ohne druck geht gar nichts - ver.di

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ENERGIEWIRTSCHAFT Damit die Netze nicht zusammenbrechen Bundesnetzagentur dringt auf schnellen Ausbau der Energienetze. Seite 4 Vieles geht in die richtige Richtung ver.di nimmt den Koalitionsvertrag unter die Lupe. Seite 4 ABFALLWIRTSCHAFT Weihnachtsgeld fällt nicht vom Himmel Weil Weihnachtsgeld eben nicht vom Himmel fällt, sondern von den Be- schäftigten und den Gewerkschaf- ten lange erkämpft werden muss- te, stand Weihnachtsgeld im Zen- trum der ver.di-Herbstaktionen. Seite 5 WASSERWIRTSCHAFT „Wir lassen nicht locker“ Für ver.di darf Wasser nicht länger im Fokus der Liberalisierer stehen. Seite 6 ENERGIEWIRTSCHAFT Rundum wenig durchdacht Bundesnetzagentur zwingt regio- nalen Netzbetreiber Millionen zu sparen. Seite 7 Beschäftigte protestieren gegen Tarifflucht Stadtwerke flüchten aus dem Ta- rifvertrag. Nicht die Mütter, aber ih- re Töchter. Zum Beispiel im Kreis Pin- neberg, nördlich von Hamburg. Des- halb haben ver.di und die Beschäf- tigten dieser Stadtwerke-Töchter die ver.di-Aktionswoche dafür genutzt, gegen diese Entwicklung zu pro- testieren. Seite 7 FRAUEN IM FACHBEREICH Sich einbringen und mitgestalten Frauen des Fachbereichs Ver- und Entsorgung treffen sich in Berlin: „Frauen schaffen Veränderung“. Seite 8 E N E R G I E / B E R G B A U · W A S S E R W I R T S C H A F T · A B F A L L W I R T S C H A F T 4 I 2013 Die Vorbereitungen für die Tarifrun- de 2014 im öffentlichen Dienst lau- fen auf Hochtouren. In den Bezirken und Landesbezirken diskutieren die ver.di-Mitglieder darüber, mit welcher Forderung die Gewerkschaft in die Ta- rifrunde gehen soll. Keine Frage: Es wird ums Geld gehen. Diese Tarifrun- de steht im Zeichen von mehr Ein- kommen. Die Termine stehen schon fest. Im Februar wird die Bundestarifkommis- sion für den öffentlichen Dienst (BTKöD) über die Höhe der Forderung ent- scheiden. Die Tarifverhandlungen wer- den Anfang März beginnen. Bereits En- de Oktober hatte die Bundestarif- kommission Öffentlicher Dienst be- schlossen, die Entgelttabellen des TVöD und des TV-V gekündigt. In den kommenden Wochen wird in den Betrieben, den Bezirken und Lan- desbezirken weiter über die Höhe der Forderung diskutiert, die dann der Bun- destarifkommission öffentlicher Dienst empfohlen wird. Dabei ist klar: Die Bun- destarifkommission wird sich am Vo- tum der Mitglieder orientieren, die Inhalte der Diskussionen und die Ar- gumente der ver.di-Mitglieder vor Ort nicht ignorieren. Aber die Forderung, die dann beschlossen wird, muss die Fachbereiche, Landesbezirke und Be- zirke berücksichtigen. Die Verhand- lungskommission kommunale Versor- gungsbetriebe wird Anfang Februar 2014 die Ergebnisse der Forderungs- diskussion zum TV-V zusammenfas- sen und eine Empfehlung an die Bun- destarifkommission beschließen. Ott appelliert an alle Kolleginnen und Kol- legen, die im Geltungsbereich des TVöD und des TV-V beschäftigt sind, sich an den Diskussionen zu beteiligen: „Nur wenn so viele wie möglich mitdisku- tieren, können wir eine Forderung fin- den, hinter der so viele Beschäftigte wie möglich stehen.“ Und für die dann auch so viele Kol- leginnen und Kollegen bereit sind zu kämpfen. „Die vergangenen Tarifrun- den haben gezeigt, dass die Arbeitgeber erst eingelenkt haben, nachdem unse- re ver.di-Mitglieder mit Warnstreiks und Demonstrationen deutlich gemacht ha- ben, dass sie es ernst meinen und voll hinter den Forderungen ver.dis stehen.“ Jugend-Tarifkommission Wie in den vergangenen Tarifrunden des öffentlichen Dienstes wird es auch 2013/2014 eine Jugendtarifkommissi- on geben. Damit soll sichergestellt sein, dass die Anliegen der Auszubildenden und der jungen Erwachsenen nicht un- ter den Tisch fallen. Diese Vorgehens- weise hat sich bewährt. So sehen das nicht nur die Mitglieder der regulären Tarifkommission, sondern auch die jun- gen Beschäftigten. Denn die Jugend- Tarifkommission hat tatsächlich dazu beigetragen, dass die Anliegen der jun- gen Beschäftigten in den Tarifrunden mehr Gewicht bekamen – obwohl die Jugend-Tarifkommission nur eine be- ratende Funktion innehat wie bei der Forderung nach einer Tarifregelung zur unbefristeten Übernahme. Den Beschäftigten der Ver- und Entsorgung steht tarifpoli- tisch ein schwieriges Jahr bevor. Ob Wasserwirtschaft, Ener- giewirtschaft oder kommunale Abfallwirtschaft – die Kolle- ginnen und Kollegen sind davon überzeugt, dass 2014 sie dran sind. Die Kolleginnen und Kollegen wollen eine deut- liche Einkommensverbesserung sehen. Derweil zeichnet sich bereits ab, dass die Arbeitgeber auch 2014 nichts verschen- ken werden. „Ohne Druck geht aller Voraussicht nach gar nichts“, glaubt ver.di-Vorstandsmitglied Erhard Ott. Der angeschlagene Offshore-Pionier Bard stellt den Betrieb ein. Wegen fehlender Aufträge will die Unterneh- mensgruppe (Emden/Bremen) im Ja- nuar 250 Beschäftigten kündigen. Wei- tere 300 Mitarbeiter sollen von der neu- en Gesellschaft Offshore Wind Solu- tions (OWS) im ostfriesischen Emden übernommen werden. Die Neugrün- dung OWS solle Betrieb und Service des größten deutschen Offshore-Wind- parks Bard Offshore 1 sowie Schiffe und Gebäude der Bard-Gruppe über- nehmen. Als Offshore-Windenergie be- zeichnet man Windenergie auf hoher See. Zuletzt hatte das Unternehmen gut 800 Millionen Euro Schulden in der Bilanz. Die Suche nach Investoren blieb erfolglos. Das Projekt mit 80 Anlagen rund 100 Kilometer nördlich von Borkum war En- de August eröffnet worden. Die Leis- tung von 400 Megawatt entspricht rechnerisch dem Jahresstrombedarf von mehr als 400 000 Haushalten. Mit weit über zwei Milliarden Euro Inves- titionskosten wurde er jedoch deutlich teurer als geplant. Bard hatte zudem mit technischen Schwierigkeiten beim Bau und mit schlechtem Wetter zu kämpfen. Die Eröffnung wurde um mehrere Jahre verschoben. Mit dem Stocken der Energiewen- Der Traum ist aus – Meereswindpark-Pionier Bard stellt Betrieb ein de hatte Bard wegen fehlender An- schlussaufträge bereits im Sommer 2012 Teilverkäufe von Unternehmens- teilen angekündigt. Danach wurde die Rotorblattfertigung eingestellt. Im Juni kam dort auch die Herstellung von Maschinenhäusern für Offshore- Windkraftanlagen zum Erliegen. In Cux- haven wurde zudem die Produktion von Stahlkonstruktionen für Offshore- Windparks geschlossen. dpa Seite 3 Ohne Druck geht gar nichts Tarifrunde 2014: ver.di-Mitglieder diskutieren über Höhe der Forderung FOTO: ROETTGERS

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ENERG I EW I RT S CHAF T

Damit die Netze nichtzusammenbrechenBundesnetzagentur dringt aufschnellen Ausbau der Energienetze.

Seite 4

Vieles geht in die richtigeRichtungver.di nimmt den Koalitionsvertragunter die Lupe. Seite 4

AB FA L LW I RT S CHAF T

Weihnachtsgeld fälltnicht vom Himmel

Weil Weihnachtsgeld eben nicht vomHimmel fällt, sondern von den Be-schäftigten und den Gewerkschaf-ten lange erkämpft werden muss-te, stand Weihnachtsgeld im Zen-trum der ver.di-Herbstaktionen.

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WASS ERW I RT S CHAF T

„Wir lassen nicht locker“Für ver.di darf Wasser nicht längerim Fokus der Liberalisierer stehen.

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ENERG I EW I RT S CHAF T

Rundum wenig durchdacht

Bundesnetzagentur zwingt regio-nalen Netzbetreiber Millionen zusparen. Seite 7

Beschäftigte protestierengegen TariffluchtStadtwerke flüchten aus dem Ta-rifvertrag. Nicht die Mütter, aber ih-re Töchter. Zum Beispiel im Kreis Pin-neberg, nördlich von Hamburg. Des-halb haben ver.di und die Beschäf-tigten dieser Stadtwerke-Töchter diever.di-Aktionswoche dafür genutzt,gegen diese Entwicklung zu pro-testieren. Seite 7

F RAUEN IM FACHBER E I CH

Sich einbringen undmitgestalten

Frauen des Fachbereichs Ver- undEntsorgung treffen sich in Berlin:„Frauen schaffen Veränderung“.

Seite 8

E N E R G I E / B E R G B A U · W A S S E R W I R T S C H A F T · A B F A L L W I R T S C H A F T

4 I 2013

Die Vorbereitungen für die Tarifrun-de 2014 im öffentlichen Dienst lau-fen auf Hochtouren. In den Bezirkenund Landesbezirken diskutieren diever.di-Mitglieder darüber, mit welcherForderung die Gewerkschaft in die Ta-rifrunde gehen soll. Keine Frage: Eswird ums Geld gehen. Diese Tarifrun-de steht im Zeichen von mehr Ein-kommen.

Die Termine stehen schon fest. ImFebruar wird die Bundestarifkommis-sion für den öffentlichen Dienst (BTKöD)

über die Höhe der Forderung ent-scheiden. Die Tarifverhandlungen wer-den Anfang März beginnen. Bereits En-de Oktober hatte die Bundestarif-kommission Öffentlicher Dienst be-schlossen, die Entgelttabellen des TVöDund des TV-V gekündigt.

In den kommenden Wochen wirdin den Betrieben, den Bezirken und Lan-desbezirken weiter über die Höhe derForderung diskutiert, die dann der Bun-destarifkommission öffentlicher Dienstempfohlen wird. Dabei ist klar: Die Bun-

destarifkommission wird sich am Vo-tum der Mitglieder orientieren, dieInhalte der Diskussionen und die Ar-gumente der ver.di-Mitglieder vor Ortnicht ignorieren. Aber die Forderung,die dann beschlossen wird, muss dieFachbereiche, Landesbezirke und Be-zirke berücksichtigen. Die Verhand-lungskommission kommunale Versor-gungsbetriebe wird Anfang Februar2014 die Ergebnisse der Forderungs-diskussion zum TV-V zusammenfas-sen und eine Empfehlung an die Bun-destarifkommission beschließen. Ottappelliert an alle Kolleginnen und Kol-legen, die im Geltungsbereich des TVöDund des TV-V beschäftigt sind, sichan den Diskussionen zu beteiligen: „Nurwenn so viele wie möglich mitdisku-tieren, können wir eine Forderung fin-den, hinter der so viele Beschäftigtewie möglich stehen.“

Und für die dann auch so viele Kol-leginnen und Kollegen bereit sind zukämpfen. „Die vergangenen Tarifrun-den haben gezeigt, dass die Arbeitgeber

erst eingelenkt haben, nachdem unse-re ver.di-Mitglieder mit Warnstreiks undDemonstrationen deutlich gemacht ha-ben, dass sie es ernst meinen und vollhinter den Forderungen ver.dis stehen.“

Jugend-Tarifkommission

Wie in den vergangenen Tarifrundendes öffentlichen Dienstes wird es auch2013/2014 eine Jugendtarifkommissi-on geben. Damit soll sichergestellt sein,dass die Anliegen der Auszubildendenund der jungen Erwachsenen nicht un-ter den Tisch fallen. Diese Vorgehens-weise hat sich bewährt. So sehen dasnicht nur die Mitglieder der regulärenTarifkommission, sondern auch die jun-gen Beschäftigten. Denn die Jugend-Tarifkommission hat tatsächlich dazubeigetragen, dass die Anliegen der jun-gen Beschäftigten in den Tarifrundenmehr Gewicht bekamen – obwohl dieJugend-Tarifkommission nur eine be-ratende Funktion innehat wie bei derForderung nach einer Tarifregelung zurunbefristeten Übernahme.

Den Beschäftigten der Ver- und Entsorgung steht tarifpoli-tisch ein schwieriges Jahr bevor. Ob Wasserwirtschaft, Ener-giewirtschaft oder kommunale Abfallwirtschaft – die Kolle-ginnen und Kollegen sind davon überzeugt, dass 2014 siedran sind. Die Kolleginnen und Kollegen wollen eine deut-liche Einkommensverbesserung sehen. Derweil zeichnet sichbereits ab, dass die Arbeitgeber auch 2014 nichts verschen-ken werden. „Ohne Druck geht aller Voraussicht nach garnichts“, glaubt ver.di-Vorstandsmitglied Erhard Ott.

Der angeschlagene Offshore-PionierBard stellt den Betrieb ein. Wegenfehlender Aufträge will die Unterneh-mensgruppe (Emden/Bremen) im Ja-nuar 250 Beschäftigten kündigen. Wei-tere 300 Mitarbeiter sollen von der neu-en Gesellschaft Offshore Wind Solu-tions (OWS) im ostfriesischen Emdenübernommen werden. Die Neugrün-dung OWS solle Betrieb und Servicedes größten deutschen Offshore-Wind-

parks Bard Offshore 1 sowie Schiffeund Gebäude der Bard-Gruppe über-nehmen. Als Offshore-Windenergie be-zeichnet man Windenergie auf hoherSee. Zuletzt hatte das Unternehmengut 800 Millionen Euro Schulden in derBilanz. Die Suche nach Investoren blieberfolglos.

Das Projekt mit 80 Anlagen rund 100Kilometer nördlich von Borkum war En-de August eröffnet worden. Die Leis-

tung von 400 Megawatt entsprichtrechnerisch dem Jahresstrombedarfvon mehr als 400 000 Haushalten. Mitweit über zwei Milliarden Euro Inves-titionskosten wurde er jedoch deutlichteurer als geplant. Bard hatte zudemmit technischen Schwierigkeiten beimBau und mit schlechtem Wetter zukämpfen. Die Eröffnung wurde ummehrere Jahre verschoben.

Mit dem Stocken der Energiewen-

Der Traum ist aus – Meereswindpark-Pionier Bard stellt Betrieb ein

de hatte Bard wegen fehlender An-schlussaufträge bereits im Sommer2012 Teilverkäufe von Unternehmens-teilen angekündigt. Danach wurdedie Rotorblattfertigung eingestellt.Im Juni kam dort auch die Herstellungvon Maschinenhäusern für Offshore-Windkraftanlagen zum Erliegen. In Cux-haven wurde zudem die Produktionvon Stahlkonstruktionen für Offshore-Windparks geschlossen. dpa

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Ohne Druck geht gar nichtsTarifrunde 2014: ver.di-Mitglieder diskutieren über Höhe der Forderung

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FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 04 ·2013FACHB ER E I CH2

„Wir werden jeder weiteren Ein-schränkung der Daseinsvorsorge durchdie EU-Politik offensiv entgegenwir-ken“, heißt es im Koalitionsvertrag vonCDU/CSU und SPD vom 27. Novem-ber. Das klingt wie ein Kommentar zudem gescheiterten Versuch des EU-Kom-missars Michel Barnier, die europaweiteAusschreibungspflicht für kommuna-le Wasserkonzessionen durch die EU-

Gremien zu pauken. Damit versprichtdie Koalition eine grundlegende Um-kehr zur bisherigen Politik der abge-wählten Koalition von CDU/CSU undFDP. Die hatte unter der Federführungdes damaligen Wirtschaftsministers Phi-lipp Rösler dem Kommissar bereits grü-nes Licht für sein Vorhaben signalisiert,bevor sie – nicht zuletzt durch den Er-folg unserer europäischen Bürgerini-tiative „Wasser ist Menschenrecht“-zum Zurückrudern genötigt wurde. Wir

werden in Zukunft genau beobach-ten, wie die Koalitionäre das „offensi-ve Entgegenwirken“ gegen EU-Initia-tiven zur Einschränkung der Daseins-vorsorge in die Tat umsetzen werden.

Viel Arbeit kommt auf die Koalitio-näre auch bei der Aufgabe zu, endlicheine einheitliche Wertstofftonne durch-zusetzen. Das wollen sie tun, doch ha-ben sie sich um die überfällige Ant-wort auf die Frage gedrückt, wie dasderzeitige Entsorgungschaos mit dem„Grünen Punkt“ beendet werden kann.Ich meine, das geht nur, indem die Ver-antwortung für den Aufbau des Systemsder einheitlichen Wertstofferfassung indie Hände derjenigen zurückgelegt wird,in deren Hände es aus Gründen derDaseinsvorsorge gehört: der Kommu-nen und Landkreise. „Offensives Ent-gegenwirken“ gegen Initiativen zur Ein-schränkung der Daseinsvorsorge, somöchte man die Koalitionäre erinnern,ist nicht nur bei EU-Projekten gebo-ten, sondern ebenso bei nationalen Pro-jekten wie der Wertstofftonne.

Verhalten positiv ist zu werten, wasdie Koalitionäre vereinbart haben, umdie Energiewende wieder flott zu ma-chen. Erneuerbare Energien sollen kon-tinuierlich weiter ausgebaut werden,allerdings kosteneffizienter als in derVergangenheit, koordiniert mit dem

Ausbau der Netze und verbunden mitder Übernahme von Verantwortung fürdie Versorgungssicherheit. Das ist rich-tig – Verlässlichkeit muss vor Schnel-ligkeit gehen. Auch wurde die Ein-richtung eines Kapazitätsmarktes prin-zipiell beschlossen, notwendig, um diezum Ausgleich der schwankenden Ein-speisung von Wind- und Solarstromnotwendigen fossilen Kraftwerke amLeben zu erhalten. Hier ein Signal zusetzen, ist angesichts der desolatenwirtschaftlichen Lage vieler Kraftwer-ke dringend geboten. Einigkeit herrscht,

dass der Anteil der Kraft-Wärme-Kopp-lung auf ein Viertel der Stromproduk-tion ausgebaut werden soll. Auch derAusbau der Verteilnetze soll Fahrt auf-nehmen, denn der ist notwendig, umdie Netze fit zu machen für die Ein-speisung der dezentralen erneuerba-ren Energien. Damit bestehen Chan-cen, dass der von ver.di eingeforder-te verlässliche politische Rahmen fürdie Energiewende ein gutes Stück wei-ter gezimmert wird – nicht zuletzt,um den Beschäftigten eine Zukunfts-perspektive zu erhalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,nach langer Überlegung bin ich zu

der Entscheidung gekommen, als Mit-glied des ver.di-Bundesvorstandes undBundesfachbereichsleiter Ver- und Ent-sorgung zum 30. Juni 2014 meine Funk-tion aufzugeben. Hierfür sind für michausschließlich persönlich-familiäreGründe ausschlaggebend. Nach dannfast 14 Jahren als Vorstandsmitglied istauch die Zeit reif, die Verantwortungin jüngere Hände zu geben. Gleichzeitigmöchte ich dazu beitragen, dass eingeordneter Übergang auf meinen Nach-folger möglich ist. Auch deswegenhabe ich mich entschieden, nicht biszum nächsten Bundeskongress im Sep-tember 2015 im Amt zu bleiben. Un-ser ehrenamtlicher Vorsitzender des

Bundesfachbereichsvorstandes, Kolle-ge Andreas Scheidt, hat erklärt, dasser sich als mein Nachfolger auf eineraußerordentlichen Bundesfachbe-reichskonferenz am 20. Februar 2014zur Wahl stellen wird. Seine Kandida-tur hat meine volle Unterstützung.Die Wahl in den ver.di-Bundesvorstandfindet dann im April 2014 durch denGewerkschaftsrat statt.

Auch nach meinem Ausscheiden ausdem Bundesvorstand werde ich nochweiter Aufgaben für den Fachbereichund ver.di wahrnehmen. So hat michder DGB-Bundesvorstand für die Atom-endlagerkommission benannt. Ich wer-de weiterhin im Vorstand der Interna-tionalen der Öffentlichen Dienste (IÖD)mitarbeiten. Darüber hinaus bin ich Vor-sitzender des Verwaltungsrats der Ver-sorgungsanstalt des Bundes und derLänder (VBL). Nicht zuletzt werde ichfür eine Übergangsphase den Bundes-fachausschuss der E.ON SE betreuen.

Es ist also kein endgültiger Abschiednach jahrzehntelanger gewerkschaft-licher Arbeit, also keine Zeit Tschüss zusagen. Trotzdem sage ich allen Kolle-ginnen und Kollegen, die mich in denvergangenen Jahren unterstützt undkritisch begleitet haben, an dieser Stel-le ein herzliches Dankeschön.

Euer Erhard Ott

Was die Koalitionärevereinbart haben, um dieEnergiewende wieder flottzu machen, ist verhaltenpositiv zu werten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

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Der ver.di-Report Ver- und Entsorgung Nr. 4, Dezember 2013

Herausgeber:Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di),Fachbereich Ver- und Entsorgung, Paula-Thiede-Ufer 10,10179 Berlin, v. i. S. d. P.: Frank Bsirske, Erhard Ott

Redaktion:Jana Bender, Reinhard Klopfleischwww.ver-und-entsorgung.verdi.de

Gesamtherstellung:apm AG Darmstadt, Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt

Der direkte Draht zur Report-Redaktion:[email protected]

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IMPRE S SUM

Die beantragte Leistungserhöhung des schwäbischen AtomkraftwerksGundremmingen ist einer Studie zufolge nicht genehmigungsfähig. DasInstitut für Sicherheits- und Risikowissenschaften an der Universität fürBodenkultur Wien hat Lücken im Sicherheitssystem des Kraftwerks – ins-besondere bei Störfällen – festgestellt. So entspreche das Notkühlsystemnicht den aktuellen Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerken und dieKonstruktion des Reaktordruckbehälters nicht dem Stand der Technik. Zu-dem seien Methoden, Berechnungsgrundlagen und Daten zu einem zu un-terstellenden Erdbeben veraltet.Die Bürgerinitiative „Forum – Gemeinsam gegen das Zwischenlager undfür eine verantwortbare Energiepolitik“ hat die Untersuchung in Auftraggegeben. Die Kernkraftwerksgesellschaft wies die Vorwürfe zurück undbetonte: „Die Überprüfung der Reaktorsicherheitskommission und dieAnalysen im Rahmen des EU-Stresstests haben gezeigt, dass die beidenBlöcke große Sicherheitsreserven ausweisen.“ Das Kernkraftwerk gehörtmehrheitlich dem Energiekonzern RWE; E.ON ist ebenfalls beteiligt. DieBetreiber streben eine Ausweitung der Stromproduktion an. Die Leistungkönnte damit je Block um gut 20 Megawatt gesteigert werden. Das Ge-nehmigungsverfahren beim bayerischen Umweltministerium läuft bereitsseit mehr als zehn Jahren. dpa

STUD I E

Energie- und tarifpolitische ArbeitstagungDie Bundesfachgruppe Energie und Bergbau lädt für den 10. und 11. Februar zur der energie- und tarifpolitischenArbeitstagung nach Berlin ein. Die Tagung steht unter dem Motto „Weichenstellung in der Energiewende für Ver-sorgungssicherung und Beschäftigung“.

Mehr zur Tagung steht unter www.ver-und-entsorgung.verdi.de

Betriebs- und Personalrätekonferenz Wasserwirtschaft 2014 in RostockDie nächste bundesweite Betriebs- und Personalrätekonferenz in der Wasserwirtschaft findet vom 24. bis 26. Juni2014 in Rostock statt. Es werden wie immer viele aktuelle Themen der Wasserwirtschaft behandelt, deren Kennt-nis für die Arbeit der betrieblichen Interessenvertreter und -vertreterinnen nötig ist. Tolle Referenten und eineFachexkursion erwarten euch. Bitte Termin vormerken.

Die Einladung wird rechtzeitig an alle früheren Teilnehmerinnen und Teilnehmer versandt. Wer noch nie teilgenommenhat, sendet seine E-Mailadresse mit dem Teilnahmewunsch an [email protected]

T ERM INE

Einberufung der 1. außerordentlichen Bundesfachbereichskonferenz,Fachbereich 02, Ver- und Entsorgung am 20. Februar 2014 in Berlin

TOP 1 Eröffnung und Begrüßung

TOP 2 Konstituierung der Bundesfachbereichskonferenza.) Wahl des Konferenzleitungb.) Beschluss über die ergänzende Geschäftsordnungc.) Wahl der Mandatsprüfungs- und Wahlkommissiond.) Beschluss über die Tagesordnung

TOP 3 Rede Frank Bsirske, Vorsitzender

TOP 4 Bericht der Mandatsprüfungs- und Wahlkommission

TOP 5 Lage und aktuelle Entwicklungen im Fachbereich –mündliche Erläuterungen durch Andreas Scheidt und Erhard Ott

TOP 6 Nominierung eines/einer Leiters/in des Bundesfachbereichsals Mitglied des Bundesvorstandes durch Wahl

TOP 7 Schlusswort

BEKANNTMACHUNG

Die 1. außerordentliche Bundesfachbereichskonferenz findet am 20. Februar 2014 in Berlin,im NH-Hotel Friedrichstraße, Friedrichstraße 96, 10117 Berlin statt.Der Bundesfachbereichsvorstand schlägt folgende vorläufige Tagesordnung vor:

Leistungserhöhung in Gundremmingen nichtgenehmigungsfähig

Derweil wird in den Betrieben desöffentlichen Dienstes längst heftig da-rüber diskutiert, mit welcher Forderungver.di in die Tarifrunde gehen wird. „Dieunteren Einkommensgruppen müssenbesser wegkommen“, das steht fürWendelin Huber, Personalratsvorsit-zender der Entsorgungsbetriebe Ulm,außer Frage. Damit fasst er all das zu-sammen, was wohl in vielen Betrie-ben der kommunalen Abfallwirtschaftauch diskutiert wird. Schon in der ver-gangenen Tarifrunde für den öffent-lichen Dienst hatten sich gerade die Be-

schäftigten der kommunalen Abfall-betriebe für eine soziale Komponentestark gemacht. Ohne Erfolg. Die öf-fentlichen Arbeitgeber stellten sich quer.

Entsprechend groß war die Enttäu-schung unter den Beschäftigten derAbfallwirtschaft. Aber verabschiedethaben sie sich nicht von ihrem Anlie-gen. Deshalb muss – so meinen vieleKolleginnen und Kollegen in der kom-munalen Abfallwirtschaft - diese For-derung erneut auf die Agenda. Weiles in der Abfallwirtschaft viele Arbei-ter gibt, viele in den unteren Lohn-gruppen. Gerade sie trifft es hart, wenndie Mieten steigen, die Energiepreisenach oben gehen, wenn Lebensmit-tel und Sprit deutlich mehr kosten.Sie hören es zwar, aber können es kaumglauben, dass die offizielle Inflations-rate bei unter einem Prozent liegen soll.Ihre Erfahrung sagt ihnen etwas an-

deres. Aber die steigenden Preise sindes nicht alleine, was für eine sozialeKomponente spricht, argumentierendie Müllwerker. Sie erinnern daran, dasses meist sie sind, die mit ihrem Ein-satz auf der Straße den öffentlichenArbeitgebern zeigen, dass sie den Müllzur Not auch liegen lassen können –nämlich dann, wenn sich die Arbeit-geber am Verhandlungstisch stur undunnachgiebig zeigen. Deshalb wurmtes den einen oder anderen Müllwerkerenorm, dass die, die sich oft nicht amWarnstreik beteiligen, in Euro und Cent

gemessen sogar mehr von einer Tarif-runde profitieren, als die, die am Streik-tor kräftig frieren.

Hohe Erwartungen

„Die nächste Tarifrunde ist immer dieschwerste“, ist sich ver.di-Vorstands-mitglied Erhard Ott sicher. Er sitzt mitin der Verhandlungskommission, wennver.di mit den Arbeitgebern von Bundund Gemeinden 2014 um höhere Ein-kommen für die Beschäftigten des öf-fentlichen Dienstes streitet. Inflations-rate und Produktivitätszuwachs – dassind die Zutaten, um die es bei Tarif-verhandlungen geht, das ist der Ver-teilungsspielraum. Für diese Tarifrundeliegt der bei drei Prozent. Hinzu kommt:Die Steuereinnahmen sprudeln so kräf-tig wie schon lange nicht mehr. Auchdie Aussichten für 2014 sind nach An-sicht der Experten optimistisch zu be-

werten. Ott weiß: „Das weckt Erwar-tungen.“ Und die Arbeitgeber? Es istwie immer. „Wir geben nichts. Wir ha-ben nix.“ So oder so ähnlich positio-nieren sich Arbeitgeber eigentlich im-mer zu den Tarifrunden. Auch die öf-fentlichen. Oder gerade sie.

Dass die Kommunen notorisch klammsind, bestreitet niemand. Das aber istnicht die Schuld der Beschäftigten, son-dern Resultat einer verfehlten Steuer-politik, die auch auf Rot-Grün unterGerhard Schröder zurückgeht. ver.diweist seit Jahren darauf hin, dass diekommunalen Kassen wieder auf sta-bile Füße gestellt werden müssen. Pas-siert ist aber nichts. Die Kolleginnenund Kollegen jedenfalls dürfen nichtdafür büßen müssen, dass die Politikdie Kommunen in einen Dauerknau-serzustand geschickt hat.

Hinzu kommt: Die Stadtwerke wa-ren in der Vergangenheit Geldlieferantder Kommunen. Die Städte rechnen da-mit, dass ihre Stadtwerke dazu bei-tragen, zum Beispiel den Nahverkehrmitzufinanzieren. Dabei können nichtalle Stadtwerke über einen Kamm ge-schoren werden. Stadtwerken, die kei-nen Strom erzeugen, sondern nur Stromverteilen, geht es noch verhältnismä-ßig gut. Anders sieht es bei den Er-zeugern aus.

„Die Energiewende ist auch bei denStadtwerken angekommen“, sagt Ott.Das heißt, nicht nur bei den Konzer-nen stehen Anlagen still, sondern auchbei Stadtwerken. Die Folge: Die Erträ-ge sinken. Was bedeutet, dass gera-de im Bereich Versorgung ver.di eineausgesprochen schwierige Tarifrundebevorsteht. Anders als im Tarifgebietöffentlicher Dienst wird aber in der Ver-sorgung eine soziale Komponente ver-mutlich eine untergeordnete Rolle spie-len. Denn in diesem Bereich geht es vorallem um hochqualifizierte Beschäf-tigte, weniger als drei Prozent der Be-schäftigten finden sich in den unte-ren Lohngruppen.

Ob die Rahmenbedingungen für dieBeschäftigten nun im Vorfeld der Ta-rifverhandlungen als gut oder wenigergut eingeschätzt werden – die öf-

fentlichen Arbeitgeber werden aller Vo-raussicht nach nichts freiwillig anbie-ten wollen. In den vergangenen Tarif-runden haben sie sich immer erst be-wegt, wenn die Beschäftigten „einestarke Begleitmusik gespielt haben“,wie Ott, der Bundesfachbereichslei-ter der Ver- und Entsorgung, Warn-streiks und Demonstrationen um-schreibt. Er vermutet: „Das wird auch2014 nicht anders sein.“ Ein akzep-tabler Abschluss wird auch in der kom-menden Tarifrunde nur zu erreichensein, wenn die Kolleginnen und Kol-legen der Branche für ihre Forderun-gen kämpfen, wenn sie auf die Stra-ße gehen und wenn sie bereit sind,auch für mehr Geld zu streiken.

Abfallwirtschaft:Flächentarif verliert an Bindung

Doch nicht nur im öffentlichen Dienstist die Lage schwierig. Heikel ist dieSituation in der gesamten Ver- und Ent-sorgung. In der privaten Abfallwirt-schaft steht der Flächentarifvertrag un-ter Druck. Er verliert an Bindungs-kraft. Die Antwort des Bundesverban-des der Deutschen Entsorgungs-, Was-ser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) lau-tet: Dauerhafte Absenkung des Tarif-vertrages. Dabei haben frühere Ab-senkungen des Lohnniveaus nicht da-zu geführt, dass der Flächentarif an Bo-den gewann. Stattdessen verlor derFlächentarif weiter an Bedeutung.

Inzwischen macht sich ver.di daran,Haustarifverträge zu vereinbaren. MitErfolg. „Wir wollen das nicht“, sagt Ott.Weil Haustarifverträge letztendlich nichtzu gleichen Wettbewerbsbedingungenin der Branche führen. Und weil Haus-tarifverträge die Tarifauseinanderset-zung immer in die jeweiligen Häusertragen. ver.di macht keinen Hehl da-raus, dass die Gewerkschaft den Flä-chentarif erhalten will. Auch weil dasTarifniveau nicht auseinanderdriftendarf. Wobei die Beschäftigten der pri-vaten Abfallwirtschaft näher an das Ni-veau der kommunalen Abfallwirtschaftherangeführt werden soll. Wenn es nichtanders geht, stellt ver.di sich auch ver-stärkt auf Häuserkämpfe ein.

Private Energiewirtschaft:Beschäftigungssicherung im Fokus

Ob E.ON, RWE, Vattenfall oder EnBW– die Situation der Beschäftigten beiden Energiekonzernen ist gelinde ge-sagt schwierig. Die Konzerne werdenwieder mal umgebaut, Stellen gestri-chen. RWE und E.ON haben jüngst an-gekündigt, dass erneut jede MengeArbeitsplätze abgebaut werden sol-len. In Folge der Energiewende er-wägen die Konzerne, weitere kon-ventionelle Anlagen abzuschalten,denn sie verursachen nur Kosten, brin-gen keinen Ertrag. Derweil zögert diePolitik, mit dem Aufbau eines Kapa-zitätsmarktes den Unternehmen Pla-nungssicherheit zurückzugeben. EinEnde dieses Schrumpfungsprozessesbei der Beschäftigung ist derzeit nichtin Sicht. „Die Energiewende wird aufdem Rücken der Beschäftigten in derEnergiewirtschaft ausgetragen“, stelltPeter Lafos fest, ver.di-Landesfach-bereichsleiter Ver- und EntsorgungNordrhein-Westfalen. Eine Verlänge-rung des Tarifvertrages Beschäfti-gungssicherung ist deshalb das Wich-tigste auf der RWE-Tarifagenda 2014,wie Lafos betont.

ver.di-Vorstandsmitglied Ott wirdnicht müde, die Unternehmen wie diePolitik vor weiterem Personalabbauzu warnen. „Es geht hier um qualifi-zierte Beschäftigte“, betont er. Und siewerden gebraucht – speziell in derdezentralen Erzeugung, für Anlagender Kraft-Wärme-Kopplung, auf die diePolitik als effiziente Energie setzt. Ver-mutlich schon in wenigen Jahren wer-den Energieunternehmen – Konzernewie Stadtwerke – die Fachkräfte hän-deringend suchen, die sie heute ver-suchen loszuwerden.

Dennoch: Dass das Jahr 2014 fürdie Energiewirtschaft ein schwierigesJahr werden wird, kann und wird nichtbedeuten, dass sich die Beschäftig-ten auf die Forderung der Arbeitge-ber nach einer Nullrunde einlassen wer-den. Diesen Zahn zieht Lafos den Ar-beitgebern der privaten Energiewirt-schaft, bevor die Tarifrunde richtig los-geht.

Bis Februar 2014: Beschäftigte in den Betrieben, Bezirken und Landes-bezirken diskutieren über die Höhe der Forderung.3. Februar 2014: Die Verhandlungskommission TV-V fasst die Diskus-

sionsergebnisse in der kommunalen Versorgungswirtschaft zusammenund beschließt eine Empfehlung an die BTKöD.11. Februar 2014: Die Tarifkommission öD (Öffentlicher Dienst) und

Versorgung beschließt die Forderungen für die Tarifrunde 2014.5. März 2014: Erster Verhandlungstermin um mehr Geld für die Be-

schäftigten des öffentlichen Dienstes.Weitere Verhandlungstermine: 20./21. März und 31. März/1. April 2014.

Fahrplan für die Tarifrunde

ÖF F ENT L I CH ER D I ENST

Es wird kein Spaziergang werden. Weder die bevorstehendeTarifrunde für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes undschon gar nicht die Tarifrunden für die private Energiewirt-schaft oder die Abfallwirtschaft. Trotz der guten Konjunktur-daten und der sprudelnden Steuereinnahmen. Zum einen, weiles bei Tarifverhandlungen wie im Fußball ist: Das nächsteSpiel ist immer unberechenbar, die bevorstehenden Tarifver-handlungen sind immer die Schwersten. Zum anderen, weildie private Energie- wie die private Abfallwirtschaft sich der-zeit in besonders schwierigen Situationen befinden, was sichauch auf die kommunalen Energie-, Wasser- und Abfallwirt-schaft niederschlägt. Zudem werden auch 2014 die öffent-lichen Arbeitgeber angesichts der notorisch klammen öffent-lichen Kassen nichts verschenken wollen.

Es gibt nichtsgeschenktOb öffentlicher Dienst oder Wirtschaft:Ver- und Entsorgung steht vor schwierigenTarifauseinandersetzungen

FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 04 · 2013 TAR I F E 3

ENTW I CK LUNG DER LOHNQUOTE IN DEUT SCH LAND

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

70,8%

72,5%

69,9%

72,1%

71,0%

63,2%

68,1%

66,2%

66,9%67,3%

Entwicklung der LohnquoteAnteil Arbeitnehmerentgelt am Volkseinkommen

Quelle: Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 2012: Wert für das erste Halbjahr

Auch 2014 wird es ohne Aktionen wohl keinen Abschluss geben: Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demonstrationen während der Tarifrunde 2012. FOTOS: BENDER

Die Energielandschaft verändert sich.Der Anteil der Erneuerbaren an derEnergieversorgung steigt Jahr um Jahr– und sogar schneller, als es die Poli-tik und Wissenschaftler vor wenigenJahren noch für möglich hielten. Dochdamit entstehen auch neue Heraus-forderungen für die Netze. Denn bis-her stehen die Kraftwerke in der Re-gel in den Regionen, in denen die Ener-gie von der Wirtschaft und den Ver-brauchern gebraucht wird. Die Kern-kraftwerke sind bis 2023 auf jeden

Fall vom Netz. Und weil die fossilenKraftwerke alles andere als gewinn-bringend laufen, erwägen die Erzeu-ger, auch etliche dieser Anlagen vomNetz zu nehmen.

Die Erneuerbaren könnten sie erset-zen – vorausgesetzt der Wind weht unddie Sonne scheint. Und vorausgesetzt esgibt die Netze, die den Strom zur Wirt-schaft und zu den Verbrauchern trans-portieren. Es gibt nicht genügend Spei-cher und es hapert am Energietransport.Warum der Transport so wichtig ist? Weilin der Regel nur im Norden und denMittelgebirgen der Wind so heftig weht,dass es sich für Windkraftbetreiber lohnt.Hier aber leben wenige Verbraucher, hiergibt es kaum energieintensive Unter-nehmen. Energie aus der Sonne wird ambesten im Süden Deutschlands produ-ziert. Oder anders ausgedrückt: Weil inDeutschland die Sonne dort viel scheintund der Wind in den Gebieten viel weht,in denen wenig Menschen leben. Dochleider geht der Netzausbau langsamervoran als erwartet. Die Folge: „Das Ener-gienetz in Deutschland passt nicht mehrzu Erzeugungslandschaft“, meint Glas-macher.

Um zu ermitteln, wo welche Netzeausgebaut werden, arbeitet die Bun-desnetzagentur bei der Netzplanungmit drei Szenarien: Der Ausbau derErneuerbaren geht moderat voran; derAusbau der Erneuerbaren beschleunigtsich; vor allem der Anteil der Wind-energie an der Strommenge vergrößert

sich. Diese Szenarien können über-holt sein – dann nämlich, wenn diePolitik an der Schraube „Rahmenbe-dingungen für die Energiewirtschaft“dreht und die Fakten sich damit än-dern. Oder wenn sich immer mehr Ener-gieerzeuger ihre unrentablen Anla-gen abschalten, die sowieso nur we-nige Wochen im Jahr laufen. „Dannfunktioniert der Netzbetrieb nichtmehr“, sagt Glasmacher. Und er fügthinzu: „Es ist unmöglich, die Netzeohne Back-Up-Anlagen zu betreiben.“

Den Modellrechnungen liegt dabeifolgende Frage zugrunde: Wer würdewann wie viel Strom produzieren, wennes keine Beschränkungen durch dieTransportfähigkeit des Netzes gebe? Sieschauen sich existierende Kraftwerk-parks an, das Wetter und die Lastkur-ve des Jahres 2007 und versuchen da-raus abzulesen, wie es 2023 aussehenwird. Wobei sie Brennstoffpreise mit-einbeziehen, die Stromnachfrage undgrenzüberschreitende Kapazitäten. Zu-dem wird eingerechnet, dass die Er-neuerbaren immer noch Vorrang beider Einspeisung für sich verbuchen kön-nen und dass es Anlagen gibt, die laufenmüssen, weil sie netztechnisch unver-zichtbar sind und zudem auch Wärmeproduzieren. Aus all diesen Faktorenwird für jede der 8760 Stunden einesJahres errechnet, wie die Situation imStromnetz aussieht. Das Ergebnis: esgibt jede Menge kritischer Energie-strecken. Das heißt: Gemäß dem NO-VA-Prinzip (Netz-Optimierung vor Ver-stärkung vor Ausbau) müssen rund2800 Kilometer neue Trassen gebautwerden. Etwa 2900 Kilometer müs-sen optimiert beziehungsweise verstärktwerden. Kosten: Zwischen 15 Milliar-den und 22 Milliarden Euro. Ein Zehn-tel der Summe soll in die Netzentgel-te kalkuliert werden können.

Versorgungssicherheit in Gefahr?

Die Versorgungssicherheit ist in Deutsch-land nicht in Gefahr. Allerdings müs-

sen die Netze der neuen Energieland-schaft angepasst werden. Einen großenSchwachpunkt der Netze sehen die Ex-perten im Transport der Energie von Nor-den nach Süden – vor allem im Ver-bindungstück sozusagen in der Mitte.Weil die Energieströme bisher nicht vonNorden nach Süden mussten, sind sienicht für einen solchen starken Ener-gieverkehr ausgelegt. Doch auch das istzu meistern, glauben Glasmacher undseine Kollegen. Aber es braucht Rege-lungen für den Ernstfall. Das heißt: Wennzu viel Strom im Netz ankommt undzu wenig Energie verbraucht wird – oderauch umgekehrt – müssen Kraftwerkeschnell zugeschaltet oder abgeschal-

tet werden können. Glasmacher sprichtvon Reservekraftwerken, die in den kom-menden Jahren, bis die Netze ausge-baut sind, dringend gebraucht werden.

Langfristig sind seiner Ansicht nachdie Herausforderungen der Energie-wende nur mit einem Kapazitätsmarktzu lösen: weil die Erträge aus der tra-ditionellen Erzeugung immer unat-traktiver werden. Deshalb brauche eseinen Mechanismus zur Vergütungfür die Vorhaltung einer Leistung –ob sie gebraucht wird oder nicht. „Esgeht um einen bedarfsorientierten, kos-teneffizienten Mechanismus“, betontGlasmacher – nicht um eine „Subven-tionsmaschine“.

Wenn auch in zehn Jahren der Strom immer dann aus derSteckdose kommen soll, wenn Verbraucher, Industrie undHandwerk die Energie brauchen, dann muss in die Netze in-vestiert werden. Darüber ist sich die Politik mit den Exper-ten einig. Dennoch kommt der Netzausbau bisher nur zö-gerlich voran. Warum es so wichtig ist, in die Netze zu in-vestieren, hat Gregor Glasmacher von der Bundesnetzagen-tur vor den Mitgliedern des BundesfachgruppenvorstandesEnergie und Bergbau Anfang November erläutert.

Konkret wird die Vereinbarung anzwei für ver.di zentralen Punkten: ander Novellierung des ErneuerbarenEnergien Gesetzes (EEG) und am Nach-besserungsbedarf bei der Kraft-Wär-me-Kopplung (KWK). Und hier geht derWeg in die richtige Richtung.

Novellierung des EEG

Das EEG wird bis Mitte 2014 novel-liert. Dabei bleibt es zunächst bei dembewährten technologiespezifischen För-dermechanismus mit garantierten Ver-gütungen, wobei Überförderungen ab-gebaut werden sollen und die techni-sche und auch finanzielle Systemver-antwortung der EE-Anlagen entschei-dend verstärkt werden soll. Geprüft wer-

den soll, ob große EE-Erzeuger einenGrundlastanteil ihrer Maximalerzeugunggarantieren müssen. Spätestens 2017soll die Direktvermarktung für alle EEgelten. Geprüft werden soll weiterhinmit einem Modellprojekt ein alternati-ver Förderweg über Ausschreibungen.Die gesamte Eigenstromerzeugung sollprinzipiell an der EEG-Umlage betei-ligt werden, wobei die Wirtschaftlich-keit von KWK und Kuppelgasen gewahrtbleibt. Dies entspricht weitgehend denForderungen von ver.di. Es erleichtertStadtwerken und Energieversorgern, inden neuen Märkten der ErneuerbarenFuß zu fassen.

Der in der Schlussphase der Ver-handlungen gefundene Ausbaupfad

mit den Zielen bis 2025 (40 bis 45Prozent) beziehungsweise 2035 (55 bis60 Prozent) ist in der Lage, den Aus-bau der Erneuerbaren zu verstetigenund mit der Weiterentwicklung derStrom-Infrastruktur (Netze, Backup-Kraftwerke, Speicher) zu synchroni-sieren. Dabei geht Verlässlichkeit vorüberstürzter Schnelligkeit, wie ver.didas immer gefordert hat, ohne das Zieldes Umstiegs auf die erneuerbarenEnergien selbst in Frage zu stellen.

Die Koalition ist noch in einem wei-teren Punkt weitgehend den Vorstel-lungen ver.dis gefolgt. Sie will das Zieldes bestehenden KWK-G, bis 2020 min-destens 25 Prozent des Stromes aushocheffizienten KWK-Anlagen zu ge-winnen, aktiv umsetzen. Damit bestehtdie Chance, 2014 zumindest die defi-zitären KWK-Bestandsanlagen abzu-sichern, die wir für die Energiewendebrauchen. Dies ist auch eine elemen-

tare Forderung insbesondere unsererStadtwerke-Kollegen.

Klar ist der Koalitionsvertrag bei derAussage, dass konventionelle, regelbareKraftwerke – nicht nur in KWK - auchin Zukunft noch eine wesentliche Be-deutung im Strommix spielen werden,auch und gerade zur Abregelung dervolatilen Anlagen, um jederzeit Ver-sorgungssicherheit zu garantieren. Hier-zu ist angesichts der anhaltenden wirt-schaftlichen Schieflage dieser Kraft-werke nach ver.dis Ansicht nötig, dassdie Bereithaltung von Kapazität zu-künftig einen Preis bekommen muss (Ka-pazitätsmarkt). Leider gibt es hier le-diglich einen Formelkompromiss. Im-merhin ist festgehalten, dass ein der-artiger Kapazitätsmarkt mittelfristig zuentwickeln sei, wobei Details offen ge-lassen sind. Ver.di fordert, dass mög-lichst noch im Jahr 2014 die Einigungüber die Ausgestaltung eines derarti-

gen Kapazitätsmarktes erfolgt, der dannin der zweiten Hälfte des Jahrzehntsgreifen muss. Dies ist erforderlich, umKraftwerks-Investitionen rechtzeitig tä-tigen zu können. Ver.di will dabei ausKostengründen bestehende Kraftwer-ke einbeziehen, sofern sie den Anfor-derungen des Klimaschutzes entspre-chen und effizient arbeiten.

Auch ver.dis Forderung nach einergrundlegenden Novellierung der Re-gulierung der Netze unter den Bedin-gungen des erforderlichen Ausbaus imRahmen der Energiewende wird grund-sätzlich entsprochen. Insbesondere dienotwendige Novellierung der Regu-lierung der Verteilernetze (als „Rück-grat der Energiewende“), um Investi-tionen in die Modernisierung zu er-möglichen, wird als erforderlich an-gesehen – hierzu sollen im Rahmen derim Jahre 2014 erfolgenden Evaluierungder bisherigen Gesetzgebung durch dieBundesnetzagentur konkrete Punkteerarbeitet werden. ver.di wird daraufdringen, dass bei der anstehenden No-vellierung der Anreizregulierungsver-ordnung die Personalkosten vollstän-dig von der Verpflichtung zur Kosten-reduktion ausgenommen werden. Diesist vor folgendem Hintergrund erfor-derlich: Wir werden in Zukunft zumAusbau und zur Modernisierung derNetze auf allen Ebenen wieder mehrBeschäftigte benötigen, sodass eineweitere Reduzierung des Personalkos-tenbudgets der Netzbetreiber zu schar-fen Eingriffen in die bestehenden Ta-rife führen könnte. Dies widersprä-che aber der im Grundgesetz garan-tierten Tarifautonomie und wäre des-halb verfassungswidrig. Schade, dassder Koalitionsvertrag hierzu gar nichtssagt. Reinhard Klopfleisch

Vieles geht in die richtige RichtungDie Koalition zur Energiewende – Erste Einschätzung von ver.di

„Die Energiewende zum Erfolg führen“, so ist das einschlä-gige Kapitel der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSUund SPD betitelt, und es umfasst immerhin elf Seiten. „Vieleder Beschlüsse“, so urteilt ver.di-BundesvorstandsmitgliedErhard Ott in einer ersten Analyse, „gehen schon in die rich-tige Richtung“. Sie könnten, schnell umgesetzt, die Energie-wende für die Beschäftigten in den Stadtwerken und Kon-zernen berechenbarer machen, sprich Unsicherheit über dieZukunft des Arbeitsplatzes verringern. Doch in fast ebenso-viel Einzelpunkten ist noch eine deutliche Verbesserung not-wendig, soll die Energiewende für die Beschäftigten rundwerden. „Da werden wir nicht locker lassen“, die Politikweiter zu fordern. Im Folgenden betrachten wir einige ausSicht der Beschäftigten besonders wichtige Beschlüsse.

FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 04 ·2013ENERG I EW I RT S CHAF T4

Gregor Glasmacher von der Bundesnetzagentur FOTOS: BENDER

Damit die Netze nicht zusammenbrechenBundesnetzagentur dringt auf schnellen Ausbau der Energienetze

Die EnBW strukturiert um. Damitmacht der Energiekonzern mit Sitz inBaden-Württemberg derzeit das, wasalle großen Energiekonzerne tun. Nur:Die EnBW als Kleinster der vier Gro-ßen in Deutschland ist auf Grund ih-res Erzeugungsportfolios von der Ener-giewende am stärksten betroffen.

Vor ein paar Jahren noch wurde aus-gegliedert. Weil die damalige Unter-nehmensleitung davon ausging, dassdann die Verantwortlichen näher anden Entscheidungen dran sind. DieseErwartungen wurden aus Sicht der Kon-zernlenker nur bedingt erfüllt. Deshalbnahmen die Kontrollen der Leitungs-organe kräftig zu. UnternehmensnaheFührung wurde zur Farce. Nun geht derZug wieder zurück: Weil ein umfang-reicher Umbau wahrscheinlich mitzentraler Lenkung reibungsloser ver-läuft, so die Ansagen aus der Kon-zernzentrale.

Dieser Schritt aber drohte, auch ge-wachsene Betriebsratsstrukturen nichtnur komplett durcheinander zu wir-beln, sondern komplett zu zerschla-

gen. Deshalb schlugen die Betriebs-räte Alarm. Weil es unmöglich ist, ei-ne vernünftige Betriebsratsarbeit zumachen, wenn die Betriebsräte ihrenArbeitsplatz zu weit von den Beschäf-tigten haben Oder wenn ein Betriebs-rat für die unterschiedlichsten Berei-che beziehungsweise zigtausende vonBeschäftigten zuständig ist. „Das gehtgar nicht“, sagt Bodo Moray, Leiter desLandesfachbereichs Ver- und Entsor-gung Baden-Württemberg. Und er fügthinzu: „Mitbestimmung setzt voraus,dass die Kolleginnen und Kollegen ver-nünftig betreut werden können, aberauch, dass auf der Unternehmensebeneverlässliche Ansprechpartner vorhan-

den sind, die auch das notwendige Ver-trauen der Betriebsräte besitzen.

ver.di war das klar. Den Betriebsrä-ten auch. Die Unternehmensleitungaber musste erst überzeugt werden.Und deshalb wurde dann auch im Auf-sichtsrat über Mitbestimmungskulturund die Frage diskutiert: Wie gehen wirin der EnBW miteinander um? Hinter-grundgespräche wurden mit den An-teilseignern geführt. Langsam sicker-te die Einsicht durch, dass es den Be-triebsräten und ver.di eben nicht umMandate in den Aufsichtsratsgremienging, sondern um eine funktionieren-de Mitbestimmung, die gerade in Zei-ten der Krise gebraucht wird und in de-nen sich ein Unternehmen neu erfin-den will.

Was folgte, waren drei Wochen in-tensive Verhandlungen, berichtet Mo-ray, an denen der Vorsitzende des Ar-beitskreises Energie der EnBW, DietrichHerd, und sein Stellvertreter, Arne Mess-ner, als Vertreter der Beschäftigten mitdem Konzern am Verhandlungstischsaßen. Das Ergebnis: Ein Tarifvertrag,der die Beschäftigtenvertretung wei-testgehend sichert. Für die wegfal-lenden Arbeitsdirektoren, werden Per-sonalverantwortliche benannt. Das Un-ternehmen wird in vier Sparten un-terteilt und hat vier Personalverant-wortliche: Erzeugung, Netze, Marktund in die Funktionaleinheit. „Die Be-triebsratsstrukturen konnten im We-sentlichen erhalten werden. Mit demtarifvertraglichen Ausgestaltungsmo-dell „Eine EnBW“ der betrieblichen Mit-bestimmung sei eine zeitgemäße Ant-wort auf die gestellten Fragen gebenworden, sagt Moray. Dadurch sei auchsichergestellt worden, dass die Be-triebsräte weiter vernünftig arbeitenkönnen und die Mitbestimmung qua-litativ auf hohem Niveau erhalten bleibt.Die Sparten garantierten, dass auch dieKolleginnen und Kollegen in der Flä-che betreut werden können.

Jana Bender

In Nordrhein-Westfalen baute ver.divor Betrieben der Abfallwirtschaftweihnachtliche Infostände auf: Hierwurden die Beschäftigten nicht nurüber die Geschichte des Weihnachts-gelds informiert. Sie konnten auchWünsche äußern nach dem Motto:Was Du Dir schon immer von ver.dizu Weihnachten gewünscht hast. Wassich die Kolleginnen und Kollegen ge-wünscht haben? „Einen ver.di USB-Stick“, war einer der bescheidenenWünsche. Etwas umfangreicher woll-te es ein anderer Kollege. Er schriebauf: „Spürbare Lohnerhöhungen bei

der nächsten Tarifrunde.“ Und es gabwas zu gewinnen – ein Festmenü näm-lich bestehend aus Entenbraten mitKlößen und Rotkohl. Viele der Kolle-ginnen und Kollegen, die die ver.di-Vertreter antrafen, hatten gar keinebesonderen Wünsche. Ausgenommen:„Macht so weiter.“

„Wir haben versucht zu vermitteln,dass Weihnachtsgeld nicht vom Him-mel fällt“, betont Gerd Walter, in NRWLandesbezirkssekretär für die Abfall-wirtschaft. Und er betont: „Die Reso-nanz war gut.“ Und er bilanziert: Einegute Stimmung, viele neue Kollegin-

nen und Kollegen kennengelernt undviele interessante Gespräche.

Viele interessante Gespräche ver-zeichnen auch die Kolleginnen und Kol-legen in Bremen. Nicht nur vor denWerkstoren. Denn in Bremen organi-sierte ver.di eine Demonstration derWeihnachtsmänner: 150 von ihnenwurden in die Bremer Innenstadt ge-bracht und mit Schildern ausgestattet,auf denen unter anderem stand: Ta-rifverträge fallen nicht vom Himmel.Der Clou: Die Weihnachtsmänner wa-ren aus Schokolade. Einige Passantenschmunzelten, einige wunderten sich,andere suchten das Gespräch mit denver.di-Vertretern, die sich in einiger Ent-fernung postiert hatten. Stefan Fischer,beim Landesbezirk zuständig für dieAbfallwirtschaft, bilanziert: „Nicht wirgingen auf die Leute zu, sie kamen zuuns.“ Und fragten: Was macht ihr hiereigentlich? Aus dieser Frage wurdeein intensives Gespräch über das Weih-

nachtsgeld, das kein Luxus ist, sondernein notwendiger Teil des Einkommensder Kolleginnen und Kollegen. DasWeihnachtsgeld wird eingeplant undverplant. Und sie erfuhren, dass die Ge-werkschaften zusammen mit den Be-schäftigten über Jahre hinweg diesetarifliche Absicherung erkämpft haben.Mit dem tariflichen Anspruch sollteauch Schluss sein mit der willkürli-chen Verteilung des Weihnachtsgeldesdurch den Arbeitgeber. Denn ist dieSonderzahlung nicht in den Tarifver-trägen festgeschrieben, teilen die Ar-beitgeber das Weihnachtsgeld nachGutdünken zu.

Übrigens: 1952 setzte die Gewerk-schaft ÖTV erstmals einen Tarifver-trag über eine „Weihnachtszuwen-dung“ durch. Zwei Jahre später erstrittdie IG Metall eine solche Zuwendungfür die Metall- und Elektrobranche. An-dere Branchen mussten noch Jahre war-ten, bis auch für sie das Weihnachts-

geld im Tarif stand. Im Einzelhandel ge-lang dies erst 1980. Auch die jeweili-ge Höhe des Weihnachtsgeldes wirdim Tarifvertrag festgelegt. Je nach Bran-che sind es zwischen 30 und 100 Pro-zent eines Monatseinkommens. DieZahlung des Weihnachtsgeldes ist oftan die Betriebs- beziehungsweise Bran-chentreue gekoppelt. Wenn die Be-triebs- und Branchentreue gilt, müssendie Beschäftigten das ganze Jahr imBetrieb sein und dürfen vor dem 1. Aprildes folgenden Jahres nicht aus dem Be-trieb ausscheiden. Es gibt auch Rege-lungen, nach denen das Weihnachts-geld auf das monatliche Entgelt um-gelegt wird. Die Hans-Böckler-Stiftunghat ermittelt, dass Gewerkschaftsmit-glieder beim Weihnachtsgeld im Vor-teil sind: Rund 66 Prozent der Ge-werkschaftsmitglieder bekommen re-gelmäßig Weihnachtsgeld, bei denNicht-Mitgliedern sind es nur 53 Pro-zent.

Weihnachtsgeld ist keine milde Gabe. Für das Weihnachts-geld haben Kolleginnen und Kollegen gestreikt. Weihnachts-geld gibt es nur im Tarif. Ein gesetzlicher Anspruch auf dieJahressonderzahlung existiert bis heute nicht. Und weilWeihnachtsgeld eben nicht vom Himmel fällt, sondern vonden Beschäftigten und den Gewerkschaften lange erkämpftwerden musste, stand Weihnachtsgeld im Zentrum derver.di-Herbstaktionen.

FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 04 · 2013 AB FA L L / EN ERG I E 5

Die EnBW-Leitung hat Großes vor: Unter dem Motto „eineEnBW“ will der Energiekonzern verschiedene Gesellschaften zu-rück unter das Dach der Holding holen. Die Arbeitnehmerver-treter waren alles andere als begeistert. Der Grund: Die neuenStrukturen hätten die betriebliche Interessenvertretung in nahe-zu sämtlichen Bereichen unmöglich gemacht. Kein Wunder,dass sie sich wehrten. Zusammen mit ver.di kämpften sie dafür,dass trotz der Umorganisation eine funktionierende Betriebsrä-testruktur erhalten blieb.

Die Zahlungen zum Jahresendegibt es in vielen Varianten: Weih-nachtszuwendung oder Weih-nachtsgratifikation, 13. Monats-gehalt oder Monatsentgelt, Teue-rungszulage oder schlicht Son-derzahlung. Die Namen mögen un-terschiedlich sein. Aber in allen Fäl-len soll das zusätzliche Geld zumAusgleich der jährlichen Teuerungbeitragen. Die Zahlung zum Jah-resende kommt gerade wegenWeihnachten natürlich gelegen –und prägt daher auch den gängi-gen Begriff „Weihnachtsgeld“.

Nach schwierigen und langwierigen Tarifverhandlungen haben sichver.di und Veolia-Umweltservice-Süd auf einen Haustarifvertrag geeinigt.Von kommendem Jahr an erhalten die Beschäftigten in mehreren Stufeninsgesamt über drei Prozent mehr Geld. Der Manteltarifvertrag aber wur-de erst mal zurückgestellt.Veolia-Süd war Ende 2011 aus dem Geltungsbereich des BDE (Bundes-verband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft)–Tarifvertrags ausgetreten. Seither galt der Tarifvertrag zwar für Altbe-schäftigte nach. Tariferhöhungen aber werden nicht mehr übertragen.Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nach dem Tarifaustritt einge-stellt wurden, galt in den vergangenen zwei Jahren kein Tarifvertrag. ZuVeolia-Süd gehören die Veolia-Beschäftigten in Baden-Württembergund Bayern.Der Tarifvertrag, der nun ausgehandelt wurde, hat eine Laufzeit von 27Monaten und gilt für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende – aber nichtfür die verschiedenen Führungsebenen und den Außendienstbereich desEntsorgungsunternehmens.

Der Tarifvertrag im Einzelnen

Zum Jahresbeginn 2014 erhalten die Beschäftigen für drei Monate ei-nen Sachwert in Höhe von je 40 Euro netto. Von 1. April 2014 an stei-gen die Einkommen und Auszubildendenvergütungen um 1,9 Prozent.Zum 1. Januar 2015 werden die Einkommen erneut um 1,2 Prozent an-gehoben.Außerdem haben die Tarifparteien vereinbart, dass sie 2014 einen De-mografietarifvertrag erarbeiten wollen. Zudem: Für die ver.di-Mitglie-der unter den Veolia-Beschäftigten übernimmt der Arbeitgeber vom kom-mendem Jahr an den Beitrag zur GUV/FAKULTA. Das heißt: Der Arbeit-geber übernimmt die Kosten für den umfangreichen finanziellen Schutzfür verschiedene Unfälle oder die Folgen von Unachtsamkeit währendder Arbeit. „Damit ist uns erstmals in der Entsorgungswirtschaft ge-lungen, einen Bonus nur für ver.di-Mitglieder zu vereinbaren“, betontever.di-Verhandlungsführer Stefan Hamm. Wichtig für Martin Marcinekund Erich Brändle, die beiden stellvertretenden bayrischen Verhand-lungsführer, ist vor allem, dass mit dem Tarifabschluss die Veolia-Be-schäftigten im Lohnniveau den Anschluss an die private Entsorgungs-wirtschaft halten.

Mehr Geld fürVeolia-Beschäftigtever.di und Veolia-Süd einigen sich aufHaustarifvertrag – „Einstieg geschafft“

Betriebsräte müssenarbeiten könnenTarifvertrag regelt Arbeitnehmervertretung bei EnBWneu – Umstrukturierung gefährdete Betriebsratsarbeit

Weihnachtsgeld fällt nicht vom Himmelver.di-Aktion stellt Jahressonderzahlung in den Mittelpunkt – Viele Aktionen vor den Werkstoren und in den Fußgängerzonen

Weihnachtsgeld

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S:V

ER.D

I

Die Unterschriften sind gesammelt,dasBürgerbegehren ist aber noch längstnicht abgeschlossen.Conrad | Richtig! Abgeschlossen ist esnoch längst nicht. Derzeit werden dievielen Unterschriften noch geprüft. Dasheißt, das Bundesverwaltungsamt inKöln, das in Deutschland die Unter-schriften prüfen muss, schaut sich nichtjede einzelne Unterschrift an. Abersie machen Stichproben. Sie überprü-fen dabei, ob die Unterschrift echtist, ob der Unterzeichner an der an-gegebenen Adresse wohnt. Es zeich-net sich ab, dass etwa zehn Prozentder Unterschriften nicht gezählt wer-den – weil sich die Angaben nicht nach-prüfen lassen oder auch weil die Un-terzeichner einen Kommentar abge-geben haben. Denn dieser Kommen-tar könnte die Unterstützung des Bür-gerbegehrens einschränken.

Steht damit das Bürgerbegehren aufwackligen Füßen?Conrad | Es sieht nicht danach aus.Sieben Länder haben bereits ausge-

zählt, in insgesamt 13 Ländern wur-de die Mindestanzahl an Unterschrif-ten überschritten und vor allem inDeutschland haben wir viel mehr Un-terschriften gesammelt, als eigentlicherforderlich gewesen wären. Dass ei-nige Unterschriften ungültig sind, ver-ändert das Ergebnis nicht:„Wasser ist Menschen-recht“ ist die erste erfolg-reiche Europäische Bür-gerinitiative. Wir hoffen,dass die Prüfung der Un-terschriften Mitte Dezem-ber abgeschlossen ist undes endlich weitergehenkann.

Und das heißt…Conrad | Die Initiatoren der Bürger-initiative – die europäischen Gewerk-schaften für den öffentlichen Dienst -werden der EU-Kommission die Un-terschriften übergeben. Die EU mussdann entscheiden, wie sie mit demVotum umgeht. Da dies unsere ersteerfolgreiche Bürgerinitiative ist, ist

unklar, was passieren wird. Theoretischist das Europäische Parlament nur ver-pflichtet, uns voraussichtlich im Feb-ruar 2014 anzuhören. Es kann dafürwenige Minuten vorsehen oder meh-rere Stunden. Wir wollen natürlich ei-ne ausführliche Anhörung, damit wirunsere Position und unsere Forderun-gen deutlich machen können: Dassinnerhalb der EU das Menschenrechtauf Wasser umgesetzt wird, dass dieLiberalisierung der Wasserwirtschaftnicht länger auf der Tagesordnung stehtund dass sich die EU auch weltweitfür die Realisierung des Menschen-rechts auf Wasser einsetzt. Alle Men-schen haben ein Recht auf sauberesWasser und sanitäre Grundversorgung.Es darf nicht sein, dass Menschen, diearm sind – wie unlängst in Ungarngeschehen –, in einer Hitzewelle dasWasser abgedreht wurde, damit für dieReichen genügend Wasser vorhandenwar. Die Kommission muss darauf ach-ten, dass alle Mitgliedsstaaten ihre Was-

serversorgung verbessern,damit alle Menschen im-mer Zugang zu sauberemWasser haben.

Die Liberalisierung derWasserversorgung – sie istschon vom Tisch.Conrad | Das kann man sonicht sagen. Zwar wurdedie Wasserwirtschaft ausder Konzessionsrichtlinie

herausgenommen. Das ist aber nur pas-siert, weil der Druck des laufenden Bür-gerbegehrens so groß war. Die Was-serversorgung zu einem Teil des Bin-nenmarkts zu machen und das öf-fentliche Gut Wasser zu einer Ware –diese Absicht ist damit nicht ad actagelegt, sondern nur aufgeschoben. Sie

kommt in steter Regelmäßigkeit immerwieder auf den Tisch. Aktuell feiern wirin Sachen Konzessionsrichtlinie einenErfolg. Aber da ist noch die Revisions-klausel, die zur Folge haben könnte,dass die Wasserversorgung doch wie-der der Konzessionsrichtlinie unterliegt.Deshalb fordern wir: Die EU muss sichdazu bekennen, dass Wasser ein öf-fentliches Gut ist, dass die Wasser-versorgung und die Abwasserbeseiti-gung hoheitliche Aufgaben sind, die inkommunaler Hand am besten aufge-hoben sind.

Derzeit wird über die EU-USA-Freihan-delszone verhandelt. Welche Auswir-kungen könnte ein solches Abkommenfür die Wasserwirtschaft haben?Conrad | Wenn das Abkommen tat-sächlich die Daseinsvorsorge umfasst,wie es sich derzeit abzeichnet, dannwird die Wasserwirtschaft über die Hin-tertür liberalisiert. Auch mit Blick aufdieses und weitere mögliche Abkom-men dringen wir darauf, dass die EUsich zu einer öffentlichen Wasserver-sorgung und sanitären Versorgung be-kennt. Wir müssen übrigens noch vielmehr fürchten von diesem Abkommen.Es hat ausschließlich Gewinne multi-nationaler Konzerne im Blick. Demo-

kratie, soziale und Gesundheitsstan-dards sowie die kommunale Selbst-verwaltung werden dadurch massiv an-gegriffen.

Welche Pflichten hat die EU-Kommis-sion angesichts der vielen Unterschrif-ten?Conrad | Die Kommission muss eineformelle Mitteilung veröffentlichen –mehr nicht. Diese kann ein freundli-ches Dankeschön enthalten – oder kon-krete Gesetzgebungsvorhaben hin-sichtlich unserer Forderungen ankün-digen. Ich glaube aber nicht, dass essich die EU-Kommission politisch leis-ten kann, die erste erfolgreiche Euro-päische Bürgerinitiative einfach so ab-zukanzeln und in den Schubladen ver-schwinden zu lassen. Man muss auchsehen: Nächstes Jahr wird das Euro-päische Parlament neu gewählt. Wirwollen möglichst alle Kandidatinnenund Kandidaten für das EuropäischeParlament mit unseren Forderungenkonfrontieren. Wir wollen während desWahlkampfes dafür sorgen, dass un-sere Anliegen beachtet werden. Denn:Wir lassen nicht locker. Darüber sindsich alle einig, die das Bürgerbegehrenunterstützt haben.

Fragen von Jana Bender

FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 04 · 2013WASS ERW I RT S CHAF T6

„Wir lassen nicht locker“Leiterin der ver.di-Bundesfachgruppe Wasserwirtschaft:Wasser darf nicht länger im Fokus der Liberalisierer stehen

Es ist ein Versprechen. Die Initiatoren der ersten Europä-ischen Bürgerinitiative wollen alles tun, damit die EU imSinne der Forderungen von „Wasser ist Menschenrecht“handelt. „Wir lassen nicht locker“, betont denn auch CliviaConrad, Leiterin der ver.di-Bundesfachgruppe Wasserwirt-schaft. In Deutschland koordinierte ver.di das Bürgerbegeh-ren. Conrad sieht nun, nachdem die Unterschriften vorlie-gen, die EU in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass in Europatatsächlich jeder Zugang zu sauberem Wasser und eineradäquaten Abwasserversorgung hat. Und vor allem: Die EUmuss Wasserversorgung als eine öffentliche Aufgabe defi-nieren. „Wasser darf nicht länger im Fokus der Liberalisiererstehen“, so Conrad.

Clivia Conrad

Zu dem Workshop waren Kollegin-nen und Kollegen aus Wasserverbän-den, Gewässerunterhaltungsverbän-den und der Wasserversorgung in Ber-lin und Brandenburg nach Cottbusgekommen. Neben den Auswirkungender politisch gewollten Strukturreformbefasste sich der Workshop mit der Eu-ropäischen Bürgerinitiative „Wasser istMenschenrecht“, mit Gewässerschutzsowie mit der bevorstehenden Tarif-runde für die Beschäftigten des Bun-des und der Gemeinden.

Der Hintergrund für die Strukturre-form ist der demografische Wandel undder Bevölkerungsrückgang vor allem inden ländlichen Gebieten. Die Politikim brandenburgischen Landtag siehtim Zusammenschluss der vielen, teil-

weise kleinen Wasserverbände die Lö-sung der Probleme, die Wasserversor-ger und die Wasserverbände infolgedes Bevölkerungsrückgangs zu bewäl-tigen haben. Deshalb beauftragte derLandtag eine Enquetekommission, diesich mit der Situation der Wasserver-bände und der Lösung der Problemebefasste. Diese Kommission empfiehlteine Reduzierung der derzeit 13 Land-kreise und eine Veränderung des Zu-schnitts der Landkreise. Außerdem plä-dierte die Kommission für eine deut-liche Reduzierung der Wasserverbän-de. Die Politik hofft, dass die Struk-turreform die Kosten der Verbände deut-lich reduziert.

Allerdings kann die Landesregierungnicht per Gesetz eine entsprechende

Strukturreform verordnen. Die Politikwird nach der Einschätzung von Mo-drow, Bezirksfachbereichssekretär Ver-und Entsorgung in Cottbus, aber Druckauf die Verbände und die Kommunenausüben, damit sie aktiv die Zusam-menschlüsse vorantreiben, die die Po-litik präferiert. Er appellierte an die Kol-leginnen und Kollegen der Wasser-verbände in Berlin und Brandenburg,sich in die politische Diskussion ein-zumischen und sich – zusammen mitver.di – zu wehren. „Wir müssen unseinbringen und die Umstrukturierungmitgestalten – wenn wir sie nicht ver-hindern können“, argumentiert Mo-drow.

Michela Schmitz vom BDEW (Bun-desverband der Energie- und Wasser-wirtschaft) sieht Handlungsbedarf fürdie Wasserwirtschaft unter anderembeim Erneuerbare-Energien-Gesetz, beider IT-Sicherheit und beim Breitband-kabelausbau.

Denn die EU wolle die Wasserver-sorger zwingen, die Netze für Tele-kommunikationsunternehmen zu öff-nen. Der Hintergrund: Telekommuni-kationsanbieter wollen Breitbandka-bel in das Trinkwassernetz oder das

Abwassernetz oder aber das Fern-wärmenetz legen, weil der Ausbauso für sie kostengünstig möglich ist.Die Wasserversorger und der BDEWlehnen das strikt ab. „Wir haben ar-gumentiert, dass das weder technisch,chemisch noch hygienisch funktio-niert“, sagte Schmitz. Der BDEW sorgtsich einerseits um die Sicherheit derNetze, weil bei einer Offenlegung derNetzstruktur wie es die EU fordert, „je-der weiß, wo die sensiblen Stellen derVerteilung“ zu finden sind. Außerdemfürchtet der Verband hohe Regress-ansprüche, wenn die Breitbandkabelinfolge der normalen Wartungen derWasserrohre beschädigt werden. Spe-ziell in Bezug auf die Trinkwasserroh-re hat der Verband erhebliche hygie-nische Bedenken.

Heftig kritisierte Schmitz auch diePläne der EU, die Verwendung von Klär-schlamm zur Düngung der Felder zubeenden und gleichzeitig die Abwas-serbetriebe zu zwingen, Phosphor ausdem Klärschlamm herauszuholen. „Wirlehnen es ab, Phosphor zurückzuge-winnen“, betonte Schmitz. Sie verwiesdarauf, dass eine solche Rückgewin-nung erhebliche Kosten mit sich brin-

ge – was zu höheren Abwasserge-bühren führe.

Für die Leiterin der ver.di-Bundes-fachgruppe Wasserwirtschaft, CliviaConrad, lehnt der Koalitionsvertrag derschwarz-roten Bundesregierung dasumstrittene Fracking nicht endgültigab. Zwar werde das Verfahren zurGewinnung von Erdgas im Koalitions-vertrag als Technik mit Risikopoten-zial eingestuft und dem TrinkwasserVorrang vor diesem Verfahren einge-räumt. Aber Erkundungen sollen wei-terhin stattfinden. Conrad stellt des-halb fest: Die Formulierungen des Ko-alitionsvertrages „werden uns nicht aufDauer vor Fracking schützen“.

ver.di-Vorstandsmitglied und Leiterdes Bundesfachbereichs Ver- und Ent-sorgung, Erhard Ott, verwies vor denTeilnehmerinnen und Teilnehmern desWorkshops darauf, dass in den neu-en Bundesländern viele kommunale Be-triebe der Ver- und Entsorgung nichtMitglied des kommunalen Arbeitge-berverbandes sind. Stattdessen geltenHaustarifverträge. Für Ott sind Haus-tarifverträge immer nur die zweitbes-te Lösung. „Besser sind Flächentarif-verträge“, sagte er: „In wirtschaftlichschwierigen Situationen können beiHaustarifverträgen die Belegschaftenerpresst werden.“ Tarifliche Standardswerden infrage gestellt, der Druckauf die Belegschaften steigt.

Jana Bender

Arbeitsplätze in GefahrWorkshop befasst sich mit geplanter Umstrukturierung der Wasserwirtschaft in Brandenburg

Die Wasserwirtschaft in Brandenburg steht vor einer gravie-renden Umstrukturierung. „Vor allem der Druck auf die klei-nen Wasserverbände, sich größeren anzuschließen, wird zu-nehmen“, sagte Lutz Modrow vor den Teilnehmerinnen undTeilnehmern des ver.di-Workshops „Zukunft der Wasserwirt-schaft in Berlin/Brandenburg“ Anfang Dezember in Cottbus.Modrow befürchtet, dass infolge der Umstrukturierung Ar-beitsplätze abgebaut werden.

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Dass diese Aussichten den Beschäf-tigten nicht schmecken, steht außer Fra-ge. Um die Öffentlichkeit auf ihre Si-tuation aufmerksam zu machen undgleichzeitig der Unternehmensleitungihren Unmut über die Pläne deutlich zumachen, haben die Beschäftigten jüngstvor der Betriebsstelle Uelzen demons-triert. Sie wollten damit auch zeigen,dass sie in die Überlegungen miteinbe-zogen und nicht nur über Entscheidun-gen informiert werden wollen. Doch bis-her sieht es nicht danach aus, dass dasUnternehmen einlenkt. „Mitsprache istdas Mindeste, was die Beschäftigten be-anspruchen können“, betont Lars Bent-haus, ver.di-Vertrauensmann in dem Un-ternehmen. Vor allem auch, weil fürdie Kolleginnen und Kollegen das gan-ze Verfahren, die Forderungen undMaßstäbe der Bundesnetzagentur al-les andere als einleuchtend sind.

Für die Bundesnetzagentur dagegenliegt der Fall offenbar auf der Hand.Es geht um die Netzregulierung. Da-bei nimmt die Agentur offenbar an,dass eigentlich alle Netzbetriebe nichteffizient arbeiten. Deshalb vergleichtsie die Kosten der einzelnen Unter-nehmen. „Was genau dabei verglichen

wird und ob man das überhaupt ver-gleichen kann, ist nicht klar“, weiß Bent-haus. Mehr noch: Seiner Ansicht nachist bei der Bundesnetzagentur Trans-parenz ein Fremdwort.

So ist den Beschäftigten zum Beispielvollkommen unklar, ob bei diesem sogenannten Benchmark bei den kleinenÜbertragungsnetzbetreibern die glei-chen Kriterien angelegt werden wie beiden großen. Auf dem Tisch liegt nurdas Ergebnis des Vergleichs – und daslautet: Die Kosten sind für die laufen-de Regulierungsperiode um fünf Mil-lionen Euro zu hoch. Das Unternehmenmuss sparen – lautet die Vorgabe. 1,25

Millionen davon soll das Personal brin-gen. Die restlichen Viertel verteilen sichu.a. auf Verringerung der Ergebnis-ausschüttung, Reduzierung der Fremd-dienstleistungen und Erhöhung von Er-lösen aus Drittgeschäften. Das wie-derum entspricht nach Ansicht der Cel-le-Uelzen-Netz Gesellschaft gerade Malzwölf Vollzeitstellen oder FTEs, also„Full-time equivalent. Die Unterneh-mensleitung versucht damit zu sagen:Das ist doch verkraftbar.

Ob es das wirklich ist, steht für Bent-haus nicht zu Debatte. Weil er davonausgeht, dass es weit mehr Stellenbraucht, um die geforderten Einspa-rungen zu erreichen. Er befürchtet, dassletztendlich 30 bis 35 Stellen gestri-chen werden. Das wäre dann fast je-de zehnte Stelle des kleinen Netzbe-treibers. Und auch, dass das Unter-nehmen vor allem befristete Stellennicht verlängern will, beruhigt Bent-haus nicht. Weil es auch hier um Kol-leginnen und Kollegen geht, die ih-ren Job verlieren. Aber auch, weil dieStellenstreichungen für die verblei-bende Belegschaft nur eines bedeutet:Arbeitsverdichtung. Denn die Aufga-ben bleiben gleich.

„Wir sind schon ausgepresst wie ei-ne Zitrone“, heißt es unter den Be-schäftigten des Netzbetreibers. Dennschon in den 90er Jahren gingen dieUnternehmensleitungen daran, Reser-ven zu heben. Das hieß: Stellen strei-chen. „Wir hatten nie einen Riesen-überschuss an Mitarbeitern“, sagtver.di-Vertrauensmann Benthaus. Unddas, was gestrichen werden konnte,ist längst Geschichte.

Benthaus gefällt aber auch nicht,dass das Unternehmen mit Fremd-

dienstleistungen sparen will. „Das istnicht auf die Zukunft ausgelegt“, sagter. Weil so die Servicequalität weiterleidet und so möglicherweise in Zu-kunft mehr Kunden wechseln wer-den. Das wiederum bedeutet, dass auchin Zukunft die Arbeitsplätze bei SVOwomöglich wieder zur Debatte stehen.Kein Wunder, dass Benthaus sich vorallem eines fragt – nämlich: Wie durch-dacht ist das, was die Bundesnetz-agentur im Auftrag der Bundesregie-rung macht?

Den Beschäftigten des regionalen Netzbetreibers SVO (Celle-Uelzen-Netz Gesellschaft), schwant nichts Gutes: Der regio-nale Netzbetreiber, der nördlich von Hannover tätig ist,muss auf Geheiß der Bundesnetzagentur Millionen einspa-ren und hat deshalb Personalabbau ins Auge gefasst. Undselbst wenn sozialverträglich eingespart wird, die Aufgabensind nicht weniger geworden. Wer somit seine Stelle behält,oder verlängert bekommt, der weiß eines mit Sicherheit: Eroder sie wird noch mehr arbeiten dürfen.

Die Hälfte der 40 kommunalen Ener-gieversorger in Schleswig-Holstein en-gagiert sich seit Jahren in der Telekom-munikation. Dass das so ist, hat einenguten Grund: Die großen Städte sind flä-chendeckend verkabelt, am flachen Landdagegen zeigten die Telekommunikati-onsunternehmen wenig Interesse. Voreinigen Jahren begannen dann die Stadt-werke gerade in Schleswig-Holstein,zu den Gas- und Stromleitungen auchBreitbandkabel zu verlegen und ent-sprechendeDiensteanzubieten. InQuick-born wurde die Breitbandkabelgesell-schaft ausgegliedert. Barmstedt dage-gen gründete den Vertrieb aus. Zunächstwaren diese Ausgründungen unschein-bar. Sie hatten kaum Beschäftigte, man-che sprachen gar von leeren Hüllen.

Inzwischen sieht die Situation andersaus. Die Zahl der Beschäftigten ist ge-stiegen und könnte in den kommen-den Jahren weiter steigen. Insbeson-dere das Breitbandgeschäft zieht inHamburgs Speckgürtel, der aber inSchleswig-Holstein liegt, kräftig an.

Diese kommunalen Tochterunter-nehmen sind allerdings in der Regelnicht an den Tarifvertrag-Versorgunggebunden. Für sie gilt gar kein Tarif –zum Leidwesen der Beschäftigten. Be-gründet wurde diese Vorgehenswei-se von den Geschäftsführern stets mitder besonderen Situation: Die Gesell-schaften befänden sich noch im Auf-bau und müssten deshalb flexibler amMarkt reagieren können. Der Wett-bewerbsdruck durch die private Kon-

kurrenz sei enorm groß, heißt es. DieBetriebsräte dagegen befürchten ei-ne „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ inner-halb der Belegschaft. Denn die Kolle-ginnen und Kollegen, die für Gas, Was-ser und Strom zuständig seien, würdenanders bezahlt als die Beschäftigten,die das schnelle Internet zu den Ver-brauchern bringen oder kundennah imVertrieb arbeiten. Sie fordern „end-

lich klare Verhältnisse“. Und sie mei-nen: Für die Beschäftigten der ausge-gliederten Unternehmen soll auch derTarifvertrag Versorgung (TV-V) gel-ten.

ver.di sieht das genauso: „Es kannnicht sein, dass sich kommunale Un-ternehmen weigern, die Beschäftigtenangemessen zu bezahlen“, betontever.di-Vorstandsmitglied Erhard Ott. Er

besuchte die Stadtwerke Quickbornund kam zu einer Betriebsversamm-lung der Stadtwerke Barmstedt. Beibeiden Stadtwerken gilt derzeit fürdie Beschäftigten, die sich um das Breit-band beziehungsweise den Vertriebkümmern, kein Tarifvertrag. Die Re-sonanz auf die Aktionen war groß, weißLandesfachbereichsleiterin Berit Jor-dan. Nahezu alle Beschäftigten nah-men teil. Auch das zeigt, dass sie esleid sind, tarifpolitisch am Katzentischzu sitzen.

Ott appellierte während der Be-triebsversammlung an die Stadtwer-ke, nicht nur die kurzfristigen Wett-bewerbsvorteile Vorteile im Auge zuhaben, die ein tarifloser Zustand mitsich bringt. „Wenn die unterbezahltenMitarbeiter in Rente gehen, und danneine zu niedrige Rente haben, müs-sen die Kommunen einspringen“, sag-te er. Das wiederum bedeutet: DieSoziallasten der Kommunen steigen.

Übrigens: Die Stadtwerke Quickbornzeigten sich infolge der Aktion be-reit, mit ver.di über eine Tarifbindungbeziehungsweise einen Haustarifver-trag zu verhandeln. Jana Bender

Beschäftigte protestieren gegen TariffluchtStadtwerke engagieren sich in Breitbandleitungen – Tarifverhandlungen in Aussicht

Stadtwerke flüchten aus dem Tarifvertrag. Nicht die Mütter,aber ihre Töchter. Zum Beispiel im Kreis Pinneberg, nördlichvon Hamburg. Deshalb haben ver.di und die Beschäftigtendieser Stadtwerke-Töchter die ver.di-Aktionswoche dafürgenutzt, gegen diese Entwicklung zu protestieren. UndDruck zu machen, damit die Töchter es den Müttern gleich-tun und in den Tarifverbund eintreten.

Rundum wenig durchdachtBundesnetzagentur zwingt regionalen Netzbetreiber Millionen zu sparen – Arbeitsplätze sollen gestrichen werden

FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 04 ·2013 ENERG I EW I RT S CHAF T 7

SVOoderCelle-Uelzen-NetzGmbHist ein regionaler Netzbetreiber. ZurSVO-Holding gehört auch die SVOVertriebstochter. 50,1 Prozent derAnteile gehören Avacon, die wie-derum mehrheitlich E.ON gehört.Ein Konsortium von Kommunen hält49,9 Prozent der Anteile, hat aberin den Verträgen festlegen lassen,dass sie über 50 Prozent des Ge-winns bekommen.

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Die Tagung stand unter dem Motto„Frauen schaffen Veränderung“. ImMittelpunkt des Treffens: Einerseits diever.di-Forderungen zur Daseinsvor-sorge, die auf die neue Bundesregie-rung zielen, und andererseits die Ver-änderungen, die im Zusammenhangmit der Energiewende in den Konzer-nen und Stadtwerken nötig sind. „Wel-che Auswirkungen haben diese Aus-wirkungen auf die Frauen in der Ener-giewirtschaft?“, fragte die Tagung.

In drei Workshops gingen die Frau-en der Frage nach, wie die Auswir-kungen der Umstrukturierungen in denUnternehmen gemeistert werden kön-nen. Sie diskutierten darüber, wie derso genannte eg-check zur Entgelt-gleichheit von Frauen und Männern ge-nutzt werden kann. Eine weitere Ar-beitsgruppe beschäftigte sich mit derFrage, wie der Anteil der Frauen inder Tarifpolitik erhöht werden kann.Denn derzeit sind Frauen zum Beispielin den Tarifkommissionen nur unter-proportional vertreten. „Frauen wol-

len tarifpolitisch mitgestalten, sie wol-len sich einbringen und die Tarifpoli-tik beeinflussen“, sagte Kora Siebert,zuständig für die Frauen- und Gleich-stellungspolitik im Fachbereich. Doches gebe Rahmenbedingungen, die Frau-en daran hindern, sich in der Tarifpo-litik zu engagieren. So ist es für Frau-en, die nicht als Betriebs- oder Perso-nalrat freigestellt sind, schwierig, dieTermine der ver.di-Tarifkommissionwahrzunehmen.

Die Energiewende zwingt die Ener-gieunternehmen, sich neu zu erfinden.

Die Stromerzeugung in traditionellenKraftwerken verliert an Bedeutung.Stattdessen bauen die Unternehmenauf Service und Handel. Energiebera-tung zum Beispiel wird als Geschäfts-bereich in den Unternehmen immerwichtiger. Diese neuen Arbeitsplätzewerden oft mit Frauen besetzt. ver.di-Vorstandsmitglied Erhard Ott verwiesdarauf, dass zwischen 2007 und 2010fast jede zweite neu geschaffene Stel-le mit Frauen besetzt wurden. „Die Frau-en konnten die Chancen der demo-grafischen Entwicklung nutzen“, sag-

te Ott. Aber die Gewerkschaft müsseleider auch sehen, dass diese Stellenoft in Callcentern und in Serviceberei-chen entstanden – also in Bereichen,die vergleichsweise niedrig bezahlt wer-den.

Dass der Anteil der Frauen geradein neu geschaffenen Stellen in derBranche steigt, zeigt auch der Bran-chenreport „Die Situation von weib-lichen Beschäftigten in der Ver- undEntsorgung“, den ver.di mit Unter-stützung unter anderem des Bun-desarbeitsministeriums und der Bun-

desinitiative für Frauen in der Wirt-schaft erstellte. „Das ist ermutigend“,stellte Dr. Sandra Saeed von Wert-Arbeit GmbH in Berlin fest. Dennochsehen die Verfasserinnen des Reportserheblichen Handlungsbedarf – vorallem bei der Gleichstellung, aberauch beim Einkommen und beim Auf-stieg.

Professor Claudia Kemfert, Leiterinder Abteilung Energie, Verkehr undUmwelt am Deutschen Institut fürWirtschaftsforschung (DIW), erläu-terte vor den Frauen der Ver- und Ent-sorgung, warum ihrer Ansicht nachdie Energiewende weiterhin Unter-stützer braucht. Denn in Deutschlandist der Kampf um Strom nach Kem-ferts Analyse noch voll im Gange. DieProfessorin für Energieökonomie undNachhaltigkeit an der Hertie Schoolof Governance in Berlin ging auf an-geblich drohende Blackouts, auf denschleppenden Netzausbau ebenso einwie auf virtuelle Kraftwerke, Strom-speicher und den Börsenpreis. Undsie prophezeite: Fossile Großkraft-werke werden weiter an Bedeutungverlieren, stattdessen werden de-zentrale Lösungen gefragt sein. Sieist sich zudem sicher: Der Strom-überschuss, der die Preise an derStrombörse drückt, ist nur ein Über-gangsphänomen. In wenigen Jahrenschon wird der Strompreis deutlichsteigen.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz(EEG) sollte laut Kemfert nicht abge-schafft, aber weiterentwickelt werden.Denn die Energiewende muss ent-schlossen zu Ende geführt werden.Auch damit sich die Kosten im Rah-men halten. Denn nichts ist teurer alsein Vor und Zurück. Dass das Umrüs-ten auf Erneuerbare Geld kostet, be-streitet Kemfert nicht. Doch sie ver-weist darauf, dass die Entwicklung neu-er Technologien anfangs immer teu-er ist, doch handelt es sich bei den Kos-ten um Ausgaben, die sich später wie-der auszahlen.

Außerdem bietet die Energiewendefür Kemfert enorme wirtschaftlicheChancen – auch für die Kommunen. Sieverweist zudem auf die notwendigenInvestitionen in Milliardenhöhe. Es seieine Binsenweisheit, dass mit Investi-tionen auch immer Arbeitsplätze ein-hergehen. Jana Bender

Die Frauen im FachbereichVer- und Entsorgung wollensich in Zukunft noch mehreinmischen – zum Beispielin die Tarifarbeit. Mehr Teil-habe – das ist das Stich-wort. Sie wollen Mindestan-forderungen definieren, dienicht verhandelbar sind.Das wurde bei der Frauen-tagung des FachbereichsVer- und Entsorgung deut-lich, zu der Anfang OktoberFrauen aus der Wasserwirt-schaft, der Abfallwirtschaftund der Energiewirtschaftaus ganz Deutschland nachBerlin gekommen waren.Die Frauen wollen sich auchnoch besser vernetzen, da-mit ihre Anliegen in dennach wie vor stark männer-dominierten Branchen bes-ser Gehör finden.

Die Ver- und Entsorgung ist eineMännerdomäne. Doch ganz so festin Männerhand wie in früheren Jahr-zehnten ist die Branche nicht mehr:Die Branche wird von Jahr zu Jahrweiblicher. Zudem: Von den gut15 000 Beschäftigten, die zwischen2007 und 2010 eingestellt wurden,war fast jeder zweite weiblich. Wennin der Branche, die in den vergan-genen Jahren vor allem Stellen ab-gebaut hat, Arbeitsplätze geschaffenwurden, dann wurden diese Stellenüberproportional oft mit Frauen be-setzt. Dies zeigt: Die Branche wan-delt sich. Die neuen Stellen sind nurselten in der Energieerzeugung an-gesiedelt.

Allerdings: Die Frauen, die in der Ver-und Entsorgung arbeiten, sind meist imkaufmännischen Bereich tätig. In ge-werblich-technischen Berufen sind Frau-en nach wie vor unterrepräsentiert. Ob-wohl sich gerade die gewerblich-tech-nischen Berufe sehr dynamisch entwi-ckeln, wie Sandra Saeed betont, die zu-sammen mit Ute Brutzki von der ver.di-Bundesverwaltung die Analyse erstellthat. Zudem: Als Technikerin oder In-genieurin haben die Frauen auch au-ßerordentlich gute Einkommens- undKarrierechancen. Sowohl die Politikals auch die Wirtschaft haben in denvergangenen Jahren bei den Frauen da-für geworben, nicht nur die klassischenFrauenberufe in die engere Berufs-

wahl zu nehmen, sondern auch denIngenieur und den Techniker. Leiderwird keine große Energie darauf ver-wendet, die Frauen auch in diesen Be-rufen zu halten. „Viele junge Frauenwechseln nach der Ausbildung auf an-dere Felder, weil sich die betrieblichenRahmenbedingungen als ungünstig er-weisen“, wissen die Autorinnen der Stu-die. Weil sich Arbeit und Familie schlechtvereinbaren lassen. Wenn sich die Frau-en nach der Ausbildung aber verab-schiedeten, verlieren die Unternehmenauch Fachkräfte, was sie sich angesichtsder demografischen Entwicklung ei-gentlich nicht leisten können.

Ungleich verteilt sind auch die Chan-cen auf berufliche Weiterbildung. Zwi-schen 2002 und 2005 sank der Anteilder Frauen, die an Weiterbildungs-maßnahmen teilnahmen, um einen Pro-zentpunkt, während die Quote derMänner bei solchen Maßnahmen umsieben Prozentpunkte stieg. Die Studiekommt zu dem Schluss: Es kann nichtim Interesse der Unternehmen sein, dieFrauen von der Weiterbildung fernzu-halten. Denn je stärker die Nachfragenach Arbeitskräften wird, desto eher

erwägen Beschäftigte einen Wechsel.Wer sich nicht wertgeschätzt fühlt –was sich auch darin spiegelt, ob einUnternehmen den oder die Betreffen-de weiterbildet –, sieht sich nicht andas Unternehmen gebunden und gehteher.

Übrigens: Auch in der Ver- und Ent-sorgung bekommen die Frauen weni-ger Geld als ihre männlichen Kolle-gen – wobei die Spanne von fünf bis19,5 Prozent weniger reicht. Dabei liegtder Minderverdienst in Branchen mithohen Anteilen geringer Verdienste –wie in der Abfallwirtschaft – bei fünfProzent. In der Energieversorgung, al-so einer Branchen, in der gut verdientwird, beträgt die Lohnlücke gar über19 Prozent. Keine Frage: Eine solcheSchlechterbezahlung der Frauen ge-genüber den Männern treibt der Bran-che die Frauen als qualifizierte Ar-beitskräfte nicht gerade zu. Dabei stelltsich die Frage, inwieweit die Branchees ernst mit dem Werben um weibli-che Fachkräfte meint. Denn in den Füh-rungspositionen der Ver- und Entsor-gung sind Frauen nach wie vor unter-repräsentiert – nicht nur absolut, son-

dern auch gemessen am Anteil der Frau-en an den Beschäftigten.

Was ist zu tun? Für die Autorinnender Studie liegt es auf der Hand: Gleich-stellungsthemen müssen in den Be-trieben noch stärker als bisher disku-tiert werden – im Interesse der Frau-en und der Betriebe. Denn so langekaum jemand bewusst ist, dass Frau-en bei gleicher Qualifikation und glei-cher Arbeit weniger verdienen oderdass sie bei Weiterbildungen seltenerzum Zuge kommen, wird sich hier auchnichts ändern. Außerdem müssen Ar-beitnehmervertreterinnen und Arbeit-nehmervertreter darauf dringen, dassvor Ort die Frauen die gleichen Chan-cen bekommen wie ihre männlichenKollegen. Und: Wenn entsprechendeVeränderungen stattgefunden haben,müssen sie breit diskutiert werden, da-mit sich Nachahmer finden. Dass da-bei gleiche Chancen für Frauen keinSelbstzweck sind, versteht sich ange-sichts der alternden Gesellschaft vonselbst: Denn Gleichstellung ist heut-zutage ein wichtiger Bestandteil zur Si-cherung der Wettbewerbsfähigkeit derBranche. Jana Bender

Die Ver- und Entsorgung wird weiblicherFrauen kommen bei neuen Stellen überproportional zum Zug – Handlungsbedarf bei der Bezahlung und bei Weiterbildung

Die Ver- und Entsorgung wird weiblicher. Das zeigen die Zah-len zur Beschäftigung und zu den Neueinstellungen. Unddennoch: Es besteht Handlungsbedarf, sind die Autorinnendes Branchenreports zur Situation von weiblichen Beschäfti-gen in der Ver- und Entsorgung überzeugt. Denn auch in derVer- und Entsorgung verdienen Frauen deutlich weniger alsMänner. Und auch in den Führungsetagen sind sie rar – wieauch in vielen anderen Branchen.

FACHBEREICH VER- UND ENTSORGUNG 04 · 2013F RAUEN IM FACHBER E I CH8

Sich einbringen und mitgestaltenFrauen des Fachbereichs Ver- und Entsorgung treffen sich in Berlin: „Frauen schaffen Veränderung“

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