liebe pädagoginnen und pädagogen, · pinocchio eignet sich besonders für junge menschen ab 6...
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Theaterpädagogisches Begleitmaterial 1
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 2
Katherine Kügler
Theaterpädagogin
Telefon: 07251.72728
E-Mail: kuegler(at)dieblb.de
Barbara Meißner
Theaterpädagogin
Telefon: 07251.72737
E-Mail: meissner(at)dieblb.de
Liebe Pädagoginnen und Pädagogen,
Pinocchio ist wohl eine der bekanntesten und zugleich schillerndsten
Figuren der europäischen Kinderbuchliteratur. Die Geschichte von
Carlo Collodi über die Abenteuer der sprechenden Holzpuppe wird in
der Inszenierung von Katharina Schmidt zu einer fantastischen und
zugleich sinnlich erfahrbaren Reise des Menschen zu sich selbst.
Bei dieser Geschichte steht weniger die moralisierende Bewertung
von Fehlverhalten im Vordergrund – vielmehr zeigt das Stück auf, wie
wichtig Erfahrungen des Probierens und Scheiterns für die Entwick-
lung eines menschlichen Verantwortungsbewusstseins sein können.
Pinocchio eignet sich besonders für junge Menschen ab 6 Jahren, um
ihnen einen spielerischen Zugang zu grundlegenden sozialen Werten
zu vermitteln. Zugleich regt das Stück zu einer Auseinandersetzung
mit dem Sinn und Unsinn gesellschaftlicher Regeln an und ermutigt
dazu, mit einem wachen Blick durch die Welt zu gehen.
Mit unserem Begleitmaterial wollen wir Ihnen eine Hilfestellung ge-
ben, um sich mit Ihrer Klasse oder Gruppe differenzierter mit der
Inszenierung, ihren Hintergründen und den dazu passenden spiel-
praktischen Übungen auseinander zu setzen.
Bei weiteren Fragen können Sie uns gerne auch direkt kontaktieren
oder eine kostenlose Vor- oder Nachbereitung durch die Theaterpä-
dagogik für Ihre Klasse oder Gruppe buchen.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß!
„Ich frage euch, kann aus Schwarz Weiß werden? [...] Aber vor allem:
Kann aus Holz ein Mensch werden?“
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 3
Das Stück 04
Der Autor 05
Das Team 06
Die Regisseurin 07
Interview mit der Regisseurin 08
Mein erster Theaterbesuch 10
Themenbezogene Materialien 12
Zum Autor und zur Entstehungsgeschichte 12
Pinocchio und die Pädagogik 12
Mediales Beispiel 13
Spielpraktische Übungen 14
Fragen für die Vor-/Nachbereitung 15
Warm-Up 17
Partnerübung 18
Gruppenübung 19
Abschlussritual 20
Anhang 21
Pinocchios Reise 21
Kopiervorlagen: Steckbriefe 21
Der Anfang der Geschichte 23
Auszüge aus der Textfassung 24
Quellen und Impressum 32
Inhalt
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 4
Das Stück
Der arme Tischlermeister Geppetto findet ein Stück Holz und
schnitzt eine Puppe daraus. Aber es ist ein besonderes Stück Holz
und die Puppe wird lebendig. Geppetto tauft sie Pinocchio und freut
sich, einen Sohn zu haben, für den er sein letztes Hemd geben wür-
de. Pinocchio aber hat seinen eigenen Kopf. Statt in die Schule zu
gehen, versetzt er seine Fibel und besucht das Marionettentheater.
Der Theaterdirektor schenkt ihm fünf Goldstücke, aber Pinocchio
will mehr, lässt sich von Fuchs und Katze übers Ohr hauen und lan-
det im Gefängnis. Zum Glück gibt es die blauhaarige Fee, die ihm
zur Seite steht. Sie verspricht, Pinocchio in einen richtigen Jungen
aus Fleisch und Blut zu verwandeln – wenn er fortan auf sein Herz
hört und lernen will. Ob ihm das gelingen wird?
Carlo Collodi stellte mit der Geschichte vom Hampelmann, dem die
Nase beim Lügen wächst, einige der in Kinderbüchern herrschenden
Konventionen mit Humor und Sinn für Realität auf den Kopf. Viel-
leicht wurde gerade deshalb Pinocchios Abenteuer schnell zum be-
liebtesten Kinderbuch Italiens.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 5
Der Autor
Carlo Collodi wurde 1826 als erstes von zehn Kindern eines Kochs
und eines Dienstmädchens in Florenz geboren und von dem Dienst-
herrn seiner Eltern gefördert. Eine Laufbahn als Priester war für ihn
vorgesehen, er verließ das Priesterseminar aber vorzeitig. Mit 17 Jah-
ren begann er für eine große Florentiner Buchhandlung zu arbeiten.
Für seine schriftstellerische Entwicklung waren die Ideen der italieni-
schen Unabhängigkeitsbewegung, des Risorgimento, wichtig. Er mel-
dete sich als Kriegsfreiwilliger und nahm an der Schlacht von Mon-
tanara teil. Nach seiner Rückkehr erhielt er eine Beamtenstelle und
gründete ein politisch-satirisches Magazin. In den folgenden Jahren
wurde er zum gefragten Mitarbeiter zahlreicher Zeitschriften und
schrieb – oft unterhaltsam – über Politik, Gesellschaft und kulturelle
Themen. Darüber hinaus verfasste er Komödien und Romane. Collodi
war in der Florentiner Kaffeehausszene beheimatet, kam abends spät
nach Hause und blieb sein Leben lang Junggeselle. In Berührung mit
Literatur für Kinder kam er 1876, als er ein Feenmärchen aus dem
Französischen übersetzte. Es folgten eigene Kinderbücher. Le avven-
ture di Pinocchio entstanden zunächst als Fortsetzungsgeschichte
für die neu gegründete Kinderzeitschrift Giornale per i bambini über
einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg. Bald nach dem Erscheinen
der letzten Folge im Januar 1883 waren sie auch als Buch erhältlich.
Collodi starb 1890 im Alter von 64 Jahren.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 6
Das Team
Markus Wilharm
Pinocchio
Frederik Kienle
Grille, Bonbon
Tim Tegtmeier
Geppetto, Fuchs, Augusta
Lisa Bräuniger
Fakir, Mrs. Candy, Lehrerin
Norhild Reinicke
Katze, Richter, Docht
Julia Kemp
Fee, Marionette, Zuckerstange
Inszenierung Katharina Schmidt
Ausstattung Ivonne Theodora Storm
Musik Florian Rynkowski
Dramaturgie Tristan Benzmüller
Regieassistenz Ruth Langenberg
Theaterpädagogik Katherine Kügler / Barbara Meißner
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 7
Die Regisseurin
Katharina Schmidt wurde 1981 in Augsburg geboren. Nach einem
Jahr Biotechnologiestudium studierte sie von 2002 bis 2006 Regie
und szenisches Schreiben an der Akademie für darstellende Kunst
Ulm. Sie war drei Jahre Regieassistentin am Schauspielhaus Graz.
Seit Ende 2009 arbeitet sie als freie Regisseurin. Inszenierungen von
ihr waren unter anderem am Saarländischen Staatstheater Saarbrü-
cken, am Rheinischen Landestheater Neuss, am Schauspielhaus Graz
und am Theater Dortmund zu sehen. An der Badischen Landesbühne
inszenierte sie in der Spielzeit 2012.2013 Mio, mein Mio von Astrid
Lindgren und in der Spielzeit 2013.2014 das Klassenzimmerstück
Über die Grenze ist es nur ein Schritt von Michael Müller.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 8
Interview mit der Regisseurin
Katharina, mit „Pinocchio“ kommt ein Stück auf die Bühne, in dessen Fokus das
Thema „Mensch werden“ steht. Was interessiert dich als Regisseurin besonders
an dem Stoff?
Ich finde den philosophischen Grundgedanken des Stückes toll: Was
macht den Menschen zum Menschen und was macht ihn zum mora-
lisch verantwortungsbewussten Menschen. Gleichzeitig finde ich
auch den Kosmos von Collodi wahnsinnig reizvoll. Diese phantasti-
sche, schillernde, düstere aber auch humorvolle Welt, in der die Figu-
ren agieren.
Was waren die besonderen Herausforderungen, einen Klassiker der Kinderbuchli-
teratur auf die Bühne zu bringen?
Die Geschichte von Pinocchio wurde ursprünglich ja als Fortsetzungs-
geschichte für eine Zeitung geschrieben. Mir war es bei meiner Fas-
sung wichtig, die für mich spannendsten Episoden herauszufiltern
und sie so zu gestalten, dass sie einen Bogen ergeben, flüssig inei-
nander laufen. Dass wir es mit unserer Bühnenfassung schaffen, den
Zuschauer immer wieder zu überraschen und über die gesamte Län-
ge des Stückes zu fesseln.
„Pinocchio“ ist ja bekannt als pädagogische Lektüre, um Kinder zu Aufrichtigkeit
und Verantwortung zu erziehen. Wie gehst du in deiner Inszenierung mit morali-
schen Fragen wie der nach Aufrichtigkeit und Verantwortung um?
Früher wurde die Geschichte von Pinocchio oft als „schwarze Pädago-
gik“ interpretiert. Ich glaube aber, dass es weniger darum, geht, Kin-
dern vorzuhalten was passieren könnte, wenn bestimmte Normen
verletzt werden, sondern für mich geht es vielmehr darum eine phan-
tastische Reise zur Menschwerdung zu erzählen. Einen Pinocchio zu
erleben, der im Laufe der Geschichte an seinen Aufgaben wächst, Er-
fahrungen sammelt und mehr und mehr hinter die Fassade blickt. Ich
denke, dieser Prozess des Lernens ist im Leben nie abgeschlossen,
begleitet Kinder wie Erwachsene.
Wofür steht für dich die Tatsache, dass Pinocchio aus Holz geschnitzt wurde?
Wenn Pinocchio „geboren“ wird, ist er aus Holz. Er verhält sich noch
nicht wie ein Mensch, er ist egoistisch und wird von seinen Impulsen
geleitet. Erst im Verlauf lernt er Empathie und Verantwortung kennen
und sie zu nutzen.
Deswegen finde ich, dass Collodi ein treffendes Bild gewählt hat. Ein
Holzkopf, eine Holzmarionette, die noch nicht Herr ihrer selbst ist,
sich leiten und verleiten lässt.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 9
Wo bleibt die Mutter in Pinocchios Familienkonstellation?
Pinocchio hat keine Mutter, aber er hat eine Fee, die für ihn ähnlich
wie eine Mutter fungiert. Mit Liebe, Aufrichtigkeit, Zärtlichkeit aber
auch Strenge vermittelt sie ihm moralische Werte und begleitet ihn
auf seinem Weg zum Menschen.
Was für eine Rolle spielt die Schule in der Geschichte? Und inwieweit ist das
Bild der Schule, das in der Geschichte gezeichnet wird, heute noch aktuell?
In unserer Fassung steht die Episode der Schule dafür, dass Pinoc-
chio hier zum ersten Mal Verantwortung für sein Verhalten über-
nimmt, sich diszipliniert und für sein Ziel, ein Mensch zu werden,
kämpft. Das trifft, denke ich, auch in unserer Welt zu. Nicht immer
macht es Spaß zu lernen, sich für ein höheres Ziel zu motivieren,
aber in den meisten Fällen zahlt es sich aus.
Haben die verschiedenen Türen im Bühnenbild deiner Inszenierung eine be-
stimmte Bedeutung und wenn ja, wofür stehen sie?
Die Türen unseres Bühnenbildes stehen für die verschiedenen Mög-
lichkeiten, die Pinocchio im Laufe der Geschichte hat, die verschie-
denen Entscheidungen, die er trifft. Sie sind ein Sinnbild dafür,
dass es im Leben immer unterschiedliche Abzweigungen gibt, die
wir nehmen können oder auch nicht. Es geht immer darum, Ent-
scheidungen zu treffen wohin, wir gehen wollen.
Welche Rolle spielt die Musik in deiner Inszenierung?
Musik spielt in meinen Arbeiten immer eine zentrale Rolle. Neben
den Schauspielern und der Ausstattung schafft sie für das Stück
einen eigenen Kosmos, gibt ihm einen eigenen Charakter, verstärkt
Stimmungen und die emotionale Anbindung an das Stück.
Was würde dich in einem Land unbegrenzter Möglichkeiten, deinem persönli-
chen Candyland, am meisten reizen?
Mein Bett, eine gute Serie oder auch ein packendes Buch und natür-
lich ganz viele Süßigkeiten.
Katharina, vielen Dank, dass du dir für dieses Interview Zeit genommen hast!
Wir wünschen weiterhin eine gute Probenzeit und Toi-Toi-Toi für die Premiere!
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 10
Mein erster Theaterbesuch
Wir freuen uns sehr, dass ihr zusammen mir eurer Klasse und euren
Lehrerinnen und Lehrern das Stück Pinocchio besucht. Im Folgenden
haben wir für euch einige wichtige Punkte zusammengestellt, auf die
ihr bei eurem Theaterbesuch achten solltet:
Vor dem Theaterbesuch:
Vorbereitung:
Vor dem Theaterbesuch empfehlen wir, dass ihr euch in der
Klasse über den Theaterbesuch und die Regeln, die man im
Theater beachten sollte, austauscht. Folgende Fragen eignen
sich hierfür besonders gut:
Was ist überhaupt Theater? Welches Stück besucht ihr?
Welche Vorstellungen davon und Erwartungen habt ihr?
Wer war schon im Theater? Was darf man dort, was nicht?
Kleidung:
Viele Zuschauer machen sich gerne extra schick, wenn sie ins
Theater gehen. Heutzutage ist schicke Kleidung aber keine feste
Regel mehr. Ihr könnt also anziehen, was ihr wollt.
Wichtig:
Vor dem Theaterbesuch etwas essen und trinken, damit man
nicht währenddessen Hunger oder Durst bekommt.
Vor dem Theaterbesuch nochmal auf die Toilette gehen!
Während der Vorstellung:
Unterhalten:
Während der Vorstellung solltet ihr euch nicht mit euren Nach-
barn unterhalten, da das die anderen Zuschauer und auch die
Schauspieler auf der Bühne stört. Nach der Vorstellung bleibt
euch noch genug Zeit, um über das Gesehene zu diskutieren.
Lachen und Weinen:
Wenn etwas während der Vorstellung lustig ist, darf man natür-
lich lachen! Genauso darf man weinen, wenn etwas traurig ist.
Manchmal kann es auch passieren, dass man sich während der
Vorstellung erschrickt und kurz schreit – auch das ist in Ord-
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 11
nung. Ansonsten sollte man aber möglichst still sein und kei-
nen Quatsch machen, um die anderen Zuschauer und die
Schauspieler nicht abzulenken oder zu stören.
Essen und Trinken:
Essen und Trinken ist während einer Vorstellung grundsätz-
lich nicht erlaubt, weil es sowohl die Schauspieler als auch die
anderen Zuschauer stören würde. Ihr solltet vor dem Theater-
besuch also auf jeden Fall gefrühstückt haben.
Handy:
Alle Handys müssen vor der Vorstellung auf lautlos gestellt
oder ganz ausgeschaltet werden. Am besten bleiben sie wäh-
rend der ganzen Vorstellung in eurer Tasche. Auch wenn ihr
nur mal schnell auf die Uhr schauen wollt, leuchtet das Handy
auf und kann so die Schauspieler auf der Bühne ablenken. Te-
lefonieren ist während der Vorstellung nicht erlaubt.
Fotos und Videos:
Fotografieren und Filmen ist während der Vorstellung nicht
erlaubt. Vor allem Fotos, die mit Blitz gemacht werden, lenken
die Schauspieler beim Spielen ab.
Nach dem Theaterbesuch:
Applaus:
Wenn das Stück vorbei ist, kommen die Schauspielerinnen und
Schauspieler nochmal auf die Bühne, um sich zu verbeugen.
Alle dürfen jetzt wild applaudieren. Je besser euch das Stück
gefallen hat, desto lauter dürft ihr auch klatschen.
Nachbereitung:
Jeder erlebt einen Theaterbesuch anders und wird durch das
Bühnengeschehen auf ganz unterschiedliche Art und Weise
angesprochen. Wichtig dabei ist, dass hierbei die subjektiven
Empfindungen des Einzelnen im Vordergrund stehen, und es
dementsprechend keine richtigen oder falschen, sondern le-
diglich unterschiedliche Erfahrungen gibt. Auch die Lehrerin
oder der Lehrer hat also nicht immer Recht! Es empfiehlt sich,
zunächst Eindrücke zu sammeln, um miteinander ins Ge-
spräch zu kommen.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 12
Im Folgenden finden Sie weiteres Material, das sich unter anderem
aus Internetseiten sowie aus Artikeln und medialen Beispielen zusam-
mensetzt. Diese Materialien eignen sich besonders gut, um einen tie-
feren Einblick in die Thematik zu erlangen.
Zum Autor und zur Entstehungsgeschichte
Carlo Collodi der Vater von Pinocchio
Carlo Collodi hieß eigentlich Carlo Lorenzini und wurde am 24. No-
vember 1826, also vor 180 Jahren, in Florenz geboren, wo er auch
starb (1890). Er nannte sich Collodi nach dem Namen des Ortes, in
dem seine Mutter aufgewachsen war. […]
Online unter: http://www.wasistwas.de/archiv-sport-kultur-details/
carlo-collodi-der-vater-von-pinocchio.html [Stand: 28.10.2016].
24. November 2006 – Vor 180 Jahren Pinocchio-Erfinder Carlo Collodi geboren
An seinem Pinocchio hat Carlo Collodi keine Freude. Nur weil ihn
Spielschulden drücken, hat er den Auftrag angenommen, eine Fort-
setzungsgeschichte für eine Kinderzeitung zu schreiben. […]
Online unter: http://www1.wdr.de/stichtag/stichtag1736.html
[Stand: 28.10.2016].
Carlo Collodi: Pinocchio – Die Geschichte vom hölzernen Bengele
Online unter: http://gutenberg.spiegel.de/buch/pinocchio-die-
geschichte-vom-holzernen-bengele-5917/1 [Stand: 28.10.2016].
Pinocchio und die Pädagogik
Bernard, Elena: Märchen können Kinder ehrlicher machen
Veröffentlicht am 17.06.2014 auf Spektrum.de
Hören Kinder eine Geschichte, die Ehrlichkeit positiv hervorhebt, lü-
gen sie danach seltener. Märchen wie Pinocchio, die negative Folgen
des Lügens betonen, sind weniger wirksam. […]
Themenbezogenes Material
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 13
Online unter: http://www.spektrum.de/news/maerchen-koennen-
kinder-ehrlicher-machen/1295790 [Stand: 28.10.2016].
Jimenez, Fanny: Die Moral von der Geschichte? Meist wirkt sie nicht
Veröffentlicht am 27.06.2014 auf Welt.de
Kinder reagieren auf Moralkeulen in Geschichten oft mit Desinteres-
se, zeigt eine Studie. Negative Folgen von Lügen zu zeigen beein-
druckt sie nicht – positive Folgen von Ehrlichkeit dagegen schon.
[…]
Online unter: https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/
article129520687/Die-Moral-von-der-Geschicht-Meist-wirkt-sie-
nicht.html [28.10.2016].
Mediales Beispiel
Pinocchio (1940) – Der Disney Film
Weil sich der Holzschnitzer Geppetto so sehr einen Sohn wünscht,
verwandelt eine Fee seine Marionette Pinocchio in eine lebende
Puppe. Pinocchio kann sogar ein „richtiger“ Junge werden, wenn er
es schafft, tapfer, aufrichtig und selbstlos zu sein. Aber das wird
Pinocchio nicht leichtgemacht […]
Online unter: http://filme.disney.de/pinocchio [Stand: 28.10.2016].
Trailer online unter: https://www.youtube.com/watch?
v=5ClPT7hV1N4 [Stand: 28.10.2016].
Goege, Hartmut: Abendfüllender, farbenfroher Zeichentrickfilm
Veröffentlicht am 07.02.2015 auf Deutschlandfunk.de
Sein Markenzeichen ist die hölzerne Nase, die nach jeder Lüge
wächst. Aus dem Stoff um die freche Holzmarionette Pinocchio,
einer Romanfigur des italienischen Autors Carlo Collodi, machte
Walt Disney seinen zweiten abendfüllenden Animationsfilm. Heute
vor 75 Jahren feierte Disney’s Pinocchio in New York Premiere. […]
Online unter: http://www.deutschlandfunk.de/walt-disneys-
pinoccio-abendfuellender-farbenfroher.871.de.html?
dram:article_id=310942 [Stand: 28.10.2016]
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 14
Spielpraktische Übungen
Im folgenden Teil finden Sie einige spielpraktische Übungsvor-
schläge sowie inszenierungsspezifische und themenbezogene Fra-
gen, die Sie zur praktischen und kreativen Vor- und Nachbereitung
des Vorstellungsbesuches im Klassenzimmer oder im Gruppen-
raum verwenden können. Tische, Stühle und sonstige Gegenstände
sollten dafür zur Seite geräumt werden, damit eine möglichst gro-
ße freie Fläche in der Mitte des Raumes entsteht. Durch die Einbet-
tung des Stückes in Ihren Unterricht in Form einer Vor- oder Nach-
bereitung erleichtern Sie Ihren Schülerinnen und Schülern oder Ih-
rer Gruppe den Zugang zum Stück sowie den darin verhandelten
Themen und ermöglichen einen tieferen Einblick in die Figuren und
ihre Geschichten. Dadurch werden Anknüpfungspunkte zwischen
den Jugendlichen und den Figuren im Stück geschaffen, wodurch
sich diese leichter mit dem Geschehen auf der Bühne identifizieren
können.
Bei einer praktischen Vor- oder Nachbereitung empfiehlt es sich,
immer mit einem Warm-up zu beginnen, um die Teilnehmenden
aus dem Alltag herauszulösen und eine offene und konzentrierte
Atmosphäre zu schaffen, die den Einstieg ins Spiel erleichtert. Ge-
nerell gilt, dass kein absoluter Spielzwang herrschen sollte, son-
dern an einzelnen Stellen auch Beobachterpositionen von den Schü-
lerinnen und Schülern eingenommen werden können. Grenzen soll-
ten hierbei akzeptiert werden.
Am Ende einer spielerischen Einheit empfehlen wir, das Erlebte mit
den Teilnehmenden zu reflektieren und die Rückkehr von der Spiel-
in die Alltagswelt mit einem gemeinsamen Abschlussritual zu be-
gleiten. Hierbei ist zu beachten, dass in der Theaterarbeit die sub-
jektiven Empfindungen des Einzelnen im Vordergrund stehen und
es hier keine richtigen oder falschen, sondern lediglich unter-
schiedliche Erfahrungen gibt.
Viele der spielpraktischen Übungen sind für Schülerinnen und
Schüler neu, deswegen ist es wichtig, sie zu ermutigen, sich spiel-
praktisch auszuprobieren und behutsam mit Kritik umzugehen. Bei
der Reflexion einer Übung sollte es in erster Linie um die Beschrei-
bung des Gesehenen gehen, nicht um eine Beurteilung.
Viel Spaß beim Ausprobieren!
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 15
Zum Inhalt
Könnt ihr in wenigen Sätzen beschreiben, worum es in der Geschich-
te von Pinocchio geht? Welche Abenteuer erlebt er auf seiner Reise?
[Mal-Aufgabe I: Besprecht gemeinsam in der Klasse die verschiede-
nen Stationen von Pinocchios Reise (siehe Anhang, Seite 20). Jeder
darf nun sein Lieblingsabenteuer aus der Geschichte auf ein Blatt Pa-
pier malen. Die gemalten Bilder können anschließend im Klassenzim-
mer aufgehängt oder im Schulflur ausgestellt werden.]
Wie würdet ihr Pinocchio am Anfang und am Ende der Geschichte
charakterlich beschreiben? Wodurch verändert er sich?
Welchen Figuren begegnet Pinocchio auf seiner Reise? [Mal-Aufgabe
II: Male deine Lieblingsfigur aus der Geschichte von Pinocchio!] Wie
würdet ihr die verschiedenen Charaktere beschreiben? [Mal- und
Schreib-Aufgabe III: Fülle die Steckbriefe zu den verschiedenen Figu-
ren aus dem Stück aus (siehe Anhang, Seite 20).]
Zur Inszenierung
Welche Gedanken hattet ihr zum Bühnenbild? Wo und wann hat die
Geschichte für euch gespielt?
Welche Rolle hat die Musik im Stück gespielt? Welche Klänge, welche
Instrumente waren zu hören?
Thema: Menschsein
Was macht eigentlich einen Menschen zum Menschen? Was unter-
scheidet Menschen von einfachen Holzpuppen?
Pinocchio ist ein Holzkopf, trotzdem ist er aus gutem Holz ge-
schnitzt... Es gibt viele Redewendungen, in denen das Wort „Holz“
zur Beschreibung von Menschen benutzt wird. Welche Redewendun-
gen kennt ihr noch und was ist damit gemeint?
Pinocchio wünscht sich nichts sehnlicher als ein richtiger Junge zu
werden. Was wünscht ihr euch mehr als alles andere?
Fragen für die Vor-/Nachbereitung
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 16
Thema: Candyland
Wie stellt ihr euch euer persönliches Candyland vor? [Mal-Aufgabe
VI: Male dein persönliches Süßigkeiten-Spaß-Land!]
Am Anfang haben alle im Candyland Spaß und amüsieren sich.
Doch Mrs. Candy – die Herrscherin über das Candyland – hat einen
heimlichen Plan. In was verwandelt sie die Kinder und was hat sie
mit ihnen vor?
Thema: Schule
Wie unterscheidet sich die Schule bei Pinocchio von der Schule, wie
ihr sie kennt? Wo seht ihr Gemeinsamkeiten?
Wenn ihr die Schule mit dem Candyland vergleicht, was ist jeweils
gut oder schlecht daran für Pinocchio?
Thema: Regeln
Wozu und wann braucht man überhaupt Regeln?
Darf man Regeln auch mal brechen? Und wenn ja, warum?
Thema: Lügen
Was genau ist eigentlich eine Lüge? Wie kann man Lügen noch nen-
nen? Welche Arten von Lügen gibt es?
An welchen Stellen lügt Pinocchio im Stück? Woran erkennt man als
Zuschauer, dass Pinocchio lügt? Woran kann man aber erkennen,
dass ein Mensch lügt?
Ist es immer schlecht zu lügen? Wann kann es vielleicht auch mal
erlaubt sein? Und warum lügen Menschen überhaupt?
Welche Sprichwörter zum Thema Lügen kennt ihr?
Thema: Freundschaft
Was macht eine gute Freundschaft aus? Was sind falsche Freunde?
Wie könnt ihr mit falschen Freunden umgehen?
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 17
Warm-Up
Die Holzpuppe erwacht Thema: Körperwahrnehmung, Konzentration, Einführung in die
Geschichte
Dauer: 5 Minuten
Material: Ruhige Musik + passendes Abspielgerät
Alle liegen mit dem Rücken auf dem Boden und haben die Augen
geschlossen – sie sind wie kleine Holzpuppen, die sich nicht
bewegen können. Die ruhige Musik läuft dabei leise im Hintergrund.
Die Spielleitung beginnt den Anfang der Geschichte von Pinocchio zu
erzählen, bis die blaue Fee Pinocchio in eine lebendige Holzpuppe
verwandelt (siehe Anhang, Seite 23). Die Spielleitung gibt nun die
Anweisungen, dass sich als Erstes nur einzelne Finger bewegen,
dann die Handgelenke. Anschließend zuerst die Unterarme, dann
folgen die ganzen Arme. Danach setzen sich alle auf und der Kopf
kommt dazu, dann der Oberkörper. Anschließend stellen sich alle
hin und bewegen zuerst die Hüften, dann die Beine und zum Schluss
die Füße. Wenn alle Körperteile aufgewacht sind, dürfen alle die
Augen wieder öffnen und schütteln kurz alle Körperteile aus.
Variation:
Diese Übung eignet sich besonders gut, um anschließend in einen
Raumlauf überzugehen. Raumläufe eignen sich unter anderem sehr
gut dazu, sich den einzelnen Figuren des Stückes körperlich
anzunähern. Bei Raumläufen ist es wichtig, den Spielenden vorab
klar zu machen, dass jede Person für sich alleine läuft und dass
niemand dabei spricht – außer die Spielleitung gibt die
entsprechende Anweisung dazu. Wenn sich die Spielenden im
Raumlauf befinden, kann die Spielleitung Anweisungen geben,
verschiedene Figuren aus dem Stück spielerisch darzustellen:
Die Holzpuppe Pinocchio
Der alte Geppetto
Die blaue Fee
Die Katze und der Fuchs
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 18
Marionette und Meister Thema: Körperwahrnehmung, Konzentration, Aufmerksamkeit
und Achtsamkeit, Miteinander agieren, Vertrauen
Dauer: 10 Minuten
Es werden Paare gebildet – eine Person ist dabei der Meister, die an-
dere Person ist die Marionette. Die Paare haben nun die Aufgabe,
sich zu spiegeln – der Meister gibt dabei die Bewegungen vor. Hier-
bei ist es sehr wichtig, sich sehr langsam zu bewegen, damit die an-
dere Person die Bewegungen so nachmachen kann, dass man von
außen nicht merkt, wer der Meister und wer die Marionette ist. Nach
ein paar Minuten werden die Rollen getauscht.
Wenn beide Personen einmal die Rolle des Meisters beim Spiegeln
innehatten, beginnt der zweite Teil der Übung. Die Paare bleiben
dabei zusammen. Sie verteilen sich im Raum, so dass alle genügend
Platz um sich haben. Eine Person übernimmt dabei wieder die Rolle
des Meisters, die andere die der Marionette. Wenn die Rollen festge-
legt sind, schließt die Marionette ihre Augen. Der Meister kann seine
Marionette nun entweder durch Berührung oder Geräusche durch
den Raum führen. Als Einstieg eignet sich besonders gut die Füh-
rung durch den Kontakt der Zeigefinger der beiden Personen. Dabei
berühren sich die Spitzen der beiden rechten Zeigefinger ganz leicht
gegenseitig. Falls die Teilnehmenden Hemmungen haben, ihre Au-
gen bei der Übung zu schließen, können sie sie auch offen lassen.
Dabei ist es jedoch wichtig, dass sich die Paare während der Übung
in die Augen und nicht auf die Zeigefinger schauen. Nach einer Zeit
werden die Rollen wieder getauscht.
Partnerübung
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 19
Gruppenübung
Candyland-Maschine Thema: Gruppendynamik, Rhythmusgefühl, Konzentration
Dauer: 10 Minuten
Die Gruppe bildet einen großen Kreis. Eine Person beginnt und stellt
sich in die Mitte des Kreises. Sie macht eine klare Bewegung und
dazu ein Geräusch, die sie mit dem Stichwort
„Süßigkeitenland“ (Candyland) verbindet. Beides wiederholt sie in
derselben Geschwindigkeit fortlaufend. Eine weitere Person aus
dem Kreis stellt sich dazu und macht ebenfalls eine Bewegung und
ein Geräusch. Nach und nach treten alle Spielenden dazu. So bildet
sich eine Candyland-Bewegungs-und-Geräusch-Maschine. Wenn alle
Spielenden in der Maschine involviert sind, kann die Spielleitung als
Mrs. Candy fungieren und die Maschine dirigieren und sie somit
zum Beispiel schneller oder langsamer, lauter oder leiser laufen las-
sen.
Variation:
Alle Spielenden müssen in irgendeiner Weise durch Körperkontakt
miteinander verbunden sein.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 20
Wunschfunken Thema: Gemeinsamer Abschluss
Dauer: bis zu 5 Minuten
Alle stehen im Kreis, halten sich an den Händen und schließen die
Augen. Die Spielleitung gibt nun nach rechts und wenig später
nach links einen Händedruck durch den Kreis, der von Person zu
Person weitergegeben wird. Bei einer Person im Kreis treffen sich
die beiden Händedrücke dann – diese Person darf sich nun still et-
was wünschen – ähnlich wie Pinocchio, der sich nichts sehnlicher
wünscht, als ein richtiger Junge aus Fleisch und Blut zu werden. Die
Übung kann beliebig oft wiederholt werden.
Abschlussritual
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 21
Pinocchios Reise
1. Bei Geppetto Pinocchio erwacht
2. Im Theater Pinocchio trifft die Marionette
3. Mit Katze & Fuchs Pinocchio wird reingelegt und bestohlen
4. Im Gefängnis Pinocchio wird verurteilt
5. Mit der blauen Fee Pinocchios Nase wächst
6. In der Schule Pinocchio ist fleißig
7. Im Candyland Pinocchio amüsiert sich und hat Spaß
8. Im Haifisch Pinocchio findet Geppetto wieder
9. Bei Geppetto Pinocchio wird ein richtiger Junge
Kopiervorlagen: Steckbriefe
Anbei finden Sie die Kopiervorlagen für die Steckbriefe von folgen-
den Figuren:
Pinocchio
Geppetto
Die Grille
Katze und Fuchs
Mrs. Candy
Die blaue Fee
Anhang
PINOCCHIO
Wie würdest du Pinocchio mit 3 Wörtern
beschreiben?
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Wann taucht er zum ersten Mal in der Ge-
schichte auf? Welche Abenteuer erlebt er
auf seiner Reise?
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Theaterpädagogisches Begleitmaterial 22
GEPPETTO
Wie würdest du Geppetto mit 3 Wörtern
beschreiben?
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Wann taucht er zum ersten Mal in der Ge-
schichte auf? Wo findet er Pinocchio am
Ende des Stückes wieder?
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Die GRILLE
Wie würdest du die Grille mit 3 Wörtern
beschreiben?
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Wann taucht sie zum ersten Mal in der
Geschichte auf? Wie würdest du ihr Ver-
hältnis zu Pinocchio beschreiben?
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KATZE & FUCHS
Wie würdest du die Katze und den Fuchs
mit 3 Wörtern beschreiben?
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Wann tauchen sie zum ersten Mal in der
Geschichte auf? Wärst du gerne mit ihnen
befreundet? Warum oder warum nicht?
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Theaterpädagogisches Begleitmaterial 23
Der Anfang der Geschichte
„Es war einmal ein alter Mann namens Geppetto, der in einem kleinen
Dorf in Italien wohnte. Eines Tages fand er beim Spazierengehen ein
Stück Holz. Er beschloss einen Hampelmann daraus zu schnitzen und
nahm es mit nach Hause. Während er an dem Holzstück schnitzte,
wünschte er sich nichts sehnlicher, als dass sich die Holzpuppe in
einen richtigen Jungen verwandeln würde… Eines Nachts kam die
blaue Fee vorbei und erfüllte Geppettos Wunsch: Sie verwandelte die
Holzpuppe in einen Jungen aus Fleisch und Blut. Pinocchio wurde da-
raufhin lebendig und begann sich langsam zu bewegen…“
MRS. CANDY
Wie würdest du Mrs. Candy mit 3 Wörtern
beschreiben?
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Wann taucht sie zum ersten Mal in der
Geschichte auf? Was ist ihr heimlicher
Plan mit den Kindern im Candyland?
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Die BLAUE FEE
Wie würdest du die blaue Fee mit 3 Wör-
tern beschreiben?
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Wann taucht sie zum ersten Mal in der
Geschichte auf? Wie versucht sie Pinoc-
chio zu helfen?
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Theaterpädagogisches Begleitmaterial 24
Auszüge aus der Textfassung
Anbei finden Sie einige Auszüge aus der Proben-Textfassung vom
26. Oktober 2016 [Änderungen vorbehalten]. Anhand dieser Auszü-
ge können Sie mit den Kindern Themen wie „Mensch werden“,
„Falsche Freunde“ sowie „Gerechtigkeit“ und „Lügen“ diskutieren.
Mögliche Diskussionsfragen finden Sie auf den Seiten 11 und 12.
Szene 1 und 2
Grille: Es war einmal... ein König... Nein, da irrt ihr euch. Es
war einmal ein Stück Holz. Ein ganz gewöhnliches
Stück Brennholz.
Sie holt ein Stück Holz hervor, das sie hinter ihrem Rücken ver-
steckt hatte.
Grille: Vielleicht ist das schon vierzig Jahre her, vielleicht
auch hundert. Oder war es erst gestern? ... Zeit ver-
geht so unterschiedlich, erscheint in so vielen Gestal-
ten, verändert Mensch oder Ding. Glaubt es mir, ich
habe es erlebt... Gestatten, mein Name ist Saggio, die
Grille. Die Nacht, von der ich euch erzählen will, war
dunkel und stürmisch wie diese... als Meister Geppet-
to, ein armer Tischlermeister aus Luigiano in Italien,
auf seinem Abendspaziergang ein, wie er meinte, ein-
faches Holzstück fand und mit nach Hause nahm.
Geppetto: Du sollst der schönste Hampelmann werden, den ich
je geschnitzt habe.
Grille: Geppetto hatte schon lange mit niemandem mehr ge-
sprochen, die Menschen waren ihm fremd geworden...
Geppetto: Schöne Augen sollst du kriegen, mit einem klaren
Blick und einen Mund mit roten Lippen.
Grille: ... und manchmal, während er schnitzte, hatte er tat-
sächlich das Gefühl, dass das Stück Holz ihn... Beo-
bachtete.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 25
Geppetto: Merkwürdig... Jedes Mal wenn ich die Nase kürzer
schnitze, scheint sie über Nacht nachzuwachsen. Was
mach ich nur damit?
Grille: Aber vielleicht war das nur die Einbildung eines ein-
sam Mannes, der zu lange alleine gelebt hatte...
Geppetto schüttelt den Kopf, betrachtet die Puppe...
Geppetto: Ach was, du sollst so bleiben, du bist gut, wie du bist!
Er betrachtet die Puppe lange Er sieht fast lebendig
aus. Ach, wäre das schön, wenn er ein richtiger Junge
wäre. Ein richtiger Junge...
Er schläft am Tisch ein.
Grille: Ich frage euch, kann aus Schwarz Weiß werden? Kann
aus einem gewöhnlichen Stein ein Diamant werden?
Aber vor allem: Kann aus Holz ein Mensch werden?
Szene 2
Pinocchio: […] Du, wie heiße ich eigentlich?
Grille: Und Meister Geppetto schaute in die Augen des unge-
duldigen Hampelmanns und nannte ihn:
Geppetto: Pinocchio.
Grille: Er nannte ihn nach dem Pinienholz, aus dem er ge-
schnitzt war, und nach dem italienischen Wort für Au-
gen, denn Pinocchios Augen waren ihm wirklich sehr
gut gelungen.
Pinocchio überlegt
Pinocchio: Pinocchio?… Pinocchio!
Grille: Aber konnten diese Augen schon sehen, wirklich se-
hen, hinter die Dinge sehen?
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 26
Szene 3
Alle bis auf Pinocchio gehen durch ein Tür ins Theater, bevor Pinoc-
chio hinein gehen kann, halten Katze und Fuchs ihn auf.
Katze: Willst du da rein?
Pinocchio: Was gibt’s denn da drinnen?
Fuchs: Das musst du schon selber rausfinden...
Pinocchio: Nein, ich gehe zur Schule. Heute ist mein erster Tag.
Fuchs: Ein Hampelmann geht in die Schule. Das ist komisch.
Katze: Bist du sicher? Weißt du nicht, dass die Schule gefähr-
lich ist?
Pinocchio: Ach wirklich? Was soll denn daran gefährlich sein?
Katze: Schau dir den Fuchs an. Seine Pfote ist lahm.
Der Fuchs will mit gerade dieser Pfote den Apfel verschlingen, ver-
steht etwas verspätet, aber gerade noch rechtzeitig, seine Pfote er-
lahmt urplötzlich, er schaut mitleidig.
Katze: Das kommt von der Schule. Und schau mich an…´
Blind auf einem Auge...
Fuchs: ... durch die Schule.
Pinocchio: Das höre ich zum ersten Mal. Das, das hat mir keiner
gesagt.
Pinocchio: Vielleicht habt ihr Recht... Vielleicht gibt es hier auch
viel mehr zu lernen als in der Schule.
Fuchs/Katze: Viel mehr!
Pinocchio: Ja, so mach ich’s. Ich gehe zuerst hier hinein und da-
nach kann ich sehen, ob ich nicht doch noch zur Schu-
le gehe.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 27
Szene 5 und 6
Katze/Fuchs: Nur eine Nacht und du bist ein gemachter Mann.
Pinocchio: Papa wird bestimmt stolz auf mich sein, wenn ich mit
noch mehr Gold nach Hause komme. Los, wir wollen
keine Zeit verlieren.
Sie laufen in einem großen Bogen über die Bühne, immer wieder, es
wird langsam Nacht, das Ticken ist wieder zu hören.
Grille: Pinocchios Vorfreude war riesig. Er redete und redete.
Er redete von all den Dingen, die er dann mit den vie-
len Talern kaufen könnte. Einen neuen Mantel für sei-
nen Vater, ein goldenes Schaukelpferd, die Star Wars-
Sonderedition, eine neue Werkbank, tonnenweise
Schinkenröllchen, ein Stoffhündchen, ein batteriebe-
triebenes miauendes Kätzchen, einen Anzug ganz aus
Seide und Samt, eine Kreuzfahrt zu den Antillen…
[…]
Grille: Es war bereits Mittagszeit, als Pinocchio erwachte.
Und da war...
... Pinocchio betrachtet das Häufchen Erde.
Pinocchio: Kein Baum.
Grille: Kein Baum? Nicht einmal...
Grille/Pinocchio: ... ein Blättchen?
Pinocchio gräbt die Erde wieder aus.
Grille: Da war... nichts. Da war wirklich gar nichts. Und plötz-
lich verstand Pinocchio, ein wenig spät verstand er:
Pinocchio: Ich... ich bin betrogen worden!
Pinocchio gräbt wild in der Erde herum.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 28
Grille: Während er bis 100.000 gezählt hatte, waren seine
Freunde, die Katze und der Fuchs, gekommen, hatten
die Taler ausgegraben und gestohlen. Ja, kotzelend
war ihm zumute, weil es nichts Schlimmeres gibt, als
von Freunden betrogen und verraten zu werden.
Pinocchio: Das lass ich mir nicht gefallen! Ich will Gerechtigkeit.
Jawohl, ich gehe zum Gericht!
Szene 8
Grille: Die Welt ist leider nicht immer gerecht, manchmal so
gar sehr ungerecht. Und die Stunden im Gefängnis
wurden zu Tagen, wurden zu Wochen und schließlich
zu Monaten und Pinocchio dachte nach.
Geppetto: Pinocchio.
Grille: Er dachte an seinen Vater und manchmal schien es
ihm, als ob er von fern seine Stimme hörte.
Geppetto: Mein Sohn, wo bist du?
Grille: Wie gerne hätte er Geppetto umarmt... vielleicht auch
ein bisschen liebevoll geärgert und dann wieder um-
armt... Hätte Pinocchio schreiben gelernt, hätte er ihm
wenigstens ein Zeichen geben können, dass er noch
am Leben war. Hätte, hätte, hätte... Geht so die Ge-
schichte von Pinocchio zu Ende, mit den vielen
„Hättest“, die ihm im Kopf herumwirbelten?
Szene 8 und 9
Fee: Erzähl, Pinocchio, wie bist du in diese schlimme Lage
gekommen?
Pinocchio: Das kann ich Ihnen ganz genau sagen, ich war auf
dem Weg zur Schule und da, und da...
Fee: Ja?
Pinocchio: ... und da dann, ist plötzlich mein Schulbuch ver-
schwunden, einfach so!
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 29
Fee: Ach, wirklich?
Pinocchio: Ja.
Es knarrt, Pinocchios Nase vergrößert sich.
Pinocchio: He, was ist denn das? Aua! Meine, meine..... Nase!
Fee: Pinocchio, bist du dir auch ganz sicher, dass das Buch
einfach so verschwunden ist?
Pinocchio: Nein. Jetzt fällt es mir wieder ein. Ich war im Theater
und der Direktor hat mir 5 Goldmünzen gegeben und
dann wollte ich auf direktem Weg nach Hause gehen.
Ich habe mich auch wirklich von niemandem aufhalten
lassen!
Fee: Wirklich?
Pinocchio: Ja.
Es knarrt entsetzlich, Pinocchios Nase vergrößert sich weiter.
Pinocchio: Hey, was soll das? Au weia, meine Nase! Na ja viel-
leicht habe ich mich so ein kleines bisschen aufhalten
lassen, aber das waren riesige Kerle, mit spitzen Zäh-
nen, Ohren wie Höhlen und mindestens 10 Armen!
Fee: Wirklich?
Pinocchio: Ja.
Es knarrt entsetzlich, Pinocchios Nase wächst.
Pinocchio: Die wollten mein Gold klauen und haben mich einfach
k.o. geschlagen!
Es knarrt entsetzlich, Pinocchios Nase wächst und wächst.
Pinocchio: Aua! Das tut weh!!!! Kommt das vielleicht vom
schlechten Gefängnisessen?
Fee lacht: Nein Pinocchio, das kommt vom Lügen.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 30
Pinocchio: Aber ich lüge nicht!
Pinocchios Nase wächst auf Rekordmaße.
Fee: Es gibt Lügen, die haben kurze Beine. Und es gibt Lü-
gen, die haben lange Nasen.
Pinocchio: Weißt du, Fee, manchmal ist es einfach sehr schwer,
ein Hampelmann aus Holz zu sein. Man wird belogen
und betrogen, man wird ausgelacht und herumkom-
mandiert.
Die Fee küsst ihn auf die Nase. Die Nase wird augenblicklich klei-
ner.
Fee: Ich verstehe dich gut, Pinocchio, ich bin auch ein klei-
nes bisschen anders, aber glaub mir, es kommt nicht
darauf an, ob du aus Holz bist, dir ein Arm fehlt oder
ob du eine zu lange Nase hast.
Pinocchio: Auf was denn dann?
Fee: Lerne sehen, Pinocchio. Hör auf dein Herz und lerne.
Pinocchio: Das will ich ja. Du bist doch eine Fee und du kannst
zaubern, mach aus mir einen Jungen aus Fleisch und
Blut, dann wäre alles viel leichter.
Fee: Wenn du wirklich ein richtiger Junge werden willst,
musst du wie alle Kinder zuerst in die Schule gehen.
Und dann, später, wir werden sehen, was ich tun
kann...
Pinocchio: In die Schule? Bist du sicher?
Fee: Das machen Menschenkinder so.
Pinocchio: Gut, du wirst schon sehen, wie ich gehe! Und lernen
werde jeden Tag, da wirst du dich aber wundern. Und
dann werde ich ein richtiger Junge, du hast es ver-
sprochen!
Fee: Es liegt ganz an dir, lieber Pinocchio. Die Tür ist offen.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 31
Pinocchio: Danke liebe Fee, du wirst schon sehen.
Fee: Und denk daran, hör auf dein... – weg ist er. Ich
wünsch dir Glück!
Grille: Ich frage euch, kann Pinocchio wirklich ein anderer
werden, als er ist? Kann aus Schwarz Weiß werden?
Kann aus Holz tatsächlich ein Mensch werden?
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 32
QUELLEN:
Autorenfoto: Foto di Carlo Collodi. Online unter: http://
http://biografieonline.it/img/bio/
Carlo_Collodi_1.jpg [Stand: 25.10.2016]
Regiefoto: Katharina Schmidt © romanko.
Material: Siehe Quellenangaben auf den Seiten 12 bis 13.
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Textauszüge: Carlo Collodi: Pinocchio. Fassung BLB / Kathari-
na Schmidt vom 26. Oktober 2016.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 33
IMPRESSUM: Theaterpädagogisches Begleitmaterial zu Pinocchio
von Carlo Collodi / Herausgeber: DIE BADISCHE LANDESBÜHNE /
Spielzeit 2016.2017 / Intendant Carsten Ramm / Verwaltungsleiter:
Norbert Kritzer / Redaktion: Katherine Kügler, Barbara Meißner /
Titelbild: Christine Ramm / Fotos: Peter Empl, Sonja Ramm (S. 6)