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1/2013 Januar Aufsätze Satzungsversammlung Magazin Anwalts Hobby Rechtsprechung Zweigstellen-Briefpapier Magazin Wenn Anwalts Hobby zum Beruf wird

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1/2013 Januar

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MagazinWenn AnwaltsHobby zumBeruf wird

Anwaltsblatt Titelstoerer 1-2013:RZ 05.12.2012

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MN Editorial

Die Zukunft jetztgestalten

Prof. Dr. Wolfgang Ewer, KielRechtsanwalt,Präsident des Deutschen Anwaltverein

2013 könnte ein schicksalhaftes Jahrfür die deutsche Anwaltschaft werden.Die Veränderungen im Anwaltsmarktspüren alle Anwältinnen und Anwälte,egal ob jung, ob alt, egal in welchemMarktsegment. Die Einzelkämpfer lei-den: Die Rechtsschutzversicherer sindSteuerer des Marktes und der Bürgerhat längst das Internet als billige Infor-mationsquelle entdeckt. Die mittelstän-dischen Sozietäten merken, dass Pro-zessmandate nicht mehr sprudeln undaußergerichtliche, preiswerte Konflikt-vermeidungsstrategien immer wichti-ger werden. Die Großkanzleien und in-ternationalen Top-Sozietäten sorgensich um den Nachwuchs und müssenim knallharten internationalen Wett-bewerb bestehen. Die Anwaltsnotarespüren Gefahren aus Europa und denSyndikusanwälten droht die Ausgren-zung aus der Anwaltschaft – wenn wei-ter nur der DAV ein klares Bekenntniszu ihnen abgibt. Selbst die von Krisenund Konjunktur selten gebeuteltenStrafverteidiger erleben eine Spaltung:Wer das lukrative Wirtschaftsstrafrechtmacht, jubelt im Stillen, viele von denanderen können Ruhm und Ehre erlan-gen.

Doch die Anwaltschaft wird nichtsgewinnen, wenn jede Gruppe der An-waltschaft nur versucht, ihre Pfründegegenüber anderen zu verteidigen. DerDeutsche Anwaltverein hat seit seinerGründung 1871 stets in die Zukunft ge-schaut und sich nicht als Verteidigervon bloßen Besitzständen verstanden.Ohne den DAV wäre im 19. Jahrhun-dert nicht die anwaltliche Selbstverwal-tung geschaffen worden, ohne denDAV hätte es im 20. Jahrhundert nichtdie Liberalisierung des anwaltlichen Be-rufsrechts gegeben und im 21. Jahr-hundert geht es darum, die Qualität deranwaltlichen Rechtsdienstleistung imWettbewerb zu bewahren.

Was in den nächsten Jahrzehntenauf die Anwaltschaft zu kommen wird,untersucht der Deutsche Anwaltvereinzur Zeit. Auf dem 64. Deutschen An-waltstag vom 6. bis 8. Juni 2013 unterdem Motto „Anwaltsmarkt 2030 – Zu-kunft jetzt gestalten“ wird in Düssel-dorf die Zukunftsstudie des DAV vor-gestellt werden. Zusammen mit derPrognos AG entwickeln wir Szenarien,wie sich das Recht und der Rechts-dienstleitungsmarkt verändern werden.Jede Anwältin, jeder Anwalt soll dieChance bekommen, die Zukunft heuteschon zu gestalten. Und ich kann ver-sprechen: Die Zukunftsstudie wirdnicht einfach die DAV-Zukunftsstudieder Prognos AG von 1986 fortschrei-ben. Damals hatten die Forscher – nochvor dem Wegfall der Standesrichtliniender Bundesrechtsanwaltskammer –prognostiziert, dass es einen Trend zurSpezialisierung und zu mehr Dienst-leistung geben werde. Der DAV hatdaraus damals klare Lehren gezogenund unter anderem für die Öffnungder Fachanwaltschaften (auf heute20 Rechtsgebiete) gekämpft. Für dasJahr 2030 werden wir neue Strategienentwickeln müssen. Ich bin mir aber si-cher, dass das einer selbstbewusstenund geeinten Anwaltschaft gelingenwird. Der DAV wird dabei helfen.

Mit besten Wünschen für das neueJahr: Machen Sie das Beste daraus!

Ihr Wolfgang Ewer

AnwBl 1 / 2013 Mantel M 1

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Anwaltsblatt Jahrgang 63, 1 / 2013Im Auftrag des Deutschen Anwaltvereinsherausgegeben von der Rechtsanwältin undden Rechtsanwälten:Edith KindermannUlrich SchellenbergHerbert P. SchonsProf. Dr. Heinz Josef Willemsen

Redaktion:Dr. Nicolas Lührig(Leitung)Udo HenkeManfred AranowskiRechtsanwälte

Editorial

M 1 Die Zukunft jetzt gestaltenProf. Dr. Wolfgang Ewer, KielRechtsanwalt,Präsident des Deutschen Anwaltvereins

Nachrichten

M 4 Beschneidung undPatientenrechte machenAbgeordneten ArbeitProf. Dr. Joachim Jahn, Berlin

M 6 EU-Staatsanwaltschaft:Justizkommissarin greift zumSchwertRechtsanwalt Jonas Regenfuß, Brüssel

M 8 Nachrichten

M 21 Stellenmarkt des DeutschenAnwaltvereins

M 26 Bücher & Internet

M 34 Deutsche AnwaltakademieSeminarkalender

Schlussplädoyer

M 36 Nachgefragt, Comic,Mitglieder-Service

76 Fotonachweis, Impressum

Aufsätze Magazin

Anwaltsrecht

2 Regelungsprinzipien desanwaltlichen Berufsrechtsin der BORAProf. Dr. Hans-Jürgen Ahrens, Osnabrück

8 Die endgültige Gleichstellungvon Kanzlei und ZweigstelleAkad. Rat Dr. Christian Deckenbrock, Köln

11 Tätigkeitsgebote fürFreiberufler?Rechtsanwalt Dr. Michael Kleine-Cosack,Freiburg i. Br.

14 Interesse der Anwaltschaft ander PartGmbBRechtsanwalt Dr. Matthias Kilian,Soldan Institut, Köln

Zwangsvollstreckung

16 Neue Möglichkeiten in derZwangsvollstreckungGerichtsvollzieher Stefan Mroß,Bühl/Baden

23 Tipps für Anwälte zur Reformder SachaufklärungRechtsanwalt Henry Euba, Stralsund

Anwaltshaftung

25 Aufrechnung mit Haftungs-anspruch: AbwehrschutzRichter am Landgericht Wolfgang Dötsch,Brühl

29 Haftungsgefahren rechts undlinks der ProzessakteRechtsanwalt Dr. Sebastian Seyfarth,Stuttgart

Anwaltsvergütung

32 England und Wales: Zugangzum Recht in GefahrDokumentationszentrum für EuropäischesAnwalts- und Notarrecht (Universität Köln)

33 Bücherschau: AusländischesAnwaltsrechtRechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Köln

Reportage

36 Boxenwummern, Hufschlag,Motorheulen - wenn AnwaltsHobby zum Beruf wirdFrank Christiansen, Düsseldorf (Text) undFranz Brück, Berlin (Fotos)

Kommentar

44 Hin und Her umFrauenquoteRechtsanwältin und Notarin MechtildDüsing, Münster

Gastkommentar

45 Deal – verführerischeArbeitserleichterungNorbert Demuth, Nachrichtenagentur dapd

Interview

46 Ein Bauchgefühl, das sichnicht aus RechtsnormenspeistAnwaltsblatt Karriere interviewteRechtsanwältin Dr. Daniela Seeliger,Düsseldorf. Sie ist im Kartellrecht tätig.

Report

51 Gehälter- undEinstellungsreportNora Zunker und Lisa Gut, Berlin

Anwälte fragen nach Ethik

56 Verschwiegenheit, Krankheitund EthosDAV-Ausschuss Anwaltliche Berufsethik

M 2 AnwBl 1 / 2013 Mantel

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Haftpflichtfragen

66 Haftungssituationen imFamilienrechtAssessorin Jacqueline Bräuer,Allianz Versicherung, München

Anwaltsrecht

69 BGH: Zweigstellen-Briefpapier– eine Kanzleianschrift reicht

69 BGH: Kanzleianschrift imelektronischen Kammerregister

69 BGH: Volle Abzugsfähigkeitvon Kinderbetreuungskosten?

70 OLG: Tätigkeitsgebot inAnwalts-GmbH

Anwaltshaftung

71 BGH: Keine Delegation desMandats auf Kanzleikraft

72 BGH: Fehler ohne Haftung

Anwaltsvergütung

72 BGH: Prozessvergleich

73 BGH: Honorare an Sozietäteines Aufsichtsratsmitglieds

73 BGH: Ein BGH-Anwalt beiNichtzulassungsbeschwerde

73 BGH: Verfahrenspfleger

73 OLG: Beweisverfahren

Prozessrecht

74 BGH: Hinweispflicht

74 BGH: KapMuG I

74 BGH: KapMuG II

Rechtsdienstleistungsgesetz

74 BGH: Autovermieter I

74 BGH: Autovermieter II

74 BGH: Forderungseinziehungals Haupt- oder Nebenleistung?

Aus der Arbeit des DAV RechtsprechungMN

Anzeige

56 Dresden: Jahreskongress derUnion Internationale desAvocats (UIA)

57 DAV unterstütztMenschenrechts-Filmpreis

58 Risiko politische Prozesse –DAV hilft Anwälten in Türkei

58 20 Jahre IRZ-Stiftung –DAV ist Partner

60 DAV-Stellungnahmen

60 Dortmunder Anwaltverein:125-Jahr-Feier mit Bürgern

61 Kölner Anwaltverein:5. Europäisches Anwaltsforum

61 Leipziger Anwaltverein„Goldene Robe“ verliehen

62 Landesanwaltstag Sachsen-Anhalt: 11. Landesanwaltstag

63 „Law – Made in Germany“:Werbung in China

63 DAV Spanien wächst: ErsterKongress in Spanien

63 Deutsche AnwaltakademieNachrichten

64 45. Weinrechtsseminarin Österreich

64 Mitgliederversammlung:AG Anwältinnen

64 Personalien

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MN Bericht aus Berlin

Beschneidung und Patientenrechtemachen Abgeordneten Arbeit

Rechtspolitik hatte Ende 2012 viel mitGesundheitspolitik zu tun. Sicher: Dieüblichen Dauerbrenner wie das Fürund Wider eines NPD-Verbots fülltenweiterhin alle paar Tage die Schlagzei-len. Doch im Schlussspurt des Jahresbeschäftigten sich die Volksvertreterauch intensiv mit Themen wie Patien-tenrechte, Sterbehilfe, Organspende –und vor allem Beschneidung.

Man erinnert sich: Ein Urteil desLandgerichts Köln hatte eine Welle derBefürchtungen losgetreten, Juden undMoslems könnten hierzulande ihre Re-ligion nicht mehr ausüben. Die Regie-rung brachte nun einen Gesetzentwurfins Parlament ein, der die Zirkumzi-sion an Jungen bis zum sechsten Le-bensmonat erlaubt – auch wenn sienicht von Medizinern, sondern speziellausgebildeten Beschneidern der Religi-onsgemeinschaften ausgeführt wird.Aufgenommen werden soll die Rege-lung als Bestandteil der Personensorgeins Bürgerliche Gesetzbuch. Auf derganzen Welt gebe es kein einziges Land,das die religiöse Beschneidung von Jun-gen generell unter Strafe stelle, argu-mentierte Bundesjustizministerin Sa-bine Leutheusser-Schnarrenberger(FDP). Und auch das Grundgesetz legePflege und Erziehung der Kinder in dieHände der Eltern. Der Staat müsse sichneutral gegenüber den verschiedenenWeltanschauungen verhalten.

Zu „sehr zwiespältigen Gefühlen“bekannte sich der SPD-Mehrheitsred-ner Burkhard Lischka, der an das Rechtauf körperliche Unversehrtheit erin-nerte – gerade der „Schützenswertestenin unserer Gesellschaft“, nämlich derKinder. Doch als „gute Diskussions-grundlage“ sehen die Sozialdemokra-ten den Koalitionsentwurf dennoch.Ähnlich die Grünen, deren Rechtspoli-tiker Jerzy Montag lediglich verlangte,das „kindliche Veto“ müsse ein Aus-schlussgrund für die Maßnahme sein.Schwer vorstellbar scheint allerdings,wie das bei einem Säugling funktionie-ren soll. 66 Abgeordnete aus allen dreiOppositionsfraktionen setzten sichdenn auch für ein Gegenmodell ein:

Der unumkehrbare Eingriff soll danacherst ab dem 14. Lebensjahr erlaubt sein.Auch dürfe nur ein Facharzt die Be-schneidung vornehmen. Das passt zu ak-tuellen Anträgen von SPD, Linken undGrünen im Bundestag, die Kinderrechtezu stärken und ausdrücklich ins Grund-gesetz aufzunehmen.

Schon endgültig verabschiedet hatdas Parlament ein „Gesetz zur Verbes-serung der Rechte von Patientinnenund Patienten“. Im BGB gibt es fortanneben dem Dienstvertrag einen eige-nen Untertitel mit dem Namen „Be-handlungsvertrag“ (§§ 630 a ff.); weitereNeuregelungen finden sich im FünftenBuch des Sozialgesetzbuchs (SGB V).Wer zum Arzt oder Heilpraktiker, ei-nem Psycho- oder Physiotherapeutenoder einer Hebamme geht, hat damitauch von Gesetzes wegen einen An-spruch auf verständliche und umfas-sende Informationen. Akten müssenvollständig geführt werden und dürfenkünftig – dieser Punkt geht über diebloße Kodifizierung der ohnehin gängi-gen Rechtsprechung hinaus – zumSchutz vor Manipulationen nur nochfälschungssichere Computerpro-gramme einsetzen. Eine vollständigeUmkehr der Beweislast gibt es aberauch künftig nicht. Der GemeinsameBundesausschuss – das oberste Selbst-verwaltungsorgan von Heilberuflern,Kliniken und gesetzlichen Krankenkas-sen – soll zudem in Krankenhäusern fürein Fehlermeldesystem sorgen. UndPrivatpatienten müssen nicht mehr un-begrenzt auf eine teure Behandlungwarten, weil der Versicherer prüft undprüft: Nach drei Wochen gilt sie als ge-nehmigt, wenn kein Bescheid kommt.

GesetzgebungGesetzgebung

Elektronische Strafakte

Das Bundesministerium der Justiz hat ei-nen Diskussionsentwurf für ein Gesetz zurEinführung einer elektronischen Strafaktevorgelegt. Die Übermittlung elektronischerAkten zwischen den Justizbehörden sollauf Standards basieren, die noch von ei-nem IT-Planungsrat festzulegen sind. Fürdie Akteneinsichtsrechte der Verteidigungsind hingegen bisher keine Änderungengeplant. Im Übrigen wird davon ausge-gangen, dass Rechtsanwälte über die nöti-gen technischen Voraussetzungen bereitsverfügen. Hierzu wird auch ein De-Mail-Konto gehören. Noch bis zum 1. Januar2020 sollen die Länder bestimmen können,dass Akten noch in Papierform geführtwerden. Der DAV hat zu dem Diskussions-entwurf eine Stellungnahme abgegeben.

Sicherungsverwahrung

Der Bundesrat hat auf die Anrufung desVermittlungsausschusses verzichtet unddas Gesetz zur bundesrechtlichen Umset-zung des Abstandsgebots bei der Siche-rungsverwahrung am 23.11.2012 be-schlossen (Drs. 17/11388, August-/September-Heft, AnwBl 2012, M 282). Än-derungen vor allem im Straf-, Strafverfah-rens- und Strafvollzugsrecht sollen eineUnterscheidung zwischen Sicherungsver-wahrung und Strafhaft sicherstellen. DasGesetz tritt am 1. Juni 2013 in Kraft.

Rechtsbehelfsbelehrung

Das Gesetz zur Einführung einer Rechts-behelfsbelehrung im Zivilprozess hat nunauch den Bundesrat passiert (Drs. 17/11385;AnwBl 2012, M 402). Die Regelungen zurRechtsbehelfsbelehrung werden ab 2014gelten. Weitere Änderungen in ZPO undFamFG treten am ersten Tag des auf dieVerkündung folgenden Monats in Kraft.Schließlich enthält das Gesetz Regelun-gen zur Entfristung des geltenden Über-schuldungsbegriffs in der InsO, die nochvor Ende des Jahres 2012 in Kraft tretensollen.

GWB-Änderungsgesetz

Das Achte Änderungsgesetz des Geset-zes gegen Wettbewerbsbeschränkungen(Drs. 17/9852, 17/11053, November-Heft,AnwBl 2012, M 368) hat der Bundesrat inden Vermittlungsausschuss geschickt.Unter anderem wird die kartellrechtlicheGleichstellung von Krankenkassen mit Un-ternehmen kritisiert.

Der AutorProf. Dr. JoachimJahn, Berlinist Wirtschaftsredakteurder F.A.Z. und Honorar-professor an der Univer-sität Mannheim. Erschreibt im Wechsel mitPeter Carstens, eben-falls von der F.A.Z.

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MN Bericht aus Brüssel

EU-Staatsanwaltschaft:Justizkommissarin greift zum Schwert

„Wir wollen keine neue Behörde schaf-fen“, versicherte EU-JustizkommissarinViviane Reding noch Mitte 2011. Dochschon damals schränkte sie ein, dass –sollten Reformbemühungen unfrucht-bar bleiben – über europaweite Ermitt-ler nachgedacht werden müsse. DerGeduldsfaden scheint bereits gerissen,denn die EU-Kommission kündigt inihrem Arbeitsprogramm 2013 einenVorschlag zur Errichtung einer EU-Staatsanwaltschaft an, zunächst zumSchutz der finanziellen Interessen derEU. Da es insoweit um „europäisches“Geld geht (welches bei Ermittlungs-erfolg wieder an die EU zurückfließt),werden einige nationale Strafverfol-gungsbehörden wohl verdächtigt, sichsolchen Straftaten nicht mit vollemElan zu widmen.

OLAF, Eurojust und EuropolDie Kompetenz zur Errichtung einerEU-Staatsanwaltschaft wurde durchden Vertrag von Lissabon in Art. 86 desVertrages über die Arbeitsweise der EU(AEUV) niedergelegt. Ob die fraglichenMitgliedsstaaten nicht vielmehr zur Be-trugsprävention angehalten werdensollten und eine weitere Behörde ange-sichts der – für Außenstehende mit-unter undurchsichtig erscheinenden –schon existierenden Institutionen undInstrumentarien zur europäischenStrafrechtsbekämpfung überhaupt not-wendig ist, ist freilich noch nicht ent-schieden. Gespannt sein darf manauch, wo die EU-Staatsanwaltschaft or-ganisatorisch angesiedelt werden soll.Bislang widmet sich speziell das Euro-päische Amt für Betrugsbekämpfung(OLAF) der Aufklärung von Betrug,Korruption und allen anderen krimi-nellen Handlungen gegen die finan-ziellen Interessen der EU. Das institu-tionell im Rang einer Generaldirektionangesiedelte Amt betreibt seine Ermitt-lungen zwar unabhängig, unterstehtaber organisatorisch dem Ressort desKommissars für Steuern und Zoll-union. Gemäß Art. 86 Abs. 1 S. 1AEUV soll eine Europäische Staats-anwaltschaft hingegen „ausgehend von

Eurojust“ eingesetzt werden. Eurojustbeziehungsweise die Europäische Ein-heit für justizielle Zusammenarbeitkoordiniert derzeit als EU-Agenturgrenzüberschreitende Strafverfahrenauf europäischer Ebene. Sie kann dieMitgliedstaaten aber nur zu Ermittlun-gen auffordern, jedoch (noch) keine ei-genen durchführen. Sie ist daher dasrepressive Pendant zu der präventiv-po-lizeilichen Ermittlungskoordinationdurch Europol bei der grenzüberschrei-tenden organisierten Kriminalität.

Und die Beschuldigtenrechten?Problematisch ist die Ausgestaltung ei-ner EU-Staatsanwaltschaft. Die „ModelRules“ der Universität Luxembourgstellen eine erste (akademische) Grob-skizze für eine Verfahrensordnung dar.Darin wäre etwa dem forum shoppingzu Lasten des Beschuldigten Tür undTor geöffnet. Einmal mehr wird alsodeutlich, dass eine EU-Staatsanwalt-schaft jedenfalls solange keine Lösungist, wie der Fahrplan zur Stärkung derVerfahrensrechte im Strafverfahrennicht abgearbeitet und in nationalesRecht umgesetzt ist. Darüber hinausgilt es, die Kompetenz einer EU-Staats-anwaltschaft, das Verhältnis zu natio-nalen Polizeibehörden, den Rechts-schutz oder die Unabhängigkeit derBehörde zu klären. Die deutsche An-waltschaft hat bereits Eckpunkte fürdas weitere Vorgehen vorgestellt. Ent-scheiden muss am Ende der Rat mitZustimmung des Europäischen Par-laments. Mit einem Vorschlag wird imersten Halbjahr 2013 gerechnet.

GesetzgebungGesetzgebung

Frauenquote in Aufsichtsräten

Die EU-Kommission stellte Mitte Novem-ber einen neuen Richtlinienvorschlag zurEinführung einer verbindlichen Frauen-quote in Aufsichtsräten vor (KOM(2012)614). Als Zielvorgabe soll die Quote vonnicht-geschäftsführenden Aufsichtsrätin-nen bis 2020 auf 40 Prozent angehobenwerden. Der Fokus liegt nun auf einemtransparenten und fairen Auswahlverfah-ren. Dieses müssen die Unternehmennachweisen, ansonsten drohen auchschon vor 2020 Sanktionen. Die zeitlichbefristete Regelung soll nur für börsenno-tierte Unternehmen gelten und eineFlexibilitätsklausel soll die Qualität derKandidaten sichern. Die Festlegung vonSanktionen gegen Verstöße soll denMitgliedstaaten vorbehalten bleiben.

Vorlage zum EuGH: Praxistipps

Der Gerichtshof der EU (EuGH) veröffent-lichte im November unverbindliche Emp-fehlungen zur Vorlage von Vorabentschei-dungsersuchen. Diese gehen auf die neueVerfahrensordnung vom 25. September2012 zurück. Der Gerichtshof gibt natio-nalen Gerichten eine Orientierung zum„Wann“ der Vorlage ebenso mit, wie prak-tische Hinweise zu deren Form und Wir-kung. Für Anwälte stellt der DAV auf seinerWebsite einen Leitfaden in deutscherSprache mit praktischen Hinweisen desRates der Europäischen Anwaltschaften(CCBE) zu Vorlageverfahren vor demEuGH zur Verfügung (www.anwaltverein.de/downloads/praxis/Leifaden.pdf).

Brüssel-I-Verordnung kommt

Das Plenum des Europäischen Parlamentsnahm am 20. November 2012 den Berichtdes Rechtsausschusses zur Neufassungder Verordnung 44/2001/EG („Brüssel-I-Verordnung“) an (KOM(2010)748). Da-nach wird das Exequaturverfahren abge-schafft – und zwar auch im Bereich desPersönlichkeitsrechts und des kollektivenRechtsschutzes. Art. 48 enthält weiterhinGarantien für den Schuldner. Die neueVerordnung soll auch für einstweilige Maß-nahmen gelten, es sei denn diese sindohne Vorladung des Beklagten angeord-net und die Entscheidung ihm nicht zuge-stellt worden. Der DAV hatte in seinerStellungnahme Nr. 74/2012 die Verfah-rensvereinfachung bei der grenzüber-schreitenden Vollstreckung von Urteilenbegrüßt, aber noch Unsicherheiten bei dergerichtlichen Zuständigkeit kritisiert. Jetztsteht noch die formelle Verabschiedungdurch den Rat aus.

Der AutorJonas Regenfu�,Br�sselist Rechtsanwalt undReferent im BrüsselerBüro des DeutschenAnwaltvereins.

M 6 AnwBl 1 / 2013 Mantel

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MN Nachrichten

AnwaltsrechtAnwaltsrecht

Angestellte Anwälte: BeiWechsel stets Befreiungs-antrag bei DRV Bund

Angestellte Anwälte müssen zukünftigaufpassen: Sie müssen ab sofort bei je-dem Tätigkeitswechsel erneut einen Be-freiungsantrag stellen, wenn sie nicht indie gesetzliche Rentenversicherung ein-zahlen wollen. Auf diese Konsequenzzweier Urteile des Bundessozialgerichtsvom 31. Oktober 2012 (B 12 R 3/11 Rund B 12 R 5/10 R) hat jetzt die Arbeits-gemeinschaft Berufsständischer Versor-gungseinrichtungen (ABV) hingewie-sen. Angestellte Rechtsanwälte könnensich auf Antrag über ihr Versogungs-werk von der gesetzlichen Rentenver-sicherung befreien lassen. Sie müssendann nur noch in ihr Versorgungswerkeinzahlen. Die Befreiung für in Kanz-leien angestellte Anwälte erfolgt pro-blemlos, Syndikusanwälte müssen bele-gen, dass sie rechtsberatend, rechts-gestaltend, rechtsvermittelnd undrechtsentscheidend tätig sind.

Bislang war es Verwaltungspraxisder Deutschen RentenversicherungBund, dass bei einer Befreiung einesangestellten Kanzleianwalts beimWechsel in das Anstellungsverhältniseiner anderen Kanzlei kein neuer Be-freiungsantrag erforderlich wurde. Da-mit ist nun Schluss, nachdem das BSGentschieden hat, dass ein Befreiungs-bescheid immer nur für die konkreteTätigkeit bei dem jeweiligen Arbeit-geber gilt. Die ABV hatte bereits in derVergangenheit darauf hingewiesen,dass Syndikusanwälte bei jedem Tätig-keitswechsel einen neuen Befreiungs-antrag stellen müssen. Neu ist jetzt,dass dies auch für alle anderen ange-stellten Anwälte gilt. Die DeutscheRentenversicherung Bund ist nicht län-ger bereit, beim Erfordernis des Befrei-ungsantrags zwischen Anstellungsver-hältnissen bei Berufsträgern und beinicht-anwaltlichen Arbeitgebern zu un-terscheiden.

Unklar ist zur Zeit noch, was mit Alt-fällen passieren wird, also mit angestell-ten Anwälten in Kanzleien, die in derVergangenheit den Arbeitgeber unddamit ihre Tätigkeit gewechselt haben,jedoch auf die Wirksamkeit des ur-sprünglichen Befreiungsbescheids ver-traut haben. Die Deutsche Rentenver-sicherung Bund will hier zunächst dieschriftlichen Urteilsgründe abwarten.

JuristenausbildungJuristenausbildung

Tagung: Wie gut oder wieschlecht ist die Juristen-ausbildung?

Hochschulrektorenkonferenz und derStifterverband für die Deutsche Wis-senschaft haben am 13./14. November2012 ein bekanntes Thema aufgerufen:Unter dem Motto „Juristenausbildungheute: Impulse für Studium undLehre“ diskutierten Vertreter aus Justiz,den juristischen Prüfungsämtern undder Fakultäten, Studierende sowie Ver-treter verschiedener Interessensver-bände (darunter aus der Anwaltschaft)über eine Reform der Juristenausbil-dung. Zufällig – wenn auch pünktlich– hatte der Wissenschaftsrat am 9. No-vember 2012 seine Empfehlungen zurJuristenausbildung unter dem Titel„Perspektiven der Rechtswissenschaftin Deutschland. Situation, Analysen,Empfehlungen“ vorgelegt. Trotz des in-teressanten und vielfältigen Pro-gramms zu Bildung und Ausbildungdes juristischen Nachwuchses verliefendie Diskussionen aus Sicht der Anwalt-schaft schließlich jedoch eherernüchternd.

Schon während der ersten Podiums-diskussion wurde deutlich, dass esnach wie vor Klagen über die univer-sitären Ausbildung gibt: von der Stoff-fülle überforderte Studierende, ein zer-splittertes Angebot der Ausbildung inden Schwerpunktbereichen, ein Verlustbei der Vermittlung juristischenGrundlagenwissens und die man-gelnde Berufsvorbereitung der Absol-venten waren nur einige, wenn auchwesentliche Punkte, die angesprochenwurden.

Spannend wurde es, als anschlie-ßend das Institut für Hochschulfor-schung der Universität Kassel (Incher)die Ergebnisse seiner Absolventenbe-fragung vorstellte. Seit 2007 werden re-gelmäßig bundesweit Jura-Absolventen(bislang etwa 6.000) eineinhalb Jahrenach Beendigung des Studiums nachihren Einschätzungen in puncto Studi-enangebote und -bedingungen befragt.Bei Karriereförderung, Fremdsprachen-vermittlung, beruflicher Relevanz oderMethodenvermittlung bewerten jeweilsmehr als 80 Prozent das Studium mit„durchschnittlich“ bis „mangelhaft“.Nur sechs Prozent der Befragtenfühlen sich durch das Studium gut aufden Beruf vorbereitet. 71 Prozent dage-

gen erachten das Studium für die „Vor-bereitung auf den Beruf“ als ungeeig-net. Genau hier setzt seit kurzem dieForderung des DAV nach einer anwalt-sorientierten Juristenausbildung an,denn immerhin ergreifen ganze 70Prozent aller Absolventen den Anwalts-beruf.

Noch ernüchternder als die Ergeb-nisse der Befragung war die Reaktiondes Plenums. Die Ergebnisse der Stu-die wurden mit dem Vorwurf metho-discher Mängel zurückgewiesen. Auf-fällig war auch, dass von vielenTagungsteilnehmern „Praxisbezug“ mit„Praktikum“ gleichgesetzt wurde. Ge-nau das soll aus Sicht des DAV geradenicht der Fall sein. Durch mehr An-waltsorientierung im Studium – diesich gerade nicht nur auf ein studien-begleitendes Praktikum beschränkt –soll die universitäre Ausbildung ausSicht des DAV zwei wesentliche Zieleverfolgen: eine qualifizierte wissen-schaftliche Ausbildung vermitteln unddie Möglichkeit einer Berufsentschei-dung gewährleisten. Dabei soll es frei-lich nicht darum gehen, dass Univer-sitäten fertige Anwälte produzieren.Auch der Wissenschaftsrat beschäftigtsich mit der Frage, wie die Verzahnungvon Wissenschaft und Praxisrelevanzin der juristischen Ausbildung gestärktwerden kann. Dies scheint aber fürviele aus Justiz, Prüfungsämtern undHochschulen kein erstrebenswertesZiel zu sein. So fasste Jan-MartinWiarda von der „Zeit“ die letzte Podi-umsdiskussion mit der Erkenntnis zu-sammen: „Sie alle reden ganz betroffendavon, dass sich etwas ändern müsste,aber letzten Endes finden sie sich alleganz schön toll.“

Assessorin Nadine Ackermann, Berlin

AnwaltsblattAnwaltsblatt

Jahresregister 2012und EinbanddeckenDem Februar-Heft des Anwaltsblattswird - wie in jedem Jahr - das Jahres-register für den vergangenen Jahrgangbeiliegen. Einbanddecken für denJahrgang 2012 können direkt überden Deutschen Anwaltverlag(Tel.: 02 28/ 9 19 11 – 0 oder Fax: – 23)bestellt werden.

M 8 AnwBl 1 / 2013 Mantel

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MN Nachrichten

KammerrechtKammerrecht

Wem gehört die Presse-freiheit bei Kammer-mitteilungen?

Die „Mitteilungen der deutschen Pa-tentanwälte“ gehören zu den vielen Pu-blikationen von Berufskammern. Dochwem gehört die Pressefreiheit bei die-sen Blättern? Auf jedem Fall nicht demeinzelnen Mitglied der Kammer, auchwenn es im Interesse seiner Berufs-ausübung Zwangsmitglied ist. Das hatjetzt der Patentanwaltssenat des BGHmit Beschluss vom 6. Juli 2012 klar ge-stellt (PatAnwZ 1/11). Geklagt hatte einPatentanwalt gegen seine Kammer,weil diese eine Fachaufsatz vom ihmnicht ihrem Mitteilungsblatt abdruckenwollte. Im April 2009 hatte er der Re-daktion seinen Beitrag übersandt. DieRedaktion wollte den Beitrag frühes-tens ab März 2010 veröffentlichen. Inder Zeitschrift wurde 2010 dann einBeitrag in Form eines Interviews miteinem schweizerischen und liechten-

steinischen Patentanwalt für eine Vor-bereitungsmethode auf die Eignungs-prüfung für Patentanmelder desEuropäischen Patentamts veröffent-licht. Der klagende Patentanwalt führtenun an, man habe die Veröffentlichungseines Aufsatzes grundlos verzögert.Der Platz in der Zeitschrift sei nichtfür Beiträge von Mitgliedern genutztworden. Der letztlich abgedruckte Bei-trag sei zudem kein Interview gewesen,sondern eine vorformulierte Werbungdes Patentanwalts für dessen Vorberei-tungsmethode. Der Kläger verlangt,dass Beiträge von Mitgliedern der Pa-tentanwaltskammer im Verhältnis zudenen von Nichtmitgliedern bevorzugtveröffentlicht werden müssten. Dereingereichte Beitrag solle zudem nichtin Form eines Interviews abgedrucktwerden dürfen, wenn gar kein Inter-view stattgefunden habe.

Der BGH urteilte in dieser verwal-tungsrechtlichen Patentanwaltssache,dass einem Mitglied der Patentanwalts-kammer kein Anspruch auf bevorzugtePublikation gegenüber einem Nicht-mitglied erwachse. Dies ergebe sichauch nicht aus der Pflichtmitglied-schaft. Die Herausgabe der Fachzeit-schrift „Mitteilungen der deutschen Pa-tentanwälte“ stelle keinen Eingriff indie Handlungsfreiheit des Klägers alsMitglied der Patentanwaltskammer dar,wenn das Mitglied nicht bevorzugtwerde. Sie solle den Meinungsaus-tausch fördern. Dieses Ziel werde nichtdadurch gefährdet, dass Beiträge vonMitgliedern nicht bevorzugt würden.Dabei komme es auch nicht darauf an,ob der durch die Patentanwaltskammerveröffentlichte Beitrag veröffentli-chungswürdig gewesen sei oder nicht.Zudem stellte der BGH fest, dass ei-nem in Interviewform verfassten Bei-trag nicht ein wirkliches Interview zu-grunde liegen müsse. Auch ein fiktivesInterview zu einem fachbezogenenThema könne in der Zeitschrift veröf-fentlicht werden.

Der BGH unterstreicht mit seinemUrteil die Pressefreiheit bei der Verbrei-tung von Nachrichten und Meinungen.Die Pressefreiheit greift auch bei Kam-mern mit einer Zwangsmitgliedschaft.Letztendlich entscheiden die presse-rechtlich Verantwortlichen innerhalbihrer Grenzen über Inhalt und Ausrich-tung der kammereigenen Presse.

Der Beschluss des BGH vom 6. Juli 2012 (PatAnwZ1/11) ist abrufbar auf der Website des BGH unterwww.bundesgerichtshof.de.

AG Forum Junge AnwaltschaftAG Forum Junge Anwaltschaft

Start in den AnwaltsberufDas Seminar für alle Junganwälte undReferendare findet am 1. und 2. März2013 im Maritim Strandhotel Timmen-dorfer Strand statt. Das „Forum – Startin den Anwaltsberuf“ richtet der DAVzweimal pro Jahr gemeinsam mit demForum Junge Anwaltschaft aus. Egalob als selbstständiger oder angestellterAnwalt, ob Einzelkanzlei, in Sozietätoder als Syndikus – hier findet jedereine Fülle hilfreicher Tipps und Tricksfür den erfolgreichen Berufseinstieg. InVorträgen und Workshops geht es umvielerlei praktische Themen wie Hono-rar und Haftung, der Ablauf des erstenMandats, Marketing, Kanzleimanage-ment, Öffentlichkeitsarbeit, Büroorga-nisation und vielen weiteren Themen.

Weitere Informationen gibt es unterwww.anwaltverein.de/berufsstart/berufseinstiegund in diesem Heft auf Seite M 14.

AG Insolvenzrecht und SanierungAG Insolvenzrecht und Sanierung

Jahrestagung derZwangsverwalter 2013Die Arbeitsgruppe Zwangsverwaltungin der Arbeitsgemeinschaft Insolvenz-recht und Sanierung des DAV ver-anstaltet am 13. März 2013 in Berlin ihrjährliches Treffen. Eröffnet wird die„Jahrestagung der Zwangsverwalter2013“ mit einem Vortrag von Prof. Dr.Jürgen Schmidt-Räntsch zum Themaneuere Rechtsprechung des BGH zurZwangsverwaltung und ihrem (woh-nungseigentumsrechtlichen) Umfeld.Dr. Hans Gerhard Ganter spricht überdie Haftung des Zwangsverwalters inder Rechtsprechung des BGH undProf. Ulrich Keller über die aktuellenEntwicklungen in der Rechtsprechungzur Zwangsverwaltung. Zum Abschlussbeschäftigt sich Rechtsanwalt Dr.Friedrich L. Cranshaw mit dem Themaeffektives Zwangsverwaltungs- undZwangsversteigerungsmanagement.Moderator ist Rechtsanwalt PeterDepré aus Mannheim.

Weitere Informationen unter www.arge-inso.de.Anmeldungen bitte an Deutsche Anwaltakademie,Detlef Zabel , Littenstraße 11, 10179 Berlin,Tel. 030/ 72 61 53 – 184, Fax: – 188,zabel@anwaltakademie

LeserreaktionLeserreaktion

» Zündstoff für Familie

Zu dem Beitrag „Cutting Edge –oder: Alles auf Null“ von Rechts-anwalt Michael Rosenthal imDezember-Heft des Anwaltsblatts(AnwBl 2012, 964):

Ich habe Ihren Artikel zum Anlass ge-nommen, ihn meiner Familie als Mit-tagslektüre zu präsentieren. Nachdemich meinem muslimischen Ehemannnach der Geburt davon abhaltenkonnte, unseren inzwischen 20-jähri-gen Sohn beschneiden zu lassen,hatte ich nach dem Urteil des LG Kölntagelange Diskussionen mit meiner24-jährigen Tochter über den Sinnoder Unsinn dieser „Sitte“. Diese istmit einem Amerikaner liiert und hat klarbekundet, auch sie werde „aus hygie-nischen“ Gründen ihre zukünftigenSöhne beschneiden lassen. Selbstmein (unversehrter) Sohn findet meineEmpörung über diese Art von Körper-verletzung durch Eltern nicht nachvoll-ziehbar. Meine beiden Kinder studierenJura, so dass Sie sich vorstellenkönnen, welche Diskussionen inner-halb der Familie abliefen. Ich bin sehrfroh, dass Sie auf den Punkt gebrachthaben, womit ich in der Familie keinGehör fand. Vielen Dank.

Rechtsanwaltin und Fachanwaltin furFamilienrecht Andrea Torabian, Burscheid

M 10 AnwBl 1 / 2013 Mantel

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MN

2 Regelungsprinzipien des anwaltlichenBerufsrechts in der BORAProf. Dr. Hans-Jürgen Ahrens, Osnabrück

Die Satzungsversammlung ist kein „Parlament der Anwaltschaft“. Die Interessender Bürger und der Allgemeinheit haben Vorrang vor Berufsinteressen. DerAutor fordert die Satzungsversammlung auf, eine moderne Berufsordnung zuschaffen – und so den Auftrag des Gesetzgebers in der BRAO ernst zu nehmen.

8 Die endgültige Gleichstellung vonKanzlei und Zweigstelle?Akad. Rat Dr. Christian Deckenbrock, Köln

Kanzlei und Zweigstelle haben den BGH zum zweiten Mal beschäftigt. KuriosesErgebnis des aktuellen Briefpapier-Urteils: Der Wettbewerb wird gefördert,obwohl das die Satzungsversammlung gerade nicht wollte. Der Autor plädiertdafür, nun endlich § 10 BORA zum Briefpapier für das Internet fit zu machen.

16 Anwälte müssen umlernen:Neues in der ZwangsvollstreckungGerichtsvollzieher Stefan Mroß, Bühl/Baden

Der 1. Januar 2013 ist Stichtag für die Reform der Sachaufklärung in derZwangsvollstreckung. Der Autor erläutert, was anders wird. Rechtsanwalt HenryEuba gibt ab Seite 23 noch aus Sicht eines Anwalts Tipps für das Umdenken.

25 Aufrechnung mit Haftungsanspruch:Angriff ist die beste VerteidigungRichter am Landgericht Wolfgang Dötsch, Brühl

Die Berufshaftpflichtversicherung ersetzt nicht nur Schäden: In der Praxis amwichtigsten ist der Abwehrschutz. Doch was passiert, wenn der Mandant nichtangreift, sondern einfach mit Honoraransprüchen des Anwalts aufrechnet?Der Autor sieht in vielen Fällen den Berufshaftpflichtversicherer in der Pflicht.

Aufsätze

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AnwaltsrechtAnwaltsrecht

Regelungsprinzipien desanwaltlichen Berufsrechtsin der BORAEin Appell an die 5. Satzungsversammlungzur Modernisierung der BORA*

Prof. Dr. Hans-Jurgen Ahrens, Osnabruck

Es ist ein Privileg der Anwaltschaft: Die Satzungsversamm-lung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) darf materiel-les Berufsrecht – zwar nur im Rahmen der Ermächtigungder Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), aber doch umfas-send – setzen. Deckenbrock hat im Anwaltsblatt zum Auftaktder 5. Satzungsversammlung 2011 eine gründliche Entschla-ckung der 1996 geschaffenen BORA gefordert (AnwBl 2011,705). Der Autor sieht ebenfalls Handlungsbedarf, wider-spricht aber Deckenbrock: Eine moderne Berufsordnunghabe die Verhaltenspflichten von Anwälten aufgrund von tat-sächlichen Gefahren umfassend und präventiv zu regeln.Maßstab müssten die Interessen der Allgemeinheit und derRechtssuchenden sein. Die Setzung des Satzungsrechts habedaher in einem offenen und transparenten Prozess zu erfol-gen. Wenn die Satzungsversammlung nur die Wettbewerbs-beziehungen unter den Marktteilnehmern regeln wolle, seidas das Einfallstor für eine kartellrechtliche Kontrolle.

I. Punktuelle Reformen oder grundlegendeNeuformulierung?

Zur konstituierenden Sitzung der 5. Satzungsversammlungder Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) im Oktober 2011hat Deckenbrock der Satzungsversammlung ans Herz gelegt,die Berufsordnung der Rechtsanwälte umfassend neu zu re-geln. In seiner Analyse hat er die Modernisierung der BORAals „überfällig“ bezeichnet.1 Hingewiesen hat er auf eine„Entrümpelung“ des Berufsrechts der Steuerberater, das vor-bildhaft von 62 auf 30 Normen verkürzt worden sei.

Einer solchen Neuregelung der BORA müsste allerdingsnach meiner Auffassung eine Rückbesinnung darauf voran-gehen, was überhaupt in einer Berufsordnung zu regeln ist,die in der Normenhierarchie unterhalb des formellen Geset-zes steht, und welche Zwecke das Satzungsrecht verfolgensollte beziehungsweise verfolgen darf. Keineswegs geht esnur um ein Zusammenstreichen; auffallend sind Lücken dergeltenden Regelungen.

II. Interessen der Allgemeinheit

Die Rechtsanwaltschaft sollte die Außenansicht von Nicht-anwälten mitberücksichtigen. Da es nicht nur um die Rege-lung der Wettbewerbsbeziehungen unter Anwälten geht,sondern deren Funktion als Organ der Rechtspflege konkreti-siert werden soll, hat die Allgemeinheit ein Recht, sich in dieinternen Diskussionen einzumischen. Der EuGH zwingt

dazu, die staatliche Mitwirkung am Berufsrecht der Frei-berufler ernst zu nehmen, weil anderenfalls die kartellrecht-liche Kontrolle nach Art. 101 AEUV Breschen in dieautonome Regelungsbefugnis schlagen wird.2 Staatliche Kon-trolle steht dabei schlechthin für die Berücksichtigung vonInteressen der Allgemeinheit.

III. Publizität und Verbindlichkeit der Materialien

Mitwirken an der Diskussion um die Entwicklung des Berufs-rechts kann die Fachöffentlichkeit nur, wenn Vorschläge fürdie Satzungsversammlung öffentlich bekannt werden. Ichteile insoweit die Anregung von Deckenbrock, Materialien derSatzungsversammlung zu veröffentlichen. Das sollte aller-dings nicht erst nachträglich erfolgen, sondern bereits im Be-ratungsstadium. Auch Satzungsnormen sind Rechtsnormen,die nicht im Geheimen entstehen dürfen oder gar müssen. Be-folgen könnte man die Normsetzungstechnik des Unions-rechts und offizielle Erwägungsgründe beschließen. Die Ver-bindlichkeit des Auslegungsmaterials würde dadurch erhöht.

IV. Das Verhältnis des Satzungsrechts zumformellen Gesetz

1. Friktionen von Satzungsrecht und formellem Gesetz;Verbotswut des SatzungsgebersAuffallend ist, dass das Bundesjustizministerium (BMJ) alsRechtsaufsichtsbehörde mehrfach Beschlüsse der Satzungs-versammlung wegen Unvereinbarkeit mit höherrangigemRecht beanstandet und die erforderliche Genehmigung ver-weigert hat. Dafür kann es unterschiedliche Erklärungen ge-ben. Eine Version könnte lauten, dass die Satzungsversamm-lung ihre Befugnisse überschätzt hat und die Neigung zuRestriktionen ins Kraut hat schießen lassen. Deckenbrock hatdem ein anderes Erklärungsmodell gegenübergestellt, näm-lich eine denkbare Resignation der Satzungsversammlungund einen Übereifer des BMJ. Dabei hat er aufgegriffen,dass die 4. Satzungsversammlung sich erstmals entschlossenhat, eine Beanstandung gerichtlich überprüfen zu lassenund damit beim Anwaltssenat des BGH Erfolg gehabt hat.Beide Erklärungsmodelle klingen nicht unplausibel. Ichwage dazu aber kein Urteil abzugeben. Zugunsten des BMJspricht, dass auch das BVerfG Beschlüsse erlassen hat, mitdenen Satzungsbestimmungen der Garaus gemacht wurde.

2. Satzung als Informationsquelle zum gesamten BerufsrechtMan könnte den Satzungsregeln Informationsaufgaben fürdie Gesamtheit der Berufsregeln zumessen. Befürwortetman eine geschlossene Einheit des Berufsrechts, müsstenVorschriften des formellen Gesetzes, also der BRAO, in derSatzung wiederholt werden. Ein geschlossener Kanon vonRegeln kann sinnvoll sein, wenn man es mit Berufsgruppenzu tun hat, die nicht gewohnt sind, das Zusammenspiel ver-schiedener Rechtsquellen zu verstehen. Das trifft auf dieRechtsanwaltschaft nicht zu. Ein Kodex als Gesamtinforma-tion unter Einbeziehung von Normen der BRAO ist für sie

MN Anwaltsrecht

* Der Beitrag geht auf den Eröffnungsvortrag der Arbeitstagung des Niedersächsi-schen Anwaltsgerichtshofes am 30.1.2012 in Braunschweig zurück. Die Vor-tragsform ist beibehalten worden.

1 Deckenbrock AnwBl. 2011, 705.

2 Ahrens, Gedächtnisschrift für Malte Schindhelm (2009) S.17 ff.

2 AnwBl 1 / 2013 Regelungsprinzipien des anwaltl ichen Berufsrechts in der BORA, Ahrens

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nicht erforderlich. Wie Koch in seiner Kommentierung zu§ 59b BRAO treffend gesagt hat, ermächtigt § 59 b nicht zurAufstellung eines „edukatorischen Leitfadens“ für junge Ju-risten.3 Reine Informationserteilung ist Aufgabe von Erläute-rungsbüchern.

Einschränkend ist allerdings zu beachten, dass eine Wie-derholung von Regelungen der BRAO geboten sein kann, umeinen gedanklichen Anknüpfungspunkt für spezifizierendeAussagen zu gewinnen. Wenn zum Beispiel in § 1 Abs. 3BORA die Aufgaben des Rechtsanwalts als Berater und Vertre-ter des Mandanten detailliert beschrieben werden, kann dieEinbettung dieser Aussagen in die Rahmenbedingungen deranwaltlichen Unabhängigkeit gerechtfertigt sein, voraus-gesetzt man hält den aus § 1 bestehenden Ersten Teil derBORA zur Freiheit der Berufsausübung überhaupt für notwen-dig. Andere wiederholende Aussagen wie die des § 2 Abs. 1BORA zur Schweigepflicht und zur Schweigeberechtigungsind dagegen von vornherein überflüssig und deuten eher aufeine gewisse Hilflosigkeit und Unentschlossenheit des Sat-zungsgebers hin, der die Funktion der Satzung unzureichendreflektiert hat. Die Aufnahme anderer gesetzlicher Vorschrif-ten, etwa aus dem BGB, kann durchaus sinnvoll sein. Ichdenke dabei an die Verpflichtung des § 11 Abs. 1 BORA zurUnterrichtung des Mandanten. Diese Verpflichtung ergibtsich grundsätzlich schon aus § 666 BGB. Man mag § 11 Abs. 1BORA freilich auch als deren Spezifizierung begreifen.

Ein gesondertes Problem ist, ob die BORA nicht nurPflichten der Anwälte erzeugen, sondern zusätzlich denMandanten Gewissheit über die Berufspflichten ihrer Ver-tragspartner verschaffen soll. Bejaht man dies, könnte derenBedarf für detaillierte Regeln des Dritten Abschnitts derBORA sprechen.

3. Spezifizierende Lösung generalklauselartig geregelterKonfliktlagenAusgangspunkt der Aufgabenzuweisung an die Satzungsver-sammlung sollte die Beobachtung sein, dass das Parlaments-gesetz die Schutzgüter des anwaltlichen Berufsrechts zwarbenennt oder sie jedenfalls aufgrund einer Interpretation er-kennen lässt, dass die BRAO aber den Schutz gegen sie be-drohende Verhaltensweisen wenig detailliert ausformuliert.

Man könnte sich damit begnügen, die Ausbildung verfei-nernder Regelungen einer sich über Jahrzehnte entwickeln-den Rechtsprechung der Berufsgerichte und der ordentlichenStraf- und Zivilgerichtsbarkeit zu überlassen. Das würde je-doch weder den Schutzbedürfnissen der Mandantschaft undder Anwaltschaft noch der Autonomiekonzeption des Sat-zungsrechts gerecht. Einen derartigen Weg hat das BVerfGmit seinen grundlegenden Beschlüssen von 1987 zur Funk-tion der Standesrichtlinien und ihrer Erzeugung auch nichtvorzeichnen wollen. Das BVerfG wollte nur die dubiose Fest-stellung dieser Quasinormen und den damit verbundenenImmobilismus der Normsetzung beseitigen. Das Bedürfnisnach detaillierter Formulierung berufsrechtlicher Verhaltens-normen hat es nicht in Zweifel gezogen.

4. Präventionswirkung satzungsgebundener Verhaltens-normenSatzungsnormen ist unter anderem die Aufgabe zuzuweisen,Verletzungen der Schutzgüter der BRAO durch präventivwirkende Verhaltenssteuerung entgegenzuwirken. Festgelegtwird dadurch eine gute berufliche Praxis, die sich für man-che Berufe aus einer communis opinio, genannt Verkehrs-

anschauung, ergibt, die im Anwaltsrecht aber Gegenstandeiner Regulierungsbefugnis der Berufsorganisation mit Au-ßenkontrolle durch den Staat in Form der Rechtsaufsicht desBMJ ist. Damit ist zunächst nur die Funktion von Verhal-tensnormen beschrieben. In welcher Dichte Normen auf-zustellen sind und wie ihre Relation zu den zu schützendenGütern aussieht, ist daraus noch nicht abzuleiten.

5. Unbestimmtheit des Schutzgutes „Interessen derRechtspflege“Da präventiv wirkende Normen Verletzungen verhüten sol-len, muss man die Frage beantworten, welche Gefährdungenzu vermeiden und welche Risiken in Kauf zu nehmen sind.Risikobeurteilungen sind mit prognostischen Unsicherhei-ten verbunden. Zu diesen Unsicherheiten tritt im anwalt-lichen Berufsrecht der generalklauselartige Charakter desSchutzgutes „Interessen der Rechtspflege“ hinzu, das seiner-seits an Unbestimmtheit leidet beziehungsweise konkretisie-rungsbedürftig ist.

Ebenso ungewiss ist die im Schrifttum vertretene An-nahme, die Regeln der BORA seien nur im Interesse derRechtspflege und der Allgemeinheit aufgestellt4 und entfalte-ten gegenüber Mandanten nur „unvermeidbare“ und „ge-ringfügige Reflexwirkungen“.5 Für meine gegenteilige Inter-pretation ziehe ich als Eideshelfer die Sicht der angesehenenAnwaltsaufsichtskommission des Kantons Zürich heran, dieden „Schutz des rechtsuchenden Publikums“ und die „Ge-währleistung des geordneten Gangs der Rechtspflege“ als Re-gelungszwecke des eidgenössischen anwaltlichen Berufs-rechts benennt.6 Dieselbe Sicht teilt auch die englischeSolicitors Regulation Authority.

V. Schutzgüter des Berufsrechts

Regulierungen des anwaltlichen Berufsrechts, die die Berufs-zulassung oder die Berufsausübung betreffen, müssen sichgegenüber dem Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfrei-heit) sowie im Bereich der kommerziellen Kommunikation –entgegen der Praxis des BVerfG – auch gegenüber Art. 5Abs. 1 GG (Freiheit der Meinungsäußerung) rechtfertigen.Gesichert ist durch Rechtsprechung des BVerfG, dass es dafürauf eine Beeinträchtigung von Interessen der Rechtspflege an-kommt. Damit ist die Frage aufgeworfen, wie man mit einerderart vagen Schutzgutbestimmung umzugehen hat. Das Pro-blem wird nicht kleiner, wenn man mit meiner Ansicht denSchutz individueller Mandanteninteressen als eigenständigesSchutzgut hinzunimmt, ihn also nicht nur als Reflexwirkungdes Schutzes von Rechtspflegeinteressen begreift.

Ich werfe zunächst einen Seitenblick auf die sog. Benet-ton-Rechtsprechung des BVerfG. Mit ihr wurden auf dasUWG von 1909 gestützte Verbote zunächst der Bilderwer-bung des Textilunternehmens Benetton, dann aber inKammerentscheidungen auch Werbeaussagen andererUnternehmen am Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG über-prüft.7 Der Generalklausel des § 1 UWG a. F., nach deren Tat-bestand die Sittenwidrigkeit des wettbewerblichen Verhaltens

MN Anwaltsrecht

Aufsätze

3 Koch, in: Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung3 § 59b Rdn. 18.

4 Henssler, in: Henssler/Prütting Einl. BORA Rdn. 2.

5 aaO Rdn. 40.

6 Beschluß vom 9.6.2011, Bl.f.ZürchRspr. 110 ( 2011) Nr. 74, S. 229.

7 BVerfGE 102, 347 (= NJW 2001, 591)und BVerfGE 107, 275 (= NJW 2003, 1303)sowie zum Beispiel die Kammerentscheidungen BVerfG NJW 2001, 3403 oderspäter BVerfGK 12, 191; 12, 272.

Regelungsprinzipien des anwaltl ichen Berufsrechts in der BORA, Ahrens AnwBl 1 / 2013 3

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maßgebendes Unrechtskriterium war, sollten Korsettstangeneingezogen werden, indem das BVerfG vor zehn Jahren sichselbst ein Schutzgut der Abwehr unlauteren Wettbewerbssuchte und es im Schutz der Lauterkeit des Leistungswett-bewerbs sehen wollte. Auf diesen Trugschluss will ich an die-ser Stelle nicht näher eingehen.8 Bemerkenswert sind hier nurdie weiteren Anforderungen, die in einer Kammerentschei-dung zum kombinierten Fall „Tier- und Artenschutz“9 auf-gestellt wurden. Geprüft wurde, ob der Leistungswettbewerbdurch die angegriffene Kunstpelzwerbung und durch einenangegriffenen Werbehinweis auf das eigene Sponsoring desArtenschutzes „erkennbar gelitten“ habe, was verneint wurde.Derartige Begründungsanforderungen nötigen zu einer nichtleistbaren Unterfütterung des Rechtswidrigkeitsurteils.

Die zitierte Rechtsprechung zeigt folgendes: Das BVerfGwill sich bei der Aufstellung von Verhaltensnormen auf derGrundlage von Generalklauseln nicht mit vagen Einschät-zungen zufriedengeben. Das ist grundsätzlich zu begrüßen,wenn man den verfassungsrechtlichen Schutz von Hand-lungsfreiheiten nicht ins Leere laufen lassen will. Der Schutzvor generell drohenden Gefahren durch abstrakte Verhaltens-normen darf aber rechtlich nicht unmöglich gemacht wer-den, weil sich konkrete tatsächliche Feststellungen einer Ge-fährdung in der Regel nicht treffen lassen, wenn ein Urteilauf Lebenserfahrung gestützt wird.

Was hat man nun unter Rechtspflegeinteressen zu verste-hen? Sie zu identifizieren, wird von der BRAO erleichtert.Zu entnehmen sind die wichtigsten Inhalte den statusbilden-den Grundpflichten des Rechtsanwalts nach § 43 a BRAO.Das sind die Sicherung der beruflichen Unabhängigkeit, dieWahrung der Verschwiegenheit, das Gebot der Vermeidungsachfremder Interessenwahrnehmung, das Verbot der Ver-tretung widerstreitender Interessen, der treuhänderischeUmgang mit anvertrauten Vermögenswerten und die quali-tätssichernde Fortbildung des Wissens. Dazu zählen fernerdie Werberestriktionen des § 43 b BRAO, die Voraussetzun-gen der Außendarstellung nachgewiesenen besonderen Wis-sens als Fachanwalt gem. § 43 c BRAO und der Umgang mitangetragenen Mandaten nach § 44 BRAO. Interessenkollisio-nen anderer Art als solche aus anwaltlicher Tätigkeit zu ver-meiden gebieten ergänzend die Tätigkeitsverbote des § 45BRAO, für den Syndikusanwalt aus § 46 BRAO.

Bezieht man die Verhaltenspflichten auf diese konkreti-sierten Rechtspflegeinteressen, fällt die Beurteilung vonSchutzgutbedrohungen schon leichter. Das ist auch der An-satz der Ermächtigungsnorm des § 59 b BRAO, die dengegenständlichen Rahmen für die Befugnisse der Satzungs-versammlung setzt. Auffallend ist übrigens, welchen Ermäch-tigungen der Satzungsgeber keine konkretisierenden Verhal-tensnormen gewidmet hat. Zur Gewissenhaftigkeit derBerufsausübung und zur Wahrung der Unabhängigkeit, Ver-schwiegenheit und Sachlichkeit (§ 59 b Abs. 2 Nr. 1 Buchst.a-d BRAO) sowie zur Außendarstellung durch Werbung undAngabe von Interessenschwerpunkten (§ 59 b Abs. 2 Nr. 3BRAO) ist dem Satzungsgeber offenbar nichts eingefallen.

VI. Bekämpfung abstrakter und konkreter Gefahren

1. Fixierung gefährdender VerhaltensweisenWenn die Rechtsordnung Vorbeugung betreibt, indem siedas Verhalten im Vorfeld einer befürchteten Schutzgutverlet-zung reguliert, kann sie das folgendermaßen tun: Sie kann

gefährliche Verhaltensweisen, die nach der Lebenserfahrunggeeignet sind, eine Schutzgutverletzung nach sich zu ziehen,in Tatbeständen räumlich, zeitlich und gegenständlich näherumschreiben. Ich möchte diese Regulierungstechnik zu-nächst an einem Rechtsgebiet außerhalb des anwaltlichenBerufsrechts demonstrieren, nämlich am Beispiel delikti-scher Haftung nach den Tatbeständen, die in § 823 Abs. 1und 2 BGB verankert sind.

2. Das Beispiel der Schutzgesetze und Verkehrspflichtendes allgemeinen DeliktsrechtsWenn eine baurechtliche Vorschrift besagt, dass in einer Ga-rage keine gefüllten Benzinkanister gelagert werden dürfen,handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823Abs. 2 BGB. Der Verstoß gegen diese Vorschrift ist gefähr-lich, weil es zu einer Explosion kommen kann. Sie tritt abernicht zwangsläufig ein. Explodiert der Kanister allerdings,haftet die für die Lagerung verantwortliche Person nach § 823Abs. 2 BGB schon deshalb, weil das Schutzgesetz schuldhaftübertreten wurde. Ebenso kann eine Haftung nach § 823Abs. 2 BGB begründet sein, weil zum Beispiel eine indivi-dualschützende kapitalmarktrechtliche Vorschrift, etwa eineAnzeigepflicht nach dem KWG oder dem AuslInvestmG,missachtet wurde und später ein Kapitalanleger einenVermögensverlust erlitten hat.

Gleichartige Haftungssituationen beherrschen das Haf-tungsgeschehen nach § 823 Abs. 1 BGB. Seit über 100 Jahrenkennen wir dort die richterrechtlich aufgestellten delikti-schen Verkehrspflichten, die der Gefahrvermeidung oderdoch wenigstens der Gefahrverminderung dienen, damit diein § 823 Abs. 1 BGB aufgezählten Personen- und Sachgüternicht verletzt werden. Sie bewerten und steuern das Verhal-ten unter Umständen weit im Vorfeld eines konkreten Ver-letzungsgeschehens. Im eigenen Herrschaftsbereich mussman zum Beispiel bei Glatteis streuen oder eine ausgeho-bene Baugrube durch einen Zaun absperren; der Veranstal-ter eines Eishockeyspiels muss die Zuschauertribünen durcheine Glaswand abtrennen, damit ein unerwartet hochfliegen-der Puck keinen Zuschauer trifft; der Betreiber eines Alten-heims darf kein ätzendes Reinigungsmittel aus einem Tankin Getränkeflaschen abfüllen, die verwechselt werdenkönnten. Auch hier führt nicht jeder Pflichtverstoß zu einerRechtsgutverletzung. Kommt es jedoch dazu, ist die Pflicht-verletzung für das Rechtswidrigkeitsurteil und damit denSchadensersatzanspruch konstitutiv.

3. Rechtsquelle der VerhaltensnormenBeide Arten der Verhaltensnormen, also das Schutzgesetzund der Verkehrspflichttatbestand, unterscheiden sich nachihrer Herkunft. Bei § 823 Abs. 2 BGB stammt die Norm voneinem Gesetzgeber und wird vom Rechtsanwender lediglichzusätzlich für haftbar machend erklärt. Bei § 823 Abs. 1 BGBwird die deliktische Pflicht von der Rechtsprechung erzeugtund fixiert. Die Rechtsprechung zu den Verkehrspflichtennach § 823 Abs. 1 BGB wägt dafür das Gefährdungspotentialdes beanstandeten Verhaltens, die Selbstschutzmöglich-keiten des Opfers und die nach der Verkehrsanschauungbestimmte soziale Angemessenheit und Nützlichkeit desgefährdenden Verhaltens ab. In diese Abwägung fließenauch Grundrechtspositionen der auf Schädigerseite und auf

MN Anwaltsrecht

8 Dazu Ahrens, in: Harte/Henning, UWG, 2. Aufl. 2009, Einl. F Rdn. 76 ff.

9 BVerfG NJW 2002, 1187.

4 AnwBl 1 / 2013 Regelungsprinzipien des anwaltl ichen Berufsrechts in der BORA, Ahrens

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Opferseite beteiligten Personen ein, also die rechtliche Quali-tät des bedrohten Rechtsguts und die Handlungsfreiheitendes potentiellen Schädigers. Derartige Abwägungen zu tref-fen ist auch Aufgabe des Gesetzgebers, wenn er selbst Ver-haltensnormen formuliert. Allerdings ist dann das Abwä-gungsergebnis der Kontrolle durch die Fachgerichtsbarkeitweitgehend entzogen. Demgegenüber sind richterrechtlichformulierte deliktische Pflichten im Rechtsmittelzugüberprüfbar. Sie können über den Einzelfall hinausgehendBreitenwirkung dadurch erlangen, dass sie die Anschau-ungen über den richtigen Umgang mit einer Gefahr prägen.Deshalb werden sie gegebenenfalls in Normkataloge wie vorallem Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossen-schaften übernommen.

4. Erzwingbarkeit der Verhaltensnormen, Normen ohneSanktionBevor ich ins Berufsrecht zurückkehre, möchte ich noch eineweitere Besonderheit der deliktsrechtlichen Regelungstechnikdemonstrieren. Meine Beispiele zeigen, dass die selbständigeErzwingbarkeit gefahrenabwehrender Verhaltensnormennicht selbstverständlich ist. Deliktische Verkehrspflichten er-langen haftungsrechtliche Bedeutung erst ex post, wenn es zueinem Verletzungsfall gekommen ist. Ihre Beachtung wirdalso nicht präventiv sanktioniert. Das generell gefährliche Ver-halten wird toleriert, solange es nicht tatsächlich zu einer Ver-letzung kommt, es sei denn, es existieren zusätzliche Sicher-heitsvorschriften, deren Einhaltung von Behörden überwachtwird. Das spätere Opfer hätte zwar theoretisch die Möglichkeitzur Abwehr, wenn sich das Gefährdungsgeschehen zu einerkonkreten Bedrohung verdichtet hat, doch scheidet dies ausfaktischen Gründen in der Regel aus. Gesetzlich fixierte Ver-haltensnormen sind demgegenüber nicht selten durch Ord-nungswidrigkeitstatbestände bewehrt, oder ihre Beachtungkann sicherheitsbehördlich mit den Mitteln des öffentlichenRechts erzwungen werden. Allerdings ist darin keine zwin-gende Ausstattung des Rechts zu sehen.

Sind nun Verhaltensnormen ohne eigenständige Sanktio-nen rechtlich bedeutungslos? Ich meine nein. Man solltesich auch im Anwaltsrecht vor der Vorstellung hüten, eineVerhaltensnorm sei als lex imperfecta bloßes Geschwätz fürSonntagsreden. Ein prominenter und zum Teil aus gutemGrund erfolgreicher Kritiker berufsrechtlicher Regulierun-gen, nämlich Kleine-Cosack, hat sich in diesem Sinnespöttisch geäußert. Das schießt weit über das Ziel hinaus.Schon die Vollstreckungsnorm des § 888 Abs. 3 ZPO zeigt,dass ein zivilprozessuales Erkenntnisverfahren auch dannPflichtlagen konkretisieren kann und darf und nicht etwa ob-solet ist, wenn die Erzwingung des Urteils in der Vollstre-ckung ausdrücklich ausgeschlossen ist, etwa bei der Verurtei-lung zu Diensten aus einem Dienstvertrag.

Ich halte es für durchaus sinnvoll, zum Beispiel loyali-tätsstabilisierende Verhaltensnormen mit bloßer Appellfunk-tion im anwaltlichen Berufsrecht aufzustellen. Sie erinnerndie Berufsangehörigen daran, was es bedeutet, die Wahrungder Interessen des Mandanten zur alleinigen Richtschnurdes Handelns zu machen, statt im Zweifel dem – im übrigendurchaus legitimen – Ziel der Maximierung des eigenenUmsatzes den Vorrang zu geben. Das steckt bei recht ver-standenem Gesetzestelos auch hinter solchen berufsrecht-lichen Normen, die einer einseitigen Kommerzialisierungdes Anwaltsberufs entgegenwirken wollen, etwa die fort-bestehenden Restriktionen des Werberechts. Allerdings

scheint die deutsche Fachgerichtsbarkeit der Werbebeschrän-kung des § 6 BORA keine praktische Bedeutung mehr zuzu-messen, möglicherweise aus Resignation vor unkalkulier-barer Rechtsprechungspraxis des BVerfG. Zu beobachten isteher ein Rückzug auf die Rechtsgrundlagen des UWG, wasim Wesentlichen eine Beschränkung auf Irreführungs-abwehr bedeutet, übrigens eine Tendenz, die in der Recht-sprechung des US Supreme Court, gemessen an der Mehr-heitsmeinung des Gerichts, von Mitte der 70er bis Mitte der90er Jahre ebenfalls zu beobachten war.

5. Wahrscheinlichkeit der SchutzgutverletzungWir müssen uns noch näher mit der Relation des Gefähr-dungsverhaltens zur Schutzgutverletzung befassen. DieRechtsordnung unterscheidet abstrakte und konkrete Gefähr-dungen. Was nur generell geeignet ist, eine Verletzung nachsich zu ziehen, nennen wir eine abstrakte Gefährdung. Kon-kret gefährdend wird ein Verhalten dann, wenn es sich demSchutzgut so weit angenähert hat, dass die Gefahr in eineVerletzung umzuschlagen droht. Wie alle Prognoseentschei-dungen sind diese Erwartungen mit Unsicherheiten der Be-urteilung verbunden. Die Abgrenzung konkret/abstrakt istauch nicht in klaren Abstufungen zu vollziehen; vielmehrhandelt es sich um einen gleitenden Übergang. Das Wahr-scheinlichkeitsurteil über die aus einem Verhalten drohendeVerletzung wird von Lebenserfahrungen bestimmt. Erfah-rungssätze sind mehr oder weniger tatsächlich fundiert. Siewerden auch vom Naturell der Beurteiler beeinflusst, näm-lich Ängstlichkeit einerseits und Sorglosigkeit andererseits.Die Anschauungen darüber können daher schwankend sein.Dies gilt im Übrigen auch für gesetzlich fixierte Verhaltens-normen.

Ein weit vorgezogener und in tatsächlicher Hinsichtunzureichend abgesicherter abstrakter Gefährdungsschutzlähmt Handlungsmöglichkeiten. Das ist offenbar ein zentra-les Problem des Rechtsgüterschutzes im Berufsrecht. Ichmöchte dafür auf das Beispiel des § 20 BRAO a. F. hinweisen.Vom früheren § 20 BRAO wurde die Anwaltszulassung beieinem bestimmten Gericht verwehrt, wenn ein naher An-gehöriger des Anwaltsbewerbers an diesem Gericht als Rich-ter tätig war. Getragen war das Verbot von der doppeltenZielsetzung, berufliche Vorteile des Anwalts und die damitverbundene Chancenungleichheit der Parteien zu unterbin-den sowie die Unabhängigkeit richterlicher Entscheidungennicht in Verruf geraten zu lassen. Mit zunehmender Zahlvon Ehepaaren, deren beide Partner juristisch tätig sind, istdiese Regelung politisch unter Druck geraten und aufgeho-ben worden, weil man meinte, der Gefährdung von Belangender Rechtspflege mit minder einschneidenden Maßnahmenbegegnen zu können. Es ließe sich an der Rechtsprechungdes BVerfG in berufsrechtlichen Angelegenheiten zeigen,wie derselbe Beurteilungswandel auch andere Verbote zuFall gebracht hat. Technischer Ansatz dafür ist das Verhält-nismäßigkeitsprinzip in der Ausprägung des Übermaßver-botes, das seinerseits auf einem Prognoseurteil beruht.

Ob das BVerfG in Angelegenheiten der Lebenserfahrungein klügeres Urteil abgeben kann als andere Fachkreise,mag man in Zweifel ziehen. Es lässt sich aber vielleicht all-gemein eine berufsrechtliche Tendenz feststellen, sich vonabstrakten Gefährdungsnormen mit weiter Vorverlagerungdes Schutzes abzuwenden, wenn es um den Schutz vonRechtsgütern geht, die ihrerseits nicht sehr konkret fassbarsind. Das zwingt bei der Aufstellung berufsrechtlicher

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Regelungsprinzipien des anwaltl ichen Berufsrechts in der BORA, Ahrens AnwBl 1 / 2013 5

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Verhaltensnormen – durchaus begrüßenswert – zur Ver-gewisserung, ob sich die Besorgnis einer Gefährdung vonSchutzgütern des Mandanten oder der Rechtspflege nicht zuweit von Erfahrungen des Lebens entfernt und ob nicht diefür das Berufsverhalten gezogenen Grenzen weniger weitim Vorfeld eines etwaigen Verletzungsgeschehens angesie-delt werden müssen. Lassen Sie mich das noch an zwei An-wendungsbereichen erörtern, den potentiellen Interessen-konflikten beim Sozietätswechsel und den Gefahren bei derberuflichen Verbindung mit Nichtanwälten.

VII. Vorbeugende Regulierung von Interessen-konflikten

Der Tatbestand des § 3 BORA zur Bewältigung potentiellerInteressenkonflikte und damit verbundener Schweigepflicht-verletzungen ist ein besonders herausragendes Beispiel fürdie Abwehr von Gefährdungen, soweit dadurch die Geltungdes den Einzelanwalt betreffenden § 43 a Abs. 4 BRAO aufberuflich mit ihm verbundene Rechtsanwälte erstreckt wer-den soll, um Interessenkollisionen auszuschließen.

Das BVerfG hat in einer Senatsentscheidung vom3.7.200310 eine Entscheidung des BGH aufgehoben, die dasProblem der Mandatsniederlegung nach einem Sozietäts-wechsel betraf. Damit wollte es die Möglichkeit des Sozietäts-wechsels erleichtern. Die Niederlegung des Mandats hatteder Anwaltssenat rechtsfortbildend als geboten erachtet, umeinen Verstoß gegen das Verbot der Wahrnehmung wider-streitender Interessen zu vermeiden; die Rechtsfortbildungbestand in einer analogen Anwendung des § 43 a Abs. 4BRAO, der seinem Wortlaut nach nur für den Einzelanwalt,nicht aber für dessen Berufskollegen gilt. Aus der mehr-schichtigen Problematik greife ich nur einen Teil heraus.

Das BVerfG hat gemeint, eine richterrechtliche Verbotser-streckung müsse im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG ebensowie eine gesetzliche Regelung durch ausreichende Gründedes Gemeinwohls gerechtfertigt sein und dürfe den Umfangdieses Rechtfertigungsgrundes nicht überschreiten. Zudemmüsse ein angemessenes Verhältnis zwischen Eingriffszweckund Eingriffsintensität gewahrt werden. Im Ergebnis hat dasBVerfG die Regulierungsbefugnis auf die Vermeidung derVertretung widerstreitender Interessen im konkreten Fall be-schränkt. Irrelevant seien abstrakte Vermutungen über einenInteressenwiderstreit oder die Zielsetzung, den bloßen An-schein pflichtwidrigen Verhaltens abzuwehren.

Ob das Verbot des § 3 BORA nach deren Abs. 2 Satz 1oder 3 auf beruflich verbundene Rechtsanwälte erstreckt wer-den darf, ist nach der Senatsentscheidung des BVerfG unterBerücksichtigung der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte diffe-renziert zu beurteilen. Maßgebend ist für das BVerfG, „wel-cher Informationsfluss zwischen Rechtsanwälten stattfindet... Das hängt von der Organisation und der Ausgestaltungder Rechtsbeziehungen zwischen den Anwälten ab“. Dabeistellt das BVerfG nicht auf formale Außenbeziehungen ab,sondern auf die Möglichkeit des Wissenstransfers in überört-lichen Sozietäten und europaweiten Kooperationen; das Ver-bot hat „den theoretischen und praktischen Möglichkeitender Abschottung in der aufnehmenden Kanzlei“ Rechnungzu tragen.

Als Reaktion auf die Entscheidung des BVerfG ist § 3Abs. 2 Satz 2 BORA neu gefasst worden. Die Probleme sinddamit jedoch immer noch nicht korrekt gelöst worden. Die

Neufassung sieht eine Verbotsausnahme nur vor, „wenn sichim Einzelfall die betroffenen Mandanten in den widerstrei-tenden Mandaten nach umfassender Informationen mit derVertretung ausdrücklich einverstanden erklärt haben und Be-lange der Rechtspflege nicht entgegenstehen“. Fehlende Be-troffenheit von Belangen der Rechtspflege wird in § 3 Abs. 2S. 2 BORA mit dem Erfordernis eines beiderseitigen Man-danteneinverständnisses kumuliert. Das schießt über die Re-gelungsvorgaben der Senatsentscheidung des BVerfG hinausund verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 GG.11 Wenn die Berufs-ausübungsfreiheit der Sozietätswechsler der Regelungs-befugnis eine Grenze setzen soll, darf die Mandatsfortfüh-rung nicht vom Einverständnis beider Mandanten abhängiggemacht werden. Die Erteilung des Einverständnisses lässtsich durch die den Sozietätswechsler abgebende Kanzleileicht negativ steuern und durch taktische Eigeninteressenbeeinflussen, die für den Schutz von Interessen der Rechts-pflege bedeutungslos sind.12

VIII. Bedrohung anwaltlicher Unabhängigkeitdurch Fremdherrschaft in der Berufsausübungs-gesellschaft

Die Zulassung von Berufsausübungsgesellschaften in derForm von Kapitalgesellschaften hat das Problem möglicherFremdherrschaft durch Nichtanwälte mit Druck auf dieheimliche und subtile Vernachlässigung anwaltlicher Berufs-pflichten verstärkt. Es ist in der BRAO bedacht worden, je-doch ohne verfeinernde Antworten des Satzungsrechts ge-blieben. In England und Wales ist das Fremdbesitzverbot fürSolicitor Ende 2011 gefallen:13 Diese Möglichkeit wurdedurch den Legal Services Act 2007 vorgesehen. Nachdem am22.12.2011 ergänzende Regulierungsvoraussetzungen ge-schaffen worden sind, können Alternative Business Structu-res (ABS) nunmehr bei der Solicitors Regulation AuthorityZulassungsanträge stellen. Damit wird die rechtspolitischeDiskussion auch in Deutschland in Gang kommen und dieGefährdungen des anwaltlichen Berufsrechts beziehungs-weise der von ihm geschützten Interessen der Rechtspflegewerden überdacht werden müssen.14

Weniger krass als das englische Vorgehen sind jüngsteVersuche der Sozietätsbildung von Rechtsanwälten mit Frei-beruflern, die anderen regulierten Berufen angehören. In ei-nem noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Registerver-fahren hat das OLG Bamberg durch Beschluss vom12.4.2011 die Eintragung einer Partnerschaftsgesellschaftverweigert, die aus einem Rechtsanwalt und einer Ärztin mitweiterer Qualifikation als Apothekerin bestand.15 Die Voraus-setzungen der Sozietätsfähigkeit gem. § 59 a BRAO fehlten;die behauptete Verfassungswidrigkeit dieser Regulierung hatdas OLG verneint. Das dürfte der Gesellschaftsrechtssenatdes BGH wohl nicht anders sehen.

Der Anwaltssenat des BGH hat in einem Urteil vom10.10.2011 die Zulassung einer GmbH zur Rechtsberatungverweigert, bei der der gleichberechtigte Gesellschafterkreis

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10 BVerfGE 108, 150 (= NJW 2003, 2520).

11 Ebenso Kleine-Cosack, BRAO6 Anh. I 1 BORA § 3 Rdn. 15 und 45.

12 Sehr kritisch auch Kleine-Cosack AnwBl 2006, 13, 17.

13 Zur Planung de Paoli, AnwBl 2011, 733 ff.

14 Siehe aktuell Hellwig, AnwBl 2012, 876.

15 OLG Bamberg ZIP 2011, 1413; Rechtsbeschwerde beim BGH anhängig unter demAktenzeichen II ZB 7/11.

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aus zwei Patentanwälten und einem Rechtsanwalt bestand,die jeweils mit Einzelgeschäftsführungsbefugnis ausgestattetwaren.16 In dieser Gestaltung wurde eine Verstoß gegen dieAnforderungen der §§ 59e und 59f BRAO gesehen, obwohlinterprofessionelle Personengesellschaften von Rechtsanwäl-ten und Patentanwälten mit einem personellen Überhangvon Patentanwälten unbeanstandet gebildet werden könnenund Patentanwälte nach §§ 59 e Abs. 1, 59 a Abs. 1 Satz 1BRAO zu den zulässigen Gesellschaftern einer Rechtsanwalts-kapitalgesellschaft gehören. Nach § 59e Abs. 2 BRAO muss dieMehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte Rechts-anwälten zustehen und nach § 59 f Abs. 1 BRAO müssen dieGeschäftsführer einer Anwalts-GmbH mehrheitlich Rechts-anwälte sein. Begrüßenswert ist das sichtbar gewordeneGrundanliegen des Anwaltssenats, der Gefahr einer Missach-tung des Berufsrechts entgegen zu treten, die von Einfluss-nahmemöglichkeiten berufsfremder Herrscher in der Berufs-ausübungsgesellschaft ausgehen. Wer der Geschäftsweltnicht völlig naiv gegenüber steht weiß, dass der Satz: „Werzahlt, schafft an“ geronnene Lebenserfahrung zum Ausdruckbringt. Gleichwohl hege ich Zweifel, ob die konkrete Entschei-dung einer verfassungsrechtlichen Überprüfung Stand haltenwird.17 Der BGH ist den Angriffen auf die gesetzlich vorgege-benen Beschränkungen weder im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1GG noch auf Art. 3 Abs. 1 GG gefolgt.

Zu bewerten waren für die konkrete Personenkonstella-tion unter anderem Gefahren für die Unabhängigkeit derAnwälte im Hinblick auf die Einhaltung ihrer berufsrecht-lichen Vorschriften. Die Klägerin hielt die angegriffenenNormen der BRAO für nicht geeignet, eine Majorisierungder Rechtsanwälte abzuwehren, weil auch bei einem Mehr-heitsbesitz der Geschäftsanteile in der Hand von Rechts-anwälten die Anwälte nicht per se einheitlich abstimmenwürden und damit Mehrheiten unter maßgeblicher Betei-ligung der Patentanwälte zustande kommen könnten. Demwurde vom BGH – die Normen rechtfertigend – entgegen-gehalten, dass man bei Abstimmungen im Gesellschafter-kreis über das Berufsrecht berührende Themen von einemrechtmäßigen Stimmverhalten der Rechtsanwalts-Gesell-schafter ausgehen müsse, sich also berufsrechtsverletzendeMehrheiten der Anwälte nicht einstellen würden. Dieses Ar-gument hat die Sicht des BVerfG für sich, das in der Sozie-tätswechsler-Entscheidung gesagt hat: „Das anwaltliche Be-rufsrecht beruht nicht auf der Annahme, dass einesituationsgebundene Gelegenheit zur Pflichtverletzung imRegelfall pflichtwidriges Handeln zur Folge hat.“18

Ein zweiter Angriff auf die Normen lautete folgenderma-ßen: Die Sicherung der anwaltlichen Unabhängigkeit seiauch mit einer minder stark eingreifenden Regelung des gel-tenden Rechts zu erreichen, nämlich der Nichtigkeit von Ge-sellschafterbeschlüssen und Weisungen, die gegen zwingen-des Recht verstoßen. Dem hat der BGH entgegengesetzt,dass die Willensbildung der Gesellschaft schon berufsrecht-lich rechtmäßig erfolgen müsse. Dem wird man beipflichtenkönnen, weil die Gesellschaft selbst es ist, die gem. § 59 cBRAO zur Rechtsberatung zugelassen wird und sie als Ge-sellschaft gem. § 59 m Abs. 2 BRAO den anwaltlichen Berufs-

pflichten unterliegt. Zweifelhaft ist jedoch, ob die Bildung ei-ner Kapitalgesellschaft mit mehrheitlicher Beteiligung vonPatentanwälten verweigert werden darf, wenn deren Überge-wicht in Personengesellschaften akzeptiert wird. Zwar wirdbei einer Kapitalgesellschaft eben diese zur Rechtsberatungzugelassen, was auf die Personengesellschaft nicht zutrifft.Diese Zulassung ist erforderlich, weil die Kapitalgesellschaftdas Mandat zur Rechtsberatung erhält. Damit sollen berufs-rechtliche Bindungen auf die Gesellschaft erstreckt und ausderen eigenständiger Beratungstätigkeit resultierende Gefah-ren abgewehrt werden. Ein die Differenzierung rechtfertigen-des Kriterium ist darin im Hinblick auf den Rechtspfle-geschutz entgegen der Auffassung des BGH nicht zu sehen.

IX. Schlussbewertung

Was ist nun die Quintessenz des Hauptteils meiner Ausfüh-rungen?9 Aufgabe des Satzungsrechts ist es, die unter dem Ober-begriff „Interessen der Rechtspflege“ zusammengefasstenSchutzgüter durch konkret formulierte Verhaltenspflichtenvor Verletzungen zu bewahren.9 Zu bewirken ist der Präventionsschutz durch abstrakteGefährdungsnormen. Zu fragen ist dafür, ob bestimmte Ver-haltensweisen nach der Lebenserfahrung generell geeignetsind, in die Verletzung eines Schutzgutes umzuschlagen.9 Die Fixierung abstrakter Gefährdungsnormen erlaubt undverlangt Abwägungen. In sie ist der verfassungsrechtlicheSchutz konfligierender Schutzgüter, insbesondere die Berufs-ausübungsfreiheit der Berufsangehörigen, einzubeziehen.9 Prognostische Risikoabschätzungen dürfen angesichtsder Unsicherheit der auf Lebenserfahrung gestützten Erfah-rungssätze nicht von bloß eingebildeten Gefahren ausgehen.Da Prognosen stets mit Unsicherheiten verbunden sind,wird es auch in Zukunft Streit um das Ausmaß von Schutz-gutbedrohungen geben, insbesondere wenn das vage Ver-hältnismäßigkeitsprinzip die letzte Zuflucht der Argumenta-tion darstellt.9 Die Festlegung berufsrechtlicher Satzungsnormen beruhtauf der öffentlich-rechtlich zugewiesenen Kammerautono-mie, mit der Erfahrungswissen der Berufsangehörigen ge-nutzt werden soll. Folgerichtig ist dem Satzungsgeber einePrärogative bei der Gefahreinschätzung zuzugestehen. Kon-krete Begründungen zur Unterfütterung der Gefahrprognosesind nicht zu verlangen.9 Rechtliche Bedeutung haben berufsrechtliche Verhaltens-normen auch dann, wenn sie nicht selbständig erzwingbarsind. Sie markieren die dem Mandanten vertraglich geschul-dete loyale Interessenwahrnehmung in Abgrenzung zur Ver-folgung eigenwirtschaftlicher Anwaltsinteressen.

Aufsätze

16 BGH, AnwBl 2012, 95 (Auszug, Volltext AnwBl Online 2012, 7).

17 Die Verfassungsbeschwerde ist beim Ersten Senat des Bundesverfassungs-gerichts anhängig unter dem Aktenzeichen 1 BvR 2998/11. Parallel gibt es eineweitere Verfassungsbeschwerde gegen die ebenfalls ablehnende Entscheidungdes Patentanwaltssenat des BGH anhängig unter dem Aktenzeichen 1 BvR236/12.

18 BVerfG NJW 2003, 2520, 2521.

Regelungsprinzipien des anwaltl ichen Berufsrechts in der BORA, Ahrens AnwBl 1 / 2013 7

Prof. Dr. Hans-Jürgen Ahrens, OsnabrückProf. Dr. Hans-Jürgen Ahrens, OsnabrückDer Autor ist Professor an der Universität Osnabrück amInstitut für Handels- und Wirtschaftsrecht und war im zwei-ten Hauptamt unter anderem Richter am OLG Celle.

Leserzuschriften an [email protected].

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AnwaltsrechtAnwaltsrecht

Die endgültigeGleichstellung von Kanzleiund Zweigstelle?BGH zum Anwaltsbriefbogen bei Errichtung eineroder mehrerer ZweigstellenAkad. Rat Dr. Christian Deckenbrock, Koln

Der Gesetzgeber hatte 2007 mit der Streichung des § 28BRAO a. F. dem (Einzel-)Anwalt die Freiheit gegeben, nebender Kanzlei Zweigstellen einzurichten. Die Begründung fürdie Aufhebung des Zweigstellenverbots: Keine Bevorzugungmehr der überörtlichen (Schein-)Sozietät. Der für das Wett-bewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des BGH hat nun ent-schieden, welche Informationen auf das Briefpapier gehören,wenn der Anwalt neben der Kanzlei zwei Zweigstellen unter-hält (AnwBl 2013, 69). Besonders bemerkenswert: Die An-gabe einer Anschrift, auch die einer Zweigstelle, genügt. DerAutor kritisiert, dass der I. Zivilsenat wie schon der Anwalts-senat des BGH in seinem Urteil vom 13.9.2010 (AnwBl 2010,873) eine Zweigstelle mit der (Haupt-)Kanzlei gleichsetzt –obwohl die Auslegung von BRAO und BORA das Gegenteil be-legen. Seiner Auffassung nach sollte die Satzungsversamm-lung das aktuelle BGH-Urteil (endlich) zum Anlass nehmen,§ 10 BORA von der Print- in die Internetwelt zu bringen.

I. Vorgeschichte: Streit um die Satzungskompetenz

Nachdem der Gesetzgeber zum 1.6.2007 das sog. Zweigstel-lenverbot (§ 28 BRAO a. F.) aufgehoben hatte, blieben zweiFolgefragen zunächst ungeklärt: Welche Anforderungen sindan die Errichtung einer Zweigstelle in sachlicher, personellerund organisatorischer Hinsicht zu stellen? Wie darf bezie-hungsweise muss ein Anwalt, der eine oder mehrere Zweig-stellen eingerichtet hat, nach außen auftreten?

Um die erste Frage entwickelte sich ein Kompetenzstreitzwischen der Satzungsversammlung der Bundesrechts-anwaltskammer (BRAK) und dem Bundesministerium derJustiz (BMJ). Während die Satzungsversammlung sich be-fugt hielt, die Anforderungen an die Zweigstelle in § 5BORA näher zu regeln, vertrat das BMJ die Auffassung, dasssich aus § 59 b Abs. 2 Nr. 1 g) BRAO eine derartige Berechti-gung nicht ableiten lasse. Der Anwaltssenat des BGH gabmit Urteil vom 13.9.20101 der BRAK Recht, indem er die in§ 59b Abs. 2 Nr. 1 g) BRAO vorgesehene Kompetenz, die„Kanzleipflicht“ näher zu regeln, nicht auf die Kanzlei imSinne des § 27 Abs. 1 BRAO beschränkt verstanden wissenwollte, sondern sie auch als Ermächtigung zur Regelung vonAnforderungen an eine Zweigstelle auffasste. Die KarlsruherRichter waren insoweit schöpferisch tätig, als sie den Begriffder „Hauptstelle“ neu erfanden. Sie kamen zum Ergebnis,dass die Begriffe „Zweigstelle“ und „Kanzlei“ vom Wortsinnher keine Gegensätze seien. Vielmehr korrespondiere mitdem Begriff der „Zweigstelle“ „nach allgemeinem Sprach-gebrauch“ der Begriff der „Hauptstelle“. Bei der Zweigstelleund der Hauptstelle handele es sich jeweils um Niederlassun-

gen der „Kanzlei“, die sich danach unterschieden, wo derRechtsanwalt dem Schwerpunkt nach seine berufliche Tätig-keit entfalte. Die Zweigstelle sei damit der Sache nach ebensodie Kanzlei des Rechtsanwalts wie seine Hauptstelle.2 AlsFolge des Urteils des Anwaltssenats konnte der neu gefasste§ 5 BORA zum 1.1.2011 in Kraft treten. Nunmehr muss derRechtsanwalt die für seine Berufsausübung erforderlichensachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzun-gen nicht nur in seiner Kanzlei vorhalten, sondern auch in sei-ner oder seinen Zweigstelle(n).3

II. Zweigstelle und Briefbogen

Bislang höchstrichterlich nicht beantwortet war die zweiteFrage: Welche Folgen hat die Errichtung einer Zweigstellefür den Außenauftritt auf dem Briefbogen? Insoweit war al-lerdings die Satzungsversammlung (bereits vor der Entschei-dung des Anwaltssenats) tätig geworden und hatte mit Wir-kung zum 1.7.2010 § 10 BORA, die berufsrechtlicheRegelung der Briefbögen, neu gefasst. Nach dem geändertenAbsatz 1 hat der Rechtsanwalt auf Briefbögen seine Kanzlei-anschrift anzugeben. Werden mehrere Kanzleien, eine odermehrere Zweigstellen unterhalten, so ist für jeden auf denBriefbögen genannten Berufsträger die Kanzleianschrift(§ 31 BRAO) anzugeben. Dass es um diese Regelung andersals bei § 5 BORA keinen Kompetenzstreit gab, hatte seinenGrund darin, dass die Satzungsversammlung die Neurege-lung des § 10 BORA auf die Kompetenznormen des § 59bAbs. 2 Nr. 3 BRAO und des § 59b Abs. 2 Nr. 5 a) BRAOstützen konnte.

1. Pflicht zur Erwähnung aller Standorte?Der I. Zivilsenat hat in dem hier zu besprechenden Urteilvom 16.5.20124 zunächst festgestellt, dass ein Rechtsanwaltweder nach § 10 Abs. 1 BORA noch nach § 5 a Abs. 2 UWGverpflichtet sei, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit ver-wendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlas-sungen zu nennen oder durch Verwendung der Begriffe„Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, wo erseine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO und wo erZweigstellen unterhalte. So ergebe sich aus § 10 Abs. 1BORA lediglich eine Verpflichtung zur Angabe einer Kanz-leianschrift, nicht aber zur Offenbarung mehrerer Anschrif-ten oder gar Standorte (Rn. 19 ff.). Auch § 5 a Abs. 2 UWGbegründe keine generelle Informationspflicht, sondern ver-pflichte grundsätzlich allein zur Offenlegung solcher Infor-mationen, die für die geschäftliche Entscheidung erheblichesGewicht haben und deren Angabe unter Berücksichtigungder beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartetwerden könne. Hierzu zähle nicht der Umstand, dass einRechtsanwalt mehrere Niederlassungen unterhalte. DerI. Zivilsenat weist insoweit darauf hin, dass ein Rechtsanwaltunstreitig nicht zur Angabe seiner Examensnote verpflichtetsei und eine etwaige Halbtagstätigkeit nicht offenlege müsse,und folgert daraus im Wege eines Erst-Recht-Schlusses, dass

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1 BGHZ 187, 31 = NJW 2010, 3787 = AnwBl 2010, 873 m. Bespr. von Deckenbrock,NJW 2010, 3750; Prütting, AnwBl 2011, 46.

2 BGHZ 187, 31, 36 Rn. 28, 38 Rn. 33 = NJW 2010, 3787 = AnwBl 2010, 873. Aller-dings kommt es nach BGH AnwBl 2013, 69; Rn. 45 für die Einstufung der Nieder-lassung eines Rechtsanwalts als „Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO nichtdarauf an, ob der Rechtsanwalt in dieser Niederlassung den Schwerpunkt seinerberuflichen Tätigkeit hat.

3 Hierzu Deckenbrock, NJW 2010, 3750, 3752 f.

4 BGH AnwBl 2013, 69 (in diesem Heft als Leitsatz, im Volltext AnwBl Online 2012,333).

8 AnwBl 1 / 2013 Die endgült ige Gleichstel lung von Kanzlei und Zweigstel le?, Deckenbrock

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auch die fehlende Angabe aller Standorte keine wesentlicheInformation sei (Rn. 26 ff.).

Bis hierhin ist den Ausführungen des I. Zivilsenats je-denfalls weitgehend noch zu folgen. In der Tat ist der Anwaltnach § 10 Abs. 1 BORA nicht verpflichtet, auf dem Briefbo-gen alle seine Standorte aufzuführen, weil die Norm ledig-lich die Angabe der Kanzleianschrift fordert. Hat er eineZweigstelle errichtet, kann diese auf dem Briefbogen der(Haupt-)Kanzlei verschwiegen werden (eine andere Frage istes aber, ob auf dem Briefbogen der Zweigstelle auch derStandort, mit dem der Rechtsanwalt seiner Kanzleipflicht imSinne des § 27 Abs. 1 BRAO genügt, verschwiegen werdendarf; siehe dazu 2.).5 Wenn § 10 BORA als die speziell aufBriefbögen zugeschnittene (berufsrechtliche) Regelung nichtdie Angabe aller Standorte verlangt, kann eine solche Infor-mationspflicht auch nicht aus § 5 a Abs. 2 UWG hergeleitetwerden. Insoweit gilt: Wer sich berufsrechtskonform verhält,muss jedenfalls grundsätzlich keine wettbewerbsrechtlichenMaßnahmen fürchten.6

Bemerkenswert ist allerdings, dass der Gesetzgeber –wenn auch ohne nähere Begründung7 – die Angabe der An-schrift von Zweigstellen im online geführten Rechtsanwalts-verzeichnis nach § 31 Abs. 3 BRAO als zweckmäßig angese-hen hat. Der Anwaltssenat hat in einer aktuellenEntscheidung die Verfassungsmäßigkeit des § 31 BRAO –freilich ohne spezifischen Bezug zur Zweigstelle – bejaht unddabei betont, dass das Register der (notwendigen) Transparenzdes Rechtsdienstleistungsmarkts und den Interessen der Ver-braucher diene.8 Die Angaben, die ein Anwalt auf dem Brief-bogen aufzunehmen hat, sind daher nicht mit den Daten, diein das Rechtsanwaltsverzeichnis einzutragen sind, harmoni-siert. Gesetzgeber und Satzungsversammlung sollten sich in-soweit Gedanken machen, ob die Rechtsuchenden bezogenauf Briefbogen und Anwaltsverzeichnis wirklich ein auseinan-derfallendes Informationsbedürfnis haben. Umgekehrt kannman sich allerdings auch die Frage stellen, welche Angabenwirklich noch auf einem Briefbogen auftauchen müssen,wenn ein umfassender Online-Zugriff jederzeit möglich ist.

Insgesamt lässt sich in der Rechtsprechung des BGH eineerstaunlich liberale Tendenz beobachten. Nicht jeder falscheoder unvollständige Außenauftritt ist zwangsläufig berufs-oder wettbewerbsrechtlich relevant. So hat der Anwaltssenatjüngst die Aussage „Sozietät besteht aus über 50 Rechtsanwäl-ten“ als zulässig angesehen, obwohl der auf Unterlassung inAnspruch genommenen Sozietät tatsächlich nur 46 Anwälteangehörten. Die Differenz sei nicht so signifikant, dass damitdie Sozietät größenmäßig in eine niedrigere Kategorie ein-zustufen wäre.9 Diese Entscheidungen lassen erhoffen, dassder BGH auch in anderen Fallkonstellationen Großzügigkeitwalten lassen wird. Angebracht wäre dies etwa im Hinblickauf die eher kleinkarierte Praxis, Briefbögen mit der Aussage„zugelassen bei dem LG/OLG X“ als unerlaubte Werbung mitSelbstverständlichkeiten zu beanstanden.10

2. Briefbogen der ZweigstelleWährend sich der BGH mit der Verneinung einer Pflicht zurAngabe aller Kanzleistandorte durchaus auf dem Boden derherrschenden Meinung befindet,11 betritt er mit seinem drit-ten Leitsatz Neuland. Nach ihm ist ein Rechtsanwalt nichtgemäß § 10 Abs. 1 BORA verpflichtet, auf den für seine an-waltliche Tätigkeit in einer Zweigstelle verwendeten Briefbö-gen den Standort der Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1BRAO anzugeben. Solche Briefbögen müssten nur die An-

schrift der Zweigstelle und nicht auch die Anschrift der(Haupt-)Kanzlei enthalten.

Der Senat stört sich insoweit auch nicht an dem Wortlautdes § 10 Abs. 1 S. 2 BORA, obwohl dieser die Angabe der„Kanzleianschrift (§ 31 BRAO)“ verlangt. Die KarlsruherRichter umschiffen diese Hürde mithilfe eines Verweises aufdie bereits angesprochene Entscheidung des Anwaltssenatsvom 13.9.2010: Wenn die Begriffe „Zweigstelle“ und „Kanz-lei“ keine Gegensätze seien, sondern die Zweigstelle der Sa-che nach ebenso die Kanzlei des Rechtsanwalts wie seine(Haupt-)Kanzlei sei,12 dann sei auch die Anschrift der Zweig-stelle ebenso eine Kanzleianschrift wie die Anschrift derHauptstelle. Dass dieser Griff in die „begriffliche Trickkiste“bereits in der Entscheidung des Anwaltssenats nicht über-zeugen konnte, hat der Verfasser dieses Beitrags schon ananderer Stelle ausgeführt.13 Denn die Sprache des Gesetzesweicht von den Begrifflichkeiten ab, die der BGH seiner Ent-scheidung zugrunde gelegt hat. Die BRAO unterscheidet al-lein zwischen der Kanzlei und der Zweigstelle, den Begriffder Hauptstelle verwendet sie nicht. Vielmehr sieht der Ge-setzgeber die beiden Wörter „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ ineinem Alternativverhältnis, wie es die in § 27 Abs. 2 BRAOgebrauchte Formulierung („Verlegt der Rechtsanwalt seineKanzlei oder errichtet er eine Zweigstelle...“) besonders deut-lich macht. Dass „Kanzlei“ nicht ein Oberbegriff für „Zweig-stelle“, sondern ein aliud ist, folgt auch aus § 31 Abs. 3BRAO. Während dort der Begriff der „Kanzleianschrift“ imSingular gehalten ist, werden die „Zweigstellen“ im Pluralerwähnt. Es ist misslich, dass der BGH diese gesetzlich vor-geprägte Begriffsbildung und die gesetzliche Systematik voll-ständig außer Acht lässt.14

Selbst wenn man aber der Auslegung des Anwaltssenatszur Reichweite der Satzungskompetenz nach § 59b Abs. 2Nr. 1 g) BRAO folgen möchte, kommt im hier zu beurteilen-den Briefbogenfall doch eine weitere entscheidende Besonder-heit hinzu. Während der Gesetzgeber im Rahmen der Auf-hebung des Zweigstellenverbots die Kompetenznorm des§ 59 b Abs. 2 Nr. 1 g) BRAO unverändert gelassen hat, hat dieSatzungsversammlung § 10 BORA gerade wegen dieser Libe-ralisierung angepasst, um den erweiterten Berufsausübungs-möglichkeiten der Anwälte Rechnung zu tragen. Der Sat-zungsversammlung kann daher nicht unterstellt werden, dassihr die gesetzliche Systematik unbekannt gewesen sei.

Vor diesem Hintergrund ist das Auslegungsergebnis desBGH untragbar. Hat ein Anwalt eine oder mehrere Zweig-stellen errichtet, ist er nach § 10 Abs. 1 S. 2 BORA verpflich-tet, seine „Kanzleianschrift (§ 31 BRAO)“ anzugeben. In § 31Abs. 3 BRAO hat der Gesetzgeber aber explizit zwischen der„Kanzleianschrift“ und der „Anschrift von Zweigstellen“ un-terschieden. Eindeutiger geht es eigentlich nicht. Der I. Zivil-senat ignoriert damit ebenso wie der Anwaltssenat in seiner

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Aufsätze

5 Siehe bereits Deckenbrock, NJW 2010, 3750, 3754.

6 Vgl. Deckenbrock, in: Henssler/Streck, Handbuch Sozietätsrecht, 2. Aufl. 2011, MRn. 176.

7 BT-Drucks. 16/3837, S. 25.

8 BGH AnwBl 2013, 69 (in diesem Heft als Leitsatz, im Volltext AnwBl Online 2012,333) Rn. 10 unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 16/513, S. 15.

9 BGH AnwBl 2012, 840, 845 Rn. 39 = NJW 2012, 3102.

10 OLG Köln, Urt. v. 22.6.2012 – 6 U 4/12, BeckRS 2012, 14625; a.A. OLG Saarbrü-cken, BRAK-Mitt. 2008, 39, 40. Vgl. auch BGH BRAK-Mitt. 2012, 79, 80 Rn. 8 =AnwBl 2012, 463 Ls.

11 Siehe etwa Siegmund, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2010, § 27BRAO/§ 5 BORA Rn. 88, 93, 100; Weyland, in: Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl.2012, § 27 Rn. 28 a, 29 a; Deckenbrock, NJW 2010, 3750, 3754.

12 BGHZ 187, 31 Rn. 28 = NJW 2010, 3787 = AnwBl 2010, 873.

13 Siehe Deckenbrock, NJW 2010, 3750, 3751 f.

14 Deckenbrock, NJW 2010, 3750, 3751 f.

Die endgült ige Gleichstel lung von Kanzlei und Zweigstel le?, Deckenbrock AnwBl 1 / 2013 9

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Entscheidung von 2010 den Wortlaut und die Systematik dereinschlägigen Regelungen in BRAO und BORA.

Erst gar nicht berücksichtigt hat der Senat die Motive derSatzungsversammlung für die Änderung des § 10 BORA.Aus dem Protokoll der 4. Sitzung (6./7.11.2009) der 4. Sat-zungsversammlung (S. 41 ff.) ergibt sich eindeutig, dass mitder Kanzleianschrift in § 10 Abs. 1 S. 2 BORA nicht dieZweigstellenanschrift gemeint ist. Die Pflicht zur Angabeder Kanzleianschrift wird damit begründet, dass der Rechts-verkehr aus dem Briefbogen erkennen solle, welcheRechtsanwaltskammer die Aufsicht über den betreffendenRechtsanwalt führe. Außerdem soll die Angabe der Kanzlei-anschrift auf Briefbögen der Zweigstelle dem Rechtsuchen-den helfen, Interessenkollisionslagen zu erkennen.

Dass der BGH das Protokoll der Plenarsitzung, in der eszur Änderung des § 10 BORA gekommen war, nicht berück-sichtigt hat, ist der Satzungsversammlung selbst zuzuschrei-ben, hat sie doch alle Materialien stets als Verschlusssachebehandelt. Bis zur Änderung der Geschäftsordnung vom14.5.201215 durfte Nichtmitgliedern nur bei Darlegung einesberechtigten Interesses Einsicht gewährt werden.16 Inzwi-schen sollen gemäß § 6 Abs. 2 der neu gefassten Geschäfts-ordnung immerhin die Protokolle der Plenarsitzungen mitden Beschlussanträgen nebst Begründung öffentlich sein.Diese Lockerung ist zwar ein zu begrüßender Schritt in dierichtige Richtung. Die Satzungsversammlung wird ihremSelbstverständnis als „Parlament der Anwaltschaft“17 aller-dings erst dann vollständig gerecht, wenn sie die Protokolleim Internet zur Verfügung stellt und zudem die Ausschuss-materialien veröffentlicht. Andernfalls werden die Motive,die sie zur Verabschiedung einer berufsrechtlichen Regelungangehalten haben, auch zukünftig bei der Auslegung vonBORA-Normen außen vor bleiben.

III. Neugestaltung und Entrümpelung des § 10 BORA

Die Satzungsversammlung wird sich überlegen müssen, obsie das Urteil des BGH so hinnimmt oder durch eine (nochklarere) Änderung des § 10 Abs. 1 BORA verdeutlicht, dasssie unter „Kanzleianschrift“ eben nicht die Anschrift einerZweigstelle, sondern nur die – um in der Sprache des BGHzu bleiben – der Hauptstelle meint. Insoweit wird sieerörtern müssen, ob die von ihr vorgebrachten Erwägungennoch zeitgemäß sind und die Angabe der Hauptstellen-anschrift zum Schutz der Mandanten notwendig ist. DerBGH hat dazu bereits ausgeführt, dass der Durchschnittsver-braucher aus der Bezeichnung einer Niederlassung als„Kanzlei“ im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO nicht unmittelbarentnehmen könne, welcher Rechtsanwaltskammer derRechtsanwalt angehöre. Er wisse in der Regel nicht, im Be-zirk welcher Rechtsanwaltskammer sich die Kanzlei einesRechtsanwalts befinde (Rn. 46). Vor dem Hintergrund des§ 5 BORA und der hieraus folgenden Berufspflicht des An-walts, auch am Ort der Zweigstelle seine persönliche Erreich-barkeit sicherzustellen,18 sollte es daher genügen, wenn derBriefbogen (auch ohne Nennung einer konkreten Anschrift)einen Hinweis auf die zuständige Rechtsanwaltskammer ent-

hält. Der I. Zivilsenat hält aber nicht einmal eine solche In-formation für notwendig, folge doch bereits aus dem – erstnach dem Änderungsbeschluss zu § 10 Abs. 1 BORA in Kraftgetretenen – § 2 Abs. 1 Nr. 6 DL-InfoV, dass der Rechts-anwalt als Dienstleistungserbringer dem Mandanten vor Ab-schluss eines schriftlichen Vertrags oder, sofern kein schrift-licher Vertrag geschlossen wird, vor Erbringung derDienstleistung in klarer und verständlicher Form u.a. denNamen der zuständigen Rechtsanwaltskammer zur Verfü-gung stellen muss (Rn. 33).

Im Rahmen dieser Überlegungen bietet es sich an, § 10BORA in Gänze auf den Prüfstand zu stellen. Ohnehin istdie Regelung nicht mehr zeitgemäß. Wie der Verfasser be-reits an anderer Stelle ausgeführt hat,19 muss dabei insbeson-dere überlegt werden, ob die § 10 Abs. 2 S. 1 BORA nor-mierte Pflicht, auf dem anwaltlichen Briefbogen die Namensämtlicher Gesellschafter aufzuführen, noch erforderlich ist.Insoweit stellt sich die Frage, ob der Zweck der Vorschrift,dem rechtsuchenden Publikum eine eindeutige Identifizie-rung der in der Kanzlei tätigen Anwälte und das Erkennendenkbarer Interessenkonflikte zu ermöglichen,20 den geän-derten tatsächlichen Rahmenbedingungen noch gerechtwird. So muss etwa berücksichtigt werden, dass die Kom-munikation zwischen Anwalt und Mandant heutzutage innicht unerheblichem Umfang elektronisch erfolgt, aus einerE-Mail sich aber nicht notwendig Anzahl und Name der Ge-sellschafter ergeben. Dem Informationsbedürfnis der Recht-suchenden würde möglicherweise besser genügt, wenn eineAnwaltssozietät auf ihrer Homepage eine aktuelle Gesell-schafterliste vorhält und in Briefbogen und E-Mail auf dieseverweist. Anders als auf einem Briefbogen kann im Internetder Wechsel eines Gesellschafters tagesaktuell nachgezeich-net und so gewährleistet werden, dass der Rechtsuchendekeine unrichtige Information erhält.

IV. Fazit und Ausblick

Die Entscheidung des I. Zivilsenats bedeutet nicht nur einenProzessverlust für die klagende Rechtsanwaltskammer, son-dern ist zugleich eine herbe Niederlage für die Satzungsver-sammlung. Der Senat hat die von ihr geschaffene Regelungdes § 10 Abs. 1 BORA zumindest teilweise außer Kraft ge-setzt. Es ist wohl Ironie des Schicksals, dass die KarlsruherRichter ihre Entscheidung mit denselben Argumenten be-gründet haben, die vor zwei Jahren noch der Satzungsver-sammlung zum Erfolg gegen das BMJ verholfen haben.Wenngleich das Urteil in methodischer Hinsicht alles andereals überzeugend begründet ist, bleibt als Ergebnis festzuhal-ten, dass die Wirkungskraft der BORA beschränkt ist.21 Die5. Satzungsversammlung sollte diese Entscheidung zum An-lass nehmen, endlich eine umfassende Überarbeitung derseit 1997 im Kern unveränderten BORA anzugehen und zeit-gemäße Vorschläge auszuarbeiten.22

15 BRAK-Mitt. 2012, 172.

16 Siehe insoweit bereits die Kritik bei Deckenbrock, AnwBl 2011, 705, 708 f.

17 http://www.brak.de/die-brak/satzungsversammlung/.

18 BGHZ 187, 31, 38 Rn. 33 = NJW 2010, 3787 = AnwBl 2010, 873.

19 Deckenbrock, AnwBl 2011, 705, 710 f.

20 Vgl. BVerfG NJW 2002, 2163.

21 Siehe dazu bereits Deckenbrock, AnwBl 2011, 705, 706.

22 Hierzu Deckenbrock, AnwBl 2011, 705, 709 ff.

10 AnwBl 1 / 2013 Die endgült ige Gleichstel lung von Kanzlei und Zweigstel le?, Deckenbrock

Dr. Christian Deckenbrock, KölnDr. Christian Deckenbrock, KölnDer Autor ist Akademischer Rat am Institut für Arbeits- undWirtschaftsrecht der Universität zu Köln (GeschäftsführenderDirektor Prof. Dr. Martin Henssler).

Leserzuschriften an [email protected].

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AnwaltsrechtAnwaltsrecht

Tätigkeitsgebote fürFreiberufler?Die Anwalts-GmbH ist in der Praxis angekommen –aber nicht alles passtRechtsanwalt Dr. Michael Kleine-Cosack, Freiburg i.Br.

Das Berufsbild der freien Berufe ist in der Vergangenheitstark idealistisch verklärt worden. Zu den Idealen zählten vorallem die fehlende Gewerblichkeit, die Unabhängigkeit, dieHöchstpersönlichkeit oder Selbständigkeit der freiberufli-chen Tätigkeit. Die Wirklichkeit sieht längst – nicht nur beiden Anwälten – anders aus. Zum Glück: Denn auch derDienstleistungsmarkt hat sich verändert. Ein neueres Urteildes OLG Düsseldorf (vom 22.12.2012, I-6 U 155/11 und 6 U155/11, abgedruckt in diesem Heft, AnwBl 2013, 70) zur Ver-fassung der Anwalts-GmbH gibt Veranlassung, ein bishernicht im Fokus kritischer Erörterungen stehendes Berufs-bildideal einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Es gehtam Beispiel der Rechtsanwälte um die Pflicht zur Berufs-ausübung, die sich (nur) für die Anwalts-GmbH in § 59 eAbs. 1 Satz 2 BRAO findet.

I. Ideal: Kein „Titularanwalt“

Kammern, Berufsgerichte wie auch die Rechtswissenschaftgehen bei der Berufsbildpflege bisher unkritisch davonaus, dass Freiberufler wie Rechtsanwälte verpflichtet sind,ihren Beruf auch tatsächlich auszuüben. Die Ablehnungdes „Titularanwalts“ ist nahezu uneingeschränkt herr-schende Ansicht.1 So wird bei der Vereinbarkeit von Zweit-berufen nach §§ 7 Nr. 8, 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO geprüft, obder Bewerber aufgrund seiner nicht-anwaltlichen zweitbe-ruflichen Tätigkeit in der Lage ist, den Beruf des Rechts-anwalts in nennenswertem Umfang und nicht nur als „Fei-erabendanwalt“ auch auszuüben.2 Entscheidend sei, dassder Bewerber – ungeachtet einer zweitberuflichen (auchVollzeit-)Beschäftigung – über seine Dienstzeit hinreichendfrei verfügen kann und während seiner Dienststundennicht nur in Ausnahmefällen – zumindest telefonisch – er-reichbar ist.3

II. Gesellschaftsrecht der Anwalts-GmbH

Eine neuere Entscheidung des OLG Düsseldorf4 hat die Pro-blematik des angeblichen Tätigkeitsgebots für Rechtsanwälteum einen gesellschaftsrechtlichen Aspekt erweitert. Es gehtum § 59 e Abs. 1 Satz 2 BRAO. Der ganze erste Absatz von§ 59 e BRAO lautet:

Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft können nur Rechts-anwälte und Angehörige der in § 59 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ge-nannten Berufe sein. Sie müssen in der Rechtsanwaltsgesellschaft be-ruflich tätig sein. § 59 a Abs. 1 Satz 3 und 4 und § 172 a sindentsprechend anzuwenden.

Das Ziel des Gesetzgebers ist es, mit § 59 e Abs. 1 Satz 1RAO einen Ausschluss reiner Kapitalbeteiligungen sicher-zustellen. Die Beteiligung an einer Rechtsanwaltsgesellschaftsoll nur dann zulässig sein, wenn jeder Gesellschafter nichtnur Kapitalanteile hält, sondern seine berufliche Tätigkeit zu-mindest nicht im Wesentlichen außerhalb der Gesellschaftausübt. Falls Gesellschafter der Rechtsanwaltsgesellschaftkeine anwaltliche Tätigkeit ausüben, sind sie unter Umstän-den auch nicht stimmberechtigt.

1. Notwendigkeit beruflicher Tätigkeit für die GesellschaftDas OLG Düsseldorf verneinte die Erfüllung des Tätigkeits-gebots bei den im konkreten Fall klagenden Steuerberaternund Wirtschaftsprüfern, auch wenn sie grundsätzlich sozie-tätsfähige Gesellschafter (§ 59 e Abs. 1 Satz 1 BRAO in Ver-bindung mit § 59a Abs. 1 BRAO) waren. Sie müssten jedochin der GmbH beruflich tätig sein (vgl. auch § 59a Abs. 1 S. 2BRAO), was nicht der Fall sei. Hierfür seien schließlichrechtsberatende oder sonstige Leistungen gegenüber Man-danten und zwar in der Gesellschaft zu erbringen. Einerein akquisitorische Tätigkeit genüge dem Betätigungsgebotnicht.

2. ProblematikDas OLG Düsseldorf räumt ein, dass bereits der Umfang derauszuübenden Tätigkeit umstritten ist: „Der Gesetzgeber hateine Festlegung des Umfangs der ,beruflichen Tätigkeit‘ bewusstunterlassen...Einigkeit besteht allerdings darüber, dass es einer amjeweiligen Einzelfall orientierten Beurteilung bedarf.... sowiedarüber, dass das Tätigkeitsgebot nicht nur für die Rechtsanwälte,sondern auch für die Angehörigen der übrigen Berufe gilt.“

Rechtsunsicherheit besteht auch im Hinblick auf die Artder in der Gesellschaft auszuübenden Tätigkeit. Nach demOLG Düsseldorf ist der Inhalt der auszuübenden Tätigkeitmaßgeblich. Es müssten aber im Prinzip rechtsberatende Tä-tigkeiten sein: „Nach Sinn und Zweck der Vorschrift muss aberauch die geringfügige Betätigung zumindest über einen Bezugzum Unternehmensgegenstand der Rechtsanwaltsgesellschaft –Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten einschließlichder Beratung und Vertretung in steuerrechtlichen Angelegenheiten– verfügen.“

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Aufsätze

1 Vgl. nur Schmidt-Ränsch, in: Gaier-Wolf-Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2010;BGH BGH Report 2004, 203, 204; AGH Koblenz, BRAK-Mitt. 2005, 277.

2 BGH BRAK-Mitt 2004, 81; AGH Rheinland-Pfalz BRAK- Mitt 2005, 277; nach AGHRhPf. BRAK-Mitt 2008, 32 reicht nicht die Freistellung für neun Stunden. Das ist inder Regel bei einer bloßen Teilzeittätigkeit der Fall, kann aber fraglich sein bei ei-ner zweitberuflichen Vollzeitbeschäftigung (BGH BRAK-Mitt 1993, 104; siehe auchAGH Stuttgart BRAK-Mitt 1996, 165).

3 BGH BRAK-Mitt 2004, 38 – Anstellungsvertrag mit wöchentlich Arbeitszeit von38 Stunden; BGH BRAK-Mitt 1996, 76; AGHBW BRAK-Mitt 1996, 165. Im Inte-resse einer geordneten Rechtspflege und des rechtsuchenden Publikums an einerwirksamen Vertretung und Beratung muss nach dem BGH auch der in einem ande-ren Beruf tätige Rechtsanwalt – jederzeit – auch während der Dienststunden beiseinem Arbeitgeber, in der Lage sein, Gerichtstermine, eilige Schriftsätze, Telefon-gespräche und alle sonstigen nicht aufschiebbaren Tätigkeiten zu erledigen.

4 OLG Düsseldorf Urt. v. 22.12.2011-I-6 U 155/11 und 6 U 155/11, AnwBl 2013, 70(in diesem Heft); dazu Juretzek, GWR 2012, 241. Die Revision vor dem BGH (IIZR 38/12) gegen das Urteil ist nach einem Hinweis der Dokumentationsstelle desBundesgerichtshofs in der Juris-Datenbank zurückgenommen worden.

Tätigkeitsgebote für Freiberufler?, Kleine-Cosack AnwBl 1 / 2013 11

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Das OLG legte sich aber nicht abschließend fest, ob auchnichtanwaltliche Tätigkeiten für das Ausübungsgebot des § 59e Abs. 1 Satz 2 BRAO ausreichen: „Ob im Einzelfall auch nichtrechtsberatende oder -besorgende Tätigkeiten eines nichtanwalt-lichen Gesellschafters ausreichen können, bedarf keiner abschlie-ßenden Entscheidung des Senats. Selbst wenn nämlich die vonden Klägern genannten Beispiele, also Vortragstätigkeiten, Veröf-fentlichungen oder akquisitorische wie auch geschäftsführendeTätigkeiten, den Begriff des beruflich tätig sein‘ ausfüllenkönnten, wäre dies allein nicht ausreichend.“

Erforderlich ist nach dem OLG schließlich, dass die – zu-mindest im Grundsatz – rechtsberatende Tätigkeit der Ge-sellschafter der Rechtsanwalts GmbH auch in der Gesell-schaft erbracht wird. „Aus dem Tätigkeitsgebot in § 59 e Abs. 1Satz 2 BRAO folgt des Weiteren, dass diese Leistungen zusätzlichin der und für die Rechtsanwaltsgesellschaft erbracht werdenmüssen.“

Das OLG sieht im Übrigen sonstige Nebentätigkeitennicht als ausreichend an. Dies sei zum Beispiel der Fall beiAkquisebemühungen; sie seien „lediglich „Abfallprodukte“ derfür die eigene Spartengesellschaft erbrachten Leistungen. Emp-fiehlt ein Rechtsanwalt einem Mandanten für ein besonderes Pro-blem einen hierauf spezialisierten Kollegen, würde nach der Ein-schätzung des Senats niemand vertreten, beide Rechtsanwältehätten sich zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammen-geschlossen.“

III. Kein Tätigkeitsgebots für Rechtsanwälte

Die auch der Entscheidung des OLG zugrundeliegende An-nahme eines Tätigkeitsgebots für Rechtsanwälte hält einerkritischen Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hin-sicht nicht stand.

1. Fehlende GesetzesgrundlageIm Regelfall fehlt es bereits an einer gesetzlichen Verpflich-tung, dass der Freiberufler auch tatsächlich tätig ist. Sie fin-det sich zwar im Vertragsarzt- oder Notarrecht, nicht aberbei Rechtsanwälten oder Steuerberatern. Der Rechtsanwaltmuss nur eine Kanzlei betreiben (§ 27 BRAO); schon an de-ren Einrichtung sind bekanntlich keine hohen Anforderun-gen zu stellen. Die eigene Privatwohnung mit Briefkastenund Telefonanschluss zur Sicherung der Erreichbarkeit rei-chen aus. Auch sind Rechtsanwälte unter Umständen ver-pflichtet nach den §§ 49 a, b BRAO Beratungshilfe zu leistenoder ein Pflichtmandat zu übernehmen. Von derartigen Re-gelungen abgesehen fehlt es aber an einer Rechtspflicht, tat-sächlich anwaltlich tätig zu sein. Ob und was der Rechts-anwalt oder Steuerberater in seiner Kanzlei macht, steht inseiner freien Entscheidung. Sie unterliegt auch keiner Kon-trolle zum Beispiel durch die Kammern. Der Binnenbereichder freiberuflichen Kanzlei ist im Hinblick auf die Berufs-aufsicht tabu.

2. Praxis: Nicht jeder Anwalt ist tätigEntsprechend gibt es in der Praxis unzählige Rechtsanwälte,die keinerlei anwaltlicher Tätigkeit nachgehen. Entweder ma-chen sie nur Urlaub, oder sie haben sich aufs Altenteilzurückgezogen ohne Verzicht auf den „schönen Titel“ odersie gehen – so vor allem die Syndikusanwälte – ausschließ-lich zweitberuflichen Tätigkeiten außerhalb der Kanzleinach. Der verpönte „Feierabendanwalt“ oder „Titularanwalt“

ist jedenfalls entgegen dem Idealbild der Judikatur und derRechtswissenschaft weit verbreitet. Alle Rechtsanwälte undRichter wissen um diese Tatsache; das hindert sie aber nichtam undifferenzierten Festhalten am Ideal.

3. Sonderfall Anwalts-GmbH?Dem OLG Düsseldorf ist zwar einzuräumen, dass in der Tatdie Bestimmung des § 59 e BRAO ein Tätigkeitsgebot für Ge-sellschafter enthält. Bei der Prüfung seiner Reichweite zeigtsich jedoch die Fragwürdigkeit und Unbestimmtheit derNorm. Das OLG muss einräumen, dass völlig unklar ist, inwelchem Umfang denn die fragliche Tätigkeit in der Gesell-schaft ausgeübt werden müsse. Keinesfalls haltbar ist dieThese des OLG, dass rechtsberatende Tätigkeiten auch vonden Nichtanwälten ausgeübt werden müssten. Mit seiner Ab-lehnung von Akquisetätigkeiten und seiner Fixierung aufrechtsberatende Tätigkeiten erweist sich das OLG als eben-falls zu eng. Schließlich muss bei der Auslegung des § 59 eBRAO der Realität in einer Rechtsanwaltskanzlei Rechnunggetragen werden. Es steht aber völlig außer Frage, dass mandarin nicht nur rechtsberatend und vertretend tätig ist. Sogehört die vom OLG verpönte Akquise unstreitig auch zuranwaltlichen Tätigkeit; es gibt viele Rechtsanwaltskanzleien,in denen „kontakt- und gesellschaftsfähige“ Rechtsanwälteschwerpunktmäßig sich um die Erteilung von Mandatenbemühen. Mit der Rechtsberatung von Klienten sind zumBeispiel auch nicht befasst Managing Partner in großenKanzleien.

So wie bereits bei „reinen“ Rechtsanwaltskanzleien beider Auslegung des § 59 e BRAO der Rechtswirklichkeit Rech-nung zu tragen ist, muss auch bei interprofessionellen Sozie-täten berücksichtigt werden, dass es sich um Angehörigeverschiedener Berufe handelt. Sie können sich selbstver-ständlich auf ihren beruflichen Schwerpunkt auch bei einerTätigkeit in einer Rechtsanwaltsgesellschaft beschränken. Siesollten dies schon aus kompetenz- wie haftungsrechtlichenGründen tun. Die Forderung des OLG, sie müssten auchrechtsberatend tätig sein, erweist sich als zu eng. Dies giltungeachtet des Umstands, dass Steuerberater und Wirt-schaftsprüfer innerhalb ihrer durch die Spezialgesetze derWPO und des StBerG ermöglichten Rahmen Rechtsdienst-leistungen – zum Beispiel im Bereich des Steuerrechts – er-bringen können. Selbstverständlich kann man sie aber nichtdarauf beschränken. Dagegen sprechen Wortlaut wie Funk-tion der Regelungen. Wenn der Gesetzgeber gemischte So-zietäten nach §§ 59 a, 59 c ff. BRAO erlaubt, dann muss esden Gesellschaftern auch möglich sein, uneingeschränktund in vollem Umfang ihrer jeweiligen freiberuflichen Tätig-keit nachzugehen und damit auch als Wirtschaftsprüfer oderSteuerberater zu arbeiten.

4. VerfassungsrechtLetztlich sprechen auch verfassungsrechtliche Aspekte gegenein Tätigkeitsgebot für Rechtsanwälte und Steuerberater. DasOLG prüft sie nicht im gebotenen Umfang, wenn es formu-liert: „Die in § 59 e BRAO geschützte anwaltliche Unabhängig-keit stellt einen Gemeinwohlbelang von Gewicht dar (vgl. etwaBGH, Urt. v. 25. Februar 1999 – IX ZR 384/97, NJW 1999,1715).“ Das ist natürlich keine verfassungsrechtlich überzeu-gende Prüfung.

Auch Berufsausübungsregelungen unterliegen einerstrikten Verhältnismäßigkeitskontrolle. Eingriffe in die Be-rufsausübungsfreiheit müssen durch ausreichende Gründe

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12 AnwBl 1 / 2013 Tätigkeitsgebote für Freiberufler?, Kleine-Cosack

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des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und dem Grundsatzder Verhältnismäßigkeit entsprechen.5 Das gewählte Mittelmuss geeignet und erforderlich sein, um die Belange des Ge-meinwohls zu wahren. Außerdem darf bei der gebotenen –rational nachvollziehbaren6 – Gesamtabwägung zwischen derSchwere des Eingriffs und dem Gewicht der Gründe, die ihnrechtfertigen sollen, die Grenze der Zumutbarkeit nichtüberschritten werden.7 Von einer Prüfung dieser Vorausset-zungen seitens des OLG im Hinblick auf § 59 Abs. 1 Satz 2BRAO kann keine Rede sein.

Dabei sollte außer Frage stehen, dass das Tätigkeitsgebotdes § 59 e Abs. 1 Satz 2 BRAO bereits nicht durch Gemein-wohlziele gedeckt ist. Es dient der Sicherung der Unabhän-gigkeit des Rechtsanwalts genauso wenig wie andere Fremd-besitzverbote für freiberufliche Gesellschaften. DerartigeBestimmungen wie § 59 e Abs. 3 BRAO oder § 50 a Abs. 1Nr. 2 StBerG sind nicht erforderlich zum Schutz einer unab-hängigen (Steuer-)Rechtspflege.8 Das zeigen gerade die her-vorragenden Erfahrungen der Steuerberater mit unzähligenAltgesellschaften im Fremdbesitz. Die Engländer haben zwi-schenzeitlich das Berufsrecht entsprechend liberalisiert. Da-mit werden auch entsprechend strukturierte Rechtsanwalts-gesellschaften in Deutschland tätig werden.9

5. BFH zum SyndikussteuerberaterDas Fehlen eines Tätigkeitsgebots für Freiberufler und dieZulässigkeit der bloßen Betätigung als „Feierabendsteuerbe-rater“ hat überzeugend der BFH10 in seiner Entscheidungzum Syndikussteuerberater dargelegt:

Das FG hat dieser Regelung (sic. § 58 S. 2 Nr. 5a StBerG) zu Unrechtentnommen, dass ein Syndikus tatsächlich und rechtlich in der Lagesein muss, eine Tätigkeit als selbständiger Steuerberater nicht nur ge-legentlich als Feierabend-Steuerberater auszuüben. Ein Angestellterist typischerweise an feste Arbeitszeiten gebunden und wird seinemArbeitgeber auch den Großteil seiner Arbeitskraft (bei Vollzeit zwischen38 bis 40 Stunden pro Woche) zur Verfügung stellen müssen. Jeglicheweitere Tätigkeit kann der Syndikus-Steuerberater daher nur außer-halb dieser – zumindest dem Umfang nach feststehenden – Arbeitszei-ten ausüben, so dass er zwangsläufig nicht in 11gleichem Umfangselbständig als Steuerberater tätig sein kann wie ein hauptberuflicherSteuerberater. Aber auch ein hauptberuflicher Steuerberater ist nichtan Mindestarbeitszeiten gebunden und kann die Anzahl und den Um-fang seiner Mandate frei bestimmen. Da nichts anderes für einen „ne-benberuflichen“ Steuerberater gelten kann, kann von einem Syndikus-Steuerberater auch nicht eine selbständige Steuerberatertätigkeit in„nennenswertem Umfang“ gefordert werden. Er ist vielmehr berechtigt,den Umfang seiner selbständigen Steuerberatertätigkeit der ihm nebendem Angestelltenberuf verbleibenden Zeit anzupassen. Die Steuerbe-raterkammer war daher nicht berechtigt, vom Kläger die Vorlage einer„umfassenden“ Freistellungsbescheinigung der X-AG zu verlangen.Die Ansicht des FG, der Gesetzgeber habe einen Feierabend-Steuer-berater nicht ge„wollt, findet weder im Gesetzeswortlaut noch in derGesetzesbegründung (BT-Drucks 16/7077, Seite 33) einen Anhalts-punkt.

Diese Erwägungen gelten uneingeschränkt auch für Rechts-anwälte.

IV. Fazit

Dieser Fall zeigt, dass das freiberufliche Ideal auch im Hin-blick auf Art und Umfang der Tätigkeit der Rechtsanwälteund Steuerberater überholt ist. Ein Tätigkeitsgebot des An-walts ist nicht durch gesetzliche Bestimmungen gedeckt. So-weit vereinzelt eine Pflicht wie im Gesellschaftsrecht besteht,ist die Bestimmung als tatsächlich wie verfassungsrechtlichnicht zu rechtfertigen. Steuerberater und Rechtsanwältekönnen ihre Zulassung beantragen wie behalten, selbstwenn sie nicht in einer eigenen Kanzlei tätig sein wollenoder tatsächlich sind. Die Judikatur der Anwaltsgerichtsbar-keit und der Kammern sollte diesem Umstand auch bei Syn-dikusanwälten Rechnung tragen, anstatt weiter von Arbeit-gebern wie den Bewerbern die „Lüge“ einer Tätigkeit in dereigenen Kanzlei abzuverlangen.

Aufsätze

5 BVerfG AnwBl 2007, 297

6 BVerfG NJW 1990, 2122.

7 BVerfGE 103, 1, 10; 93, 362, 369; BGH NJW 2002, 68, 70; 1999, 1715; 2001,1138; s. a. BVerfG NJW 2002, 666 ff. – Apotheke.

8 Vgl. nur Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufl. 2009, § 59 a Rn. 14 ff.; ders. AnwBl 2007,737 u. DB 2007, 1851.

9 Siehe nur Hellwig, AnwBl 2012, 876.

10 BFH AnwBl 2011, 955 = NJW 2012,479; dazu Kleine-Cosack, DB 2011, 2589.

11 Vgl. Kleine-Cosack, BRAO (aaO.), § 7 Rn. 64 ff.

Tätigkeitsgebote für Freiberufler?, Kleine-Cosack AnwBl 1 / 2013 13

Dr. Michael Kleine-Cosack, Freiburg i. Br.Dr. Michael Kleine-Cosack, Freiburg i. Br.Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt fürVerwaltungsrecht.

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Soldan InstitutSoldan Institut

Die Partnerschaftsgesell-schaft mit beschränkterBerufshaftungVielfalt beim Risikomanagement – oder:Für welche Kanzleien die PartGmbB attraktiv istRechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Koln

Könnte die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Be-rufshaftung (PartGmbB) ein Erfolg werden, wenn sie dennkommt? Die empirischen Ergebnisse des Soldan Institutszeigen eine gespaltene Lage: Für zwei Fünftel der Kanzleienist die neue Variante der Partnerschaftsgesellschaft attraktiv,einen Teil der Anwaltschaft schreckt aber die Kosten für dieerhöhte Mindestversicherungssumme von 2,5 Mio. Euro.Der Beitrag ist der dritte Teil einer Serie zum Risikomanage-ment durch Rechtsformwahl. In November-Heft 2012 ist andieser Stelle bereits geklärt worden, warum die Partner-schaftsgesellschaft (PartG) trotz ihrer günstigen Haftungs-verfassung die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als bevor-zugtes Organisationsmodell soziierter Rechtsanwälte bislangnicht ablösen konnte (AnwBl 2012, 895). Im Dezember-Heft2012 ging es darum, wie die Anwaltschaft zur Schaffung ei-ner Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaf-tung (PartGmbB) durch den Gesetzgeber steht (AnwBl 2012,957).

I. Einleitung

Eine im Zuge einer Gesetzesreform stets interessante, aberhäufig unbeantwortet bleibende Frage ist, ob es für eine be-absichtigte Änderung der geltenden Rechtslage nicht nur eingefühltes, sondern ein tatsächliches Bedürfnis gibt – alsonicht sprichwörtlich „viel Lärm um nichts“ gemacht wird.Die Diskussion über die vom Gesetzgeber mit dem „Entwurfeines Gesetzes zur Einführung einer Partnerschaftsgesell-schaft mit beschränkter Berufshaftung“1 auf den Weg ge-brachte Reform des Rechts der Partnerschaftsgesellschaftkann insofern aus Sicht der Anwaltschaft als zentraler Ziel-gruppe der Reform zwei empirisch belegte Erkenntnisse zuGrunde legen: Die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte be-grüßen zwar mehrheitlich die Schaffung einer Partner-schaftsgesellschaft, in der die Haftung der Gesellschafter fürBerufsausübungsfehler ausgeschlossen, das heißt auf dasGesellschaftsvermögen begrenzt ist2. Dass diese Zustim-mung zugleich Gewähr dafür ist, dass die Rechtsanwalt-schaft die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Be-rufshaftung rege als Rechtsform zur Organisation ihrergemeinschaftlichen Berufsausübung nutzen wird, ist abergleichwohl nicht gewiß: Bereits die klassische Partnerschafts-gesellschaft, in der die Gesellschafterhaftung für Berufs-ausübungsfehler auf den beziehungsweise die Mandatsarbei-ter beschränkt ist3, hat trotz ihrer konzeptionellenÜberlegenheit die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als domi-nierende Rechtsform für Rechtsanwaltssozietäten (und Frei-

beruflergesellschaften im Allgemeinen) nicht verdrängenkönnen4. Nachgewiesen werden konnte, dass der wichtigsteGrund, warum sich Sozietäten nicht als Partnerschaftsgesell-schaft organisieren, nicht ein konsequent durchdachter Ent-scheidungsprozess, sondern die fehlende Reflektion überHaftungsrisiken und Risikomanagement ist5. Ein weitererbedeutsamer Grund ist, dass assoziierte Rechtsanwälte ihreHaftungsrisiken auf andere Art und Weise minimieren alsdurch Rechtsformwahl6. Legt man diesen empirischen Be-fund zu Grunde, sind die Startvoraussetzungen für diePartGmbB auf dem Papier nicht ganz so günstig wie die en-gagiert geführte berufs-7 und rechtspolitische8 Diskussionüber ihre Einführung Glauben machen könnte.

Vor diesem Hintergrund ist die Klärung der Frage reiz-voll, ob eine nennenswerte Zahl von Rechtsanwälten gibt,die die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufs-haftung als Organisationsmodell nutzen möchten. Im Rah-men einer Studie zum Risikomanagement von Rechtsanwäl-ten wurden jene Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die alspotenzielle Nutzer einer PartGmbB in Betracht kämen, dasheißt alle Rechtsanwälte, die nicht als Einzelanwalt tätig sindund diesen Status auch perspektivisch beibehalten möchten,um Mitteilung gebeten, ob sie, eine entsprechende Gesetzes-änderung unterstellt, an der Organisation ihrer Berufstätig-keit in einer Freiberuflerpersonengesellschaft ohne persön-liche Gesellschafterhaftung interessiert sind9.

II. Interesse an der Nutzung einer Partnerschafts-gesellschaft mit beschränkter Berufshaftung

1. GesamtbetrachtungEin Drittel der Befragten teilte auf die Frage, ob man Inte-resse an der Nutzung einer Partnerschaftsgesellschaft mit be-schränkter Berufshaftung habe, mit, dass das Organisations-modell der PartGmbB für sie nicht in Betracht käme. 28Prozent wären nur dann interessiert, wenn die Mindestver-sicherungssumme in der Berufshaftpflichtversicherung (§ 51Abs. 4 BRAO oder § 51 a Abs. 2 BRAO-E) nicht höher wäreals bisher bei Gesellschaftern von Personengesellschaften,also 250.000 Euro. Unterstellt man, dass die vorgeschlageneRegelung des § 8 Abs. 4 Nr. 1 PartGG in Verbindung mit§ 51 a BRAO Gesetz wird, eine PartGmbB unter Beteiligungvon Rechtsanwälten also eine Versicherung von mindestens2,5 Mio. Euro eindecken muss, scheidet auch diese Teil-gruppe als potenzielle Nutzer der PartGmbB aus. Immerhin

MN Anwaltsrecht

1 BR-Drucks. 309/12.

2 Kilian, AnwBl 2012, 957.

3 Näher Henssler/Prütting-Henssler, BRAO, 3. Aufl. 2010, § 8 Rn. 19; Prütting-Kilian,Medizinrecht, 2. Aufl. 2012, § 8 Rn. 13; Hahn/Naumann, WM 2012, 1756.

4 Kilian, AnwBl 2012, 895.

5 Kilian, AnwBl 2012, 895, 897.

6 Kilian, AnwBl 2012, 895, 897.

7 Das Präsidium des DAV hatte sich im Sommer 2010 für entsprechende Änderun-gen des PartGG ausgesprochen, Ewer, AnwBl. 2010, 857 sowie Hellwig, NJW2011, 1557; ders., AnwBl 2012, 345. Die Hauptversammlung der BRAK hatte imFrühjahr 2011 beschlossen, sich an das Bundesjustizministerium zu wenden, vgl.Filges, BRAK-Mitt. 2011, 45.

8 Zur Reformdiskussion Römermann/Praß, NZG 2012, 601; Römermann, AnwBl 2012,288: Beuthien, ZRP 2012, 127; Posegga, DStR 2012, 611; Schüppen, BB 2012, 783;Salger, DB 2012, 1794; Leuering, ZIP 2012, 1112; Dahns, NJW Spezial 2012, 190.

9 Die Befragung erfolgte im Mai 2011, an ihr nahmen 1.257 Rechtsanwältinnen undRechtsanwälte teil. Zum Zeitpunkt der Befragung war Details der Reform nochnicht bekannt, so dass die Aussagen der Befragten sich nicht auf den Erkenntnis-stand stützen konnten, wie er aufgrund des zwischenzeitlichen Fortschreitens derReformdiskussion heute vorauszusetzen wäre. Nicht gefragt wurde aus befra-gungstechnischen Gründen, inwieweit neben der PartGmbB auch die englischeLimited Liability Partnership eine Option wäre.

14 AnwBl 1 / 2013 Die Partnerschaftsgesel lschaft mit beschränkter Berufshaftung, Ki l ian

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39 Prozent der Rechtsanwätinnen und Rechtsanwälte wärenhingegen auch dann an der Gründung einer Partnerschafts-gesellschaft mit beschränkter Berufshaftung interessiert,wenn die Mindestversicherungssumme – wie bei der Rechts-anwaltsgesellschaft mbH (§ 59 j Abs. 2 BRAO) – 2,5 Mio.Euro betragen würde.

2. Differenzierende BetrachtungBei einer differenzierenden Betrachtung zeigt sich, dass dieGröße der Kanzlei, in der ein Rechtsanwalt tätig ist, primärerEinflussfaktor dafür ist, ob eine Partnerschaftsgesellschaftmit beschränkter Berufshaftung auch bei einem Erforderniseiner erhöhten Versicherungssumme in der Berufshaft-pflichtversicherung von Interesse wäre. Einen gewissen Ein-fluss hat zudem der Kanzleityp, während alle anderenpersönlichen Merkmale eines Rechtsanwalts keinen signifi-kanten Einfluss darauf haben, ob für den Betreffenden dieGründung einer haftungsbeschränkten Freiberuflergesell-schaft in Betracht kommt.

Nur 36 Prozent der Anwälte aus kleineren Sozietäten(zwei bis fünf Anwälte) wären auch im Fall einer höherenMindestversicherungssumme an einer haftungsbeschränk-ten Personengesellschaft interessiert, hingegen 67 Prozentder Anwälte aus Sozietäten mit 10 und mehr Rechtsanwälten(s. Tab. 1).

Sozietätmit bis zu5 Anwälten

Sozietätmit 6 bis10 Anwäl-ten

Sozietätmit mehrals 10 An-wälten

kommt nicht in Betracht 32% 29% 23%

ja, aber nur, wenn die Mindestver-sicherungssumme nicht höher wäreals bei Personengesellschaften

32% 30% 10%

ja, auch, wenn die Mindestversiche-rungssumme 2,5 Mio. EUR betragenwürde

36% 41% 67%

p5=0,05

Tab. 1: Kommt Gründung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufs-haftung in Betracht – nach Größe der Kanzlei

Das stärkste Desinteresse an der künftigen Nutzung ei-ner Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaf-tung – generell oder zumindest in ihrer gegenwärtig dis-kutierten Ausgestaltung – artikulieren mit einem Anteil von66 Prozent Anwälte aus Bürogemeinschaften, während inder Gruppe der Anwälte aus überörtlichen Sozietäten nurrund zwei Fünftel einen Zusammenschluss in einer Partner-schaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung grund-sätzlich oder bei einer erhöhten Versicherungspflicht aus-schließt (24 Prozent).

Insgesamt zeigt sich bei einer Betrachtung der Sozietäts-anwälte für alle Kanzleitypen und Kanzleigrößen, dass dieNutzung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkterBerufshaftung bei einer erhöhten Versicherungspflicht infast allen Teilgruppen nur für eine Minderheit in Betrachtkommt. Betrachtet man nur diejenigen Rechtsanwälte, diedie Gründung einer oder den Wechsel zu einer PartGmbB inBetracht und diese Gesellschaftsform nicht grundsätzlich ab-lehnen, zeigt sich, dass unabhängig von der Kanzleigrößedie voraussichtlich Gesetz werdende Ausgestaltung miterhöhter Mindestversicherungssumme zumindest kein Aus-schlusskriterium wäre. Die entsprechenden Anteile liegenzwischen 55 Prozent (Anwälte aus Sozietäten mit bis zu fünf

Anwälten) und 78 Prozent (Anwälte aus Sozietäten mit mehrals 10 Anwälten) (s. Tab. 2).

Büroge-mein-schaft

örtlicheSozietät

überörtl.Sozietät

internat.Sozietät*

ja, aber nur, wenn die Mindest-versicherungssumme nichthöher wäre als bei Personenge-sellschaften

43% 45% 22% 27%

ja, auch, wenn die Mindestver-sicherungssumme 2,5 Mio. EURbetragen würde

57% 55% 78% 73%

* Fallzahl gering p5=0,05

Tab. 2: Kommt Gründung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufs-haftung in Betracht – nach Kanzleityp (nur Befürworter)

III. Bewertung

Geht man davon aus, dass die Partnerschaftsgesellschaft mitbeschränkter Berufshaftung in der Fassung Gesetz wird, wiesie gegenwärtig im parlamentarischen Verfahren diskutiertwird, das heißt mit einer Verpflichtung zur Eindeckung vonVersicherungsschutz in Höhe von 2,5 Mio. Euro, scheidetdiese modifizierte Form der Partnerschaftsgesellschaft für 61Prozent der potenziellen Nutzer als Organisationsmodellaus. Für fast die Hälfte der Rechtsanwälte aus dieser Teil-gruppe wäre allein die erhöhte Versicherungspflicht derGrund, auf eine Nutzung zu verzichten. Rund zwei Fünftelder potenziellen Nutzer können sich hingegen vorstellen,zukünftig eine PartGmbB in der gegenwärtig diskutiertenAusgestaltung zu gründen. Nicht überraschend ist, dass sichinsbesondere in Zahl der Berufsträger und unternehmeri-schen Zuschnitt größere Sozietäten grundsätzlich interes-sierter zeigen und bei diesen auch die erhöhten Anforderun-gen an die Versicherungspflicht die PartGmbB nichtentwerten würden (zu bedenken ist allerdings, dass den Teil-nehmern im Rahmen der Befragung die finanziellen Auswir-kungen der Regelungen zur notwendigen Jahreshöchstleis-tung in Abhängigkeit von der Zahl der Berufsträger unterUmständen noch nicht hinreichend präsent waren). Grund-sätzlich gilt, dies zeigen Untersuchungen des Soldan Insti-tuts im Rahmen seiner Berufsrechtsbarometer immer wie-der, dass das im Vorfeld von Reformen des Berufsrechtsbekundete Interesse an der Nutzung der vom Gesetzgeber inAussicht gestellten zusätzlichen Gestaltungsfreiheiten stetsdeutlich größer ist als die tatsächlich Nutzung nach Inkraft-treten eines Reformgesetzes. Insofern ist auf der Grundlagedes aktuell zu messenden Interesses an der reformiertenPartnerschaftsgesellschaft davon auszugehen, dass auch diePartGmbB trotz ihrer unbestreitbaren Vorteile im Bereichder Gesellschafterhaftung nicht das Standardorganisations-modell vergesellschaftet tätiger Rechtsanwälte werden wird.

MN Anwaltsrecht

Aufsätze

D ie Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung, Kil ian AnwBl 1 / 2013 15

Dr. Matthias Kilian, KölnDr. Matthias Kilian, KölnDer Autor ist Rechtsanwalt und Direktor des Soldan Instituts.Informationen zum Soldan Institut im Internet unterwww.soldaninstitut.de.

Leserzuschriften an [email protected].

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ZwangsvollstreckungZwangsvollstreckung

Anwälte müssen umlernen:Neue Möglichkeiten in derZwangsvollstreckung8. Buch der ZPO: Reform der Sachaufklärungtritt am 1. Januar 2013 in KraftGerichtsvollzieher Stefan Mroß, Buhl/Baden

Am 1. Januar 2013 ist das Gesetz zur Reform der Sachaufklä-rung in der Zwangsvollstreckung in allen Teilen in Kraft ge-treten. Motiv der bereits 2009 vom Bundestag beschlossenenReform ist, die seit Jahrzehnten stetig sinkende Relevanz derSachpfändung ins bewegliche Vermögen zu ändern und dieGeldbeitreibung in der Zwangsvollstreckung zu effektivieren(Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvoll-streckung vom 29.7.2009, BGBl. I, S. 2258 ff., BT-Drucks16/10069, S. 20). Ziel ist ein schnellerer Ablauf der Zwangs-vollstreckungsverfahren, um einen zügigen Zugriff aufpfändbare Vermögensgegenstände zu erreichen. Zugleichsollen auch mediative Prozesse zur Vermeidung vonZwangsmaßnahmen gestärkt werden. Der Wahrheitsgehaltder Selbstauskunft im Vermögensverzeichnis der bisherigenEidesstattlichen Versicherung soll erhöht werden, nicht zu-letzt auch durch die Möglichkeit, Vermögenswerte desSchuldners durch Fremdauskünfte zu ermitteln. Auch solldie Aussagekraft des Schuldnerverzeichnisses verbessert wer-den und die elektronische Bearbeitung Einzug halten. DerAutor stellt die wichtigsten Auswirkungen der Reform vor.

I. Funktionale Zuständigkeit

Unverändert bleibt der Gerichtsvollzieher das zentrale Organder Zwangsvollstreckung.1 Mit der Reform ändert sich nichtdie Zuständigkeit für die verschiedenen Vollstreckungs-arten.

So bleibt es derzeit bei der geteilten Zuständigkeit für diePfändung und Verwertung körperlicher Sachen, der Weg-nahmevollstreckung und Vermögensoffenbarung beim Ge-richtsvollzieher einerseits und der Pfändung von Forderun-gen und Rechten beim Vollstreckungsgericht andererseits.2

Eine Effizienzsteigerung an dieser Stelle erfolgt noch nicht.3

§ 802 a ZPO stellt nunmehr folgende fünf Regelbefug-nisse des Gerichtsvollziehers auf:9 Herbeiführung einer gütlichen Erledigung;9 Einholung einer Vermögensauskunft des Schuldners;9 Einholung von Auskünften Dritter über das Vermögen

des Schuldners;9 Pfändung und Verwertung körperlicher Sachen;9 Durchführung einer Vorpfändung (§ 845 ZPO).Gegenüber der bisherigen Rechtslage explizit genannt istnunmehr die gütliche Erledigung, völlig neu hinzugekom-men ist die Einholung von Auskünften bei dritten Stellen so-wie die Adressermittlung (§ 755 ZPO).

II. Gütliche Erledigung

1. Formaler MindeststandardDer Gerichtsvollzieher soll künftig versuchen, in jeder Lagedes Zwangsvollstreckungsverfahrens eine gütliche Erledi-gung herbeizuführen. Dieser in § 802 b Abs. 1 ZPO nor-mierte Grundsatz gilt damit ausdrücklich für alle in § 802 aAbs. 2 ZPO genannten Regelmaßnahmen. Künftig kann nununstreitig auch vor oder nach Verhaftung des Schuldners zurAbgabe der Vermögensauskunft noch eine gütliche Erledi-gung herbeigeführt werden.4 Wie eine gütliche Erledigungauszusehen hat, ist nicht abschließend geregelt. Der Gesetz-geber sieht in § 802 b Abs. 2 und 3 ZPO den Abschluss einerZahlungsvereinbarung vor. Der Schuldner vereinbart hierbeimit dem Gerichtsvollzieher entweder eine Zahlungsfrist (zurVollzahlung) oder eine Ratenzahlung. Dieser Zahlungsplanist schriftlich zu fixieren, selbst wenn er auch nur mündlichmit dem Schuldner vereinbart werden sollte.5 Die vereinbarteZahlung muss der Schuldner glaubhaft machen, allerdingsnicht im förmlichen Sinne des § 294 ZPO.6 Eine Ratenzah-lung soll den Zeitraum von 12 Monaten nicht übersteigen,kann jedoch aufgrund besonderer Umstände auch längerdauern.7 Der Zahlungsplan soll die Kernpunkte wie Höheder Zahlung und Zeitpunkt, Tatsachen der Glaubhaftma-chung und den voraussichtlichen Zahlungsweg aufzeigen.Dem Gläubiger sind zumindest Höhe der Zahlung und derZeitpunkt mitzuteilen. Die glaubhaftmachende Darlegungist frei vom Gerichtsvollzieher zu würdigen.8

Der Gläubiger hat das Recht, diesem Zahlungsplan un-verzüglich zu widersprechen, womit der Zahlungsplan hin-fällig wird.9 Der Widerspruch durch den Gläubiger hat un-verzüglich zu erfolgen, d. h. ohne schuldhaftes Verzögern.10

Das Widerspruchsrecht des Gläubigers kann daher als erlo-schen gelten, wenn eine Woche nach Zugang der Mitteilungan den Gläubiger vergangen ist, bei Rechtsvertretung desGläubigers binnen 10 Tagen.11 Der Gläubiger hat auch dasRecht, eine gütliche Erledigung bereits von vornherein aus-zuschließen. Auch kann er Beträge und Fristen vorgeben.12

Eine materiell-rechtliche Wirkung soll dem Zahlungsplan ei-ner gütlichen Erledigung jedoch nicht zukommen, vielmehrstellt sie lediglich einen Vollstreckungsvertrag dar.13 Damitsoll vor allem die Wirkung einer Stundungsvereinbarungverhindert werden, bei der der weitere Zins lauf unterbro-chen wäre. Der Vollstreckungsvertrag führt zu einem Voll-streckungsaufschub. Die Vollstreckung endet an dem Punkt,an dem sie sich gerade befindet. Kraft Gesetzes endet dieserVollstreckungsaufschub aber, wenn der Schuldner mit einerim Zahlungsplan festgelegten Zahlung ganz oder teilweiselänger als zwei Wochen in Rückstand gerät.14 Bestehen

MN Zwangsvollstreckung

1 § 753 Abs. 1 ZPO bleibt insofern unverändert; N. Fischer, DGVZ 2011, 158; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., Rz 31 zu § 25.

2 Zur Kritik hieran vgl. Seip, DGVZ 2008, 38 ff (42); Hess, Rechtspolitische Perspek-tiven in der Zwangsvollstreckung, DGVZ 2010, 7.

3 Hierzu Zedel, DGVZ 2012, 42 ff.; Stamm, JZ 2012, 67 ff.

4 BT-Drucks 16/10069, S. 28 zu § 802 b Abs. 2.

5 Mroß, DGVZ 2010, 181 ff (182).

6 BT-Drucks 16/10069, S. 24.

7 Schwörer/Heßler, ZVI 2007, 589 ff (595).

8 Hergenröder, DGVZ 2012, 105 (109).

9 § 802 b Abs. 3 ZPO; BT-Drucks 16/10069, S. 25.

10 Vgl. § 121 BGB.

11 Mroß, DGVZ 2010, 181 (182).

12 BT-Drucks. 16/10069, S. 24 zu § 802 b.

13 Schwörer, DGVZ 2011, 77 (80); Hergenröder, DGVZ 2012, 105 (115).

14 § 802 b Abs. 3 Satz 3 ZPO.

16 AnwBl 1 / 2013 Anwälte müssen umlernen: Neue Möglichkeiten in der Zwangsvol lstreckung, Mroß

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jedoch Anhaltspunkte, dass der Schuldner danach einer Zah-lungsvereinbarung wieder nachkommen kann, besteht indiesem Fall immer noch die Möglichkeit, eine erneute gütli-che Erledigung zu vereinbaren, bei der dann allerdings auchdas Widerspruchsrecht des Gläubigers erneut entsteht.15

Hat ein Gläubiger von vornherein die gütliche Erledigungausgeschlossen oder durch einen Widerspruch beseitigt,kann der Schuldner danach nur noch beim Vollstreckungs-gericht Vollstreckungsschutz gem. § 765 a ZPO beantragen.16

Zwar kommt in der Praxis dieser Vollstreckungsschutz fastnur bei der Räumungsvollstreckung derzeit zur Anwendung,gilt aber für alle Arten der Einzelzwangsvollstreckung undkann von jedem Schuldner beantragt werden, auch von derjuristischen Person.17 Die bisherigen Regelungen des § 900Abs. 3 ZPO (obligatorische Vertagung eines Termins zur Ab-gabe der Eidesstattlichen Versicherung) sowie die Ausset-zung der Verwertung einer Pfändung gem. §§ 813 a, b ZPOentfallen mit der neuen Rechtslage.

Die gütliche Erledigung kann als eigene Zwangsvollstre-ckungsmaßnahme vom Gläubiger beauftragt werden. Eshandelt sich dann zwar um eine Zwangsvollstreckungsmaß-nahme, jedoch nicht um eine Zwangsmaßnahme im eigent-lichen Sinne, da sie nur freiwillig mit dem Schuldner zusam-men herbeigeführt werden kann. Aber auch im Zugeanderer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus dem Regel-katalog des § 802 a ZPO kann der Schuldner in jeder Lagedes Verfahrens die gütliche Erledigung beantragen.18 Hiermitverbunden ist ein programmatischer Auftrag an den Ge-richtsvollzieher, auf eine gütliche Erledigung hinzuwirken,soweit sie nicht vom Gläubiger von vornherein ausgeschlos-sen wurde. Soweit Schuldner dieses Verfahren allerdings alsVerzögerungstaktik benutzen, kann der Gerichtsvollziehertrotz einer Glaubhaftmachung den Antrag des Schuldnerszurückweisen. Hierbei wirkt sich der programmatische An-satz des § 802 a Abs. 1 ZPO aus, dass der Gerichtsvollzieherauf eine zügige und vollständige Beitreibung von Geldforde-rungen hinzuwirken habe.19 Auch kann der allgemeine zivil-prozessuale Beschleunigungsgrundsatz des § 282 ZPO ange-wendet werden, wonach in Verzögerungsabsicht gestellteAnträge zurückgewiesen werden können.20

Soweit der Gläubiger bereits in seinem Auftrag isolierteine gütliche Erledigung beauftragt hat oder eine gütliche Er-ledigung im Zuge einer anderen Maßnahme ausdrücklichim Vorhinein zustimmt, besteht kein Widerspruchsrechtmehr.21

2. Mehrere GläubigerSoweit gegen denselben Schuldner gleichzeitig oder kurzhintereinander mehrere Gläubiger einen Vollstreckungsauf-trag zur Bearbeitung beim Gerichtsvollzieher erteilen, ist zubedenken, dass das Zustandekommen einer gütlichen Erledi-gung für einen Gläubiger nicht durch das Hinzutreffen wei-terer Gläubiger beeinflusst wird.22 Die Anzahl weiterer Gläu-biger spielt nur insoweit eine Rolle, als dass der Schuldnerauch für die hinzukommenden Gläubiger glaubhaft darlegenmuss, für diese eine Zahlungsvereinbarung einhalten zukönnen.23 Da die Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers anden Wohnsitz des Schuldners geknüpft ist, 24können dessenKenntnisse im Folgeverfahren anderer Gläubiger hierzu ver-wendet werden. Gegen die Weigerung des Gerichtsvollzie-hers, eine gütliche Erledigung durchzuführen, steht demSchuldner das Rechtsmittel der Erinnerung gem. § 766 ZPOzur Verfügung.25

Das Vorgehen des Gerichtsvollziehers zur Herbeiführungeiner isolierten gütlichen Erledigung ist nicht geregelt. Somitliegt es im wohlwollenden Ermessen des Gerichtsvollziehers,einer gütlichen Erledigung auch zum Erfolg zu verhelfen.Hierzu muss der Gerichtsvollzieher mit dem Schuldner inKontakt treten, um die Möglichkeit einer Zahlungsverein-barung zu erörtern. Die allgemeinen Vorschriften des 8. Bu-ches gelten hierbei in gleicher Weise, insbesondere § 758 bAbs. 4 ZPO, wonach eine Vollstreckung zur Nachtzeit sowiean Sonn- und Feiertagen nur mit richterlicher Genehmigungmöglich ist. Der Versuch der gütlichen Erledigung ist ge-scheitert, wenn eine Kontaktaufnahme zum Schuldner er-folglos geblieben ist, der Schuldner freiwillige Zahlungenverweigert oder sich hierzu nicht in der Lage sieht. Das Er-gebnis ist dem Gläubiger mitzuteilen.

Im Rahmen der gütlichen Erledigung sind durchausauch materiell-rechtliche Regelungen möglich, wie Siche-rungsübereignung, Forderungsabtretung, Vergleich und Ver-zicht.26 Der Gerichtsvollzieher hat hierbei nur die Funktioneines Vermittlers, so dass der eigentliche Vertragsabschlusszwischen Gläubiger und Schuldner zustande kommt. Einetreuhänderische Sicherungsverwaltung durch den Gerichts-vollzieher bedürfte eines gesonderten Auftrages, der jedochhaftungs- und dienstrechtliche Folgen auslösen kann.27 Ver-einbarungen mit materiell-rechtlicher Wirkung bedürfen al-lerdings explizit der Zustimmung des Gläubigers, so dassdie bloße Widerspruchslösung hier nicht zur Anwendungkommt.28

Die gütliche Erledigung führt in ihrer verfahrensmäßi-gen Ausgestaltung zu der von vielen Gläubigern gewünsch-ten Möglichkeit, den Gerichtsvollzieher zum Schuldner vorOrt zu bringen. Der Gerichtsvollzieher kann die Lebens-umstände und Zahlungsmöglichkeiten durch seinen unmit-telbaren Eindruck erkunden. Eine zügige Kontaktaufnahmelässt sich vor allem durch einen frühzeitigen Auftrag herstel-len, bei dem der Vollstreckungsbescheid nicht von Amtswegen durch das Mahngericht zugestellt wird, sondern dieParteizustellung durch den Gerichtsvollzieher mit derpersönlichen Zustellung gewählt wird.29 Hierbei kann dieZwangsvollstreckung sofort beginnen.

MN Zwangsvollstreckung

Aufsätze

15 Hergenröder, DGVZ 2012, 105 (108; 114).

16 Hergenröder, DGVZ 2012, 105 (114); Mroß, DGVZ 2012, 169 (170).

17 Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl.,§ 765 a ZPO, Rdnr. 4 + 6.

18 § 802 b Abs. 1 ZPO.

19 Mroß, DGVZ 2012, 169 (171).

20 Soweit sich aus den besonderen Verfahrensregeln des 8. Buches der ZPO nichtsanderes ergibt, ist auf die allgemeinen Grundsätze der ZPO zurückzugreifen, vgl.Schuschke in Schuschke/Walker, a. a. O. Einführung Buch 8, Rdnr. 7.

21 Hergenröder, DGVZ 2012, 105 (108).

22 Hergenröder, DGVZ 2012, 105 (110; 113, 114, 115), sowie ders. DGVZ 2012, 120(135) sowie Mroß, DGVZ 2012, 169 (170); andere Ansicht Harnacke, DGVZ 2012,197 (200).

23 Hergenröder, DGVZ 2012, 105 (115).

24 Vgl. § 16 GVO.

25 Hergenröder, DGVZ 2012, 105 (108).

26 So auch Schwörer, DGVZ 2011, 77 (80); Riggert, DGVZ 2011, 137 ff; Hergenröder,DGVZ 2012, 129 (132).

27 Schwörer, DGVZ 2011, 77 (83); Hergenröder, DGVZ 2012, 129 (134).

28 Hergenröder, DGVZ 2012, 129 (133).

29 Vgl. § 688 Abs. 4 ZPO.

Anwälte müssen umlernen: Neue Mögl ichkeiten in der Zwangsvollstreckung, Mroß AnwBl 1 / 2013 17

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III. Auftrag

1. Formularzwang?Bislang kann der Auftrag an den Gerichtsvollzieher, der ver-fahrensrechtlich einen Antrag darstellt,30 formlos gestelltwerden, also auch mündlich, telefonisch oder durch schlüssi-ges Verhalten.31 Aufgrund der Vielzahl von möglichen Auf-trägen aus dem Regelmaßnahmenkatalog des § 802 a ZPOmuss jedoch die Auftragsart dem Gerichtsvollzieher mit-geteilt werden, bis auf die gütliche Erledigung, die obliga-torisch, allerdings mit Ausschlussrecht, stets mit beauftragtist.32 Aufgrund Ermächtigung des Gesetzgebers in § 753Abs. 3 ZPO darf das Bundesministerium der Justiz mit Zu-stimmung des Bundesrates jedoch eine Verordnung zurEinführung eines verbindlichen Formulars für den Auftrageinführen. Bei Verfassen dieses Aufsatzes wurden ersteEntwürfe bereits diskutiert, mit einer Verabschiedung ist je-derzeit zu rechnen. Ein anfänglich gemeinsam gegründeterArbeitskreis aus Deutschem Gerichtsvollzieher Bund(DGVB), Deutscher Anwaltverein und Bundesverband Deut-scher Inkasso-Unternehmen (BDIU) konnte sich auf einengemeinsamen Vordruck jedoch bislang nicht einigen. Sobaldder verbindliche Vordruck verabschiedet ist, ist von einemFormularzwang auszugehen.33 Aufgrund der Formulierungdes § 753 Abs. 2 ZPO ist noch unklar, ob ein direkt an denGerichtsvollzieher gerichteter Auftrag, also ohne Vermittlungder Gerichtsvollzieherverteilerstelle beim Amtsgericht, denFormularzwang entfallen lässt. Da die persönliche Zustän-digkeit eines Gerichtsvollziehers sich jedoch jederzeit ändernkann, ist vom derartigen Antragsweg ohnehin abzuraten.Dieser sollte nur für besonders eilige Aufträge, nach vorheri-ger persönlicher Kontaktierung des Gerichtsvollziehers, ge-wählt werden.

2. GlobalauftragIm Auftragsschreiben und später auch im Formvordruckkann der Gläubiger mehrere Vollstreckungsmaßnahmen be-nennen, die er sukzessive, also erst bei Vorliegen bestimmterVoraussetzungen, bearbeitet haben will. Beispielsweise kannder Gläubiger eine isolierte gütliche Erledigung beantragen,für den Fall ihres Scheiterns sogleich das Verfahren zur Ab-nahme der Vermögensauskunft, für den anschließendenFall, dass dem Gerichtsvollzieher hierdurch pfändbare Ge-genstände bekannt werden, eine Sachpfändung oder eineVorpfändung bekanntgewordener Forderungen oder bei Vo-rausliegen der Voraussetzungen die Drittauskunft. Verfah-rens- und kostenmäßig stellen derartige Anträge verschie-dene Aufträge dar.34 Bei derartigen Globalaufträgen hat derGerichtsvollzieher den programmatischen Ansatz zu § 802 aAbs. 1 ZPO zu beachten.35 Er hat auf eine zügige, vollstän-dige und kostensparende Beitreibung von Geldforderungenhinzuwirken. Es stellt dies das Postulat der effektiven Voll-streckung dar. Das teilweise an verfahrensrechtlich eindeu-tige Bedingungen, aber auch im Einzelfall in das Ermessendes Gerichtsvollziehers gestellte Fortschreiten der Aufträgemuss von ihm nachvollziehbar ausgeübt werden und derAufwand, auch bei der Hinzuziehung von Arbeitshilfen, denErtrag im Blick behalten. Soweit im Einzelfall die Auftrags-durchführung vom Gläubiger moniert wird, ist dies auf-grund der nunmehr verfahrensrechtlichen Verankerungnicht mehr durch Dienstaufsichtsbeschwerde, sondern alleinim Wege der Fachaufsicht über das Rechtsmittel der Erinne-rung durch § 766 ZPO nachprüfbar.36

3. Übergangsrecht§ 39 Nr. 1 EGZPO bestimmt dem Grunde nach, dass alle vordem 1.1.2013 bei der Verteilerstelle oder dem Gericht einge-gangenen Aufträge noch nach altem Recht zu handhabensind. Bei einem Folgeauftrag, bei dem es vom Eintritt einerBedingung nach Erledigung des vorangegangenen Auftragesankommt, ist demnach maßgebend, wann die Bedingungeingetreten ist bzw. wann die erforderlichen Auftragsunterla-gen der Verteilerstelle oder dem Gerichtsvollzieher zugegan-gen sind. Daher wird auch bei einem Kombiauftrag altenMusters (Pfändung und Eidesstattliche Versicherung) derAntrag auf Abnahme der Eidesstattlichen Versicherung dannals Auftrag zur Vermögensauskunft mit allen Folgen desneuen Rechts ausgeführt, wenn die Voraussetzungen für dasalte EV-Verfahren nicht mehr im alten Jahr vorlagen. Auchgilt die Abnahme einer Eidesstattlichen Versicherung unterErzwingung mit einem Haftbefehl dann als neues Verfahrenzur Abnahme der Vermögensauskunft, wenn der Haftbefehldem Gerichtsvollzieher bzw. der Verteilerstelle erst im neuenJahr zugegangen ist.37 Zur Abwendung der Vollziehung derErzwingungshaft beantragt nämlich der Schuldner die Ab-nahme der Vermögensauskunft.38

IV. Adressermittlung und örtliche Zuständigkeiten

Für alle Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch den Ge-richtsvollzieher, also auch solche nicht nur wegen Geldforde-rungen, darf der Gerichtsvollzieher auf Antrag des Gläubi-gers gem. § 755 ZPO aus öffentlichen Registern denAufenthaltsort des Schuldners ermitteln. Dieser Antrag istnur in Verbindung mit einem Zwangsvollstreckungsauftragmöglich und dient der Durchführung des Vollstreckungsauf-trages. Soweit dem Gläubiger bereits im Vorhinein bekanntist, dass der Schuldner unter der ihm bekannten Anschriftnicht mehr aufzufinden ist, kann der Antrag beim Gerichts-vollzieher des letzten bekannten Aufenthaltsortes gestelltwerden, auch wenn die Erfolglosigkeit des Vollstreckungs-auftrages erst einmal offensichtlich ist. Die Aufenthaltsdatenmuss der Gerichtsvollzieher in der Reihenfolge des § 755Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ZPO abfragen. Voraussetzungist stets ein Auftrag des Gläubigers, in dem die einzelnenAuskunftsstellen benannt sind. Die erste Stufe umfasst dieEMA-Auskunft, wobei der Gerichtsvollzieher hierbei auchNationalität und Geburtsdatum erfassen sollte. Bei Auslän-dern kann bei Erfolglosigkeit der EMA-Auskunft eine An-frage beim Ausländerzentralregister und in der zweiten Stu-fen beim zuständigen Ausländeramt durchgeführt werden.39

Sind auch diese Auskünfte erfolglos, muss der Gerichtsvoll-zieher auf Antrag die Anschrift bei der Deutschen Rentenver-sicherung wegen einer möglicherweise aktuellen Arbeit-gebermeldung oder beim Kraftfahrzeug-Bundesamt

MN Zwangsvollstreckung

30 Walker in Schuschke/Walker, a. a. O., § 753 ZPO Rdnr. 1.

31 Ebd., § 753 ZPO Rdnr. 2.

32 § 802 a Abs. 2 Satz 2 ZPO.

33 Walker in Schuschke/Walker, a. a. O., § 753 ZPO Rdnr. 3.

34 Mroß, DGVZ 2012, 169 (172).

35 So auch Walker in Schuschke/Walker, a. a. O., § 802 a ZPO Rdnr. 1.

36 Mroß, DGVZ 2012, 169 (172).

37 So Mroß, DGVZ 2012, 169 (172).

38 Hk-ZV/Sternal, § 902 ZPO Rdnr. 2.

39 Dies gilt in der Regel nicht für Bürger der Europäischen Union, vgl. hierzu derzeitBeschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zum Entwurf eines Ge-setzes zur Änderung des AZR-Gesetzes (BT-Drucks, 17/11051) in BT-Drucks.17/11364 v. 07.11.2012.

18 AnwBl 1 / 2013 Anwälte müssen umlernen: Neue Möglichkeiten in der Zwangsvol lstreckung, Mroß

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ermitteln. Diese beiden Anfragen sind allerdings nur zuläs-sig, wenn die zu vollstreckenden Ansprüche mindestens 500Euro betragen.40 Die Anfrage beim Kraftfahrzeug-Bundesamtkommt vor allem bei juristischen Personen zum Tragen, diein den vorgenannten Registern gar nicht verzeichnet sind.Eine vorstufige Abfrage scheidet hierbei aufgrund der tat-sächlichen Unmöglichkeit einer Registrierung aus. Ermitteltder Gerichtsvollzieher einen anderen Aufenthaltsort, ist jenach Auftragsart wie folgt zu verfahren: Die örtliche Zustän-digkeit des Gerichtsvollziehers ist nur für das Vermögens-auskunftsverfahren in § 802 e ZPO gesetzlich geregelt. Hie-rin ist bestimmt, dass auf Antrag des Gläubigers der Auftragan den zuständigen Gerichtsvollzieher weiterzuleiten ist.Eine automatische Weiterleitung erfolgt stets, wenn derSchuldner innerhalb des Amtsgerichtsbezirks verzogen ist.41

Für andere Vollstreckungsaufträge an den Gerichtsvollziehererfolgt gem. § 29 Abs. 2 Nr. 2 GVO in der Regel eine Rück-gabe des Auftrages an den Gläubiger, damit dieser ggf. dieneue außerbezirkliche Anschrift nochmals verifizieren kann.Wünscht der Gläubiger dennoch hierbei eine Weiterleitung,sollte er dies im Auftrag vermerken.

V. Vermögensauskunft

1. Neues VerfahrenInhaltlich ändert sich die Vermögensauskunft gegenüber derbisherigen Eidesstattlichen Versicherung nach altem Rechtnichts. Die Angaben hinsichtlich anfechtungsrelevanter Tat-bestände knüpfen nunmehr allerdings eindeutig an den ers-ten Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft.42 Geändertsind jedoch die Voraussetzungen, der Verfahrensablauf, dieHinterlegung des Vermögensverzeichnisses und die Eintra-gung im Schuldnerverzeichnis.

Anders als bislang kann das Verfahren zur Abnahme derVermögensauskunft nunmehr an den Anfang jeglicherZwangsvollstreckung gegen den Schuldner gesetzt werden.Ein erfolgloser Pfändungsversuch ist damit nicht mehr erfor-derlich. Bei Vorliegen der allgemeinen Zwangsvollstre-ckungsvoraussetzungen und einem Antrag auf Vermögens-auskunft hat der Gerichtsvollzieher dem Schuldner eine Fristvon 2 Wochen zur Begleichung der gesamten Forderung zusetzen und den Schuldner für den Fall der Nichtzahlung so-gleich auf einen Zeitpunkt nach Ablauf dieser Frist in seinBüro zu laden43. Die Ladung kann auch in die Wohnung desSchuldners erfolgen, jedoch kann der Schuldner binnen ei-ner Woche nach Zustellung der Ortsbestimmung widerspre-chen, ansonsten der Schuldner den Termin in seiner Woh-nung wahrnehmen muss.44 Auf dieses Widerspruchsrecht istder Schuldner in der Ladung hinzuweisen. Der Schuldnermüsste danach erneut in das Büro des Gerichtsvollziehersgeladen werden, wodurch es im Ablauf zu einer deutlichenVerzögerung kommen kann.

Wie bisher ist eine Sofortabnahme der Vermögensaus-kunft möglich. Dies setzt allerdings nach wie vor einen er-folglosen Pfändungsversuch voraus. Die Erfolglosigkeit wirdnachgewiesen durch eine Durchsuchungsverweigerung odereine fruchtlose Pfändung beim Schuldner.45 Der Schuldnerhat aber hier das Recht, der sofortigen Abnahme zu wider-sprechen, woraufhin er ohne Einhaltung einer Zahlungsfristin das Büro des Gerichtsvollziehers zu laden ist.46 Aufgrundder üblichen Terminsstände wird jedoch keine Ladung vorAblauf von zwei Wochen stattfinden können. Darauf hin-

zuweisen ist, dass neben der Bereitschaft des Schuldners zurSofortabnahme dieser hierzu auch in der Lage sein muss. Esist dem Gerichtsvollzieher nicht zumutbar, beim Schuldnerlängere Zeit abzuwarten, bis er die für die Auskünfte erfor-derlichen Unterlagen in seiner Wohnung vielleicht auffindet.Daher wird eine Sofortabnahme nur in geordneten und ein-fach gelagerten Fällen ausgeführt werden können. Eher istdaher an eine Ladung in die Wohnung des Schuldners zudenken, um vereinzelt fehlende Unterlagen hinzuzuziehen.

Der Gerichtsvollzieher hat das Vermögensverzeichnisnach Angaben des Schuldners selbst als elektronisches Do-kument zu erstellen. Ob die Erstellung sofort im PC (bei Vor-Ort-Abnahme) oder nachträglich durch Scan als PDF-Dateierstellt werden darf, ist strittig. Aufgrund der örtlichen undtechnischen Gegebenheiten ist eine unmittelbare elektro-nische Erfassung nicht immer möglich.47 Die Aufnahme ineine EDV-Maske wird damit aber zum Regelfall, da die Auf-nahme zumeist ohnehin im Büro des Gerichtsvollziehers er-folgt. Bei erforderlichen Anlagen zum Vermögensverzeichnisbleibt weiterhin nur die Möglichkeit, diese einzuscannenund eine PFD-Datei zu erzeugen. Die Datei des Vermögens-verzeichnisses hinterlegt der Gerichtsvollzieher beim Zentra-len Vollstreckungsgericht. Jedes Bundesland hat jeweils einZentrales Vollstreckungsgericht eingerichtet. Auf den Serverdieses Gerichts übermittelt der Gerichtsvollzieher die Datei.Der Gläubiger erhält einen Ausdruck des Vermögensver-zeichnisses48 und auf ausdrücklichen Antrag eine Abschriftdes Protokolls.49

Auch kann dem Gläubiger das Vermögensverzeichnis alsDatei übermittelt werden, wenn die Übermittlung aufgrundeiner qualifizierten elektronischen Signatur und ver-schlüsselt erfolgt.50 Das Vermögensverzeichnis bleibt für dieDauer von zwei Jahren bzw. bis ein neues Vermögensver-zeichnis hinterlegt wird auf dem Server des Zentralen Voll-streckungsgerichts bestehen. Daneben wurde ein bundeswei-tes elektronisches Register eingerichtet, in dem allehinterlegten Vermögensverzeichnisse verzeichnet sind.51 DieEinsichtnahme in dieses Register ist nur Gerichtsvollziehern,Vollstreckungsbehörden, Vollstreckungs-, Insolvenz- und Re-gistergerichten sowie Strafverfolgungsbehörden erlaubt.52

Künftig erfährt daher kein Gläubiger mehr, ob noch eingültiges Vermögensverzeichnis eines Schuldners vorhandenist. Nur durch einen Auftrag zur Abnahme der Vermögens-auskunft erfährt der Gläubiger, ob ein Vermögensverzeich-nis vorhanden ist, wie alt dieses ist und er erhält automatischvon einem ggf. noch vorhandenen Vermögensverzeichniseine Abschrift.53 Die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis(folgt) sind nämlich vom künftigen Vermögensverzeichnis-register vollständig entkoppelt.

Das Vermögensverzeichnis darf gem. § 802 d Abs. 1Satz 3 ZPO vom Gläubiger nur zu Vollstreckungszwecken

MN Zwangsvollstreckung

Aufsätze

40 Zur Berechnung dieser Grenze vgl. noch unten VI).

41 § 29 Abs. 2 Nr. 2 GVO.

42 § 802 c Abs. 2 ZPO.

43 Verfahrensablauf vgl. § 802 e ZPO.

44 § 802 f Abs. 2 ZPO.

45 § 807 Abs. 1 ZPO n. F.

46 § 807 Abs. 2 ZPO n. F.

47 Vgl. hierzu Mroß, DGVZ 2012, 169 (174).

48 § 802 f Abs. 6 ZPO.

49 § 760 ZPO.

50 § 802 d Abs. 2 ZPO; dies wird nur möglich sein über EGVP oder De-Mail.

51 § 802 k Abs. 1 Satz 2 ZPO.

52 § 802 k Abs. 2 ZPO.

53 § 802 d Abs. 1 Satz 2 ZPO.

Anwälte müssen umlernen: Neue Mögl ichkeiten in der Zwangsvollstreckung, Mroß AnwBl 1 / 2013 19

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im vorliegenden Einzelfall genutzt werden und muss sogarnach Durchführung der Vollstreckung vernichtet werden. Esstellt damit einen Verstoß gegen Datenschutzbestimmungendar, wenn Angaben im Vermögensverzeichnis für weitereVollstreckungstitel des Gläubigers oder gar vom Gläubiger-vertreter für andere Mandanten verwendet werden.

2. Erneute Vermögensauskunft und SperrfristKünftig ist der Schuldner auf Antrag verpflichtet, alle zweiJahre statt bislang nach drei Jahren eine Vermögensauskunftabzugeben. Vor Ablauf von zwei Jahren besteht dennoch dieVerpflichtung zur erneuten Vermögensauskunft, wenn derGläubiger Tatsachen glaubhaft macht, die auf eine wesentli-che Veränderung der Vermögensverhältnisse schließen las-sen.54 Die gegenüber § 903 ZPO a. F. geänderten Vorausset-zungen können einerseits zu einer Erweiterung derTatbestände führen („Änderung der Vermögensverhält-nisse“), schränken jedoch wiederum auch die Voraussetzun-gen ein, da die Veränderungen „wesentlich“ sein müssen.Näheres werden Anträge, Handhabung und Rechtsprechungin Zukunft entwickeln.

In der Übergangszeit ist vom Gerichtsvollzieher auchbeim Amtsgericht nachzufragen, ob dort noch ein Vermö-gensverzeichnis nach altem Recht hinterlegt ist, das auf-grund der Sperrfrist weiterhin gültig ist.55 Einen Antrag aufreine Abschriftenerteilung gibt es nach neuem Recht nichtmehr, sondern die Abschriftenerteilung erfolgt obligatorischmit Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft.56 NachÜbergangsrecht kann der Gläubiger aber auch noch direktgem. § 39 Nr. 4 EGZPO das alte Vermögensverzeichnis beimAmtsgericht einsehen oder sich dort eine Abschrift erteilenlassen. Die Abnahme der Vermögensauskunft oder Erteilungder Abschrift kann der Schuldner nur verhindern, indemeine gütliche Erledigung herbeigeführt wird. Vor Abschrif-tenerteilung nach neuem Recht hat der Gerichtsvollzieherden Schuldner daher in der Regel anzuhören.57

3. Eintragung im SchuldnerverzeichnisDie Eintragung im Schuldnerverzeichnis erfolgt nicht mehrautomatisch, sondern nur noch nach Anordnung durch denGerichtsvollzieher. Er hat gem. § 882 c Abs. 1 ZPO eine Ein-tragungsanordnung zu erlassen, wenn9 der Schuldner im Termin zur Abgabe der Vermögensaus-kunft nicht erscheint oder die Vermögensauskunft verweigert;9 nach Abgabe der Vermögensauskunft ersichtlich ist, dassfür den betreibenden Gläubiger eine vollständige Befriedi-gung nicht zu erwarten ist;9 oder wenn der Schuldner nicht binnen eines Monatsnach Abgabe der Vermögensauskunft oder Bekanntgabe ei-ner Abschrift eine Erteilung die Befriedung des Gläubigersnachweist.

Hierbei hat der Gerichtsvollzieher eine Prognose anzu-stellen, die in das Protokoll aufgenommen werden sollte.58

Die Eintragung soll nach dem Tatbestand auf Fälle der offen-sichtlichen Unzulänglichkeit der Vollstreckungsmasse be-schränkt bleiben und andernfalls im Zweifel nach der drittenAlternative verfahren werden.59 Solange ein Zahlungsplannoch läuft (§ 882 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) kann die Eintragungnicht durchgeführt werden.

Strittig ist, ob eine gütliche Erledigung noch im An-schluss an die Erteilung der Abschrift des Vermögensver-zeichnisses an den Gläubiger binnen der Monatsfrist derdritten Alternative vereinbart werden kann. Auf den ersten

Blick lässt der Wortlaut des Gesetzes hierauf schließen.60 DerAutor ist allerdings der Ansicht, dass das Eintragungsverfah-ren sich künftig an das Zwangsvollstreckungsverfahren alsAmtsverfahren anschließt, der Dispositionsbefugnis desGläubigers entzogen ist und in dieser Phase auch keinegütliche Erledigung mehr vereinbart werden kann.61 Diese istmöglich noch nach Aufnahme der Vermögensauskunft undÜbersendung des Vermögensverzeichnisses an den Gläubi-ger, aber nur solange, wie der Gerichtsvollzieher noch im Be-sitz des Vollstreckungstitels ist.62

Nach Bekanntgabe der Eintragungsanordnung an denSchuldner (im Termin oder durch Zustellung) hat derSchuldner eine Widerspruchsfrist von zwei Wochen.63 DerWiderspruch wäre beim örtlichen Vollstreckungsgericht ein-zulegen und hat keine aufschiebende Wirkung. Erst nachAblauf dieser Frist vollzieht der Gerichtsvollzieher die Eintra-gung elektronisch im Schuldnerverzeichnis auf dem Serverdes Zentralen Vollstreckungsgerichts. Die Eintragung erfolgtfür die Dauer von drei Jahren und kann vorzeitig gelöschtwerden, insbesondere wenn die Befriedigung des Gläubigersnachgewiesen wird. Daher ist es ratsam, im Löschungs-schreiben des Gläubigers stets auch das vormalige Aktenzei-chen des Gerichtsvollziehers anzugeben, zu dem die Eintra-gung erfolgte. Bedeutsam ist nämlich, dass die Eintragungkünftig für jeden Gläubiger erfolgen kann, der eine Vermö-gensauskunft beantragt, also auch für den Gläubiger, der alsFolgegläubiger nur eine Abschrift eines bereits hinterlegtenVerzeichnisses erhält.64 Künftig werden die Schuldner dem-nach vielfach für die Dauer von drei Jahren im Schuldnerver-zeichnis eingetragen. Eingetragen werden die Personen-standsdaten beziehungsweise Registernummer, Wohnsitze,Aktenzeichen des Gerichtsvollziehers, das Datum der Eintra-gungsanordnung und der Eintragungsgrund, nicht jedochGläubiger, Titel und Höhe der Forderung.65 Auch wird einge-tragen auf Veranlassung des Insolvenzgerichts die Abwei-sung des Insolvenzeröffnungsantrages mangels Masse.

Die Auskunftsberechtigung aus dem Schuldnerverzeich-nis ist im Wesentlichen unverändert geregelt. Die Einsicht indas Schuldnerverzeichnis ist jedem gestattet für Zwecke derZwangsvollstreckung, um gesetzliche Pflichten zur Prüfungder wirtschaftlichen Zuverlässigkeit zu erfüllen, um die Vo-raussetzungen für die Gewährung von öffentlichen Leistun-gen zu prüfen, um wirtschaftliche Nachteile abzuwenden, fürZwecke der Strafverfolgung und Strafvollstreckung oder zurEigenauskunft.66 Hierzu kann ein Ausdruck zu den einenSchuldner betreffenden Eintragungen im Schuldnerverzeich-nis durch Übermittlung der Daten erfolgen. Auch bestehtkünftig die Möglichkeit des automatisierten Abrufverfahrensfür Kammern und andere Bezieher von Abdrucken, soweitdies zu ihrer ordnungsgemäßen Tätigkeit gehört (Auskunf-teien).

MN Zwangsvollstreckung

54 § 802 d Abs. 1 Satz 1 ZPO.

55 § 39 Nr. 4 EGZPO.

56 So Mroß, DGVZ 2012, S. 160 (174).

57 Mroß, DGVZ 2012, S. 169 (175).

58 BT-Drucks 16/10069, S. 37.

59 BT-Drucks 16/10069, S. 37 zu § 882 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.

60 vgl. Begründung in BT-Drucks. 16/10069, S. 38 zu Nr. 3.

61 Mroß, DGVZ 2012, 169 (175).

62 § 754 Abs. 1 ZPO.

63 § 882 d Abs. 1 ZPO.

64 § 802 d Abs. 1 Satz 2 ZPO.

65 § 882 b Abs. 2 ZPO.

66 § 882 f ZPO.

20 AnwBl 1 / 2013 Anwälte müssen umlernen: Neue Möglichkeiten in der Zwangsvol lstreckung, Mroß

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Dies ist auch über eine länderübergreifende Abfrage imInternet möglich.67 Hierfür ist ein Registrierungsverfahrenfür die Nutzungsberechtigten durch das Zentrale Vollstre-ckungsgericht des Einsichtsberechtigten vorgesehen.68 Sämt-liche erhobenen Daten müssen gelöscht werden, soweit derZweck der Datenermittlung erreicht wurde.69 Aus daten-schutzrechtlichen Gründen wird einem Schuldner bei Selbst-auskunft mitgeteilt, wer und aus welchem Rechtsgrund eineelektronische Abfrage durchgeführt hat. Durch die Einsicht-nahme in das Schuldnerverzeichnis in neuer Form kann derGläubiger durchaus Schlüsse auf die Vermögenssubstanzdes Schuldners ziehen, da der Eintragungsgrund mit angege-ben ist und die Anzahl der Eintragungen ein realistischeresBild über das Ausmaß der Verschuldung vermittelt.

4. HaftbefehlFür die Vollstreckung eines Haftbefehls zur Erzwingung derAbgabe der Vermögensauskunft gibt es keine Veränderunggegenüber dem bisherigen Recht. Allerdings wird der Erlassdes Haftbefehls nicht mehr im Schuldnerverzeichnis einge-tragen, da bereits zuvor die Terminssäumnis oder Weigerungeingetragen wird.

VI. Drittauskünfte

Ist der Schuldner nicht zum Termin zur Abgabe der Vermö-gensauskunft erschienen oder hat diese verweigert oderkann aus den Angaben des Vermögensverzeichnisses keineBefriedigung erwartet werden, hat der Gläubiger das Recht,Auskünfte nach Vermögensgegenständen bei dritten Stellenüber den Gerichtsvollzieher zu erheben:9 Ermittlung des Arbeitgebers beim Träger der gesetzlichenRentenversicherung;9 Kontoinformationen beim Bundeszentralamt für Steu-ern;9 Fahrzeug- und Halterdaten beim Kraftfahrzeug-Bundes-amt.

Die Erhebung ist nur zulässig, soweit dies für die Voll-streckung erforderlich ist und die zu vollstreckenden An-sprüche mindestens 500 Euro betragen. Die 500-Euro-Grenzewurde aus Datenschutzgründen eingeführt. Die Kosten derZwangsvollstreckung und Nebenforderungen sind dabei nurzu berücksichtigen, wenn sie allein Gegenstand des Vollstre-ckungsauftrages sind.70 Allerdings sind diese Kosten und Ne-benforderungen dann zu berücksichtigen, wenn sie betrags-mäßig tituliert sind oder anderweitig im Titel ausgeworfensind, z. B. auch bisherige Mahn- und Inkassokosten sowiebis zum Erlass des Vollstreckungsbescheids aufgelaufeneZinsen.71 Verfahrensmäßige Voraussetzung für einen Gläu-bigerantrag ist, dass diesem Gläubiger ein Vermögensver-zeichnis vorliegt bzw. ein Verfahren zur Abgabe der Vermö-gensauskunft vorangegangen ist.72 Eine Drittauskunft istdanach auch möglich, wenn der Gläubiger aufgrund einesbereits vorhandenen Vermögensverzeichnisses lediglich eineAbschrift als Folgegläubiger erhält und im zeitlichen Zusam-menhang diese Drittauskunft bei Vorliegen der übrigen Vo-raussetzungen beantragt.73 Auch diese eingeholten Drit-tauskünfte dürfen nur für den jeweiligen Einzelfallverwendet werden. Der Gerichtsvollzieher hat den Schuldnermit einer Verzögerung von bis zu 4 Wochen über die erteil-ten Auskünfte zu informieren.74 Ziel ist es, dass der Gerichts-vollzieher die Anfragen elektronisch und daher beschleunigt

durchführt. Nach derzeitiger Lage können die Anfragen beider Deutschen Rentenversicherung vorerst nur schriftlichdurchgeführt werden. Bei der Kontoabfrage wird nicht dasMerkmal mitgeteilt, ob es sich um ein P-Konto handelt.75

Künftig wird es für alle Aufträge wichtig sein, vollstän-dige Personenstandsangaben des Schuldners bereits im An-trag mitzuteilen.

VII. Pfändung

Beim Pfändungsauftrag sind keine wesentlichen Änderun-gen zu verzeichnen. Die Ratenzahlungsmöglichkeit des§ 806 b ZPO und die Aussetzung der Verwertung gem.§§ 813 a, b ZPO werden ersetzt durch die generelle Möglich-keit der gütlichen Erledigung. Bestehen bleibt § 806 a ZPO,wonach (nur) im Rahmen eines Pfändungsauftrages derSchuldner nach weiteren Vermögenswerten befragt werdenkann. § 63 GVGA erhält nur noch eine geringe Bedeutung,als Hinweis für den Gläubiger zur etwaigen Vermeidung vonWohnungsöffnungen.

VIII. Rechtsmittel

Das Spezialrechtsmittel des Widerspruches gegen die Ver-pflichtung zur Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung ent-fällt. Es gibt nunmehr nur noch das generelle Rechtsmittelder Vollstreckungserinnerung gem. § 766 Abs. 1 ZPO gegenalle Vollstreckungsmaßnahmen des Gerichtsvollziehers. So-weit der Schuldner sich schriftlich oder im Termin unter Ein-legung eines Rechtsmittels weigert, die Vermögensauskunftabzugeben, liegen damit auch die Voraussetzungen vor, aufAntrag des Gläubigers die Erzwingungshaft zur Abgabe derVermögensauskunft durch das Gericht anzuordnen oderAuskünfte bei den Drittstellen einzuholen. Da die Einlegungder Erinnerung keine aufschiebende Wirkung hat, kanndiese nur durch einen gesonderten Antrag des Schuldnersbeim Vollstreckungsgericht auf Einstellung der Zwangsvoll-streckung gem. § 766 in Verbindung mit § 732 Abs. 2 ZPOherbeigeführt werden. Eine Entscheidung über diesen An-trag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung ist jedoch ab-zuwarten, da ansonsten der Anspruch des Schuldners aufein faires Verfahren gem. Art. 20 Abs. 3 GG tangiert wäre.Auch hat der Gerichtsvollzieher das Recht, zuvor einer Erin-nerung abzuhelfen.76

IX. Forderungspfändung

Unverändert kann eine beschleunigte Beschlagnahme einerForderung durch den Gerichtsvollzieher durch ein vorläufi-ges Zahlungsverbot gem. § 845 ZPO ausgebracht werden.Hierbei handelt es sich um eine privatrechtliche Erklärung,

MN Zwangsvollstreckung

Aufsätze

67 § 8 SchuFV.

68 § 7 SchuFV.

69 § 9 Abs. 2 SchuFV.

70 § 802 l Abs. 1 Satz 2 ZPO.

71 So auch der Beschlussempfehlung im Bericht des Rechtsausschusses in BT-Drucks 16/13432 S. 53 zu entnehmen.

72 BT-Drucks 16/10069, S. 31.

73 Mroß, DGVZ 2012, S, 169 (177).

74 § 802 l Abs. 3 ZPO.

75 Bericht zur Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks, 16/13432,S. 52.

76 Walker in Schuschke/Walker a. a. O., Rdnr. 20 zu § 766 ZPO.

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MN Zwangsvollstreckung

die direkt vom Gläubiger vorgefertigt werden kann oder imAuftrag des Gläubigers vom Gerichtsvollzieher gefertigtwird.77 Das öffentlich-rechtliche Pfändungspfandrecht ent-steht rückwirkend auf den Zeitpunkt der Zustellung des vor-läufigen Zahlungsverbots beim Drittschuldner mit Zustel-lung eines vom Vollstreckungsgericht erlassenen Pfändungs-und Überweisungsbeschlusses. Für den Antrag auf Erlass ei-nes Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hat das BMJzwischenzeitlich einen ab 1.3.2013 verbindlichen Vordruckeingeführt.78 Für Forderungen aus einem Vollstreckungs-bescheid in Höhe von bis zu 5.000 Euro kann der Auftrag andas Vollstreckungsgericht auch elektronisch erteilt werden,ohne dass die Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids inPapierform an das Gericht übermittelt werden muss. Aller-dings darf der Vollstreckungsbescheid nicht mit einerRechtsnachfolgeklausel versehen oder die Vorlage andererUrkunden erforderlich sein. Der Vollstreckungsbescheid istals elektronisches Dokument (PDF-Scan) beizufügen. DerVollstreckungsbescheid muss dem Gläubiger aber vorliegen,so dass keine Simultanvollstreckung gleichzeitig bei anderenVollstreckungsorganen durchgeführt werden darf.79

X. Kosten

Mit den zusätzlichen Aufgaben für den Gerichtsvollzieherwerden auch die entsprechenden Kostentatbestände neu ein-geführt. So entstehen beim Gerichtsvollzieher für einen iso-lierten Auftrag zum Versuch einer gütlichen ErledigungGebühren in Höhe von 12,50 Euro (KV 207 zu § 9 GvKostG).Diese Gebühr entsteht nicht, wenn die gütliche Erledigungim Rahmen einer anderen Vollstreckungsmaßnahme mitdurchgeführt wird. Die Abnahme der Vermögensauskunftverursacht 25,00 Euro Gebühren (KV 260 zu § 9 GvKostG).Diese Gebühr ermäßigt sich gegenüber der bisherigenGebühr für die Abnahme der Eidesstattlichen Versicherungvon bisher 30,00 Euro. Liegt bereits innerhalb der Sperrfristein Vermögensverzeichnis des Schuldners vor, entstehenkünftig gleichfalls 25,00 Euro Gebühren, wenn der Antragauf Abnahme der Vermögensauskunft zur Abschriftenertei-lung an den Gläubiger führt (KV 262 zu § 9 GvKostG). Mitdiesen Gebühren abgegolten wird auch das künftig anschlie-ßend durchzuführende Eintragungsverfahren für dasSchuldnerverzeichnis. Für die Nichterledigung eines Auftra-ges zur Abnahme der Vermögensauskunft entsteht eineGebühr in Höhe von 12,50 Euro (KV 604 zu § 9 GvKostG).Künftig erhebt das Amtsgericht für die Entscheidung überden Antrag auf Erlass eines Haftbefehls eine Gebühr inHöhe von 15,00 Euro (KV 2013 zu § 3 GKG). Für Auskünftezur Adressermittlung oder nach Vermögensgegenständenbei Drittstellen entsteht eine Gebühr von 10,00 Euro für jedeangefragte Stelle (KV 440 zu § 9 GvKostG). Bereits deshalbist jede Auskunftstelle gegebenenfalls auch vom Gläubigerexplizit zu benennen. Miterhoben werden können auch et-waige Auslagen, die durch die Berechnung der auskunft-gebenden Stellen entstehen (KV 708 zu § 9 GvKostG). Sowird für die Auskunft bei der Deutschen Rentenversicherungdort eine Gebühr von 10,20 Euro erhoben, sobald eine elek-tronische Abfrage eingeführt ist (bis dahin auslagenfrei).

XI. Zweckmäßige Auftragsgestaltung

Die Entscheidung, wann welche Aufträge und gegebenen-falls in welcher Reihenfolge vom Gläubiger gestellt werden,obliegt alleine seiner Entscheidung, soweit nicht vorangegan-gene Maßnahmen verfahrensmäßig erforderlich sind. AusSicht der Praxis ist der Auftrag zur isolierten gütlichen Erle-digung vor allem dann zu empfehlen, wenn nach Titelerlassnoch kein eigener Kontakt des Gläubigers zum Schuldner er-folgt ist und damit noch eine niedrige Eskalkationsstufe be-steht. Bei eigenen Erkenntnissen auf mögliche pfändbareGegenstände sollte der Hinweis hierauf im Pfändungsauf-trag erteilt werden. Mit beiden Auftragsmöglichkeiten kannauch sogleich unter der Bedingung ihres Scheiterns ein Auf-trag zur Abgabe der Vermögensauskunft verbunden werden.Hierbei handelt es sich um einen Folgeauftrag, der bei Vor-liegen der Bedingung ohne Rückfrage beim Gläubiger aus-geführt würde. Die Drittauskünfte erscheinen vor allemdann empfehlenswert, wenn der Schuldner im Termin zurAbnahme der Vermögensauskunft nicht erscheint. Aller-dings umfassen die Drittauskünfte nur einige wenigeVermögensgegenstände und liefern kein umfassendes Bildüber die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse desSchuldners, enthalten vor allem keine Lebensversicherungs-verträge und Grundstücke. Dies kann weiterhin nur durcheine strafbewehrte Selbstauskunft des Schuldners, dieVermögensauskunft, erlangt werden. Die Drittauskunft kannauch als Folgegläubiger nach Erhalt einer Abschrift eines äl-teren Vermögensverzeichnisses beantragt werden. Hierbeiist ein zeitlicher Zusammenhang zur erteilten Abschrift zubeachten. Sodann kann eine beschleunigte Beschlagnahmenach Ermittlung von Forderungen durch Antrag auf Erlasseines vorläufigen Zahlungsverbotes erreicht werden. Nichtzuletzt tritt eine Beschleunigung ein, wenn der Gerichtsvoll-zieher sogleich mit der Adressermittlung zumindest bei derGemeinde beauftragt wird für den Fall, dass der Schuldneram Wohnsitz nicht ermittelt wurde. Die Möglichkeit zurgütlichen Erledigung beim Gerichtsvollzieher ist demDurchführen von Zwangsmaßnahmen aus Kostenrisi-kogründen in der Regel vorzuziehen. Denkbar ist es, einegütliche Erledigung erst dann als Auftragsbedingung zuzu-lassen, nachdem der Schuldner eine Vermögensauskunft ab-gegeben und der Gläubiger das Vermögensverzeichnis erhal-ten hat. Hiernach kann der Gläubiger sogleich für den Falldes Scheiterns eines Zahlungsplanes Zwangsmaßnahmenbeantragen; der Schuldner wird sich aber um Einhaltungbemühen, da ansonsten die Eintragung im Schuldnerver-zeichnis eingeleitet wird.

77 Hascher, DGVZ 2009, 92.

78 § 2 VO des BMJ über Formulare für die Zwangsvollstreckung vom 01.09.2012.

79 § 829 a ZPO.

22 AnwBl 1 / 2013 Anwälte müssen umlernen: Neue Möglichkeiten in der Zwangsvol lstreckung, Mroß

Stefan Mroß, Bühl/BadenStefan Mroß, Bühl/BadenDer Autor ist Diplom-Rechtspfleger, als Obergerichtsvollzie-her am Amtsgericht Bühl in Baden tätig sowie Schriftleiterder Deutschen Gerichtsvollzieher-Zeitung.

Leserzuschriften an [email protected].

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ZwangsvollstreckungZwangsvollstreckung

Ein Tipp für Anwälte:Wer schnell umdenkt,für den wird vieles leichterDie Reform der Sachaufklärung in derZwangsvollstreckung – die AnwaltssichtRechtsanwalt Henry Euba, Stralsund

Nachdem der Gesetzgeber die Möglichkeiten der Vollstre-ckung zum Beispiel durch Einführung des so genanntenP-Kontos weiter eingeschränkt hat, soll nun eine erfolgreicheVollstreckung erleichtert werden. Das Gesetz zur Moderni-sierung der Sachaufklärung im Zwangsvollstreckungsverfah-ren wurde bereits 2009 verabschiedet. Es ist jetzt am 1. Ja-nuar 2013 in Kraft getreten. Der Gesetzgeber hat eine mehrals dreijährige Umsetzungszeit vorgesehen, da mit dem Ge-setz umfangreiche technische Veränderungen erforderlichwerden. Der Autor stellt aus Anwaltssicht zentrale neuen Re-gelungen vor, damit sich die Gläubiger und Gläubigervertre-ter schnell auf die neue Rechtslage einstellen und damit dieVollstreckungsergebnisse verbessern können. Siehe ausführ-lich zur Reform auch Mroß (AnwBl 2013, 16 in diesemHeft).

Das Gesetz unterscheidet nun klar zwischen der Informati-onsbeschaffung zur Gewährleistung einer erfolgreichenZwangsvollstreckung und den Folgen einer ergebnislosenVollstreckung. Die Verschaffung von Informationen überden Schuldner und sein Vermögen werden vom Gesetz anden Beginn der Vollstreckung gestellt. Kern der neuen Rege-lungen ist es, dass die Gerichtsvollzieher künftig erstmalsvon dritter Seite Informationen über die Vermögensverhält-nisse von Schuldnern erhalten können, damit titulierte For-derungen erfolgreich eingetrieben werden können. Darüberhinaus erfolgt eine Modernisierung des Verfahrens und einetechnische Verbesserung der Schuldnerregister.

I. Verbesserung und Erweiterung der Möglichkeitenzur Informationsbeschaffung für die Gläubiger

1. Informationsbeschaffung an den Beginn der VollstreckungverlegtMaßgeblich für den Erfolg oder den Misserfolg der Vollstre-ckung ist die Art und der Umfang der dem Gläubiger zurVerfügung stehenden Informationen über die Einkommens-und Vermögenslage des Schuldners. Die dem Gläubiger-mandanten regelmäßig zur Verfügung stehenden Informa-tionen sind erfahrungsgemäß dürftig. Auskünfte aus pri-vaten Registern sind zum einen kostenpflichtig undandererseits geben sie auch nicht für alle Schuldner nutzbareErkenntnisse preis. In der Regel war man nach der früherenRechtslage daher auf Auskünfte des Schuldners selbst ange-wiesen. Diese erhielt man im Wege des Verfahrens über dieAbgabe der eidesstattlichen Versicherung allerdings erstnach einem erfolglosen Sachpfändungsversuch.

Nach der neuen Rechtslage bedarf es hierzu eines sol-chen Versuchs dann nicht mehr.

Obwohl der Schuldner bisher dazu verpflichtet ist, dieAuskunft an Eides statt wahrheitsgemäß nach bestem Wis-sen und Gewissen abzugeben, bestand bei der früheren Be-schränkung auf ihn als alleinige Informationsquelle einehohe Gefahr, dass er unvollständige oder falsche Angabenmacht.

Die Möglichkeiten der Informationsgewinnung für denGläubiger werden an den Beginn des Zwangsvollstreckungs-verfahrens gestellt. Künftig kann der Gerichtsvollzieher vomSchuldner eine Vermögensauskunft verlangen, ohne dassein erfolgloser Versuch einer Sachpfändung, das heißt derPfändung von beweglichen Gegenständen im Eigentum desSchuldners, vorangegangen ist (§§ 802 c, 802 a Abs. 2 Nr. 2ZPO n. F.). Auf diese Weise wird es dem Gläubiger nunermöglicht, sich bereits vor der Einleitung konkreter Vollstre-ckungsmaßnahmen ein Bild über die Einkommens- undVermögenslage des Schuldners zu machen. Er wird in dieLage versetzt, entscheiden zu können, ob und welche Voll-streckungsmaßnahmen er ergreift. Durch die so gefundenetragfähige Informationsbasis ist es dem Gläubiger jetztmöglich Vollstreckungsmaßnahmen zu planen und gezieltdurchzuführen. Dies führt zu Kosten- und Zeitersparnissen.

2. Befugnis des Gerichtsvollziehers zur Einholung vonFremdauskünften über den Schuldner und sein Vermögenbei DrittenGibt der Schuldner die Vermögensauskunft nicht ab oder ist

nach dem Inhalt der Auskunft eine vollständige Befriedigungdes Gläubigers nicht zu erwarten, ist der Gerichtsvollzieherkünftig befugt, Fremdauskünfte bei den Trägern der Renten-versicherung, beim Bundeszentralamt für Steuern und beimKraftfahrt-Bundesamt über ein Arbeitsverhältnis, Konten,Depots oder Kraftfahrzeuge des Schuldners einzuholen(§ 802 l ZPO n. F.). Die zu vollstreckende Forderung muss da-bei mindestens 500 Euro betragen. Vollstreckungskostenund Zinsen sind bei der Berechnung dieses Betrages nurdann zu berücksichtigen, wenn sie allein Gegenstand derVollstreckung sind (§ 802 l Abs. 1 S. 2 ZPO n. F.).

Auf der Grundlage dieser Informationen kann der Gläu-biger dann öfter und schneller erfolgreich vollstrecken, zumBeispiel durch eine Pfändung von Lohn oder Kontoguthabendes Schuldners durch das Vollstreckungsgericht oder durchPfändung eines auf den Schuldner zugelassenen Kraftfahr-zeuges durch den Gerichtsvollzieher. Auf den Schuldnerwird zusätzlicher Druck ausgeübt, die Forderung zu beglei-chen und seine Angaben rechtzeitig, vollständig und richtigzu machen. Das Risiko, dass falsche oder unvollständige An-gaben entdeckt werden und Sanktionen zur Folge haben,erhöht sich durch die Auskünfte Dritter deutlich. Die betref-fenden Maßnahmen sind im Vollstreckungsauftrag aus-drücklich zu bezeichnen (§ 802 a ZPO n. F.).

II. Gravierende Änderungen im Verfahren überdie Abgabe der eidesstattlichen Versicherung

1. Verkürzung der Frist bis zur erneuten Abgabe dereidesstattlichen VersicherungDie Frist, innerhalb derer der Schuldner erneut zur Abgabeder Vermögensauskunft und deren eidesstattlicher Versiche-rung verpflichtet ist, wurde durch das neu in Kraft getretene

MN Zwangsvollstreckung

Aufsätze

E in Tipp für Anwälte: Wer schnell umdenkt, für den wird vieles leichter, Euba AnwBl 1 / 2013 23

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Gesetz verkürzt. Der Schuldner kann jetzt nach § 802 dAbs. 1 ZPO n.F. bereits nach zwei Jahren erneut zur Abgabeder betreffenden Auskunft geladen werden.

2. Modernisierung des VerfahrensGleichzeitig wird das Verfahren zur Abgabe der Vermögens-auskunft (bisher: „eidesstattliche Versicherung“) und dieVerwaltung der Informationen modernisiert.

a) Vermögensverzeichnis als elektronisches DokumentDer Gerichtsvollzieher erstellt das Vermögensverzeichnis desSchuldners als elektronisches Dokument (§ 802 f Abs. 5 ZPOn. F.) und leitet dieses an den Gläubiger unverzüglich weiter(§ 802 f Abs. 6 ZPO n. F.).

b) Elektronische Verwaltung des Vermögensverzeichnissesbeim zentralen Mahngericht des jeweiligen BundeslandesEr hinterlegt dieses elektronische Dokument nach § 802 fAbs. 6 ZPO n. F. beim zentralen Vollstreckungsgericht nach§ 802 k Abs. 1 ZPO n. F. Dort wird es nach § 802 k Abs. 1ZPO n. F. elektronisch verwaltet. Bislang geschah dies in derRegel nicht elektronisch bei den jeweiligen örtlichen Amts-gerichten. Künftig steht damit nach § 802 k Abs. 1 ZPO in je-dem Bundesland eine zentrale elektronische Auskunftsstellezur Verfügung, welche einen schnelleren und erleichtertenZugriff ermöglicht, die Vollstreckung erleichtert und be-schleunigen wird. Umzüge des Schuldners in andere Amts-gerichtsbezirke des Bundeslandes erschweren die Vollstre-ckung dann nicht mehr.

Zugriff auf die Datenbank haben die Gerichtsvollzieher(§ 802 k Abs. 2 S. 1 ZPO n. F.), welche diese nach § 802 dAbs. 1 S. 2 ZPO n. F. auf Antrag zu Vollstreckungszweckenan die Gläubiger weiterleiten, wenn die Voraussetzungen fürdie erneute Vermögensauskunft nach § 802 d Abs. 1 S. 1ZPO n. F. nicht vorliegen. – Darüber hinaus sind nach § 802 kAbs. 2 ZPO n. F. die Vollstreckungs-, Register- und Insol-venzgerichte, Vollstreckungsbehörden und weitere staatlicheStellen, wie die Strafverfolgungsbehörden zum Abruf dervom zentralen Vollstreckungsgericht elektronisch verwalte-ten Vermögensverzeichnissen befugt.

c) Elektronische Verwaltung des Schuldnerverzeichnissesbeim zentralen Mahngericht des jeweiligen BundeslandesAuch das Schuldnerverzeichnis wird zukünftig beim zentra-len Vollstreckungsgericht des Landes geführt (§ 882 h Abs. 1ZPO n. F.). Der Inhalt des Schuldnerverzeichnisses kannüber eine zentrale und länderübergreifende Abfrage im In-ternet eingesehen werden (§ 882 h Abs. 1 ZPO n. F.). In die-sem werden auf Anordnung des Gerichtsvollziehers vonAmts wegen diejenigen Schuldner eingetragen, welche ihrerPflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nach-gekommen sind, bei denen eine Vollstreckung nach dem In-halt des Vermögensverzeichnisses offensichtlich nicht zueiner vollständigen Befriedigung des antragstellenden Gläu-bigers führen würde oder diejenigen Schuldner, welche nachAblauf einer gesetzlich bestimmten Frist von einem Monatnach Abgabe der Vermögensauskunft oder Mitteilung überdie Zuleitung des bereits vorhandenen Vermögensverzeich-nisses nach § 802 d Abs. 1 S. 2 ZPO n. F. die vollständige Be-friedigung des antragstellenden Gläubigers nicht nachgewie-sen haben.

Die Einsicht ist jedem gestattet, der ein berechtigtes Inte-resse im Sinne des § 882 f darlegt, zum Beispiel für Zweckeder Zwangsvollstreckung, zur gesetzlichen Prüfung der wirt-schaftlichen Zuverlässigkeit oder um wirtschaftliche Nach-teile abzuwenden, die daraus entstehen können, dass Schuld-ner ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, etc.

III. Gütliche Erledigung des Vollstreckungs-auftrages durch den Gerichtsvollzieher

In erster Linie gilt nach dem Gesetz der Grundsatz der effek-tiven und effizienten Vollstreckung (§ 802 a Abs. 1 ZPOn. F.). Die bisher verstreuten Einzelvorschriften zur gütlichenErledigung des Vollstreckungsauftrags werden zu einer ein-heitlichen Vorschrift des § 802 b ZPO n. F. zusammengefasstund erleichtern damit die Arbeit der Anwender.

IV. Vereinfachter Vollstreckungsauftrag ausVollstreckungsbescheid

Vom gesetzlichen Leitbild, wonach die Vollstreckung nur un-ter Vorlage eines dem Schuldner vorher zugestellten Titelsmit Vollstreckungsklausel zulässig ist, macht § 829 a ZPOn. F. für den Fall eines elektronischen Auftrages zur Pfän-dung und Überweisung einer im Vollstreckungsbescheid ti-tulierten Geldforderung eine Ausnahme. Diese Regelung er-spart es dem Gläubiger, dem Vollstreckungsgericht denVollstreckungsbescheid vorzulegen, wenn die zu vollstre-ckende Forderung nicht mehr als 5.000 Euro beträgt, eineAbschrift oder Ausfertigung des Vollstreckungsbescheidesnebst Zustellbescheinigung als elektronisches Dokumentdem Antrag beigefügt und vom Gläubiger versichert wird,dass ihm eine Ausfertigung des Vollstreckungsbescheidesund der Zustellbescheinigung vorliegen und die Forderungin Höhe des Vollstreckungsauftrages vorliegt. Auch dies wirdzu einer Vereinfachung und Beschleunigung der Vollstre-ckung führen.

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24 AnwBl 1 / 2013 Ein Tipp für Anwälte: Wer schnel l umdenkt, für den wird vieles leichter, Euba

Henry Euba, StralsundHenry Euba, StralsundDer Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- undWohnungseigentumsrecht.

Leserzuschriften an [email protected].

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AnwaltshaftungAnwaltshaftung

Aufrechnung mitHaftungsanspruch: Angriffist die beste VerteidigungFühren eines Honorarprozesses durch denBerufungshaftpflichtversicherer?Richter am Landgericht Wolfgang Dotsch, Bruhl

Nicht jede Pflichtverletzung eines Anwalts führt in einemMandat zum Schaden – und noch nicht einmal jede behaup-tete Pflichtverletzung ist auch eine. Der Abwehrschutz stelltdaher eine wesentliche Leistung der Berufshaftpflichtver-sicherer dar. Doch was passiert, wenn der Mandant nicht an-greift, sondern einfach mit den Honoraransprüchen des An-walts aufrechnet? Der Autor stellt die in der Literaturvertretenen Auffassungen dar. Seine Antwort: Der Berufs-haftpflichtversicherer muss in bestimmten Konstellationenauch beim Führen des Honorarprozesses helfen, damit imRahmen dieses Verfahrens geklärt wird, ob ein Haftungs-anspruch besteht.

Bei der (Berufs-)Haftpflichtversicherung ist der Versichererwegen § 100 VVG nicht nur verpflichtet, den Versicherungs-nehmer von berechtigten Ansprüchen freizustellen, die voneinem Dritten geltend gemacht werden, sondern auch dazu,unbegründete Ansprüche abzuwehren. Der Normalfall, dassder Versicherungsnehmer von einem Dritten zu Unrecht aufSchadensersatz in Anspruch genommen wird, lässt sich dortohne weiteres einordnen. Was ist aber genaue Folge der Ab-wehrverpflichtung, wenn der vermeintlich Geschädigteseinen Anspruch nicht aktiv geltend macht, sondern sich an-derweitig befriedigt, etwa durch Aufrechnung mit Gebühren-forderungen? In der Praxis kommt das gar nicht so seltenvor; erstaunlicherweise ist die Rechtslage alles andere als ge-klärt.

I. Die Abwehrkomponente in der Berufshaftpflicht-versicherung

Die Bedeutung der Abwehrkomponente der Berufshaft-pflichtversicherung kann nicht oft genug betont werden. Siewird in der Regel aber nur mit Blick auf den dem Gesetzund den üblichen AVB zugrundeliegenden „Normalfall“ ei-ner aktiven Inanspruchnahme des Versicherten durch denDritten thematisiert.1 Der BGH hat allgemein herausgearbei-tet, dass die Abwehr unberechtigter Ansprüche (Rechts-schutzverpflichtung) ebenso wie die Befriedigung begründe-ter Haftpflichtansprüche eine mit dieser gleichrangigeHauptleistungspflicht des Versicherers und nicht nur eineuntergeordnete Nebenpflicht ist.2 Der Versicherer hat nichtdas Recht, die mit der Abwicklung der Haftpflichtverbind-lichkeiten verbundenen Mühen und Kosten auf den Ver-sicherten abzuwälzen. Will der Versicherer nach Prüfung derSach- und Rechtslage den Anspruch bestreiten, muss er allestun, was zu dessen Abwehr notwendig ist; er allein trägt dieaus der Prüfung und Abwehr folgende Arbeitslast und Ver-

antwortung. Demgemäß hat er im Haftpflichtprozess –selbst bei Interessenkollisionen – die Interessen des Ver-sicherten so zu wahren, wie das ein von diesem beauftragterAnwalt tun würde.3

II. Erfordert die Rechtschutzpflicht das Führen ei-nes Aktivprozesses?

1. Das ProblemAuch im Bereich der Berufshaftpflichtversicherung derRechtsanwälte (§ 51 BRAO) wird es aber nicht immer zu ei-ner aktiven Inanspruchnahme des versicherten Rechts-anwalts durch den vermeintlich Geschädigten kommen.Kann der Mandant seinen angeblichen Schaden durch Auf-rechnung gegen noch offene Honorarforderungen – sei esaus dem gleichen Mandat oder auch einem anderen Man-datsverhältnis – begleichen (§§ 388 ff. BGB), wird er in derRegel keinen Prozess führen. Selbst bei nur teilweiser Befrie-digungsmöglichkeit durch Aufrechnung wird der Mandantnicht selten auf eine aktive Betreibung angeblicher weitererSchadensersatzforderungen gegen den Anwalt verzichten.Die Kosten und Mühen eines solchen Vorgehens wird der(vermeintlich) Geschädigte dann oft scheuen. Nicht seltenwird eine solche Aufrechnung auch mehr oder weniger vor-geschoben, weil der Mandant nach einem verlorenen Prozessdie restlichen Anwaltskosten nicht zahlen möchte. Ein paar(angebliche) Pflichtverletzungen lassen sich da schnell be-haupten.

Hier vertauschen sich die Rollen gegenüber dem anfangsgeschilderten „Normalfall“, bei denen in einem Passivpro-zess gegen den Versicherungsnehmer erhobene Ansprüche(nur) abzuwehren sind. Will der Rechtsanwalt in der vorlie-genden Konstellation noch zu seinem Recht (sprich: Geld)kommen, muss er aktiv eine gerichtliche Klärung her-beiführen.4 Er wird seinen Versicherer unter Umständen da-rauf aufmerksam machen, dass man von ihm faktisch eineSchadensersatzzahlung verlangt, vor der ihn der Versichererbewahren soll. Es liegt auf der Hand, dass die (letztlich zufäl-lige) Parteirolle nach Sinn und Zweck der Haftpflichtver-sicherung auch kaum Einfluss auf die Eintrittspflicht desVersicherers haben kann.

Ähnlich wie im „Normalfall“ muss der Versicherer imGrundsatz auch hier Anspruchsgrund und Höhe des ver-meintlichen Ersatzanspruchs prüfen und bei einer Verweige-rung der Regulierung die „Verteidigung“ des Versicherungs-nehmers übernehmen. Eine „Verteidigung“ gegen den odereine „Abwehr“ des zur Aufrechnung gestellten Ersatzanspru-ches kann und muss kraft Natur der Sache aber in eine ak-tive Rechtsverfolgung münden, wenn man nicht den unbe-gründeten Anspruch durch Hinnahme der Aufrechnungfaktisch befriedigen will. Die Situation ist für den Versiche-rer ungewohnt: Mit Mut und Entscheidungsfreudigkeit muss

Aufsätze

MN Anwaltshaftung

1 Siehe etwa nur Chab AnwBl. 2011, 217.

2 BGH NJW 2007, 2258, 2259; r + s 2007, 239.

3 BGH NJW 2007, 2258, 2259; r + s 2007, 239; NJW 2011, 377.

4 Es zeigt sich einmal mehr, dass das Einfordern ausreichender Kostenvorschüssedringend zu empfehlen ist. Deren Rückforderung im Schadensfall stellt den Man-daten vor eine gewisse Hürde und mündet jedenfalls in einen „normalen“ Passiv-prozess, nach richtiger Lesart sogar ohne versicherungsrechtliche Besonderheiten(siehe aber bei Fn. 6).

Aufrechnung mit Haftungsanspruch: Angriff ist die beste Verteidigung, Dötsch AnwBl 1 / 2013 25

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er seinen Entschluss zur Zahlung einer als begründet emp-fundenen Forderung (hier: an den Versicherten, da der Drittebei Anerkennung einer Haftung durch Aufrechnung befrie-digt ist, vgl. § 106 S. 2 VVG5) oder zur Abwehr der als unbe-gründet empfundenen Forderung an den Beginn der Aus-einandersetzung stellen.

2. Regelungslücke in den AVB?Die gängigen AVB regeln diese Sonderkonstellation leidernicht eindeutig: Der Ausschluss von Versicherungsschutzfür die „Rückforderung“ von Gebühren und Honoraren in § 1I. 1. A.E. AVB-RSW ist nach zutreffender Lesart kein ver-steckter sog. „Gebühreneinwurf“, sondern im Zusammen-spiel mit den gesonderten Regelungen zum Selbstbehalt desBerufsträgers nur ein letztlich deklaratorischer Ausschlussrein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsansprüche.6

Der Passus greift mithin für die hier interessierenden Fälleeiner Aufrechnung mit vermeintlichen Ersatzansprüchenaus anwaltlicher Pflichtverletzung per se nicht. Sprachlichdemgegenüber allein damit zu argumentieren, dass der Be-griff der „Rückforderung“ auf sämtliche denkbaren An-spruchsgrundlagen bezogen sei, verkennt meines Erachtensden Ausnahmecharakter der besonderen Ausschlussrege-lung, welche nach allgemeinen versicherungsvertraglichenGrundsätzen im Zweifel gerade eng auszulegen ist (sieheauch § 305 c Abs. 2 BGB).

Einen allgemeinen Ausschluss einer versicherungsver-traglichen Deckung für „Eigenschäden des Versicherungs-nehmers“ (auch) in Form von Streitigkeiten über Gebührenkann man – entgegen landläufiger Meinung7 – weder demVVG noch den üblichen AVB so ohne weiteres entnehmen.Auf den ersten Blick scheint zwar Versicherungsschutz wohlu. U. deswegen zu fehlen, weil es zunächst nur um Honorar-ansprüche des Rechtsanwalts geht, mit denen der die Ab-wehr von unberechtigten Schadensersatzforderungen schul-dende Versicherer nichts zu tun hat.8 Daran ist auch richtig,dass Erfüllungs- und Nachbesserungsansprüche vom Ver-sicherungsschutz als solche zweifelsfrei nicht umfasst sind(vgl. auch § 1 I 1 S. 2 AVB-RSW).9 Daraus lässt sich aberkeine allgemeine These einer „Unversicherheitbarkeit desunternehmerischen Risikos“ ableiten, wenn und soweit diesnicht in den AVB hinreichend geregelt ist.10

Fehlt es daran – wie im Regelfall – stehen schon die§§ 305 ff. BGB einer zu engen Auslegung des Versicherungs-vertrages entgegen. Bei genauerem Hinsehen geht es hierauch regelmäßig gar nicht um „Erfüllungsansprüche“ unddies selbst in denjenigen Fällen nicht, in denen die von derAufrechnung betroffene Honorarforderung gerade aus demkonkreten Mandatsverhältnis herrührt, in dem die Pflichtver-letzung begangen worden sein soll. Denn verkannt würde da-mit, dass das in den meisten anwaltlichen Mandatierungeneinschlägige Dienstvertragsrecht (§§ 611 ff. BGB) keinerleiGewährleistungsrecht kennt und eine anwaltliche Schlecht-leistung – entgegen landläufiger Meinung – gerade nicht zueiner automatischen Minderung der Honorarforderung odergar deren Wegfall führt.11 Insbesondere ist auch die Spezial-regelung des § 654 BGB auf den Anwaltsvertrag nur in Aus-nahmefällen (analog) anwendbar.12

Die Verpflichtung des Auftraggebers zur Zahlung derGebühren kann allenfalls entfallen, wenn und soweit die Be-lastung mit der Honorarverbindlichkeit Bestandteil eines auseiner objektiven Pflichtverletzung resultierenden konkretenSchadens (§§ 280 Abs. 1, 249 ff. BGB) ist und dieser Ersatz-

anspruch dann auch zur Aufrechnung gestellt wird (§§ 388 ff.BGB).13 Die Rechtslage ist also gerade anders als im Kauf-und Werkvertragsrecht mit einem jeweils eigenen gesetzli-chen Gewährleistungsrecht und den daraus resultierendenversicherungsvertraglichen Abgrenzungsfragen etwa zwi-schen Mangel- und Mangelfolgeschäden etc.14 Nur wenn aufden Anwaltsvertrag (ausnahmsweise) Werkvertragsrecht An-wendung findet, hat der Ausschluss von „Erfüllungs-ansprüchen“ wohl Bedeutung,15 im normalen Anwaltsvertrageher nicht. Zwar darf nicht verkannt werden, dass der Begriffeines „Erfüllungsschadens“/„Erfüllungsanspruchs“ rein ver-sicherungsrechtlich zu bewerten ist und es darum gehensoll, dass der Geschädigte sein unmittelbares Interesse ander Leistung geltend macht.16 Darum geht es indes in denhiesigen Fällen nicht ohne weiteres. Vielmehr ist selbstdann, wenn ein Mandant eine Honorarforderung mit dernicht gerade seltenen Begründung abwehrt, er müsse nicht(mehr) zahlen, weil der Anwalt im konkreten Fall „schlecht“geleistet habe, bei genauer rechtlicher Würdigung die Hono-rarforderung als solche gar nicht in Zweifel gezogen, son-dern nur konkludent eine (vermeintliche) Schadensersatzfor-derung (mindestens) in Höhe der offenen Gebühren zurAufrechnung gestellt. Und dass SchadensersatzforderungenDritter vom Versicherungsschutz umfasst sind, liegt auf derHand – wenn der Versicherungsvertrag (wie hier zumeistversäumt) nichts Gegenteiliges regelt.17

Nicht zu vertiefen sind aus Raumgründen hier die Fälleeiner Verminderung der Gebührenforderung nach außer-ordentlicher Kündigung eines Anwaltsvertrages über die ge-setzliche Sonderregelung in § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ob die-ser bei einer Kündigung durch den Mandanten ebenfalls anein Verschulden des Anwalts geknüpfte18 Sondertatbestandnicht nur eine Ausprägung der Haftung aus §§ 280 Abs. 1,241 Abs. 2 BGB ist und ggf. auch als eine „gesetzliche Haf-tungsbestimmung privatrechtlichen Inhalts“ im Sinne des § 1AVB-RSW verstanden werden kann, wird – soweit ersichtlich– bisher gar nicht diskutiert.

MN Anwaltshaftung

5 Das kann vor allem dann interessant sein, wenn weitergehende Ansprüche desDritten drohen und man durch einen Honorarprozess nur „schlafende Hunde we-cken“ würde (etwa eine so provozierte Widerklage); siehe auch Diller AVB-RSW,2009, § 3 Rn. 21.

6 Richtig allein Diller AVB-RSW, 2009, § 1 Rn. 67 ff. AA – ohne Problembewusstsein– die wohl h.M., Chab AnwBl 2011,922, 923; ders., AnwBl 2011, 217, 218; ; Gräfein: Gräfe/Brügge Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, 2006, D. 39 ff., D368; siehe ferner vRintelen in: Beckmann/Matusche-Beckmann, VersR.Hdb., 2.Aufl. 2009, § 26 Rn. 267 f. auch zu dem anders gefassten „Gebühreneinwurf“ in § 3II 4 AVB-WB (siehe auch § 3 II 5 AVB Vermögen/P).

7 So Brügge in: Gräfe/Brügge Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, 2006, B299, 304; ders. in Veith/Gräfe, Der Versicherungsprozess, 2. Aufl. 2010, § 15Rn. 65.

8 So Neuhofer AnwBl. 2004, 583, 584 unter Verweis auf § 3 II. 5. AVB-WSR = § 1 I 1a.E. AVB-RSW.

9 Statt aller Brügge in: Veith/Gräfe, Der Versicherungsprozess, 2. Aufl. 2010, § 15Rn. 40 ff.

10 Dazu statt vieler etwa jüngst Schimikowski r + s 2012, 105.

11 Statt aller BGH NJW 2010, 1364, 1369.

12 Fischer in: Zugehör, Hdb. d. Anwaltshaftung, 3. Aufl. 2011 Rn. 1003 m.w.N.; sieheauch Deckenbrock AnwBl. 2010, 221.

13 BGH NJW 2010, 1364, 1369; NJW 2004, 2817 f.; OLG Koblenz NJW-RR 2006,1358.

14 Vgl. erneut Fn. 10.

15 Vertiefend Diller AVB-RSW, 2009, § 1 Rn. 72 ff.; siehe zudem aus dem Bereich derArchitektenhaftpflichtversicherung etwa BGH, NJW-RR 2009, 381.

16 BGH, NJW-RR 2012, 103.

17 Entsprechende AVB-Ausschlussregelungen wären (anders als bei Erfüllung, Nach-erfülllung etc.) konstitutiv, vgl. Schimikowski r + s 2012, 105 zu vergleichbaren Fra-gern bei § 1 AHB m.w.N.

18 MüKo-BGB/Henssler, 6. Aufl. 2012, § 628 Rn. 13 ff. m.w.N. Zu der Sonderregelunginstruktiv auch Henssler/Deckenbrock NJW 2005, 1.

26 AnwBl 1 / 2013 Aufrechnung mit Haftungsanspruch: Angriff ist die beste Verteidigung, Dötsch

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3. Überblick über den MeinungsstandIm Ausgangspunkt ist die herrschende Meinung im Haft-pflichtversicherungsrecht sich einig, dass ein Versicherer inFällen einer vorprozessual erklärten, jedoch vom Versichererfür unberechtigt gehaltenen Aufrechnung verpflichtet ist, ei-nen Aktivprozess durch Leistungsklage in der gleichenWeise zu übernehmen, zu finanzieren und durchzuführenwie einen gegen den Versicherungsnehmer geführten Passiv-prozess, wenn der Anspruch des Versicherungsnehmers ge-gen den Geschädigten nur als solches zahlenmäßig feststehtund unbestritten ist, also eine sog. Primäraufrechnung mitdem vermeintlichen Haftungsanspruch gegen eine unbestrit-tene Hauptforderung erfolgt ist.19

Vereinzelt wird es hingegen hierfür ausreichend gehal-ten, wenn vom Versicherer im Namen des Versicherungs-nehmers nur Feststellungsklage (§ 256 ZPO) des Inhalts er-hoben wird, dass die Forderung des Versicherungsnehmersdurch die erklärte Aufrechnung nicht erloschen sei oder –wohl richtiger – dass dem Dritten aus einem bestimmten Er-eignis oder Verstoß keine Schadensersatzforderung zustehe.Begründet wird dies damit, dass der Versicherer andernfallseinen eigenen Anspruch des Versicherungsnehmers verfol-gen müsse, der mit dem Haftpflichtereignis als solchesnichts zu tun habe.20 Stützen ließe sich diese Lesart im Be-reich der Berufshaftplichtversicherung der Rechtsanwälte vorallem auch auf § 3 III. 5.1. der AVB-RSW, der (nur) von derÜbernahme der Kosten einer „mit Zustimmung des Ver-sicherers vom Versicherungsnehmer betriebenen negativenFeststellungsklage oder Nebenintervention“ spricht, nichtaber von einem Aktivprozess in Form einer Leistungsklage.

Anderweitige Bedenken werden schließlich von Lücke21

(ausgerechnet) bei der nicht streitwerterhöhenden22 Primär-aufrechnung erhoben: Hier müsse der Versicherer allenfallsetwaige „Mehrkosten“ infolge der Aufrechnung tragen (ge-meint sind wohl vor allem Kosten einer etwaigen Beweisauf-nahme); dem dürfte der Gedanke zugrundeliegen, dass derVersicherungsnehmer die Kosten für die Beitreibung seinereigenen Forderungen selbst tragen soll.

Diskutiert worden ist zudem vereinzelt noch23, ob derVersicherungsnehmer in solchen Fällen nicht gehalten ist,allein den Versicherer im Wege der Deckungsklage auf Zah-lung des Betrages der durch die Aufrechnung verloren ge-gangenen Forderung in Anspruch zu nehmen, wenn erselbst von einem Versicherungsfall ausgeht.

4. StellungnahmeDass aus der Abwehrpflicht des Versicherers die Pflicht zurÜbernahme eines Aktivprozesses folgen kann, liegt letztlichauf der Hand. Eine Verlagerung der Auseinandersetzung inden Deckungsprozess zwischen Versicherer und Versiche-rungsnehmer wäre untunlich und mit dem sog. Trennungs-prinzip der Haftpflichtversicherung kaum in Einklang zubringen. Eine Umwandlung des versicherungsrechtlichenBefreiungs- und Rechtsschutzanspruchs in einen Zahlungs-anspruch gegen den Versicherer findet grundsätzlich erststatt, wenn der Versicherungsnehmer die Verrechnung ge-genüber dem Dritten akzeptiert24 – doch ist die Einstands-pflicht oft unklar und es ist gerade Aufgabe des Versicherers,dem Versicherungsnehmer auch und gerade bei dieser u.U.mühsamen Prüfung bereits unterstützend zur Seite zu ste-hen. Würde man den Versicherungsnehmer zwingen, bei ei-ner Aufrechnung die Frage der Haftung allein im Deckungs-

prozess gegen den Versicherer klären zu lassen, wäre zudemdas Herbeiführen einer Bindungswirkung (auch) gegenüberdem Dritten schwer möglich. Selbst wenn man mit der herr-schenden Meinung eine Streitverkündung wegen „alternati-ver“ Haftung für möglich halten würde25 (der Dritte wäreunter Umständen statt dem Versicherer jedenfalls betrags-mäßig in gleicher Höhe einstandspflichtig, wenn keinePflichtverletzung vorlag und daher die Aufrechnung nichtgriff), würden dem Versicherungsnehmer nur unnötige Risi-ken aufgebürdet (§ 101 ZPO).

Ebenfalls nicht überzeugend sind die Erwägungen vonLücke hinsichtlich der Übernahme nur der „Mehrkosten“.Bei einer Aufrechnung mit einer streitigen Schadensersatz-forderung gegen eine unstreitige Honorarforderung ist Ge-genstand des Rechtsstreits im Kern allein die Schadensersatz-forderung, deren Abwehr aber dem Versicherer obliegt.

Diskutieren könnte man allenfalls, ob die „Abwehr“ die-ser Schadensersatzforderung nur durch eine (negative) Fest-stellungsklageerfolgen darf. Ein solches Vorgehen wäre indesprozessunökonomisch, weil der Versicherungsnehmer nacheinem Obsiegen seine Honorarforderung im Zweifel danndoch wieder einklagen müsste, so dass man eher Bedenkenhinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses einer Feststel-lungsklage anmelden kann.26

Schutzwürdige Interessen des Versicherers sind zudemnicht betroffen, wenn man diesen zur Leistungsklage anhält,zumal der Streitwert einer negativen Feststellungsklage re-gelmäßig mit dem einer Leistungsklage identisch ist.27 Auchder Verweis auf § 3 III. 5.1. AVB-RSW (siehe auch § 3 II Nr. 7AHB Vermögen/P) rechtfertigt keine andere Sichtweise:Denn dort ist erkennbar der Fall geregelt, dass beruflicheoder betriebliche Interessen des Versicherungsnehmer durchdas Berühmen mit einer Forderung betroffen sind28, alsoetwa der gute Ruf des Versicherungsnehmers als Privatmannoder sein Ansehen als Geschäftsmann betroffen ist.29 Nichtgemeint sind damit Fälle, in denen – wie hier – zugleich inden Vermögenskreis des Versicherten eingegriffen wird unddiesem eine bloße negative Feststellungsklage nicht wirklichweiterhilft.30

MN Anwaltshaftung

Aufsätze

19 AG Berlin-Charlottenburg VersR 1969, 315; LG Berlin VersR 1987, 578; OLGHamm VersR 1978, 80; MüKo-VVG/Littbarski Bd. II, 2011, § 105 Rn. 53; § 106Rn. 65; Späte AHB, 1993, § 3 Rn. 29; Diller AVB-RSW, 2009, § 3 Rn. 21; Schwin-towski/Brömmelmeyer/Retter, Praxiskomm. zum VVG, 2008, § 101 Rn. 9, § 106Rn. 37; BK-VVG/Baumann 1999, § 150 Rn. 12, § 154 Rn. 13; Bruck/Möller/Johann-sen VVG, Bd. IV, 8. Aufl. 1970, Anm. G 5, S. 274; Schmalzl/Krause-Allenstein, Be-rufshaftpflichtversicherung des Architekten und Bauunternehmers, 2. Aufl. 2006Rn. 71; G.Schmidt VersR 1966, 18, 19; Roesch VersR 1977, 113, 116; Römer/Lang-heid/Römer, VVG, 3. Aufl. 2012, § 101.Rn. 18 f.

20 Sieg Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung, S. 188; Schirmer, Die Vertre-tungsmacht des Haftpflichtversicherers im Haftpflichtversicherungsverhältnis1969, S. 104 f.; als Alternative MüKo-VVG/Littbarski, Bd. II, 2011, § 105 Rn. 53;§ 106 Rn. 65; diff. BK-VVG/Baumann, 1999, § 150 Rn. 13: Leistungsklage, aberVersicherer müsse nur Kosten der Feststellungsklage i.H.v. 80% der Leistungs-klage tragen; letzteres ist unrichtig, weil eine negative Feststellungsklage keinenMinderwert hat, statt aller Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 3 Rn. 16 „Feststel-lungsklagen“.

21 Prölss/Martin/Lücke, VVG, 28. Aufl. 2010, § 101 Rn. 7.

22 BGH NJW-RR 1997, 1157.

23 Wussow, Informationen zum Versicherungs- und Haftpflichtrecht 1983, 183; 1984,31.

24 OLG Hamm VersR 1978, 80; MüKo-VVG/Littbarski Bd. II, 2011, § 105 Rn. 53m.w.N.

25 BGHZ 65, 127, 131 = NJW 1976, 39, 40; BGH NJW 1989, 521, 522, str.

26 Siehe auch Späte AHB, 1993, § 3 Rn. 29; Bruck/Möller/Johannsen VVG, Bd. IV, 8.Aufl. 1970, Anm. G 5, S. 274.

27 Vgl. Fn. 19 a.E.

28 So Prölss/Martin/Lücke VVG, 28. Aufl. 2010, § 3 AVB Vermögen/P Rn. 13.

29 Gräfe in: Gräfe/Brügge Vermögensschaden-Haftpflicht, 2006, D. 60 (anders D.89?); siehe ähnlich auch Diller AVB-RSW, 2009, § 3 Rn. 122.

30 Zutreffend Bruck/Möller/Johannsen VVG, Bd. IV, 8. Aufl. 1970, Anm. G 5, S. 274.

Aufrechnung mit Haftungsanspruch: Angriff ist die beste Verteidigung, Dötsch AnwBl 1 / 2013 27

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MN Anwaltshaftung

5. Konsequenzen für die PraxisEs kann und muss in den diskutierten Fällen also eine Ver-pflichtung des Haftpflichtversicherers zur Führung einesHonorarprozesses in Form einer Leistungsklage geben. Dassdies bei vielen Versicheren auf wenig Gegenliebe stoßenwird, liegt auf der Hand und es mag auch gute Gründe ge-ben, einen sog. „Gebühreneinwurf“ in AVB zu regeln. Bisdies erfolgt ist, wird der Versicherer hier indes Farbe beken-nen müssen; Tatenlosigkeit ist haftungsträchtig. Selbst Ver-suche, die Rechtsverfolgung für die Honorarforderungen in„unverbindlicher“ Absprache31 in den Händen des Versiche-rungsnehmers zu belassen, sind problematisch: Zwar ist esden Parteien des Versicherungsvertrags nicht verwehrt, Ver-einbarungen darüber zu treffen, wie die Leistungspflicht desVersicherers im konkreten Fall erfüllt werden soll. Dabei istjedoch zwingend zu beachten, dass der Versicherer nachTreu und Glauben (§ 242 BGB) gehalten ist, seine überlegeneSach- und Rechtskenntnis nicht zum Nachteil des Versiche-rungsnehmers auszunutzen.

Die Abwehrfunktion der Haftpflichtversicherung ist un-ter Versicherungsnehmern – gerade in Sonderkonstellatio-nen wie der vorliegenden – nicht immer bekannt. Das giltnicht anders auch für juristisch vorgeschulte Versicherungs-nehmer – zumal diejenigen, die ihre Berufshaftpflichtver-sicherung in Anspruch nehmen müssen, nicht selten geradeauch zu den weniger versiertesten Anwälten zählen dürften.Insbesondere ist für den durchschnittlichen Versicherungs-nehmer nur schwer durchschaubar, was die Abwehrver-pflichtung im Einzelnen und im konkreten Fall bedeutet.Gewährt der Versicherer zwar dem Grunde nach Versiche-rungsschutz, will er die Abwehr des Anspruchs aber ganzoder teilweise in die Hand des Versicherungsnehmers legen,hat er darüber aufzuklären, dass die Gewährung von Rechts-schutz eigentlich Sache des Versicherers ist, er den Prozesszu führen und den Anwalt auszuwählen, zu beauftragen undzu bezahlen hat.32 Übernimmt der Versicherungsnehmernach wirksamer Belehrung dennoch die Prozessführung, giltfür eine Verletzung von Sorgfaltspflichten vorbehaltlich an-derer Abreden nicht mehr das Recht der Obliegenheiten,sondern nur das allgemeine Schadensersatzrecht.33

Bei Verletzung der Belehrungspflicht oder einem sonstunklarem Verhalten hinsichtlich der Rechtsschutzverpflich-tung kann der Versicherer hingegen aus einem sich anschlie-ßenden fehlerhaften Verhalten des Versicherungsnehmerskeine Rechte mehr für sich herleiten. Er wird so behandelt,als habe er dem Versicherungsnehmer freie Hand gelassenbzw. die ihm obliegende Rechtsschutzverpflichtung zu Un-recht abgelehnt.34 Der Versicherer ist sogar bei weisungswid-rigem Verhalten oder bei mangelhafter Prozessführung zu-mindest bis zur Grenze leichtfertigen Verhaltens bzw. u.U.sogar nur bis zur Grenze des § 826 BGB an die Entscheidun-gen des Versicherungsnehmers gebunden35; es entfällt zu-dem jedwede Bindung an versicherungsvertraglich verein-barte Obliegenheiten.36

Diese Sondersituation zeigt, dass der Berufshaftpflicht-versicherer vor einer schnellen Deckungsablehnung sein ei-genes Bedingungswerk sowie die Sach- und Rechtslage imkonkreten Einzelfall genau zu prüfen hat. Die Gefahr, dasser sich dem (berechtigten) Vorwurf der Verletzung seiner„Kardinalspflichten“ als Haftpflichtversicherer ausgesetztsieht, ist nach dem hier Ausgeführten nicht klein. Nicht zu-letzt deswegen wird man künftig eher einmal aktiv für denVersicherungsnehmer in die Bresche springen müssen –was den von der Werbung immer so schön herausgearbeite-ten strahlenden Schutzengeln, blankpolierten silbernenSchilden sowie Rittern mit Schwertern auch eher gerechtwird als das Aussitzen von Schadensfällen hinter den dickenMauern der fachwerkverzierten Burg der Solidargemein-schaft der Versicherten.

III. Fazit

Bei – in der Praxis zumeist fehlender – hinreichender klarerRegelung in den AVB wird den Haftpflichtversicherer in Auf-rechnungskonstellationen durchaus im Rahmen der Abwehr-pflicht auch die Pflicht treffen, einen Aktivprozess des Versi-cherers zu führen. Denn nur so ist der Versicherungsschutzdann auch das wert, was er verspricht.

31 So Neuhofer, AnwBl. 2004, 583, 584.

32 BGH, NJW 2007, 2258, 2260.

33 BGH, NJW 2007, 2258, 2260; siehe ferner OLG Schleswig, VersR 2011, 341 undferner Prölss/Martin/Voit/Knappmann VVG, 28. Aufl. 2010, AHB 2008 Nr. 5 Rn. 5;Prölls/Martin/Lücke aaO, § 100 Rn. 11.

34 BGH, NJW 2007, 2258, 2260 f.; r + s 2007, 239.

35 Prölss/Martin/Voit/Knappmann VVG, 28. Aufl. 2010, AHB 2008 Nr. 5 Rn. 4 i. V. m.Prölss/Martin/Lücke aaO, § 106 Rn. 6, 10; ebenso MüKo-VVG/Littbarski Bd. II,2011, § 106 Rn. 41

36 LG Dortmund r + s 2007, 415; r + s 2010, 237, 240.

28 AnwBl 1 / 2013 Aufrechnung mit Haftungsanspruch: Angriff ist die beste Verteidigung, Dötsch

Wolfgang Dötsch, BrühlWolfgang Dötsch, BrühlDer Autor ist Richter am Landgericht Köln.

Leserzuschriften an [email protected].

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AnwaltshaftungAnwaltshaftung

Rechts und links derProzessakte – was im Blickdes Anwalts sein mussTypische Haftungsgefahren für Anwälte im Rahmen(zivil-)prozessualer TätigkeitenRechtsanwalt Dr. Sebastian Seyfarth, Stuttgart

Mandanten nehmen Anwälte heute eher in Regress als früher.Die potenzielle Haftungsträchtigkeit vieler anwaltlicher Tätig-keiten liegt auf der Hand – und die Anforderungen der Recht-sprechung an den Anwalt sind nach wie vor hoch. Hin-zukommt eine neue „Vollkaskomentalität“ vieler Mandanten:Verliert man einen Prozess, kommt man nicht auf den viel-leicht naheliegendsten Gedanken, schlicht im Unrecht gewe-sen zu sein, sondern sucht nach einem Schuldigen. Da derRichter als Haftungsobjekt ausscheidet, richtet sich der Blickschnell auf den Anwalt. Verfügt der Mandant dann noch übereine Rechtsschutzversicherung, ist der Regressprozess vorpro-grammiert. Der Autor stellt prozessuale Konstellationen vor,in denen typischerweise Haftungsgefahren lauern. Der Autorwill keine Angst machen, sondern konkrete Hinweise geben,worauf Anwälte im Alltag unbedingt achten sollten.

I. Klage: Risikoaufklärung und Prozesstaktik

Erstaunlich ist immer wieder, dass Anwälte für ihre Mandan-ten Prozesse mit erheblichen Risiken führen, ohne überdiese aufzuklären. Dabei stellt die Rechtsprechung an denAnwalt erhebliche Anforderungen bezüglich der Belehrung.Nach Klärung des Sachverhalts muss ein Rechtsanwalt denMandanten zunächst über das Erfordernis eventuell zusätz-licher Sachverhaltsermittlungen und die Einschätzung derRechtslage unterrichten.1 Durch geeignete Befragung desMandanten muss der Anwalt rechtlich relevante Sachver-haltslücken aufdecken sowie aufklären, ob für beweisw-ürdige Tatsachen geeignete Beweismittel zur Verfügung ste-hen.2 Bestehen erhebliche Prozessrisiken, müssen dieseauch entsprechend verdeutlicht werden. Erklärt der Anwaltin einem solchen Fall lediglich, bei jedem Prozess sei nunmal ein Risiko nicht auszuschließen, genügt dies nicht.3

Auch wenn der Mandant von Anfang an erklärt, „er wolledurch alle Instanzen gehen“, vermindert dies nicht seine Be-lehrungsbedürftigkeit.4 Ein Anwalt hat auch verharmlosen-den Vorstellungen seines Mandanten entgegenzuwirken.Wenn ein Anwalt sagt, eine hundertprozentige Sicherheit seinicht gegeben, suggeriert er damit dem Mandanten, dassnur ein geringes Restrisiko bestehe.5 Allgemein lässt sich sa-gen, dass eine Beurteilung von Prozessaussichten, die all-gemein anerkannte methodische Regeln missachtet, zu Las-ten des Anwalts geht.6 Weit verbreitet ist der Irrtum, beiÜbernahme der Prozesskosten durch eine Rechtsschutzver-sicherung sei keine oder nur noch eine reduzierte Risikoauf-klärung geschuldet. Tatsächlich bestehen hier aber keine ge-ringeren Anforderungen bei der Risikoaufklärung.7

Ist dem Mandanten daran gelegen, möglichst schnell ei-nen vollstreckbaren Titel zu erlangen, muss der Anwaltprüfen, ob die Erhebung einer Klage im Urkundenprozess inBetracht kommt.8 Auch bei einem eingeschränkten oder spe-ziellen Mandatsgegenstand gibt es für den Anwalt Hinweis-pflichten, die über den Mandatsinhalt hinausgehen. Dies giltinsbesondere dann, wenn Ansprüche gegen Dritte zu verjäh-ren drohen, sofern sich die Gefahr dem Anwalt bei ord-nungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen musste und erGrund für die Annahme hatte, dass sich der Mandant derGefahr nicht bewusst ist.9

Wirft ein Mandant seinem Anwalt nach einem verlorengegangenen Prozess vor, über die Prozessrisiken nicht odernicht ausreichend aufgeklärt worden zu sein, wendet der An-walt oftmals ein, über die Risiken sei (wiederholt) gespro-chen worden. Der Mandant muss die anwaltliche Pflichtver-letzung zwar beweisen.10 Dies gilt auch dann, wenn derFehler des Anwalts in einem Unterlassen besteht.11 Die Ein-lassung des Anwalts, er habe den Mandanten über die beste-henden Risiken belehrt, ist im Regressprozess aber nur dannbeachtlich, wenn er den Gang der Beratung konkret und sub-stantiiert darstellt (sog. abgestufte oder sekundäre Darle-gungslast)12. Hierzu hat er die Zeit, die Umstände sowie Artund Inhalt der erteilten Belehrung, den Verlauf des Mandan-tengesprächs sowie die Reaktion des Mandanten auf die er-teilten Ratschläge konkret darzustellen.13 Erst wenn ein ent-sprechender Sachvortrag durch den Anwalt gehalten wordenist, muss der klagende Mandant den Vortrag des Anwalts wi-derlegen. Entspricht der Anwalt seiner Darlegungslast nicht,gilt die Darstellung des Mandanten gemäß § 138 Abs. 3 ZPOals zugestanden.14

Auch wenn es für einen Anwalt keine Pflicht zur schriftli-chen Dokumentation erteilter Hinweise und Belehrungengibt,15 empfiehlt es sich unbedingt, die wesentlichen Inhalteeiner erteilten Belehrung in einem an den Mandanten ver-sandten Schreiben festzuhalten. Zumindest ist ein Aktenver-merk anzufertigen, mit dem erteilte Risikobelehrungen exaktfestgehalten werden. In Haftungsprozessen stellt sich näm-lich regelmäßig das Problem, dass sich der Anwalt nichtmehr konkret daran erinnern kann, was er zu einem Man-danten Jahre zuvor bezüglich bestimmter Risiken gesagt undwie dieser darauf reagiert hat.16

Ein Anwalt hat auch für eine möglichst günstige Beweis-situation seines Mandanten Sorge zu tragen. Hierzu gehörtes, den Mandanten darüber zu belehren, dass eine Abtre-tung der einzuklagenden Forderung die Möglichkeit einer

MN Anwaltshaftung

Aufsätze

1 Fahrendorf in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts,8. Aufl., Rn. 538.

2 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.05.2011, Az. I-24 U 60/11.

3 OLG Hamm, Urteil vom 29.09.1981, Az. 28 U 104/81.

4 BGH, Beschluss vom 22.09.2011, Az. IX ZR 19/09.

5 BGH NJW 2011, 2138, 2141.

6 Vill in Zugehör/Fischer/Vill/Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung,3. Aufl. Rn. 700.

7 Fahrendorf aaO. Rn. 555.

8 Vill aaO. Rn. 731; BGH NJW 1994, 3295, 3297.

9 BGH NJOZ 2011, 1736.

10 BGH NJW 1999, 2437.

11 BGH NJW 1994, 3295, 3299.

12 Mennemeyer in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts,8. Aufl., Rn 2047; GregerZöller, ZPO, 29. Aufl., § 138 Rn. 8b.

13 Mennemeyer aaO.

14 Greger aaO.

15 BGH NJW 2008, 371, 372.

16 Fahrendorf aaO. Rn. 559.

Rechts und l inks der Prozessakte – was im Blick des Anwalts sein muss, Seyfarth AnwBl 1 / 2013 29

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Zeugenvernehmung des Zedenten eröffnet.17 Kann ein zuführender Beweis nicht anders als durch die Vernehmungdes Geschäftsführers der Mandantin erbracht werden, hatder Anwalt auf die Möglichkeit einer (vorübergehenden) Ab-berufung des Geschäftsführers hinzuweisen, um diesemeine Zeugenstellung zu verschaffen.18

Der Anwalt des Beklagten, der sich einer möglichen Zeu-genvernehmung des Zedenten gegenübersieht, muss in Er-wägung ziehen, für seinen Mandanten eine negative Feststel-lungswiderklage gegen den Zedenten zu erheben, wodurchdieser die Stellung einer Partei erhält und damit nicht mehrZeuge sein kann.19 Nach der Rechtsprechung des BGH isteine solche Klage grundsätzlich zulässig, da der Beklagte einInteresse an der Feststellung hat, dass auch dem Zedentenkeine Ansprüche zustehen.20

II. Vergleichsabschluss

Die Inanspruchnahme von Anwälten im Zusammenhangmit Vergleichsabschlüssen gibt es sowohl mit dem Vorwurf,ein Vergleich hätte überhaupt nicht oder zumindest nichtmit seinem konkreten Inhalt abgeschlossen werden dürfenals auch mit dem Vorwurf, ein günstige Vergleichsmöglich-keit sei versäumt worden. Wegen der Schwierigkeiten undUngewissheiten bei der Abwägung der Vor- und Nachteile ei-nes Vergleichs wird dem Rechtsanwalt der seinen Auftrag-geber bei Vergleichsverhandlungen vertritt, ein weiter Er-messensspielraum zugebilligt.21 Innerhalb dieses Spielraumshat der Anwalt aber eine gewissenhafte Interessensabwä-gung vorzunehmen. Der Rat zum Vergleichsabschluss istdann als Pflichtverletzung anzusehen, wenn der abgeschlos-sene Vergleich eindeutig ungünstiger als die Prozessprog-nose zu bewerten ist.22 Auch ein gerichtlicher Vergleichsvor-schlag entbindet den Anwalt nicht von seiner Verpflichtungzur ordnungsgemäßen Beratung des Mandanten über dieFür und Wider des Vergleichsabschlusses.23 Eine gesteigerteVerantwortung trägt der Anwalt bei einem Abfindungsver-gleich. Hier muss er den Mandanten insbesondere darüberbelehren, dass der Vergleich einen endgültigen Abschlussder Sache darstellt und bei einer Fehleinschätzung über diekünftige Entwicklung keine Ansprüche mehr erhoben wer-den können.24 Auch wenn ein Rechtsanwalt der Meinung ist,ein von ihm ausgehandelter Abfindungsvergleich sei das Äu-ßerste, was bei der Gegenseite zu erreichen sei, entbindetihn diese Einschätzung nicht von seiner Pflicht zur zutref-fenden Aufklärung über die Sach- und Rechtslage.25

Hat der Anwalt vom Abschluss eines Vergleichs abge-raten, muss er die Vor- und Nachteile eines Vergleichsange-bots der Gegenseite sowie die Chancen und Risiken einerFortsetzung des Rechtsstreits abwägen und mit seinem Auf-traggeber erörtern. Erfolgt dies nicht und ist der Mandant imHinblick auf den anschließenden Prozessausgang gegenüberdem ursprünglichen Vergleichsangebot schlechter gestellt,kann dies zu einer Haftung des Anwalts führen.26

III. Streitverkündung

Führt ein Anwalt für seinen Mandanten einen Prozess undgibt es Anhaltspunkte dafür, dass dem Mandanten für denFall des Unterliegens Ansprüche gegen Dritte zustehenkönnten, muss ein Anwalt die Möglichkeit einer Streit-verkündung in Betracht ziehen.27 Diese führt gemäß § 204

BGB zur Verjährungshemmung. Außerdem erleichtert sieeinen Folgeprozess aufgrund der Interventionswirkung ge-mäß §§ 74, 68 ZPO. Hier wird oft übersehen, dass die Inter-ventionswirkung nur dann greift, wenn die Streitverkündungso rechtzeitig erfolgt, dass der Streitverkündungsempfängernoch Einfluss auf den Prozess nehmen konnte.28

Wird eine Streitverkündung unbedacht oder vorschnellvorgenommen, kann dies aber auch zu einer Haftung desAnwalts führen. Wenn etwa zu erwarten ist, dass der Streit-verkündungsempfänger im Rechtsstreit auf Seiten der Ge-genpartei beitritt, muss der Anwalt die Partei darauf hinwei-sen, dass diese im Falle des Unterliegens auch die Kostendes Streitverkündungsempfängers zu tragen hat.29 Zur Ver-meidung unnötiger Kosten muss der Anwalt auch in Erwä-gung ziehen, statt der Streitverkündung eine Vereinbarungmit dem Dritten zu treffen, wonach dieser sich so behandelnlässt, als wäre ihm der Streit verkündet worden.30

IV. Prüfung von Rechtsmittelaussichten

In welchem Umfang ein Anwalt seinen Mandanten nach ei-nem Instanzverlust über die Erfolgsaussichten eines Rechts-mittels aufzuklären hat, ist umstritten und vom BGH bislangnicht abschließend geklärt.31 Nach Abschluss einer Instanzist auf jeden Fall eine Belehrung über das zulässige Rechts-mittel geschuldet.32 Auch bei einer ohne weiteres erkenn-baren Abweichung der ergangenen Entscheidung zurhöchstrichterlichen Rechtsprechung wird von dem Anwaltein Hinweis erwartet.33 Hat der Anwalt ein Fehlurteil durcheine nicht sachgerechte Prozessvertretung (mit)verursachthat, besteht auch ohne besonderen Auftrag eine umfassendeBeratungspflicht hinsichtlich möglicher Angriffspunkte derergangenen Entscheidung.34

Ob es abgesehen von solchen Konstellationen zu denPflichten des erstinstanzlich tätig gewordenen Anwaltsgehört, ohne besonderen Auftrag die Richtigkeit der ergange-nen Entscheidung zu überprüfen und mögliche Angriffs-punkte herauszuarbeiten, wird unterschiedlich beurteilt. EinTeil des Schrifttums und neuere Entscheidungen des BGHverneinen eine solche Pflicht.35 Andere leiten aus der all-gemeinen Pflicht, den Mandanten über Prozessaussichtenzu beraten, die Verpflichtung ab, auch ohne besonderen Auf-trag über die Aussichten eines Rechtsmittels aufzuklären.36

Vor diesem Hintergrund kann dem Anwalt nur geraten

MN Anwaltshaftung

17 BGH NJW-RR 2003, 1212, 1213.

18 BGH aaO.

19 Skusa NJW 2011, 2697, 2700; Prechtel MDR 2010, 549, 550.

20 BGH NJW 2008, 2852.

21 Vill aaO. Rn. 794.

22 OLG Hamm FamRZ 1999, 1423.

23 OLG Frankfurt FamRZ 1991, 1047.

24 OLG Koblenz AnwBl. 2006, 492, 493.

25 BGH NJW 2002, 292.

26 Mennemeyer aaO. Rn. 2029.

27 BGH NJW 2012, 674, 675. Auch im Rahmen eines selbstständigen Berufungsver-fahrens besteht die Möglichkeit einer Streitverkündung, vgl. BGH NJW 1997, 859.

28 Musielak, ZPO, 9. Aufl., § 68 Rn. 6.

29 Fahrendorf aaO. Rn. 1960.

30 Fahrendorf aaO. Rn. 1961.

31 So ausdrücklich BGH NJW-RR 2007, 1553, 1554.

32 BGH NJW-RR 1989, 1109.

33 BGH NJW-RR 2007, 1553, 1554.

34 BGH aaO.

35 Fahrendorf aaO. Rn. 1830; Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht,3. Aufl., § 12 Rn. 26; BGH aaO.; BGH NJW 2003, 2022, 2023.

36 Vill aaO. Rn. 765; auch ältere Entscheidungen des BGH gehen wohl von einer ent-sprechenden Verpflichtung des Anwalts aus, vgl. BGH NJW-RR 1989, 1109.

30 AnwBl 1 / 2013 Rechts und l inks der Prozessakte – was im Blick des Anwalts sein muss, Seyfarth

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MN Anwaltshaftung

werden, entweder eine verlässliche Prüfung der Rechtsmittel-aussichten vorzunehmen oder sich mit Äußerungen zur An-fechtbarkeit der Entscheidung ganz zurückhalten und denMandanten gleichzeitig mit Übersendung der ergangenenEntscheidung darauf hinzuweisen, dass Rechtsmittelaussich-ten nicht geprüft worden sind.37 Vermieden werden sollte aufjeden Fall, gegenüber dem Mandanten den Eindruck zu er-wecken, eine Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmit-tels vorgenommen zu haben, obwohl diese nicht stattgefun-den hat. Dies kann nämlich eine Haftung des Anwaltsbegründen.38

V. Einstweilige Verfügung

Hier werden gerne §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO übersehen, wo-nach eine einstweilige Verfügung binnen eines Monats voll-zogen werden muss. Nach herrschender Meinung erfordertdies im Regelfall eine fristgerechte Zustellung der einstweili-gen Verfügung im Parteibetrieb und zwar unabhängig da-von, ob diese durch Beschluss oder Urteil, das von Amts we-gen zugestellt wird, ergangen ist.39 Die Parteizustellung istauch dann erforderlich, wenn im Berufungsverfahren die imWiderspruchsverfahren aufgehobene ursprüngliche einstwei-lige Verfügung durch Urteil bestätigt wird.40 Gleiches gilt,wenn die durch Urteil des Berufungsgerichts erlassene einst-weilige Verfügung mit der ursprünglich erlassenen und voll-zogenen einstweiligen Verfügung inhaltlich nicht vollständigdeckungsgleich ist.41 Für auf Unterlassung oder Duldung ge-richtete einstweilige Verfügungen reicht die Parteizustellungaus, falls der Titel bereits die Zwangsmittelandrohung ent-hält und der Antragsgegner die einstweilige Verfügung be-folgt.42 Bei einstweiligen Verfügungen auf Vornahme vonHandlungen oder auf Sicherstellung von Sachen muss nebender Parteizustellung zur Vollziehung binnen der Monatsfristein Antrag nach §§ 887, 888 ZPO beziehungsweise ein Voll-streckungsauftrag gemäß §§ 883 bis 885 ZPO erfolgen, wennder Gegner untätig bleibt.43

Vorsicht geboten ist auch bei einem für den Verfügungs-kläger geführten Rechtsmittelverfahren. Voraussetzung fürdie berechtigte Geltendmachung eines Anspruchs im Wegeder einstweiligen Verfügung ist das Vorliegen eines Verfü-gungsgrundes (Dringlichkeit).44 Durch zu langes Zuwartendes Antragstellers kann die Dringlichkeit entfallen. Je nachEinzelfall kann schon ein Zeitraum des Untätigseins von vierbis sechs Wochen schädlich sein.45 Es ist daher fraglich, ob diezweimonatige Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2ZPO voll ausgeschöpft werden darf, ohne sich dem Vorwurf

der Selbstwiderlegung der Dringlichkeit auszusetzen. Wäh-rend für die gesetzliche Berufungsbegründungsfrist überwie-gend angenommen wird, dass diese nicht ausgehöhlt und da-her ausgeschöpft werden dürfe,46 ist vor Fristverlängerungendringend zu warnen.47 Anerkannt ist nämlich, dass eine nichtunerhebliche Fristverlängerung sowie Ausnutzung derselbendie Dringlichkeit entfallen lassen kann.48

VI. Selbständiges Beweisverfahren

Die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens istregelmäßig zu empfehlen, wenn zu besorgen ist, dass einBeweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwertwird. Es kommt beispielsweise auch dann in Betracht, wennein Zeuge aufgrund einer gefährlichen Erkrankung zu ver-sterben droht.49

Die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrensführt gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB zur Verjährungshem-mung. Wichtig ist diesbezüglich, im Auge zu behalten, obdie „Thematik“, die zum Gegenstand eines selbständigen Be-weisverfahrens gemacht wird, dazu geeignet ist, die Verjäh-rung der Ansprüche des Auftraggebers zu hemmen. Leitetbeispielsweise der Werkunternehmer ein selbständiges Be-weisverfahren ein, um Gewährleistungsansprüche seinesAuftraggebers abzuwehren, führt dies nach herrschenderMeinung nicht zur Verjährungshemmung des Vergütungs-anspruchs.50 Der Anwalt des Unternehmers muss daher trotzdes eingeleiteten Beweisverfahrens für eine gesonderte Ver-jährungshemmung des Werklohnanspruchs Sorge tragen,indem er diesen zum Beispiel rechtzeitig einklagt.51

VII. Prozesskostenhilfe

Haftungsträchtig sind Rechtsmitteleinlegungen, wenn derMandant auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist. Zunächstsollte bekannt sein, dass Rechtsmitteleinlegungen bedin-gungsfeindlich sind und daher nicht „für den Fall der Gewäh-rung von Prozesskostenhilfe“ erfolgen dürfen.52 Wird Prozess-kostenhilfe für ein beabsichtigtes Rechtsmittel gewährt, istdas Hindernis der Mittellosigkeit behoben, sobald der Bewil-ligungsbeschluss dem Antragsteller zugeht. Ist zu diesemZeitpunkt die Rechtsmittelfrist verstrichen, beginnt vom Zu-gang des Bewilligungsbeschlusses die Zweiwochenfrist imSinne des § 234 ZPO zu laufen innerhalb der das Rechtsmitteleingelegt und Wiedereinsetzung wegen der Versäumung derRechtsmittelfrist beantragt werden muss.53 Wurde die Gewäh-rung von Prozesskostenhilfe versagt, wird dem Antragstellervon der Rechtsprechung noch eine Frist von ca. drei Tagen zu-gebilligt, innerhalb der er sich überlegen kann, ob er dasRechtsmittel auf eigene Kosten durchführen will; danach be-ginnt die zweiwöchige Frist des § 234 ZPO zu laufen.54

Aufsätze

37 Fahrendorf aaO.; Jungk BRAK-Mitt. 2003, 165.

38 Fahrendorf aaO.

39 Vollkommer in Zöller aaO. § 929 Rn. 12, 16 m. w. N.

40 Mennemeyer aaO. Rn. 1654.

41 Mennemeyer aaO.

42 Mennemeyer aaO.

43 Musielak aaO. § 936 Rn. 5.

44 Vollkommer aaO. § 935 Rn. 10.

45 Rebler MDR 2010, 1429, 1433.

46 Rebler aaO.

47 Rebler aaO.

48 KG MDR 2009, 888.

49 Mennemeyer aaO. Rn. 1893.

50 Grothe in Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl., § 204 Rn. 44.

51 Reinelt jurisPR-BGHZivilR 5/2012 Anm. 1.

52 Geimer in Zöller aaO. § 119 Rn. 52.

53 Geimer aaO. § 119 Rn. 59.

54 BGH NJW-RR 2009, 789.; vgl. auch Niebeling ZFS 2010, 128, 129.

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Dr. Sebastian Seyfarth, StuttgartDr. Sebastian Seyfarth, StuttgartDer Autor ist Rechtsanwalt. Er ist Sozius der KanzleiDr. Kroll & Partner.

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DokumentationszentrumDokumentationszentrum

England und Wales:Zugang zumRecht in GefahrDer britische Rechtsmarkt ist weiter imUmbruch – dieser trifft Bürger und Anwälte

Das Dokumentationszentrum für Europäisches Anwalts-und Notarrecht an der Universität zu Köln, eine gemeinsameForschungseinrichtung der Universität zu Köln, des Deut-schen Anwaltvereins, der Bundesrechtsanwaltskammer undder Bundesnotarkammer informiert in einer losen Serie vonKurzbeiträgen über aktuelle Entwicklungen in den Anwalt-schaften aus dem benachbarten Ausland. Der Beitragschließt an AnwBl 2012, 898.

In England und Wales sehen sich Rechtssuchende und An-waltschaft erneut mit einschneidenden Änderungen beimZugang zum Recht konfrontiert. Nachdem der Legal AidSentencing and Punishment of Offenders Act 2012 (Lemke,AnwBl. 2012, 604) mehr als 650.000 Rechtssuchende vomstaatlichen Rechtshilfesystem („legal aid“) ausschließen unddamit der Anwaltschaft ein gesichertes, staatlich finanziertesEinkommen ab diesem Frühjahr rauben wird, setzte die briti-sche Regierung nunmehr nach.

Keine „legal aid“ für britische InhaftierteZum einen sollen Gefängnisinsassen in bestimmten Fällenkeine staatliche Kostenbeihilfe mehr erhalten, um die Regie-rung vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte(EGMR) in Straßburg verklagen zu können. Der EGMR hattesich für ein aktives Wahlrecht für Inhaftierte ausgesprochen,dennoch kennt das britische Recht bislang keine sogenannten„prisoner votes“. Das britische Justizministerium plant der-weil, sich über die Rechtsprechung des EGMR hinwegzuset-zen und hierüber das heimische Parlament entscheiden zulassen. Anders als in vielen kontinentaleuropäischen Rechts-kreisen sind die Stützen des britischen Rechtssystems die Prä-judizienrechtsprechung und die Parlamentssouveränität.

Sollten sich demnach das britische Unter- und Oberhausgegen die Einführung der „prisoner votes“ entscheiden, würdedas Vereinigte Königreich seine Vertragspflichten als Konven-tionsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention(EMRK) verletzen. Inhaftierten, die sich gegen die eventuelleBeschneidung ihrer Wahlrechte im Vereinigten Königreichwenden wollen, aber nicht über die erforderlichen finanziellenMittel verfügen, um die Regierung in Straßburg zu verklagen,soll der Antrag auf „legal aid“, nach den Regierungsplänen,verwehrt werden. Die britische Anwaltschaft kritisierte das Re-gierungsvorhaben scharf. Die Law Society, die Berufsorganisa-tion für die „solicitors“ der zweigeteilten englischen Anwalt-schaft, warf der Regierung vor, Artikel 3 der EMRK (Recht auffreie und faire Wahl) und grundlegende rechtsstaatliche Prin-zipien zu missachten.

Zugang zum Recht für Unfallopfer in GefahrZum anderen sieht die Regierung vor, die anwaltlichenVergütung in den „personal injury cases“, insbesondere bei

Straßenverkehrssachen („road traffic cases“), drastisch zukürzen. Da derzeit Tausende von Anwältinnen und Anwältenin England und Wales zumindest einen ihrer Tätigkeits-schwerpunkte auf „personal injury cases“ legen, war der Auf-schrei über die geplanten Kürzungen innerhalb der Anwalt-schaft groß. Das Justizministerium beabsichtigt dieerstattungsfähigen Anwaltskosten („fixed recoverable costs“)bei Schadensersatzklagen im Umfang von maximal 10.000Pfund um mehr als 60 Prozent zu reduzieren, von 1.200Pfund auf 500 Pfund. Bei Schadensersatzklagen im Umfangvon maximal 20.000 Pfund soll die Anwaltschaft zukünftigein fixes Honorar von nur 800 Pfund erhalten.

Die Regierung sah die Gebührenkürzungen für die „roadtraffic cases“ als überfällig an. Sie beklagte zum einen dieenormen Gerichtskosten für Zivilprozesse zulasten derStaatskasse; zum anderen würden die Bürger bereits zugenüge mit immensen Rechtsschutzversicherungsprämienzu kämpfen haben, so dass ihnen zumindest horrende An-waltshonorare erspart bleiben sollten. Angeblich war der Re-gierung zudem die Klageflut und „compensation culture“ein Dorn im Auge, die Rechtssuchende dazu motivierenwürde, Bagatellsachen und fingierte Streitigkeiten vor eng-lische Gerichte zu bringen. Die Regierungspläne wurden vonden Rechtschutzversicherern begrüßt. Diese hatten langeZeit die „horrenden“ Anwaltskosten kritisiert und kündigtennun an, im Gegenzug ihren Kunden preiswertere Versiche-rungsprämien anbieten zu können.

Die Anwaltschaft lief gegen die Regierungspläne Sturm.Immerhin legen mehr als 6.300 Anwaltssozietäten in Eng-land und Wales ihren Arbeitsschwerpunkt auf „personal in-jury cases“. Besonders schwer werden sich die Gebührenkür-zungen auf Anwältinnen und Anwälte auswirken, die sicheinzig auf „road traffic cases“ spezialisiert haben. Die MotorAccident Solicitors Society (MASS) schätzt ihre Anzahl inEngland und Wales auf etwa 2.000 Solicitors und 500.000Fälle per annum. Die Law Society nannte die Regierungsvor-schläge „höchst inadäquat“ und prophezeite, dass in Zukunftviele Anwältinnen und Anwälte, sollten sich die Regierungs-pläne durchsetzen, aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehrimstande wären, die zeitintensiven „road traffic cases“ zu be-treuen. Weiterhin mahnte die Berufsvereinigung, dass da-durch der Zugang zum Recht erheblich in Mitleidenschaftgezogen werden würde, da sich die Verkehrsunfallopfer –mangels anwaltlicher Repräsentation – vor Gericht selbst ver-treten müssten.

Ob die Pläne des Justizministeriums Zukunftsmusikbleiben, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Die Re-gierung nahm Stellungnahmen noch bis zum Jahresanfangentgegen. Erste Änderungsvorschläge sind beim Justizminis-terium eingegangen. Die Association of Personal InjuryLawyers, beispielsweise, forderte Westminster auf, das Vor-haben gründlich zu überdenken und drohte an, hierzu einRechtsgutachten zu erstellen (Stefanie Lemke).

Dokumentationszentrum für Europäisches Anwalts- und Notarrecht anDokumentationszentrum für Europäisches Anwalts- und Notarrecht ander Universität zu Kölnder Universität zu KölnDas Dokumentationszentrum für Europäisches Anwalts- und Notarrecht an der Universitätzu Köln ist eine gemeinsame Forschungseinrichtung der Universität zu Köln, des DAV, derBRAK und der BNotK und wird von der Hans-Soldan-Stiftung mitgefördert.Direktor: Prof. Dr. Martin Henssler. Adresse: Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln,Tel. 0221 4702935, Fax: 0221 4704918, www.anwaltsrecht.org.

MN Anwaltsvergütung

32 AnwBl 1 / 2013 England und Wales: Zugang zum Recht in Gefahr

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AusländischesAnwaltsrechtRechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Koln

I. Österreich

1 Auch wenn der Verfasser dieser Bücherschau nicht fürsich in Anspruch nehmen kann, die österreichische Lite-

ratur zum Anwaltsrecht auch nur ansatzweise ebenso gutwie die deutsche Fachliteratur zu überblicken, so ist die Fest-stellung wohl zutreffend, dass es bei unseren Nachbarn bis-lang an einer umfassenden Publikation zum Recht der an-waltlichen Honorarvereinbarung gefehlt hat. Diese Lücke hatnun eine Dissertation von Marcel Pilshofer mit dem Titel„Grundlagen und Grenzen freier Honorarvereinbarungen im An-

waltsberuf“ geschlossen. Man merkt dieser Arbeit an, dass sievon einem Autor verfasst worden ist, der sich dem Themazwar mit wissenschaftlichem Anspruch nähert, der aber auseigener anwaltlicher Berufserfahrung auch das für eine ge-winnbringende Untersuchung unverzichtbare praktischeVerständnis des von ihm behandelten Themas mitbringt.Dies spiegelt sich in der Konzeption des über 300seitigenWerks wider, das mehr oder weniger als systematische Dar-stellung angelegt ist. Der Verfasser erläutert zunächst knappdie grundlegenden Rechtsnormen, die das anwaltlicheVergütungsrecht in Österreich bestimmen, namentlich dieRechtsanwaltsordnung, die Richtlinien für die Ausübung desRechtsanwaltsberufs, das Rechtsanwaltstarifgesetz (RATG)und die autonomen Honorarrichtlinien (AHR). Ein ersterSchwerpunkt liegt sodann auf der Analyse des verfassungs-rechtlichen Rahmens von Honorarvereinbarungen in Öster-reich. Hier interessiert den Verfasser insbesondere die Ver-fassungskonformität des in Österreich fortbestehendenVerbots von Streitanteilsvereinbarungen. Auch unter Berück-sichtigung der Rechtsentwicklung in Deutschland kommtder Verfasser zu dem Ergebnis, dass das Verbot des österrei-chischen Rechts verfassungskonform sei. Es schließen sichunionsrechtliche Betrachtungen an, die insbesondere dieEntscheidung des EuGH im Verfahren Cipolla und Arduinofür das österreichische Honorarrecht untersuchen. Hier istPilshofer der Auffassung, dass die Regelungen des RATG ei-ner Prüfung vor dem EuGH mit an Sicherheit grenzenderWahrscheinlichkeit standhalten würden, da sie, so seine Ein-ordnung, keine starren Mindesttarife mit sich bringen. Einweiterer Abschnitt beleuchtet das Zusammenspiel des all-gemeinen Zivilrechts im ABGB und den besonderen, berufs-

spezifischen Regelungen des anwaltlichen Vergütungsrechts,bevor nach diesen Grundlegungen ausführlicher auf rund 80Seiten die zivilrechtlichen Grenzen für freie Honorarverein-barungen dargestellt werden. Zentrale Norm, die untersuchtwerden muss, ist hier § 879 Abs. 2 ABGB, der im allgemei-nen Zivilrecht bestimmte Vergütungsvereinbarungen von„Rechtsfreunden“ untersagt („Ansichlösen der Streitsache“,„Streitanteilsvereinbarung“). Weitere vom Verfasser beleuch-tete zivilrechtliche Grenzen sind das Wucherverbot, dasAGB-Recht und das Verbraucherschutzrecht. Ebenso ausf-ührlich betrachtet der Verfasser die berufsrechtlichenSchranken von Honorarvereinbarungen nach österrei-chischem Recht. Thematisiert werden hier die vorvertragli-chen Aufklärungspflichten, das Verbot der Vereinbarungüberhöhter Honorare und sonstige Regelungen von Zeit-und Pauschalhonoraren im Berufsrecht. Kurz halten kannsich der Verfasser zu § 16 RAO, der erfolgsabhängige Vergü-tungen aus Sicht des Berufsrechts behandelt, da dieseThematik bereits im Zivilrecht abgehandelt wurde. Rechtausführlich behandelt der Verfasser abschließend internatio-nal-privatrechtliche Fragen auf der Basis der Rom-I- Verord-nung. Hier interessiert Pilshofer insbesondere, ob durchRechtswahl nach österreichischem Recht bestehende Verboteder Ausgestaltung von Honorarvereinbarungen umgangenwerden können – was er unter bestimmten Voraussetzungenbejaht.

2 Die anwaltsrechtliche Forschung ist in Österreich durch-aus rege – es entstehen dort recht viele Diplomarbeiten

und Dissertationsschriften zu anwaltsrechtlichen Fragestel-lungen. Verlegt werden die Arbeiten nur selten, so dass esnicht immer leicht fällt, sich weiterführende Quellen zu er-

schließen. Eine neue hilfreiche Quelle, die einen Überblickermöglicht, ist das von Markus Heidinger und BrigittaZöchling-Jud erstmals im Jahr 2011 herausgegebene „Jahr-buch Anwaltsrecht“. An ihm haben neun Autoren mitgewirkt.Das Jahrbuch enthält zum einen Überblicksbeiträge, die do-kumentarischen Charakter haben, zum anderen Abhandlun-gen zu Einzelfragestellungen und schließlich einige biblio-graphische und statistische Hinweise. Auf 25 bzw. 30 Seitenwird zunächst die aktuelle Entwicklung und Rechtsprechungim anwaltlichen Vergütungsrecht und im Standes- und Dis-ziplinarrecht nachgezeichnet. Die zuletzt durch Gesetzes-novellen bewirkten Änderungen im Standes-, Disziplinar-und Vergütungsrecht werden hier eingehend beleuchtet. So-dann behandelte Einzelthemen sind die Abwicklung vonGeldtreuhandschaften durch Anwälte, die Reichweite der an-waltlichen Verschwiegenheitspflicht, das Berufsbild desRechtsanwaltes in der Judikatur und der Status Quo derRechtsanwaltsausbildung in Österreich.

Grundlagen und Grenzen freierHonorarvereinbarungen im Anwaltsberuf

Marcel Pilshofer,Verlag Manz, Wien 2011, 344 S.,ISBN 978-3-214-00880-264,00 Euro.

Jahrbuch Anwaltsrecht 2011

Markus Heidinger/Brigitta Zöchling-Jud (Hrsg.),Verlag NWV, Wien 2011, 192 S.,ISBN 978-3-7083-0800-538,00 Euro.

MN Bücherschau

Aufsätze

Ausländisches Anwaltsrecht, Kil ian AnwBl 1 / 2013 33

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II. SchweizDer von Walter Fellmann und Gaudenz G. Zindel herausgege-bene „Kommentar zum Anwaltsgesetz“ liegt nach seinem erst-maligen Erscheinen im Jahr 2005 nunmehr in zweiter Auf-lage vor. Der „Fellmann/Zindel“ ist in der anwaltsrechtlichenPraxis in der Schweiz rasch zum Standardwerk avanciert.Die Neuauflage muss sechs Jahre Rechtsentwicklung nach-vollziehen, die Kasuistik der kantonalen Aufsichtskommis-sionen und Gerichte auswerten und nicht zuletzt auch die

zuletzt deutlich belebte Doktrin im schweizerischen Anwalts-recht verarbeiten. Der Kommentar gibt insbesondere Weg-weisung zu jüngeren Entwicklungen im schweizerischenAnwaltsrecht, so namentlich zu Fragen rund um die anwalt-liche Unabhängigkeit und um Interessenkonflikte sowie zuden zahlreicher werdenden Anwaltskörperschaften. Für deut-sche Nutzer besonders hilfreich sind die ausführlichen Erläu-terungen zu den Voraussetzungen der Berufsausübung vonEU-Anwälten in der Schweiz. Wer sich in Deutschland fürdas Schweizerische Anwaltsrecht oder für eine vorüberge-hende bzw. dauerhafte grenzüberschreitende anwaltliche Tä-tigkeit interessiert, wird auf den „Fellmann/Zindel“ nicht ver-zichten wollen.

III. Mittel- und OsteuropaDas Interesse deutschsprachiger Autoren an ausländischenRechtsanwaltschaften ist überaus lebhaft: Monographien zuden Anwaltschaften in den USA, England und Wales oderFrankreich sind beinahe abundant vorhanden. In den letztenJahren sind selbst vergleichsweise abgelegene Rechtsordnun-gen wie jene Australiens, Brasiliens oder Israels anwalts-rechtlich untersucht worden. Wer bislang freilich ein Buchzur Hand nehmen möchte, um sich über die Rechtsanwalt-schaften in Mittel- und Osteuropa zu informieren, wird fest-stellen, dass diese Deutschland zum Teil unmittelbar benach-barten Rechtsordnungen aus anwaltsrechtlicher Sicht diesprichwörtliche „terra incognita“ sind. Das Werk „Anwalts-recht und Anwaltschaften in Mittel- und Osteuropa“ adressiertdieses Erkenntnisdefizit. Es ist am Dokumentationszentrumfür das Europäische Anwalts- und Notarrecht an der Univer-sität zu Köln entstanden. Der Forschungsgegenstand ist be-sonders reizvoll, hat sich den Reformstaaten Mittel- und Ost-europas in Folge des politischen Umbruchs vor rund 20Jahren doch nicht nur die Gelegenheit geboten, an Traditio-nen aus vorkommunistischer Zeit anzuknüpfen, sondernauch, ein modernes Anwaltsrecht auf einem (fast) weißenBlatt Papier zu konzipieren. Der rechts- und berufspolitischeAnsatz war hierbei ein anderer als in Rechtsordnungen wieDeutschland oder England, die es im – bisweilen gefährlichselbstgefälligen – Bewusstsein ihrer Größe und Bedeutungselten für notwendig erachten, über den eigenen Tellerrandzu blicken. Die Reformstaaten haben hingegen fast immerden Dialog mit anderen Rechtsordnungen gesucht, unter-

schiedliche Konzepte des Auslands abgewogen undRückschlüsse für die eigene Gesetzgebung gezogen. ImBuch vorgestellt wird das über mehrere Jahre systematischuntersuchte Anwaltsrecht der zehn „neuen“ EU-Mitglieds-staaten Mittel- und Osteuropas sowie des BeitrittskandidatenKroatien. Die Länderberichte sind stets gleich aufgebaut, umfür alle untersuchten Länder weitgehend identische Informa-tionen bieten zu können. Sie gliedern sich in jeweils neunthematische Blöcke, die, soweit die rechtlichen und tatsäch-lichen Gegebenheiten dies ermöglichen, wiederum in sichidentisch aufgebaut sind: Einem kurzen historischen Über-blick schließt sich stets ein Abschnitt an, der unter der Über-schrift „Rechtsdienstleistungsmarkt“ nicht nur das Rechts-dienstleistungsrecht als rechtlichen Rahmen des Marktesskizziert, sondern auch über die innere Struktur der Anwalt-schaft im untersuchten Land und die mit ihnen konkurrie-renden nicht-anwaltlichen Dienstleister informiert. Die fol-genden beiden Abschnitte erörtern ausführlich dieQualifikation zum Rechtsanwalt, unterteilt in die univer-sitäre und die berufspraktische Ausbildung. Der sich an-schließende Abschnitt gibt einen Überblick über die Rechts-quellen des Anwaltsrechts in der jeweils untersuchtenRechtsordnung. Ausführlich wird sodann das Kammerwesenin den Rechtsordnungen erläutert, etwas knapper das Diszip-linarwesen. Umfassend werden die berufsrechtlichen Rechteund Pflichten des Anwalts skizziert, differenziert nach denGrundpflichten, mandatsbezogenen Pflichten, dem Rechtder Außendarstellung, der Pflicht zur Fortbildung und denRegeln zur beruflichen Zusammenarbeit. Ein weiterer Ab-schnitt betrachtet das – im weitesten Sinne – anwaltliche Zi-vilrecht. Erläutert werden als Teilaspekte der Anwaltsvertrag,die berufsspezifischen Fragen der Haftung und die Grund-lagen der Anwaltsvergütung. Als Folgeaspekt wird zudemdie staatliche Kostenhilfe für bedürftige Rechtssuchende ge-schildert. Den Abschluss der Länderberichte bilden jeweilsInformationen zu den Betätigungsmöglichkeiten ausländi-scher Rechtsanwälte in der jeweiligen Rechtsordnung.

Die Kommentierung erstreckt sich auf die Gebiete Gel-tungsbereich, Anwaltsregister, Berufsregeln und Berufs-geheimnis, Disziplinaraufsicht sowie Ausübung des Anwalts-berufs im internationalen Verhältnis.

Kommentar zum Anwaltsgesetz

Walter Fellmann/Gaudenz G. Zindel (Hrsg.),Schulthess-Verlag, 2. Auflage,Zürich 2011, 580 S.,ISBN 978-3-7255-6245-9,168,00 Euro.

Anwaltsrecht und Anwaltschaften inMittel- und Osteuropa

Matthias Kilian,Verlag C.H. Beck,München 2012, 276 S.,ISBN 978-3-406-63379-9,49,80 Euro.

MN Bücherschau

34 AnwBl 1 / 2013 Ausländisches Anwaltsrecht, Ki l ian

Dr. Matthias Kilian, KölnDr. Matthias Kilian, KölnDer Autor ist Rechtsanwalt und Direktor desSoldan Instituts.

Leserzuschriften an [email protected].

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MN

36 Wenn Anwalts Hobby zum Beruf wird:Boxenwummern, Hufschlag, MotorheulenFrank Chrisiansen, Düsseldorf (Text) und Franz Brück, Berlin (Fotos)

Der freieste Beruf der Welt bietet wirklich Freiheit: Wie Anwälte ihr Hobby zumBeruf machen können, hat Anwaltsblatt Karriere – das Magazin des DAV fürStudierende und Referendare – in einer Reportage vorgestellt. Das Anwaltsblattdruckt nach, weil das auch Anwältinnen und Anwälte interessiert.

44 Hin und Her um FrauenquoteRechtsanwältin und Notarin Mechtild Düsing, Münster

EU-Justizkommissarin Viviane Reding hat von der „gläsernen Decke“ gesprochen,die Frauen von Aufsichtsratsposten fernhält. Diese soll nun eine „Flexi-Quote“zerschlagen. Warum das Störfeuer aus Deutschland falsch ist, begründet eineengagierte Anwaltsnotarin.

46 Haben es Anwältinnen schwererin Kanzleien?Interview von Anwaltsblatt Karriere mit Rechtsanwältin Dr. Daniela Seeliger, Düsseldorf

Das war eine von 27 Fragen, die Anwaltsblatt Karriere Rechtsanwältin Dr. DanielaSeeliger stellte. Die Frage stand nicht im Mittelpunkt des Interviews – doch dieAntwort ist trotzdem lesenswert. Das Gespräch mit der Kartellrechtlerin belegt,dass es „gläserne Decken“ auch in der Anwaltschaft gibt.

51 Gehälter- und EinstellungsreportNora Zunker, DAV, Berlin und Lisa Gut, DAV, Berlin (Mitarbeit)

Geeigneter Anwaltsnachwuchs wird rar – und die Kanzleien reagieren darauf.Das ist das Ergebnis des 12. Einstellungs- und Gehälterreports von AnwaltsblattKarriere. Der Deutsche Anwaltverein befragt regelmäßig Kanzleien. Das Anwaltsblattdruckt den Report aus dem November 2012 nach.

Magazin

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Reportage

AnwaltsBlatt Magazin 1-2013 RZ:RZ 05.12.2012 13:16 Uhr Seite 36

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Boxenwummern,Hufschlag, Motorheulen –wenn Anwalts Hobby zum Beruf wird

Text: Frank ChristiansenFotos: Franz Brück

AnwBl 1 / 2013 37

Magazin

AnwaltsBlatt Magazin 1-2013 RZ:RZ 11.12.2012 13:28 Uhr Seite 37

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Ob als Segler auf der Flensburger Förde, als Barock-Reiterin in Berlin hoch zuRoss, unterwegs im edlen Oldtimer oder im Klanggewitter vor dem Boxenturm –viele Anwälte verbinden ihr liebstes Hobby erfolgreich mit ihrem Beruf. Dabeigeht es immer um Leidenschaft.Segelnde Anwälte gibt es einige. Aber Anwälte für Sportbootrecht? Jochen-P. Kunzeist einer dieser seltenen Spezies. Die schlanken schwedischen Schärenkreuzer sindseine besondere Leidenschaft. Eine moderne Interpretation davon besitzt der Flens-burger selbst. Eigentlich wollte der 43-Jährige Bootsbauer werden. Nach der Schulezog es ihn in eine Werft. „Mein Meister damals war durch den Job gesundheitlichschwer gezeichnet – da habe ich mich umentschieden.“ Aber die Kontakte bliebenund schon im Jura-Studium wandten sich Bootsbauer und -besitzer mit rechtlichenFragen an Kunze. Einen erheblichen Anteil seiner Anwaltstätigkeit beschäftigt sichder Anwalt inzwischen mit Rechtsfragen im maritimen Sektor. Oft eine hochgradigemotionale Angelegenheit: „Die Leute sind abgöttisch verliebt in ihre Boote.“

Liegt eines davon mit Loch im Rumpf in 90 Metern Tiefe auf Grund, oder reißtin voller Fahrt das Ruder ab, hat Kunze schnell den Konstrukteur in der Leitung, derwissen will, ob da Unheil auf ihn zukommen könnte. Käufer oder Verkäufer wendensich an ihn, wenn die Liebe zum neuen Schiff wegen vermeintlicher oder tatsäch-licher Mängel schlagartig abkühlt. Kunze ist auch Regatta-Schiedsrichter, aber seineWebsite „Yacht und Recht“ und Empfehlungen aus der Branche tragen ihm die meis-ten Mandate ein. Anwalts- und Bootsbauwissen sind eine seltene Kombination.„Wenn sie als Anwalt im Zivilprozess bei der Laminatstruktur der Bodengruppe im

AnwBl 1 / 201338

Reportage

AnwaltsBlatt Magazin 1-2013 RZ:RZ 05.12.2012 13:17 Uhr Seite 38

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Unterwasserbereich mitreden können, wird der Sachverständige der Gegenparteischnell vorsichtig.“

Wer meint, Flensburg sei der optimale Ort für eine solche Kanzlei, liegt nur halbrichtig. „Ich bin auch viel in Süddeutschland unterwegs und ringe auch am Land-gericht Kempten um Bootsbaufragen.“ Von der Berufsschifffahrt hält Kunze sichgerne fern. „Je schöner das Schiff, desto interessanter. Die verwaltungsrechtlichenDinge der Berufsschifffahrt, Seehandel und Transportrecht, das ist mir persönlichzu langweilig.“

Ein Fall ist Kunze besonders im Gedächtnis geblieben. Er hatte den bereits achtJahre währenden Rechtsstreit als dritter Anwalt übernommen. Die Parteien, Boots-käufer und -verkäufer, waren tief zerstritten, der Gegner hochgradig emotional undcholerisch. „Ich habe es geschafft, ihn von einer Mediation am Landgericht Kiel zuüberzeugen. In eineinhalb Stunden hatten wir uns verglichen, eine gute Lösunggefunden. Beide Seiten gingen mit geradem Rücken aus dem Raum und der Fallwar abgeschlossen.“

Den höchsten Streitwert hatte eine 3,5 Millionen Euro teure Yacht, aber so richtiggefesselt hat der Fall Kunze nicht: „Das war nur ein Motorboot.“ Trotz der partiellenFusion von Hobby und Beruf hat der Flensburger kein Problem, zwischen Job undPrivatleben zu trennen: „Wenn ich mit dem Fuß vom Steg weg bin, kann ich meinjuristisches Hirn abschalten. Da habe ich mir das Schöne am Segeln bewahrt.“

„Wenn ich mit demFuß vom Steg weg bin,kann ich meinjuristisches Hirnabschalten. Da habeich mir das Schöneam Segeln bewahrt.“Jochen-P. Kunze

AnwaltsBlatt Magazin 1-2013 RZ:RZ 05.12.2012 13:17 Uhr Seite 39

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Reportage

AnwBl 1 / 201340

Anwalt mit Endoskop

Was für Kunze der schlanke Rumpf und volle Segel, sind für Rechtsanwalt MichaelEckert (55) glänzender Lack und nostalgische Formen. Der Anwalt aus Heidelbergist Oldtimer-Fan. Zwei Prachtstücke besitzt er selbst: einen Ponton-Mercedes 220 Svon 1959 und einen Mercedes 190 SL Roadster von 1957. Seinen ersten Oldtimer er-stand Eckert vor 30 Jahren als Student – gekauft mit einemUnfallschaden. Problememit der Gewährleistung, Unfälle – vor acht Jahren erkor Eckert die geliebten Old-timer offiziell zu seinem Rechtsgebiet. Später gründete er sogar den Deutschen Old-timer-Rechtstag. Inzwischen ist seine Kanzlei auf diesem Feld bundesweit bekannt.

Wenn es um einen alten Bugatti geht oder einen alten Mercedes 300 SL, nähernsich die Streitwerte der Millionenmarke. Außer Eckert beschäftigen sich noch dreiweitere Anwälte in der Kanzlei mit Rechtsfragen rund um Oldtimer – etwa 1,5 Stel-len beansprucht das Gebiet. Ein schnöder Verkehrsunfall wird mit Oldtimer-Beteili-gung sofort zu einer Herausforderung. Welchen Wert der Oldtimer hat, ist nicht wiebei Allerweltsautos anhand von Ausstattung, Alter und Laufleistung aus Listen ab-zulesen, sondern vor allem Sache seines Zustands. Und wie ist die Schadenshöhezu berechnen, wenn Ersatzteile nicht oder nur mit großer Mühe im Ausland zubeschaffen sind?

Als Fahrzeugprüfer der Internationalen Oldtimer-Organisation FIVA prüftEckert die Authentizität der Autos auch selbst. Wie auf dem Kunstmarkt gibt es auchbei Oldtimern auf alt getrimmte Total-Fälschungen, also Nachbauten alter Autos. „Eskann Ihnen passieren, dass Sie viel Geld für einen Oldtimer und mehrere tausend

„Der eine Gutachterstuft einen Wagenmit 1- ein, dernächste mit 4+.Da schau ich mirden Wagen gerneerstmal selbst an.“Michael Eckert

Als Anwalt verfügt Michael Eckert überausgesprochen seltene Arbeitsmittel: eineAutowerkstatt mit Grube und Endoskop.

AnwaltsBlatt Magazin 1-2013 RZ:RZ 05.12.2012 13:17 Uhr Seite 40

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Essay

AnwBl 1 / 2013 41

Euro Startgebühr für eine Oldtimer-Rallye hingeblättert haben und dann werden Sievor dem Start raus gewunken, weil ein paar Meter weiter ein baugleiches Auto mitgleicher Fahrgestellnummer steht.“

Daneben gibt es „einen großen Graubereich“, berichtet Eckert. So ist es zwar inder Szene üblich und akzeptiert, wenn nicht mehr erhältliche Verschleißteile nach-gebaut sind, aber bei anderen Teilen wird es schnell kritisch bei der Frage, ob es sichtatsächlich noch um einen Oldtimer handelt.

Oldtimer-Recht ist ein Sammelsurium aus Kaufvertrags-, Gewährleistungs-,Straf-, Marken-, Zulassungs-, Abfall-, Vereins-, Veranstaltungs- und Straßenver-kehrsrecht. Rund ein Drittel des Aufwands sei Auseinandersetzungmit Sachverstän-digen, sagt Eckert. Oldtimer werden nach Noten beurteilt – zwischen 1 und 5. Aberwie die Qualität der Wagen, so sei auch die der Sachverständigen höchst unter-schiedlich. „Der eine Gutachter stuft einen Wagen mit 1- ein, der nächste mit 4+.Da schau ich mir den Wagen gerne erstmal selbst an.“ Deswegen verfügt er alsAnwalt über ausgesprochen seltene Arbeitsmittel: eine Autowerkstatt mit Grubeund Endoskop.

Der Heidelberger erinnert sich an einen fachunkundigen Kollegen, der einenOldtimer, in den es reinregnete und der auf der Autobahn Teile verlor, dem Gerichtals mängelfrei darzustellen versuchte, obwohl sein Zustand beim Verkauf mit Note 1angegeben worden war. „Da muss man schon mal schmunzeln. Man muss mit demHerzen dabei sein, sonst wird das nicht gut gehen.“

AnwaltsBlatt Magazin 1-2013 RZ:RZ 05.12.2012 13:18 Uhr Seite 41

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Reportage

AnwBl 1 / 201342

Hoch zu Ross

Annette Brenken stammt aus der Pferdehochburg Münster und reitet für ihr Lebengern. Ihr eigenes Pferd „Theo“ ist ein Knabstrupper, eine alte dänische Fürsten-Pferderasse. Die Wahl-Berlinerin hat sich dem Barockreiten verschrieben. Seit neunJahren ist die 41-Jährige als Anwältin auch in Rechtsfragen rund ums Pferd präsent.

Die Idee, neben Medizin- und Verkehrsrecht auch Tierrecht anzubieten, „war fürmich nicht die Schlechteste. Das hat sich nach und nach entwickelt“, sagt Brenken.Inzwischen haben rund zwei Fünftel ihrer Fälle mit Pferden zu tun. Tierarzt-Haftungsfälle, Probleme mit dem Pferdekauf, Verkehrsunfälle mit Pferden – dieMandanten kommen nicht nur aus dem Berliner Raum.

Wie müssen Reitböden und Reithallen beschaffen sein? Wann gerät der Hallen-betreiber bei einem Sturz in die Haftung? „Die Richtlinie für Reitplätze ist nochnicht alt. Da gibt es fast keine Urteile.“ Trotz solcher juristischen Spezialfragen istBrenken nicht allein auf weiter Flur. Allein in Berlin tummeln sich fünf Anwälte inihrem Metier. Der Markt ist vielfältig: Es gibt Dressur-, Spring-, Western-, Freizeit-und Wanderreiter – eine ganze Reihe verschiedener Verbände organisiert den Reit-sport und hat entsprechenden Beratungsbedarf.

Brenken hält Fachvorträge, ist auf Pferdemessen als Anwältin präsent: „Die Rei-ter erwarten, dass ihr Anwalt Ahnung von Pferden und Pferdehaltung hat.“ Nachteilder Fusion von Hobby und Beruf: „Man ist nie ganz privat beim Hobby. Aber das istals Anwalt ja immer so, da muss man mit leben.“

„Man ist nie ganzprivat beim Hobby.Aber das ist alsAnwalt ja immer so,da muss manmit leben.“Annette Brenken

AnwaltsBlatt Magazin 1-2013 RZ:RZ 05.12.2012 13:18 Uhr Seite 42

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Rechtssicher rocken

Christian Koch (33) ist im Hauptberuf IT-Rechtler und kümmert sich im mittel-hessischen Linden um Software-Lizenzen und -Verträge. Im Nebenberuf ist erDeutschlands erster Metal-Anwalt. Sein Motto: „Rechtssicher rocken“. Damit hat erdie Sympathien in der Hardrock-Szene auf seiner Seite: „Ich habe mittlerweile sogarFans. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Anwalt Fans haben kann.“ Seit etwa einemJahr hat der Vater von vier Kindern sein lautstarkes Hobby mit seinem Anwaltsberufverbunden. „Ich kann noch nicht davon leben, aber es ist besser angelaufen, als icherwartet hatte.“ In seinem Büro steht eine große Hifi-Anlage samt Lautsprechern.Mindestens einmal am Tag schallt laute Musik aus der Kanzlei.

Als Musiker ist Koch nicht unterwegs: „Ich bin völlig talentfrei.“ Um dennoch inder Musikbranche ins Geschäft zu kommen, wollte er ursprünglich Nachwuchs-bands rechtlich beraten, aber: „Die haben einfach kein Geld.“ Die Nachfrage kam ausanderer Richtung: Für Konzertveranstalter oder Diskotheken kreuzt er mit der Gemadie Klingen, berät ein Internetradio und ein Plattenlabel – „und nein, die müssennicht ausschließlich Heavy Metal spielen, es gehen auch andere Musikrichtungen“.Auf Konzerten ist Koch am T-Shirt mit Aufdruck „Metal-Anwalt“ gut zu erkennen.Das stürzt ihn in einen Zwiespalt: „Wie darf ich mich auf Konzerten benehmen,immerhin repräsentiere ich ja auch den Anwaltsberuf?“ Und: „Natürlich wird mangenau beim Auftritt der Lieblingsband angesprochen.“ Für die Zukunft hat er einenfesten Vorsatz: „Ich muss auch mal wieder privat auf ein Konzert gehen.“

Die Reportage ist zuerst in Anwaltsblatt Karriere, dem Magazin des DAV für Studierende undReferendare, November 2012 erschienen.

„Ich habe mittler-weile sogar Fans. Ichhätte nicht gedacht,dass ein AnwaltFans haben kann.“Christian Koch

AnwaltsBlatt Magazin 1-2013 RZ:RZ 05.12.2012 13:18 Uhr Seite 43

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Hin und Her umFrauenquoteDie Europäische Kommission will sie nun doch wieder –und findet Verbündete außerhalb DeutschlandsRechtsanwaltin und Notarin Mechtild Dusing, Munster

Nachdem der erste Schrecken beim männlichen Establishment verflogen ist, for-miert sich nun wieder vorsichtig Widerstand gegen die Frauenquote in Aufsichts-räten von großen Unternehmen: „nicht deutschlandtauglich“ und „kein Allheilmit-tel“ soll sie sein. Gar von „Entmündigung der Unternehmen“ wird gesprochen.War also die Euphorie der EU-Justizkommissarin Vivane Reding am 15. November2012 verfrüht? In Hamburg hatte sie gesagt: „Es ist geschafft: Gestern hat die Euro-päische Kommission Gleichstellungsgeschichte geschrieben. Nach Jahren leererVersprechungen und gescheiterter Selbstregulierung aus der Wirtschaft haben wirgehandelt. Die Kommission hat auf meinen Vorschlag hin einen Richtlinienvor-schlag auf den Weg gebracht, der die gläserne Decke zerschlagen wird, an die vieleFrauen auf der Karriereleiter immer noch stoßen.“

Der Widerstand zeigt nur, wie weit Deutschland von der Gleichberechtigungvon Frauen entfernt ist. Die Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen im Deutschen An-waltverein setzt sich seit Jahren für eine Frauenquote in Führungsgremien derWirtschaft ein und hat sich deshalb auch an der Aktion des Deutschen Juristinnen-bundes „Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung“ beteiligt. Anwältinnen sindals Rednerinnen bei Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften aufgetreten,um das Fehlen von Frauen in den Führungsetagen anzuprangern.

Die Erfolge dieser Aktion waren eher bescheiden. Zwar hat es einige spektaku-läre Berufungen in Vorstände gegeben (zum Beispiel die ehemalige Bundesverfas-sungsrichterin Dr. Christine Hohmann-Dennhardt bei der Daimler AG), insgesamtliegt jedoch der Frauenanteil in den Vorständen und Aufsichtsräten deutscher Un-ternehmen auf einem unakzeptablen niedrigen Niveau. Norwegen, Island, Spanien,Frankreich, Belgien, Italien und die Niederlande haben bereits Quoten eingeführt.In Deutschland streiten sich die Ministerinnen Dr. Ursula von der Leyen und Dr.Kristina Schröder schon seit Jahren um diese Frage. Schröder möchte die „Flexi-Quote“, während Frau von der Leyen eine feste Quote befürwortet.

Da sich die Politik im größten Mitgliedstaat der EU gegenseitig blockiert hat,haben sich die Frauenvereinigungen in Deutschland schon seit Längerem Hilfevon Justizkommissarin Viviane Reding erhofft, die jetzt endlich auch eingetroffenist. Der Richtlinienentwurf der Justizkommissarin sieht eine 40 Prozent-Quote fürAufsichtsräte bis zum Jahre 2020 vor. Auch hinsichtlich der Vorstände wird dieRichtlinie Vorschriften enthalten, die allerdings zunächst auf eine „Flexi-Quote“ hi-nauslaufen.

Damit übertrifft die EU mal wieder in Sachen Gleichberechtigung die eherschüchternen Versuche der Bundestagsfraktionen der SPD und der Grünen sowieauch den Gesetzentwurf des Bundesrates. Der vom Bundesrat eingebrachte Geset-zesentwurf (Bundestagdrucksache 17/11270) sieht einen 40 Prozent-Anteil im Auf-sichtsrat erst ab dem 1. Januar 2023 vor.

Das Europäische Parlament muss dem Richtlinienentwurf noch zustimmen –nach Äußerungen des deutschen Parlamentspräsidenten Martin Schulz dürfte diesjedoch gesichert sein – auch wenn Störfeuer aus Deutschland schon angekündigtist.

Die Anwältinnen erwarten, dass der DAV die Initiative der Justizkommissarinunterstützt und das seine dazu tut, die „gläserne Decke“ zu zerschlagen.

„Da sich die Politik imgrößten Mitgliedstaatder EU gegenseitigblockiert hat, haben sichdie Frauenvereinigun-gen in Deutschlandschon seit LängeremHilfe von Justiz-kommissarin VivianeReding erhofft, die jetztendlich auch eingetrof-fen ist. Der Richt-linienentwurf der Justiz-kommissarin sieht eine40 Prozent-Quote fürAufsichtsräte bis zumJahre 2020 vor.“

MN Kommentar

Mechtild Düsing, MünsterMechtild Düsing, MünsterDie Autorin ist Rechtsanwältin und Notarin. Sie ist unter anderem Vorsitzende des Genderausschusses des Deutschen Anwalt-vereins. Der Beitrag gibt ihre persönliche Auffassung wieder.

Leserzuschriften an [email protected].

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VerführerischeArbeitserleichterungDer Deal im Strafprozess –ein potenziell faustischer PaktNorbert Demuth, Nachrichtenagentur dapd

Der Deal ist zur Gretchenfrage der deutschen Strafjustiz geworden – nach demMotto: „Nun sag’, wie hast du’s mit Urteilsabsprachen im Strafprozess?“ Auf dieseFrage hat eine erschreckend hohe Zahl von Richtern geantwortet, dass sie sich beiden Absprachen nicht an die seit August 2009 geltenden gesetzlichen Transparenz-vorgaben hält. Viele Richter bevorzugen in der Verständigung mit Staatsanwalt-schaft und Verteidigung über das Ergebnis eines Strafverfahrens den „informel-len“, eigentlich illegalen Deal.

So lautet das Ergebnis einer vom Düsseldorfer Strafrechtsprofessor KarstenAltenhain erstellten, anonymisierten Umfrage unter insgesamt 334 Richtern,Staatsanwälten und Strafverteidigern in Nordrhein-Westfalen (NRW). Als das Bun-desverfassungsgericht diese wissenschaftliche Studie am 7. November 2012 inmündlicher Verhandlung präsentiert bekam, wirkte der Zweite Senat geschockt.Verfassungsrichter Peter Huber sagte, damit könne ein Rechtsstaat nicht zufriedensein, „wenn er sich nicht ad absurdum führen will“. Dies alles gilt, obwohl die Er-hebung „nur“ für NRW repräsentativ ist und der Deutsche Richterbund vor einemGeneralverdacht gegen Richter warnt.

Natürlich funktioniert das Justizsystem in Deutschland grundsätzlich – undweitaus besser als in Russland oder China. Aber möglicherweise ist der Deal imdeutschen Rechtssystem per se etwas Widersinniges. Nicht ohne Grund sieht derPräsident des Bundesgerichtshofs (BGH), Prof. Dr. Klaus Tolksdorf, ein „strukturel-les Problem“. Denn der Deal will Konsens, will eine Verständigung der im Konfliktstehenden Parteien. „Im Prinzip vertragen sich Konsens und Strafrecht nicht“,meint der BGH-Präsident. Und es gibt noch ein weiteres Problem: Letztlich geht esbeim Deal um einen „Strafrabatt“ für den Angeklagten im Falle eines Geständnis-ses, der in der Regel bei rund einem Drittel der sonst drohenden Strafe liegt. Oftkommt aber nur ein „schlankes Geständnis“ heraus, ein „Formalgeständnis“.

Kritiker sahen schon immer die Gefahr, dass Angeklagte sich gedrängt sehenkönnten, sogar ein falsches Geständnis abzulegen. Dass auch diese Befürchtungsich offenbar bewahrheitet hat, lässt erschaudern: Laut der Düsseldorfer Studie be-richtete mehr als die Hälfte der befragten Verteidiger von Fällen, in denen Ange-klagte ein wahrscheinlich falsches Geständnis abgelegt hätten, um eine drohendehohe Strafe zu drücken.

Hauptmotiv für den Deal ist die Abkürzung eines Strafverfahrens, gerade wenneine aufwendige Beweisaufnahme droht. Doch diese Arbeitserleichterung ist verfüh-rerisch angesichts der Überlastung der Justiz. Manchmal wird offenbar sogar zumDeal gegriffen, ohne die Alternative überhaupt in Erwägung zu ziehen – nämlich ei-nen „richtigen“ Strafprozess zu führen. Generalbundesanwalt Harald Range sagtevor dem Verfassungsgericht, er kenne Richter, die „sofort nach Eintreffen der An-klage zum Telefonhörer greifen“, um mit dem Verteidiger über eine Verständigungzu sprechen. Gäbe es den Deal nicht mehr, würde das Justizsystem wohl nicht zu-sammenbrechen. Doch der Druck auf die Politik, endlich für eine bessere Personal-ausstattung der Gerichte zu sorgen, würde steigen. Noch gilt in Deutschland diePflicht der Gerichte und Staatsanwaltschaften, den wahren Sachverhalt aufzuklären.

Ein Handel mit der Wahrheit nach bloßer Aktenlage will dazu irgendwie nichtpassen. Der Deal könnte damit ein faustischer Pakt sein, der nur auf den erstenBlick Vorteile verspricht, aber das Potenzial hat, das Vertrauen in das deutscheRechtssystem schleichend zu zerstören.

MN Gastkommentar

„Letztlich geht es beimDeal um einen Strafra-batt für den Angeklag-ten im Falle eines Ge-ständnisses, der in derRegel bei rund einemDrittel der sonst drohen-den Strafe liegt. Oftkommt aber nur ein,schlankes Geständnis’heraus, ein ,Formal-geständnis’. Das ist einHandel mit der Wahr-heit nach bloßerAktenlage.“

Norbert Demuth, KarlsruheNorbert Demuth, KarlsruheDer Autor ist Korrespondent der Nachrichtenagentur dapd.

Leserzuschriften an [email protected].

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Rechtsanwältin Dr. Daniela Seeligeraus Düsseldorf

Interview

AnwaltsBlatt Magazin 1-2013 RZ:RZ 05.12.2012 13:18 Uhr Seite 46

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Sie kommen nie am Montagmorgen. Sie sind stets höflich. Doch Vorstände undGeschäftsführer fürchten sie noch mehr als Staatsanwälte: Die Beamten der Kartell-behörden. Wenn sich die Europäische Kommission oder das Bundeskartellamt fürE-Mails, Excel-Sheets und Powerpoint-Präsentationen interessiert, wird es fast im-mer teuer – allein schon wegen des Imageschadens in den Medien. Ob Vitamine,Kaffee, Zement oder Feuerwehrfahrzeuge: Bei Kartellen drohen hohe Bußgelder.Denn der Gewinn darf abgeschöpft werden, der durch überteuerte Preise erzieltwurde. Kein Wunder, dass vor allem die Kartell-Compliance die Unternehmen be-schäftigt. Warum das Judiz des Juristen im Kartellrecht so häufig nicht funktioniert,fragte Anwaltsblatt Karriere Rechtsanwältin Dr. Daniela Seeliger, Partnerin beiLinklaters LLP in Düsseldorf.

Im Kartellrecht gibt es schon seit Jahrzehnten den Anwalt als Spezialisten.Ist das Kartellrecht besonders schwer?

Das Kartellrecht ist nicht schwerer als andere Rechtsgebiete. Gute Kartellrechtlerhaben aber ein Bauchgefühl, das sich nicht aus Rechtsnormen speist. Das entwi-ckelt sich erst im Laufe der Zeit. Sie brauchen es für die schwierigen Fälle. Es ist wiebei einer Ampel: Es gibt rote Fälle, die klar verboten sind wie Preisabsprachen, esgibt die klar zulässigen grünen Sachen wie das Einsammeln von Prospekten aufMessen. Die Musik spielt da, wo aus grün, gelb und dann orange wird.

Was ist so anders am Kartellrecht?

Sie brauchen ein untrügliches Gespür für die Feinheiten eines Sachverhalts und diewirtschaftliche Tragweite von Details: Was geht, was geht nicht? Dazu gehört auchökonomischer Sachverstand. Ein Beispiel: Der Lebensmitteleinzelhandel fordertvon seinen Händlern Rabatte. Klar ist, dass die Händler untereinander nicht die ra-battierten Endverbraucherpreise für konkrete Produkte austauschen dürfen. Was istaber mit der Gesamtdurchschnittsrabattzahl? Niemand kann daraus den Preis einesProduktes errechnen. Das Bundeskartellamt sagt gleichwohl: Das ist verboten.

Wie wichtig ist das Europarecht?

Das Europarecht spielt im Bereich der Fusionskontrolle, aber auch bei Kartellab-sprachen eine große Rolle. Außerdem versucht sich das deutsche Recht mehr undmehr an das europäische Recht anzugleichen. Es ist ein Gebot der Fairness gegen-über allen Unternehmen, dass sie sowohl auf europäischer als auch auf deutscherEbene gleich behandelt werden sollen.

Unternehmen können heute im Markt auf vielen Wegen ihre Macht ausspielen.Mit anderen Unternehmen Preiskartelle zu bilden, erscheint da ziemlich dumm.Warum kommt es immer wieder vor?

Erfahrungsgemäß schlittern die Unternehmen – oder besser: ihre Mitarbeiter – daso hinein. Viele Kartelle sind schon sehr lange im Markt existent gewesen. Seit derKronzeugenregelung fliegen sie auf, wenn ein Mitarbeiter sich den Kartellbehörden

Ein Bauchgefühl,das sich nicht ausRechtsnormen speistBeim Kartellrecht versagt das kleine Jura-Einmaleins

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Interview

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AnwaltsBlatt Magazin 1-2013 RZ:RZ 11.12.2012 13:28 Uhr Seite 47

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Interview

AnwBl 1 / 201348

5High Five

Ohne was kommt ein Anwalt,eine Anwältin nicht aus?Menschlichkeit.

Muss der Anwalt, die Anwältinrund um die Uhr im Dienst sein?Früher hätte ich ja gesagt, heute weißich es besser. Es ist alles eine Frageder Organisation.

Wie viel Privatleben braucht eineAnwältin, ein Anwalt?Genug, damit die Familie „happy“ ist –und man selber auch.

Kronzeugen – Retter der Gerechtigkeitoder Verpetzer?Wie im Leben: Es gibt sympathischeund unsympathische Menschen.

Kann Honorar auch Schmerzensgeld sein?Honorarverhandlungen können sehrschmerzlich sein.

offenbart. Typischer Fall: Der Mitarbeiter steigt im Unternehmen auf, macht Karrie-re, irgendwann ist er im inneren Zirkel und der Chef sagt, wir telefonieren immermit dem Hans über die Preise … der Hans ist dann der freundliche „Kollege“ vomMitbewerber, man kennt sich halt gut von Verbandstagungen, fährt vielleicht sogarmal ein Wochenende zusammen Motorrad. Das gemeinsame Ziel, einen höherenPreis bei den Kunden durchzusetzen, wird dann nicht als so schlimm empfunden.

Gibt es Branchen, die besonders anfällig sind?

Ja, alle Märkte mit wenigen Wettbewerbern sind für Kartellrechtler interessant.Wenn jeder jeden kennt in einer Industrie, Mitarbeiter von einem Unternehmenzum nächsten wechseln, kann es schnell zu verbotenen Abstimmungen im Marktkommen. Wenn der finanzielle Druck in einem Markt aber groß ist, sprechen sichauch mal 20 oder 30 Unternehmen ab.

Hat die Kronzeugenregelung etwas verändert?

Sie hat in der Tat dazu geführt, dass in vielen Unternehmen das Bewusstsein ge-wachsen ist, dass Kartellabsprachen für ein Unternehmen eine Gefahr darstellenkönnen, dass jemand ausplaudern könnte. Bei meinen ersten Compliance-Schu-lungen vor 15 Jahren haben mich die Herren freundlich angelächelt und gesagt:„Wir sind hier in einer Gentleman-Branche, da würde keiner je petzen.“ DieseSelbstgewissheit ist geschwunden. Ein Führungswechsel, ein neuer Investor – dieAngst vor Entdeckung ist heute viel größer. Für Mitarbeiter und Unternehmen kanndie Kronzeugenregelung bares Geld bedeuten. Wer zuerst anzeigt, bleibt straffrei.

Menschelt es bei Kronzeugenfällen?

Der Kronzeuge hat eine schwierige Rolle. Das Gesetz sieht keine Anonymität vor.Er wird danach von den Kartellanten, mit denen er häufig über Jahre befreundet

AnwaltsBlatt Magazin 1-2013 RZ:RZ 05.12.2012 13:18 Uhr Seite 48

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Interview

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war, geschnitten. Als Anwalt brauchen sie viel menschliches Einfühlungsvermögen.Gerade dann, wenn es heißt, morgen geht es zum Bundeskartellamt.

Was macht neben den Kartellen noch das Kartellrecht aus?

Zwei Themen: Ein Drittel meiner Arbeit entfällt auf Fälle der Fusionskontrolle –wenn Unternehmen sich zusammenschließen oder Konzerne kleine Unternehmenaufkaufen. Das bringt mir richtig Spaß, weil es sehr viel strategische Beratung er-fordert, sehr unternehmerisch ist und die Mandate zügig ablaufen. Einen kleinerenAnteil machen die Marktbeherrschungsfälle aus – wenn also einem Unternehmenvorgeworfen wird, seine marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen. Diese Fäl-le sind meistens interessant und schwierig – zumal sich über Marktabgrenzungengut streiten lässt.

Was ist denn ein Markt?

Meinen Studenten verdeutliche ich das an einem sehr simplen Beispiel, nämlichmit Bier. Zwei Unternehmen sind im Bereich Kölsch aktiv. Sie wollen sich zu-sammenschließen. Entweder man hat einen weiten Markt des Bieres, dann habendie gar kein Problem, oder man hat einen engen Markt, nämlich Kölsch, dann wirdes schwierig. Die Frage ist also, ob Kölsch-Trinker auch genauso gern ein anderesBier trinken, zum Beispiel Alt oder Pils.

Wie wichtig ist der vorbeugende Rechtsrat?

Die Beratung ist über die Jahre wichtiger geworden. Compliance ist heute unver-zichtbar. Unternehmen brauchen Strukturen und Schulungen für Compliance.

Und wenn die Durchsuchung da ist, bleibt dann alles andere liegen?

Ja. Ich habe einen „Notfallkoffer“ bei mir im Zimmer stehen. Wenn der Anrufkommt, sage ich nur „Durchsuchungsentscheidung direkt durchfaxen“ und bindann sofort mit drei oder vier Kollegen auf dem Weg – mit dem schnellsten mög-lichen Verkehrsmittel. Der Mandant ist dann richtig froh, wenn man ankommt. Ei-ne Durchsuchungsaktion ist immer sehr belastend für Unternehmen, gerade wenndie Beamten der Kartellbehörde dank eines Kronzeugen genau wissen, wonach siesuchen. Dann geht das zack, zack!

Wie viel Berufung gehört zum Beruf des Anwalts, der Anwältin?

Furchtbar viel. Man muss den Beruf schon sehr mögen, um ihn gut zu machen.Sie brauchen Begeisterung …

… für den Mandanten, für das Rechtsgebiet?

Für alles. Sie brauchen Begeisterung für Menschen, für ihre Mandanten, für ihrTeam – und natürlich für das Rechtsgebiet als solches. Es sollte sie intellektuell sofesseln und stimulieren, dass sie dabei bleiben möchten.

Muss man überzeugter Interessenvertreter sein?

Ja, ich bin das mit Leib und Seele. Meine Mutter ist Richterin, meine Großmutterist Rechtsanwältin. Ich konnte wählen. Meine Kinder fragen mich jetzt manchmal:„Mama, der macht doch was Verbotenes, wieso hilfst du dem denn da jetzt?“. Ich sa-ge dann, dass jeder ein Recht darauf hat, dass ihm geholfen wird. Wenn sich jemandSüßigkeiten aus der Schublade rausmopst, dann sollte er die Chance haben, zu er-klären, warum er es getan hat – vielleicht weil er Hunger hatte, weil es der Bruderauch getan hat, weil es das letzte Waldmeister-Bonbon war.

Würden Sie sagen, dass gerechte Lösungen gerade im Streit entstehen?

Was richtig oder falsch im Leben ist, wissen wir nicht immer genau. Die Grenzenzwischen orange und rot können fließend sein. Wir brauchen daher Verfahren, diealle Aspekte beleuchten – das führt zu Lösungen, die mehr Menschen akzeptierenkönnen. Manchmal sind sie auch gerechter.

Ist der Anwaltsberuf mit Kindern vereinbar?

Ja, aus meiner Sicht sogar sehr gut. Er gibt einem viele Freiheiten: Ich kann einfachsagen, ich bin jetzt zwei Stunden nicht da. Ich bin ja auch in längeren Besprechun-gen. Früher hätte ich vielleicht nicht unbedingt gesagt, dass ich auf dem Kinder-spielplatz bin. Heute stehe ich dazu. Mein drittes Baby habe ich schon zu Kartell-

Haben es Anwältinnen schwererin Kanzleien?Anwältinnen müssten es leichter haben. Werals Volljuristin den Anwaltsberuf wählt, bringtmeistens eine solche Vielfalt an Qualitätenmit, dass sie als Anwältin einfach erfolgreichsein muss. Die Wirklichkeit sieht anders aus.Anwältinnen habe es immer noch schwerer.Es sind die Bilder in den Köpfen der Männer.Mein klassisches Gespräch bei einem Dinner,wenn neben mir ein Mann sitzt: Der Herr:„Sie sind mit Ihren drei Kindern zu Hause?“Dann sag ich: „Nein, ich bin Anwältin.“ Er:„Das ist ja interessant, machen Sie Erbrechtoder Familienrecht?“ Ich: „Nein, Kartellrecht.“Er fragt: „Ach, das kann man auch halbtagsmachen?“ Darauf ich: „Kann man zwarmachen, aber ich mache es nicht. Ich arbeitevolltags in einer Wirtschaftskanzlei.“ Dannmerke ich, dass ich ihm unangenehm werde.Er fragt dann: und das geht? – und je nach-dem, wie lange ich über das Thema nochsprechen will, sage ich: „Nein, das gehtnicht.“ oder „Meine Mutter hilft mir.“ Das wirdakzeptiert, gar nicht gut kommt der Hinweisauf ein Kindermädchen an. Was noch geht:Der Vater – wobei die Herren dann immer soeinen Hippie im Unterhemd vor Augen haben.Warum werden Väter nie gefragt, wie sie ihreKinder unterbringen und wie sie die Familieregeln? Bei Männern fragt auch keine Banknach, ob man mit dem dritten Kind nocharbeiten will.

Magazin

AnwaltsBlatt Magazin 1-2013 RZ:RZ 11.12.2012 13:28 Uhr Seite 49

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Interview

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anten-Interviews mitgenommen. Es ging nicht anders. Ich bin überzeugt, Frauenmüssen sich selbst einfach stark fühlen. Es wäre schön, wenn es mehr Kolleginnengäbe, die das dem Nachwuchs vorlebten.

Und die Männer?

Sie sollten Vaterschaftsurlaub nehmen – einen richtig langen. Das würde den Väterngut tun und den Müttern auch helfen.

Was müssen die Kanzleien leisten, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zuverbessern?

Die Männer zum Vaterschaftsurlaub zwingen. Im Ernst: Flexible Arbeitsmodellefür Frauen und für Männer sind nötig. Alles geht, wenn man will – und natürlichkönnen Anwältinnen auch im Transaktionsgeschäft arbeiten. Das Ergebnis musszählen, nicht die Präsenz.

Warum gibt es so wenige Partnerinnen in Großkanzleien?

Bei den Einstellungen ist der Anteil inzwischen 50:50. Auf Partnerebene sieht esdann anders aus. Das hat natürlich viele Gründe – und auch nicht jeder Anwalt wirdmehr Partner. Mancher Anwalt und manche Anwältin will es auch schlicht nichtmehr. Auf jeden Fall müssen die Kanzleien nach meiner Auffassung umdenken.Das würde übrigens ganz schnell gehen, wenn sich die Kanzleien – wie viele ihrergroßen Mandanten – eine Frauenquote setzten.

Wie geradlinig muss ein Lebenslauf heute sein?

Ich wünsche mir, dass er nicht erschreckend geradlinig ist. Eine Ecke oder eineKante sagt mir zu. Ich achte auf den Blick über den Tellerrand. Eine Station in Chi-na oder beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte würde mir gefallen.Im Kartellrecht geht es nicht ohne soziale Kompetenz – und ohne Teamgeist funk-tioniert es in einer großen Kanzlei auch nicht.

Geht es heute noch ohne LL.M.?

Im Kartellrecht kaum. Wir arbeiten auf Englisch – Sprachkenntnisse sind unver-zichtbar. Der LL.M. muss aber nicht in Harvard oder am King’s College in Londongemacht worden sein. Australien, Neuseeland oder Südafrika können auch guteZiele sein.

Und der Doktor?

Kein Muss. Aber jungen Juristinnen rate ich zu einer kurzen prägnanten Doktorar-beit. Es ist ein Zeichen.

Was sagen Sie einer Bewerberin, die offen ausspricht: „Ich weiß noch nicht,ob ich bei Euch Partnerin werden will.“?

Halte dir die Möglichkeit dazu in jedem Fall offen.

Und einem Bewerber?

Dasselbe.

Wie viel Ehrgeiz braucht ein Anwalt, eine Anwältin in einer Großkanzlei?

Gesunde Portion.

Die Großkanzleien locken mit hohen Gehältern – und zahlen auch sonst gut:Wie wichtig ist das Geld im Leben?

Geld macht nicht glücklich.

Das Interview führten Dr. Nicolas Lührig und Franz Peter Altemeier.Es ist zuerst in Anwaltsblatt Karriere, dem Magazin des DAV für Studierende und Referendare,November 2012 erschienen.

interview

Zur PersonDr. Daniela Seeliger, Jahrgang 1970, istseit 1997 Rechtsanwältin. Sie studierteJura in Bonn und Lausanne, machte nachdem ersten Staatsexamen 1994 einenLL.M. am King’s College in London.Während des Referendariats im Bezirk desOLG Köln von 1995 bis 1997 arbeitete sieals wissenschaftliche Mitarbeiterin an derUniversität Bonn und absolvierte eineAnwaltsstation in Stockholm. Nach demzweiten Staatsexamen fing sie in derdamaligen Kanzlei Oppenhoff & Rädlerin Köln an, die in Linklaters LLP aufging.2001 wurde sie Junior Partnerin undverbrachte ein Jahr im Londoner Büro,2003 Partnerin. Beim Umzug des Bürosnach Düsseldorf 2008 ging sie mit. IhrePromotion schrieb sie im Kartellrechtüber die Fusionskontrolle nach der 1998verabschiedeten 6. Novelle des Gesetzesgegen Wettbewerbsbeschränkungen.Seeliger ist Lehrbeauftragte an derUniversität Halle. Sie hat drei Kinder(8 Jahre, 6 Jahre, 10 Monate).

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Jenseits der Großkanzleien werden die Berufschancen neu verteilt. Noch vor fünfJahren waren Prädikatsexamen und Doktortitel im Familienrecht, im Insolvenz-recht und im Medizinrecht sichere Karrierebeschleuniger. Heute bringen sie diejungen Absolventinnen und Absolventen des zweiten Staatsexamens zwar noch indie Bewerberrunde, aber am Ende zählen Persönlichkeit und Auftreten. Und nochein Trend: Geeigneter Anwaltsnachwuchs ist rar, zumal die internationalen Top-So-zietäten gute Leute wegfischen. Kleine und mittelständische Kanzleien sind daherdurchaus bereit, sich ihren Wunschkandidaten etwas kosten zu lassen – wenn dennalles stimmt.Gute Noten im Examen bleiben weiterhin der Schlüssel zum Einstieg in eine inter-nationale Top-Sozietät oder Großkanzlei, auch LL.M. und Promotion werden be-grüßt – und zumindest englische Fremdsprachenkenntnisse sind unabdingbar.Dass ein qualifizierter Bewerber dort um die 100.000 Euro und mehr verdienen undverlangen kann, wissen mittlerweile nicht nur die jungen Anwälte, sondern auchkleinere und mittelgroße Kanzleien. „Einen mit Doppelprädikat können wir unsnicht leisten“, heißt es da schon mal aus der einen oder anderen mittelständischenKanzlei. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum die kleineren Kanzleien ver-stärkt auf die soziale Kompetenz und das Gesamtbild setzen: „Der junge Kollegemuss mit der Praxis zurechtkommen“ und „auf die Mandanten losgelassen werdenkönnen“ – und natürlich zur Kanzlei und den Mandanten passen.

Engagement lohnt sich wieder: gute Chancen

Engagement ist das Stichwort auf dem Arbeitsmarkt. Darin sind sich die meistenPartner und Personal-Manager der befragten Kanzleien einig. Differenziert wird jenach Kanzleigröße, Region und fachlicher Ausrichtung der Kanzlei, woran sich einJurist erkennen lässt, der ein engagierter Anwalt (oder eine engagierte Anwältin)werden kann. Engagement im Studium zählt heute vor allem im Insolvenzrecht,drei Viertel der befragten Kanzleien ist ein Prädikatsexamen zumindest wichtig (vorfünf Jahren waren es noch 55 Prozent) und ein Doppelprädikat ist nach wie vor für48 Prozent der insolvenzrechtlichen Kanzleien wünschenswert. Die Examenszeug-nisse sollen belegen, dass sich der Bewerber „gut und schnell in verschiedeneRechtsgebiete einarbeiten“ kann – der sichere Umgang mit Arbeits-, Gesellschafts-,Handels- und Baurecht ist gerade im Alltag eines Insolvenzrechtsanwalts un-verzichtbar. Auch im Medizinrecht ist die Bedeutung der Prädikatsexamen wiedergestiegen, ein Prädikatsexamen ist für 62 Prozent der befragten Kanzleien und zweifür 42 Prozent „wichtig“ oder „sehr wichtig“ – 2007 galt das für nur 20 Prozent. Le-diglich im Familienrecht spielt ein Prädikatsexamen für nur 48 Prozent eine Rolleund das Doppelprädikat für knapp ein Drittel der Kanzleien. Anwälte vertreten zu-nehmend – zum Teil aus eigener Erfahrung – die Auffassung, dass Examen ebendoch „Glückssache“ sind und nicht zwingend etwas über die tatsächlichen Fähigkei-ten eines Bewerbers aussagen. Das spiegelt sich auch darin wider, dass für zweiDrittel aller befragten Kanzleien ein nur ausreichendes Examen nicht automatischdas Aus der Bewerbung bedeutet, sondern lediglich der Blick auf den Lebenslaufkritischer wird.

Das Engagement für das Rechtsgebiet lässt sich am besten durch Stationen imReferendariat belegen. Neben den Noten ist das für mehr als 40 Prozent aller befrag-ten Kanzleien ein wichtiges Indiz. Aber die Kanzleien bleiben realistisch: „Stationenim Medizinrecht kann man nicht erwarten, damit schießen sich die Studenten jafür das Examen selbst ins Bein“, sagt ein Partner einer norddeutschen mittelständi-schen Kanzlei offen. Wo im Medizinrecht „Branchenkenntnis“ hilft, wird im Insol-venzrecht eine betriebswirtschaftliche Ausbildung fast schon erwartet. Der Trendzur Praxis zeigt sich auch in der schwindenden Bedeutung der Promotion. Im Me-dizinrecht ist der Doktortitel immerhin noch für gut ein Drittel der befragten Kanz-

Gehälter- und EinstellungsreportFamilienrecht, Insolvenzrecht und MedizinrechtText: Nora Zunker, Deutscher Anwaltverein, BerlinMitarbeit: Lisa Gut, Deutscher Anwaltverein, Berlin

Die Reports von Anwaltsblatt Karriere

Was hat sich in fünf Jahren im Anwalts-markt bei den Einstellungschancen undden Gehältern für Berufseinsteiger geän-dert? Anwaltsblatt Karriere hat im zwölftenHeft (Wintersemester 2012/2013, erschie-nen Mitte November 2012) seinen Rück-blick fortgesetzt. In diesem Report geht esum das Familienrecht, das Insolvenzrechtund das Medizinrecht. Wer sucht Nach-wuchs? Was können junge Anwältinnenund Anwälte verdienen? Wie hat sich derArbeitsmarkt entwickelt?Die Einstellungs- und Gehälterreports:- SoSe 2007/Sommersemester 2012:Arbeitsrecht, Verkehrsrecht sowie dasUrheber- und Medienrecht

- WS 2007/2008: Familienrecht,Insolvenzrecht und Medizinrecht

- SoSe 2008: Immobilienrecht (mitBaurecht, Mietrecht und Vergaberecht)

- WS 2008/2009: Regionale Topkanzleien,Bank- und Kapitalmarktrecht undStrafrecht

- SoSe 2009: Syndikusanwälte undIT-Recht

- WS 2009/2010: Steuerrecht, Erbrechtund Sozialrecht

- SoSe 2010: Verwaltungsrecht,Umweltrecht, Agrarrecht

- WS 2010/2011: Versicherungsrecht,Kartellrecht, Sportrecht

- SoSe 2011: Handels- undGesellschaftsrecht, Transport- undSpeditionsrecht, Energierecht

- WS 2011/2012: Zivilprozessrecht,Patentrecht, Ausländer- und Asylrecht

- SoSe 2012: Arbeitsrecht, Verkehrsrecht +Urheber- und Medienrecht

Alle Reports sind abrufbar unterwww.anwaltsblatt-karriere.de.

Report

AnwBl 1 / 2013 51

Magazin

AnwaltsBlatt Magazin 1-2013 RZ:RZ 11.12.2012 13:28 Uhr Seite 51

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Report

AnwBl 1 / 201352

leien „wichtig“, im Insolvenzrecht für noch 17 Prozent. Im Familienrecht ist diePromotion für mehr als die Hälfte der Kanzleien völlig egal. Der LL.M. steht demDoktortitel – außerhalb der Welt der internationalen Sozietäten – weiterhin um eini-ges nach, er ist für etwa zwei Drittel aller Kanzleien „absolut“ unwichtig.

Und wie steht es mit einem Fachanwaltslehrgang? Auch er gilt als Ausdruck vonEngagement. Seine Bedeutung ist besonders im Insolvenzrecht stark gestiegen, wa-ren es 2007 noch 23 Prozent, so sind es heute 46 Prozent der befragten Kanzleien,denen er „wichtig“ oder „sehr wichtig“ ist. Im Medizinrecht stieg der Wert von40 Prozent auf 47,5 Prozent und mit 64 Prozent ist der Fachanwaltslehrgang imFamilienrecht nach wie vor besonders gern gesehen.

Noten und Jura sind nicht alles

Und was zählt noch? Mit „gepflegten Manieren“, „Begeisterungsfähigkeit“, „unter-nehmerischem Denken“ und einer „eloquenten Ausdrucksweise in Wort undSchrift“ – manche Kanzleien schauen sich sogar die Deutschnote im Abitur an –können Bewerber punkten. Im Familienrecht ist „soziale Kompetenz“ überragendwichtig. ImMedizinrecht richten sich die „soft skills“ vor allem nach derMandanten-gruppe. Wer Patienten vertritt, braucht Fingerspitzengefühl, wer Ärzte berät, mussabends arbeiten und Kanzleien, die viele Krankenhausträger vertreten, wollen flexi-ble Anwälte, die auch nicht vor dem Arbeits- oder Versicherungsrecht zurückschre-cken. Überhaupt fiel auf: Im Medizinrecht wächst der Markt noch – was sich in be-sonders gut gelaunten und entspannten Gesprächspartnern zeigte. Für die Arbeitim Insolvenzrecht braucht man „Nerven so breit wie Bandnudeln“, wie es ein Insol-venzrechtsanwalt zusammenfasst, der seit knapp vierzig Jahren im Geschäft ist.

Wer sich auf den Anwaltsberuf vorbereitet, wird dafür auch belohnt. EngagierteBewerbungen haben momentan gute Aussichten auf Erfolg: Ein Drittel aller Kanz-leien suchen derzeit nach anwaltlichem Nachwuchs – und pauschale Kriterien fürdie erfolgreiche Bewerbung schwinden. Es zählt ein schlüssiger Lebenslauf, der zurPerson und dem Auftreten des Bewerbers passt.

Die zwölfte Umfrage: 250 Kanzleien

Der Einstellungs- und Gehälterreport vonAnwaltsblatt Karriere beruht auf einer Um-frage bei 250 mittelständischen Kanzleienund Großkanzleien sowie Recherchen derRedaktion. Die Resonanz war bei der Um-frage im Sommersemester 2012 sehr gut.Nur im Insolvenzrecht fiel die Verweigerungs-quote etwas höher aus. Der Trend zu mehrTransparenz bei den Einstiegsgehältern setztsich fort. Die Kanzleien im Familien- und In-solvenzrecht gaben detailliert Auskunft, be-sonders umfassend waren die Auskünfte imMedizinrecht – ein Zeichen dafür, dass hierfachkundiger Nachwuchs gesucht wird.Die Großkanzleien erhielten einen Fragebo-gen. Mit mittelständischen Kanzleien wurdenTelefoninterviews geführt. Gesprächspartnerwaren Rechtsanwältinnen und Rechtsan-wälte, die über einen örtlichen AnwaltvereinMitglieder im Deutschen Anwaltverein so-wie Mitglied einer Arbeitsgemeinschaft desDAV sind. Es wurden nur Anwälte befragt,die nachhaltig im Familienrecht, Medizin-recht oder Insolvenzrecht tätig sind.Die Ergebnisse der Umfrage wurden durchRecherchen der Redaktion bei Anwältinnenund Anwälten überprüft, die in örtlichenAnwaltvereinen, in den Landesverbänden,den Arbeitsgemeinschaften oder im Vor-stand des DAV ehrenamtlich aktiv sind.

{Insolvenzrecht}

Im Insolvenzrecht sind im Vergleich zu 2007 durch-weg die Einstiegsgehälter leicht angestiegen, be-sonders deutlich ist jedoch das Plus im Osten – eineKanzlei bietet sogar 60.000 Euro Gehalt im Jahr, umgute Leute zu locken. Das Insolvenzrecht ist in derDauerkrise ein sicheres Rechtsgebiet – und dahersuchen die Kanzleien Nachwuchs. Eine Faustformelfür gut zahlende Kanzleien gibt es nicht. Das Ver-hältnis sowohl von Verbraucher- und Unternehmens-insolvenzen als auch der Anteil der Sanierungs-beratung variieren. Bewerber sollten aber wissen:Insolvenzverwalter denken wirtschaftlich – und Mit-arbeiter müssen sich rechnen. Durchweg besserzahlen die Kanzleien in den Anwaltshauptstädten.

Hamburg

Berlin

Düsseldorf

Stuttgart

München

Köln

Frankfurt

NordenØ 37.000 Euro(31.000 bis 50.000)

WestenØ 39.000 Euro(28.000 bis 48.000)

SüdenØ 38.000 Euro(30.000 bis 47.000)

OstenØ 40.000 Euro(27.600 bis 60.000)

+

AnwaltshauptstädteBerlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main,Hamburg, Köln, München, StuttgartØ 60.000 Euro(42.000 bis 115.000)

AnwaltsBlatt Magazin 1-2013 RZ:RZ 05.12.2012 13:18 Uhr Seite 52

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Report

AnwBl 1 / 2013 53

{Medizinrecht}

Das Medizinrecht ist nicht nur krisensicher, sondernscheint nach wie vor ein Wachstumsmarkt zu sein. DieKanzleien suchen Nachwuchs. Bundesweit liegen dieEinstiegsgehälter relativ hoch und sind im Vergleichzu vor fünf Jahren gestiegen – nur im Osten wirdtendenziell schlechter gezahlt, dort stagnieren dieGehälter eher. An der Spitze liegen der Süden und dieAnwaltshauptstädte. Interessant: Am besten zahlendie Kanzleien, die sich konsequent auf eine Mandan-tengruppe im Markt spezialisiert haben. Ob das eherÄrzte, Patienten oder die Träger von Krankenhäusernsind, spielt keine besondere Rolle.

Hamburg

Berlin

Düsseldorf

Stuttgart

München

Köln

Frankfurt

NordenØ 40.000 Euro(33.000 bis 54.000)

WestenØ 42.000 Euro(33.000 bis 60.000)

SüdenØ 45.000 Euro(38.000 bis 60.000)

OstenØ 36.000 Euro(30.000 bis 45.000)

+

AnwaltshauptstädteBerlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln,München, StuttgartØ 45.000 Euro(36.000 bis 60.000)

{Familienrecht}

Die Einstellungsgehälter im Familienrecht stagnieren.Die Spannbreite der Gehälter ist hoch. Im Vergleich zu2007 gibt es nur ganz leichte Steigerungen im Nordenund im Süden sowie in den Anwaltshauptstädten. ImWesten ist der Wert sogar leicht gesunken. Der Nordenpunktet, weil in Bremen besonders gute Gehälter ge-zahlt werden. Der Osten ist wieder Schlusslicht. Diemeisten Familienrechtler arbeiten als Einzelkämpferoder in kleineren Kanzleien, höhere Gehälter werdenerst in Sozietäten mit mehr als zehn Berufsträgerngezahlt. Auch wenn die Kanzleien im Familienrechthäufiger als noch vor fünf Jahren Nachwuchs suchen,so liegt der Bedarf doch deutlich niedriger als imInsolvenz- und Medizinrecht.

Hamburg

Berlin

Düsseldorf

Stuttgart

München

Köln

Frankfurt

NordenØ 40.000 Euro(30.000 bis 46.000)

WestenØ 38.000 Euro(28.800 bis 45.000)

SüdenØ 39.000 Euro(30.000 bis 48.000)

OstenØ 28.000 Euro(24.000 bis 35.000)

+

AnwaltshauptstädteBerlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln,München, StuttgartØ 39.000 Euro(29.000 bis 57.600)

AnwaltsBlatt Magazin 1-2013 RZ:RZ 05.12.2012 13:18 Uhr Seite 53

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Anwälte fragen nach Ethik

Drei Probleme zur Veschwiegenheit

AnwaltsBlatt Ethic 1-2012 RZ:RZ 30.11.2012 14:00 Uhr Seite 92

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MN Anwälte fragen nach Ethik

Verschwiegenheit,Krankheit und EthosDie Frage nach dem richtigen Handeln stellt sich im Alltag.Lesen, nachdenken, mit Kollegen diskutieren – was meinen Sie?

Drei Probleme zur Verschwiegenheit:9 Der Anwalt vertritt einen Mandanten, der mit einem Existenzminium lebenmuss. Er hätte einen Rentenanspruch, mit dem er ein wirtschaftlich gutes Lebenführen könnte – nur leider will der Versicherungsträger das nicht anerkennen. ImLaufe des streitigen Verfahrens erhält der Anwalt von einem medizinischen Gut-achten Kenntnis, in dem der Arzt Umstände bescheinigt, die die Durchsetzung desAnspruchs wahrscheinlich machen könnten. Allerdings bittet der Gutachter drin-gend darum, dem Patienten diese Umstände auf keinen Fall mitzuteilen – erfürchtet schwere therapeutische Nachteile. Was tun?9 Der Anwalt vertritt einen Mandanten, der einen schweren Verkehrsunfall ver-ursacht hat. Er erfährt durch seinen Mandanten, dass dieser – ärztlich unzweideu-tig attestiert – an einer schweren Epilepsie leidet. Der Arzt hat dringend geraten,nicht am Straßenverkehr teilzunehmen – aber er hat selbst dies nicht gemeldet.Der Mandant hat sich an die ärztliche Empfehlung nicht gehalten und deswegenist der Unfall passiert. Nur: Die Polizei weiß davon nichts. Was tun? Anzeigen –dann Bruch der Verschwiegenheit und lebenslänglicher Führerscheinverlust – odernicht anzeigen – dann hohe Gefährdung Dritter?9 Zum Anwalt kommt ein 17jähriger Mandant (ohne Eltern). Er wolle sein Gewis-sen erleichtern: Er habe im Alter von 15 und 16 Jahren im Übermut schwere Bau-maschinen aufgebrochen und sei nachts damit herumgefahren. Da er die Gerätenicht beherrscht habe, habe das zu schweren Schäden an Gebäuden geführt. Dastue ihm – älter geworden – nun leid. Die Polizei habe lange gefahndet und nieman-den entdeckt. Er wolle nun mit der Wahrheit heraus und sich zu erkennen geben.Die interne Beratung ergibt, dass der Mandant – was ihm gar nicht klar war –wahrscheinlich lebenslänglich nicht von seiner Schuldenlast befreien können. Wastun – wenn an der Richtigkeit des (internen) Geständnisses nicht zu zweifeln ist?

DAV-Ausschuss Anwaltliche BerufsethikDAV-Ausschuss Anwaltliche Berufsethik

Der DAV hat einen Ausschuss Anwaltliche Berufsethik. Dieser Ausschuss will eineDiskussion darüber führen und auslösen, ob die anwaltliche Tätigkeit auch ethischenMaßstäben unterliegt, und wenn ja, welchen. Der Vorstand des DAV hat beschlossen,keinen Ethikkodex zu formulieren. Einmal fehlt hierfür die Legitimation. Zum anderen läuftein solcher Kodex Gefahr, beschlossen und vergessen zu werden. Eine beständigeDiskussion um ethische Fragen vermag das Problembewusstsein mehr zu prägen und zuschärfen. Hiervon ausgehend wird das Anwaltsblatt auf einer Seite jeweils ein oder zweiFallkonstellationen vorstellen, die eine Diskussion um ethische Fragen auslösen könnten.Wir sind gespannt, ob die Kolleginnen und Kollegen dieses Angebot annehmen – undwerden über die Antworten berichten.

Rechtsanwalt Dr. Michael Streck, Vorsitzender des DAV-Ausschusses Anwaltliche Berufsethik

Dem DAV-Ausschuss Anwaltliche Berufsethik gehören an die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Dr. MichaelDem DAV-Ausschuss Anwaltliche Berufsethik gehören an die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Dr. MichaelStreck (Vorsitzender), Dr. Ute Döpfer, Dr. Joachim Frhr. von Falkenhausen, Niko Härting, Markus Hartung,Streck (Vorsitzender), Dr. Ute Döpfer, Dr. Joachim Frhr. von Falkenhausen, Niko Härting, Markus Hartung,Petra Heinicke, Hartmut Kilger, Eghard Teichmann (auch Notar) und Silke Waterschek.Petra Heinicke, Hartmut Kilger, Eghard Teichmann (auch Notar) und Silke Waterschek.

Magazin

AnwBl 1 / 2013 55

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Dresden war drei Tage lang Mittelpunktder internationalen AnwaltschaftJahreskongress der Union Internationale des Avocats (UIA) in Dresden– Deutscher Anwaltverein als Gastgeber

Die älteste internationale Anwaltsorga-nisation der Welt feierte in Dresdenihren 85. Geburtstag. Mehr als 850 An-wältinnen und Anwälte waren nachDeutschland gekommen. Mit einer gro-ßen Feier wurde die dreitägige Tagungder Union Internationale des Avocats(UIA) Anfang November 2012 eröffnet.Zwanzig Jahre ist es her, dass der Jah-reskongress in Deutschland stattfand.Seitdem hat sich die Anwaltswelt nichtnur in Deutschland stark verändert.Die Globalisierung macht auch vorAnwälten nicht halt. Daher bot derKongress Gelegenheit zur Vernetzung.Entsprechend multikulturell und multi-lingual ausgerichtet war das Tagungs-programm. Allein die Eröffnungsver-anstaltung wurde mit Englisch,Französisch, Spanisch und Arabisch si-multan in vier Sprachen übersetzt. DerPräsident des Deutschen AnwaltvereinsRechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewerlobte die Tagung als wichtiges Forum:„Dass sich engagierte Anwältinnenund Anwälte über aktuelle internatio-nale Entwicklungen und Geschehnisseinformieren und austauschen können,

halte ich für einen unschätzbaren Wertund in unserer heutigen Welt für be-sonders wichtig.“ Ewer warb in seinemGrußwort zudem für den gemein-samen Kampf der Anwaltschaften imEinsatz für die Menschenrechte.

Mit sehr persönlichen Worten gingRechtsanwalt Dr. Michael Brauch (Kon-gress-Präsident in Dresden) auf denWert von Freundschaften auch in derberuflichen Arbeit ein. „Neben demfachlichen Austausch steht auch immerdie Beschäftigung mit anderen Rechts-kulturen im Fokus der UIA“, betonteder Vorsitzende der DAV-Arbeits-gemeinschaft für internationalenRechtsverkehr. Daraus entstündenauch wertvolle persönliche Freund-schaften. Auch in diesem Jahr war esden Veranstaltern gelungen, den Spa-gat zwischen wirtschaftsrechtlichenund menschenrechtlichen Themen zumeistern. Traditionell lud die deutscheAnwaltschaft die deutschsprachigenKongressteilnehmer sowie europäischeund internationale Ehrengäste zu ei-nem Empfang ein.

MN Aus der Arbeit des DAV

Aus der Arbeit des DAV

56 Jahreskongress Union Internationaledes Avocats (UIA)Rechtsanwalt Franz Peter Altemeier

57 Deutscher AnwaltvereinDAV bei der „Langen Nacht desMenschenrechts-Films“

58 Deutscher AnwaltvereinRisiko politische Prozesse –wie Anwälte behindert werdenAssessorin Adriana Kessler

58 Deutscher AnwaltvereinAnwälte fördern Demokratie undRechtsstaat weltweitRechtsanwalt Franz Peter Altemeier

60 DAV-Stellungnahmen

60 Dortmunder Anwaltverein125 Jahre Anwaltverein – und gleichzwei Gründe zum FeiernRechtsanwalt Christoph Krekeler

61 Kölner AnwaltvereinEuropa-Thema zieht:5. Europäisches Anwaltsforum in KölnMartin V. Sampedrano Gonzalez

61 Leipziger AnwaltvereinNeuer Ehrenpreis: Erstmals„Goldene Robe“ verliehenRechtsanwältin Sylvia Gatz

62 Landesanwaltstag Sachsen-Anhalt11. Landesanwaltstag: Merseburgverzauberte alle BesucherRechtsanwalt Tobias Michael

63 Deutscher Anwaltverein„Law – Made in Germany“:Werbung für deutsches Recht in ChinaRechtsanwalt Dr. Christian Groß undRechtsanwalt Jan K. Schäfer

63 Deutscher AnwaltvereinDAV Spanien wächst – Austauschzwischen Spanien und DeutschlandRechtsanwältin Catalina Garay y Chamizo

63 Deutsche AnwaltakademieNachrichten

64 Deutsche AnwaltakademieVertrauen ist gut – Kontrolle ... imösterreichischen WeinrechtRechtsanwältin Cornelia Richter

64 AG AnwältinnenMitgliederversammlung

64 Personalien

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Für die sächsische Anwaltschaft be-grüßte Rechtsanwalt Lutz Maaß (Prä-sident des DAV-Landesverbands Sach-sen) gemeinsam mit Rechtsanwalt Dr.Martin Abend (Präsident der Rechts-anwaltskammer Sachsen und Vizeprä-sident der Bundesrechtsanwaltskam-mer) die 100 Gäste im SächsischenLandtag. Beide betonten vor dem Hin-tergrund der deutschen Geschichte dieBedeutung und Rolle der freien Advo-katur für den Rechtsstaat. Als besonde-ren Erfolg werteten sie das Zusammen-

wachsen der deutsch-deutschenAnwaltschaft in den Wendejahren.Frühzeitig habe der AnwaltverbandSachsen auf die Gründung der Rechts-anwaltskammer Ende 1990 hingewirkt.Rechtsanwalt Dr. Martin Nebeling(Vorsitzender des deutschen UIA-Ko-mitees) dankte dem Abgeordneten undVizepräsidenten des Landtages HorstWehner für die Gastfreundschaft imLandtag. Dieser lobte die gute Zusam-menarbeit zwischen Politik und An-waltschaft. Die Wahl des Tagungsortessah Wehner auch als Zeichen der Wert-schätzung der Entwicklung der sächsi-schen Anwaltschaft. In diesem Jahr fin-det der 57. Jahreskongress in Macau(China) statt.Rechtsanwalt Franz Peter Altemeier, Berlin

Weitere Informationen zur UIA sind unterwww.uianet.org abrufbar.

Deutscher AnwaltvereinDeutscher Anwaltverein

DAV bei der„Langen Nacht desMenschenrechts-Films“

Menschenrechte in das öffentlicheBewusstsein rücken

Am 8. Dezember 2012 wurde zum In-ternationalen Tag der Menschenrechteder Deutsche Menschenrechts-Film-preis in Nürnberg verliehen. Seit 1998werden alle zwei Jahre herausragendeFilm- und Fernsehproduktionen aus-gezeichnet, die Menschenrechtsthemenaufgreifen.Der DAV engagiert sich für den Film-preis, weil er Themen ins öffentlicheBewusstsein rückt, die sonst oftmalsim Verborgenen bleiben. „WichtigeFilme gilt es zu unterstützen – auchvon Seiten der Anwaltschaft“, betonteder DAV-Präsident Rechtsanwalt Prof.Dr. Wolfgang Ewer im Dezember. Die2012 prämierten Filme nehmen Stel-lung zum Verbot des Einsatzes vonBrechmitteln als polizeiliche Zwangs-maßnahme in Deutschland, zum Um-gang mit Flüchtlingen in der EU, zu denMenschenrechtsverletzungen in Syrien,den Verbrechen kongolesischer Rebel-len in der Zentralafrikanischen Repu-blik und zu globalen Zusammenhängenvon Menschenrechtsverletzungen.

Folgende Filme wurden prämiert inden Kategorien:9 Profifilm: „Mädchengeschichten:Esther und die Geister“ (Dokumenta-tion, 30 Minuten) von Heidi Specogna.9 Magazinbeitrag/Kurzfilm: „BonVoyage“ (Animation, 6,5 Minuten) vonFabio Friedli.9 Hochschulfilm: „Rausch“ (Doku-Kurzspielfilm, 20 Minuten) von VerenaJahnke.9 Amateurfilm: „Syrien – ZwischenVerzweiflung und Hoffnung“ (Repor-tage, 30 Minuten) von Tim Hartelt.9 Bildungspreis: „Five ways to kill aman“ (Drama, 10 Minuten) von Chris-topher Bisset.

In der „Langen Nacht des Menschenrechts-Films“präsentiert der DAV am 15. Januar 2013 gemein-sam mit dem Deutschen Institut für Menschen-rechte, Amnesty International und weiteren Mitver-anstaltern die Gewinnerfilme des DeutschenMenschenrechts-Filmpreises 2012 im BerlinerHaus der Kulturen der Welt. Durch den Abend wirdKnut Elstermann vom Rundfunk Berlin-Branden-burg führen. Beginn ist 19.30 Uhr. Weitere Infor-mationen: www.menschenrechts-filmpreis.de

MN Aus der Arbeit des DAV

1 Am Rande der Eröffnungsveranstaltung: Der Prä-sident des Deutschen Anwaltvereins RechtsanwaltProf. Dr. Wolfgang Ewer (2.v.l.) mit dem sächsischenJustizminister Dr. Jürgen Martens (l.), dem par-lamentarischen Staatssekretär im Bundesjustiz-ministerium Dr. Max Stadler (2.v.r.) und Rechts-anwalt Dr. Michael Brauch (Kongress-Präsident inDresden, r.),

2 Der Präsident der Union Internationale des Avocats(UIA) Rechtsanwalt Driss Chater aus Marokko.

3 Die Teilnehmer waren international.

4 Führte durch die Eröffnungsveranstaltung: Rechts-anwalt Jerome Roth aus den USA (stellvertretenderPräsident des Kongresses).

5 Rechtsanwalt und Notar Herbert Peter Schons(Vizepräsident des DAV und Anwaltsblatt-Heraus-geber) mit Rechtsanwalt Changchun Yuan (Peking).

6 Rechtsanwältin und Notarin Mechtild Düsing(DAV-Vorstand, l.) mit Rechtsanwältin Dr. MarcellaPrunbauer-Glaser (damals Präsidentin des Ratesder Europäischen Anwaltschaften, CCBE).

7 Rechtsanwalt Michael Eckert (DAV-Vorstand, M.)mit Rechtsanwalt Romain Montinor aus Haiti (l.)und Rechtsanwalt Jose A. Grapilon von denPhilippinen (Philippine Bar Association, r.)

8 Rechtsanwalt Dr. Cord Brügmann (DAV-Haupt-geschäftsführer, r.) im Gespräch mit JonathanGoldsmith (Generalsekretär des Rates derEuropäischen Anwaltschaften, CCBE).

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Deutscher AnwaltvereinDeutscher Anwaltverein

Risiko politische Prozesse– wie Anwälte behindertwerden

Türkei: 46 Anwältinnen und Anwältewegen Berufsausübung angeklagt

Derzeit sorgt ein Strafverfahren in derTürkei für Schlagzeilen. 46 Anwältin-nen und Anwälte sind angeklagt. Ihnenallen drohen Haftstrafen von 7 bis 22Jahren. Vorgeworfen wird ihnen dieMitgliedschaft in der Union der Ge-meinschaft Kurdistans. Die Tatvor-würfe knüpfen ausschließlich an dieAusübung ihrer Berufstätigkeit an. DerDAV beobachtet das Verfahren ausSorge um die Berufsausübungsrechteder betroffenen Anwältinnen und An-wälte.„In diesem Prozess geht es nicht umdie Aufklärung angeblicher Straftaten.Es handelt sich vielmehr um einen po-litisch motivierten Prozess, der jeglicheVerteidigungstätigkeit ad absurdumführt und die Menschenrechte ver-letzt“, so das Fazit von RechtsanwältinGül Pinar (Mitglied des DAV-Ausschus-ses Strafrecht), die im November 2012für den DAV vor Ort war. Die Verhand-lung war wegen Überfüllung des Ge-richtssaals nach Siliviri verlegt worden.Bereits im Juli 2012 ist drei Tage inIstanbul verhandelt worden. Auch fürden 4. Verhandlungstag war der Ver-handlungssaal zu klein. Nicht alle Ver-teidiger fanden Platz. Neben den rund40 Prozessbeobachterinnen und Pro-zessbeobachtern, die europäische undinternationale Anwaltsorganisationenentsandt hatten, erhielten keine wei-teren Zuhörer Einlass in den Gerichts-saal. Ein Saaltausch war nicht möglich.„Wir ausländischen Prozessbeobachterboten den Angehörigen unsere Plätzean. Das wollten sie aber nicht, weil siees wichtiger fanden, dass wir interna-tional berichten, was in Silivri passiert“,berichtet Pinar.

Was war passiert?Am 22. November 2011 waren 36 An-wältinnen und Anwälte nach Durch-suchungen ihrer Anwaltskanzleien undPrivatwohnungen inhaftiert worden. 26von Ihnen sitzen immer noch in Haft.Bei den Durchsuchungen wurden u.a.Unterlagen aus Mandantenakten sowiesämtliche Hard- und Software ihrer An-

waltskanzleien beschlagnahmt. Siewurden bis heute nicht herausgegeben.„Diese lange Untersuchungshaft ohnedie Möglichkeit, sich effektiv gegen dieVorwürfe zu verteidigen, kommt einerStrafe ohne Urteil gleich“, kritisiert Pi-nar. Auch in der türkischen Strafpro-zessordnung sei der Beschleunigungs-grundsatz verankert. Danach dürfeeine Hauptverhandlung bei inhaftier-ten Angeklagten nicht länger als30 Tage unterbrochen werden. Pinarbeobachtete auch massive Eingriffe indie Verteidigerrechte. Den 20 Verteidi-gerinnen und Verteidigern wurde dieKontaktaufnahme zu ihren Mandatenbeschnitten. Bei Überschreitung derohnehin kurzen Redezeit wurde dasMikrofon abgeschaltet.

Tumult im GerichtssaalZum Eklat kam es dann, als die Ange-klagten in ihrer kurdischen Mutterspra-che das Wort ergriffen. Anträge, dieszuzulassen, wurden unter Hinweis aufdas geltende Recht abgelehnt. AuchAnträge zur Aussetzung der Haftvoll-streckung wurden abgelehnt. Erklärun-gen der Angeklagten zur Sache wurdennicht entgegen genommen. Die Vertei-diger verließen daraufhin geschlossenden Gerichtssaal. Nach türkischer Pro-zessordnung hätte die Verhandlungunterbrochen werden müssen. Nureine Haftentscheidung hätte noch be-kannt gegeben werden können. Dieswollten die Verteidiger durch ihrenProtest erzwingen. „Was dann im Ge-richtssaal geschah, war grotesk.Hierüber ernsthaft zu berichten, fälltangesichts der absurden Situationschwer“, meint Pinar. „Der VorsitzendeRichter ließ einzelne Angeklagte nachvorne treten. Er stellte ihnen Fragenund beantwortete sie sich selbst. Nacheiner halben Stunde unterbrach er dieVerhandlung und ließ den Saal räu-men. Zwei Stunden später verkündeteein Gerichtsdiener die Vertagung derVerhandlung auf den 3. Januar 2013.Die Haftbefehle würden aufrecht erhal-ten bleiben.“Assessorin Adriana Kessler, DAV, Berlin

Über die Verfahren in der Türkei wurde am 24. Ok-tober 2012 im DAV-Haus in Berlin aus erster Handim Rahmen einer Veranstaltung des DAV mit demRepublikanischen Anwältinnen- und Anwältevereinund Amnesty International berichtet (siehe dazuden Bericht, AnwBl 2012, 988).

Deutscher AnwaltvereinDeutscher Anwaltverein

Anwälte fördernDemokratie undRechtsstaat weltweit

IRZ-Stiftung feiert 20-jährigesJubiläum – DAV ist Partner

Die Deutsche Stiftung für Internatio-nale Rechtliche Zusammenarbeit (IRZ-Stiftung) arbeitet seit 20 Jahren erfolg-reich. Ihr Auftrag: Unterstützung derPartnerstaaten bei der Reformierungihres Rechtssystems und Justizwesens.An ihrer Seite: Die deutsche Anwalt-schaft und mit ihr der Deutsche An-waltverein. IRZ-Stiftung und Partnerstellten sich im Rahmen einer interna-tionalen Konferenz im Oktober 2012 inBerlin vor.1992 wurde die IRZ-Stiftung als ge-meinnütziger Verein auf Initiative desBundesjustizministeriums gegründet.Eng verknüpft ist die Anfangszeit mitdem Namen des damaligen Justiz-ministers und späteren Außenminis-ters Dr. Klaus Kinkel. War der Fokusder Anfangsjahre auf die Zusammen-arbeit mit den Nachfolgestaaten derSowjetunion und Russland gerichtet,sind in jüngster Zeit Partnerstaaten inZentralasien, im Nahen Osten und inNordafrika hinzugekommen. Finan-ziert durch Haushaltsmittel des Bun-desministeriums der Justiz erhält dieStiftung auch projektbezogene Förder-mittel des Auswärtigen Amtes und derEuropäischen Union im Rahmen derNachbarschafts- und Beitrittspolitik.Speziell und in Reaktion auf die Ent-wicklung im Zuge der „Arabischen Re-volution“ stellte der Bundestag im ver-gangenen Jahr zusätzliche Gelderbereit. Davon profitieren heute ins-besondere Tunesien und Ägypten.

Win-Win-Situation„Eine für beide Seiten fruchtbareRechtskooperation muss thematischmöglichst vielfältig ausgestaltet sein“,betonte Dr. Birgit Grundmann (Staats-sekretärin im Bundesjustizministe-rium) in ihrem Festvortrag. Sich nurauf das Wirtschafts- und Handelsrechtzu fokussieren, sei wenig zielführend.Natürlich gebe es bei der Gesetzesbera-tung nie „Patentlösungen“. Die deut-sche Rechtsordnung könne insoweitnur Anregungen und Ideen liefern.Schließlich helfe der Rechtsvergleich

MN Aus der Arbeit des DAV

58 AnwBl 1 / 2013

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auch bei der Weiterentwicklung der ei-genen Rechtsordnung. „Also für beideSeiten eine Win-Win-Situation“, resü-mierte Grundmann vor 200 Gästen ausdem In- und Ausland, darunter der ehe-malige Justizminister der Sowjetunionund heutige Berater des Präsidenten derRussischen Föderation in rechtlichenFragen, Prof. Dr. Veniamin Yakovlev.

Transformation und RechtsstaatHerzstück von Transformationsprozes-sen sind Justizreformen. Die Etablie-rung einer verlässlichen Rechtspflegeist conditio sine qua non für ein stabi-les Rechtssystem, wirtschaftlichesWachstum und Wohlstand. „Schlüssel-frage ist neben der Implementierungdie Rechtsdurchsetzung“, betonteYakovlev. In Russland sei der Transfor-mationsprozess noch nicht abgeschlos-sen: Die Diskutanten waren sich einig:Die Prozesse erfordern die Geduld allerBeteiligten. „Diejenigen Länder, diesich den Transformationen stellen, pro-fitieren schnell“, sagte Michael Maya(Vizedirektor der American Bar Asso-ciation). „Denn Recht ist auch Standort-faktor. Ein verlässliches Rechtssystemlockt Investoren und kommt der Volks-wirtschaft insgesamt zu Gute“. Rück-blickend haben besonders die mittel-und osteuropäischen Staaten großeSprünge beim „Rule-of-Law-Index“ ge-macht, einem Indikator für den Zu-stand eines Rechtssystems.

„Rechtssicherheit führt auch zu we-niger Zivilprozessen“, unterstrichRechtsanwalt Prof. Dr. Stephan Werni-cke (Chefjustiziar des Deutschen In-dustrie- und Handelskammertags,DIHK). In Deutschland sei die Quotebesonders gering. Vorhersehbare Kos-ten und die „Loser pays it all“-Regeltrügen dazu bei. Ausländische Unter-nehmen schätzten daher den Rechts-standort Deutschland. Auch als neu-trale Rechtsordnung sei deutschesRecht insbesondere gegenüber anglo-amerikanischen Rechtssystemen vor-zugswürdig. Im „Kampf der Rechtsord-nungen“ sei die Initiative „Law – Madein Germany“, der sich zu Beginn desJahres auch der DIHK als erster Wirt-schaftsverband angeschlossen hat(AnwBl 2012, 825–827), die Antwortauf die Werbeoffensive der amerikani-schen und englischen Justizvertreter.

Vor ganz anderen Herausforderun-gen stehen die arabischen Staaten undder Nahe Osten. „Der Kampf gegenKorruption ist eine der größten He-rausforderungen“, berichtet Adel Ma-

ged (Vizepräsident des ägyptischenKassationsgerichts). Die RechtsanwälteSamieh Kreis aus Jordanien und SamiKallel aus Tunesien bestätigten dies.Korruption und ein Mangel an politi-schen Strukturen, die fehlende Mit-sprache und Rechtssicherheit und eineverlässliche Rahmenordnung für Inves-toren erschweren die Entwicklung. Be-sonders die junge Generation leidetunter der Perspektivlosigkeit. Rechts-anwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer (DAV-Präsident) machte den Kollegen Mut:„Das Recht lässt durch seine Existenzgesicherte Freiräume entstehen, die esIndividuen ermöglichen, Verträge zuwechselseitigen Vorteil zu schließen.Es schützt sie vor staatlicher und unter-nehmerischer Willkür und schafft da-durch den Rahmen für Investitionen“.Besonders wichtig sei der Aufbau einerunabhängigen Anwaltschaft, die recht-liche Dienstleistungen erbringt. „Sie si-chert den effektiven Zugang zum Rechtund stärkt damit den angemessenenSchutz der Menschenrechte und

Grundfreiheiten, auf die jeder Menscheinen Anspruch hat“. Um die An-nahme der Menschenrechte nicht alsbloße Übernahme von „westlichen“Ideen erscheinen zu lassen, müsstensich Menschenrechte aus der isla-mischen Tradition ableiten lassen.Ewer machte damit zugleich auf dasSpannungsfeld zweier unterschiedli-cher Normativitätsansprüche aufmerk-sam: dem Anspruch der islamischenAuthentizität einerseits und dem derUniversalität der Menschenrechte an-dererseits.

Über den unterschiedlichen Standder Verfassungsreformen in diesen Län-dern berichtete Dr. Tilman Röder vomMax-Planck-Institut für ausländischesöffentliches Recht und Völkerrecht inHeidelberg. Als wichtigen Schritt zumSchutz der Grund- und Menschenrechtebegrüßte er, dass in einigen Ländernerstmalig eine Verfassungsgerichtsbar-keit eingeführt werde. Keine Frage: Inder Welt ist vieles im Fluss.

Rechtsanwalt Franz Peter Altemeier, Berlin

MN Aus der Arbeit des DAV

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1 Dirk Mirow (Geschäftsführer der IRZ-Stiftung).

2 Prof. Dr. Wolfgang Ewer (DAV-Präsident).

3 Dr. Birgit Grundmann (Staatssekretärin im Bundes-ministerium der Justiz).

4 Auf dem zweiten Panel (v.l.n.r.): Hansjörg Staehle ,Prof. Dr. Stephan Wernicke, Prof. Dr. KonstantinKorkelia, Dr. Oliver Vossius und Michael Maya.

5 Prof. Dr. Meliha Povlakic (Juristische FakultätSarajevo) in der Diskussion.

6 Prof. Dr. Veniamin Yakovlev (Berater des Präsidentender Russischen Föderation).

7 Adel Maged (Vizepräsident des ägyptischenKassationsgerichtshofs).

8 Prof. Dr. Susanne Baer (Richterin am Bundesverfas-sungsgericht) und Harald Range (Generalbundes-anwalt, 2.v.l.).

AnwBl 1 / 2013 59

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Dortmunder AnwaltvereinDortmunder Anwaltverein

125 Jahre Anwaltverein –und gleich zwei Gründezum Feiern

Rechtsberatungstag und Festaktzum Jubiläum

Wie soll ein Anwaltverein seinen Ge-burtstag feiern? Die (potentiellen) Man-danten stellte der Anwaltverein Dort-mund in den Vordergrund: Er lud zueinem Rechtsberatungstag ein –natürlich mit kostenlosem Rechtsrat.Am Ende des Tages gab es dann aberdoch noch den obligatorischen Festakt.Der 5. September 2012 war der Feiertagfür das 125-jährige Jubiläum des An-walt- und Notarvereins Dortmund. Dasachtköpfige Team rund um den erstenVorsitzenden Rechtsanwalt und NotarHans-Joachim Pohlmann hatte recht-zeitig geplant und so konnte den Dort-munder Bürgerinnen und Bürgern inZusammenarbeit mit der Stadt Dort-mund eine kostenlose Rechtsberatungangeboten werden. In der Berswordt-halle waren Beratungsinseln geschaf-fen worden, die von den Mitgliederndes Anwalt- und Notarvereins in derZeit von 10.00 bis 16.00 Uhr besetztwaren. Dabei konnten die DortmunderBürgerinnen und Bürger Rechtsfragennicht nur zu den gängigen Rechts-gebieten, sondern auch zu speziellenRechtsgebieten stellen. Und das Ange-bot wurde angenommen, was auch denAnwältinnen und Anwälten großenSpaß machte.

Der Festakt zum 125-jährigen Jubi-läum fand in der Lohnhalle des Indus-triemuseums Zeche Zollern des Land-schaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL)statt. Es spielte ein Streichquartett derDortmunder Philharmoniker, die eben-falls 1887 gegründet worden waren.Die Festrede hielt der Präsident desDeutschen Anwaltvereins RechtsanwaltProf. Dr. Wolfgang Ewer. Die überDortmunds Grenzen hinaus bekannteKabarettistin Uta Rotermund hielt denRechtsanwälten in launiger aber auchermahnender Weise einen Spiegel vor.Den Festakt schlossen zwei Grußwortedes damaligen Präsidenten der Rechts-anwaltskammer Hamm Rechtsanwaltund Notar a.D. Dr. Dieter Finzel unddes Präsidenten des Landgerichts Dort-mund Edmund Brahm.Rechtsanwalt Christoph Krekeler, Dortmund

MN Aus der Arbeit des DAV

DAV-Stellungnahmen_______________________________________________________________

Keine Europäische Staats-anwaltschaft (80/12)

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) unddie Bundesrechtsanwaltskammer(BRAK) sprechen sich in ihrer gemein-samen Stellungnahme gegen die Errich-tung einer Europäischen Staatsanwalt-schaft aus, solange nicht zumindest diewichtigsten Verfahrensrechte eines Be-schuldigten im Strafverfahren unions-rechtlich bindend sind und europaweitangewendet werden. Vor der Errichtungeiner solchen Behörde müssen zunächstnoch wichtige Fragen, etwa nach demVerhältnis zur nationalen Ebene, demGrad ihrer Unabhängigkeit, der Wirkungihrer Entscheidungen oder deren justi-zieller Kontrolle, geklärt werden. Zu denEckpunkten gehören insbesondere dieWahrung der Beschuldigten- und Vertei-digerrechte. Bei Schaffung einesRechtsrahmens für die Verteidigung imVerfahren müssen unter anderem Vertei-diger aller Mitgliedsstaaten die gleicheRechtsstellung erhalten und es bedarfeiner europäischen Prozesskostenhilfe.

Stärkung des Verbraucherschutzesvorm Notar (81/12)

Der Ausschuss Anwaltsnotariat im DAVhat zur Stärkung des Verbraucherschut-zes im notariellen Beurkundungsverfah-ren Stellung genommen. Darin werdengrundsätzlich Überlegungen begrüßt,wie der Notar besser und weitreichenderin den Verbraucherschutz mit einbezo-gen werden könnte. Die Anpassung des§ 17 BeurkG erscheint sinnvoll, damitder Verbraucher mindestens zwei Wo-chen vor dem Beurkundungstermin ei-nen Text der beabsichtigten Beurkun-dung erhält. Der DAV ist aber ebenso wieder Deutsche Notarverein der Ansicht,dass § 50 BNotO (Disziplinarrecht) nichtgeändert werden sollte.

Mehrheit von Anwälten in derAnwalts-GmbH (82/12)

Das Bundesverfassungsgericht wird dasRecht der Anwalts-GmbH auf denPrüfstand stellen. Konkret geht es umeine Patent- und Rechtsanwalts-GmbHi.Gr., die nicht zur Anwaltschaft zugelas-sen worden ist (BGH, AnwBl 2012, 95).Die Verfassungsbeschwerde zum an-waltlichen Berufsrecht hält der Verfas-sungsrechtsausschuss des Deutschen

Anwaltvereins nicht für begründet. Inder Rechtsanwalts-GmbH i.Gr. liegt indem Fall die Mehrheit der Geschäfts-anteile und der Stimmrechte nicht beiden Anwälten und auch in der Ge-schäftsführung sind nicht mehrheitlichAnwälte tätig. Das Verbot dieser Kon-stellation in § 59 e Abs. 2 BRAO und§ 59 f Abs. 1 BRAO ist – so der Aus-schuss – verfassungsgemäß. Der Verfas-sungsrechtsausschuss sieht hier aberanders als der BGH weniger die Unab-hängigkeit der Anwälte gefährdet. Ent-scheidend ist für den Ausschuss, dassdie Organe der Gesellschaft den fachli-chen Anforderungen von § 4 BRAOgenügen müssen. Denn nur dann kanndie GmbH i.Gr. als solches als Rechts-anwaltsgesellschaft zugelassen werden.Das ist auch der Grund, warum ein Ver-stoß gegen Art. 3 GG ausscheidet, ob-wohl in einer Gesellschaft bürgerlichenRechts oder in einer Partnerschafts-gesellschaft Patentanwälte heute ohneweiteres die Mehrheit haben können.

Grenzüberschreitende Verkehrs-unfälle (83/12)

Der DAV begrüßt in seiner Stellung-nahme durch den Ausschuss Verkehrs-recht die Initiative der EuropäischenKommission, eine Regelung zu schaffen,die die Verjährungsfristen der Mitglieds-staaten bei grenzüberschreitenden Stra-ßenverkehrsunfällen angleicht. Der DAVregt auch an sicherzustellen, dass beider Regulierung von internationalenUnfällen eine Erstattung der Rechts-anwaltskosten vorgesehen wird.

RVG-Anpassung (86/12)

Der Regierungsentwurf zum 2. Kosten-rechtsmodernisierungsgesetz (KostR-MoG), mit dem es unter anderem um-fangreiche Neuregelungen zumanwaltlichen Vergütungsrecht gebensoll, insbesondere eine Anpassung derlinearen Gebührensätze, wurde nunmehrdem Bundestag zugeleitet und soll zeit-nah in erster Lesung beraten werden.DAV und BRAK begrüßen das Vorhaben,sehen jedoch nach wie vor in einigenPunkten Nachbesserungsbedarf, da dasZiel des Gesetzentwurfs, die anwaltlicheVergütung an die übrige wirtschaftlicheEntwicklung anzupassen, noch nicht inallen Punkten erreicht ist.

Alle Stellungnahmen unter www.anwaltverein.de.

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Kölner AnwaltvereinKölner Anwaltverein

Europa-Thema zieht:5. EuropäischesAnwaltsforum in Köln

Die juristische Gesellschaft zuGast bei der Gala Kölner Juristen

Europa wird auch im Recht immerwichtiger. Wer heute Assessorexamenablegt, kann sich vor dem europäischenRecht nicht mehr drücken – und werlänger Anwalt oder Anwältin ist? Mit ei-nem gezielten Angebot schließt derKölner Anwaltverein Bildungslücken.Das 5. Europäische Anwaltsforums warein Erfolg – wie im Anschluss die GalaKölner Juristen.Beim 5. Europäischen Anwaltsforumbegrüßte die Vorsitzende des KölnerAnwaltvereins (KAV) RechtsanwältinPia Eckertz-Tybussek, gemeinsam mitder Sprecherin des Ausschusses Inter-nationales Recht des Kölner Anwaltver-eins Rechtsanwältin Fatma AtaseverMitte November rund 60 Teilnehmerin-nen und Teilnehmer in den beeindru-ckenden Sälen des Verwaltungsgerichtsund Finanzgerichts Köln. In diesemJahr stand die zweitägige Fachtagungmit europarechtlichem Bezug ganz imZeichen dreier Rechtsgebiete: Arbeits-recht, Erbrecht und Familienrecht. Ininsgesamt acht Vorträgen referiertenregionale wie auch überregionale Ex-perten. Zum Abschluss des ersten Vor-tragstages begrüßte der KAV seineGäste zu einem kölschen Get-togetherim historischen Ambiente des KölnerSachsenturms. Referenten, Teilnehmer,Vorstandsmitglieder und Repräsentan-ten der vereinseigenen Ausschüsse undArbeitskreise kamen zusammen.

Am Abend des Forumstages lud derKAV zur Gala Kölner Juristen in diehistorische Wolkenburg ein. Das Festlockte bei der zweiten Auflage der Galarund 440 Gala- und Dinnergäste, da-runter unter anderem viele Kölner Ge-richtspräsidenten aus allen Instanzenund Gerichtsbarkeiten, eine Bürger-meisterin der Stadt Köln und natürlichauch Vertreter der Rechtsanwaltskam-mer Köln an. Die Gala wurde geprägtdurch ein internationales Publikum.Vertreter verschiedenster juristischerInstitutionen aus den Benelux-Staatensowie aus Italien, Spanien, Österreichund der Türkei waren gekommen.Martin V. Sampedrano Gonzalez, Koln

Leipziger AnwaltvereinLeipziger Anwaltverein

Neuer Ehrenpreis:Erstmals „Goldene Robe“verliehen

Anwaltverein stellt gesellschaftlichesEngagement in Vordergrund

Mit einem Ehrenpreis will der LeipzigerAnwaltverein den juristischen StandortLeipzig wieder stärker in das Bewusst-sein rufen. Am 8. November 2012 wurdeder Preis im Neuen Rathaus in Leipzigim Rahmen des ersten gemeinsamenJuristenempfangs des Leipziger Anwalt-vereins und der Juristenfakultät derUniversität Leipzig vor hochrangigenGästen verliehen.In seiner Begrüßungsrede erläuterteder Vorsitzende des Leipziger Anwalt-vereins Rechtsanwalt Dr. Daniel Fin-gerle, warum der Ehrenpreise die „Gol-dene Robe“ neu geschaffen wurde.Zum einen werde das vielfältige Enga-gement der Leipziger Anwältinnen undAnwälte auch öffentlich gewürdigt undzum anderen leiste dieser Ehrenpreiseinen Beitrag dazu, dass Leipzig alsStandort für Juristen wieder den Stel-lenwert hat, den es in früheren Zeitenhatte. Der Preis sei der Dank für guteTaten in Leipzig und das Kundtun die-ser Taten für Leipzig.

Die Skulptur des Preises wurde vondem Leipziger Künstler HartmutKlopsch geschaffen. Golden ist das Fut-ter der Robe. Eine Anspielung auf dieinneren Werte. Der Preis mit vielenweiteren Details ist ebenso optischerGenuss wie gedankliche Anregung.

Erster Preisträger: Günter KröberLeicht war die Ermittlung des erstenPreisträgers: Rechtsanwalt Dr. GünterKröber. In Ihrer Laudatio würdigte Bir-git Munz, Präsidentin des SächsischenVerfassungsgerichtshofes (und zu-gleich Vizepräsidentin des OLG Dres-den), die Lebensleistungen des Leipzi-gers – und ein Leben lang mit dieserStadt verbundenen – Juristen. Sein Le-ben sei geprägt von Überzeugungenund Idealen, aber nicht frei vonBrüchen. Geboren 1928 in Leipzig, Stu-dium und Referendarzeit von 1946 bis1950, Zulassung zur Anwaltschaft, Mit-glied der LDP (LiberaldemokratischePartei Deutschland) seit 1946. Auch dieTätigkeit als Strafverteidiger für Per-sonen, die unter anderem wegen Betei-

ligung am 17. Juni 1953 verhaftet wur-den, führten zu Repressalien bis hinzur Verhaftung von Günter Kröber. Ineinem Jugoslawien-Urlaub 1961 führteeine Bitte um Schutz bei den dortigenBehörden gegen die ständige Stasi-Überwachung zur Auslieferung an dieDDR und schließlich zu einer Verurtei-lung von zwei Jahren Gefängnis sowiedem Ausschluss aus der Anwaltschaft.1990 wurde Günter Kröber rehabilitiertund wieder Anwalt. Er war Mitglieddes Sächsischen Verfassungsgericht-hofes und Präsident der SächsischenRechtsanwaltskammer. Immer nochpolitisch und beruflich aktiv wurdeKröber bereits mehrfach ausgezeichnet,unter anderem erhielt er vom Deut-schen Anwaltverein das Ehrenzeichender Deutschen Anwaltschaft.

Besondere Anregungen gab Profes-sorin Monika Harms (Generalbundes-anwältin a.D.) in ihrem Festvortragzum Thema „Geteilte Rechtsakzeptanz– wie viel Divergenz verträgt derRechtsstaat“. Man konnte fast den Ein-druck gewinnen, der Künstler Klopschhätte den Vortrag bei Entwicklung der„Goldenen Robe“ gehört.

Der Leipziger Anwaltverein ist gernbereit die Ideen zur „Goldenen Robe“zur Nachahmung und damit Anerken-nung des vielfältigen Engagements vonAnwältinnen und Anwälten an andereAnwaltvereine weiterzugeben.Rechtsanwaltin Sylvia Gatz, Leipzig

MN Aus der Arbeit des DAV

1 Rechtsanwalt Dr. Daniel Fingerle (Vorsitzender desLeipziger Anwaltvereins, r.) beglückwünscht denPreisträger Rechtsanwalt Dr. Günter Kröber.

2 Der Künstler Hartmut Klopsch (l.) hat die „GoldeneRobe“ gestaltet (hier mit ihrem ersten Preisträger).

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Landesanwaltstag Sachsen-AnhaltLandesanwaltstag Sachsen-Anhalt

11. Landesanwaltstag:Merseburg verzaubertealle Besucher

Fortbildung, Kommunikationund Kultur

Mittlerweile hat der Erfolg der „Landes-anwaltstage“ zu vielen ähnlichen Ver-anstaltungen in ganz Deutschland ge-führt. Damit verbunden sind auchDiskussionen um die Berechtigung sovieler, doch irgendwie ähnlicher Ver-anstaltungen. Sachsen-Anhalt setzt mitdem 11. Landesanwaltstag seit 2002weiter Maßstäbe.Das Herausragende am Landesanwalt-stag Sachsen-Anhalt war immer dessenhoher Anspruch, Fortbildung, Kom-munikation und Kultur zu verbinden.Diese Tradition hat der Landesanwalt-stag 2012 in Merseburg – glaubt mandem unisono ausgesprochenen Lob derTeilnehmer, Referenten und Sponsorenund ihrem Dank an das Organisations-team – in eindrucksvoller Art undWeise fortgesetzt.

An zwei Tagen boten der HallescheAnwaltverein und der Landesverbandim prächtigen Ständehaus – demfrüheren Sitz des Landtages der preußi-schen Provinz Sachsen – Seminarenamhafter Referenten. Die Abendver-anstaltung bildete wiederum das be-rufspolitische und kulturelle Highlight,wenngleich der Versuch, „juristischesEntertainment“ durch einen ehemali-gen leitenden Oberstaatsanwalt, dernun als Mentalist auftritt, zu vermitteln,nicht alle Geschmäcker traf. Dies gelanghingegen DAV-Vizepräsidentin Rechts-anwältin und Notarin Edith Kinder-mann. Sie vermittelte den Teilnehmernund Gästen, darunter die Ministerin fürJustiz und Gleichstellung des LandesSachsen-Anhalt Prof. Dr. Angela Kolbund die Präsidenten aller Obergerichtedes Landes Sachsen-Anhalt, die Positionder Anwaltschaft zu aktuellen Fragen.Dabei gingt es vor allem um das 2. Kos-tenrechtsmodernisierungsgesetz unddie RVG-Anpassung. Das gelang soüberzeugend, dass sie nicht nur von An-wältinnen und Anwälten lang anhalten-den, kräftigen Applaus erhielt.Rechtsanwalt Tobias Michael, Magdeburg

Der 12. Landesanwaltstag Sachsen-Anhalt wird am30. und 31. August 2013 in Magdeburg stattfinden.

MN Aus der Arbeit des DAV

1 Fortbildung auf hohem Niveau: RechtsanwaltNorbert Schneider (stellvertretender Vorsitzenderdes Ausschusses RVG und Gerichtskosten) visuali-siert das anwaltliche Vergütungsrecht.

2 Rechtsanwalt Michael Stephan (Vorsitzender derStrafverteidiger Sachsen/Sachsen-Anhalt e. V.)referierte über Beweisverwertungsverbote imOWI-Verfahren.

3 Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann(DAV-Vizepräsidentin) warb in der Festveranstaltungfür die RVG-Anpassung und referierte im Fachpro-gramm.

4 Der Landesverbandsvorsitzende Sachsen-AnhaltRechtsanwalt Oliver Lentze (zugleich Vorsitzenderder Landesverbandskonferenz).

5 Regelmäßiger Gast beim Landesanwaltstag: Prof.Dr. Angela Kolb (Justizministerin Sachsen-Anhalts).

6 Rechtsanwalt Dr. Horst Heyroth (Vorsitzender desHalleschen Anwaltvereins) begrüßte die Teilnehmer.

7 Über den Wert von Zeugenaussagen handelte derFortbildungsblock von Dr. Steffen Dauer (Rechts-psychologe).

8 Rechtsanwältin und Notarin Ingeborg Rakete-Dombek (ehemalige Vorsitzende der AG Familien-recht) trug zu aktuellen Themen des Familienrechtsvor.

9 Mit dem Arbeitsrecht und den europäischen Vor-gaben beschäftigte sich der Vizepräsident des Lan-desarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt Frank Böger.

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Deutscher AnwaltvereinDeutscher Anwaltverein

„Law – Made in Germany“:Werbung für deutschesRecht in China

Veranstaltungen in Pekingund Shanghai

Der Deutsche Anwaltverein, die Bundes-rechtsanwaltskammer und der DeutscheIndustrie- und Handelskammertag ha-ben gemeinsam mit der Deutschen Han-delskammer in China für deutschesRecht und den Rechtsstandort Deutsch-land geworben. Teilnehmer der Ver-anstaltungen in Peking und Shanghaiwaren Mitglieder der Beijing Bar Asso-ciation, Unternehmensjuristen sowieVertreter der chinesischen und der deut-schen Anwaltschaft.Mit einem Handelsvolumen von 130Milliarden Euro (2010) ist ChinaDeutschlands wichtigster Handelspart-ner in Asien. Dies betrifft nicht nurEinfuhren, auch umgekehrt gilt: Derdeutsche Export nach China übertrifftdie gemeinsamen Ausfuhren von Eng-land, Frankreich und Italien in dasReich der Mitte. Grundlage der wichti-gen deutsch-chinesischen Wirtschafts-beziehungen sind dabei schon langenicht mehr Billigimporte. Unterneh-mensübernahmen, Fusionen, Investi-tionen sowie der An- und Verkauf vonMaschinen und Anlagen stehen zuneh-mend im Zentrum der Handelsbezie-hungen. Begleitet wird diese Entwick-lung von komplexen Vertragsgestaltun-gen, der Nachfrage nach qualifizierterRechtsberatung. Dennoch scheinendeutsche Rechtsanwälte, auch zumNachteil der deutschen Wirtschaft, vondieser Entwicklung nur bedingt zu pro-fitieren. Viele der Geschäfte werdennach chinesischem Recht oder nach ei-ner dritten Rechtsordnung abgewickelt.Ein fehlendes deutsch-chinesischesVollstreckungsübereinkommen, dieGerichtssprache Deutsch sowie die fak-tische Dominanz des englischen oderdes amerikanischen Rechts im interna-tionalen Geschäftsverkehr sind wesent-liche Ursachen hierfür. Dabei wäre dasdeutsche Recht für Rechtsanwender inChina von Vorteil: Alle könnten sichaufgrund vergleichbarer Rechtstradi-tion auf halbwegs vertrautem Gebietbewegen.Rechtsanwalt Dr. Christian Groß, Berlin undRechtsanwalt Jan K. Schafer, Frankfurt am Main

Deutscher AnwaltvereinDeutscher Anwaltverein

DAV Spanien wächst –Austausch zwischenSpanien und Deutschland

Erste Tagung in Spanien –weiteres Fachprogramm geplant

Europa wächst über die Ländergrenzenhinweg immer mehr zusammen. Wiesich dieses Phänomen in der Praxisauswirkt, zeigt beispielsweise die zu-nehmende Zahl deutscher Anwälte inSpanien – und umgekehrt spanischerJuristen in Deutschland.Mit dem am 27. Mai 2011 gegründeten„DAV Spanien“ haben all jene Rechts-anwälte, Staatsanwälte, Notare, Lehr-beauftragte und sonstige Juristen mitgrenzüberschreitendem Hintergrundnun einen gemeinsamen Verein erhal-ten, der ihnen nicht nur als Interessen-vertretung dient, sondern sie auch aktivbei der praktischen Arbeit unterstützt.Nicht zuletzt erhält der Deutsche An-waltverein auf diese Weise auch eineörtliche Vertretung in Spanien. Vorsit-zende des DAV Spanien ist CatalinaGaray y Chamizo, die spanischeRechtsanwältin ist und eine deutscheZulassung hat.

Ein Jahr nach seiner Gründungzählt der Verein nunmehr bereits 25aktive Mitglieder. Der Verein verfolgtseine Ziele nicht nur als Anlaufstellefür Juristen, die sich in ihrer berufli-chen Tätigkeit an ihn wenden können,sondern tut sich auch als Ausrichtervon Veranstaltungen und Kongressenhervor. Beim ersten Kongress des DAVSpanien im Januar des vergangenenJahres waren hochrangige Richter derhöchsten Gerichtshöfe von Spanienund Argentinien als Gastredner einge-laden, die der Veranstaltung eine be-sonders praxisnahe, internationaleNote verliehen. Über die fachliche Dis-kussion hinaus wurden hier Beziehun-gen und Kontakte zu Kollegen in Spa-nien und Deutschland geknüpft undder Erfahrungsaustausch vorangetrie-ben. Genau diese Zielstellung möchteder DAV Spanien auch in Zukunft wei-ter verfolgen. Durch die immer engerwerdende Zusammenarbeit zwischenspanischen und deutschen Juristenwird ihm eine bedeutende Rolle zu-kommen.Rechtsanwaltin und AbogadaCatalina Garay y Chamizo, Berlin

MN Aus der Arbeit des DAV

Deutsche AnwaltakademieDeutsche Anwaltakademie

Bewertung freiberuflicher Praxen

Auch nach den neueren BGH-Ent-scheidungen zur Bewertung freiberufli-cher Praxen aus dem Jahr 2011 ist inder familienrechtlichen Praxis vielesunklar. In der Seminarreihe „Familien-recht 2013“ im Januar 2013 in Düssel-dorf und München wird die Frage derBewertung einen breiten Raum einneh-men. Die weiteren Themen sind Kinder-schutz und die aktuellen Entwicklun-gen im Unterhaltsrecht.

Künftige Anwaltsnotare –Fortbildungspflicht

Im Anwaltsnotariat müssen sich Absol-venten der notariellen Fachprüfung abdem Jahr nach Bestehen der Fach-prüfung bis zum Ablauf der Bewer-bungsfrist für ihr künftiges Notaramt15 Stunden im Jahr notarspezifischfortbilden (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 BNotO). Dienächste Veranstaltung zum Thema„Notariat 2013 – Formulare und Ver-träge“ findet am 26. Januar 2013 inBochum statt.

Klausurenfernkurs fürRechtsreferendare

Die ersten Referendare nutzten dasneue Angebot der Deutschen Anwalt-akademie bereits. Seit November ha-ben Referendare die Möglichkeit, sichin einem Fernkurs auf das zweiteStaatsexamen vorzubereiten. Informie-ren können sich Stationsreferendareunter www.assessor-examen.de.

Mediation: Wann kommt der„Zertifizierte Mediator“?

Das Mediationsgesetz schafft in § 5Abs. 2 die Möglichkeit, sich als „Zertifi-zierter Mediator“ zu bezeichnen. Vo-raussetzung dafür ist eine abgeschlos-sene Ausbildung, deren Inhalte abernoch in einer Rechtsverordnung defi-niert werden müssen. Derzeit ist nichtabsehbar, wann mit der RVO gerechnetwerden kann. Die Deutsche Anwaltaka-demie bietet ihre bewährten Media-tionskurse deswegen auch künftig imUmfang von 90 Stunden an, sowie zu-sätzliche 30-stündige Aufbaukurse.

Weitere Informationen finden Sie im Internet unterwww.anwaltakademie.de

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Deutsche AnwaltakademieDeutsche Anwaltakademie

Vertrauen ist gut –Kontrolle ... im öster-reichischen Weinrecht

Ein Klassiker der Fortbildung:45. Weinrechtsseminar

Das 45. Weinrechtsseminar fand diesesJahr in Graz statt – nach Freyburg imWeinanbaugebiet Saale-Unstrut imVorjahr nun wieder im Ausland. Rundzwanzig Teilnehmer waren in die Stei-ermark gekommen.Diesmal stand – wie immer vor demHintergrund europarechtlicher Vor-gaben – der österreichische, insbeson-dere der steirische Weinbau, geprägtdurch Historie und Entwicklungen desösterreichischen Weinrechts, im Vor-dergrund, begleitet von rechtsüber-greifenden Erwägungen zu Alkohol-gehalten, Weinbezeichnungen undAnbaugebieten als Regelungsgegen-ständen des deutschen Weinrechts.

Der Weinbaukontrolle wurde mitBlick auf die Grenznähe zu Slowenienund grenzüberschreitenden Doppelsit-zen von Weingütern besondere Auf-merksamkeit gewidmet. Insbesondereunter dem Gesichtspunkt sich annä-hernder Qualitätsniveaus, jedoch indi-vidualisierender Vermarktungsstrate-gien der beidseits der Grenzen tätigenGüter und ihrer je nationalen Konkur-renten stellt dies eine Herausforderungfür alle Beteiligten an Anbau, Produk-tion und Abfüllung von Wein dar, wiesich anlässlich eines Betriebsbesuchsan der südsteirischen Grenze mit Blickauf speziell ausgebildete Über-wachungspersonen der Bundeskellerei-inspektion in den Weinbergen span-nend beobachten ließ.

An fünf Seminartagen vermitteltenranghohe Delegierte des deutschenund des steirischen Weinbauverbandes,des österreichischen Bundesministeri-ums für Land- und Forstwirtschaft,Umwelt und Wasserwirtschaft (dort„Lebensministerium“ genannt) sowieder Bundeskellereiinspektion in WienChancen und Herausforderungen die-ses speziellen Anbaugebietes.Rechtsanwaltin und WeinakademikerinCornelia Richter, Bremen

Informationen zum Weinrechtsseminar 2013 gibt esbei der Deutschen Anwaltakademie, Jana Hartwig,030 / 72 61 53 – 123, [email protected].

MitgliederversammlungMitgliederversammlung

AG Anwältinnen

Der Geschäftsführende Ausschuss derArbeitsgemeinschaft Anwältinnen lädtalle Mitglieder herzlich zur Mitglieder-versammlung am 2. März 2013, von13:30 –15:00 Uhr in die Johannesklinik,Johannesplatz 1, 04103 Leipzig ein.

Tagesordnung

1. Eröffnung durch die Vorsitzende2. Genehmigung des Protokolls der Mit-

gliederversammlung vom 03.03.20123. Tätigkeitsbericht der Vorsitzenden und

Aussprache4. Bericht der Schatzmeisterin und Aus-

sprache5. Bericht der Kassenprüferin und Entlas-

tung für die Kassenprüferin6. Genehmigung des Jahresabschlusses

für 20127. Entlastung des Geschäftsführenden

Ausschusses für das Jahr 20128. Wahl der Kassenprüferin für 20139. Bericht aus dem Genderausschuss10.Verschiedenes

Nach § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnungder Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen sindAnträge und Ergänzungen zur Tagesord-nung bis 21 Tage vor der Mitgliederver-sammlung an die Geschäftsstelle desDeutschen Anwaltvereins (Littenstraße 11,10179 Berlin) zu richten. Die Mitglieder-versammlung findet im Rahmen der am28. Februar – 2. März 2013 stattfindenden16. Anwältinnenkonferenz der Arbeits-gemeinschaft Anwältinnen statt.Nähere Einzelheiten unter:www.dav-anwaeltinnen.de.

PersonalienPersonalien

Georg Blanz

Oberlausitzer Anwaltver-ein: Rechtsanwalt GeorgBlanz ist der neu ge-wählte Vorsitzende desAnwaltvereins. Vor ihmführte RechtsanwaltChristian Reichardt 13Jahre lang den Verein.

Den 70 Mitglieder starken OberlausitzerAnwaltverein gibt es seit 1919. Er gehörtzum Landgerichtsbezirk Görlitz.

Walter Mende

Der Bundespräsident hat RechtsanwaltDr. Walter Mende aus Leverkusen dasBundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen.Der ehemalige Oberbürgermeister derStadt Leverkusen war bereits 1999 mitdem Verdienstkreuz am Bande aus-gezeichnet worden.

Marc Armatage

Neuer Vorsitzender desAnwaltvereins Kemptenist Rechtsanwalt MarcArmatage. Er folgt damitRechtsanwalt Dr. AlbertHägele, der den Verein17 Jahre lang geführthat. Der Anwaltverein

hat mehr als 160 Mitglieder. Er wurde imJahr 1901 gegründet.

Hans-Joachim Stamp

Der Bundespräsident hat RechtsanwaltHans-Joachim Stamp aus Nassau dasBundesverdienstkreuz am Bande verlie-hen. Mit dem Orden werden Bürgerinnenund Bürger ausgezeichnet, die im politi-schen, wirtschaftlich-sozialen und geisti-gen Bereich Wertvolles geleistet haben.Stamp wurde für seine großen Verdienstebeim Auf- und Ausbau des Versorgungs-werkes für Rechtsanwälte in Rheinland-Pfalz geehrt.

Eckhart Clemens Hild

Der Bundespräsident hat Rechtsanwaltund Notar Eckhart Clemens Hild ausFrankfurt am Main das Bundesverdienst-kreuz am Bande verliehen. Hild setzte sichunter anderem in besonderem Maße übersein Amt als Präsidiumsmitglied derRechtsanwaltskammer Frankfurt am Mainfür die Interessen der Anwaltschaft ein.

Klaus Rudolf Seeger

Der Bundespräsident hat RechtsanwaltKlaus Rudolf Seeger aus Frankfurt amMain das Bundesverdienstkreuz amBande verliehen.

Hans Raab

Der Bundespräsident hat RechtsanwaltHans Raab das Bundesverdienstkreuz amBande verliehen.

Roland Laube

Der Bundespräsident hat Rechtsanwaltund Notar Roland Laube aus Oestrich-Winkel das Bundesverdienstkreuz amBande verliehen.

Prof. Dr. Peter Fissenewert

Der Bundespräsident hat RechtsanwaltProf. Dr. Peter Fissenewert aus Berlin dasBundesverdienstkreuz am Bande ver-liehen.

MN Aus der Arbeit des DAV

64 AnwBl 1 / 2013

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MN

HaftpflichtfragenHaftpflichtfragen

66 Haftungssituationen im FamilienrechtAssessorin Jacqueline Bräuer, Allianz Versicherung, München

Die großen Reformen im Familienrecht aus den Jahren 2008 und 2009 sind ver-daut – doch die Praxis bietet im Alltag noch genug Stolpersteine. Gefährlich sindVergleiche, aber auch beim Scheidungsantrag, Zugewinnausgleich, Unterhaltoder Versorgungsausgleich gibt es Fallen.

RechtsprechungRechtsprechung

69 Briefbogen des Anwalts bei Zweigstelle:Eine Kanzleianschrift genügtBGH, Urt. v. 16.5.2012 – I ZR 74/11

Im Dezember-Heft 2012 gab es bereits die Meldung: Der BGH hat in einemrichtungsweisenden Urteil entschieden, dass eine Kanzleianschrift auf demBriefpapier reicht und den Anwalt regelmäßg aus § 5 a UWG keine besonderenInformationspflichten gegenüber den Verbrauchern treffen.

71 Keine Delegation der Mandatsarbeitauf KanzleikraftBGH, Beschl. v. 2.10.2012 – VI ZB 71/11

Gibt es Wiedereinsetzung, wenn eine Kanzleikraft auf Weisung ihres Chefsbeim Mandanten erfragt, ob die empfohlene Berufung eingelegt werden sollund versehentlich „keine Berufung“ in der Akte vermerkt? Der BGH sagt „Nein“.Wer als Anwalt zu viel delegiert, trägt das volle Haftungsrisiko.

74 RDG: Forderungseinziehung alsHaupt- oder Nebenleistung?BGH, Urt. v. 30.10.2012 – XI ZR 324/11

Das RDG soll das Anwaltsmonopol sichern: Streitpunkt sind immer wieder For-derungseinziehungen durch Nicht-Anwälte. Der BGH konkretisiert nun, wanndie Einziehung eine erlaubnisfreie Nebenleistung ist – und wann nicht.

Rechtsp

rechung

Landauer Justizpalast

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HaftpflichtfragenHaftpflichtfragen

Haftungssituationen imFamilienrechtStolpersteine im Anwaltsalltag vermeiden – oder:mit ein wenig Umsicht viel erreichenAssessorin Jacqueline Brauer, Allianz Versicherung, Munchen

Der Pulverdampf der großen Reformen im Familienrechtaus den Jahren 2008 und 2009 hat sich verzogen. Das neueRecht hat sich inzwischen recht gut eingespielt, sowohl beiden Anwälten, als auch bei den Gerichten. Die tatsächlichenoder nur vermeintlichen Haftungsfallen sind weitest gehendentschärft (siehe nur Bräuer, AnwBl 2009, 642). Das Neben-einander von altem und neuem Recht wird immer seltener.Doch Routine heißt nicht, dass es keine Stolpersteine mehrgibt. Die Autorin stellt einige Fallen vor und gibt praktischeTipps für die Anwaltspraxis.

I. Vergleiche

Vergleiche sind natürlich nicht nur im Familienrecht einehäufige Haftungsquelle, aber wegen der Vielzahl der übli-cherweise regelungsbedürftigen Punkte scheint das Haf-tungsrisiko faktisch doch höher zu sein als in anderen Man-daten – bei denen der Streit zumeist nur um einen Punktgeht.

1. Die VergleichsgrundlagenGenerell für alle Vergleiche gilt: Es sollte möglichst im Ver-gleich selbst niedergelegt werden, welches die rein tatsäch-lichen und vor allem finanziellen Grundlagen des Verglei-ches sind, wie zum Beispiel aktuelles und/oder erwarteteskünftiges Einkommen, in Kürze zu erwartender Jobverlust,in Kürze erwarteter Rentenbezug, unterhaltspflichtige Kin-der, bevorstehende Geburt eines Kindes, Wohnen im eige-nen Haus, in Kürze erwartete Wiederverheiratung usw.Denn bekanntlich kommt es ja oft ganz anders, als man ge-dacht hatte. Und hinterher will oft keiner mehr wissen, wasman sich bei dem Vergleich gedacht hatte beziehungsweisewird im Laufe der Jahre die Erinnerung schwach oder ver-fälscht. Die Probleme tauchen schließlich typischerweise erstim Zuge von Abänderungsbegehren Jahre später auf.

Wenn die Grundlagen aber im Vergleich selbst stehen,ist man auf der sicheren Seite. Auch ein nachfolgend fähigerKollege kann später besser einschätzen, ob eine Abänderungin Betracht kommt oder nicht. Und schließlich könnte jaauch jeder Anwalt selbst irgendwann der Kollege sein, derdie Möglichkeiten der Abänderung prüfen soll. Richter fin-den es schon mal lästig, die gesamten Lebensumstände derParteien ins Protokoll zu diktieren oder schreiben zumüssen; davon sollte sich der Anwalt aber nicht abschreckenlassen – der Anwaltskollege der Gegenseite sitzt zudem „imgleichen Boot“ und sollte daher ein eigenes Interesse daranhaben, die relevanten Grundlagen mit protokollieren zu las-sen.

2. Belehrung und Beratung über den VergleichAuch die Beratung des Mandanten über das Für und Widerdes Vergleiches an sich und der Regelungen im Einzelnensollte nach Möglichkeit dokumentiert werden. Was naturge-mäß voraussetzt, dass eine Beratung durch den Anwalt über-haupt stattfindet. Wenn ein potentieller Vergleichsabschlusszwischen den Parteien (schriftlich) vorbereitet wird, lässtsich das sehr gut machen. Man übersendet dem Mandantenden Entwurf oder Änderungsvorschläge etc. und lässt im Be-gleitschreiben die Beratung einfließen. Die Möglichkeit einervernünftigen Beratung fehlt aber vielfach, wenn der Ver-gleich spontan vor Gericht zustande kommt. Die Möglichkeitder Dokumentation wird sich dann allenfalls auf eine kurzehandschriftliche Notiz beschränken. Was nun nicht heißensoll, dass solche spontanen Vergleiche nicht erfolgen sollten.Aber um das Haftungsrisiko möglichst gering zu halten,sollte – soweit möglich – eine Widerrufsfrist vereinbart wer-den, um den Vergleich mit dem Mandanten dann noch ein-mal in Ruhe erörtern zu können.

Quintessenz solcher Spontanvergleiche ohne Wider-rufsmöglichkeit ist nämlich zumeist, dass der Anwalt im Re-gressfall vorbringt, der Mandant sei schließlich vor Gerichtdabei und mit dem Vergleich einverstanden gewesen. Dabeisein heißt aber nicht, den Gang der Dinge wirklich zu verste-hen und gutzuheißen. Insbesondere Mandanten, die nichtschon im Vorfeld vom Anwalt schonend und generell überdie Möglichkeit einer vergleichsweisen Erledigung der Strei-tigkeit vorbereitet worden sind, sind in der mündlichen Ver-handlung oft viel zu irritiert über die neue Entwicklung, alsdass sie sich auf die Vergleichsverhandlungen im Detail kon-zentrieren könnten. Ein erfahrener Anwalt sollte in derMehrzahl der Fälle einschätzen können, ob in der mündli-chen Verhandlung mit Vergleichsdiskussionen zu rechnenist oder nicht, und sollte seine Einschätzung dem Mandan-ten nicht vorenthalten.

3. Vergleich über UnterhaltSpeziell beim Unterhalt bereitet es dem Anwalt auf der Gläu-bigerseite gern Probleme, wenn es um den Unterhalt fürmehrere Unterhaltsgläubiger geht oder um Unterhalt fürverschiedene Zeiträume oder gar um verschiedene Zeit-räume bei mehreren Personen. Bei einer gerichtlichen Ent-scheidung über die Unterhaltsansprüche kann es genausopassieren, dass einzelne Positionen vergessen werden; abererstens ist dies dann kein Anwaltsfehler und zweitens mit-tels Rechtsmittel ergänzbar – allerdings muss hier natürlichder Anwalt erkennen, dass in der Entscheidung etwas fehltund das richtige Rechtsmittel fristgerecht einlegen!

Wird im Unterhaltsvergleich beispielsweise vergessen,den rückständigen Unterhalt zu regeln – obwohl in den Ver-gleichsgesprächen vielleicht anfangs sogar darüber noch ge-sprochen wurde -, so ist der Rückstand ein für allemal abge-schnitten. Eine Anfechtung des Vergleiches wegen Irrtumskommt nicht in Betracht, der Anwalt muss einfach aufpas-sen. Ob und inwieweit sich daraus ein kausaler Schaden er-gibt, hängt dann aber insbesondere von der Frage ab, welchevergleichsweise Regelung über den Rückstand zwischen denParteien getroffen worden, wenn die Position nicht vergessenoder zu Ende diskutiert worden wäre und ob und inwieweitder Schuldner zur Begleichung des Rückstandes (neben demlaufenden Unterhalt) überhaupt in der Lage gewesen wäre.

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4. Vergleich über ZugewinnausgleichVergleiche über den Zugewinnausgleich werden häufig ge-schlossen, wenn auf einer Seite oder auf beiden SeitenVermögenspositionen nur mit großem Aufwand bewertetwerden könnten, also zum Beispiel aufwändige und teureGutachten eingeholt werden müssten und die Beteiligtendieses Geld lieber in den Ausgleich selbst investieren odereine schnelle endgültige Klärung erreichen wollen. Eine sol-che Situation ist für den Anwalt allerdings immer eine Grat-wanderung. Denn solche nicht auf Anhieb zu bewertendenPositionen bergen letztlich immer die Gefahr, dass mannicht einmal sicher sein kann, auf welcher Seite nun eigent-lich der Ausgleichspflichtige und auf welcher Seite der Aus-gleichsberechtigte ist. Vor diesem Hintergrund kann der An-walt weder sinnvoll und ausreichend belehren noch beraten.Man könnte genauso gut würfeln oder Streichhölzer ziehen– was nun wohl jeder schon auf den ersten Blick als inadä-quat betrachten würde. Warum schreckt man dann nichtauch vor einem Vergleich auf vollkommen unklarer Grund-lage zurück?

Dem Anwalt bleibt in einer solchen Situation – wenn dieParteien sich unbedingt vergleichen wollen, aber die Ver-gleichsgrundlagen nur als völlig offen zu bezeichnen sind –nur die Möglichkeit klarzustellen und zu dokumentieren,dass dem so ist. Er sollte auch klarstellen und dokumentie-ren, dass er die Sinnhaftigkeit des Vergleiches weder abklä-ren noch bewerten kann, dass er demzufolge nicht beratenkann, ob der Vergleich angenommen oder abgelehnt werdensollte und dass die Partei ohne Beratung beziehungsweisetrotz fehlender Beratungsmöglichkeit den Vergleich will. Ambesten lässt man sich dies von der Mandantschaft unter-schreiben. Wer dagegen als Anwalt einfach nur die Schulternzuckt und die Partei tun lässt, was sie will, wird sich aus derHaftung nicht befreien können, nur weil er „doch gar nichtzum Vergleich geraten“ hat.

5. Vergleich als DruckmittelIst die Gegenseite generell bei den gemeinsamen Belangeneher desinteressiert und wenig mitwirkungsbereit, kann esfaktisch hilfreich sein, einen Vergleich als Druckmittel ein-zusetzen. Man kann also beispielsweise einem Wunsch derGegenseite eher nachgeben, und sei es nur, dass man sichnun überhaupt zu einem Vergleich bereit findet, und dannim Vergleich ausbedingen, dass die Gegenseite bei der ge-meinsamen steuerlichen Veranlagung zeitnah mitzuwirkenhat – oder was sonst noch dem eigenen Mandanten wichtigist.

II. Sinnloser Antrag auf Zugewinnausgleich

Rein tatsächlich ist wohl die Zugewinngemeinschaft der amhäufigsten anzutreffende Güterstand. Man darf aber nichtvergessen, dass es auch noch zwei andere Güterstände gibt,die Gütertrennung und die Gütergemeinschaft. Der Anwaltdarf nicht einfach sozusagen stereotyp in den Zugewinn„einsteigen“, ohne vielleicht überhaupt erstmal abzuklären,ob in dem betreffenden Vorgang dies überhaupt der geltendeGüterstand ist. Erstens investiert man viel sinnlose Arbeits-zeit in die Ermittlung von Anfangs- und Endvermögen unddie Aufstellung von Berechnungen und zweitens ist esfurchtbar peinlich und jedenfalls ein kausaler Kostenscha-

den, wenn man einen Antrag auf Zugewinnausgleich stelltund der Gegner leider völlig zu Recht darauf hinweist, dassdoch Gütertrennung gilt.

III. Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs

Gelegentlich gibt es auch mal Veränderungen, die dem An-walt die Arbeit leichter machen. So ist die Verjährungsrege-lung inzwischen jahresendbezogen geregelt, nicht mehrstichtagsgenau. § 1378 Abs. 4 S. 1 BGB a.F. gilt seit 01.1.2010nicht mehr.

Eine Übergangsregelung findet sich in Art. 229 § 23EGBGB. Das heißt im neuen Recht ist die Verjährungsfristbezüglich des Zugewinnausgleichsanspruchs länger alsfrüher. Anwaltsfehler sollten seltener passieren, zumalJahresendverjährungen im Zivilrecht eigentlich inzwischender Regelfall sind. Übrigens hemmt der Antrag auf Zuge-winnausgleich auch dann die Verjährung, wenn hinsichtlichder Beendigung des Güterstandes ein falsches Datum ange-geben ist (BGH, NJW 2012, 2180; FamRZ 2012, 1296).

IV. Unterhalt im Fall der erneuten Heirat desBerechtigten

1. Die gesetzliche RegelungVon Gesetzes wegen erlischt der Unterhaltsanspruch mit derWiederverheiratung des Berechtigten (§ 1586 BGB). Trägtsich der Mandant mit Wiederverheiratungsabsichten und er-hält er vom Anwalt die unzutreffende Auskunft, dass der„alte“ Unterhaltsanspruch bei Wiederverheiratung unge-schmälert fortbestehe und geht daraufhin der Mandant dieneue Ehe ein, woraufhin natürlich der ursprüngliche Unter-haltsschuldner die Zahlungen einstellt, so wird der Anwaltsich gegen Regressansprüche des Mandanten kaum wehrenkönnen, wenn dieser behauptet, bei richtiger Beratung hätteer eben darauf verzichtet, wieder zu heiraten, um den Unter-haltsanspruch zu behalten.

Argumentiert der Mandant allerdings weiter, er hättesich dann auf eine nichteheliche Lebensgemeinschaft be-schränkt, schießt er jedoch ein Eigentor, denn dieser Um-stand wäre ja wiederum, wenn die nichteheliche Lebens-gemeinschaft eine gewisse Verfestigung erreicht, im Wegeeiner Abänderungsklage zu seinen Lasten zu berücksichtigengewesen. Und diese hypothetische Kausalkette könnte derAnwalt dann im Regress zumindest anspruchsmindernd ent-gegenhalten.

2. Vereinbarungen der ParteienUmgekehrt muss der Anwalt bei der Beratung aufpassen,wenn es aus der alten Ehe einen Ehevertrag oder einenScheidungsfolgenvergleich gibt. Findet sich hier nämlicheine von der derzeitigen gesetzlichen Lage abweichende Re-gelung des Unterhalts bei Wiederverheiratung, wäre eine ander aktuellen gesetzlichen Lage orientierte Beratung desMandanten falsch. Der Anwalt sollte grundsätzlich abfragen,ob und welche Regelungen oder Verträge es aus der Zeit deralten Ehe gibt, insbesondere falls er selbst gar nicht mit derdamaligen Scheidung befasst war. Gerade relativ alte Ehever-träge enthalten gerne aus heutiger Sicht eigenartige oderunübliche Regelungen.

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Möglicherweise gerade deshalb gibt es natürlich auch oftStreitigkeiten über die Auslegung und/oder Wirksamkeit derVereinbarung.

V. Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungs-antrags

Grundsätzlich hat der Anwalt Weisungen des Mandanten zubeachten und zu befolgen, und zwar zeitnah. Sind keineNachteile zu befürchten, mag die eine oder andere Sacheauch mal etwas länger liegen bleiben. Ein Auftrag zur Einrei-chung des Scheidungsantrags sollte allerdings nie ohne trifti-gen Grund und nie ohne Rücksprache mit dem Mandantenliegen bleiben. Gründe, mit der Einreichung des Scheidungs-antrags zuzuwarten, können oder müssen zum Beispiel sein,dass man abwartet, bis das Trennungsjahr (§ 1565 Abs. 2BGB; interessant zur Berechnung im Einzelfall bei zwischen-zeitlicher Versöhnung übrigens OLG Bremen MDR 2012,918) oder eine vielleicht in einem Ehevertrag geregelte Fristverstrichen ist, um irgendwelche vorgesehenen Leistungenzu bekommen. Das heißt auch vor Einreichung des Schei-dungsantrags muss grundsätzlich beim Mandanten abge-fragt werden, ob es einen Ehevertrag gibt, um hier böseÜberraschungen zu vermeiden. Gegebenenfalls muss bei Be-stehen entsprechender Regelungen der Anwalt von der Ein-reichung des Scheidungsantrags – vorerst – ganz abraten,falls dem Mandanten daraus erhebliche Nachteile erwachsenwürden.

Reicht der Anwalt ohne einen Grund den Scheidungs-antrag gar nicht oder nicht zeitnah ein, so kann dies zumBeispiel bezüglich Güterstand und Rente erhebliche Auswir-kungen haben. Denn von der Einreichung des Scheidungs-antrags hängt der Zeitpunkt der Beendigung des Güterstan-des beim Zugewinnausgleich (§§ 1384, 1375 BGB –Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags) ab und beim Ver-sorgungsausgleich endet die Ehezeit mit Ende des letztenMonats vor der Zustellung des Scheidungsantrags (§ 3 VersAusglG). Hat eher der Gegner Vorteile von einem späterenZeitpunkt, muss dem eigenen Mandanten umso eher darangelegen sein, den Scheidungsantrag zügig zu stellen. Umge-kehrt natürlich, wenn der eigene Mandant eher Nutznießereiner längeren Ehedauer wäre. Abzuwägen ist möglicher-weise auch bezüglich des Umstandes, dass der eigene Man-dant vielleicht zwar Trennungsunterhalt erhält, aber augen-scheinlich keinen nachehelichen Unterhalt bekommenwürde, weil eben für beides unterschiedliche Maßstäbe anzu-legen sind. Dann könnte das Pendel wieder eher dahin aus-schlagen, dass man mit dem Scheidungsantrag noch zuwar-tet. Umgekehrt wiederum, wenn der Gegner des eigenenMandanten Trennungsunterhalt erhält, der Mandant aber vo-raussichtlich keinen nachehelichen Unterhalt zahlen müsste.Das heißt der Anwalt muss sich schon vor der Einreichungdes Scheidungsantrags umfangreiche Gedanken machenund den Mandanten entsprechend befragen, Unterlagen an-fordern, den Mandanten belehren und beraten.

VI. Versorgungsausgleich und Unterhalt

Eigentlich hat der Versorgungsausgleich mit der Errechnungund Festlegung des nachehelichen Unterhalts nichts zu tun.In einer bestimmten Konstellation aber doch. Nämlich,wenn der Unterhaltsgläubiger bereits Rentner ist, der Unter-

haltspflichtige aber noch nicht. Im Scheidungsverbundver-fahren wird der zu leistende nacheheliche Unterhalt auf derBasis des bisherigen Einkommens des Schuldners berechnet,sprich auf Basis seiner vor der Rechtskraft der Scheidung be-zogenen Rente. Führt der daneben durchzuführende Versor-gungsausgleich dazu, dass beim Unterhaltspflichtigen dieRente – sofort – gekürzt wird, wird er dadurch in vielen Fäl-len hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts nicht mehrleistungsfähig sein. Grundsätzlich könnte man nun an zweiverschiedene Möglichkeiten denken, dieses Problem zulösen. Der Unterhaltsschuldner könnte über seinen Anwalteinen Abänderungsantrag stellen, um ab der Rentenkürzungkeinen oder weniger Unterhalt leisten zu müssen. Oder,man unternimmt etwas gegen die Rentenkürzung.

Der Gesetzgeber möchte hier den zweiten Weg beschrit-ten sehen und stellt mit § 33 VersAusglG das erforderlicheInstrument zur Verfügung. Hiernach wird auf Antrag desUnterhaltsschuldners die Rentenkürzung solange ausgesetzt,wie der Unterhaltsberechtigte selbst keine Rente bezieht. DerUmfang der Aussetzung der Kürzung bemisst sich nach § 33Abs. 3 VersAusglG. Der Anwalt darf also in dieser Situationzum einen nicht übersehen, den entsprechenden Antrag zustellen, zum anderen darf er nicht etwa auf die Idee kom-men, einen Abänderungsantrag hinsichtlich des Unterhaltszu stellen. Haftungsrechtliche Folgen wären sonst zum ei-nen ein Kostenschaden und zum anderen ein unter Umstän-den erheblicher Zeitverlust hinsichtlich des – richtigen – An-trags auf Aussetzung.

§ 33 VersAusglG kommt eigentlich erst ab Rechtskraftder Scheidung in Betracht. Nun zeichnet sich aber das Di-lemma schon während des laufenden Verbundverfahrens ab,jedenfalls wenn wie im Normalfall im Verbund über denVersorgungsausgleich und über den nachehelichen Unter-halt zu befinden ist. Hier mutet es widersinnig an, zunächstdie Rechtskraft abzuwarten, um dann sogleich den Antragnach § 33 VersAusglG zu stellen. Es erscheint sinnvoller, denAntrag nach § 33 VersAusglG noch im Verbundverfahren zustellen und das Gericht noch vor der Rechtskraft eine ent-sprechende Entscheidung treffen zu lassen. So sieht es –nicht zuletzt aus Gründen der Verfahrensökonomie – auchdas OLG Zweibrücken, NJW 2012, 1298. Der Anwalt mussalso mitdenken und sich überlegen, welche Konsequenz ge-gebenenfalls die Durchführung des Versorgungsausgleichszu Lasten des Mandanten, der selbst schon Rentenbezieheraber zugleich Unterhaltsschuldner ist, hätte.

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Jacqueline Bräuer, MünchenJacqueline Bräuer, MünchenDie Autorin ist Assessorin und bei der Allianz VersicherungsAG tätig. Der Beitrag gibt ihre persönliche Auffassungwieder.

Leserzuschriften an [email protected].

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AnwaltsrechtAnwaltsrecht

Briefbogen des Anwalts bei Zweigstelle:Eine Kanzleianschrift genügtUWG § 5a Abs. 2; BORA § 10 Abs. 1

a) Die Bestimmung des § 5 a Abs. 2 UWG begründet keine gene-relle Informationspflicht, sondern verpflichtet grundsätzlich alleinzur Offenlegung solcher Informationen, die für die geschäftlicheEntscheidung erhebliches Gewicht haben und deren Angabe un-ter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unterneh-mer erwartet werden kann.

b) Ein Rechtsanwalt ist weder nach § 10 Abs. 1 BORA noch nach§ 5 a Abs. 2 UWG verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätig-keit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlas-sungen zu nennen oder durch Verwendung der Begriffe „Kanzlei“und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, wo er seine Kanzlei imSinne von § 27 Abs. 1 BRAO und wo er Zweigstellen unterhält.

c) Ein Rechtsanwalt ist nach § 10 Abs. 1 BORA nicht verpflichtet,auf den für seine anwaltliche Tätigkeit in einer Zweigstelle ver-wendeten Briefbögen den Standort der Kanzlei im Sinne von § 27Abs. 1 BRAO anzugeben. Er hat nach dieser Bestimmung auf sol-chen Briefbögen nur die Anschrift der Zweigstelle und nicht auchdie Anschrift der (Haupt-)Kanzlei anzugeben.

BGH, Urt. v. 16.5.2012 – I ZR 74/11

Anmerkung der Redaktion:Das Urteil bespricht Deckenbrock in diesem Heft (AnwBl 2013, 8).

Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de(AnwBl Online 2012, 333).

Kanzleianschrift: Zwingend imelektronischen KammerregisterBRAO § 31

Der Rechtsanwaltskammer steht kein Ermessen zu, ob und inwelcher Form die Kanzleianschrift eines Rechtsanwalts imelektronischen Verzeichnis der Rechtsanwaltskammer geführt:Die Kanzleianschrift ist einzutragen.(Leitsatz der Redaktion)

BGH, Beschluss v. 2.11.2012 – AnwZ (Brfg) 50/12

Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de(AnwBl Online 2013, 1).

Keine volle Abzugsfähigkeit vonKinderbetreuungskostenGG Art. 3, 6; EStG § 3 Nr. 33, § 4f, § 9 Abs. 5 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 8,

1. Es ist verfassungsgemäß, den Abzug von Kinderbetreuungsko-sten vom Vorliegen bestimmter persönlicher Anspruchsvorausset-zungen (Erwerbstätigkeit, Ausbildung, längerfristige Erkrankungu.ä.) abhängig zu machen. Bei der Auswahl der maßgeblichenGründe kommt dem Gesetzgeber ein Typisierungsspielraum zu,den er mit §§ 4 f, 9 Abs. 5 Satz 1 und 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG i. d. F.des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Be-schäftigung vom 26. April 2006 (BGBl I 2006, 1091) noch nichtüberschritten hat.

2. Die in diesen Vorschriften enthaltene Beschränkung des Ab-zugs erwerbsbedingter und privater Kinderbetreuungskosten aufzwei Drittel der Aufwendungen und einen Höchstbetrag von4.000 Euro je Kind verstößt nicht gegen das Grundgesetz.3. Eine Schwangerschaft stellt als solche keine Krankheit dar undberechtigt daher nicht zum Abzug privater Kinderbetreuungskosten.4. Die Beschränkung der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 33 EStGauf Arbeitnehmer verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.BFH, Urt. v. 5.7.2012 – III R 80/09

Anmerkung der Redaktion:Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit dem Urteil entschieden, dassdie Kosten einer Tagesmutter nicht steuerlich geltend gemachtwerden können, wenn ein Elternteil erwerbstätig und der andereElternteil schwanger ist. Denn eine Schwangerschaft als solchestellt nach Auffassung des BFH keine Krankheit im Sinne des Ge-setzes dar. Der Kläger war als selbständiger Rechtsanwalt be-rufstätig. Die Klägerin befand sich zunächst in der Berufsausbil-dung, die sie nach der Geburt ihres ersten Kindes im Jahre 2004unterbrach und die sie auch im Laufe des Streitjahres 2006 nichtwieder aufnahm. Das ältere Kind wurde unter anderem in der Zeitder Schwangerschaft von einer Tagesmutter betreut. Die Kostenhierfür machten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärunggeltend.Im Streitjahr 2006 konnten derartige Kinderbetreuungskosten ge-mäß § 10 Abs. 1 Nr. 8 Einkommensteuergesetz (EStG) nur beiVorliegen besonderer persönlicher Abzugsvoraussetzungen steu-erlich berücksichtigt werden. Lebten beide Elternteile zusammen,dann musste, wenn einer der Elternteile, wie der Kläger, erwerbs-tätig war, der andere Teil entweder ebenfalls erwerbstätig seinoder sich in Ausbildung befinden. Auch bei einer mindestens dreiMonate andauernden Erkrankung oder einer Behinderung diesesElternteils war der Abzug der Betreuungskosten zulässig. Lagensolche Gründe nicht vor, etwa weil sich ein Elternteil allein der Er-ziehung der Kinder widmete (sog. Alleinverdienerehe), dann wa-ren Betreuungskosten – von einer Ausnahmeregelung in § 10Abs. 1 Nr. 5 EStG abgesehen – nicht abziehbar.Der BFH sah – in seiner sehr formalistischen und wenig familien-freundlichen Entscheidung – im Ergebnis die persönlichen Ab-zugsvoraussetzungen nicht als erfüllt an. Die von den Klägern ge-äußerten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit dereinschränkenden Abzugsvoraussetzungen ließ der BFH nicht gel-ten, der sonst durchaus nach Art. 100 GG Vorschriften dem Bun-desverfassungsgericht als verfassungswidrig vorlegt. Der BFH er-achtete sowohl die persönlichen Abzugsvoraussetzungen alsauch die Abzugshöchstgrenzen als zulässige Typisierungen desGesetzgebers. Auch in der Regelung des § 3 Nr. 33 EStG, nachder finanzielle Leistungen des Arbeitgebers zur Betreuung vonKindern seiner Arbeitnehmer steuerfrei sind, sah er keine unge-rechtfertigte Privilegierung von Arbeitnehmern gegenüber Selbst-ändigen. Seit 2012 können – wie der BFH in einer Pressemittei-lung betont – Kinderbetreuungskosten abgezogen werden, ohnedass persönliche Abzugsvoraussetzungen bei den Eltern vorlie-gen müssen.

Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de(AnwBl Online 2013, 2).

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Tätigkeitsgebot für Gesellschafterin Anwalts-GmbHBRAO § 59 e Abs. 1 Satz 2

1. Das Tätigkeitsgebot des § 59 e Absatz 1 Satz 2 BRAO verlangteine Erbringung der Leistungen in der und für die Rechtsanwalts-gesellschaft selbst.

2. Ein Verstoß gegen das Tätigkeitsgebot durch den sozietätsfähi-gen Nicht-Rechtsanwalts-Gesellschafter führt nicht ohne weitereszur Unwirksamkeit des Gesellschaftervertrages oder dazu, dass ernicht Gesellschafter geworden ist.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.12.2011 – I-6 U 155/11 und 6 U 155/11

Sachverhalt: Die Parteien streiten vor dem Hintergrund imJahre 2010 aufgekommener Spannungen innerhalb der„A-Gruppe“ über die Wirksamkeit von Beschlüssen, die inder Gesellschafterversammlung der A-RA-GbR am 17. Juni2010 und gleichlautend im Anschluss in der Gesellschafter-versammlung der B-RA-GmbH gefasst worden sind.

Die Kläger und die Beklagten zu 1) bis 4) sowie 7) bis 10)sind Gesellschafter der A-RA-GbR, die (vormaligen) Beklag-ten zu 5) und 6) waren es bis zum 31. Dezember 2009, läng-stens aber bis zum 31. Dezember 2010. Die A-RA-GbR istMehrheitsgesellschafterin der mittlerweile als B-RA-GmbH(neu) firmierenden B-RA-GmbH, der Beklagten zu 2).

Die Kläger haben die Ansicht vertreten, die angegriffenenBeschlüsse der Gesellschafterversammlungen der A-RA-GbRund der B-RA-GmbH seien unwirksam. Sie, die Kläger, seiennicht vom Stimmrecht ausgeschlossen gewesen, sodass ihreStimmen zu berücksichtigen gewesen seien. Bei Einbezie-hung ihrer Stimmen sei das im Gesellschaftsvertrag verein-barte Mehrheitserfordernis von 75 % der abgegebenen Stim-men nicht erreicht worden. Das Stimmrecht einesGesellschafters bestehe auch dann, wenn er keine beruflicheTätigkeit in der Rechtsanwaltsgesellschaft ausübe. Im Übri-gen sei gesetzliche Folge der fehlenden Tätigkeit nicht dasRuhen des Stimmrechts, sondern gegebenenfalls der Wider-ruf der Zulassung. § 59 e BRAO besage außerdem nicht,dass nicht ein Quorum von 75 % verlangt werden könne,auch wenn ein solches von den Rechtsanwälten nicht alleinezu erreichen sei. Es müsse nur sichergestellt sein, dass keineBeschlüsse gegen den einheitlichen Willen der Rechts-anwälte gefasst werden können.

Aus der Nichtigkeit der Beschlüsse folge, dass auch dieStimmabgaben der Beklagten zu 1), 8), 9) und 10) als Vertreterder A-RA-GbR in der im Anschluss abgehaltenen Gesellschaf-terversammlung der B-RA-GmbH rechtswidrig gewesen seien.Aus den Gründen: 3. In der Sache hat die Berufung keinenErfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.Die am 17. Juni 2010 gefassten Beschlüsse der Gesellschaf-terversammlungen der A-RA-GbR sind nicht unwirksam; dieim Anschluss erfolgte Beschlussfassung in der Gesellschaf-terversammlung der B-RA-GmbH ist dementsprechend nichtunter Verstoß gegen die Satzung und gesellschaftsvertragli-che Treuepflichten erfolgt.

a) Nach § 59 c Abs. 1 BRAO können (nur) Gesellschaftenmit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstanddie Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten ist,als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassen werden. Weder fal-len Anwaltssozietäten in der Rechtsform der Gesellschaftbürgerlichen Rechts oder Partnerschaften unter diese Vor-schrift, noch regelt sie die Zulassung anderer Gesellschafts-

formen. Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaftkönnen gemäß § 59 e Abs. 1 BRAO zwar nur Rechtsanwälteund Angehörige der in § 59 a Abs. 1 BRAO genannten Berufesein. Außer Streit steht aber, dass sich Angehörige der in§ 59 a Abs. 1 Satz 1 BRAO genannten Berufsgruppen jeden-falls dann auch in gesamthänderischer Bindung als BGB-Ge-sellschafter an einer Rechtsanwaltsgesellschaft beteiligenkönnen, wenn die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ihrerseitsso ausgestaltet ist, dass den an die Rechtsanwaltsgesellschaftgestellten berufsrechtlichen Anforderungen Genüge getanist (so auch Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Auflage 2008, § 59 cRn. 1 und § 59 e Rn. 1 und für § 52 e PatAO BGH, Urt. v. 9.Juli 2001 – PatAnwZ 1/00, BGHZ 148, 270 ff. = DB 2001,1876 ff.). Entscheidend dabei ist, ob die in gesamthänderi-scher Verbundenheit in der Gestalt der BGB-Gesellschaft inErscheinung tretenden Personen ausschließlich Angehörigeder (in § 52 e Abs. 1 PatAO) genannten Berufsgruppen sindund ob das entscheidende Gewicht bei der Willensbildungder GmbH den (Patent)Anwälten zukommt, deren Anteils-und Stimmenmehrheit also gesichert ist (BGH aaO).

Für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgesellschaften unddie Regelung in § 59 e BRAO, die derjenigen in § 52 e PatAOentspricht, gilt nach der Ansicht des Senats nichts anderes.

Gemessen an den sich daraus ergebenden Anforderun-gen ist die von den Parteien geschaffene rechtliche Konstruk-tion der mehrheitlichen Beteiligung der A-RA-GbR an derB-RA-GmbH weder „unproblematisch“, noch hat das Land-gericht Derartiges festgestellt, wie die Kläger eingangs ihrerBerufungsbegründung ausführen. Nach dem vom Land-gericht festgestellten Sachverhalt sind die Vorgaben in § 59 eAbs. 1 Satz 2 und Abs. 3 BRAO nicht hinreichend gewahrtworden, weil zum einen die Kläger in der Rechtsanwalts-gesellschaft nicht beruflich tätig gewesen sind und es zumanderen an der vom Gesetz geforderten Leitungsmacht derRechtsanwälte fehlt.

b) Die Kläger sind als Wirtschaftsprüfer und Steuerbera-ter grundsätzlich sozietätsfähig im Sinne von § 59 e Abs. 1Satz 1 i. V. m. § 59 a Abs. 1 Satz 1 BRAO.

Nach § 59 e Abs. 1 Satz 2 BRAO müssen die Gesellschaf-ter in der Rechtsanwaltsgesellschaft aber auch beruflich tätigsein. Hieran fehlt es. Das Vorbringen der Kläger füllt den Be-griff des „beruflich tätig sein“ in der Rechtsanwaltsgesell-schaft nicht aus.

Der Gesetzgeber hat eine Festlegung des Umfangs der„beruflichen Tätigkeit“ bewusst unterlassen (vgl. die amtlicheBegründung zu § 59 e BRAO, BT-Drucksache 13/9820, dortSeite 14), aber deutlich gemacht, dass ein „Mindestmaß anberuflichen Aktivitäten“ gegeben sein müsse. Eine aner-kannte Definition des Begriffs ist bislang – soweit ersichtlich– weder in der Rechtsprechung noch in der (Kommentar)Li-teratur entwickelt worden. Einigkeit besteht allerdingsdarüber, dass es einer am jeweiligen Einzelfall orientiertenBeurteilung bedarf (vgl. etwa Hartung/Römermann, Anwalt-liche Berufsordnung, 3. Auflage 2006, § 59 e Rn. 15 undHenssler/Prütting, BRAO, 2. Auflage 2004, § 59 e Rn. 12–14m.N.), sowie darüber, dass das Tätigkeitsgebot nicht nur fürdie Rechtsanwälte, sondern auch für die Angehörigen derübrigen Berufe gilt (Römermann aaO Rn. 14 und HenssleraaO Rn. 12).

Anhaltspunkte für ein gesetzeskonformes Verständnisdes Begriffs bietet in erster Linie die Gesetzesbegründung,nach welcher die Rechtsanwaltsgesellschaft als Berufs-ausübungsgesellschaft konzipiert worden ist (amtliche

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Begründung aaO). Einleitend heißt es in der amtlichen Be-gründung zu § 59 e BRAO, dass die Rechtsanwaltsgesell-schaft eine Organisationsform zur gemeinschaftlichenrechtsbesorgenden Tätigkeit bildet. Danach ist nicht alleinder Umfang der Tätigkeit des Gesellschafters entscheidend,vielmehr kommt es maßgeblich auf den Inhalt der Tätigkeitan, mithin darauf, ob der Gesellschafter (aa) rechtsberatendeTätigkeiten (bb) für die Rechtsanwaltsgesellschaft erbringt.

(aa) Selbst bei Zugrundelegung eines weiten Verständnis-ses der rechtsberatenden Tätigkeit haben die Kläger derartigeTätigkeiten nicht ausgeübt. Zwar ist den Klägern, die sich in-soweit u.a. auf die Ansicht von Henssler (aaO) stützen, darinzuzustimmen, dass aus der Pflicht zur aktiven Mitarbeitnicht folgt, dass jeder Gesellschafter die gesamte Palette dervon der Gesellschaft angebotenen Leistungen erbringenmuss. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift muss aber auchdie geringfügige Betätigung zumindest über einen Bezugzum Unternehmensgegenstand der Rechtsanwaltsgesell-schaft – Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiteneinschließlich der Beratung und Vertretung in steuerrecht-lichen Angelegenheiten – verfügen.

Der Gesetzgeber hatte nicht – wie die Kläger meinen –„irgendwelche“, sondern eindeutig „rechtsberatende Tätigkei-ten“ im Blick, die Angehörige eines sozietätsfähigen Berufsebenfalls – wenngleich in eingeschränktem Umfang – au-süben dürfen (vgl. die amtliche Begründung zu § 59 e BRAO,BT-Drucksache 13/9820, dort Seite 14). Auch in der Entschei-dung des Bundesgerichtshofs vom 9. Dezember 2010 (IX ZR44/10, NJW 2011, 2301 – 2303) kommt ein dem des Senatsähnliches Verständnis zum Ausdruck, soweit dort ausgeführtwird, dass die Sozietätsfreiheit der Angehörigen rechtsbera-tender Berufe das Recht zur typischen Betätigung einschlie-ßen müsse, wozu insbesondere der Abschluss und dieErfüllung von Verträgen über rechtsberatende und rechts-betreuende Dienstleistungen gehöre, wobei die Erbringungallgemeiner Rechtsdienstleistungen durch § 59 a Abs. 1Satz 1 BRAO, Art. 1 § 3 Nr. 2, § 5 Nr. 2 RBerG und § 5 RDGden Gesellschaftern vorbehalten bleibe, die Anwälte seien(BGH aaO/juris Tz. 8).

Für die Erbringung rechtsberatender Tätigkeiten bietetder Vortrag der Kläger selbst im Zusammenhang mit ihrenAusführungen zu gemeinsam mit den Anwälten bearbeite-ten Mandaten keinen Anhaltspunkt.

(bb) Ob im Einzelfall auch nicht rechtsberatende oder-besorgende Tätigkeiten eines nichtanwaltlichen Gesellschaf-ters ausreichen können, bedarf keiner abschließenden Ent-scheidung des Senats. Selbst wenn nämlich die von denKlägern genannten Beispiele, also Vortragstätigkeiten, Veröf-fentlichungen oder akquisitorische wie auch geschäftsfüh-rende Tätigkeiten, den Begriff des „beruflich tätig sein“ aus-füllen könnten, wäre dies allein nicht ausreichend. Aus demTätigkeitsgebot in § 59De Abs. 1 Satz 2 BRAO folgt deswei-teren, dass diese Leistungen zusätzlich in der und für dieRechtsanwaltsgesellschaft erbracht werden müssen.

Anmerkung der Redaktion:Die Revision vor dem BGH (II ZR 38/12) gegen das Urteil ist nacheinem Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichts-hofes in der Juni-Datenbank zurückgenommen worden. DasUrteil bespricht Kleine-Cosack in diesem Heft (AnwBl 2013, 11).

Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de(AnwBl Online 2013, 7).

AnwaltshaftungAnwaltshaftung

Keine Delegation der Mandats-bearbeitung auf KanzleikraftZPO § 233

Die Klärung der Frage, ob gegen ein Urteil Berufung eingelegtwerden soll, darf der Rechtsanwalt grundsätzlich nicht allein ei-nem Telefongespräch einer Kanzleikraft überlassen.

BGH, Beschl. v. 2.10.2012 – VI ZB 71/11

Aus den Gründen: [1] I. Der Kläger nimmt die Beklagten aufSchadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch. MitUrteil vom 7. Juli 2011 hat das Amtsgericht die Beklagtenunter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, als Gesamt-schuldner an den Kläger 1.816,16 Euro nebst Zinsen zuzahlen und den Kläger gegenüber seinem Prozessbevoll-mächtigten von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten frei-zustellen. Dieses Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigtender Beklagten am 15. Juli 2011 zugestellt. Dieser hat miteinem am 29. August 2011 beim Berufungsgericht eingegan-genen Schriftsatz Berufung eingelegt und gleichzeitig Wie-dereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Be-gründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat er vorgetragenund glaubhaft gemacht:

[2] Nachdem er die Empfehlung abgegeben habe, Beru-fung gegen das erstinstanzliche Urteil einzulegen, habe eineMitarbeiterin der Beklagten zu 2, des Haftpflichtversicherersder Beklagten zu 1, seiner Kanzleikraft, Frau J., fernmünd-lich mitgeteilt, es solle Berufung eingelegt werden.Irrtümlich habe Frau J., eine zuverlässige und langjährigeMitarbeiterin, wegen eines Missverständnisses in einem Ak-tenvermerk niedergelegt, es solle keine Berufung eingelegtwerden. Daraufhin habe er die zuvor korrekt auf den 15. Au-gust 2011 notierte Berufungsfrist gestrichen. Der Fehler seierst am 25. August 2011 anlässlich einer telefonischen Nach-frage seitens der Beklagten zu 2 aufgefallen.

[3] Das Landgericht hat mit Beschluss vom 20. Oktober2011 die begehrte Wiedereinsetzung versagt und die Beru-fung der Beklagten als unzulässig verworfen, weil diese dieBerufungsfrist nicht ohne Verschulden ihres Prozessbevoll-mächtigten versäumt hätten. Der Irrtum ihres Prozessbevoll-mächtigten sei nicht unverschuldet. Nachdem er selbst un-streitig die Empfehlung abgegeben gehabt habe, Berufungeinzulegen, habe er sich nicht auf die lediglich auf einem Te-lefonvermerk beruhende Mitteilung seiner Kanzleikraft ver-lassen dürfen, das Rechtsmittel solle nach dem Willen derBeklagten zu 2 dennoch nicht eingelegt werden. Vielmehrhätte er innerhalb der ursprünglich notierten Berufungsfristund vor deren Streichung Rücksprache mit der Beklagten zu2 halten müssen, um sich zu vergewissern, ob tatsächlich

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Anwaltsrecht AnwBl 1 / 2013 71

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keine Berufung eingelegt werden solle, zumal ihm keineschriftliche Erklärung der Beklagten zu 2 vorgelegen habe.

[4] II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerdeist nicht zulässig.

[5] 1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde er-fordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechungkeine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der an-gefochtene Beschluss verletzt die Beklagten weder in ihremverfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungs-vollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechts-staatsprinzip) noch deren Anspruch auf rechtliches Gehör(Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf einer Partei die Wiederein-setzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforde-rungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtig-ten versagt werden, die nach höchstrichterlicherRechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien denZugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumtenInstanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zurechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschlussvom 26. Juni 2012 – VI ZB 12/12, juris Rn. 5 mwN). Davonist im Streitfall jedoch nicht auszugehen.

[6] 2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hatdas Berufungsgericht den Beklagten eine Wiedereinsetzungin den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfristmit Recht versagt.

[7] a) Zwar darf der Rechtsanwalt einfache Verrichtungen,die keine besondere Geistesarbeit oder juristische Schulungverlangen, wie etwa Botengänge oder die Eintragung vorhervom Anwalt verfügter Fristen, zur selbständigen Erledigungauf sein geschultes und zuverlässiges Büropersonal übertra-gen (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 27. November 1990 – VIZB 22/90, NJW 1991, 1179; BGH, Beschluss vom 5. März 1991– XI ZB 1/91, NJW 1991, 2082). So liegt der Streitfall nicht.

[8] b) Hier ging es vielmehr um die Frage, ob gegen einUrteil entsprechend der Empfehlung des Prozessbevollmäch-tigten Berufung eingelegt werden sollte oder nicht. Die Klä-rung dieser Frage, die unmittelbar das Mandat betrifft, darfder Rechtsanwalt grundsätzlich nicht allein einem Telefon-gespräch einer Kanzleikraft überlassen. Denn diese Frage fällt– wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung mit Recht geltendmacht – in den originären Verantwortungsbereich des Rechts-anwalts, der sich insoweit nur auf eine schriftliche oder ihmselbst erteilte mündliche Weisung der Mandantschaft verlas-sen und ihm vorgelegte, nicht von der Partei autorisierte Tele-fonvermerke nicht ungeprüft übernehmen darf.

[9] 3. Nach alledem ist die Rechtsbeschwerde mit der Kos-tenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zu verwerfen.

Nicht jeder Fehler einesAnwalts führt zur HaftungBGB § 675 Abs. 1, § 249 Abs. 1 A, Bb

Geht ein Rechtsstreit wegen eines Anwaltsfehlers verloren, ist einSchadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt nicht gegeben,wenn das Ergebnis des Vorprozesses dem materiellen Recht ent-spricht.BGH, Urt. v. 25.10.2012 – IX ZR 207/11

Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de(AnwBl Online 2013, 18).

AnwaltsvergütungAnwaltsvergütung

Gegenstandswert bei Streit überWirksamkeit eines ProzessvergleichsZPO § 3

a) Der Wert eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit eines Pro-zessvergleichs bestimmt sich grundsätzlich nicht nach dem Wertdes Vergleichs, sondern nach dem Wert der ursprünglich gestell-ten Anträge.

b) Das (den Wert des ursprünglichen Rechtsstreits übersteigen-de) Interesse an der Wirksamkeit des Vergleichs oder der Wertdes Vergleichs ist nur maßgeblich, wenn neben der Fortsetzungdes ursprünglichen Rechtsstreits nach § 256 Abs. 2 ZPO auch dieFeststellung der Wirksamkeit des Vergleichs beantragt worden ist.

BGH, Beschl. v. 19.9.2012 – V ZB 56/12

Aus den Gründen: [1] Die Beschwerde der Beklagten hat kei-nen Erfolg.

[2] 1. Sie ist allerdings als Gegenvorstellung statthaft. Ge-gen die Festsetzung des Gegenstandswerts des Rechts-beschwerdeverfahrens durch den Bundesgerichtshof findetnach § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG zwar keineBeschwerde statt. Statthaft ist aber die Gegenvorstellung,wenn, wie hier, der Gegenstandswert nach § 63 Abs. 3 GKGauch von Amts wegen geändert werden könnte (BGH, Be-schluss vom 29. Juni 2011, XII ZB 113/11, FamFR 2011, 423= juris Rn. 3). Als solche ist die eingelegte Beschwerde aus-zulegen.

[3] 2. Sie ist indes unbegründet.[4] Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfah-

rens ist zutreffend festgesetzt. Ein Grund, ihn höher anset-zen als den Wert des erledigten Rechtsstreits, besteht nicht.Er ergibt sich auch nicht daraus, dass der vor dem Amts-gericht geschlossene Vergleich einen beträchtlichen Mehr-wert hat.

[5] a) Der Wert eines Rechtsstreits über die Wirksamkeiteines Prozessvergleichs bestimmt sich grundsätzlich nichtnach dem Wert des Vergleichs, sondern nach dem Wert derursprünglich gestellten Anträge (Senat, Beschluss vom 8. Fe-bruar 2007 – V ZR 160/06, RVG-Report 2007, 158 [Ls.] = ju-ris; BGH, Beschluss vom 30. September 1964, I b ZR 215/62,KostRsp. ZPO § 3 Nr. 119; LAG Düsseldorf, MDR 2000,1099; Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl., § 3 Rn. 32 StichwortProzessvergleich; Prütting/Gehrlein/Gehle, ZPO, 4. Aufl., § 3Rn. 224; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 3 Rn. 68 Stich-wort Vergleich [Wert bei Fortsetzung des Verfahrens]; wohlauch: Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 3 Rn. 16 StichwortVergleich; offengelassen in BGH, Beschluss vom 14. Februar2007 – XII ZB 52/03, FamRZ 2007, 630). Etwas anderes giltnur, wenn die Anfechtung des Vergleichs den Rechtsstreitnicht auf den ursprünglichen Streitstand zurückführt, son-dern einen bereits erzielten Teilerfolg bestehen lässt. Dannkommt es auf das noch verbleibende Interesse an (Senat, Be-schluss vom 8. Februar 2007 – V ZR 160/06, RVG-Report2007, 158 [Ls.] = juris). Das (den Wert des ursprünglichenRechtsstreits übersteigende) Interesse an der Wirksamkeitdes Vergleichs (für dessen Relevanz: OLG Saarbrücken, JurB-üro 1990, 97; OLG Bamberg, JurBüro 1998, 541; OLG Frank-furt/Main, OLGR 2004, 122) oder der Wert des Vergleichs(so: MünchKomm-ZPO/Wöstmann, 3. Aufl., § 3 Rn. 127) istnur maßgeblich, wenn neben der Fortsetzung des ur-

72 AnwBl 1 / 2013 Anwaltsvergütung

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sprünglichen Rechtsstreits nach § 256 Abs. 2 ZPO auch dieFeststellung der Wirksamkeit des Vergleichs beantragt wird.

[6] b) Hier hing der Ausgang des nach der Anfechtungdes Vergleichs fortgesetzten Rechtsstreits zwar inhaltlich vonder Frage ab, ob der Vergleich wirksam ist. Gegenstand desfortgesetzten Rechtsstreits war aber nicht ein Antrag aufFeststellung der Wirksamkeit des Vergleichs, sondern einAntrag auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreitsdurch den Vergleich. Dessen Wert bestimmt sich nicht nachdem Wert des Vergleichs, sondern nach dem Wert des erle-digten Rechtsstreits. Daran orientiert sich die Wertfestset-zung durch den Senat.

[7] c) Der Wert erhöht sich auch nicht deshalb, weil derKläger in der Berufungsbegründung beantragt hat festzustel-len, dass der Vergleich unwirksam ist. Bei diesem Antraghandelte es sich um einen Hilfsantrag, der nach § 47 Abs. 1Satz 1, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG zu einer Erhöhung des Ge-genstandswerts nur führt, soweit eine Entscheidung überihn ergeht. Daran fehlt es. Das Berufungsgericht hat mit derVerwerfung der Berufung allein die Entscheidung des Amts-gerichts bestätigt, welche nur die Erledigung des Ausgangs-rechtsstreits zum Gegenstand hat. Zu einer Entscheidungüber den Feststellungsantrag ist es auch im Rechtsbeschwer-deverfahren vor dem Senat nicht gekommen. Dessen Gegen-stand war nur die Frage, ob die Verwerfung der Berufungdurch das Berufungsgericht zu beanstanden ist. Auch damitist über den Hilfsantrag des Klägers, die Unwirksamkeit desVergleichs festzustellen, nicht entschieden.

Erst Genehmigung, dann Honorare anSozietät eines AufsichtsratsmitgliedsAktG §§ 113, 114, 120 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 131 Abs. 1 Satz 1, §§ 161, 243Abs. 1

Der Vorstand einer Aktiengesellschaft handelt jedenfalls im Regel-fall rechtswidrig, wenn er an ein Aufsichtsratsmitglied eine Ver-gütung zahlt, obwohl der Aufsichtsrat dem zugrunde liegendenBeratungsvertrag noch nicht nach § 114 Abs. 1 AktG zugestimmthat.BGH, Urt. v. 10.7.2012 – II ZR 48/11

Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de(AnwBl Online 2013, 23).

Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde:Ein BGH-Anwalt reichtZPO § 91; RVG § 19; RVG VV Nr. 3403

Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist die Einzeltätigkeiteines beim Bundesgerichtshof nicht zugelassenen Rechtsanwaltsgrundsätzlich nicht erstattungsfähig, wenn auch ein beim Bun-desgerichtshof zugelassener Verfahrensbevollmächtigter bestelltwird.BGH, Beschl. v. 10.7.2012 – VI ZB 7/12

Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de(AnwBl Online 2013, 27).

Unterbringung und freiheitsentziehendeMaßnahme zwei AngelegenheitenBGB §§ 1835 Abs. 3, 1906; FamFG §§ 277, 312, 317, 318; RVG § 15 Abs. 2 Satz 1

Hat das Betreuungsgericht den anwaltlichen Verfahrenspfleger ineinem Verfahren über die Genehmigung einer Unterbringungnach § 1906 Abs. 1 bis 3 BGB einerseits und einer freiheitsentzie-henden Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB andererseits bestellt,kann er beide Tätigkeiten jeweils nach Nr. 6300 VV RVG abrech-nen; es handelt sich insoweit nicht um dieselbe Angelegenheit imSinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG.BGH, Beschl. v. 12.9.2012 – XII ZB 543/11

Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de(AnwBl Online 2013, 30).

Selbstständiges Beweisverfahren:Verfahrensgebühren beim GegnerVorbem. 3 Abs. 2; Nrn. 3100, 3101 Ziff. 1 VV-RVG

1. Auch im selbstständigen Beweisverfahren ist grundsätzlich dieHinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Antragsgegner zurzweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich, sodass des-sen gesetzliche Gebühren und Auslagen bei Vorliegen einer ent-sprechenden Kostengrundentscheidung vom Antragsteller zu er-statten sind.

2. Endet der Auftrag des für den Antragsgegner tätigen Rechtsan-walts, ohne dass dieser einen Schriftsatz eingereicht hat, der ei-nen Gegenantrag oder Sachvortrag enthält, so entsteht für ihn,wenn er das Geschäft in irgendeiner Weise – etwa durch die Be-schaffung von Informationen – bereits betrieben hat, nur eine re-duzierte 0,8 Verfahrensgebühr nach der Nr. 3101 Ziff. 1 VV-RVG.

3. Zusätzlich fällt für den Rechtsanwalt des Antragsgegners eine1,3 Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert an, wenn er im Falleeiner Rücknahme des Antrags auf Durchführung des selbstständi-gen Beweisverfahrens einen Kostenantrag gestellt hat.OLG München, 11. Zivilsenat, Beschl. v. 20.9.2012 – 11 W 1667/12

Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de(AnwBl Online 2013, 32).

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Anwaltsvergütung AnwBl 1 / 2013 73

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ProzessrechtProzessrecht

Hinweispflicht des Berufungsgericht beiRechtsänderungGG Art. 103 Abs. 1; GmbHG § 19 Abs. 4 nF

a) Tritt im Laufe eines Rechtsstreits eine Gesetzesänderung inKraft, die sofortige Wirksamkeit entfaltet, gebieten es die Grund-sätze des fairen Verfahrens und die Fürsorgepflicht des Gerichts,dass es der erstinstanzlich erfolgreichen Partei rechtzeitig einenHinweis darauf erteilt, dass es die Rechtslage anders beurteilt alsdas erstinstanzliche Gericht. Dies gilt auch dann, wenn der Pro-zessgegner der anwaltlich vertretenen Partei auf Schlüssigkeitsbe-denken hingewiesen hat, für das Gericht aber offen zu Tage tritt,dass der Hinweis nicht richtig verstanden wurde.b) Zahlt der Gesellschafter den Einlagebetrag (hier: aus einer Ka-pitalerhöhung) nach Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlussesein zweites Mal an die Gesellschaft verbunden mit der Anwei-sung, die Zahlung an ihn zur Tilgung seiner Bereicherungsforde-rung aus einem ersten, fehlgeschlagenen Erfüllungsversuch zu-rück zu überweisen, liegt darin eine verdeckte Sacheinlage inForm des Hin- und Herzahlens.BGH, Beschl. v. 10.7.2012 – II ZR 212/10

Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de(AnwBl Online 2013, 35).

KapMuG: Keine volle Zulässigkeitsprü-fung der Rechtsbeschwerde vor MitteilungZPO § 522 Abs. 1 Satz 1; § 552 Abs. 1 Satz 1, § 575, § 577 Abs. 1 Satz 1

a) Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 KapMuG hat das Rechtsbeschwerdege-richt den Beigeladenen den Eingang einer Rechtsbeschwerde ge-gen einen Musterentscheid mitzuteilen, wenn diese an sich statt-haft ist und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt wurde.Dies setzt nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Vor-schrift sowie deren Sinn und Zweck lediglich voraus, dass diekraft Gesetzes zugelassene Rechtsbeschwerde gegen den Muster-entscheid von einem beschwerdeberechtigten Beteiligten des Mu-sterverfahrens in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt wurdeund der Rechtsbeschwerdeführer auch beschwert ist.b) Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen müssen hingegen vorVornahme der Mitteilung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 KapMuG nichtgegeben sein. Vor allem muss der Eingang der Rechtsbeschwerde-begründung nicht abgewartet werden, um die Mitteilung veranlas-sen zu können.BGH, Beschl. v. 2.10.2012 – XI ZB 12/12

Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de(AnwBl Online 2012, 329).

KapMuG: Keine Rechtskraftdes AussetzungsbeschlussesKapMuG § 7 Abs. 1

Ist ein Rechtsstreit entgegen § 7 Abs. 1 KapMuG ausgesetzt wor-den, können die Parteien jederzeit dessen Fortsetzung verlangen,auch wenn sie zuvor gegen den Aussetzungsbeschluss keinRechtsmittel eingelegt haben.BGH, Beschl. v. 11.9.2012 – XI ZB 32/11

Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de(AnwBl Online 2013, 38).

RechtsdienstleistungsgesetzRechtsdienstleistungsgesetz

Autovermieter darf mitHaftpflichtversicherern abrechnen IRDG § 5 Abs. 1

Ist die Haftung des Unfallverursachers bzw. seines Haftpflichtver-sicherers dem Grunde nach unstreitig, ist der Einzug der Forde-rung des Geschädigten auf Erstattung der Mietwagenkosten durchdas Mietwagenunternehmen als Nebenleistung gemäß § 5 Abs. 1RDG erlaubt (Bestätigung des Senatsurteils vom 31. Januar 2012– VI ZR 143/11, VersR 2012, 458).

BGH, Urt. v. 11.9.2012 – VI ZR 296/11

Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de(AnwBl Online 2013, 40).

Autovermieter darf mitHaftpflichtversicherer abrechnen IIRDG § 5 Abs. 1

Zur Wirksamkeit der Abtretung eines Schadensersatzanspruchsauf Erstattung der Mietwagenkosten an den Autovermieter, wenndie Abtretung vor und die Rechtsdienstleistung nach Inkrafttretendes Rechtsdienstleistungsgesetzes erfolgt.

BGH, Urt. v. 11.9.2012 – VI ZR 297/11

Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de(AnwBl Online 2012, 42).

Forderungseinziehung alsHaupt- oder Nebenleistung?RDG § 2 Abs. 2, § 5 Abs. 1

a) Ob eine Forderung zum Zweck der Einziehung auf fremdeRechnung abgetreten wird, hängt davon ab, ob das wirtschaftlicheErgebnis der Einziehung dem Abtretenden zukommen soll.

b) Zur Frage, ob eine Forderungseinziehung als eigenständigesGeschäft oder als Nebenleistung im Zusammenhang mit eineranderen Tätigkeit anzusehen ist.

BGH, Urt. v. 30.10.2012 – XI ZR 324/11

Sachverhalt: [1] Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetre-tenem Recht auf Schadensersatz im Zusammenhang mit derZeichnung einer Beteiligung an einem Filmfonds in An-spruch.

[2] Der Zedent erwarb am 31. Oktober 2003 nach Gesprä-chen mit einem Mitarbeiter der Beklagten eine Beteiligungan der N GmbH & Co. KG in Höhe von 10.000 Euro zuzü-glich 5 % Agio. Am 17./20. November 2009 schloss er mitder Klägerin eine als „Abtretungsvertrag über Schadens-ersatzansprüche/Forderungsverkauf“ bezeichnete Verein-barung, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

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74 AnwBl 1 / 2013

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„... § 2Kauf

Der Verkäufer/Abtretende verkauft an den Käufer / Abtretungsempfän-ger die in § 1 bezeichnete Forderungen und tritt diese hiermit an dendies annehmenden Käufer / Abtretungsempfänger ab.

§ 3Kaufpreis /Zahlung

Als Kaufpreis vereinbaren die Parteien einen Betrag in Höhe von 50 %bei einem Vergleich bis 50 %, 60 % bei einem Vergleich ab 51 % beider außergerichtlichen oder gerichtlichen Geltendmachung der in § 1bezeichneten Forderungen erzielten Schadensersatzleistungen (erhal-tener Betrag abzüglich entstandener Anwalts- und Gerichtskosten fürdie außergerichtliche und/oder gerichtliche Geltendmachung).Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Zahlungsbeträge, diedurch die außergerichtliche und/oder gerichtliche Geltendmachung be-zahlt werden, ausschließlich auf das Konto des Käufers /Abtretungs-empfängers fließen.Der Kaufpreis ist nach Eingang der Schadensersatzsumme /Forderungauf dem Konto des Käufers binnen 4 Wochen fällig und zahlbar aufdas vom Verkäufer angegebene Konto.

§ 4Abtretung/Unterstützung des Käufers

In Erfüllung dieses Kaufvertrages tritt der Abtretende / Verkäufer hier-mit dem dies annehmenden Abtretungsempfänger / Käufer die in § 1bezeichnete Forderungen ab....“

[3] Geschäftsgegenstand der Klägerin ist ausweislich desHandelsregisters „die Unterstützung geschädigter Kapital-anleger durch Bündelung von Interessen mit Ausnahme vonRechtsberatungsleistungen, die Informationsbeschaffung,die Unterstützung bei der Durchsetzung berechtigter An-sprüche einschließlich der Übernahme und Verwertung vonFondsanteilen und alle hiermit zusammenhängenden Tätig-keiten“. Über eine Registrierung nach § 10 RDG verfügt dieKlägerin nicht. Neben dem Zedenten traten noch zahlreicheweitere Anleger etwaige Ansprüche an die Klägerin ab.

[4] Die Klage auf Zahlung von 11.819,19 Euro nebst Zin-sen, Zug-um-Zug gegen Abtretung der Beteiligungsrechteund auf Feststellung des Annahmeverzugs sowie der Ersatz-pflicht für weitere steuerliche und wirtschaftliche Nachteileist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Be-rufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerinihre Klageanträge weiter.

Aus den Gründen: [20] 2. Rechtsfehlerhaft ist hingegen dieBegründung, mit der das Berufungsgericht das Vorliegen ei-ner Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderenTätigkeit nach § 5 Abs. 1 RDG verneint hat und damit, wennauch nicht ausdrücklich, von einem eigenständigen Geschäftgem. § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG ausgegangen ist.

[21] a) Ein eigenständiges Geschäft im Sinne von § 2Abs. 2 Satz 1 RDG liegt vor, wenn die Forderungseinziehunginnerhalb einer ständigen haupt- oder nebenberuflichen In-kassotätigkeit oder außerhalb einer solchen nicht lediglichals Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen be-ruflichen Tätigkeit erfolgt (BT-Drucks. 16/3655, S. 49; Grune-wald/Römermann, RDG, § 2 Rn. 100; Lettl, WM 2008, 2233,2234; Mann, ZIP 2011, 2393, 2396; Offermann-Burckart inKrenzler, Rechtsdienstleistungsgesetz, § 2 Rn. 126).

[22] Da im vorliegenden Fall eine ständige haupt- oder ne-benberufliche Inkassotätigkeit der Klägerin nicht in Redesteht, kommt es allein darauf an, ob die Forderungseinzie-hung durch die Klägerin lediglich als Nebenleistung im Zu-sammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erfolgt.Für die Abgrenzung zu einer Hauptleistung sind auch imRahmen des eigenständigen Geschäfts nach § 2 Abs. 2 Satz 1

RDG die in § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG genannten Kriterien maß-geblich (Eggert, Verkehrsrecht aktuell 2010, 168, 169).

[23] b) Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung,ob lediglich eine Nebenleistung vorliegt, rechtsfehlerhaft al-leine auf den Zusammenhang der Forderungseinziehungdurch die Klägerin mit einer von ihr erbrachten Hauptleis-tung abgestellt und damit die gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 RDGweiter zu berücksichtigenden Kriterien (Inhalt und Umfangder Tätigkeit; Rechtskenntnisse, die für die Haupttätigkeit er-forderlich sind) nicht in den Blick genommen. Ferner hat esrechtsfehlerhaft angenommen, dass von einer Nebenleistungnur dann gesprochen werden könne, wenn diese mit einerHauptleistung in unmittelbarem Zusammenhang stehe. Wiedie Revision zu Recht ausführt, erfordert die Zulässigkeitvon Nebenleistungen nach § 5 Abs. 1 RDG – anders als nachArt. 1 § 5 RBerG (vgl. dazu BGH, Urteil vom 31. Januar 2012– VI ZR 143/11, WM 2012, 1082 Rn. 10) – keinen unmittel-baren, unlösbaren Zusammenhang mit der beruflichen Tä-tigkeit mehr; ausreichend ist vielmehr, dass die Rechtsdienst-leistungen zu der jeweiligen Haupttätigkeit gehören(BT-Drucks. 16/3655, S. 52). Der sachliche Zusammenhangmit der Haupttätigkeit setzt auch nicht voraus, dass dieHauptleistung ohne die Nebenleistung nicht mehr sachge-recht ausgeführt werden kann (BT-Drucks. 16/3655, S. 54;BGH, Urteil vom 4. November 2010 – I ZR 118/09, WM2011, 1772 Rn. 35). Die vom Berufungsgericht befürchteteUmgehung des RDG wird schon dadurch vermieden, dass –auch wenn § 5 RDG eine weitergehende Zulassung von Ne-benleistungen als Art. 1 § 5 RBerG ermöglichen soll (BGH,Urteil vom 4. November 2010 – I ZR 118/09, WM 2011, 1772Rn. 42; BT-Drucks. 16/3655, S. 38) – stets eine innere, inhalt-liche Verbindung zur Haupttätigkeit erforderlich ist, sodassrechtsdienstleistende Nebenleistungen nicht beliebig verein-bart werden können (BT-Drucks. 16/3655, S. 54), und dassdie Nebenleistung zudem nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG zumBerufs- oder Tätigkeitsbild gehören muss.

[24] III. Das Berufungsurteil stellt sich in dem vorstehend(unter II. 2.) genannten Punkt jedoch aus anderen Gründenals richtig dar (§ 561 ZPO), so dass die Revision letztlichzurückzuweisen ist.

[25] 1. Die Klägerin betreibt die Einziehung der Forde-rung auf Rechnung des Zedenten als eigenständiges und da-mit gem. § 3 RDG erlaubnispflichtiges Geschäft, weil sie dieForderung nach den in § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG genannten Kri-terien nicht lediglich als Nebenleistung im Zusammenhangmit einer anderen beruflichen Tätigkeit einzieht.

[26] a) Maßgeblich für die Einordnung der Forderungs-einziehung ist, ob die Rechtsdienstleistung nach der Ver-kehrsanschauung ein solches Gewicht innerhalb der Gesamt-leistung hat, dass nicht mehr von einer bloßenNebenleistung ausgegangen werden kann. § 5 RDG soll nurAnwendung finden, wenn die fragliche Rechtsdienstleistungselbst nicht wesentlicher Teil der Hauptleistung ist. DerSchwerpunkt der Tätigkeit muss – soweit es sich nicht umDienstleistungen von Angehörigen steuerberatender Berufeoder nach § 10 RDG registrierter Personen handelt – stetsauf nicht rechtlichem Gebiet liegen (vgl. BT-Drucks. 15/3655,S. 52 sowie BGH, Urteile vom 6. Oktober 2011 – I ZR 54/10,WM 2012, 356 Rn. 23 und vom 31. Januar 2012 – VI ZR143/11, WM 2012, 1082 Rn. 11). Entscheidend ist, ob dieRechtsdienstleistung innerhalb der Gesamtdienstleistung einsolches Gewicht hat, dass ihre Erbringung die Kompetenzeines Rechtsanwalts oder die besondere Sachkunde einer

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Rechtsp

rechung

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registrierten Person erfordert. Hierfür kann die zum RBerGentwickelte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (ins-besondere Urteile vom 11. November 2004 – I ZR 213/01,WM 2005, 412 und vom 24. Februar 2005 – I ZR 128/02,WM 2005, 1046) herangezogen werden (BT-Drucks. 16/3655,S. 52).

[27] b) Gemessen hieran erweist sich der Forderungsein-zug durch die Klägerin nicht lediglich als Nebenleistung.

[28] aa) Der Inhalt der rechtsdienstleistenden Tätigkeitwird maßgeblich durch die – objektiv zu beurteilende – Be-deutung der Rechtsfrage für den Rechtsuchenden bestimmt(BT-Drucks. 16/3655, S. 54). So wird bei der Schadensregulie-rung nach Verkehrsunfällen hinsichtlich der Einziehung vonKundenforderungen durch Vermieter von Ersatzfahrzeugendanach differenziert, ob die Schadensersatzforderung demGrunde oder lediglich der Höhe nach im Streit steht (BT-Drucks. 16/3655, S. 47; BGH, Urteile vom 31. Januar 2012 –VI ZR 143/11, WM 2012, 1082 Rn. 13 ff. und vom 11. Sep-tember 2012 – VI ZR 297/11, juris Rn. 16). Die Regulierungdem Grunde nach streitiger Schadensfälle ist keine nach § 5Abs. 1 RDG zulässige Nebenleistung der Vermieter von Er-satzfahrzeugen, weil die Klärung der Verschuldensfrage fürden Unfallgeschädigten von so essentieller Bedeutung ist,dass sie stets im Vordergrund steht (so auch Henssler/De-ckenbrock, EWiR 2012, 187, 188). Nichts anderes gilt für diedem Grunde nach streitige Schadensersatzforderung der Klä-gerin wegen angeblicher Pflichtverletzung der Beklagten auseinem zwischen ihr und dem Zedenten geschlossenen Anla-geberatungsvertrag. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin,der der Bezeichnung ihres Geschäftsgegenstandes im Han-delsregister entspricht, besteht ihre Haupttätigkeit lediglichdarin, geschädigte Kapitalanleger zu unterstützen, ihre Inte-ressen zu bündeln, Informationen zu beschaffen und für In-teressengemeinschaften geschädigter Kapitalanleger zu re-cherchieren. Vor diesem Hintergrund ist die Klärung desBestehens des behaupteten Schadensersatzanspruchs ge-genüber der beklagten Bank für den Zedenten von solcherBedeutung, dass sie, anders als die Revision meint, nicht nurvon untergeordneter Bedeutung und damit Nebenleistungist. Dies gilt umso mehr, als der Zedent nach der vertragli-chen Ausgestaltung nur bei erfolgreicher Geltendmachungder Forderung am Erlös beteiligt wird.

[29] bb) Auch die gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG zuberücksichtigenden Rechtskenntnisse, die für die Haupttätig-keit erforderlich sind, sprechen dagegen, die Forderungsein-ziehung als Nebenleistung anzusehen.

[30] (1) Das Tatbestandsmerkmal der beruflichen Qualifi-kation wirkt nach dem Willen des Gesetzgebers bei Berufen,die keine oder nur geringe rechtliche Kenntnisse erfordern,in erheblicher Weise einschränkend (BT-Drucks. 16/3655,S. 54). Je geringer – bei typisierender Betrachtung (vgl. BT-Drucks. 16/3655, S. 54) – die für die nicht rechtsdienstleis-tende Haupttätigkeit erforderlichen Rechtskenntnisse sind,umso kleiner ist die Befugnis zur Erbringung von Rechts-dienstnebenleistungen auf diesem Gebiet (vgl. Johnigk inGaier/Wolf/ Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 5 RDGRn. 23). Über die für die Haupttätigkeit erforderliche berufli-che Qualifikation wird so ein gewisser Mindestqualitätsstan-dard auch für die rechtliche Beratung als Nebenleistung ge-währleistet (vgl. Hirtz in Grunewald/Römermann, RDG, § 5Rn. 51; Kleine-Cosack, Rechtsdienstleistungsgesetz, 2. Aufl.,§ 5 Rn. 69; Krenzler, Rechtsdienstleistungsgesetz, § 5 Rn. 40;Unseld/Degen, Rechtsdienstleistungsgesetz, § 5 Rn. 18).

[31] (2) Nach dem revisionsrechtlich zu unterstellendenSachvortrag der Klägerin erbringt diese mit der Bündelungvon Interessen geschädigter Kapitalanleger, der Informati-onsbeschaffung und Recherche eine lediglich auf wirtschaft-lichem und organisatorischem Gebiet liegende Haupttätig-keit. Da für diese Tätigkeit bei der gebotenen objektivenBetrachtung keine nennenswerten Rechtskenntnisse erfor-derlich sind, ist die Möglichkeit, erlaubnisfrei über § 5 Abs. 1RDG annexe Rechtsdienstleistungen anzubieten, beschränktund umfasst nicht die streitgegenständliche Forderungsein-ziehung. Denn diese erfordert, auch wenn die Klägerin ih-rem Vortrag zufolge vor dem Erwerb einer Forderung derenBestand nicht prüft, eine solche Prüfung schon wegen desKostenrisikos einer erfolglosen Inanspruchnahme desSchuldners jedenfalls vor ihrer Geltendmachung. Hierzusind – nicht über die Haupttätigkeit der Klägerin vermittelte– vertiefte Rechtskenntnisse erforderlich.

Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de(AnwBl Online 2013, 45).

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Fotonachweis

Seiten M 1, M 4, M 6, M 32, 7, 10, 13, 15, 22, 24, 28, 31, 34, 45, 64, 68: privat;Seite M 36: Allen & Overy; Seiten 36–43: Franz Brück; Seiten 44, 56, 57, 62:Andreas Burkhardt/Berlin; Seite 59: IRZ-Stiftung, Bundesministerium derJustiz, Landesvertretung Hamburg; Seite 61: Foto Rechtnitz/Leipzig; Seite 65:Anna Knoll

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Herausgeber: Deutscher Anwaltverein e.V., Littenstr. 11, 10179 Berlin (Mitte),Tel. 0 30 / 7261 52-0, Fax: 030 /72 6152 -191, [email protected]: Dr. Nicolas Lührig (Leitung, v. i. S. d. P.), Udo Henke und ManfredAranowski, Rechtsanwälte, Anschrift des Herausgebers.Redaktionssekretariat: Steffi Köhn, Sandra Petzschner, Kristina WolfVerlag: Deutscher Anwaltverlag und Institut der Anwaltschaft GmbH,Wachsbleiche 7, 53111 Bonn, Tel. 0228 / 91911 -0, Fax: 02 28/ 919 11-23;[email protected], Konto: Sparkasse Bonn Kto.-Nr. 17 532 458,BLZ 380500 00.Anzeigen: ad sales & services, Ingrid A. Oestreich (v. i. S. d. P.), Pikarten-kamp 14, 22587 Hamburg, Tel. 0 40 / 8 6628467, Fax: 040 /8 6628 468,[email protected] Herstellung: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG,Marktweg 42–50, 47608 Geldern, Tel.: 02831/396-129, Fax: 02381/396-280,[email protected]: Monatlich zum Monatsanfang, bei einem Doppelheftfür August/September.Bezugspreis: Jährlich 140,– E (inkl. MwSt.) zzgl. Versandkosten, Einzelpreis14,50 E (inkl. MwSt.). Für Mitglieder des Deutschen Anwaltvereins ist derBezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten.Bestellungen: Über jede Buchhandlung und beim Verlag; Abbestellungenmüssen einen Monat vor Ablauf des Kalenderjahres beim Verlag vorliegen.Zuschriften: Für die Redaktion bestimmte Zuschriften sind nur an dieAdresse des Herausgebers zu richten. Honorare werden nur bei ausdrück-licher Vereinbarung gezahlt.Copyright: Alle Urheber-, Nutzungs- und Verlagsrechte sind vorbehalten.Das gilt auch für Bearbeitungen von gerichtlichen Entscheidungen und Leit-sätzen. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichenEinrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung ausdrücklich der Einwilligungdes Herausgebers.

ISSN 0171-7227. w

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KurzhinweiseKurzhinweise

ZPO … KommentiertesProzessformularbuch

Saenger/Ullrich/Siebert2. Aufl. Nomos Verlag,Baden-Baden 2012, 2494, geb.inkl. CD-ROM978-3-8329-7443-5128,00 Euro

Zwangsvollstreckung …Kommentiertes Prozess-formularbuch

Saenger/Ullrich/Siebert2. Aufl. Nomos Verlag,Baden-Baden 2012, 820 S.,brosch. inkl. CD-ROM978-3-8329-7741-288,00 Euro

AnwaltformulareFamilienrecht

Ulrike B�rger/Rainer Bosch/Hermann Heuschmidt5. Aufl. Deutscher Anwaltverlag,Bonn 2012, 718 S., geb inkl.CD-ROM978-3-8240-1188-9129,00 Euro

Arbeitsrecht

Ulrich Zirnbauer (Hrsg.)4. Aufl. C. H. Beck Verlag,M�nchen 2012, XLVII, 1054 S.,geb. M�nchener Prozessformu-larbuch, inkl. CD-ROM978-3-406-62946-4128,00 Euro

Handbuch Versicherungs-recht

Hubert van B�hren (Hrsg.)5. Aufl. Deutscher Anwaltverlag,Bonn 2012, 2978 S., geb.Anwaltspraxis978-3-8240-1196-4159,00 Euro

Ausl�nder- und Asylrecht

Reinhard Marx (Hrsg.)2. Aufl. Nomos Verlag,Baden-Baden 2012, 624 S.,geb. inkl. CD-ROM978-3-8329-7619-498,00 Euro

Familienrecht

Der Stichwortkommentar zum Famili-enrecht behandelt zeitnah Themen an-hand von 275 Stichworten und bietetdamit einen ordentlichen Überblick.Dank der Kommentierung verschiede-ner Einzelbegriffe schafft er es, auchauf solche Fragestellungen einzuge-hen, die sich nicht durch die Erläute-rung einer einzelnen Norm beantwor-ten lassen. Durch die Einbeziehungaktueller Rechtsprechung und durchVerweise zu anderen Oberbegriffen,bietet er eine ausführliche Darstellungdes materiellen Familienrechts, sowiedes Verfahrensrechts. Ein Buch fürPraktiker.

FamilienrechtMathias Grandel/Roland Stockmann

1. Aufl. Nomos Verlag,Baden-Baden 2012, 1800 S.,geb. Stichwortkommentar978-3-8329-6401-698,00 Euro

Familienrecht

Ehen und Scheidungen mit Eheleutenaus verschiedenen europäischen Län-dern sind anwaltliche Realität. Deshalbwidmet sich das Handbuch den da-durch in der Praxis entstehenden Fra-gestellungen. Die einzelnen Länderbe-richte ermöglichen einen Überblicküber die Eheschließung, Ehewirkun-gen, Scheidung und deren Folgen inden 20 wichtigsten Ländern Europas.Daneben findet sich auch eine systema-tische Darstellung der europäischenRegelungen zum internationalen Ehe-recht. Berücksichtigung finden auchdie nichteheliche Lebensgemeinschaftund die gleichgeschlechtliche Partner-schaft.

Eherecht in EuropaRembert S��/Gerhard Ring

2. Aufl. Zerb Verlag,Bonn 2012, 1415 S., geb.978-3-8329-7487-9139,00 Euro

Familienrecht

Tabellen zum Unterhaltsrecht und Ver-sorgungsausgleich finden sich ebensowie zum Sozialrecht und Steuern. Au-ßerdem enthält es Leitlinien der Ober-landesgerichte. Konzipiert als ständigerBegleiter des Familienrechtlers für diePraxis verzichtet es auf umfangreichenErläuterungen.

Tabellen zum FamilienrechtHeinrich Sch�rmann

33. Aufl. Luchterhand Verlag,K�ln 2012, 252 S., kart.978-3-472-08340-534,00 Euro

Familienrecht

Der Leitfaden bietet eine kurze Darstel-lung des am 1. Januar 2012 in Kraft getre-tenen Familienpflegezeitgesetz (FPfZG),das die Vereinbarkeit von Familie undBeruf erleichtern soll. Aufgrund der Dar-stellung ist es weniger für den Praktiker,als viel mehr für den grundlegend an derThematik interessierten Leser geeignet.

FamilienpflegezeitgesetzFriedrich Wilhelm Lehmann

1. Aufl. Luchterhand Verlag,K�ln 2012, 128 S., brosch.978-3-472-08049-724,90 Euro

Familienrecht

Das Buch skizziert erbrechtliche Pro-bleme beim Verlust von Erbschaften(wie Pflichtteilsentziehung und Erbun-würdigkeit).

Der Verlust der ErbschaftWalter Zimmermann

2. �berarb. Aufl.,Erich Schmidt Verlag,Berlin 2011, 228 S., brosch. ()978-3-503-13095-535,80 Euro

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M 26 AnwBl 1 / 2013 Mantel

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Syndikusanwalt

Im Kranz der Literatur zum Syndikus-anwalt gibt es ein Werk mit dem Titel„Die Rechtsabteilung“ nebst Untertitel„Der Syndikus und Steuerberater imUnternehmen“ Von letzterem ist nichtviel die Rede. Er soll wohl nur proforma angesprochen werden. Dafürvom Syndikusanwalt umso mehr. Ne-ben dem Herausgeber Tobias Lenz hateine Reihe von Syndikusanwälten ausverschiedenen Branchen das Buch ver-fasst, was ihm einen exzellenten Praxis-bezug verleiht. Das Buch ist in 3 Teilegegliedert.

Die RechtsabteilungTobias Lenz (Hrsg.)

Gabler Verlag, Wiesbaden 2012,354 S., brosch.978-3-8349-2365-349,95 Euro

Teil 1 (Allgemeiner Teil) befasstsich mit dem Syndikusanwalt und des-sen nach wie vor problematischer Stel-lung in dem berufsrechtlichen Feld.Das ist eine Darstellung, die den ge-genwärtigen Stand der Dinge gediegennachzeichnet, aber wenig anreizt zu ei-ner innovativen Neugestaltung der„Grauzone“, die vor allem dem Rechtim Unternehmen zugute käme. In die-sem Teil werden aber auch Überlegun-gen zu Aufbau und Gestaltung einerRechtsabteilung angestellt.

In Teil 2 geht es um die Grund-strukturen und Arbeitsschwerpunktevon Rechtsabteilungen. Neben einerExemplifizierung des Ganzen an Handeines Versicherungskonzerns und vonUnternehmen des Maschinenbaus so-wie solcher mit Schwerpunkt „Ver-trieb“ werden spezieller behandelt dasLegal Management als grundlegenderOrganisationsrahmen, das Vertriebs-und Wettbewerbsrecht, das Gesell-schaft- und Aufsichtsrecht, das Kartell-recht, der Datenschutz, die Compli-ance. Ein Extra-Kapitel ist derausgelagerten Rechtsabteilung gewid-met. Es finden sich aber auch Ausf-

ührungen zur „juristischen Führungs-kraft im Spannungsfeld derBetriebswirtschaftslehre“.

Teil 3 schließlich behandelt Tätig-keitsfelder des Syndikusanwalts. Dasreicht vom Individual- und Kollektiv-arbeitsrecht über Kartellrecht im wei-teren Sinne, nationales und internatio-nales Vertragsrecht, Prozessführung,IT-Recht bis hin zum Gesellschafts-recht in seinen verschiedenen Ausprä-gungen.

Das alles ist gut strukturiert, lieferteine Menge Stoff und Einsicht. DasBuch ist auch geeignet für den Zugriffbei der Bearbeitung von Einzelfragen,die sich im Unternehmen immer wie-der stellen. Es hat in dieser Form keinVorbild und sollte „die Rechtsabtei-lung“ durchaus begleiten.Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Koln

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M 28 AnwBl 1 / 2013

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Zwangsvollstreckung

Pünktlich zur grundlegenden Reformder Sachaufklärung im Zwangsvollstre-ckungsrecht zum 1.1.2013 ist die Neu-auflage des Handkommentars erschie-nen. Auf den aktuellen Stand derGesetzgebung gebracht und um Erfah-rungswerte nach der Reform der Kon-topfändung von 2012 ergänzt, ist dasWerk mit mehr als 3.000 Druckseitenausführlich, gleichwohl sind die Kom-mentierungen praxisnahe. Die neuenVerordnungen (SchuFV, SchuVAdrV,VermVV) sind enthalten wie auch dieab 1.8.2012 geltende neue GVGA undGVO und europäische Verordngungen.

Gesamtes Recht der ZwangsvollstreckungJohann Kindl/Caroline Meller-Hannisch/Hans-JoachimWolf +

2. Aufl. Nomos Verlag,Baden-Baden 2012,3100 S., geb.978-3-8329-7545-698,00 Euro

Insolvenzrecht

Das Insolvenzrecht war in den vergan-genen Jahren stetigen Veränderungenunterworfen – diesen trägt das WerkRechnung und behandelt die größteReform der Insolvenzordnung durchdas ESUG ausgiebig. Es geht dabei pra-xisorientiert auf die neuen undhöchstrichterlich noch nicht entschie-denen Probleme ein. Die übersichtlicheGliederung (mit konkreten Praxistipps)ermöglicht die Orientierung. Erläutertwerden für den Praktiker relevantenFragen, von den Grundlagen, über dasInsolvenzverfahren bis hin zur Vergü-tung der Verfahrensbeteiligten.

Praxis des InsolvenzrechtValender/Undritz (Hrsg.)

1. Aufl. ZAP-Verlag,K�ln 2012, 1224 S., geb.978-3-89655-682-0128,00 Euro

Insolvenzrecht

Der Autor greift in dieser Dissertationeine alte aber immer noch aktuelle Dis-kussion auf: Überschuldung als Eröff-nungsgrund für die Insolvenz und § 19Ins Abs. 2 InsO. Nach einer umfassen-den Darstellung der Überschuldungs-begriffe und der danach möglichen Be-rechnung der Überschuldung folgteine kritische Abwägung der Vor- undNachteile der Überschuldungsbegriffe.Berücksichtigt wurden Rechtsprechungund Literatur bis November 2011. Inte-ressant ist das Buch für diejenigen, diesich mit der Problematik wissenschaft-lich oder rechtspolitisch beschäftigen.

Der Er�ffnungsgrund der �berschuldungThiemo Sch�fer

1. Aufl.,Nomos Verlag,Baden-Baden 2012,298 S., brosch.978-3-8329-7633-074,00 Euro

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M 30 AnwBl 1 / 2013

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MN Bücher & Internet

Partly cloudy

Nur so viel wie nötig. Das könnte die Übersetzung für Cloud Computing sein. IT-Hardware und Software werden in der Regel über das Internet genutzt – und dasnur bei Bedarf vom Büro, von zu Hause oder unterwegs. Mehr als ein Lesegerätmit Tastatur braucht es nicht. Technologien, Services und Infrastruktur werdenvon einem Dritten angeboten. Vorreiter der Cloud-Entwicklung auf externen Ser-vern sind Angebote wie netzgestützte Mail-Dienste oder Bildplattformen (wie Pi-casa oder Flickr). Alle sind als Onlineanwendung nutzbar, ohne dass Daten aufder eigenen Festplatte gespeichert werden müssten. Die Vorteile liegen auf derHand: Updates, Versionspflege, Hardware-Voraussetzungen sind kein Themamehr. Aus Investitionen werden variable Kosten. Bei den Nachteilen überwiegendie Frage nach dem Datenschutz und der sogenannte Lock-in-Effekt, die Abhängig-keit vom jeweiligen Cloudanbieter.

I. Stellungnahmen und Leitfäden

1 www.anwaltverein.de/downloads/Stellungnahmen-11/43-2011-SN-Cloud-Computing.pdf

Deutscher AnwaltvereinIn seiner Stellungnahme vom August2011 (Nr. 43/2011) setzt sich der DAVsehr kritisch mit der Vereinbarkeit desCloud Computings mit dem EU-Daten-schutzrecht auseinander und weist aus-drücklich auf das Fehlen eines Überein-kommens datenschutzrechtlicher Min-deststandards außerhalb der EU hin.

2 www.bitkom.org

Bitkom, Bundesverband Informations-wirtschaft, Telekommunikation undneue Medien e. V.Der erste Leitfaden „Cloud Computing –was Entscheider wissen müssen“ legtden Fokus auf die geschäftlichen He-rausforderungen, die strategischen undwirtschaftlichen Aspekte. Es geht umVertragsrecht, Datenschutz und Infor-mationssicherheit sowie Compliance.

Der bereits 2009 erschienene Leitfa-den „Cloud Computing – Evolution inder Technik, Revolution im Business“widmet sich in Kapitel 4 den juristi-schen Fragen zu vertragsrechtlichenAspekten und dem Datenschutz/Daten-sicherheit.

3 www.bsi.bund.de

Bundesamt Sicherheit in der Informati-onstechnik (BSI)Das Eckpunktepapier Sicherheitsemp-fehlungen für Cloud-Computing-Anbie-ter (ESCC) kann auf der Startseite unter

der Rubrik „Themen“ in der alphabeti-schen Liste unter „Cloud Computing“aufgerufen werden. Es steht zusätzlichin englischer Sprache zur Verfügung.

4 http://www.dmi.de/fileadmin/user_upload/PDF2012/Wissen/T_Cloud_Computing.pdf

Euro CloudDer Leitfaden des Verbandes „CloudComputing – Recht, Datenschutz undCompliance“ geht gut strukturiert aufvertragsrechtliche und branchenspezi-fische Aspekte ein.

II. Sicherheit

5 www.test.de/Cloud-Die-Daten-in-der-Wolke-4366749-0

Stiftung WarentestDer Bericht vom April 2012 widmet sichder Datensicherheit und der Frage derDurchsetzbarkeit deutscher oder euro-päischer Sicherheitsstandards. GroßeAnbieter wie Google, Amazon, Microsoftoder Apple sitzen in den USA. Deut-sches Datenschutzrecht ist hier nurschwer anwendbar. Die Lebensdauereinmal gespeicherter Daten könnte dasVertragsverhältnis überdauern. Die Ver-schlüsselung sensibler Daten dürfte alsosinnvoll sein. Serverbetreiber sind zurDatensicherung verpflichtet, wobei esbei allen Formen der Datenspeicherung,ob intern, auf CDs oder externenFestplatten grundsätzlich keine hun-dertprozentige Sicherheit gibt.

6 www.european-privacy-seal.eu

Zertifikate wie Euro PriseEuro Prise, das Europäische Daten-schutz-Gütesiegel, zertifiziert IT-Pro-

dukte und IT-basierte Dienste auf derGrundlage des europäischen Daten-schutzrechts. Technische Sicherheitkann nach der ISO-Norm 27.001 zertifi-ziert werden. Das Bundesamt für Si-cherheit in der Informationstechnikund der Verband Eurocloud stellenauch Zertifikate für IT-Sicherheit aus.

7 www.computerwoche.de/security/2527898

Computerwoche – „Sicheres CloudComputing“Der Artikel „Sicheres Cloud Computingerschien online am 22. November 2012.Er bietet einen guten Überblick über Si-cherheitsrisiken, Sicherheitsstandardsund rechtliche Rahmenbedingungen.Die beiden Autoren Dr. Niels Fallen-beck und Iryna Windhorst arbeiten amFraunhofer Aisec (Einrichtung für An-gewandte und Integrierte Sicherheit).

III. Anbieter

8www.experton-group.de/consulting/cloud-computing-programme/ict-anwender/cloud-vendor-benchmark-2012.html

ExpertonDer aktuelle „Cloud Vendor Benchmark2012“ bietet einen umfassenden Anbie-tervergleich. Interessant ist hier auchdie Einschätzung der Konformität mitdem EU-Recht. Gerichtsstand Deutsch-land wird nur bei folgenden Dienst-anbietern markiert: FTS (Fujitsu), HP(Hewlett Packard), Nionex (Bertels-mann), Pironet und Telekom (T-Sys-tems und DTGK).

Für das Anwaltsblatt imInternet:Janine Ditscheid,Dipl.-Bibliothekarin,K�ln

Sie erreichen die Autorinunter der [email protected].

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MN Schlusspl�doyer

Stellt sich den Fragen des Anwalts-blatts: Rechtsanwalt Dr. Olaf Ottingaus Frankfurt am Main ist Vorsit-zender des Vergaberechtsausschus-ses und Mitglied im Verwaltungs-rechtsausschuss des DeutschenAnwaltvereins. Der Fachanwalt fürVerwaltungsrecht ist seit 1997Rechtsanwalt. Olaf Otting ist Part-ner und leitet den Bereich Öffent-liches Recht bei Allen & Overy. Erberät vor allem im Vergabe- undRegulierungsrecht sowie bei Im-mobilienprojekten. Er ist Mitgliedim Deutschen Anwaltverein, weilihm Austausch und Kommunika-tion innerhalb des gesamtenSpektrums der Anwaltschaftwichtig sind.

Warum sind Sie Anwalt geworden?

Anwälte in eigener Sache: Den„Anwaltstyp“ in mir haben Dritteentdeckt. Es war ein guter Rat.

Schon einmal �berlegt, die Zulassungzur�ck zu geben?

Noch ist der Ruhestand weit ent-fernt. Also: nein.

Ihr gr��ter Erfolg als Anwalt?

Wenn der Mandant so zufrieden ist,dass er wiederkommt.

Ihr Stundensatz?

Ist einer von zwei Faktoren derhoffentlich angemessenenRechnung.

Ihr Traummandat?

Wenn ich träume, dann in derRegel nicht von Mandaten.

Was sollen Ihnen Ihre Kollegen einmalnicht nachsagen?

Mangelnde Begeisterungsfähigkeitund Einsatzbereitschaft.

Welches Lob w�nschen Sie sich voneinem Mandanten?

Das Folgemandat.

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