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4. Berliner Unternehmenssteuerforum Berlin, 8. April 2019 Thema 4: Internationales Steuerrecht – EU, AStG, DBA Referenten und Panelteilnehmer: Prof. Dr. Axel Cordewener, LL.M (Katholieke Universität Leuven) Dr. Monika Wünnemann (Bundesverband der Deutschen Industrie) Dr. Tibor Schober (Finanzgericht Berlin-Brandenburg) Dr. Thomas Töben (Schnittker Möllmann Partners)

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4. Berliner UnternehmenssteuerforumBerlin, 8. April 2019

Thema 4: Internationales Steuerrecht – EU, AStG, DBA

Referenten und Panelteilnehmer:Prof. Dr. Axel Cordewener, LL.M (Katholieke Universität Leuven)Dr. Monika Wünnemann (Bundesverband der Deutschen Industrie) Dr. Tibor Schober (Finanzgericht Berlin-Brandenburg)Dr. Thomas Töben (Schnittker Möllmann Partners)

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Aktuelles zum EU-BeihilfeverbotProf. Dr. Axel Cordewener (Katholieke Universiteit Leuven)

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Gliederung

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Aktuelles zum EU-Beihilfeverbot

Fall 1: Nachlese zum Sanierungssteuerrecht

Fall 2: EuGH-Urteil zu § 6a GrEStG

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Fall 1: Nachlese zum Sanierungssteuerrecht

Die X-GmbH hatte Mitte 2018 ernsthafte finanzielle Probleme und bat ihre Gläubiger G1 und G2 um Erlass von hohen Lieferschulden. Beide Gläubiger verzichteten Anfang August 2018 auf Forderungen i.H.v. insgesamt TEUR 500, wodurch die drohende Insolvenz der X-GmbH abgewendet werden konnte.

Laut Gutachten einer WP-Gesellschaft waren zu diesem Zeitpunkt alle in § 3a Abs. 2 EStG genannten Voraussetzungen erfüllt („Sanierungsbedürftigkeit“ und „Sanierungsfähigkeit“ der X-GmbH, „Sanierungseignung des betrieblich begründeten Schuldenerlasses“ sowie „Sanierungsabsicht der Gläubiger“ G1 und G2).

Der Steuerberater der X-GmbH bereitet gerade die KSt- und GewSt-Erklärungen für 2018 vor und verspricht dem Geschäftsführer Herrn X, dass nach „den letzten Entwicklungen“ die Steuerfreiheit des „Sanierungsertrags“ gemäß (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m.) § 3a Abs. 1 EStG und § 7b Abs. 1 GewStG (i.V.m. § 3a EStG) absolut rechtssicher sei.

Ist das wirklich so?

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Fall 1: Nachlese zum Sanierungssteuerrecht

Die „letzten Entwicklungen“: erste Halbzeit

„Vernichtung“ des Sanierungserlasses BMF 27.3.2003 durch BFH-GrS 28.11.2016 (veröffentlicht: 8.2.2017)

• keine sachliche Unbilligkeit i.S.v. §§ 163, 227 AO

• Regelung durch FinVerw = Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG (Gesetzesvorbehalt)

„Ping Pong“ BMF (27.4.2017, 29.3.2018) v. BFH (2x 23.8.2017, 16.4., 8.5. u. 11.7.2018)

Einführung § 3a EStG (+ § 7b GewStG) durch „Lizenzschranken“-Gesetz (27.6.2017)

• zeitliche Anwendung nach § 52 Abs. 4 Satz 1 EStG (+ § 36 Abs. 2c Satz 1 GewStG): erstmals bei Schuldenerlass „ganz oder teilweise nach dem 8. Februar 2017“

• Inkrafttreten LizenzschrankenG insgesamt: Art. 6 Abs. 1 = grds. 5.7.2017

• Ausn. Art. 6 Abs. 2: § 3a EStG u. § 7b GewStG erst „an dem Tag …, an dem die EU KOM durch Beschluss feststellt, dass die Regelungen … entweder keine staatliche Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV oder mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen darstellen. (…).“

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Fall 1: Nachlese zum Sanierungssteuerrecht

Die „letzten Entwicklungen“: zweite Halbzeit

Notifizierung von § 3a EStG (+ § 7b GewStG) durch BReg bei EU-KOM: „neue“ Beihilfe (Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV)

FAZ 13.8.2018: „Comfort letter“ der KOM an BMF (20.7.2018?)

• genauer Inhalt?

• Mitteilung BMF an BT-Finanzausschuss: lt. GD Wettbewerb „`bestehende Maßnahme´…, die nicht nach Art. 108 [Abs. 3] AEUV vorgelegt werden müsse und die angewandt werden kann“ [= Fall von Art. 108 Abs. 1 AEUV: „Altbeihilfe“!]

• jedenfalls kein „Beschluss“ der KOM i.S.v. Art. 6 Abs. 2 LizenzschrankenG

Reaktion Gesetzgeber

• Lösungsvorschlag BR 21.9.2018 (BR-Drs. 372/18/Beschluss, S. 37): Änderung „Lizenzschranken“-Gesetz = „In Artikel 6 … ist Absatz 2 aufzuheben.“

• so auch Art. 19 Gesetz zur Vermeidung von USt-Ausfällen (11.12.2018)= § 3a EStG & § 7b GewStG treten am Tag nach Verkünd. LizenzschrankenG in Kraft

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Fall 1: Nachlese zum Sanierungssteuerrecht

Mögliche „weitere Entwicklungen“: Verlängerung – erste Halbzeit

Sachverhaltsannahme: Die Steuererklärungen für 2018 werden abgegeben und die Bescheide ergehen antragsgemäß, allerdings unter VdN. In 2021 beginnt eine Betriebs-prüfung für die Jahre 2017-2019, und im Bp-Bericht von Mitte 2022 lehnt der Prüfer die Voraussetzungen von § 3a EStG ab. Das FA erlässt für 2018 geänderte Bescheide über KSt und den GewSt-Messbetrag mit voller Steuerpflicht des „Sanierungsertrags“.

Der Einspruch wird 2024 als unbegründet zurückgewiesen, die X-GmbH klagt. Nach Beendigung des schriftlichen Verfahrens schaut sich der Berichterstatter des FG-Senats die Sache im Rahmen der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung näher an.

Grds. hält er die Voraussetzungen des § 3a EStG für gegeben. Aber es gibt ein Problem: der Berichterstatter hat Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des „Comfort Letter“.

• Einschätzung von KOM als „Altbeihilfe“ spricht für Anwendung Art. 107 Abs. 1 AEUV

• falls aber keine „Altbeihilfe“, greift Durchführungsverbot Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV

Folge: FG bittet EuGH um Auslegung von Art. 107 Abs. 1 und Art. 108 Abs. 1 AEUV (ggf. auch von Art. 4 Abs. 1 DVO 794/2004 zur BeihilfeverfVO 2015/1589)

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Fall 1: Nachlese zum Sanierungssteuerrecht

Mögliche „weitere Entwicklungen“: Verlängerung – zweite Halbzeit

Frage 1: § 3a EStG = Beihilfe i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV?

• prima facie „selektive“ Maßnahme („Begünstigung bestimmter Unternehmen“)?nach EuGH-Rspr. nicht auszuschließen; Lit. wohl 50:50

• Rechtfertigung durch Systemlogik? BFH-GrS 28.11.2016 (zu Sanierungserlass): „Subvention“; „wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Ziele“

Frage 2: Steuerfreiheit für Sanierungsertrag bereits bei EWG-Beitritt Deutschlands „bestehende Beihilferegelung“ (Art. 108 Abs. 1 AEUV)?

• RFH ab Ende 1920er, RFM 1930, KStG 1934 + RFH für ESt, BFH ab Anfang 1960er

• 1977-1997: § 3 Nr. 66 EStG, dann BMF 27.3.2003 Tz. 13: für „alle noch offenen Fälle“= ausreichend zu Vermeidung schädlicher „Zäsur“?

• außerdem Sanierungserlass verfassungswidrig; vgl. BR-Drs. 372/18/Beschluss, S. 38) zu „Ping Pong“ BMF v. BFH: „Es besteht damit … keine gesicherte Rechtsgrundlage für Sanierungsfälle, die bis zum 8. Februar 2017 vollzogen wurden.“ (!!)

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Fall 1: Nachlese zum Sanierungssteuerrecht

Mögliche „weitere Entwicklungen“: Elfmeterschießen

„worst case scenario“ eines EuGH-Urteils

• Beihilfe i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV (+)

• keine alte (Art. 108 Abs. 1 AEUV), sondern neue Beihilfe (Art. 108 Abs. 3 AEUV)

Folgen:

• FG kann § 3a EStG nicht zu Gunsten von X-GmbH anwenden

• EU-KOM muss Hauptprüfverfahren einleiten (Art. 108 Abs. 2 AEUV) und über Genehmigungsfähigkeit (Art. 107 Abs. 2, 3 AEUV) entscheiden

• Problem 1: KOM-Leitlinien 2014 Rettungs- u. Umstrukturierungsbeihilfen = „Beihilfearten, die den Wettbewerb am stärksten verfälschen“

• Problem 2: Konflikt mit RL-Projekt über „präventive Restrukturierungsrahmen“ (KOM-Vorschlag 22.11.2016; aktuell 17.12.2018)? So Kölbl/Neumann, Ubg 2018, 324, 326 f.

• Rückforderung grds. innerhalb von 10 Jahren ab Beihilfeempfang (2019) möglich (evtl. sogar Fristunterbrechung wg. Kontakten BMF / GD Wettbewerb?)

• Vertrauensschutz der X-GmbH wg. „Comfort Letter“? [EuG 19.9.2018 HH Ferries?]

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Fall 2: EuGH-Urteil zu § 6a GrEStG

Die T-GmbH ist Eigentümerin diverser in Deutschland belegener Grundstücke. Sie wird mit Vertrag vom 1.6.2018 (als übertragender Rechtsträger) nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Nr. 1 UmwG auf ihre Alleingesellschafterin M-AG (als übernehmender Rechtsträger) hochver-schmolzen. Mit der HR-Eintragung bei der M-AG am 20.6.2018 geht das Vermögen der T-GmbH – insbesondere also die Grundstücke – auf die M-AG über und erlischt die T-GmbH.

Die M-AG zeigte den Vorgang als steuerbare Übertragung i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG dem nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG für die ges. Feststellung der Besteuerungs-grundlagen zuständigen FA an und beantragte die GrESt-Befreiung nach § 6a GrEStG.

Das FA teilte mit, wegen des BFH-Vorlagebeschlusses vom 30.5.2017 (II R 62/14 = Rs. C-374/17 A-Brauerei) bestünden derzeit beihilferechtliche Zweifel an der Anwendbarkeit von § 6a GrEStG. Die M-AG einigte sich mit dem FA darauf, dass erst einmal kein Feststellungs-bescheid ergehen und das EuGH-Verfahren abgewartet werden soll.

Die M-AG möchte wissen, wie die Situation bei EuGH und BFH nun ausschaut.

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Fall 2: EuGH-Urteil zu § 6a GrEStG

Überblick über das EuGH-Verfahren C-374/17 A-Brauerei

19.9.2018 Schlussanträge GA Saugmandsgaard

Grundsatzkritik an EuGH bzgl. Bestimmung der „Selektivität“ nationaler Maßnahmen: Anwendungsbereich von Diskriminierungstest (Frage nach Ausnahme von einem „Referenzsystem“) viel zu weit (KOM v. Autonomie der MS) und zu unbestimmt = Rechtsunsicherheit für Behörden, Gerichte u. Unternehmen

Alternativvorschlag: im SteuerR nur „klassische“ Prüfung = konkreter Steuervorteil für alle Unternehmen frei zugänglich („verfügbar“)?

Ergebnis bei beiden Methoden: § 6a GrEStG nicht selektiv

19.12.2018 EuGH-Urteil (Große Kammer)

keine tatbestandliche Verengung des dreistufigen Prüfungsansatzes

(1) „Referenzsystem“: Besteuerung von jedem Rechtsträgerwechsel an Grundstück

(2) § 6a GrEStG = Begünstigung KonzernGes ggü. vergleichbarer Nicht-KonzernGes

aber (extrem seltene) Lösung über (3) systemimmanente Rechtfertigung: Vermeidung von Doppelbesteuerung und Missbrauch

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Fall 2: EuGH-Urteil zu § 6a GrEStG

Mögliche Folgen des EuGH-Urteils

BFH-Fall II R 62/14 (= neu II R 18/19) bzgl. upstream-Verschmelzung

sonstige Auslegungsfragen bzgl. § 6a GrEStG waren zu Gunsten des Stpfl. gelöst (insbes. 5jährige Nachbehaltensfrist Satz 4 aus zwingenden umwandlungsrechtlichen Gründen nicht einhaltbar und daher teleologisch zu reduzieren!)

da Beihilfeproblem weggefallen: Klägerin dürfte Steuerbefreiung erhalten (dito M-AG)

noch diverse andere § 6a-Konstellationen beim BFH anhängig

II R 15/19 = ex II R 50/13; II R 16/19 = ex II R 36/14; II R 17/19 = ex II R 58/14; II R 19/19 = ex II R 63/14; II R 20/19 = ex II R 53/15; II R 21/19 = ex II R 56/15

alle nationalen Auslegungsfragen zu Gunsten des jeweiligen Stpfl. gelöst? (z.B. Begriff „Unternehmen“)

Anwendung der EuGH-Grundsätze im Einzelfall problematisch? (vgl. RiBFH a.D. Schmid, HFR 2019, 79 f. zu fehlender Doppelbesteuerung)

allgemein: Rechtsunsicherheit besteht fort mangels klarer Rechtfertigungskriterien

im Zweifel Durchführungsverbot (Art. 108 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Art. 107 Abs. 1 AEUV)

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Neue HinzurechnungsbesteuerungDr. Monika Wünnemann (Bundesverband der Deutschen Industrie)

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Gliederung

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Neue Hinzurechnungsbesteuerung

Teil 1: Reform: „Kleine Lösung“ des BMF vom 18.12.2018

Teil 2: Fallbeispiele

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Reformbedarf Hinzurechnungsbesteuerung

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Hinzurechnungsbesteuerung in Deutschland seit 1972 unverändert

Allgemeiner Reformbedarf / ATAD-Umsetzung

Vorgabe des Koalitionsvertrages für die 19. Legislaturperiode:

„Wir werden unsere Verpflichtungen aus der EU-Anti-

Steuervermeidungsrichtlinie im Interesse des Standorts Deutschland

umsetzen, die Hinzurechnungsbesteuerung zeitgemäß ausgestalten (…).“

Schwerpunkte Reformbedarf:

Niedrigsteuersatzgrenze absenken

Vollständige Anrechnung der ausländischen Steuern sicherstellen

Inländerbeherrschung eingrenzen (keine unabhängige Dritte einbeziehen)

Aktivitätskatalog erweitern

Substanztest auf Drittlandfälle erstrecken (EuGH v. 26.02.2019 – C-135/17)

Neue Hinzurechnungsbesteuerung

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Reform der HZB: „Kleine Lösung“ des BMF vom 18.12.2018

Inländerbeherrschung (§ 7 Abs. 1 und 2 AStG-E)

Bisher Beteiligung unbeschränkt Steuerpflichtiger > 50 %, auch unabhängige Dritte

Neu: Begrenzung auf nahestehende Personen (§ 7 Abs. 2 AStG-E) = Positiv, aber Rechtsunsicherheit bei Definition „abgestimmtes Verhalten“ (§ 7 Abs. 4 AStG-E)

Neu: Unmittelbare und mittelbare Beteiligung (§ 7 Abs. 1 AStG-E)

Mittelbare Beteiligungen sind unbeachtlich, soweit eine HZB bei der vermittelnden Person erfolgt ist und hierdurch insgesamt keine Niedrigbesteuerung mehr gegeben ist

Zeitpunkt der Feststellung der Inländerbeherrschung: wie bisher Ende des WJ

Steueranrechnung (§ 12 AStG-E)

Anrechnung als gesetzlich zwingende Rechtsfolge (kein Steuerabzug mehr möglich)

Ausweitung der Anrechnung auf alle tatsächlich erhobenen Steuern =Ausgleich von Anrechnungsüberhängen künftig auch bei Gewerbesteuer

16Neue Hinzurechnungsbesteuerung

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Reform der HZB: „Kleine Lösung“ des BMF vom 18.12.2018

Änderung des Einkünftekatalogs (§ 8 Abs. 1 AStG-E)

Beibehaltung Aktivkatalog

Ausschluss von Handel/Dienstleistungen, Lizenzen = Verschärfung(gleichzeitig Substanztest verschärft, da verbunden mit Erklärungspflicht)

Dividenden grds. weiter aktiv, aber mit Ausnahmen, z.B. Streubesitzdividenden

Verschärfung des Substanztests (§ 8 Abs. 2 AStG-E)

Neu: Nachweis einer „wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit“

Voraussetzung: „für die Ausübung der Tätigkeit erforderliche sachliche und personelle Ausstattung in diesem Staat“

Tätigkeit muss durch hinreichend qualifiziertes Personal selbständig und eigenverantwortlich ausgeübt werden (Outsourcing nur begrenzt möglich)

Aber: teilweise Ausweitung des Substanztest auf Drittstaaten

Niedrigsteuersatzgrenze (§ 8 Abs. 3 AStG-E)

Unverändert in Höhe von 25 %, aber Absenkung auf 15 % politisch diskutiert

17Neue Hinzurechnungsbesteuerung

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Reform der HZB: „Kleine Lösung“ des BMF vom 18.12.2018

Verschärfte Berechnung des Hinzurechnungsbetrags (§ 10 AStG-E)

Hinzurechnung nunmehr im Veranlagungszeitraum der Entstehung =Abkehr von dem bisherigen Zuflussprinzip, Problem praktische Umsetzung

Unsystematische Versagung des Verlustrücktrags

Beibehaltung der Regelung zur erstmaligen Bewertung der Wirtschaftsgüter anhand der fortgeführten Anschaffungskosten = weiterhin überschießend

Nachgeschaltete Zwischengesellschaften (Wegfall des § 14 AStG-E)

Künftig stets unmittelbare Zurechnung an deutsche Mutter

Verschärfung, da Ausschluss des “Escape“ über vorgeschaltete Zwischengesellschaft

18Neue Hinzurechnungsbesteuerung

Bewertung des Gesetzentwurfs vom 18.12.2018:

Ausweitung der geltenden HZB

Deutliche Erhöhung des Vollzugsaufwands für die Unternehmen

ATAD-Umsetzung wird nicht zur Modernisierung der HZB genutzt

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Fallbeispiel 1: Einkünfte aus Handel/Dienstleistungen

19Neue Hinzurechnungsbesteuerung

Geltendes Recht AStG-Entwurf

Aktive Einkünfte Passive Einkünfte

Keine Erklärungspflicht Erklärungspflicht (strengerer Substanznachweis)

Keine HZB HZB

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Fallbeispiel 2: Streubesitzdividenden

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Geltendes Recht AStG-Entwurf

Dividende T1 = aktive Einkünfte Dividende T2 = aktive Einkünfte

Dividende T1= passive Einkünfte Dividende T2= aktive Einkünfte

Keine HZB auf Dividenden HZB auf Streubesitzdividende

Einmalbesteuerung HZB-Einkünfte Doppelbesteuerung HZB-Einkünfte

Neue Hinzurechnungsbesteuerung

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Fallbeispiel 3: Mehrfachbesteuerung bei vGA

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Geltendes Recht AStG-Entwurf

vGA von T2 an Holding = aktive Einkünfte vGA von T2 an H = passive Einkünfte

Keine HZB HZB, Doppelbesteuerung

Einmalbesteuerung, Vermeidung Mehrfachbesteuerung

Ausnahme: vGA führt bei T2 zu Einkommenserhöhung(= Korrektur der vGA im Ausland)

Neue Hinzurechnungsbesteuerung

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Fallbeispiel 4: Gruppenbesteuerung

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Geltendes Recht AStG-Entwurf

T2 = passive Lizenzierung T2 = passive Lizenzierung

Keine HZB, wenn Lizenzierung von T2 der aktiven Tätigkeit von T1 dient(„Escape“ des § 14 AStG)

HZB, da HZB-Betrag von T2 unmittelbar der M zugerechnet wird(Wegfall § 14 AStG)

Neue Hinzurechnungsbesteuerung

T1

T2

M

Passive Einkünfte

Aktive Einkünfte

Lizenzierung

100 %

100 %

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Passive Entstrickung - BrexitDr. Tibor Schober (Finanzgericht Berlin-Brandenburg)

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Gliederung

24Passive Entstrickung

Passive Entstrickung - Falldiskussion

Fall 1: Passive Entstrickung einer Betriebsstätte

Fall 2: DBA mit „Land-Rich-Clause“ (Art. 13 (4) OECD-MA)

Fall 4: Entstrickung durch Brexit – Brexit-StBG

Fall 3: Passive Verstrickung und Entstrickung

Fall 5: Passive Entstrickung durch Umsetzung von EU-RL

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Fall 1: Passive Entstrickung einer Betriebsstätte

Die Mittelstands GmbH betreibt ihr Unternehmen in Peru durch eine dort belegene Betriebs-stätte. Die Betriebsstätte wurde nur durch Barmittel begründet, es wurden keine Wirtschafts-güter aus dem Stammhaus überführt.

Die KSt-Belastung der Betriebsstätteneinkünfte in Peru beträgt 29,5%. Da kein DBA besteht, werden in Deutschland auch die Betriebsstättengewinne erfasst (15% KStG) und es erfolgt eine Anrechnung der peruanischen KSt gem. § 26 KStG i.V.m. § 34c EStG iHv 15%.

Deutschland schließt nun mit Peru ein DBA.

Steuerliche Behandlung?

MittelstandsGmbH

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Fall 1: Passive Entstrickung einer Betriebsstätte

Entstrickungstatbestand § 12 Abs. 1 KStG

Satz 1: „Wird bei der Körperschaft (…) das Besteuerungsrecht (…) hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt, gilt dies als Veräußerung oder Überlassung des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert; (…)“

Satz 2: „Ein Ausschluss oder eine Beschränkung (…) liegt insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte einer Körperschaft (…) zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte dieser Körperschaft (…) zuzuordnen ist.“

Satz 2 (-), da keine frühere Zuordnung zu inländischer BS.

Genügt die sog. passive Entstrickung für § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG?

BT-Drs. 16/2710, S. 30 f.: „Erfasst werden ausschließlich betrieblich veranlasste Vorgänge.“; aber: „... umfasst insbesondere ... Sachverhaltsgestaltungen, in denen … Wirtschaftsgüter dem deutschen Besteuerungszugriff entzogen werden.“

BMF 26.10.2018 (BStBl. I 2018, 1104): Abschluss Abkommen sog. passive Entstrickung

Lit. e.A.: die Maßnahme muss dem Stpfl. zurechenbar sein (Tatbestandsverwirklichung); so RHN/v. Freeden, § 12 KStG Rn. 63; Förster, DB 2007, 72, 73; Prinz, GmbHR 2007, 966, 770 f.; EY/Hackemann, § 12 KStG Rn. 31; zuletzt: Kessler/Spychalski, IStR 2019, 193, 201; a.A.: Einfluss des Stpfl. ist nicht erforderlich; Gosch/Lampert, § 12 KStG Rn. 102; HHR/Kolbe, § 12 KStG Rn. 31; Blümich/Pfirrmann, § 12 KStG Rn. 41.

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Fall 1: Passive Entstrickung einer Betriebsstätte

Genügt die sog. passive Entstrickung für § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG?

Die Diskussion wurde bereits im Nachgang zur allgemeinen Entstrickungsrspr. des BFH geführt (I R 55/66; I R 205/66; VIII R 109/75), vgl. Baranowski, Inf 1972, 696, 710 zum Abschluss des DBA Schweiz; ebenso Dziadkowski, Stbp 1976, 78, 80.

Problem: Einkünfteerzielung = Aktivität? § 2 Abs. 1 EStG „die der Stpfl. … erzielt“ vs. § 8 Abs. 2 KStG „… sind alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln.“

BFH v. 6.12.2016 I R 50/16 (Erbschaftsfall): Erfasst werden auch Vermögensmehrungen, die nicht unter eine der sieben Einkunftsarten des EStG fallen keine aktive Erzielung bei einer Kapitalgesellschaft notwendig.

Teleologische Reduktion bzw. Vertrauensschutz?

Teleologische Reduktion des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG, weil Ausschluss Besteuerungsrecht ohne effektive Beschränkung?

Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass Deutschland „rechnerisch“ kein Steueraufkommen verliert, da Peru ein Hochsteuerland ist vorher Anrechnung peruanische KSt auf deutsche KSt und im Ergebnis kein Steueraufkommen in Deutschland Es geht aber um zukünftige Realisation!

Vertrauensschutz (2 BvL 14/02)? Aktive Auflösung stiller Reserven hätte Anrechnung ausgelöst. Lösung ggf. nach Maßgabe der Figur der „Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse“ der beteiligten Staaten? DBA als „Gesamtpaket“ vs. nur „allgemeines Änderungsinteresse“ des Gesetzgebers.

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Fall 2: DBA mit „Land-Rich-Clause“ (Art. 13 (4) OECD-MA)

Herr Müller (gebürtiger Berliner und in Berlin wohnhaft) hat mit seiner Familie während der Immobilienkrise (2008) auf Mallorca eine Finca zur Eigennutzung erworben. Eigentümerin der Immobilie ist eine S.L. (entspricht GmbH), an der Herr Müller, seine Frau und beide Kinder jeweils zu 25% beteiligt sind.

Zum 1.1.2013 ist das revidierte DBA mit Spanien (3.2.2011, BGBl. II 2012, 18) in Kraft getreten. Dieses umfasst eine sog. Land-Rich-Clause (entspricht Art. 13 (4) OECD-MA).

Das Wohnsitz-FA von Müller erhält über die Gruppenanfrage des BZSt an die spanische FinVerw. in 2018 Kenntnis von der Beteiligung.

Steuerliche Folgen?

Finca Mallorca S.L.

HerrMüller

25%

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Fall 2: DBA mit „Land-Rich-Clause“ (Art. 13 (4) OECD-MA)

Problem:

Bei Erwerb galt DBA Spanien 1966: Besteuerung für Veräußerungsgewinne aus Anteile im Ansässigkeitsstaat (= DE).

Art. 13 (2) DBA Spanien 2011: „Gewinne, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der Veräußerung von Anteilen an einer Gesellschaft – oder vergleichbarer Beteiligungen – erzielt, deren Aktivvermögen zu mindestens 50 vom Hundert unmittelbar oder mittelbar aus unbeweglichem Vermögen besteht, das im anderen Vertragsstaat liegt, können im anderen Staat besteuert werden.“ Anrechnung spanischer Steuer nach Art. 22 (2) Buchst. b) ii

§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG: „Der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht im Sinne des Satzes 1 stehen gleich [...] 4. der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der [Anteile im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG] auf Grund anderer als der in Satz 1 oder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Ereignisse.“

Rechtsfolge § 6 AStG: § 17 EStG ist auch ohne Veräußerung anzuwenden.

BMF 26.10.2018: Abschluss Revisionsabkommen sog. passive Entstrickung

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Fall 2: DBA mit „Land-Rich-Clause“ (Art. 13 (4) OECD-MA)

Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts?

Anrechnung als Beschränkung? Lt. Gesetzgeber BT-Drs. 16/3369, S. 14 (+)

Ausgestaltung als Gefährdungstatbestand keine tatsächliche Veräußerung durch Stpfl. gefordert, obgleich § 17 EStG weiterhin anwendbar bleibt

„Beschränkung“ durch den Gesetzgeber selbst (sh. Fall 1)

§ 6 AStG dürfte nach Wortlaut sogar Fälle erfassen, die nicht auf Änderung eines DBA beruhen (Bsp. Heraufsetzung Quote in § 17 EStG; F/W/B/Häck, § 6 AStG Rn. 355; kritisch Schönfeld, FR 2015, 156, 160) teleologische Reduktion auf „passive Entstrickung durch Abkommensrecht“?

Rechtsfolge: Zum 1.1.2013 wurde § 17 EStG ausgelöst.

Zinslose Stundung der Steuer nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 AStG, bspw. bis tatsächlich Anteile veräußert werden oder Wegzug erfolgt.

Problem: Wertverlust bis Veräußerung/Wegzug? Nachweispflicht, dass Wertminderung nicht ausschüttungsbedingt § 6 Abs. 6 AStG Änderung der gestundeten Steuerfestsetzung.

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Fall 3: Passive Verstrickung und Entstrickung

Herr Valdes aus Panama war Profifußballer u.a. in Deutschland. Er erwarb im Jahr 2010 in Deutschland über die von ihm gehaltene Panama Ltd. eine Immobilie zur Selbstnutzung. Seit dem Jahr 2018 ist Herr Valdes wieder in Panama (abkommensrechtlich) ansässig.

Bisher besteht zwischen Deutschland und Panama kein DBA.

Steuerliche Behandlung?

Panama Ltd.

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Fall 3: Passive Verstrickung und Entstrickung

Potentiell beschränkte Steuerpflicht für Veräußerung ab 1.1.2019

Der Verkauf von Anteilen an der Panama Ltd. unterliegt ab 1.1.2019 der beschränkten Steuerpflicht.

§ 49 Abs. 1 Nr. 2 e) cc) EStG: „… Anteilswert zu irgendeinem Zeitpunkt während der 365 Tage vor der Veräußerung unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 Prozent auf inländischem unbeweg-lichem Vermögen beruht …“ (Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11. Dezember 2018; BGBl. I 2018, 2338).

Verstrickung nur für Wertveränderung, die nach dem 31.12.2018 eingetreten sind (§ 52 Abs. 45a Satz 1 EStG).

Praxisproblem: Dokumentation von Werten per 31.12.2018

„Wertveränderung“? Verkehrswert 31.12.2018?

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Fall 3: Passive Verstrickung und Entstrickung

Passive Entstrickung durch Neuabschluss eines DBA?

Annahme: Deutschland schließt später mit Panama ein DBA, allerdings ohne Land-Rich-Clause.

daraus folgt Ausschluss/Beschränkung des (neuen) Besteuerungsrechts für Deutschland

Anwendung § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG?

Frage: Erfasst Satz 2 auch beschränkt Steuerpflichtige?

Wortlaut erfordert keine unbeschränkte Stpfl.; „Der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht im Sinne des Satzes 1 stehen gleich …“.

Problem: Satz 1 (echter Wegzugsfall) erfordert Ende einer 10-jährigen unbeschränkten Stpfl.

Systematisch: Überschrift Dritter Teil („Wohnsitzwechsel“), aber § 6 Abs. 2 „Hat der unbeschränkt Steuerpflichtige ..."; dagegen die Stundungsregelung zu Satz 2 Nr. 4 nur „der Steuerpflichtige“.

Ersetzung nur des „Wegzugs“? So F/W/B/Häck, § 6 AStG Rn. 26; wohl a.A. Wassermeyer, IStR 2013, 1, 5.

Zwar Wegzugsfiktion, aber dennoch Gefährdungstatbestand!

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Fall 4: Entstrickung durch Brexit – Brexit-StBG

Die Mittelstands GmbH überführte zum 1.1.2018 diverse Wirtschaftsgüter aus dem Inland in ihre Betriebsstätte in London (GB).

Es liegt ein Fall von § 4 Abs. 1 Satz 3, 4 EStG vor. Die Mittelstands GmbH hat in ihrer SBileinen Ausgleichsposten nach § 4g EStG gebildet, der in den Jahren 2018-2022 aufzulösen ist.

GB verlässt zum 12.4.2019 die EU (Brexit).

Zum 1.1.2020 wird die Betriebsstätte aus London (GB) verlegt

• Fall 4a: nach Liverpool (GB)

• Fall 4b: nach New York (USA)

MittelstandsGmbH

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ÜberführungWirtschaftsgüter

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Fall 4: Entstrickung durch Brexit – Brexit-StBG

Grundannahmen

Die Überführung der WG führt zur Exit-Besteuerung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG über fünf Jahre gestreckt (§ 4g).

Brexit 2019 und § 4g Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG?

„[Der Ausgleichsposten] ist in vollem Umfang gewinnerhöhend aufzulösen, […] wenn das als entnommen geltende Wirtschaftsgut aus der Besteuerungshoheit der Mitgliedstaaten der [EU] ausscheidet“.

Aber: § 4g Abs. 6 EStG i.d.F. Brexit-StBG: „Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 [ist] mit der Maßgabe anzuwenden, dass allein der Austritt [von GB] aus der [EU] nicht dazu führt, dass ein als entnommen geltendes Wirtschaftsgut als aus der Besteuerungshoheit der Mitgliedstaaten der [EU] ausgeschieden gilt.“

Verlegung der Betriebsstätte nach dem Brexit?

Problem: Die Neuregelung knüpft dem Wortlaut nach nur („allein“) an den Brexit an. Sind damit weitere Maßnahmen, die den „Wegzug“ weiter „vertiefen“ relevant (Fall 4a)? Werden missbräuchliche (?) „Durchzugsfälle“ in Drittstaaten erfasst (Fall 4b)?

Generelle Auswirkung Brexit-StBG:

Gesetzgeber hat die „passive Entstrickung“ erkannt und setzt diese grds. voraus! 35

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Fall 5: Passive Entstrickung durch Umsetzung von EU-RL

Die Mittelstands GmbH erbringt elektronische Leistungen gegenüber Endverbrauchern in EU-Mitgliedstaaten. Hierzu setzt sie selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter ein (Marken/Lizenzen).

EU beschließt RL zur Festlegung von Vorschriften für die Unternehmensbesteuerung einer signifikanten digitalen Präsenz (Entwurf COM/2018/147).

Art. 4: signifikante digitale Präsenz (Dienstleist > 7 Mio. € Umsatz und > 100.000 User).

Art. 5 Abs. 2 „Die Gewinne, die […] zuzuordnen sind […], entsprechen den Gewinnen, die […] erzielt worden wären, wenn diese als separates und unabhängiges Unternehmen die gleiche oder eine ähnliche Geschäftstätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen ausgeübt hätte …“

MittelstandsGmbH

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MarkenLizenzen

User

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Fall 5: Passive Entstrickung durch Umsetzung von EU-RL

Passive Entstrickung hinsichtlich Nutzung von immateriellen Wirtschaftsgütern durch die erstmalige Begründung der signifikanten digitalen Präsenz?

Art. 4 Abs. 2: „Für Körperschaftsteuerzwecke wird von einer Betriebsstätte ausgegangen, wenn eine signifikante digitale Präsenz vorhanden ist, über die die Gesamtheit oder ein Teil einer Geschäftstätigkeit ausgeübt wird.“

Entstrickung der imm. WG durch Begründung der fiktiven Betriebsstätte nach Umsetzung RL?

§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG: „Einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke steht der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich.“

§ 12 Abs. 1 Satz 1 KStG: „Wird bei der Körperschaft (…) das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt, gilt dies als Veräußerung oder Überlassung des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert; (…)“.

Zuordnung der immateriellen Wirtschaftsgüter?

Wann wird ein WG der BS „zugeordnet“? Bei vorübergehender Nutzung wohl nur Erfassung der Nutzung als solche (HHR/Musil, § 4 EStG Rn. 232) ohne Realisierung stiller Reserven (Musil/Weber-Grellet/Oellerich, § 12 KStG Rn. 289). P: Langfristige Nutzung?

Problem: Gesetzgeber sieht im umgekehrten Fall keine „Nutzungsverstrickung“ im Inland vor.37

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Reichweite der Gewerblichkeitsfiktionenim Rahmen der beschränkten SteuerpflichtDr. Thomas Töben (Schnittker Möllmann Partners)

Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben 38

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Gliederung

Gewerblichkeitsfiktionen im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht

Fall 1: Butter bei die Fische – Hart aber Fair: Der Fakten-Check (BFH I R 58/15)

Fall 2: Bier auf den Seychellen (FG Hamburg v. 12.6.2003, VI 6/01)

Fall 3: Außen vor: Gewerbliche, ausländische Einkünfte (BFH v. 24.2.1988, I R 95/84)

§ 15 III 3 und § 49 EStG: BA, Sondervergütungen, Gewerbliche Prägung und Infizierung

Fall 4: Variante: Keine beschränkte Stpfl. wegen gewerblicher Prägung im Ausland

Fall 5: Exkurs: Keine GewSt wegen gewerblicher Prägung im Ausland?

Fall 6: Prägung rauf und runter: Geht’s noch?

Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben 39

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§ 15 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG(1) 1Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind

1. Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen. ……

2. 1die Gewinnanteile der Gesellschafter einer OHG, einer KG und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist,

und die Vergütungen,

• die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft

• oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern

bezogen hat.

(3) Als Gewerbebetrieb gilt in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit

1 einer OHG, einer KG oder einer anderen Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 ausübt oder gewerbliche Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 bezieht,

2. einer PersGes, die keine Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 ausübt und bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind (gewerblich geprägte Personengesellschaft).

(1) § 49 Beschränkt steuerpflichtige Einkünfte

(1) Inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Absatz 4) sind

1. Einkünfte aus einer im Inland betriebenen L&F (§§ 13, 14);

2. Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17),

a) für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist,

40Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben

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Fall 1: BFH I R 58/15 (Chile): “Butter bei die Fische”Facettenreich: ja, aber auch ein Lehrbuch- und Examensfall?

Fragen:

Abgeltungswirkung der KapESt:

Nicht bei Bezug über gewerblich geprägte KG

Aber: Vermögenszuordnung / Zuordnung von KapGes-Anteilen nach dem Veranlassungsprinzip:

Eindeutig falsch oder eindeutig richtig?So FW bzw. RW - IStR Tagung 2018 Berlin

Und: Substanz im Ausland:

Je substanzloser desto besser?

Schicksal von § 50d III EStG?

Wackelt Wacker?

Überlegungen anlässlich einer Tagung im Februar 2019 in Hamburg

41Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben

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Beteiligungseinkünfte einer inländischen GmbH & Co KG mit auch ausländischen

Gesellschaftern (Inbound)

BFH v. 29.11.2017 - I R 58/15; FR 2018, 562

FG Bremen Urteil vom 25.06.2015 - 1 K 68/12 (6): Inländische Betriebsstätte einer vermögensverwaltenden

gewerblich geprägten GmbH & Co. KG; EFG 2016, S. 88,

(INBOUND) – CHILE -

KESt-Abgeltungswirkung bei gewerblich geprägten Personengesellschaften

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Hart aber Fair: Der Fakten-Check

Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben

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43Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben

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44Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben

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45Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben

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Fall 2: Beschränkte Steuerpflicht und gewerbliche PrägungFG Hamburg, Urt. v. 12.6.2003, VI 6/01 (rkr.): „Bier auf den Seychellen“

Fragen:

Unterliegt die A-BV mit den anteilig auf

sie entfallenden, von der in einem Nicht-

DBA-Staat ansässigen Ltd.

ausgeschütteten Dividenden der

deutschen beschränkten Steuerpflicht

und auch der deutschen Gewerbesteuer?

Berücksichtigung der auf die A-BV

entfallenden Dividenden im Rahmen der

gesonderten und einheitlichen

Gewinnfeststellung gemäß § 180 AO?

Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben 46

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Fall 2a: Beschränkte Steuerpflicht und gewerbliche PrägungFG Hamburg, Urt. v. 12.6.2003, VI 6/01 (rkr.): „Bier auf den Seychellen“

2. Eine gewerblich geprägte deutsche GmbH & Co. KG, die ausschließlich an einer Brauerei (Kapitalgesellschaft) auf den Seychellen beteiligt ist, hat dort eine Betriebsstätte i. S. von § 12 AO, wenn der GmbH-Geschäftsführer auf den Seychellen eine eigene Wohnung besitzt, sich mehrere Monate im Jahr dort aufhält, als Direktor der Brauerei in deren Räumen tätig wird und auf den Seychellen die Gesellschafterversammlungen der GmbH & Co. KG vorbereitet und durchführt.

3. Wird die Beteiligung an der Brauerei auf den Seychellen ansonsten in einem Büro eines Kommanditisten in Deutschland verwaltet, so besteht hier eine Betriebsstätte nach nationalem Recht (§ 12 AO). Der Gewinn aus der Beteiligung ist aber der Betriebsstätte auf den Seychellen zuzuordnen, weil dort - und nicht in Deutschland - der unternehmerische Erfolg der GmbH & Co. KG bewirkt wird.

4. Ist ein Niederländer an der inländischen Geprägegesellschaft beteiligt, so kann der auf ihn entfallende Teil des Gewinns aus den Dividenden und der Veräußerung der Beteiligung an der Brauerei in Deutschland nicht besteuert werden, weil eine Geprägegesellschaft im abkommensrechtlichen Sinne keine Betriebsstätte hat.

47Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben

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Fall 2b: Beschränkte Steuerpflicht und gewerbliche Prägung

„Da eine Personengesellschaft selbst nicht einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig ist, können Einkünfte eines gebietsfremden Mitunternehmers, die

nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegen (§ ESTG § 49 EStG) oder

die nach einem DBA von der inländischen Besteuerung freizustellen sind,

nicht als steuerpflichtige inländische Einkünfte festgestellt werden.“

BFH v. 18.12.2002, I R 92/01, BFH/NV 2003, 964: Betriebsstättengewinnermittlung bei Metageschäften:

Betriebsstätten sind die erzielten Betriebseinnahmen (Vermögensmehrungen) und Betriebsausgaben (Vermögensminderungen) zuzuordnen. Dabei ist darauf abzustellen, auf welche Tätigkeiten oder Wirtschaftsgüter die Betriebseinnahmen (Vermögensmehrungen) zurückzuführen sind, wer die Tätigkeiten ausgeübt hat und welcher Betriebsstätte die ausgeübten Tätigkeiten oder die eingesetzten Wirtschaftsgüter tatsächlich zuzuordnen sind. In gleicher Weise sind die Betriebsausgaben (Vermögensminderungen) festzustellen und zuzuordnen.

BFH in BStBl II 1988, BSTBL 1988 II 663:

Der Gewinnanteil, der von dem Gewinn einer inländischen Personengesellschaft aus einer ausländischen Betriebsstätte auf einen nur beschränkt steuerpflichtigen Mitunternehmer entfällt, ist in der Bundesrepublik nicht steuerbar.

Der gemäß Nr. 1 nicht steuerbare Teil des Gewinnanteils des nur beschränkt steuerpflichtigen Mitunternehmers darf weder als Gewinn der Personengesellschaft gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 noch als steuerfreier Gewinnanteil gemäß § 180 Abs. 5 AO 1977 gesondert festgestellt werden.

Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben 48

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Fall 3: Keine beschränkte StPfl. ausländischer BS-Einkünfte?„Außen vor - Gewerbliche, ausländische BS-Einkünfte “

Frage:

Unterliegt der nur in der Schweiz ansässige

R mit den anteilig auf ihn entfallenden

Einkünften aus einer Bohrstelle (

Betriebstätte) in einem Nicht-DBA-Staat,

welche der originär gewerblichen X-KG

gehört und von dieser betrieben wird, der

inländischen beschränkten

Einkommensteuerpflicht und auch der

deutschen Gewerbsteuer?

BFH v. 24.2.1988, I R 95/84, BStBl II 1988, 663

Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben 49

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Fall 4: Keine beschränkte Steuerpflicht wegen gewerblicher Prägung im Ausland

Fragen:

Unterliegt der nur in der Schweiz ansässige R mit den anteilig auf ihn entfallenden Einkünften (Dividenden / Anteilsveräußerungsgewinnen) der Y-LP in einem Nicht-DBA-Staat, der inländischen beschränkten Einkommensteuerpflicht und auch der deutschen Gewerbsteuer?

Sind die auf anteilig entfallenden Dividenden/ Anteilsveräußerungsgewinne im Rahmen der § 180 AO Feststellung auf Ebene der X-KG zu berücksichtigen?

Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben 50

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Fall 4: Keine beschränkte Steuerpflicht wegen gewerblicher Prägung im Ausland

Fragen:

Unterliegt der nur in der Schweiz ansässige R mit den anteilig auf ihn entfallenden Einkünften (Dividenden / Anteilsveräußerungsgewinnen) der Y-LP in einem Nicht-DBA-Staat, der inländischen beschränkten Einkommensteuerpflicht und auch der deutschen Gewerbsteuer?

Sind die auf anteilig entfallenden Dividenden/ Anteilsveräußerungsgewinne im Rahmen der § 180 AO Feststellung auf Ebene der X-KG zu berücksichtigen?

Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben 51

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Fall 5: Exkurs: Keine GewSt wegen gewerblicher Prägung?

Frage:

Unterliegt die GmbH mit den anteilig auf sie

entfallenden Dividenden der ausländischen,

bloß vermögensverwaltenden Y-LP der

inländischen Gewerbesteuer auch dann,

wenn die Y-LP gewerblich geprägt ist?

Ist die Antwort eine andere, wenn die Y-LP

in einem DBA-Staat beheimatet ist?

Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben 52

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Fall 4: Keine beschränkte Steuerpflicht wegen gewerblicher Prägung im Ausland

Fragen:

Unterliegt der nur in der Schweiz ansässige R mit den anteilig auf ihn entfallenden Einkünften (Dividenden / Anteilsveräußerungsgewinnen) der Y-LP in einem Nicht-DBA-Staat, der inländischen beschränkten Einkommensteuerpflicht und auch der deutschen Gewerbsteuer?

Sind die auf R anteilig entfallenden Dividenden / Anteilsveräußerungs-gewinne im Rahmen der § 180 AO Feststellung auf Ebene der X-KG zu berücksichtigen?

Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben 53

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Fall 6: Inländische Ober-Personengesellschaft Prägung / Infizierung rauf und runter: Geht’s noch?

Chart 1: Beschränkte Stpfl. von A mit Dividenden an Y-LP und Z-LP?

Chart 2: Beschränkte Stpfl. von A mit gewerblichen Dividenden an Y-LP und / oder Z-LP? DBA-Schutz?

Chart 3: Beschränkte Stpfl. von A mit (fiktiv gewerblichen?) Dividenden an Y-LP, weil X-KG durch Z-LP trotz DBA mit Staat B vertikal „von unten nach oben“ gewerblich infiziert wird?

Chart 4: Beschränkte Steuerpflicht von A mit (fiktiv gewerblichen?) Dividenden an Z-LP?

Chart 5: Beschränkte Steuerpflicht von A mit (fiktiv gewerblichen?) Dividenden von Ltd aus Staat B, weil X-KG durch Y-LP „von unten nach oben“ gewerblich infiziert wird?

Gewerblichkeitsfiktion im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Töben 54

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4. Berliner UnternehmenssteuerforumBerlin, 8. April 2019

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!