage: Warum ist sie eine Tugend,und warum insbesondere ist dieses ein-zigartige Festhalten daran, das sich dieLibertarianer zumuten, eine Tugend – eineTugend, welche praktisch alle anderenbeherrscht?

3.4. RationalismusEin anderes Argument (Hoppe) beinhal-tet, dass Menschen den Besitzanspruchauf sich selbst wirksam voraussetzen,selbst beim Unterfangen, für etwas zu ar-gumentieren. So müssen die Stimmbän-der von jemandem und allgemein die Fä-

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higkeit, Sprache zu erzeugen, im Verlaufder Argumentation des jeweiligen Men-schen als die eigenen gedacht werden. Er(Hoppe) beharrt darauf, dass jemand, derdies abstreitet, eine Art logischen Wider-spruch begeht. In gleichem Stil argumen-tiert Hobbes, dass Menschen, die Zusa-gen nicht einhalten, sich selbst widerspre-chen (Hobbes, Kap. XIV). Aber anschei-nend hat Hoppe hier de facto Kontrollemit Besitzanspruch verwechselt; wie wiroben fest stellten, ist es nicht möglich, indieser Weise von dem einem zum ande-ren zu gelangen. Wenn jemand argumen-tiert, dann bewegt er natürlich die Lippenund ähnliches, aber er muss damit nichtbehaupten, dass er ein Recht darauf hat,dies zu tun. Ein ähnlicher Fehler ist beiAlan Gewirths Argument für Menschen-rechte zu finden (Gewirth, 16-20; Narve-son, 1997, 487-489) Was er natürlich nichttun kann, ist, sich vernünftiger Weise zubeschweren, wenn sich jemand dafür ent-scheiden sollte, ihm auf jene Lippen zuschlagen – und dies ist sicherlich ziem-lich wichtig. Noch scheint der Rationalis-mus dieses allgemeinen Typs ein ziemlichschwaches Schilfrohr im Wind zu sein.Um es zu stärken, müssen wir zeigen, dasswir alle echte Gründe dafür haben, die Artvon Normen zu akzeptieren, für die wirargumentieren, und nicht durch irgendei-ne Großtat logischer Fingerfertigkeit, dasswir sie angenommener Weise bereits an-erkennen. (Kinsella) Vielleicht ist es das,wohin diese Ratioanalisten dann tatsäch-lich geraten.

3.5. Der Wert der FreiheitWarum würden Menschen Freiheit schät-zen? Können wir überhaupt annehmen,dass sie es tun? Oder dass sie es sollten?Und falls sie ein Wert ist, von welcher Art

ist sie es dann? Dies sind irreführendeFragen. Freiheit ist nicht ein weiteres Gutwie Erdnussbutter oder Rachmaninoff: sieist eher eine notwendige Bedingung fürHandlungen in dem Sinn, dass falls wir xtun, es der Fall gewesen sein muss, dass,per Definition, nichts uns daran hinderte,x zu tun. Freiheit ist die Bedingung, et-was tun zu können, was immer es auchist, die Freiheit, das zu tun, was gerade inFrage kommt. Und dies bedeutet, dass esnicht wirklich irgendwie völlig in der Lufthängt, ob Freiheit etwas Gutes ist odernicht. Freiheit ist so gut wie das, was durchHandeln erreicht werden kann: Falls x gutist, dann ist die Freiheit, es zu erlangen,gut. Insofern also die Anfangsfragen Sinnmachen, gibt es eine offensichtliche undfertige Antwort auf sie. Nehmen wir an,wir wollen etwas tun, x; wir sehen x alswertvoll an, entweder an sich oder weil esetwas anderes erzeugt, was wir schätzen.In so einem Fall handelt jeder, der unsdaran hindert, x zu tun, oder der es unsschwerer macht, x zu tun, als es anson-sten wäre, so, dass wir Grund haben, nichtzu wünschen, dass es geschieht, soweit esgeschieht. Der Grund ist der, dass wir xwünschten und es nun entweder nicht er-halten können oder nur mit größeren Ko-sten. Aber Kosten stellen per Definitioneinen Unwert dar, so sind ihre Abwesen-heit ein Wert. Deshalb haben wir einenGrund, dass wir uns im Zustand der Frei-heit befinden.Sicherlich wägen und ordnen wir unsereZwecke. Einige bedeuten uns viel, einigeweniger. Der Wert der Freiheit wird auchdavon sehr stark betroffen werden. Wirwerden sogar auf die reine Freiheit ver-zichten, Dinge zu tun, die wir vielleichtmögen im Interesse darauf, imstande zusein oder besser imstande zu sein, etwas

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zu tun, was uns mehr bedeutet. Prima facieist „der Wert von Freiheit„ nicht eine ein-zelne Menge: abstrakte Erklärungen überden Gegenstand sind, so müssen wir zu-geben, wahrscheinlich von mäßigem In-teresse.Sind sie überhaupt von Interesse? Daswäre besonders dann der Fall, wenn wireinige allgemeinen Gründe für die Anord-nung von Freiheit über andere Zwecke voneinem sozialen Gesichtpunkt aus findenkönnten. Das heißt, selbst wenn ich mei-ne Freiheit, x zu tun, viel höher schätzeals meine Freiheit, y zu tun, und falls ichinsbesondere den Besitz von x so sehrschätze, dass ich willens wäre, sogar aufmeine Freiheit, y zu tun, zu verzichten,wenn dies der Preis ist, x zu haben, ichdann doch dagegen sein kann, dass ande-re Menschen diese Entscheidung für michtreffen. Die Entscheidungsfreiheit darüberzu bewahren, welche besonderen Freihei-ten ich weiterhin beibehalten will und aufwelche ich verzichte, scheint ein plausi-bler allgemeiner Wert zu sein. Aber diesunterscheidet sich sehr davon, klassischeMusik oder Bogenschießen oder VanGoghs zu schätzen. Freiheit ist kein Wertan sich, und es ist tatsächlich missver-ständlich, sie einen „Wert„ zu nennen; sieist vielmehr eine Bedingung für Handlun-gen.

Eine allgemeine Betrachtung von FreiheitDies wirft eine allgemeine Betrachtungdarüber, was Freiheit ist, auf. UnsereZwecke sind, was uns etwas bedeutet. Undgenau weil dies so ist, sind wir darumbesorgt, über die Mittel für diese Zweckenachzudenken. Die Mittel, die ich viel-leicht anwende, sind zunächst einseitigsteuerbare Handlungen meinerseits. Fallsich die Handlungen von jemandem ande-

ren heranziehen oder beherrschen kann,sind solche Handlungen meine Mittel nurinsoweit, als ich etwas tun kann (wie ei-nen Befehl geben), was unter meiner ei-genen Kontrolle steht. In diesem Sinnehabe ich nicht nur einfach die Wahl, einbeliebiges Ziel mit meiner eigenen Hand-lung oder die eines anderen zu erreichen:das Meine ist grundsätzlich alles, was mirzur Verfügung steht. Ob und in welchemAusmaß ich so handeln werde, um meineeigenen Optionen durchzusetzen, ist eineallgemeine und wichtige Frage für mich.Aber ob und in welchem Ausmaß ich dieHandlungen anderer durchsetze, ist nichteine Frage derselben Art. Meine Kontrol-le der Handlungen anderer hängt von ih-ren Entscheidungen ab, nicht nur von mei-nen: Was ich also tun muss, ist unter Op-tionen zu wählen, die darauf zielen, ihrVerhalten so zu beeinflussen, dass dies dieerwünschte Durchsetzung meiner Optio-nen zustande bringt.Freiheit hat mit der Beziehung zwischenden Zwecken einer Person und den Mit-teln zu tun, durch welche diese erreichtwerden sollen: sie liegt vor, wenn keinäußerer Eingriff existiert, welcher die ei-genen Handlungen einer Person , die Zie-le durchzuführen, verhindert. Der Punktdieser „allgemeinen Betrachtung„ ist fol-gender: Die Beziehung zwischen den ge-gebenen Zwecken einer Person und denHandlungen derselben Person, die daraufzielen, diese Ziele zu erreichen, ist nichtwirklich ein Gegenstand von Überlegung.So liegen die Dinge nun mal. Oder wieKant es formuliert, „derjenige, der einenZweck erreichen will, will die Mittel, dienotwendig sind, diesen zu erreichen.„(Kant, Grundlegung zur Metaphysik derSitten, S 62) Aber die Themen, möglicher-weise die Handlungen eines anderen zur

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Erreichung von dessen Zielen zu verhin-dern, oder anders herum des Versuchs,dieser Person bei der Erlangung dieserZiele zu helfen, sind ganz bestimmt Ge-genstände der Betrachtung. Doch ausdem gerade vorgebrachten Grund werdendie Bezugspunkte all dieser Betrachtun-gen das Streben von A’s Interesse durchA – durch wen auch sonst – sein. Ob ichmich daran mache, das zu tun, was ichwill, steht für mich im Allgemeinen nichtzur Debatte; ob ich mich daran mache, zutun, was ein anderer will, darum geht esim Allgemeinen. Und natürlich ist es eineFrage für den anderen, ob er das tun wird,was ich will, und für mich eine Angele-genheit von Berechnung, Anteilnahme,Überredung und ähnlichem.

3.6. SelbstinteresseDies ist vielleicht der Ort, um das ThemaSelbstinteresse zur Sprache zu bringen. Esscheint ein weit verbreitetes Gefühl zusein, dass die „libertarianisache„ Sichtwei-se von politischen und sozialen Angele-genheiten in gewisser fundamentaler Wei-se mit dem Egoismus verknüpft ist, derVorstellung, dass wir ausschließlich „aufuns selbst aus„ sind, wobei dies so ver-standen wird, dass wir versuchen, unsereigenes Wohlergehen, unser eigenes Inter-esse in einem Sinn zu fördern, der dieErwägung des Wohlergehens anderer aus-schießt oder als nur völlig untergeordnetbetrachtet. Die oben vorgebrachten Erklä-rungen sollten es jedoch klar machen, dassdies nicht zutrifft. Die Interessen einerPerson im Zustand der Freiheit ergebensich aus der Tatsache, dass sie interessiertist und nicht aus einem besonderen Ge-genstand dieses Interesses. Es ist klar, dassMenschen oft an anderen sehr interessiertsind. Wenn sie dies sind, dann stellen Be-

mühungen, ihre Anstrengungen bezüglichsolcher Interessen zu verhindern, densel-ben unerwünschten Status dar, als sie eshinsichtlich von Handlungen wären, Ak-tionen des Selbstinteresses zu verhindern.Es sind Eingriffe in die Ziele von A, wasA betrifft; ob A nun besonders hoch aufder Liste der Ziele von A rangiert, ist eineandere Frage. Der Libertarianismusschlägt ein Recht vor, zu tun, was immerman zu tun wünscht, wenn dies mit dervergleichbaren Freiheit von anderen ver-einbar ist. Personen mit hohem Selbst-interesse haben ein Recht, so zu sein, aberPersonen mit hohem Interesse an anderenhaben das Recht, die Interessen solcheranderer zu fördern, solange sie dies mitder Zustimmung der so geförderten ande-ren tun und sie in diesem Tun nicht dieRechte von noch anderen verletzen.So verstanden ist es nun aber vielverspre-chend, anzunehmen, dass es unsere Inter-essen sind, welche die Grundlagen desLibertarianismus liefern. Aber wie ge-schieht dies? Das ist die Ecke, aus der jetztunsere nächste Theorie ins Spiel kommt– der Kontraktualismus.

3.7. KontraktualismusDie klassischen Philosophen, die man mitden besten Gründen als die Väter des Li-bertarianismus ansehen kann, sind Hobbes(libertarianisch in seiner Moralphiloso-phie, nicht in seiner politischen Philoso-phie) und Locke. Beide waren Kontrak-tualisten, wenngleich auf verschiedeneWeise, und es gibt eine natürliche Affini-tät zwischen dieser Auffassung und derlibertarianischen Sichtweise. Folgt mander kompromisslosesten Variante der Kon-traktualisten, dann stellen die Prinzipiender Moral und der Politik eine Art ratio-naler Übereinkunft zwischen Menschen

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hinsichtlich einer Art allgemeinen Verhal-tens dar. Hierbei kann von jedermann er-wartet werden, sich daran zu beteiligenoder davon Abstand zu nehmen. Offen-sichtlich kann dies selbst nicht eine aus-gehandelte Übereinkunft wie bei einerArt von verfassungsgebenden Versamm-lung sein. Die Übereinkunft muss stattdessen auf einem Gedankenexperimentberuhen: Was fordere ich vernünftigerwei-se von anderen unter der Bedingung, dassich bestimmten Forderungen von anderennachkomme. Hierbei wird keinerlei sittli-ches Empfinden vorausgesetzt, keine ein-gebauten moralisches Prinzipien oder garmoralische Entwürfe. Kontraktualistendieser Sorte schlagen vor, die Grundprin-zipien der Moral und der Politik aus ei-nem nicht-moralischen Ausgangspunktherzuleiten. Jede Person befragt ihre In-teressen, welche dies immer auch seinmögen, und seine Fähigkeiten, wie dieseimmer auch vorhanden sind; und dannüberlegt sie, was wir von anderen mit ih-ren eigentümlichen und abweichenden In-teressen erwarten können, um die ver-schiedenen Vorschläge anhand dieser In-formationen zu betrachten. MoralischeGrundsätze werden dann, wenn über-haupt, diejenige Gruppe von Prinzipiensein, die so beschaffen sind, dass jeder-mann einsieht, dass es im höchsten Maßevorteilhaft ist, sie zu akzeptieren, anstattdem Drang zu folgen, unsere verschiede-nen Werte anzustreben, vorausgesetzt,andere tun dies ebenfalls. (Im Gegensatzdazu unterstellt Locke das libertarianischePrinzip, wie es in seinem „Naturgesetz„behauptet ist, und er fährt fort, die Regie-rung, nicht aber die ganze Moral, durcheinen Appell an die Zustimmung der Re-gierten zu rechtfertigen.)

Von der aller ersten Erwähnung dieser Ideedurch den Charakter des Glaucon in Pla-tons Republik, durch Epiricus (Epirikus,S 148), Hobbes, Locke und Kant, bestanddas erste Anliegen immer in der Anwen-dung von Gewalt zwischen Personen so-wie von Betrug (Lügen, Täuschung, Schi-kane), und der vorgebrachte Grundsatzwar stets ein allgemeines Verbot der Ver-wendung derartiger Methoden, um unse-re Ziele zu erreichen. Warum rechnetenwir mit diesem Ergebnis? Der elementareGrund ist, dass, was immer wir wollen,wir, insofern wir dies umzusetzen begin-nen, damit zugleich nicht wollen, dass wirdaran gehindert werden, unser Wollen zubefriedigen. Genauer und allgemeiner,wenn wir nicht nur etwas wollen sondern,falls dies etwas anderes ist, es schätzen,und genug schätzen, um etwas dafür zutun, dann ist ein Eingriff in solche Bemü-hungen nicht willkommen. Doch ist diesnoch nicht ausreichend, um uns zum Frei-heitsprinzip zu bringen. Um zu ihm zu ge-langen, müssen wir eine andere Prämissehinzufügen, welches von Thomas Hobbesgeliefert wurde: Dass die Menschen imGroßen und Ganzen in ihren Fähigkeitenziemlich gleich sind, einander das Lebenzur Hölle zu machen. Besonders wiesHobbes auf die Tatsache hin, dass fast alleMenschen genug an Körperkraft und ge-nug Vernunft haben, jeden anderen zu tö-ten, falls es der entsprechenden Personeinfällt, dies zu tun. Nimmt man an, dassalle mögliche Feinde sind, möglicherwei-se tödliche Feinde, dann tun wir gut dar-an, einen allgemeinen Frieden vorzuschla-gen. Die Bedingungen lauten: Schlagemich nicht, dann schlage ich dich nicht;lass mich in Ruhe, dann lass ich dich inRuhe. Besonderen und vorteilhaften In-teraktionen müssen die davon betroffenen

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Parteien zustimmen, was sicher stellt, dasssie ausschließlich zum gegenseitigen Vor-teil sind.Warum hier inne halten? Weil wir, sobaldwir beginnen, zuzustimmen, anderenMenschen zu helfen, Kosten auf uns neh-men, die in unsere Fähigkeit schneiden,das zu tun, was wir wollen. Falls solcheKosten durch angebotene Vorteile gerecht-fertigt sind, gut und schön; aber das Be-weismaterial, anzunehmen, dass eine all-gemeine Auferlegung von positivenPflichten für alle auf einen allgemeinenGewinn hinaus läuft, ist schwach. Prinzi-piell ist es so: wenn es, sagen wir mal,10% oder 75%, oder irgend eine Zahl un-ter 100%, von uns vorteilhaft finden wür-den, eine positive Verpflichtung einandergegenüber einzugehen, dann können siees tun, ohne auch dem Rest etwas zuzu-muten. Alles, was hierfür notwendig ist,ist ein Grundsatz, begrenzte besondereÜbereinkünfte zuzulassen oder zu respek-tieren, wie Hobbes Drittes Gesetz der Na-tur (Hobbes, Kap. XV), welches uns an-hält, unserer Übereinkünfte einzuhalten.Es scheint sehr plausibel, dass wir ganzeinfach nicht mehr brauchen. Das kontrak-tualistische Angebot für die Freiheit be-sagt: Die Menschen sollten einander frei-willig helfen. Jede andere Vereinbarungmacht für die Unterzeichner keinen Sinn,welche leicht annehmen können, das Gan-ze läuft für sie darauf hinaus, für eine der-artig drückende Moral mehr zu „zahlen„als sie ihnen die Sache wert ist.Die Logik dieser Idee wurde in der letz-ten Zeit ausführlich von David Gauthieruntersucht, der sich jedoch selbst nicht zuden Libertarianern zählt, und von Jan Nar-veson (Narveson, 1988), der dies sehrwohl tut. Diese Theorie darf nicht mit dervon John Rawls verwechselt werden, der

denkt, dass, obwohl eines der beiden Prin-zipien der Gerechtigkeit ein Freiheitsprin-zip ist, es aber kein so umfassendes sei.Das andere – das „Maximin„ oder „Un-terschied„-Prinzip, von welchem er denkt,dass es uns dazu auffordert, denjenigenganz beträchtlich zurück zu geben, die inder Gesellschaft am Schlechtesten gestelltsind – sei aber umfassend, und dies un-terhöhlt das erste bis zur Unkenntlich-keit. (Rawls, 150-161; siehe ebenso Nar-veson, 1976) Echter Kontraktualismus be-ginnt mit den Menschen, wie sie sind, undfordert sie auf, zu überlegen, ob ihre Si-tuation nicht dadurch verbessert werdenkann, indem sie einige allgemeine Be-schränkungen in ihrem Verhalten anneh-men. Die Antwort ist überwältigend po-sitiv: Beim Fehlen moralischer Einschrän-kungen können wir kein Ende der Übelseitens unserer Mitbürger erwarten, undunser Leben wird für alle von derschlimmsten Sorte. Der Weg, es besser zumachen, so argumentiert der Libertarianer,ist, auf Gewalt als Mittel, mit unserenMitmenschen umzugehen, zu verzichten,außer sie ist erforderlich, wenn die Ge-walt von anderen gegenüber Unschuldi-gen ausgeht.

4. Angewandter LibertarianismusDie meisten philosophischen Theorien derMoral und sogar der Politik haben nichtohne weiteres Auswirkungen auf die rea-le Welt. Der Libertarianismus hat jedochzahlreiche Anhänger außerhalb der aka-demischen Welt – tatsächlich weitausmehr als innerhalb – und diese sind ofternsthaft in politischen Angelegenheitenverwickelt. Gewiss erweckt der Libertaria-nismus den Anschein, das Versprechenpraktischer Anwendung in Aussicht zustellen – obwohl es zumindest einen trif-

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tigen Grund dafür gibt, dies anzuzweifeln,den wir im nächsten Abschnitt diskutie-ren werden. Doch zunächst nehmen wiran, dass diese Ansicht eine ernsthafte undziemlich direkte Anwendung in zumindestzwei politische Richtungen hat, die wirentsprechend „Gegen die Linke„ und „Ge-gen die Rechte„ nennen können. Tatsäch-lich klagen die Libertarianer mit gutenGründen, dass die „rechts-links„ Dimen-sion keine angemessene Kategorie für ihreSichtweise hergibt.Gegen die Linke behaupten die Liberta-rianer bekanntermaßen nicht nur ihre Ab-lehnung des Sozialismus sondern auch diedes Wohlfahrtsstaates und allgemeiner ei-nes großen Teils jener Art von politischerInitiative, die allen vertraut ist, welche inden gegenwärtigen Staaten der „ErsteWelt„ leben. Einschränkungen beim Han-del, bei den Arbeitsbedingungen oderbeim Waffenbesitz; steuerfinanzierte Aus-bildung, die Regulierung von arbeitsbe-zogenen Aktivitäten, Aktionen gegenüberDiskriminierung von Minderheiten, Geset-ze gegen Benachteiligte und vieles mehrsind Ziele libertarianischen Kritik. Es wirdallgemein als gegeben angenommen, dassein libertarianischer Staat ein „minimaler„Staat wäre, der nur grundlegenden Schutzdurch Polizei und nur wenig oder nichtsdarüber hinaus bietet.Gegen die Rechte hingegen bringen dieLibertarianer ihre Ablehnung der Be-schränkung von Lebensstilen vor wie ho-mosexuelle oder lesbische Beziehungen,die Verwendung bewusstseinsverändern-der Drogen, von religiösen und areligiösenEinstellungen, vom Recht auf Rede undder Äußerung von Meinungen und demRecht, sich zu versammeln. Kurz, Liberta-rianer sind gegen einschränkende Gesetz-gebung jeder Art außer zur Verhinderung

von Gewalt zwischen Personen und vonBetrug. Rechtsgerichtete Regime rühmenallgemein die Macht und Glorie des Staa-tes; Libertarianer haben mit solchen Mo-tiven nichts am Hut, natürlich auch nichtsmit Imperialismus, mit Kriegen außer zurSelbstverteidigung, und ähnlichem. Alldiese Einwände sowohl gegen links undrechts stammen aus derselben Quelle: DieGegnerschaft zur Gewaltanwendung ge-genüber Individuen außer zum Zweck derBestrafung für die Zufügung von Scha-den zwischen Personen.

4.1. Das Problem vergangenen Besitz-anspruchesVerteidiger der Wiederverteilung (redistri-bution) neigen zur ihrer Ansicht entwe-der aufgrund eines Rechts auf Gleichheitvon beispielsweise der Kontrolle über na-türliche Rohstoffe, oder eines Rechtesdarauf, dass die Grundbedürfnisse einesjeden gedeckt sind. Libertarianer wendenein, dass beide Ansprüche mit dem höhe-ren Recht auf allgemeine Freiheit kollidie-ren. Doch stoßen sie dabei bald auf einProblem. Folgt man der libertarianischenSichtweise des Eigentums, dann habenMenschen legitimer Weise Anspruch aufEigentum, wenn sie es frei erworben ha-ben: Wenn sie es nicht gestohlen oder ir-gend jemanden im Verlauf des Erwerbesbetrogen haben. Aber was ist, wenn dieMenschen, von denen man etwas kauft,dieses gestohlen haben, oder es die Men-schen wiederum, von denen sie es herhaben? Viel dauerhaftes Eigentum warirgendwann mal in der Vergangenheit ineinem unfreiwilligem oder teilweise un-freiwilligem Geschäft verwickelt. Verdirbtdies die in Frage kommenden Gegenstän-de von diesem Augenblick an? Wie es dergegenwärtigen Welt auf der politischen

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Ebene nur zur zu deutlich gewahr ist, gibtes häufig Ansprüche, dass die Menschendes Gebietes A ein Anrecht auf Gebiet Bhaben, weil ihre Vorfahren vor vielen Jahr-hunderten unter Verwendung von Gewaltaus B vertrieben wurden – was nach An-sicht der Libertarianer falsch ist. Habensie nun deshalb einen gerechtfertigtenAnspruch? (Die Forderungen von India-nern in Nordamerika auf viele Teile derUSA und von Kanada fallen uns in die-sem Zusammenhang sehr schnell ein.)Robert Nozick stellte die berühmte Über-legung an, dass vielleicht jene, die ganzunten in der Gesellschaft leben, dort sind,weil sie oder ihre Vorfahren Opfer derschwerwiegendsten Ungerechtigkeitenwaren und infolge dessen, als Möglich-keit der Heilung solcher Ungerechtigkei-ten, eine gewisse Neuverteilung für die amschlimmsten betroffenen Gruppen gefor-dert werden sollte. (Nozick, S 231)Zwei Antworten auf dieses Problem rük-ken die Sache hingegen in ein angemes-senes Verhältnis. Die erste ist eine direkteZurückweisung. Falls A von B den Ge-genstand x kauft ohne einen früherenGrund zu haben, B zu verdächtigen, undes sich heraus stellt, dass x gestohlen war,dann liegt die Verantwortung bei B – nichtbeim unschuldigen A – die Sache zu re-geln. Wenn meine Groß-, Groß-, Groß-,Großeltern Gauner oder Banditen waren,dann ist dies ein schwarzer Fleck für mei-nen Stammbaum, aber es ist dann viel-leicht viel zu spät, bis jetzt darüber zu jam-mern. Soweit es außerdem um Besitzan-spruch von nützlichen materiellen Gegen-ständen geht, existierten diese wohl kaumvor fünf Jahrhunderten. Es spricht hiersehr vieles dafür, dass bei derartigen Sach-verhalten ein Fall von Verjährung vorliegt.Der zweite Punkt wurde vom anarchisti-

schen Ökonomen Murray Rothbard vor-gebracht, der darauf hinweist, dass Per-sonen, denen Eigentum auf der Grundla-ge von Ansprüchen aus der Vergangen-heit übertragen wurde, nicht nur imstan-de sein müssen, zu zeigen, dass Diebstahloder ungesetzliche Gewalt den ursprüng-lichen Transfer hervor brachten, sondernebenso, dass sie oder irgend eine anderebestimmte Person jetzt tatsächlich höhereAnsprüche darauf haben aufgrund vonklaren und bekannten Beziehungen mitfrüheren Handelnden, bevor irgend einRücktransfer vom Eigentum des vermu-teten Gesetzesbrechers in Ordnung wäre.Und je weiter zurück wir in die Vergan-genheit gehen, desto schwieriger ist es,derartige höhere Ansprüche zu begründen.(Rothbart, S 99) Wenige Ansprüche wer-den diese Anforderungen überleben, unddeshalb kann man von der Wirksamkeitdieser Überlegungen in der realen Praxiserwarten, dass sie bescheidener ausfällt alses einige Autoren fordern. Vielleicht sindsie insgesamt sogar vernachlässigbar. Manhalte fest, dass dies unabhängig von spe-zifisch libertarianischer Philosophie ist:Jeder, der einem Besitzanspruch über-haupt ein bedeutsames Gewicht zuspricht,wird mit diesem Problem konfrontiert undeine Lösung brauchen, die damit ganz all-gemein einher geht.Ein abschließender Punkt zu diesem wich-tigen Thema: Der Wert fast allen Eigen-tums ist äußerst eng mit dem Tätigsein desHandenden verbunden. Dauerhafte Gerät-schaften und Teile unbestellten Grundbe-sitzes mögen in Streitigkeiten oben behan-delter Art eine Rolle spielen, doch was einePerson heute besitzt, hat normalerweisewenig Beziehung zu dem, was ein entfern-ter Vorfahre vielleicht „hinterlassen„ hat.Besonders deswegen muss der Libertaria-

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ner es nicht akzeptieren, dass die Empfän-ger von Gütern, die vor hundert oder tau-send Jahren gestohlen wurden, ihre Güterschlichtweg den rechtmäßigen Anspruchs-tellern ohne weitere Umstände übergebenmüssen. Falls das, was A dem B zurück-gibt, das hundertfache von dem Wert ist,worauf B ein Recht hat, dann ist einfacheEntschädigung keine gerechte Option.(Das Beispiel, den gegenwärtigen India-nern Nordamerikas Gerechtigkeit angedei-hen zu lassen, ist sehr gut als eine Illu-stration dieser Schwierigkeiten geeignet.)

4.2. Ist Libertarianismus mit einer Re-gierung vereinbar?Wenn niemand irgendwelche positivenPflichten anderen gegenüber hat, die mansich nicht durch Versprechen, Verträgeoder durch ähnliche Unternehmungen derHandelnden selbst aufgeladen hat, danngibt es ein offensichtliches Problem hin-sichtlich einer Regierung. Alles Regierenvollzieht sich durch Besteuerung, welcheper Definition Gegenstände (Geld) vonMenschen eintreibt, ohne deren besonde-re Zustimmung durch die Personen zu er-halten, von denen sie eingetrieben wird.Wenn dies ungesetzlich ist, dann ist eineRegierung ungesetzlich. Diese Schlussfol-gerung wird heute von vielen Libertaria-nern ausdrücklich begrüßt. Ihre Ansichtist gemeinhin als „Marktanarchismus„oder „Anarcho-Kapitalismus„ bekannt –Anarchismus mit starken Eigentumsrech-ten im Gegensatz zu den Ansichten des„kommunistischer Anarchismus„, welcheim späten 19. Jahrhundert verbreitet war.Vertreter des Marktanarchismus behaup-ten, dass ihre Vorstellung in der realenWelt wirklich funktionieren kann, wäh-rend die kommunistische Variante unmög-lich sei. (Narveson, 1996, S 196 f.)

Marktanarchismus ist eine staatslose Ge-sellschaft, in der alles durch freiwilligeVereinigungen getan wird. Da nur einigedavon vom uns vertrauten gewinnstreben-den Typ, d.h. allgemein so genannte Un-ternehmungen, wären, ist der Begriff ir-reführend: andere, ebenso freiwillige Ver-einigungen würden Genossenschaften, ge-meinnützige Hilfsorganisationen, die zahl-losen gemeinnützigen öffentlichen Dienst-leistungsorganisationen wie die vielenTheatergruppen und Kirchen, sozialeClubs und ähnliches einschließen. In vie-len Fällen würde es zweifellos einen Wett-bewerb zwischen diesen verschiedenenVereinigungstypen um Konsumenten oderin Frage kommende Dienstleistungen ge-ben, wie eben gegenwärtig Genossen-schaften mit Einzelunternehmungen odermit Aktiengesellschaften auf vielen Ge-bieten konkurrieren. (Für weitere umfas-sende Informationen den über den Anar-chismus siehe Caplan)

Ein Beispiel: WehrpflichtDas Argument des öffentlichen Wohls,welches im Namen der Notwendigkeit derRegierung und gegen die marktanar-chische Version des Libertarinanismus ammeisten benützt wird, betrifft die natio-nale Verteidigung. Müssen wir nicht vonMenschen fordern, bei der Verteidigungihres eigenen Gemeinwesens zu helfen?Dieses oft diskutierte Beispiel ist sehr gutgeeignet, über die Verbindlichkeit desLibertarianismus nachzudenken. Es wirdvorgebracht, dass, falls eine Person A sichweigert, zu helfen, sie jenen, die erfolg-reich und freiwillig das Land verteidigen,möglicherweise ihre Freiheit und ihr Le-ben zu verdanken hat, welche sich amWaffengang beteiligten. Hat er dann nichtseinen Kameraden einen Verlust zugefügt?

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4.3. Minarchie„Minarchie„ ist ein Name, der für die An-sicht geprägt wurde, dass der Staat, ob-wohl gerechtfertigt, nur für den Minimal-fall gedacht ist – allgemein sollten wirdavon so wenig wie möglich haben. Wel-che Aufgaben sollte der Minimalstaat er-füllen? Die gewöhnlichen Antworten for-dern Polizeiaufgaben, juristische Diensteund nationale Verteidigung. (Hospers,1971) Von allen dreien wurde von Auto-ren anarchistischer Überzeugung vorge-bracht, dass es möglich sei, sie ohneZwangsmaßnahmen anzubieten. Der Min-archist muss nun zeigen, dass erstens derStaat für solche Zwecke wirklich nötig ist,und zweitens, dass, falls sein Argumentzeigt, dass derartige Dinge gerechtfertigtsind, eine Ausdehnung des Staates in dieRichtung der heutigen sehr starken Aus-weitung trotzdem vermieden werden kannund sollte.

4.4. Demokratische FreiheitenDie meisten Menschen neigen heute dazu,politische Freiheit mit Demokratie zuidentifizieren. Damit schließe die Freiheiteines Individuums das Wahlrecht ein, einAmt zu führen, sich am politischen Dis-kurs und Gespräch zu beteiligen, und viel-leicht gewisse Sicherheiten wie allgemei-ne körperliche Unversehrtheit, Geschwo-renenprozesse und das Recht darauf, nuraufgrund eines Haftbefehls eingesperrt zuwerden. Demokratische Rechte könnenjedoch keinesfalls mit libertarianischenRechten identifiziert werden, denn grund-sätzlich erlaubt es die Demokratie denMehrheiten, Gesetze zu machen, die ganzwesentlich in die Freiheiten der Menschenhineinschneiden, ohne dies durch denGrundsatz zu rechtfertigen: Füge keinenSchaden zu. Wenn z.B. die Mehrheit eine

Steuer für alle Bürger zur Unterstützungvon öffentliche Schulen erheben kann,dann hat der einzelne Steuerzahler keineWahl, die Steuer zu zahlen und sich somitselbst zu entscheiden, die Schulen zu un-terstütze. Die Höhe der Steuer könnte au-ßerdem so beschaffen sein, dass es schwie-rig oder unmöglich für ihn ist, seinemKind die Schullaufbahn seiner Wahl zu er-möglichen. Beispiele dafür können belie-big vervielfacht werden. (Boaz, Kap. 9)

4.5. SchutzDies lässt für uns, bestenfalls, den schüt-zenden Staat übrig, der die grundlegen-den Rechte der Bürger erzwingt – aberauch nur das. Oder doch nicht? Tatsäch-lich bleibt das Problem, das wir im vor-herigen Abschnitt ausmachten. Die Regie-rung unternimmt es, die Menschen zuschützen, aber sie tut es, indem sie esWettbewerbern nicht gestattet, die dassel-be anbieten könnten – oder besser – näm-lich eine Schutzdienstleistung. Aber daslibertarianische Prinzip räumt dies nichtein. Keiner kann eine Beschränkung desAngebots von Dienstleistungen an belie-bige andere erzwingen außer durch einenausdrücklichen Vertrag mit der Person,welche die Einschränkung akzeptiert. Die-ser Punkt macht es schwierig, einzusehen,wie irgendein Staat unter strengen liberta-rianischen Bedingungen gerechtfertigtwerden könnte.Neuere Arbeiten durch Libertarianer zei-gen, wie Dienstleistungen, von denen manbisher dachte, dass sie nur durch einenmonopolisierenden Staat bereit gestelltwerden könnten, tatsächlich auch andersgestaltet werden können. Die Menschenkönnten je nachdem Schutzdienste anheu-ern, die um Kunden oder Mitglieder kon-kurrieren. Zahlreiche Schutzdienste wer-

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den in Amerika und sonst wo derzeit(1998) bereits von Privatfirmen angebo-ten. (Benson, 1990, 1998) Tatsächlichwird gesagt, dass privater Schutz den öf-fentlichen Schutz bei weitem überflügelt,besonders beim Eigentumsschutz – Lager-häuser, Schulen, Wohngebäude usw.Es gibt die ernstzunehmende Frage, obSchutzdienste überhaupt unbedingt vomStaat bereit gestellt werden müssen. WennVerbrechen begangen werden, dann ha-ben die Opfer oder ihre Stellvertreter (imFall eines Mordes) ein Motiv, und bei ge-gebenem libertarianischen Grundsatz demAngreifer gegenüber auch das Recht, aufWiedergutmachung, und diese Wiedergut-machung kann dann tatsächlich erzwun-gen werden. Der Zwang muss prinzipiellkeineswegs vom Staat angeboten werden.Er könnte von einer Agentur her kommen,die ihre Dienste verkauft, oder durch dieMitglieder einer Genossenschaft, die imNamen des Mitglieds, des Genossen, han-deln. Die neueren Arbeiten über all dieseDinge sind beeindruckend und sollte vonjedem herangezogen werden, der schwer-wiegende Zweifel über die Möglichkeitdes Anarchismus hegt, zumindest im Prin-zip.

4.6. RechtEs gibt die interessante Frage, ob es mög-lich ist, dass das Recht, wie wir es ken-nen, freiwillig sein könnte. Aber einigeTheoretiker glauben, dass dies der Fall sei,und dass es für verschiedene Gemeinwe-sen innerhalb eines einzigen geographi-schen Gebiets möglich wäre, verschiede-ne Rechtssystem zu haben, die nur auf dieMitglieder solcher Gemeinwesen ange-wendet werden, welche die „Unterzeich-ner„ dieses in Frage kommenden Rechts-systems wären. Die Arbeit an dieser in-

teressanten Frage, von der man nicht be-haupten kann, sie sei abgeschlossen, gehtzur Zeit weiter. (Friedman)

4.7. Strafe und WiedergutmachungLibertarianer neigen zur Ansicht, dass dieDurchführung des Kriminalstrafrechtsfalsch oder zumindest problematisch sei.Ihrer Meinung nach sind Verbrechen we-sentliche Verletzungen der Rechte vonIndividuen, und die richtige Art, auf siezu reagieren, ist es, den Verbrecher zuzwingen, seine Missetaten durch die Ab-leistung angemessener Wiedergutma-chung zu heilen. Aber wie bestimmen wirdie Höhe und die Art und Weise? Dies sinddie hauptsächlichen Fragen, über die sichviele Theoretiker mit libertarianischerNeigung ausführlich Gedanken machen.(Barnett; Ellin)

4.8. Die ZukunftViele Libertarianer meinen, dass die Ent-wicklung der Technik viel mit der Zukunftfreier Institutionen zu tun haben wird. Sieverweisen z.B. auf das Internet und aufdie zahllosen Möglichkeiten, mit denenIndividuen wirksam auf freiwillige Weiseverbunden werden können, was Staatsein-griffe unnötig oder sogar unmöglichmacht. Vielleicht, so argumentieren sie,wird der Staat über kurz oder lang ohne-hin „überholt„ sein, wenn er es nicht schonist. (Boaz, Kap. 11)

SchlussfolgerungDer Libertarianismus bietet ein einheitli-ches Prinzip, das sowohl bemerkenswertelegant als auch offensichtlich gehaltvollist. Seine historischen Wurzeln in der Phi-losophie sind umfassend und beeindruk-kend (siehe Historischer Anhang). Er hatauch eine starke Anhängerschaft unter vie-

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len Amerikanern, weniger in anderen Tei-len der englischsprechenden Welt, und dieMenschen anderswo verfügen nur überoberflächliche Kenntnisse. Man könntefragen, warum es so viele Menschen gibt,die ihn nicht akzeptieren? Dazu müssenwir die Funktionsweise des modernenStaates untersuchen. Die modernen Ana-lytiker dieser Materie, welche mit der li-bertarianischen Idee sympathisieren, wei-sen auf viele Dinge hin, aber hauptsäch-lich auf die Tatsache, dass der moderneStaat behauptet, seinen Untergebenen Vor-teile anzubieten, und seinen Untergebenenviel Gelegenheit einräumt, den Staat zu be-fähigen, das zu tun, um diese Segnungenbereitzustellen – wobei sie annehmen, diesgeschehe jeweils auf Kosten anderer Men-schen. (de Jasay) Dies wirft sowohl anden empirischen als auch an der begriffli-chen Fronten viele Probleme auf: Grund-sätzlich natürlich, ob der Staat in der Tatmoralisch verpflichtet ist, ein gutes Lebenseiner Bürger nach ihren eigenen Vorstel-lungen zu unterstützen, wie es heutzutagedie meisten von uns annehmen; und wennwir davon ausgehen, dies sei der Fall, danninsbesondere, ob es Ansprüche auf Gleich-heit gibt, die legitim sind zugleich aucheine Wiedergutmachung einiger Individu-en anderen gegenüber einfordern; und obder Staat wirkungsvoller fähig ist als frei-willige Vereinigungen wie Privatunterneh-men, seinen Bürgern das alles anzubieten,wozu er immer auch legitimiert sein mag.Diese Hauptfragen sind Gegenstand un-geheurer Mengen an Arbeit in der Litera-tur, nicht nur der Philosophie sondern auchder politischen Wissenschaft und der Wirt-schaftswissenschaft ganz besonders. Sehrwenige Menschen streiten heute bestimm-te Forderungen nach Freiheit ab; die Fra-ge ist, ob es sonst noch etwas gibt, was

legitimer Weise durch Zwangsmaßnah-men angestrebt werden soll. Es wird nochlange dauern, bis der Staub sich darüberlegt.

5. Historische Anmerkung über Quel-len des FreiheitsprinzipsHobbes „erstes und grundlegendes Gesetzder Natur„ ist: „Suche Frieden und halteihn ein. Der zweite Teil enthält den ober-sten Grundsatz des natürlichen Rechts:Wir sind befugt, uns mit allen zur Verfü-gung stehenden Mitteln zu verteidigen.„Hobbes fügt, bemerkenswerter Weise fürandere Zwecke, hinzu: „Aus diesemgrundlegenden Gesetz... wird das zweiteGesetz abgeleitet: Jedermann soll freiwil-lig, wenn andere ebenfalls dazu bereitsind, auf sein Recht auf alles verzichten,soweit er es um des Friedens und derSelbstverteidigung willen für notwendighält; und er soll sich mit soviel Freiheitgegenüber anderen zufrieden geben, wieer anderen gegen sich selbst einräumenwürde.„ (Hobbes, Leviathan, Kap. XIV,S 100) Hobbes Moraltheorie ist also liber-tarianisch. (Aber in seiner politischen Phi-losophie übergibt Hobbes alle Macht demStaate, welcher freie Hand hat – die ge-naue Antithese dessen, was der moderneLibertarianismus vertritt.)Lockes eigene, deutlich ausgesprocheneVersion des Gesetzes der Natur „lehrt alleMenschen..., dass niemand einem ande-ren, da alle gleich und unabhängig sind,an seinem Leben, seiner Gesundheit, sei-ner Freiheit oder seinem Besitz Schadenzufügen soll.„ (Abschn. 6) Bemerkens-werter Weise bezieht sich Locke später(Abschn. 87) auf „sein Eigentum, näm-lich sein Leben, seine Freiheit und seinenBesitz„; wiederum (Abschn. 123) „zur ge-genseitigen Erhaltung ihres Lebens, ihrer

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Freiheit und Güter, was ich ganz allgemeinEigentum nenne.„ (Locke, Über die Re-gierung, Kap. I, VII, IX, S 6, 63, 96)Etwas später noch verkündet ImmanuelKant als das „Allgemeine Prinzip desRechts„: „’Eine jede Handlung ist recht,die oder nach deren Maxime die Freiheitder Willkür eines jeden mit jedermannsFreiheit nach einem allgemeinen Gesetzezusammen bestehen kann.’Wenn also meine Handlung oder über-haupt mein Zustand mit der Freiheit vonjedermann nach einem allgemeinen Ge-setze zusammen bestehen kann, so tut dermir unrecht, der mich daran hindert; denndieses Hindernis kann mit der Freiheitnach allgemeinen Gesetzen nicht beste-hen.„ (Kant, Die Metaphysik der Sitten,S 67)Und natürlich erzählt uns John Stuart Millin seinen Prinzipien der Freiheit, dass „dereinzige Grund, aus dem die Menschheit,einzeln und vereint, sich in die Handlungs-freiheit eines ihrer Mitglieder einzumi-schen befugt ist, der ist: sich selbst zuschützen. Dass der einzige Zweck, umdessentwillen man Zwang gegen den Wil-len eines Mitglieds einer zivilisierten Ge-meinschaft rechtmäßig ausüben darf, derist: Schädigung anderer zu verhüten. Daseigene Wohl, sei es das physische oder dasmoralische, ist keine genügende Rechtfer-tigung.„ (Mill , Über die Freiheit, Einlei-tung, S 16)Zum Schluss David Gauthier, vielleicht istsein Werk die beste Darlegung. Gauthierbenützt dabei den Begriff des „Locke-schen Vorbehalts„; welcher jeden Versuchverbietet, seine eigene Lage dadurch zuverbessern, dass man die Lage von ande-ren verschlechtert. (Gauthier, Morals byAgreement, S 209)

Anmerkungen:1 ) Ursprünglich waren „Communalists„ starkreligiös inspirierte (pietistische oder baptisti-sche) nordamerikanische Gruppierungen, dieversuchten, in ihren Siedlungen ein Leben aufder Basis von Gemeineigentum zu begründenund zu führen. Die liberalen oder säkularen„Communalists„ werden auch unter dem Begriff„Kommunitarier„ zusammengefasst. (Anm. s.Übersetzers)2 ) Die in Russland geborene und 1926 nach denUSA emigrierte Schriftstellerin Ayn Rand (1905-1982) gilt mit ihrem extremen Individualismusvielen Libertarianern als wichtige Quelle. IhrePhilosophie formuliert sie in dem Roman AtlasShrugged (1957): „Ich werde niemals für dieSache eines anderen Menschen leben, noch ei-nen anderen Menschen darum bitten, für meineSache zu leben.“ (Zit. nach: Hart, James D.(1973): The Oxford Companion to AmericanLiterature. New York 1973; S 694) Hierzu auchBoas, David (1998): Libertarianism, A Primer.New York 1998, S 55f. (Anm. d. Übersetzers)

Der Übersetzer dankt Prof. Jan Narvesonvielmals für seine unermüdliche Bereit-schaft, ihm auch bei der Arbeit an die-sem Aufsatz – wie schon geschehen beimAufsatz über den Kontraktualismus, ab-gedruckt im Internet unter www.gkpn.de– durch Erläuterungen und Hinweise zuunterstützen.

Bibliographie(Soweit bekannt und vorhanden, wurden jeweilsauch deutsche Übersetzungen der hier von JanNarveson aufgeführten Werke mit genannt.)

Barnet, Randy, 1998, The Structure of Liberty,New York: Oxford Press, 1998.Benson, Bruce, 1990, The Enterprise of Law,San Francisco: Pacific Research Institute, 1990.= Ders., 1998, To Serve and Protect, New York:New York University Press, 1998.Berlin , Sir Isiah, 1989, Two Concepts of Libertyin Four Essays on Liberty, London, Oxford Uni-versity Press, 1969: Oxford paperbacks, no. 116.

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Andere InternetquellenDie englische Orignalfassung diese Artikels istzu finden unter: http://www.againstpolitics.com/libertarianism/index.html

Free Market Net: Das libertarianische Portal unddie weltweit umfassendste Informationsquelleüber Freiheit.

The Journal of Libertarian Studies: Ein Online-Archiv.