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Logistische Netzwerke

Wolf-Rüdiger Bretzke

Logistische Netzwerke

3., Auflage

ISBN 978-3-662-47920-9 ISBN 978-3-662-47921-6 (eBook)DOI 10.1007/978-3-662-47921-6

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillier-te bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Springer-Verlag Berlin Heidelberg ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)

Wolf-Rüdiger BretzkeBarkawi Management ConsultantsMünchenDeutschland

Alles sollte so einfach wie möglich sein. Aber nicht einfacher.Albert Einstein

VII

Vorwort zur 3. Auflage

Mit Ausnahme des weitgehend erhaltenen Kapitels über Dienstleisternetze (Netzwerke für Stückgutsendungen und von Paketdiensten) sind alle Teile dieses Buches noch ein-mal vollständig überarbeitet und aktualisiert worden. Eine der Erweiterungen, die zu-gleich eine Aktualisierung ist, stellt im Abschnitt über Handelslogistik beispielsweise das neu hinzu gekommene Kapitel über „eCommerce und Multi-Channel-Logistik“ dar. Die Gliederung, die sich weiterhin als tragfähig erwiesen hat, ist über weite Teile beibehalten worden, wurde aber insbesondere im ersten Kapitel noch einmal umgestellt und tiefer differenziert.

Bei der Überarbeitung habe ich besonderen Wert darauf gelegt, komplexere Sachver-halte und Passagen in einer noch verständlicheren und leserfreundlicheren Sprache zu ver-fassen – allerdings nie zu Lasten der Substanz. Zur erhöhten Leserfreundlichkeit sollten auch die zusätzlichen Graphiken beitragen, von denen sich die meisten im grundlegenden, ersten Teil des Buches finden. Es zählt zu den Vorteilen einer dritten Auflage, dass es nun viel mehr Probleme gibt, über die man mit wenig Mühe schreiben kann. (Insofern entsprach es oft nicht ganz der Wahrheit, wenn ich anderen gesagt habe, dass ich gerade fortgesetzt an einem Buch arbeite). Das komplett neu gefasste und für dieses Buch zen-trale Kapitel über Prognose-, Bestands- und Lieferzeitrisiken in dezentralen Distributi-onssystemen ist in diesem Sinne, einer inneren Logik folgend, gleichsam organisch neu gewachsen.

Für Praktiker beim Lesen kein Muss, für Wissenschaftler um so wichtiger: Die Frage nach einem adäquaten Forschungsansatz für die Logistik wurde ebenfalls noch einmal komplett überarbeitet. Für Praktiker ist diese Passage indirekt allerdings insofern höchst relevant, als sie unfruchtbare Forschungsansätze finanzieren müssen und darunter leiden, wenn die Hochschulen ihren Absolventen kein Wissen mehr vermitteln, dass diese zur qualifizierten Übernahme von Führungsverantwortung in der Logistik befähigt. Derar-tige, in Kap. 1.1.3 kritisch unter die Lupe genommene Fehlentwicklungen markieren im Grunde genommen ein gesellschaftliches Problem (mit den Namen „Bildungspolitik“ und „Allokation knapper volkswirtschaftlicher Ressourcen“).

VIII Vorwort zur 3. Auflage

Durch die weiter verstärkte Integration der einzelnen Kapitel ist ein noch homogenerer Text entstanden. Die vielfältigen Straffungen haben Raum für ergänzende Überlegungen und Abschnitte geschaffen. Trotzdem ist das Buch dabei immer noch ziemlich umfang-reich. Ich bitte meine Leser dafür um Nachsicht und kann zu meiner Entschuldigung nur sagen, dass das Buch als Grundlagenwerk für Forschung und Praxis angelegt ist und dabei im ersten Teil auch als Einführung in die Logistik (und deren Erforschung) gelesen wer-den kann. Auch das Literaturverzeichnis ist noch einmal auf eine inzwischen beachtliche Größe gewachsen. Das entspricht der Breite des hier gewählten Ansatzes und kann viel-leicht auch als Dienst am Leser durchgehen.

In seinem Buch über den „Schwarzen Schwan“ bemerkt Nassim Taleb (2008, S. 349) pointiert, „dass man sich nicht von Büchern zu Problemen bewegen kann, sondern nur in der umgekehrten Richtung von Problemen zu Büchern“. Dieser Gedanke klingt plausi-bel für den Fall, dass man sich nur in eine der beiden Richtungen bewegen kann. Meine persönliche Biografie hat mich mit der Gelegenheit ausgestattet, immer wieder zwischen Theorie und Praxis wechseln oder sogar beides parallel betreiben zu können und damit beide Betätigungsfelder zu integrieren und gelegentlich wechselseitig zu befruchten. Da-mit konnte ich mich nach einer gewissen Zeit tatsächlich in beiden Richtungen bewegen. Ich hoffe und bin zuversichtlich, dass die Leser dieses Buches davon wiederum profitieren.

Krefeld, im Mai 2015 Wolf-Rüdiger Bretzke

IX

Vorwort zur zweiten Auflage

Die erste Auflage ist von den Lesern erfreulich gut angenommen worden. Die Idee, nicht von Büchern aus auf die Praxis zu schauen, die dann durch den Modellvorrat hindurch oft nur noch selektiv wahrgenommen wird, sondern umgekehrt von der Praxis her theorie-geleitet ein unmittelbar handlungsorientiertes Buch zu entwickeln, hat sich offenbar be-währt. Hier werden theoretische Konzepte und Modelle aus den schützenden Mauern des Wissenschaftsbetriebes in die raue Wirklichkeit entlassen und daraufhin überprüft, ob die ihnen zugrundegelegten Annahmen nur zur optimalen Lösung von „Toy Problems“ füh-ren oder ob sie als pragmatische Formen der Komplexitätsreduktion in den Händen von Experten einen akzeptablen Pfad der Vereinfachung vorzeichnen können, der schließlich ursprünglich diffuse, reale Ausgangsprobleme in nachvollziehbarer Weise „griffig“ und entscheidbar macht.

In der nunmehr vorgelegten zweiten Auflage sind sämtliche Kapitel, unter ihnen auch die kritische Sicht auf das Thema „Supply Chain Management“, einer gründlichen Über-arbeitung unterworfen worden. Dabei handelt es sich, neben einigen kleineren Korrektu-ren von Unstimmigkeiten, sowohl um Erweiterungen als auch um deutliche Vertiefungen der Analyse. Der Buchumfang ist bei dieser Gelegenheit um fast die Hälfte gewachsen. Beispielhaft erwähnt sei nur das in der Fachliteratur nur selten zu findende, grundlegende Kapitel über logistische Designprinzipien, das im Rahmen der Vertiefung um das Kriteri-um der Nachhaltigkeit ergänzt worden ist. Damit wird der aktuellen öffentlichen und po-litischen Diskussion um die drohende Klimakatastrophe, in deren Mittelpunkt immer wie-der auch der Güterverkehr und mit ihm die Logistik stehen, explizit Rechnung getragen. Die Berücksichtigung dieses neuen Maßstabes für die Bewertung logistischer Modelle hat kein neues Kapitel begründet, zieht sich aber als ergänzender Aspekt durch weite Teile des Buches. Neu hinzugekommen ist als zusammenhängender Text aber beispielsweise ein Abschnitt über die logistischen Aspekte der Gestaltung von Produktionsnetzwerken.

Um den Anspruch eines auch für Ausbildungszwecke geeigneten Standardwerkes noch besser zu erfüllen, ist die Anzahl der Belege von Musterkonzepten durch die anekdotische Evidenz konkreter Fallbeispiele noch einmal deutlich erhöht worden. Primär aus diesem Grund heraus, aber auch zur weiteren Verbesserung der allgemeinen Verständlichkeit auch

X Vorwort zur zweiten Auflage

komplexerer Sachverhalte, ist die Anzahl der Graphiken mit nunmehr 97 Schaubildern deutlich erhöht worden. Praxisorientierung heißt aber auch, dass die Bedingungen, unter denen bestimmte Konzepte anwendbar sind, noch klarer herausgearbeitet werden, und dass der Autor seine Leser nicht allein lässt, wenn festgestellt werden muss, das bestimmte Annahmen einiger Modelle in der Praxis nicht tragen.

Damit wird der besondere Anspruch dieses Buches, für beide Seiten befruchtende Brü-cken zwischen Wissenschaft und Praxis zu bauen, noch deutlicher erfüllt. In der Theorie wird die Spreu vom Weizen jetzt noch klarer getrennt. Die brauchbaren Teile erhalten durch die erhöhte Beispielzahl gleichzeitig mehr Glaubwürdigkeit, bei den eher etwas weltfremden Modellen werden die Lücken zwischen Wissenschaft und Praxis noch klarer aufgezeigt, was auch als Identifikation von Forschungsbedarfen verstanden werden kann. Idealtypische Modelle dieser Art werden aber nach wie vor nur behandelt, wenn man an ihnen bestimmte Zusammenhänge oder Prinzipien anschaulich herausarbeiten kann und ihnen insoweit ein didaktischer Wert zukommt. Wenn man Relevanz höher gewichtet als Quantifizierbarkeit und der situativen Bedingtheit („Kontingenz“) vieler Modelle explizit Rechnung trägt, muss man allerdings dafür einen Preis in Kauf nehmen: die Analysen ver-lieren etwas an „Griffigkeit“ und wirken auf den ersten Blick weniger stringent. Gerade darin aber spiegelt sich die wahre Natur praktischer Probleme wieder.

Angesichts des weitgehend sprachlosen Nebeneinanders unterschiedlicher Denkschu-len und Forschungsrichtungen in der betriebswirtschaftlichen Logistik ist der Abschnitt über die methodologischen Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens auf diesem Feld zu einem eigenständigen Kapitel ausgebaut worden. Ohne diese Rückbesinnung auf die eigenen wissenschaftstheoretischen Grundlagen ist diese Trennung, die wegen der aus-bleibenden wechselseitigen Befruchtung auch zur Verschwendung volkswirtschaftlicher Ressourcen führt, nicht zu überwinden. Nicht nur deshalb kann das Buch, das grundsätz-lich den an praktisch verwertbarem Wissen interessierten Leser im Auge hat, auch von Wissenschaftlern mit Gewinn gelesen werden (zumal hier auch einiges gerade gerückt wird, was nach Ansicht des Autors schon in der Wissenschaft nicht funktionieren kann).

Das Buch enthält an einer Stelle mehr Mathematik als ursprünglich (aus didaktischen Gründen) geplant. Bei der Analyse der zentralen Frage, wie Sicherheitsbestände und Lie-ferbereitschaftsgrade auf Netzstrukturvariationen reagieren, wenn man das formal elegan-te und deshalb sehr populäre, aber unrealistische Lehrbuchmodell des „Alpha-Servicegra-des“ durch das den Messmethoden der Praxis entsprechende, aber sehr viel komplexere Konzept des Beta-Servicegrades ersetzt, hat mich meine Barkawi-Kollegin Dr. Veronika Köbberling unterstützt und mir bei einer schwierigen formalen Ableitung die Feder ge-führt. Für die dadurch in meinem Kopf entstandene Klarheit danke ich ihr herzlich. Die intensiven Gespräche mit dem Gründer und langjährigen Geschäftsführungsvorsitzenden der METRO Group Logistics GmbH, Dr. Wolfgang Prümper, haben sehr zur Vertiefung meines Verständnisses für die Alternativen der Handelslogistik und ihrer jeweilige Prob-leme beigetragen. Auch ihm gebührt mein Dank für sein Interesse an meiner Arbeit und die uneigennützige Unterstützung.

XIVorwort zur zweiten Auflage

Meiner Frau Dagmar Bretzke, die nach Beendigung der ersten Auflage schon einmal vorzeitig aufgeatmet hatte, danke ich erneut für ihre Geduld und ihr Verständnis und dafür, dass sie nicht ihren Humor verloren hat, als ich unerwartet wieder in meinem Arbeitszim-mer verschwand. Mit einer solchen Partnerin kann man viel erreichen.

Krefeld, den 1., Oktober 2009 Wolf-Rüdiger Bretzke

XIII

Vorwort zur ersten Auflage

Der nachstehende Text ist aus einer Vorlesung über Gestaltung und Betrieb logistischer Netzwerke hervorgegangen. Er reflektiert neben theoretischen Konzepten insbesondere die praktischen Erfahrungen des Verfassers aus zahlreichen Projekten in unterschiedlichen Branchen. Der Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Praxis ist sein ausdrückliches Ziel.

Gleichzeitig soll mit diesem Text eine Lücke in der Fachliteratur geschlossen wer-den. Das hier angesprochene Thema wird in Lehrbüchern meist nur sehr knapp behan-delt. Schulte (1999), der in diesem Punkt den Stoff seines Einführungswerkes in die Lo-gistik nicht wesentlich anders strukturiert als viele andere Autoren, widmet dem Thema beispielsweise nur 8 von insgesamt 574 Seiten, bei Christopher (2005) findet man nur einzelne, verstreute Sätze. Diese Gewichtung spiegelt eine generelle Fokussierung des logistischen Denkens auf Fragen des Prozessdesigns wieder, als deren Folge Fragen der Ressourcenarchitektur gelegentlich etwas vernachlässigt werden. Das ist insofern prob-lematisch, als die Struktur von Netzwerken eine stark limitierende Auswirkung auf das Potenzial haben kann, das man über ein Redesign von Prozessen aus einem Distributions- oder Beschaffungssystem noch „herausholen“ kann.

Auf der Ebene einzelner Fachaufsätze erfährt das Thema eine ausführlichere, dabei aber oft eher anekdotische, fallorientierte und insgesamt fragmentierte Behandlung, was die konzentrierte Verschaffung eines umfassenderen Überblickes mühsam macht und ein vorlesungsbegleitendes Literaturstudium erschwert. Sofern dem Thema ganze Bücher ge-widmet sind, handelt es sich dabei großenteils um mathematische Abhandlungen, die das Thema auf seine quantitativen Aspekte reduzieren und infolgedessen nur ausschnittweise behandeln. (Das Attribut „quantitativ“, mit dem gelegentlich eine ganze betriebswirtschaft-liche Forschungsrichtung gekennzeichnet wird, ist dabei keineswegs einfach mit „quanti-fizierbar“ gleichzusetzen, sondern bedeutet nur so viel wie „im Prinzip rechenbar“).

Das Buch behandelt das Thema „Netzwerkkonfiguration“ über seine drei wichtigsten Anwendungsfelder hinweg. Distributionssysteme werden im Kontext industriegetriebener Warenverteilsysteme diskutiert, bei handelslogistischen Systemen kommt das Thema Be-schaffung hinzu, und die offenen Transportsysteme von Logistikdienstleistern müssen als

XIV Vorwort zur ersten Auflage

vergleichsweise unspezifische Systeme unterschiedlichen Anforderungen von Auftragge-bern aus Industrie und Handel gerecht werden. Die Herausarbeitung der strukturellen Ge-meinsamkeiten dieser Netzwerke schärft den Blick für ihre Unterschiede, was in Summe dann das Verständnis für die Aufgabe der Netzwerkkonfiguration insgesamt fördert.

Der Text enthält eine Fülle praxisrelevanter Informationen, die oft nicht den Weg in Lehrbücher finden. Er beansprucht dabei, eine Systematisierung von praxisrelevantem Wissen zu liefern, nicht aber, den Stand der Forschung nachhaltig zu erweitern. Gleich-wohl werden auch Wissenschaftler ihn in Teilen mit Gewinn lesen können – nicht so sehr, weil er neue Antworten auf alte Fragen liefert, sondern weil er Fragen aufwirft, auf die man erst stößt, wenn man sich mit der Lösung konkreter Probleme beschäftigt. Das Buch bietet eine Vielzahl von Themenstellungen, die sich für weiterführende Forschungsarbei-ten anbieten. In der Praxis kann man jedoch auf entsprechende Resultate nicht warten. Deshalb werden gelegentlich auch Wege aufgezeigt, wie man mit einem unvollständigen Halbwissen zum Erfolg kommen kann.

In erster Linie bezweckt der Text, Logistikern, die als Manager oder Berater mit ent-sprechenden Fragestellungen konfrontiert sind, zu helfen, sich auf diese Aufgabe vorzu-bereiten bzw. sie durch eine begleitende Lektüre besser bewältigen zu können. Studenten gibt er einen zusammenhängenden Einblick in die Probleme, die bei einer Netzwerkkon-figuration in der Praxis auftreten, sowie in Erkenntnisse und Methoden, die zu deren Lö-sung herangezogen werden können. Dozenten mag er als Quelle und Leitfaden für den Aufbau von eigenen Lektionen dienen. Primär an wissenschaftlich interessierte Leser gerichtet ist nur der kurze Abschnitt, in dem die hier vorgelegte Arbeit (exemplarisch für einen bestimmten Denkansatz in der Logistik) wissenschaftstheoretisch eingeordnet wird. Da die Argumentation hier in den Kontext einer ausführlichen wissenschaftlichen Debatte eingebunden ist, dürften auch die einleitenden Kapitel über den Logistikbegriff und das Supply Chain Management Konzept für Leser aus dem Bereich der Wissenschaft von Interesse sein.

Insbesondere im Hinblick auf die beiden letztgenannten Zielgruppen müssen in be-grenztem Umfang auch theoretische Konzepte behandelt werden, deren Tauglichkeit bei der Bewältigung praktischer Aufgabenstellung zweifelhaft ist. Sie sind in der Fachlite-ratur einfach zu präsent, um sie unerwähnt zu lassen. Immerhin kann man aber auch bei der Kritik solcher „Wissens“-Bausteine oft gut das eigene logistische Denken schulen. Dieses dem Autor besonders wichtige Ziel ist auch der Grund dafür, ein an sich eher pra-xisorientiertes Buch einleitend mit einer ausführlicheren Erörterung der Entwicklung des Logistikbegriffes sowie einer Kritik an einigen zentralen Denkansätzen des Supply Chain Managements zu beginnen. Ein Grenzfall sind Modelle, die ein Problem „im Prinzip“ treffend beschreiben, in der Praxis aber an Übervereinfachung und/oder an unlösbaren Quantifizierungsproblemen scheitern. Solche Konstrukte werden hier benutzt, wenn sie einen erkennbaren didaktischen Wert haben. Das ist häufiger der Fall.

Bei passender Gelegenheit werden in diesem Text neben deutschen Fachbegriffen häu-figer auch englische Fachausdrücke erwähnt. Dabei wird die Reinheit der Sprache hin und wieder der Vermittlung von fachlicher Kompetenz geopfert. In Zeiten der Globali-

XVVorwort zur ersten Auflage

sierung gibt es zu dem hier angesprochenen Problemfeld kaum noch nationale Projekte. Kompetenz heißt vor diesem Hintergrund zunehmend auch Sprachkompetenz, die sich in der Kenntnis der relevanten Fachbegriffe äußert. Und dem Autor geht es dezidiert um „Usefulness“.

Die wesentlichen Begriffe dieses Buches werden im Anhang in einem Glossar definiert und knapp erläutert. Das ist auch deshalb wichtig, weil es in der Logistik eine Reihe von Begriffen gibt, die (wie etwa die Begriffe „Cross Docking“ und „Transshipmentpoint“) nicht einheitlich verwendet und verstanden werden.

Ohne Verallgemeinerungen gibt es kein übertragbares Wissen. Bedauerlicherweise ist das nicht gleichzusetzen mit der Vermittlung einfacher Regeln, Prinzipien oder „Lehr-sätze“. In der Logistik sind nahezu alle interessanten Leitideen kontingent, d. h. in ih-rer Wirksamkeit von bestimmten Randbedingungen abhängig, die ihrerseits oft Ausfluss menschlichen Handelns sind und insoweit als Gestaltungsvariable thematisiert werden können. Eine Folge dieser Kontingenz ist, dass auch bewährte Konzepte durch den Ein-tritt nicht antizipierter Randbedingungen obsolet werden können. Eine andere ist, dass die seitens der Wissenschaft spätestens seit Descartes immer wieder eingeforderte Ent-wicklung „geschlossener Theorien“ an den Mythos des von den Göttern in die Unterwelt verdammten Sysiphos erinnert. Wie auch deren Objekt selbst sind Theorien über Logistik ein „Moving Target“.

Der Kontingenz trägt der Text Rechnung, indem er immer wieder beispielhaft illust-riert, wann bestimmte Gestaltungsmuster empfehlenswert sind und wann nicht. Auf dem Weg, ein Experte zu werden, ist mit kontextlos propagierten „Blueprints“ niemandem ge-holfen. Andererseits kann man bei einem zu hohen Detaillierungsgrad leicht die Übersicht verlieren, und die vorgestellten Konzepte verlieren infolge von zu viel Realitätsnähe ihre normative Kraft. Praktische Beispiele fördern das Verständnis und schaffen Glaubwürdig-keit. Eine nur narrative (erzählende) und anekdotische Problembehandlung schafft aber kein übertragbares Wissen. Auch Brauchbarkeit braucht Abstraktion. Das vorliegende Buch spiegelt den Versuch, hier eine ausgewogene Balance zu finden.

Eine andere Sprache wird im Folgenden überwiegend zurückhaltend benutzt. Soweit sich Sachverhalte verbal darstellen und rein logisch analysieren lassen, wurde zuguns-ten der Lesbarkeit auf mathematische Darstellungen verzichtet. Damit ist keine Wertung verbunden. Mathematische Modelle können, wie später noch ausgeführt wird, im Lö-sungsprozess eine positive, unterstützende Rolle spielen. Diese Rolle ist allerdings para-dox: man muss die Komplexität realer Probleme so weit reduzieren, dass sie sich in der formalen Sprache der Mathematik beschreiben lassen, um innerhalb dieser reduzierten Problemsicht dann eine Komplexität aufzuspannen, die sich nur noch durch Mathematik beherrschen lässt. Deshalb gibt es in diesem Buch einige Teilthemen wie etwa das Be-standsmanagement, bei deren Behandlung und Darstellung die Präzision und Klarheit, die diese Sprache ermöglicht, schlicht unentbehrlich ist.

Mathematik ist jedoch in praktischen Netzwerk-Projekten nicht die Sprache, in der wesentliche Inhalte kommuniziert und Empfehlungen an das Management formuliert wer-den. Auch weil sich nicht alle lösungsrelevanten Sachverhalte und Hypothesen in dieser

XVI Vorwort zur ersten Auflage

Sprache abbilden lassen, kommt man nicht umhin, entscheidende Annahmen, Begrün-dungen und Bewertungen mathematikfrei zu erläutern und zu diskutieren, auch wenn sich manches in Formeln knapper und gelegentlich vielleicht auch präziser formulieren lie-ße. Mal braucht man eben die Mathematik, um einer gegebenen Komplexität gerecht zu werden, mal hindert einen die Mathematik aber auch daran, Komplexität angemessen zu erfassen.

Der Text ist ursprünglich als Lernunterlage entwickelt worden, die sich ohne umfang-reicheres Vorwissen erschließen lassen sollte. Das erklärt auch den Umgang mit Fußnoten und Quellenangaben. Texte in Fußnoten wurden grundsätzlich vermieden. Wenn Aussa-gen wichtig sind, stehen sie im Text. Sind sie das nicht, haben sie auch in einer Fußnote nichts verloren. Literaturhinweise sind im Text sparsam gesetzt und finden sich konzent-riert jeweils am Ende eines Kapitels. Im Text gibt es solche Hinweise nur, wenn sich eine bestimmte wichtige Idee oder Aussage eindeutig mit einer Person verbindet.

Herr Dr. Timm Gudehus hat frühere Fassungen dieses Buches kritisch durchgesehen, mich mit einer Vielzahl wertvoller Anregungen unterstützt und dabei in der Verfolgung dieses Projektes mehrfach bestärkt. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Mein besonderer Dank gilt meiner Frau Dagmar, die über einen längeren Zeitraum auf einen Teil der ge-meinsamen Freizeit verzichtet hat und die in der verbleibenden Zeit gelegentlich mit einem Ehemann zu tun hatte, der zwar anwesend, aber nicht ganz da war. Ohne ihre Geduld und Unterstützung wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Auch aus anderen (wesentlich wichtigeren) Gründen widme ich ihr dieses Buch.

Krefeld, im Dezember 2007 Wolf-Rüdiger Bretzke

XVII

Inhaltsverzeichnis

1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Logistik als betriebswirtschaftliche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1.1.1 Begriff, Aufgaben und Bedeutung der Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.2 Logistik als Organisationsaufgabe und Organisationseinheit . . . . . 241.1.3 Logistik als Forschungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

1.1.3.1 Vorbemerkungen zur praktischen Bedeutung der Forschungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

1.1.3.2 Komplexität und Kontingenz: Was Sozialwissenschaften von Naturwissenschaften unterscheidet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

1.1.3.3 Möglichkeiten und Grenzen einer theoriebasierten empirischen Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

1.1.3.4 Quantitative Entscheidungslogik: Der Operations-Research-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

1.1.3.5 Der methodologische Ansatz dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . 641.2 Supply Chain Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

1.2.1 Lieferketten als Gegenstand der Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661.2.2 Die Frage nach der Führungsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821.2.3 Grenzen einer holistischen Optimierung ganzer

Supply Chains . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 891.3 Grundlagen und Voraussetzungen der Konfiguration

logistischer Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1021.3.1 Begriff und Bedeutung logistischer Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . 1021.3.2 Strukturen, Kapazitäten und Prozesse als

Analyse- und Gestaltungsobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1101.3.3 Designprinzipien der Netzwerkkonfiguration . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

XVIII Inhaltsverzeichnis

1.3.4 Serviceanforderungen als Grundlagen der Netzkonfiguration . . . . . 1351.3.4.1 Was bedeutet eigentlich „Service“? . . . . . . . . . . . . . . . . . 1361.3.4.2 Kosten vs. Qualität: Das fundamentale

„Trade-Off“-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1381.3.4.3 Service als Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1451.3.4.4 Kennzahlen als Qualitätsparameter und Zielvariable . . . . 1491.3.4.5 Flexibilität als Designprinzip und Servicemerkmal . . . . . 162

1.3.5 Netzwerkdesign als Projektaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

2 Industrielle Distributionssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1912.1 Grundlagen der Warendistribution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

2.1.1 Von der Quelle bis zu Senke: Transportmuster und Verkehrsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

2.1.2 Komponenten einer Netzkonfiguration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2042.2 Mehrstufige Distributionssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

2.2.1 Grundlegende funktionale Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2142.2.1.1 Transportkosteneffekte der Mehrstufigkeit . . . . . . . . . . . . 2152.2.1.2 Bestandskosteneffekte der Mehrstufigkeit . . . . . . . . . . . . 2232.2.1.3 Zusammenfassende Darstellung und Zwischenfazit . . . . . 269

2.2.2 Modifikationen und Erweiterungen des Grundmodells . . . . . . . . . . 2752.2.2.1 Der Einfluss der Sortimentsstruktur auf

die Netzgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2752.2.2.2 Regionallager mit länderübergreifenden

Absatzgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2862.2.2.3 Die Entkopplung von Logistik und Vertrieb . . . . . . . . . . . 288

2.3 Einstufige Distributionssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2892.3.1 Einstufige, dezentrale Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2902.3.2 Transshipmentpoint-Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2912.3.3 Vollständig zentralisierte Direktbelieferungssysteme . . . . . . . . . . . 299

2.4 Produktionsnetzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3032.4.1 Komplexe Quellstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3032.4.2 Distributions- vs. Beschaffungslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

2.5 Eine kurze Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

3 Versorgungssysteme des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3213.1 Die Bedeutung der Logistik im Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3213.2 Das Zentrallagerkonzept als handelslogistisches Basismodell . . . . . . . . . . 3253.3 Cross-Docking als bestandslose Belieferungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

XIXInhaltsverzeichnis

3.4 Konsolidierung auf der Basis offener Transportnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . 3423.5 eCommerce und Multi-Channel-Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355

4 Dienstleisternetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3574.1 Ein Blick auf den Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3584.2 Besonderheiten von Dienstleisternetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3644.3 Grundmodelle der Netzkonfiguration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

4.3.1 Rastersysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3694.3.1.1 Das Grundmuster des Rasterkonzeptes . . . . . . . . . . . . . . . 3704.3.1.2 Betriebsvarianten des Rasterkonzeptes . . . . . . . . . . . . . . . 373

4.3.2 Hubsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3764.3.2.1 Das Grundmuster des Hubsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3764.3.2.2 Strukturvarianten des Hubsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381

4.4 Organisations- und Führungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3844.5 Die europäische Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3884.6 Exkurs: Fortgeschrittene Ladungsnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392

5 Outsourcing: Die Suche nach dem besten Prozesseigner . . . . . . . . . . . . . . . . 3955.1 Die Make-or-Buy-Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3955.2 Die möglichen Kostenvorteile der Fremdvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4005.3 Weitere Kriterien der Partnerselektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4185.4 Vertragliche Arrangements zur Entschärfung

des Abhängigkeitsproblems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4215.5 Logistik und mehr: Was man Dienstleistern sonst

noch übergeben kann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429

Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439

XXI

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1.1  Elementare Risikomatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Abb. 1.2  Trade-Off Lieferzeit vs. Termintreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22Abb. 1.3  Logistik als Querschnittsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26Abb. 1.4  Muster einer prozessorientierten Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32Abb. 1.5  Logistik als „Shared Service“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34Abb. 1.6  Undurchdringlichen Kausalbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44Abb. 1.7  Auftragsflüsse in offenen Netzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72Abb. 1.8  SCM als Netzwerkmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75Abb. 1.9  Netze statt Ketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77Abb. 1.10  Industrie- vs. Handelslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78Abb. 1.11  Vertragliche Beziehungen bei Frei-Haus-Lieferungen . . . . . . . . . . . . . . . 79Abb. 1.12  Asymmetrische Schadensfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81Abb. 1.13  Kommunikationswege in einer Hierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97Abb. 1.14  Schema eines Versorgungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106Abb. 1.15  Die Beziehung zwischen Netzwerken und Prozessen . . . . . . . . . . . . . . . 110Abb. 1.16  Designprinzipien der Netzwerkkonfiguration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114Abb. 1.17  Auslastungsverstetigung durch Puffer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117Abb. 1.18  Trade-Off Transport- vs. Bestandskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119Abb. 1.19  Auslastungsverstetigung durch Transportzeitvariation . . . . . . . . . . . . . . 122Abb. 1.20  Glättung durch Wahl der Lieferfrequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123Abb. 1.21  Tagesmengen bei reduzierter Belieferungsfrequenz . . . . . . . . . . . . . . . . 123Abb. 1.22  Push- vs. Pull-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125Abb. 1.23  Merge-in-Transit-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127Abb. 1.24  Mögliche Push-Pull-Kombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128Abb. 1.25  Kostenaufwuchslinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129Abb. 1.26  Bestandseffekte des Postponementprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130Abb. 1.27  Trade-Off zwischen Luftfracht und Seefracht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134Abb. 1.28  Der Zusammenhang zwischen Servicequalität,

Erträgen und Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

XXII Abbildungsverzeichnis

Abb. 1.29  Service als Vermeidung von Fehlmengenkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139Abb. 1.30  Servicegradbestimmung als Gewinnmaximierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140Abb. 1.31  Thinking out of the Box . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142Abb. 1.32  Um „Nachhaltigkeit“ erweiterte Zielkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144Abb. 1.33  Beispiel eines Segmentkubus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148Abb. 1.34  Qualitätsmerkmale eines Lieferservice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150Abb. 1.35  Tourendichte bei auftragsunabhängig bestimmten

Rahmentourenplänen. a Tourenmuster bei Rahmenbelieferungsplänen. b Tourenmuster bei voll flexiblem Lieferservice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

Abb. 1.36  Einflussfaktoren in Distributionsnetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157Abb. 1.37  Die Komplexitätsfalle als Zeitschere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158Abb. 1.38  Netzstrukturabhängige Serviceprofile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162Abb. 1.39  Eigendynamik der Zeitkompression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163Abb. 1.40  Typische Projektstruktur (Praxisbeispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166Abb. 1.41  Schematische Warenstromdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170Abb. 1.42  Visualisierung der geographischen Absatzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . 177Abb. 1.43  Trade-Offs zwischen Kostenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180Abb. 1.44  Ergebnisdifferenzierung nach „Herkunft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Abb. 2.1  Kostenstruktur des Kombinierten Verkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195Abb. 2.2  Grundlegende Transportmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197Abb. 2.3  Teilprobleme der Netzkonfiguration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205Abb. 2.4  Grundlegende Transportkostenfunktion (Gewicht) . . . . . . . . . . . . . . . . . 216Abb. 2.5  Grundlegende Transportkostenfunktion (Entfernung) . . . . . . . . . . . . . . . 217Abb. 2.6  Wertschöpfung durch regionale Auslieferungslager . . . . . . . . . . . . . . . . 217Abb. 2.7  Bündelung durch Auslieferungslager („Draufsicht“) . . . . . . . . . . . . . . . . 219Abb. 2.8  Geographische Kundenkonzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223Abb. 2.9  Kontinuierlicher Lagerzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227Abb. 2.10  Entkopplung lokaler Bestellzyklen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229Abb. 2.11  Gesamtkostenverlauf und optimale Bestellmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233Abb. 2.12  Lokale Bestandsentwicklung bei veränderter Netzdichte . . . . . . . . . . . . 235Abb. 2.13  Systembestand bei veränderter Netzdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235Abb. 2.14  Folgen des Kontrollrhythmusverfahrens. KP Kontrollpunkt,

LT Lieferzeitpunkt, FM Fehlmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238Abb. 2.15  Der Zusammenhang von Netzdichte und Nachschubfrequenz . . . . . . . . 239Abb. 2.16  Logik des Alpha-Servicegrades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244Abb. 2.17  Sicherheitsbestände im Bestellpunktverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246Abb. 2.18  Kumulierte Sicherheitsbestände als Funktion der Netzdichten . . . . . . . . 247Abb. 2.19  Logik von Prognoseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250Abb. 2.20  Exponentielle Glättung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

XXIIIAbbildungsverzeichnis

Abb. 2.21  Determinanten von Sicherheitsbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256Abb. 2.22  Vorlaufende Suboptimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257Abb. 2.23  Alpha- vs. Betaservicegrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261Abb. 2.24  Systemimmanente Fehlerrisiken des „Square-Root-Law“ . . . . . . . . . . . . 268Abb. 2.25  Gesamtkostenanalyse mehrstufiger Distributionssysteme . . . . . . . . . . . . 270Abb. 2.26  Trade-Off „Gesamtkosten vs. Lieferzeiten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273Abb. 2.27  Variantenvielfalt als Risikofaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277Abb. 2.28  ABC-Struktur eines Sortimentes (Praxisbeispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279Abb. 2.29  ABC-orientierte Bestandsallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282Abb. 2.30  Varianten der Auslieferung zentral gelagerter C-Artikel . . . . . . . . . . . . . 283Abb. 2.31  Beispiel für eine konzentrierte Absatzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287Abb. 2.32  Varianten von Distributionssystemen. WL Werkslager, TSP

Transshipmentpoint . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290Abb. 2.33  Transportkostenfunktionen in Transshipmentpoint -Systemen . . . . . . . . 295Abb. 2.34  Das Problem der kritischen Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297Abb. 2.35  Wirkungen der Zentralisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301Abb. 2.36  Kombinierte Lieferzeit- und Bedarfsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303Abb. 2.37  Der Launhardt’sche Trichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304Abb. 2.38  Produktions- vs. Transportkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306Abb. 2.39  Spezialisierung vs. Flexibilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307Abb. 2.40  Flexible (regionale) Fertigung mit einstufiger Distribution . . . . . . . . . . . 308

Abb. 3.1  Komplexitätsreduktion durch Handelszentrallager . . . . . . . . . . . . . . . . . 326Abb. 3.2  Rabattgetriebenes „Forward Buying“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328Abb. 3.3  Prozessdesign im Zentrallagerkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333Abb. 3.4  Nachschub nach dem „Supermarktprinzip“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334Abb. 3.5  Cross Docking mit zweistufiger Kommissionierung . . . . . . . . . . . . . . . . 338Abb. 3.6  Selbstabholung über offene Transportnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343Abb. 3.7  Schematischer Lieferwegevergleich (eCommerce) . . . . . . . . . . . . . . . . . 353Abb. 4.1  Merkmale der Kontraktlogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359Abb. 4.2  Merkmale offener Transportnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360Abb. 4.3  Strategische Positionierung von Logistikdienstleistern . . . . . . . . . . . . . . 361Abb. 4.4  Netzwerktypen (nach Reichweiten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361Abb. 4.5  Typisches Muster einer „Sammelgut“-Beförderung . . . . . . . . . . . . . . . . 367Abb. 4.6  Vergleich DLN vs. Distributionssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369Abb. 4.7  Rastersystem mit n*(n−1) Linienverkehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371Abb. 4.8  Optimale Netzdichte aus Sicht eines Versandterminals . . . . . . . . . . . . . . 372Abb. 4.9  Hubsystem mit 2*n Linienverkehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378Abb. 4.10  Wege durch ein Multi-Hub-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381Abb. 4.11  Regionalhubs mit Verzahnung nach „Sanduhr-Logik“ . . . . . . . . . . . . . . 382

XXIV Abbildungsverzeichnis

Abb. 5.1  Outsourcing als Tausch von Verfügungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396Abb. 5.2  Lohnanpassung nach Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405Abb. 5.3  Produktionskosten- vs. Transaktionskostenseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415Abb. 5.4  Bewertungsschema Partnerselektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420Abb. 5.5  Bewertung strategischer Make-or-Buy-Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427

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Grundlagen

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015W. -R. Bretzke, Logistische Netzwerke, DOI 10.1007/978-3-662-47921-6_1

1

1.1 Logistik als betriebswirtschaftliche Funktion

Mit der Konzentration auf die betriebswirtschaftiche Seite der Logistik ist keine Abwer-tung der technischen Aspekte dieser Disziplin verbunden. Beide Aspekte bedingen sich gegenseitig und gehen in der Praxis oft ineinander über. Auf der wissenschaftlichen Ebe-ne aber sind Betriebswirtschaftslehre und Ingenieurwissenschaften kaum unter das Dach einer gemeinsamen Theoriebildung zu bringen. Hier macht die Herausbildung getrennter Teildisziplinen im Sinne einer fachlichen Spezialisierung Sinn.

1.1.1 Begriff, Aufgaben und Bedeutung der Logistik

Vom geforderten Ergebnis her betrachtet ist Logistik die bedarfsorientierte Herstellung von Verfügbarkeit. Dem allgemeinen Begriffsverständnis entsprechend, müsste man dem noch einschränkend hinzufügen, dass es sich hier um die Verfügbarkeit über schon her-gestellte Güter handelt. Das mag zweckmäßig sein, und es wird im Folgenden hier auch so gehandhabt, weil man so klar zwischen Logistik und Produktion unterscheiden kann. Aber es folgt in keiner Weise oder gar mit Notwendigkeit aus „der Natur der Sache“. Zum einen sind Definitionen Sprachregelungen, die man zwar nach Zweckmäßigkeitsgesichts-punkten bewerten, aber nicht auf ihre empirische Wahrheit hin untersuchen kann (jede entsprechende Operation würde schon eine Definition voraussetzen). „Die in unserem Denken und in unseren sprachlichen Äußerungen auftretenden Begriffe sind alle – logisch betrachtet – freie Schöpfungen des Denkens“, hat schon 1944 kein geringerer als Albert Einstein festgestellt (zit. Nach Albert (1972, S. 199)). Wenn also etwa Converse als einer der (Wieder-)Entdecker der Logistik in seinem wegweisenden Artikel aus dem Jahr 1954 die physische Distribution als „The Other Half of Marketing“ einstuft, kann niemand ihm

FA1

2 1 Grundlagen

nachrufen, er habe sich in der Sache geirrt. Man würde die Logistik heute nur nicht mehr so einordnen. Und zum anderen gibt es Grenzfälle, die zur Verwirrung beitragen können.

Als einen illustrierenden Grenzfall betrachten wir kurz die Reparatur eines Gerätes. Solange die Reparatur nicht mit einem zwischenzeitlichen Eigentumserwerb verbunden ist (solche Fälle gibt es beispielsweise beim Recycling von gebrauchten Computern), wür-den wir den gesamten Prozess zweifelsfrei als Dienstleistung einstufen. Im anderen Fall spricht nichts dagegen, die Instandsetzung, die sich in der Sache ja nicht vom Anbringen eines Teils wie etwa eines Auspuffrohres im Rahmen einer Herstellung unterscheidet, als einen Sonderfall einer (Nach-)Produktion zu betrachten. Mit anderen Worten: der Un-terschied zwischen Dienstleistung und Produktion hängt ab von den jeweiligen Eigen-tumsverhältnissen an den bearbeiteten Gegenständen. Man kann ein fertiges Segelboot als Ergebnis einer vorausgegangenen Produktion kaufen, man kann es aber auch nach eigenen Plänen im Rahmern einer Dienstleistung herstellen lassen, wobei diese Einstufung eben bedingt, dass man die Materialien schon vorher kauft. (Der eigentliche, an diesem Beispiel versteckt sichtbar werdenden Unterschied ist ein anderer: Produktion als Dienstleistung gibt es nur als Auftragsfertigung, also nicht auf Vorrat).

In der Fachliteratur zum Thema „Dienstleistung“ kommt diese an sich eher banale Er-kenntnis, die man im Hinterkopf haben sollte, wenn von der Transformation einer Indust-rie- in eine Dienstleistungsgesellschaft die Rede ist, oft etwas verschwurbelt dadurch zum Ausdruck, dass man das Vorhandensein eines „externen Faktors“ bzw. dessen Integration zum Wesen der Dienstleistung erklärt (vgl. stellvertretend etwa Bruhn (2004, S. 15)). Die-se Terminologie ist angelehnt an die von Erich Gutenberg 1951 entwickelte und dann in 24 Auflagen seines Lehrbuches verbreitete Betrachtung der Produktion als Kombination verschiedener Produktionsfaktoren und muss etwas rätselhaft klingen für jemand, der über diesen Hintergrund nicht verfügt (vgl. Gutenberg 1983). Beispielhaft sei hier Engelhardt zitiert: „Ein Dienstleistungsprozess liegt … dann vor, wenn der Anbieter einer Bereitstel-lungsleistung einen externen Faktor derart mit seiner Bereitstellungsleistung kombiniert, dass dadurch ein Leistungserstellungsprozess ausgelöst wird, in den der externe Faktor integriert wird und in dem er eine Be-oder Verarbeitung erfährt“ (Engelhardt et al. 1993, S. 395 ff.).

Handelt es sich bei Reparaturen aber um eine logistische Dienstleistung? Immerhin werden derartige Dienstleistungen inzwischen vielfach von Logistikunternehmen er-bracht, u. a. weil man durch eine solche Prozessintegration Umwege ersparen kann. Au-ßerdem dient diese Dienstleistung eindeutig der Herstellung von Verfügbarkeit. Es spricht also nichts dagegen, sie als „logistisch“ einzustufen, und trotzdem sperrt sich mancher dagegen. (Logistiker, die an Geräten herumschrauben, handeln dann gewissermaßen au-ßerhalb der Definition ihres eigenen Fachs).

Kann man solche Kategorisierungsfragen in jedem Fall eindeutig „sachlich“ klären? Nein, man kann sie nur „entscheiden“. Kann man ohne solche Klärungen erfolgreich Lo-gistik managen oder erforschen? Ja. Die meisten interessanten Begriffe in der Betriebs-wirtschaftslehre (wie z. B. Marketing oder Controlling) sind an ihren Rändern unscharf. Immerhin kann aber festgehalten werden, dass a) der Umfang dessen, was man als logisti-

31.1 Logistik als betriebswirtschaftliche Funktion

sche Dienstleistung einstuft und dann gegebenenfalls in Statistiken und Markterhebungen als Logistik misst, begriffsabhängig ist, und dass b) nicht zuletzt deshalb die Wahrneh-mung der Bedeutung der Logistik in der Vergangenheit gewachsen ist.

Mit zunehmendem Verständnis der Logistik hat man mehr Aktivitäten als „logistischer Natur“ verstanden und eingestuft (ohne dabei allerdings ihren Begriffskern zu verschie-ben). Es kann vermutet werden, dass die Entwicklung und Verbreitung der Technik des 3-D-Druckens dieser Entwicklung – und damit dieser Diskussion – noch mehr Auftrieb verleihen wird, dann nämlich, wenn Logistikdienstleister diese Technik nutzen und in grö-ßerem Stil entsprechende an Bedarfsorten Druckzentren betreiben (die anderen werden als Transporteure in immer größerem Umfang ihr Geschäft verlieren, weil die auch schon als „Wesen“ der Logistik verstandene Aufgabe, raum- und zeitliche Verwerfungen zwischen Herstellungs- und Verwendungsorten zu überwinden, durch diese Technik hinfällig wird).

Mit der historischen Aufgabe der Überbrückung von Zeit- und der Überwindung von Raumdifferenzen schafft Logistik die elementare Voraussetzung dafür, dass Produkte überhaupt einen Nutzen stiften können. Praktiker ergänzen diese knappe Umschreibung oft illustrierend durch den Hinweis, Logistik habe dafür zu sorgen, dass die richtigen Produkte in der richtigen Menge und im richtigen Zustand mit den richtigen Dokumenten zur richtigen Zeit am richtigen Ort bereitgestellt werden. Der Hinweis auf die richtigen Dokumente fehlt meistens, aber ohne ein Konnossement hat beispielsweise in der interna-tionalen Seeschifffahrt der Warenempfänger keinen Auslieferungsanspruch. Die häufiger genannte Anforderung, dies möge auch noch mit den richtigen Kosten erfolgen, ist dage-gen redundant, da es sich hier um eine allgemeine Anforderung an beliebige betriebswirt-schaftliche Aktivitäten handelt.

Die Frage, was denn zur Erreichung dieser Zielsetzung, also zur bedarfsgerechten Überwindung von Raum und Zeit, zu tun ist, führt von der ergebnisorientierten zur pro-zessorientierten Definition von Logistik. Logistik erscheint dann als Koordination, und ihre Kunst erweist sich vordringlich in einem klugen Umgang mit der Zeit, auf deren Achse beispielsweise Vorlauf- und Durchlaufzeiten gemessen und aufeinanderfolgende Aktivitäten unternehmensübergreifend über Terminabsprachen koordiniert werden. Wem Beispiele mehr sagen als viele Worte, dem hat die Sportartikelfirma Adidas im Zusam-menhang mit der Fußballweltmeisterschaft 2006 einen illustren Fall geliefert: in der „Ball“-Nacht vom 9. auf den 10. Dezember 2006 wurden zeitgleich um 22.30 Uhr und mit einer Zustellquote von 99,7 % in ganz Deutschland an die jeweiligen Sporthändler 18.000 Pakete mit dem WM-Ball „Teamgeist“ zugestellt. Das schafft man nur auf der Basis ge-eigneter Netzwerke.

Etwas akademischer kann man die Aufgabe der Logistik auch so formulieren: Logistik umfasst die Gestaltung, Planung, Abstimmung, Steuerung, Durchführung und Kontrolle aller Ressourcen und Aktivitäten, die den Fluss von Transaktionsobjekten zwischen de-finierten Herkunftsorten („Quellen“) und definierten Zielorten („Senken“) beeinflussen und zeitgerecht auf einen bestimmten Bedarf ausrichten. Als Transaktionsobjekte werden in aller Regel Güter betrachtet. Aber auch Bewegungen von Personen können vielfach als logistische Vorgänge begriffen werden, wobei hier solche Bewegungen im Mittelpunkt

4 1 Grundlagen

stehen, die sich innerhalb der Wirtschaft abspielen. Beispielhaft erwähnt sei hier die Steu-erung von Technikern zu den Standorten von reparaturbedürftigen Geräten, die mit der Steuerung von Ersatzteilen zum Einsatzort oder zum Wohnort der Techniker koordiniert werden muss (Logistiker sprechen bei solchen Anforderungen gelegentlich auch von einer „Rendez-vous-Technik“ und unterstreichen damit bildhaft, dass logistische Leistungen im Kern als Koordinationsleistungen zu verstehen sind).

Unterhalb dieser administrativen Ebene vollzieht sich – durch diese bestimmt – die oben „Durchführung“ genannte, physische Logistik mit den Operationen Transport, Um-schlag (inklusive Umsortierung), Verpackung und Lagerhaltung. Dieser oft auch mit dem englischen Begriff „Operations“ belegte, den Hauptanteil der Logistikkosten auslösende Basisbereich, in dem die raumüberwindenden und zeitüberbrückenden Transferleistungen konkret erbracht werden, ist zur Zeit der Entdeckung der Logistik als beachtenswerte be-triebswirtschaftliche Funktion oft fast definitorisch mit dem Logistikbegriff gleichgesetzt worden. Noch fast 30 Jahre danach stellen etwa (Bowersox et al. (1986, S. V)) fest, logi-stics is „viewed as involving all aspects of physical movement to, from, and between the business locations that constitute the physical facilities of an enterprise“, wobei der Blick zunächst ausschließlich auf die physische Distribution gerichtet war.

Auch heute noch assoziieren Laien mit dem Wort „Logistik“ oft Begriffe aus diesem Bereich und denken dabei primär an die Tätigkeiten von Speditionen und Transportun-ternehmen (meist ohne zwischen diesen beiden, auch gesetzlich unterschiedenen Rollen zu unterscheiden). Die inzwischen selbstverständlich gewordene Vorstellung, dass Logis-tik als Dienstleistung wertschöpfend sein kann, war damals kaum verbreitet, wohl auch, weil viele Menschen (vor allem deutsche Ingenieure) davon überzeugt waren, dass Wert-schöpfung nur dadurch erzeugt werden kann, dass irgendjemand an konkreten Gegenstän-den bohrt, schleift oder fräst und sie damit der technischen Gebrauchsfähigkeit zuführt. Wahrscheinlich haben sie über den zeit- und raumabhängigen Nutzen von Produkten nicht nachgedacht, als sie feststellen mussten, dass in ihrem Kühlschrank die Milch fehlte.

Zu diesem verkürzten Verständnis von Logistik haben auch die Logistiker selbst viel-fach beigetragen, insbesondere indem sie nicht nur der Fachöffentlichkeit stolz ihre teu-ren, mit moderner Technik vollgestopften Lagerhallen als logistische Vorzeigeobjekte präsentiert haben. Die Erkenntnis, dass Logistik mehr ist und dass dieses entscheidende „Mehr“ oberhalb der physischen Logistik angesiedelt ist, setzt sich allerdings langsam auch in der allgemeinen Öffentlichkeit durch, etwa wenn im alltäglichen Sprachgebrauch der Begriff „Just-in-Time“ benutzt wird oder wenn bei beliebigen Erscheinungsformen der Nichtverfügbarkeit von Bedarfsobjekten immer gleich mit dem Finger auf die Logistik gezeigt wird. Versagt hat hier ja offensichtlich nicht der Spediteur, sondern eher der, der ihn im Rahmen einer schlecht koordinierten Prozesskette eingesetzt hat.

Kurz gefasst, lassen sich die fünf administrativen Teilaufgaben der Logistik, deren Er-füllung primär die Qualität der Logistik bestimmt, bei denen die Komplexität der Logistik in Erscheinung tritt und die Kunst der Logistiker gefordert wird, wie folgt gegeneinander abgrenzen, wobei vorweg noch hervorgehoben sei, dass es sich bei der ersten Aktivität

51.1 Logistik als betriebswirtschaftliche Funktion

um eine Arbeit am System handelt, während all anderen Operationen jeweils im System vollzogen werden.

„Gestaltung“ zielt als nur zu bestimmten Zeitpunkten und aus bestimmten Anlässen durchgeführte Aktivität auf die Bestimmung dauerhafter Strukturen. Beispiele hierfür sind die in diesem Buch vordringlich behandelten Netzwerkstrukturen. Die später ebenfalls noch erläuterte Festlegung des Entkopplungspunktes im Rahmen von „Late-fit-Strategi-en“ zeigt aber, dass auch Prozesse oberhalb ihres täglichen Managements strukturiert wer-den können bzw. müssen.. Demgegenüber zielt „Planung“ als dauerhaft laufender Prozess auf die vorbereitende Festlegung einer sachlichen, räumlichen und zeitlichen Ordnung für spätere operative Tätigkeiten (Beispiele sind die Festlegung von Losgrößen, Reihenfolgen und Maschinenbelegungen für eine später erfolgende Produktion oder die Zuordnung von Sendungen zu Fahrzeugen in Kombination mit der Bestimmung von Zustellreihenfolgen und Routen im Rahmen einer Tourenplanung). Wer plant, „legt seine gegenwärtige Zu-kunft auf eine zukünftige Gegenwart fest“ (Luhmann (2014, S. 24)). Weil beide Akti-vitäten auf Festlegungen im Voraus basieren, wird „Planung“ oft auch als Oberbegriff für die Organisationsgestaltung und die Leistungsvollzugsplanung benutzt, was ich hier zugunsten einer größeren Klarheit vermeide (statt von Gestaltung rede ich dabei auch von „Design“).

Bei dem Design von Netzwerken spielen oft logistische Aspekte mit Anforderungen anderer betrieblicher Funktionsbereiche zusammen. Zwei Beispiele mögen das veran-schaulichen.

1. Die in Kap. 1.3.4 ausführlich behandelten Qualitätsmerkmale eines Lieferservice sind ein zunehmend wichtiger gewordener Teil des Leistungsportfolios, das ein Unterneh-men anbietet und durch das es gegenüber Wettbewerbern im Markt Profil zu gewin-nen versucht. Hier sind Logistikexperten mit ihrem Performance- und Kostenwissen und Vertriebsexperten als „Kundenkenner“ aufeinander angewiesen und können nur gemeinsam die Zielkonflikte zwischen Logistikkosten und Servicequalität lösen, ohne deren Ausbalancierung die Netzwerkkonfiguration buchstäblich haltlos ist.

2. Bei Entscheidungen über Produktionsstandorte sind Fragen der Erreichbarkeit von Kunden und durch Lieferanten zwar mitentscheidend, aber selten allein ausschlagge-bend. Oft geht es hier auch um die Kosten und die Qualität des lokalen Arbeitskräf-teangebotes, um die Energieversorgung, um Wechselkursrisiken oder um den Schutz geistigen Eigentums in einem Land.

Die Konsequenzen lauten dann: a) Das Zusammenwirken verschiedener Einflussgrößen erhöht die Komplexität der Lösungssuche, und b) Logistiker können nur im Team mit Mit-arbeitern anderer Funktionsbereiche zum Erfolg kommen.

Der Begriff „Abstimmung“ markiert eine der wichtigsten Aktivitäten der Logistik (man könnte auch sagen: ihren Wesenskern) und signalisiert, dass die Bedeutung der Logistik zu einem wesentlichen Teil aus der inner- und zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung resul-tiert. Er bezeichnet die Koordination des „Timings“ von Aktivitäten unterschiedlicher Ak-

6 1 Grundlagen

teure in einer Prozesskette, etwa über Lieferzeitvereinbarungen und Terminabsprachen. Diese Abstimmungen können auch die Produktionspläne von Herstellern auf verschiede-nen Wertschöpfungsstufen umfassen (ein jüngeres, an dieser Stelle aufsetzendes Konzept trägt den anschaulichen Namen „collaborative planning, forecasting and replenishment“, kurz CPFR; vgl ausführlicher auch Seifert 2002).

Festzuhalten bleibt, dass Planung und Abstimmung vielfach ineinandergreifen und dass die Kunst der Logistik oft darin besteht, dieses Ineinandergreifen so zu „orchestrie-ren“, dass die Notwendigkeit, Pläne wegen nicht zeitgerecht verfügbarer Vorprodukte ad hoc ändern zu müssen (was dann zu neuen Engpässen an anderen Stellen führen kann), auf ein Minimum reduziert wird. Planung soll über eine unternehmensübergreifende Ko-ordination dadurch sicherer gemacht werden, dass Lieferzeit- und Liefermengenzusagen belastbarer werden. Dass eine unternehmensübergreifende Koordination nicht leicht zu lösende Fragen softwaretechnischer und organisatorischer Natur auslöst, leuchtet auf ei-ner abstrakten Betrachtungsebene unmittelbar ein. Die Frage, worum es dabei konkret geht, wird im folgenden Kapitel über Supply Chain Management tiefer ausgeleuchtet.

Auf dieser Ebene taucht auch das Paradoxon der Planung auf: Planung soll das schaf-fen, was sie selbst als Prämisse für ihr Gelingen benötigt: Berechenbarkeit durch Redukti-on von Komplexität. Dieses Paradoxon lässt sich bis zu einem bestimmten Grad auflösen durch die Unterscheidung zwischen interner und externer Komplexität. Planung reduziert interne Komplexität durch Ausschluss anderer Möglichkeiten zukünftigen Handelns und Entscheidens. Sie ist dabei auf ein Mindestmaß an Stabilität der externen Rahmenbedin-gungen angewiesen, die auf ihre Resultate ebenfalls einwirken. Ein Großteil der aktuellen Probleme der Logistik ist darauf zurückzuführen, dass die Prämisse der Planbarkeit zu-künftiger Bedarfe im Schwinden begriffen ist. (Auf die Bedeutung der Komplexität gehe ich in Kap. 1.1.3.2 noch vertiefend ein.)

Wie das Konzept der belastungsorientierten Auftragsfreigabe (BOA) zeigt, können auch Abstimmung und „Steuerung“ ineinander greifen. Die durch dieses engpassorientier-te Konzept ermöglichten Durchlaufzeitverkürzungen in der Fertigung sind mit den Lie-feranten als angepasste Wiederbeschaffungszeiten für das benötigte Material abzustim-men (Vgl. hierzu ausführlicher auch Wiendahl (1996, S. 234 ff.)). Gegenüber Gestaltung, Planung und Abstimmung meint Steuerung als operationsnaher, rein logistischer Prozess die Auslösung und Lenkung der Bewegungen von Objekten, etwa im Rahmen einer Auf-tragsabwicklung. Ein anschauliches Beispiel ist die Lenkung von Fahrzeugen aus einer Warteschlange heraus zu Rampentoren nach bestimmten Steuerungskriterien. Eine ent-sprechende Prioritätsregel – wohl die, die einem als erste in den Sinn kommt, weil man sie als Teil einer Warteschlange an einer Verkaufstheke mit dem Gedanken der Gerechtigkeit verbindet – kann das Prinzip „First come, first served“ sein. Man kann aber auch die mittlere Durchlaufzeit minimieren, indem man Fahrzeuge mit kleineren Sendungen be-vorzugt. Diese „Shortest-processing-time“- Regel funktioniert, weil deren Durchlaufzeit jeweils zur Wartezeit der später abgefertigten Fahrzeuge wird. (Das Prinzip kennt jeder, der schon einmal an der Ladenkasse jemanden vorgelassen hat, der nur eine Packung Zi-garetten kaufen wollte).

71.1 Logistik als betriebswirtschaftliche Funktion

Steuerung setzt Aufträge voraus, Planung greift ihnen antizipierend vor Wenn man Pla-nung als Entwurf einer Ordnung für zukünftiges Geschehen versteht, wird allerdings klar, dass diese analytisch klare Trennung im praktischen Leistungsvollzug etwas künstlich anmutet. Das wird auch daran ersichtlich, dass einschlägige Software-Pakete unter dem Namen PPS-Systeme beide Funktionen zusammen abbilden (Vgl. hierzu ausführlicher die Beiträge in (Stadtler und Kilger (2005)).

Schließlich sind alle logistischen Aktivitäten, deren Ausgang potenziellen Störungen unterworfen und damit ungewiss ist, einer möglichst zeitnahen „Kontrolle“ zu unterwer-fen. Deren Funktion ist es, Maßnahmen zu ermöglichen, die das betroffene System wieder auf die Spur zur Zielerreichung bringt. „Kontrolle“ ist dabei in Analogie zum elementaren Regelkreismodell der Kybernetik als Rückkopplung von Informationen über Soll-Ist-Ab-weichungen zu denjenigen Stellen zu verstehen, die für das Gelingen verantwortlich sind. Die Bedeutung von Kontrollen hat in jüngerer Zeit vor allem deshalb stark zugenommen, weil das Umfeld der Logistik immer stärker von Dynamik und Komplexität geprägt wird und weil infolge instabiler Rahmenbedingungen die Wahrscheinlichkeit nicht aufgehen-der Pläne und enttäuschter Erwartungen stark gestiegen ist. Gegenstand der Kontrolle sind dabei meist weniger die Prozesskosten als vielmehr die Leistungsqualität mit dem Kernmerkmal „Termintreue“ (und damit die Folgekosten von Verzögerungen).

Bei der Antizipation möglicher Störungen und der Gefahr nicht aufgehender Pläne spricht man von Risiken. Als Risikomaß wird vielfach das Produkt aus Fehlerwahrschein-lichkeit und den Folgekosten eines Fehlers definiert (s. Abb. 1.1; diese Logik kennt man aus der Atomenergie: auch bei einer geringen Eintrittswahrscheinlichkeit für eine Stö-rung kann das Risiko sehr groß sein, wenn die Folgekosten gravierend sind). In einem erweiterten Sinne fasst man unter den Risikobegriff oft auch Störungen, die man nicht als Möglichkeit auf dem Radarschirm hatte und die deshalb nicht Eingang in die Risikomatrix nach Abb. 1.1 finden konnten. Nach der grundlegenden Terminologie von Knight (1971) wäre hier von „Unsicherheit“ zu sprechen.

Abb. 1.1 Elementare Risikomatrix

8 1 Grundlagen

Angesichts steigender Risiken wird von der Organisation eines Unternehmens zuneh-mend die Fähigkeit zur Absorption von Störungen („Resilience“) verlangt, was bedingt, dass Unternehmen über ein Reservoir an Handlungsoptionen verfügt, das sie in die Lage versetzt, ereignisgetrieben und ad hoc die Dinge auch anders zu machen als ursprünglich geplant. Dabei begründet sich die Forderung nach „Zeitnähe“ damit, dass mit sinkender Reaktionzeit die Zahl der dann noch möglichen Handlungsoptionen abnimmt. Ein prak-tisches Beispiel für ein entspechendes, eingebautes Reaktionspotenzial aus der Logistik ist eine Mehrquellenversorgung („multiple Sourcing“), die ein Unternehmen in Engpass-fällen befähigt, schnell den Lieferanten zu wechseln. Ein anderes Beispiel für eine solche Flexibilität ist die Fähigkeit eines Unternehmens, auf einer Fertigungsstraße ohne pro-hibitive Umrüstkosten unterschiedliche Produktlinien (z. B. Stadtbusse und Reisebusse) herstellen zu können. Diese Fähigkeit trägt zur Nivellierung von Lastschwankugen bei und kann Kapazitätsengpässen entgegenwirken.

Wenn die gerade beschriebenen Prozesse und Aktivitäten beherrscht werden, registriert das oft niemand. Logistikern geht es in diesem Punkt vielfach ähnlich wie Sekretärinnen und Fußballschiedsrichtern: sie arbeiten als eine Art von „Hidden Champions“ (und wer-den in der Folge zu wenig gelobt). Den Unterschied zwischen einer guten und einer nicht perfekten Logistik erfahren jedoch nahezu alle Bürger nahezu täglich, etwa wenn sie vor Regallücken in der Filiale eines Handelsgeschäftes stehen oder auf die Zustellung eines Artikels ungeplant lange warten müssen. Der Wert eines Produktes fällt auf Null, wenn es nicht da ist, wo es gebraucht wird, und er kann – beispielweise in der Ersatzteillogistik – erheblich davon abhängen, ob er dann da ist, wenn er gebraucht wird. Deshalb haben Pioniere der Logistik wie Morgenstern Gütern und Dienstleistungen schon 1950 „a place and a time value“ zugeschrieben (s. Morgenstern 2012, S. 58).

Die Schaffung robuster, fehlertoleranter, den „Place-and-Time-Value“ von Produkten erhaltender Lieferketten ist ein wichtiger, aber natürlich nicht der einzige Wertbeitrag der Logistik. Eine scheinbar plausible, tatsächlich aber nicht sonderlich intelligente Art der Einschätzung der Bedeutung der Logistik für die Wirtschaft besteht in der Messung des Anteils der Logistikkosten an den Gesamtkosten von Unternehmen oder am Bruttoso-zialprodukt. Laut einer Trendstudie der Bundesvereinigung Logistik (BVL 2008, S. 49) liegt dieser Anteil für den industriellen Sektor Deutschlands bei 7 %. Eine solche Zahl unterschlägt nicht nur die später noch ausführlicher beschriebenen, an anderer Stelle in das Bruttoinlandsprodukt einfließenden möglichen Umsatzwirkungen eines guten Liefer-service sowie die Effizienzgewinne, die die Logistik beispielsweise im Rahmen von Lean Management Konzepten innerhalb von Industrie- und Handelsunternehmen erzeugen kann (Bestandssenkungen schlagen sich in einer Kennzahl, die Logistikkosten als Pro-zesskosten aggregiert, naturgemäß nicht nieder). Sie verdeckt vor allem, dass die Logistik die unentbehrliche Grundlage und Voraussetzung der internationalen Arbeitsteilung ist, der wir Wachstum und Wohlstand zu verdanken haben. Diese positiven Auswirkungen, von denen alle Wirtschaftsteilnehmer profitieren, ohne dafür gesondert bezahlen zu müs-sen, sind in keiner Statistik erfassbar, weil man sich hierfür im Rahmen einer „With-or-Without“-Analyse als Berechnungsgrundlage eine Welt ohne Logistik vorstellen müsste.

91.1 Logistik als betriebswirtschaftliche Funktion

Volkswirte würden hier von positiven „externen Effekten“ sprechen (Vgl. zu diesem in der Nachhaltigkeitsdebatte zentralen Begriff ausführlich Bretzke (2014, S. 43 ff.) sowie die dort angegebene Literatur).

Die Logistik ist an und mit ihren Aufgaben gewachsen. Als Funktion verdankt die Lo-gistik dabei den bemerkenswerten Bedeutungszuwachs, den sie in den vergangenen drei-ßig Jahren erfahren hat, im Wesentlichen drei Faktoren:

1. einer (eben schon erwähnten) enormen Steigerung der durch Koordinationsmechanis-men zu bewältigenden Komplexität und Dynamik, insbesondere als Folge der Zunahme der weltweiten Arbeits- und Standortteilung (die Logistik ist Wegbereiter und erster Gewinner der Globalisierung) sowie einiger gleichzeitig eingetretener, produktbezo-gener Entwicklungen wie insbesondere der steigenden Variantenvielfalt von Produkten und der abnehmenden Dauer ihrer Lebenszyklen,

2. den stark gestiegenen Erwartungen von Kunden in „Käufermärkten“ an hohe Ver-fügbarkeitsgrade und kurze Zugriffszeiten, wobei die gestiegene Bedeutung eines anspruchsvollen Lieferservice für den Markterfolg von Unternehmen aus logistischer Sicht ambivalent ist: in systematischer Betrachtung nehmen z. B. sinkende Lieferzeit-fenster den Charakter von eingeschränkten Handlungsspielräumen an, die Logistikern das Leben schwer machen können,

3. dem sprunghaften Fortschritt in der Informations- und Kommunikationstechnologie, der neue Möglichkeiten der unternehmensübergreifenden Koordination erschlossen hat (von der Transaktionsebene der Auftragsabwicklung über die Abstimmung von Pro-duktions- und Absatzplänen bis zur zeitnahen Überwachung und Entstörung laufender Aktivitäten), und der es uns damit ermöglicht hat, weltweite Lieferketten von beliebi-gen Standorten aus zeitnah zu steuern.

Die von der Logistik wahrzunehmende Kernaufgabe der Synchronisierung von Bedarf und Versorgung hat im Kontext der Globalisierung den Stellenwert einer „enabling tech-nology“ erlangt. Den von Pfohl noch vor 20 Jahren konstatierten „Beigeschmack eines Modewortes“ hat sie dabei längst abgestreift (Pfohl 1994, S. 4; für den amerikanischen Management-Guru Peter Drucker war die damals noch mit Distribution gleichgesetzte Logistik 1962 noch „The Economies Dark Continent“; vgl. Drucker (2012, S. 97 ff.). Zwischenzeitlich hat es in den obersten Führungsebenen eine erhebliche Sensibilisierung hinsichtlich der Relevanz der Logistik für das Unternehmensergebnis gegeben, zu der auch der in Kap. 1.2 näher betrachtete Begriff „Supply Chain Management“ beigetragen hat. Um diesem Bedeutungszuwachs gerecht werden zu können, musste sich die Logistik von der Ebene physischer Überbrückungen von Zeit- und Raumdistanzen („box moving“) auf die eben beschriebene Ebene der Gestaltung, Planung, Steuerung und Kontrolle der hierfür erforderlichen Netzwerke, Systeme und Prozesse begeben. Mit Hilfe der dort ent-wickelten Konzepte und Modelle ist es ihr gelungen, jedermann klar zu machen, dass Logistik zwar nicht alles ist, aber ohne Logistik alles nichts.