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Böhmische Lautenisten des Barock - Folge 5 - Jean Berdolde Bernard Bleystein de Prage Musik für die 11-chörige Barocklaute Michael Treder

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Page 1: Pleystein de Prage - Tabulatura.eu

Böhmische Lautenisten des Barock- Folge 5 -

Jean Berdolde Bernard

Bleystein

de Prage

Musik für die11-chörige Barocklaute

Michael Treder

Page 2: Pleystein de Prage - Tabulatura.eu

Erstmals erschienen in: Lauten-Info der DLG e.V. 3/2012

Page 3: Pleystein de Prage - Tabulatura.eu

Böhmische Lautenisten des Barock. Lautenkunst in den österreichischen Habsburger

Landen Teil 5

Jean Berdolde Bernard Bleystein de Prage Musik für die

11-chörige Laute

1. Anknüpfung

Laute und Gitarre gehörten in den (österreichischen) Habsburger Landen zur Musikpflege des Adels wie auch bei Hofe in Wien von der zweiten Hälfte des 17. bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein. Selbst Kaiser und Mitglieder der kaiserlichen Familie lernten und spielten Lauten-Instrumente - Instrumente, die von Nicht-Adligen gebaut, die professionell (im Sinne des Broterwerbs) auch von Nicht-Adligen gespielt wurden, für die (auch) von Nicht-Adligen Musik komponiert wurde. Ein Aspekt, der, wenn es um Beobachtungen und Erklärungsmuster zur Entwicklung der „bürgerlichen Gesellschaft“ mit einer „Verbürgerlichung von Kunst, Literatur und Musik“ hinsichlich des Lautenspiels beim (wohlhabenden) Bildungsbürgertum geht, vermutlich eher in die Kategorie „Imitation“ oder „Adaption adliger Lebensformen“ denn als (mögliche) Behauptung und/oder Rückeroberung eingeordnet wird.1

1 Zu diesem Aspekt an anderer Stelle ausführlicher. Zur verwendeten Terminologie siehe SCHLEUNING, Peter: Der

Bürger erhebt sich. Geschichte der deutschen Musik im 18. Jahrhundert, Stuttgart/Weimar 2000. Siehe auch BALET, Leo/GERHARD, E. [d. i. Eberhard Rebling]: Die Verbürgerlichung der deutschen Kunst, Literatur und Musik im 18. Jahrhundert, Straßburg und Leiden, Heitz 1936, 2. erweiterte Ausgabe Frankfurt am Main et al. 1979. Die darin enthaltene Sichtweise wirkt auf mich aus heutiger Sicht an den Stellen, bei denen sich die Autoren auf die marxistische Kategorien zur Erklärung historischer Entwicklungen beziehen und als Erklärungsmuster verwenden, vor allem verkürzend und eine Differenzierung abblockend. Dessen ungeachtet ist das Buch nicht nur ein (seinerzeit heftig umstrittenes) Zeitdokument: es war impulsgebend für Reflexionen über die Genese der bürgerlichen Gesellschaft und sollte schon von daher benannt und zur Lektüre empfohlen werden.

Michael Treder
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- 2 - Mit dem Fokus „Laute“ ist gleichwohl die Frage nicht von der Hand zu weisen, ob die Pflege der (Barock-) Laute als Instrument für das Solo-Spiel (oder für die wenigen erhaltenen Duette) bei Hofe und in dessen sozialem Umfeld für den genannten Zeitraum - begünstigt oder sogar provoziert durch entsprechende musikalische Präferenzen der Kaiser - möglicher Weise ein Phänomen in einer Teil-Gruppe des Hochadels war; eine Gruppe, aus der heraus wichtige Ämter bei Hofe bekleidet wurden und die sich durch Heiraten untereinander stabilisierte.2

Veränderungen bei Produktion, Präsentation und Rezeption im musischen Bereich sind selbst kon-stitutiver Bestandteil sozialer Entwicklungen. Hierzu zählen sicherlich auch das Entstehen von In-stitutionen, die Teil der „Verbürgerlichung von Kunst, Literatur und Musik“ waren. Zu nennen sind an dieser Stelle als Beispiele das „Collegium musicum“ in Breslau3 sowie die „Mu-

sikalische Akademie“ in Prag4. Das „Collegium musicum“ in Breslau war vermutlich bereits bei

seiner ersten Gründung (1710 ?) beides: ein Zusammenschluss von Musikern und eine Institution zur Durchführung von Konzerten.5 Anders lassen sich die autobiografischen Angaben von Gottfried

Heinrich STÖLZEL (1690 - 1749), er habe sein erstes musikdramatisches Werk („Narcissus“) in Breslau mit dem „Collegium musicum“ aufgeführt (1711 oder 1712),6 nicht in Deckung bringen mit

dem expliziten Bezug bei Beantragung der Einrichtung einer „Musikalischen Akademie“ auf das beispielgebende „Collegium Musicum“ in Breslau.

2 Siehe dazu ausführlich TREDER, Michael: Johann Anton Losy. Stücke für Barocklaute aus der Kalmar-Handschrift

(MS S-Klm21072), TREE-Edition 2012. 3 Siehe dazu einige Hinweise bei TREDER, M.: Böhmische Lautenisten des Barock. Lautenkunst in den

österreichischen Habsburger Landen. Folge III: „Häußler“. In: Lauten-Info der DLG e.V. 3/2011, Redaktion: Joachim Luedtke, Frankfurt am Main, S. 14 f.

4 Siehe NETTL, Paul: Zur Geschichte des Konzertwesens in Prag. In: Zeitschrift für Musikwissenschaft, 5. Jhg., Oktober 1922 – September 1923, Leipzig, S. 157 ff.

5 Bereits im Jahre 1710 wurden weltliche und religiöse Kompositionen im Redoutensaal des Wirtshauses „Zum blauen Hirsch“ an der Ohlauer Strasse (Nr. 7) in Breslau präsentiert. Siehe BIELECKI, Artur/JASTRZAB, Przemysław/KARPETA, Piotr/KOTYŃSKA, Edyta (Hrsg.): Ausstellungskatalog Nr. 6 „Die Musik der schlesischen Komponisten vom 15. bis zum 20. Jh. (II.Teil)“ im Rahmen des von der EU geförderten Projektes „Bibliotheca sonans“, S. 13 f. Online verfügbar unter http://www.bibliothecasonans.info/

6 Siehe dazu die Angaben von G.H. Stölzel bei MATTHESON, Johann: Grundlage einer Ehrenpforte ..., Hamburg 1740, S. 344. Stölzel ist erstmals 1710 in Breslau belegt. Er gab Musikunterricht „in den vornehmsten gräflichen und adelichen Häusern im Singen und auf dem Clavier ...“.

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- 3 - Sekundär-Quellen ist zu entnehmen, dass sich das „Collegium ...“ 1720 neu konstituierte;7 und zwar

unter der Leitung des (Nicht-Adligen) Anton Albrecht Koch (? - 1739/1745),8 der das „Collegium

...“ als Ensemble und Forum zur Aufführung auch seiner eigenen Kompositionen nutzte und sich bereits seit ca. 1710 in Breslau aufhielt.9 Leider hat es bislang zu meinen Nachfragen bei der

„Schlesischen Sammlung“ in der Bibliothek der Universität Wroclaw zur Geschichte der (zweifa-chen) Gründung und der Praxis des „Collegiums ...“ keine Rückmeldungen gegeben. So bleibt auch weiterhin die Frage offen, ob das „Colegium musicum“ eine im Wesentlichen „bürgerliche“ Institu-tion war; „bürgerlich“, was Gründung, Darbietung (Komponisten, Musiker) und Publikum anbe-langt. Hinsichtlich der „Musikalischen Akademie“ in Prag ist gewiss, dass ihre Einrichtung 1713 von vier Prager Bürgern beantragt wurde: 10 Georg Adalbert Kalivoda, A.J. Prößl, P.F.

Kreutzberger und Jan Žwiny. Bei Jan Žwiny könnte es sich bei dem von Gottfried Johannes DLABACŽ11 erwähnten Žiwný

handeln: „ein sehr geschickter Waldhornist, von Geburt ein Böhme, der sich einige Jahre zu Stutgart und Zweibrück aufgehalten hat“12.

Nach dieser Beschreibung handelt es sich auf jeden Fall um einen der Brüder Joseph, Wenzel oder Jacob, die, aus Böhmen stammend, der Mannheimer Hofkapelle angehörten (seit Mitte der 1740er Jahre).13 Vom Namen her ist eine Identität Žwiny/Žiwný nicht zwingend, aber auch nicht von vorn-

herein auszuschließen. Allerdings: Josef Žiwný war 1765 nachgewiesen noch tätig. Wenn er iden-tisch mit dem Prager Bürger Jan Žwiny sein soll, muss er relativ alt geworden sein: 1713, bei Ein-reichung der Petiton gegenüber dem Rat der Stadt, heiße es, er sei „Bürger“. Demnach handelt es sich um einen Erwachsenen, der wahrscheinlich älter als 21 Jahre alt gewesen sein wird. 1765 wäre er dann 73 Jahre alt gewesen.

7 Siehe SCHEITLER, Irmgard: Deutschsprachige Oratorienlibretti von den Anfängen bis 1730, Paderborn 2005, S.

331. 8 Siehe die Erwähnung durch Johann Balthasar Reimann bei MATTHESON, J.: a.a.O., S. 291 sowie die Einträge bei

GERBER, Ernst Ludwig: Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler, welches Nachrichten von dem Leben und den Werken musikalischer Schriftsteller, berühmter Komponisten, Sänger, Meister auf Instrumenten, kunstvoller Dilettanten, Musikverleger, auch Orgel- und Instrumentenmacher, älterer und neuerer Zeit, aus allen Nationen enthält, Bd.3, Leipzig, 1813, Sp. 81 und EITNER, R.: a.a.O., Bd. 5, Leipzig 1901, S. 399. Dort heißt es: “... starb als hochfürstl. Kapellmeister in Bernstadt (Schlesien) ... Um 1710 lebte er in Breslau und machte sich durch seine Singspiele bekannt, die in Oels z.B. alljährlich an St. Martini aufgeführt wurden“.

9 Siehe MATTHESON, J.: a.a.O., S. 291. 10 Siehe hierzu TREDER, M.: "Partie de l'Année 1720 a l'honneur L.C.J. de M. GA Kalivoda". Georg Adalbert

Kalivoda (18th Century). Ut Orpheus (Italy, 2010). 11 DLABACŽ, Gottfried Johannes: Allgemeines historisches Künstler-Lexikon für Böhmen und zum Theil auch für

Mähren und Schlesien. Drei Bände (1813-1815). Reprint herausgegeben von BERGNER, Paul, Hildesheim/New York 1973.

12 Ebenda, Bd. 3, 1815, Sp. 447. 13 GRÜNSTEUDEL, Günther: Klarinetten und Klarinettisten am Oettingen-Wallersteiner Hof. In: Rosetti-Forum 9,

Mitteilungen der Internationalen Rosetti-Gesellschaft, Wallerstein 2008, S. 18.

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- 4 - Georg Adalbert Kalivoda jedenfalls war Hornist und Lautenspieler,14 der heute bekannt ist durch

die „Petit Partie del’ Année 1720 al’ honneur L:C:J.d.M: par G. A. Kalivoda“15. Es ist ferner be-

kannt, dass er sich von 1713 bis 1723 in Prag aufhielt und dort Maria Anna von Waldstein und Wartenberg (1707 - 1762)16 Musikunterricht gab.17 Über die beiden anderen Petenten,Andre Jo-seph Prößl und Philipp Frantz Kreutzberger , habe ich keine weiteren biografischen Hinweise gefunden. Möglicher Weise waren die vier Petenten für die Einrichtung einer „Musikalischen Aka-demie“ in Prag nur „Strohmänner“ für Adlige, denen der Unterhalt einer eigenen Kapelle bzw. die Beschäftigung einzelner Musiker sowie die Durchführung von Veranstaltungen im eigenen Hause mit musikalischer Unterhaltung zu teuer waren: eine (halb-öffentliche) „Musikalische Akademie“ bot eine vergleichsweise preisgünstige, gesichtswahrende Alternative (Beitrag für Jahresmitglied-schaft; Möglichkeit des kostenpflichtigen Besuches von Einzelkonzerten für Durchreisende). In Wien wurde zwar bereits 1725 die „Musikalische Congregation“ als eine Art „Künstlersozialver-sicherung“ (mit Beitragsordnung und Erwartung, dass im Todesfalle die Congregation mit bedacht wird) mit den Primäraufgaben: Organisation von Krankenbesuchen, Sicherstellung des Begräbnis-ses mit Seelenmesse nach dem Tod, gegründet. Sie bestand aus den Mitgliedern der Hofkapelle, war aber auch offen für andere („Liebhaber der Music“),18 Frauen eingeschlossen (mit der Beschränkung

auf solche, „so den Zutritt bei dem Kaiserl. Hof haben“).19 Zu den Gründungsmitgliedern gehörte

auch der Theorbist und Hofkompositor Francisus (Francesco) Conti20 in Funktion als Vorstandsmit-

glied („Rat“). Von 1752 bis 1757, dann in einer zweiten Phase bis 1772 etablierte sich an den spielfreien Tagen (Freitag, hohe Feiertage, Fastenzeit) im Burg-Theater eine „musikalische Akademie“ mit öffentli-chen Konzerten, die gegen Eintritt besucht werden konnten.21 Ob hinter dieser Einrichtung auch

eine besondere Organisationsform wie in Breslau oder Prag (ein „Verein“ im heutigen Sinne) be-stand, vermochte ich bislang noch nicht zu klären. Erst 1771 wurde die „Tonkünstler Societät“ durch den Hofkapellmeister Florian Gaßmann (1729 - 1774) gegründet. 14 Siehe ZUTH, Josef: Handbuch der Laute und Gitarre, Wien 1926/1928, S. 152. 15 Siehe TREDER, M.: „Partie ...“, a.a.O. 16 Maria Anna von Waldstein und Wartenberg heiratete 1723 Joseph Wilhelm Ernst von Fürstenberg (1699 - 1762). Die

Daten deuten darauf hin, das der Musikunterricht von Maria Anna mit der Vermählung endete. 17 Siehe VOLEK, Tomislav: Hudba u Furstenbergu a Waldsteinu. In: Miscellanea Musicologica, VI, Prag 1958, S. 119

f. 18 HANSLICK, Eduard: Geschichte des Concertwesens in Wien, Wien 1869, S. 28 ff. 19 HANSLICK, E.: a.a.O., S. 29 f. 20 Conti, Francesco Bartolomeo (Florenz 1681 - 1732 Wien). Tätig bei Hofe in Wien: April 1701 bis Sept. 1703,

vermutlich unregelmäßig auch in der Zeit bis zur Festanstellung als Hoftheorbist in der Hofmusikkapelle im Jan. 1708. Er verstarb als aktives Mitglied der Hofkapelle im Juli 1732. Aufenthalte in Berlin und London. Für London ist das Spiel auf Theorbe und Mandoline belegt. Wurde 1714 (rückwirkend gesetzt auf 1713) von Karl VI. zum Hofkompositor ernannt. Neben seinen Opern für den Karneval (Fasching), Oratorien für die Fastenzeit und Cantaten gibt es eine Handvoll Instrumentalwerke, zu denen auch eine „Sonata al Mandolino solo & Basso“ zählt (MS CZ-PuKk36), entstanden nach 1700. Mit dieser Sonate wie dem Einsatz von Mandoline und Theorbe als obligate Instrumente in einigen seiner Opern, Cantaten und Oratorien schuf er die Möglichkeit, virtuoses Spiel auf diesen Instrumenten zu demonstrieren. Siehe TREDER, M.: Johann Anton Losy ..., a.a.O., S. 41.

21 HANSLICK, E.: a.a.O., S. 5 f.

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- 5 - Diese war zum einen ein Pensionsverein, zum anderen Konzertinstitut, dessen Veranstaltungen ge-gen Eintritt besucht werden konnten.22

Ohne diesen Aspekt jetzt vertiefend bearbeitet zu haben scheint es so, als habe sich das öffentliche Konzertwesen als (bürgerliche) Institution nicht in Wien, Haupstadt des Reiches und Zentrum der Habsburger Macht, entwickelt. Es ist Ziel, im Rahmen der Reihe vor allem Kompositionen aus dem 17. und 18. Jahrhundert allgemein (wieder) zugänglich zu machen, die einem traditionell als „Böhmische Lautenisten“23

zusammengefassten Personenkreis bzw. den Vertretern der „Böhmischen Lautenkunst“ zugeschrieben werden.24 Dass es wohl sachlich sinnvoller sein dürfte, von der Lautenkunst in den

(österreichischen)25 Habsburger Landen zu sprechen,26 soll u.a. auch im Rahmen dieser Reihe

vermittelt werden. In Folge 1 der Reihe ging es um Aureo (oder Aureus/Aurius/Audius) Dix (1669-1719), Lautenist in Prag.27 Folge 2 widmete sich der Frage „'Antony(ij)/Antoni '. Anton(ius)/Antonin Eckstein oder

Johann Christian Anthoni von Adlersfeld?“, beide auch mit Prag bzw. der Lautenmusik mittel- oder unmittelbar verbunden.28 Häußler stand im Mittelpunkt von Folge 3.29

Zu Häußler gibt es bislang an Informationen nur die zwei Sätze in der „Untersuchung des Instruments der Laute ...“ bei Ernst Gottlieb BARON.30 Auch der Versuch einer Annäherung in

Folge 3 hat zu keinen belastbaren Ergebnissen, aber einer Reihe interessanter Fragen geführt. Möglicher Weise stammt die Aria Hoisler (oder Heisler) im MS CZ-BsaE4-1040 (f. 5r) aus der Feder des von BARON beschriebenen Häußler. 22 Siehe auch MORROW, Mary Sue: Concert Life in Haydn’s Vienna: Aspects of a Developing Musical and Social

Institution, Stuyvesant, NY: Pendragon Press, 1989. 23 Wird eine männliche Form gewählt, schließt dies im Folgenden ohne weitere Erwähnung immer auch die weibliche

ein: Lautenist/Lautenistin. 24 ZUTH, Josef: Handbuch der Laute und Gitarre, Wien 1926/1928, S. 173 f. 25 Der hier einmal ausgebrachte Hinweis „österreichisch“ dient zur Klarstellung, dass es sich nicht um das Territorium

der spanischen Linie der Habsburger (endend mit Karl II. im Jahre 1700) handelt. 26 Siehe hierzu auch TREDER, Michael/SCHLEGEL, Andreas: Lautenmusik der Habsburger Lande. In:

SCHLEGEL, A./LUEDTKE, Joachim: Die Laute in Europa 2. Lauten, Gitarren, Mandolinen und Cistern, Menziken 2011, S. 288 ff.

27 TREDER, M.: Böhmische Lautenisten des Barock. Folge I. Aureo Dix. Musik für die 11-chörige Barocklaute. In: Lauten-Info der DLG e.V. 1/2008, Redaktion: Dr. Joachim Luedtke, Frankfurt am Main, S. 11 ff.

28 TREDER, M. (in Zusammenarbeit mit Markus LUTZ): Boehmische Lautenisten und boehmische Lautenkunst. Folge II: „Antony(ij)/Antoni“. Anton(ius)/Antonin Eckstein oder Johann Christian Anthoni von Adlersfeld? In: Lauten-Info der DLG e.V. 3/2009, Redaktion: Dr. Joachim Luedtke, Frankfurt am Main, S. 8 ff.

29 TREDER, M.: ... „Häußler“, a.a.O. 30 BARON, Ernst Gottlieb: Historisch-Theoretische und Practische Untersuchung des Instruments der Lauten, Mit

Fleiß aufgesetzt und allen rechtschaffenen Liebhabern zum Vergnügen heraus gegeben, Nürnberg 1727 (Reprint TREE-Edition 2011), S. 76. Siehe die Hinweise der Kritik und Rezeption bei TREDER, M: ...“Häußler“, a.a.O., S. 9 sowie zur Mattheson-Baron-Kontroverse TREDER, M.: Ein irdisches Vergnügen in der Barocklaute, Bd. I (Vorwort), TREE-Edition 2010, S. 23 ff.

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- 6 - Weitere ihm zuzuordnende Stücke sind bislang nicht bekannt. Achatius/Achaz Casimir Huelse/Hültz/Hiltz, bei BARON als „Cammer Diner“ von Graf Losy d.J. ausgewiesen,31 stand

mit Mittelpunkt der Folge 4.32 Dass Achatius/Achaz Casimir Huelse/Hültz/Hiltz, Sohn des in

Nürnberg ansässigen Geigen- und Lautenbauers Paul Casimir Hiltz (zwischen 1618 und 1625 [1636 erste Erwähnung] - nach 1664 und vor 1708) keine fiktive Figur ist und Musik nicht nur aus Leidenschaft, sondern zur Existenssicherung betrieb, konnte von Klaus MARTIUS schon 1989 nachgewiesen werden. In welchem Verhältnis Huelse und Losy tatsächlich zueinander standen (Diener - Herr, Schüler - Lehrer?), wo diese Beziehung zu lokalisieren war und wer von wem im Hinblick auf die Musik und insbesondere die Laute profitierte, ist weder auf Basis der Angaben bei BARON noch aus sonstigen bisher bekannten Dokumenten eindeutig abzulesen bzw. zu erschließen. Lebensmittelpunkt von Huelse war auf jeden Fall nicht das Königreich Böhmen.

Jean Berdolde Bernard Bleystein de Prage ist derzeit ein Name mit vielen Fragezeichen. Bislang ist nur ein ihm über einen entsprechenden Hinweis zum Titel zugeschriebenes Stück im Manuskript AU-LHD 243 für die Laute bekannt: „Adieu de la maitresse“. Möglicher Weise stammen auch die beiden folgenden Stücke von diesem Komponisten: „La Double „und das anschließende „Autrement“. Das heute unter der Signatur AU-LHD 243 in der Louise Hanson-Dyer Music Library der Universität Melbourne (Australien) geführte Manuskript mit Tabulaturen für die 11-chörige Barocklaute wurde im 20. Jahrhundert erstmals von Adolf KOCZIRZ in seinem Grundlagen-Aufsatz „Österreichische Lautenmusik zwischen 1650 und 1720“ im Kontext der Erwähnung ihm bekannter (bzw. von ihm so kategorisierter) „Prager Lautenisten“33 erwähnt.

Als Besitzer wurde Dr. Werner Wolffheim34 festgehalten. Im beschreibenden Katalog von Wolfgang

BÖTTICHER wurde das Manuskript 1978 als „Wolfheim Nr. 53“35 ausgewiesen.36

31 BARON, E.G.: a.a.O., S. 75. 32 TREDER, M.: Böhmische Lautenisten des Barock. Lautenkunst in den österreichischen Habsburger Landen Folge

IV. Achatius/Achaz Casimir Huelse/Hültz/Hiltz. In. Lauten-Info der DLG e.V. 1/2012, Redaktion: Joachim Luedtke, Frankfurt am Main 2012, S.8 ff.

33 KOCZIRZ, Adolf: Österreichische Lautenmusik zwischen 1650 und 1720. Biographisch-bibliographischer Teil zum Band 50, Jahrg. XXV der „Denkmäler der Tonkunst in Österreich“. In: Studien zur Musikwissenschaft, Bd. V, Beiheft der Denkmäler der Tonkunst in Österreich, Leipzig/Wien 1918, S. 49 ff. KOCZIRZ führt „Johann Bernhard Berthold Bleystein“ als einen nicht bei Ernst Gottlieb BARON in dessen „Untersuchung ...“ genannten „Prager Lautenisten“ ein. Siehe dazu weiter unten die Versuche zur Einkreisung der Person.

34 Dr. Werner Wolffheim (1877 - 1930), Jurist, Musiksammler, Musikwisschenaftler und Kritiker, hatte eine umfangreiche Privatbibliothek zusammengetragen, die 1928/29 (sowie 1930) versteigert wurde. Die Bibliothek enthielt auch Lautentabulatur-Drucke sowie Tabulatur-Manuskripte. Lesenswert ist der detailreiche Ver-steigerungskatalog: Versteigerung der Musikbibliothek des Herrn Dr. Werner Wolffheim. Versteigerung durch die Firmen Martin Breslauer und Leo Liepmannssohn (Katalog), 2 Bände, Berlin 1928/29. Siehe die Einträge zu W. Wolffheim in VIERHAUS, Rudolf (Hrsg.): Deutsche biographische Enzyklopädie, 2. Auflage, München 2008, S. 741; GURLITT, Wilibald: (Hrsg.): Riemann Musik Lexikon, 12. völlig neu bearbeitete Auflage in drei Bänden, Personenteil L-Z, Mainz 1961, S. 945; MGG, 2., neubearbeitete Ausgabe, Personenteil 17, Kassel et al. 2007, Sp. 1122.

35 BOETTICHER, Wolfgang: Handschriftlich überlieferte Lauten- und Gitarrentabulaturen des 15. bis 18.

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- 7 - Zum Zeitpunkt der Beschreibung durch Monique ROLLIN im Rahmen des Standardwerks „Catalogue Des Sources Manuscrites En Tablature. Luth et théorbe. c.1500-c.1800. Catalogue descriptif“, herausgegeben von Christian MEYER et al.,37 wurde das MS als „F-Polyre 173“38 in

der Collection de L'Oiseau-Lyre in Paris verwahrt. Seit 2006 befindet es sich als Teil der Louise Henson-Dyer (1884 – 1962)-Sammlung39 unter der Signatur LHD 243 in der Louise Hanson-Dyer

Music Library der Universität Melbourne (Australien).40

Außer Jean Berdolde Bernard Bleystein de Prage sind als Komponisten der im MS enthaltenen Stücke identifiziert: Gautier („de Vienne“ = Ennemonde; 1575 - 1651)41, Achatius/Achaz Casimir

Huelse (Hültz/Hiltz; 1658 – 1723)42, Pinel (Germain, 1600 - 1661; oder einer seiner Brüder:

Séraphin, François) und Esaias Reusner (1636 - 1679).43 ROLLIN setzt als möglichen

Entstehungszeitpunkt die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert an.44 Vom Repertoire, der Stimmung

(alle Stücke stehen in D-Dur: C#-D–E–F#-G–A–d –f#-a–d'–f'#) und den vertretenen Komponisten (soweit diese zeitlich zu verorten sind) her gesehen nehme ich an, dass das Manuskript eher vor der Jahrhundertwende entstanden sein dürfte. Möglicher Weise liegt aber auch - wie bei anderen Manuskripten - eine Zeitverschiebung vor: entweder wurden gezielt die „Hits von gestern“ festgehalten - oder die Vorlagen für die Abschrift (Zusammenstellung oder „1-zu-1“?) waren erst zu diesem Zeitpunkt verfügbar. Hilfreich für die weitere zeitliche Einkreisung dürfte die Zuordnung möglicher Weise vorhandener Wasserzeichen im verwendeten Papier sein. Eine entsprechende Anfrage liegt der Louise Hanson-Dyer Music Library vor.

Jahrhunderts, Beschreibender Katalog, München 1978, S. 43. Mit der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit von W. BOETTICHER ist erst sehr spät begonnen worden. Siehe dazu PRIEBERG, Fred K: Handbuch Deutsche Musiker 1933 - 1945, Kiel 2004 sowie JARCHOW, Ralf: Wir hätten wissen können, wenn wir hätten wissen wollen - Wolfgang Boettichers brauner Schatten auf der Musikwissenschaft zu Gitarre und Laute. In: Die Laute IX.-X. Jahrbuch der Deutschen Lautengesellschaft e.V., hrsg. von Dr. Peter KIRÁLY, Frankfurt am Main 2011, S. 88 ff.

36 BOETTICHER, W.: a.a.O., S. 43. 37 MEYER, Christian in Zusammenarbeit mit Tim Crawford, François-Pierre Goy, Peter Király, Monique Rollin

(Hrsg.): Catalogue Des Sources Manuscrites En Tablature. Luth et théorbe. c.1500-c.1800. Catalogue descriptif, 4 Bände, Baden-Baden - Bouxwiller 1991-1999.

38 ROLLIN, Monique: F-Polyre 173. In: MEYER, Chr. et al. (Hrsg.): a.a.O., Bd. 1, Baden-Baden - Bouxwiller 1991, S. 155 f.

39 Siehe SMITH, Katherine: Uni acquires French music press and rare collection, UniNews (The University of Melbourne) Vol. 15, No. 14, 7 - 21 August 2006.

40 Bei der Suche nach dem Verbleib des Manuskripts haben mich u.a. tatkräftig der Verlag Éditions de L'oiseau-Lyre (Lyrebird) - Monaco und Anthony Bailes (Arlesheim/CH) unterstützt. Evelyn Portek, Bibliothekarin der Louise Hanson-Dyer Music Library/Melbourne, hat es dann möglich gemacht, dass mir eine digitale Kopie des Manuskripts zur Verfügung gestellt wurde.

41 Gautier de Vienne (Dauphiné) = Ennemond G. (1575 - 1651), auch „G. de Lyon“ genannt. Siehe DOHRMAN, Christoph: Ennemond Gaultier, Gautier, Gaulthier. In: MGG, 2., neubearbeitete Auflage, Personenteil Bd. 7, Kassel et al. 2002, Sp. 622 ff.

42 Siehe TREDER, M.: ... Achatius/Achaz Casimir Huelse/Hültz/Hiltz. a.a.O. 43 Die Herausgabe des gesamten Manuskripts ist für 2012/2013 vorgesehen. 44 ROLLIN, M.: a.a.O., S. 155.

Page 10: Pleystein de Prage - Tabulatura.eu

- 8 -

2. Jean Berdolde Bernard Bleystein de Prage Ein J.B.B.B. de Prage wird von BARON in seiner „Untersuchung ...“ nicht erwähnt; auch nicht in denkbaren Spielarten dieses Namens, dem möglicher Weise eine deutsche (oder andere sprachliche) Form zu Grunde liegt, die eine französische Note erhalten hat. Keines der einschlägigen Nachschlagewerke, keiner der Aufsätze, in denen zu Beginn des 20. Jahrhunderts Forschungsergebnisse zu Komponisten für die Laute aus den Habsburger Landen dokumentiert wurden, noch aktuelle Publikationen enthalten Hinweise zu seiner Biografie. Ungewöhnlich auf jeden Fall ist die ausführliche Wiedergabe des Namens, wie sie im MS AU-LHD 243 zu dem nur 16 Takte umfassenden „Adieu de la maitresse“ zu finden ist: „de Monsieur Jean

Berdolde Bernard Bleystein de Prage“ – was immer im Einzelnen auch die Bedeutung der Namensteile sein mag. Viel häufiger sind – wenn überhaupt – Kurzformen in Manuskripten zu lesen (z.B.: „C.L.“ für Comte Losy) oder Variationen des Gehörten (Logy, Losy, Loggi, Loschi …). Die bekannte Variationsbreite der schriftlichen Fixierung des Eigennamens Losy legt nahe, auch bei „J.B.B.B. de Prage“ weiter aufzufächern. Die Herstellung eines geografischen Bezuges bei Nennung des Namens ist grundsätzlich bekannt; als Unterscheidungsmerkmal etwa für die Lautenisten namens Gaultier : Gaultier de Paris (für Denis Gaultier, 1597 oder 1603 - 1672) und Gautier de Vienne (siehe vorstehend), auch: Gaultier de Lyon (für Ennemond G., 1575-1651). Insofern könnte der Zusatz „de Prage“ sowohl als einfache geografische Zuordnung, aber auch als gezielt verwendetes Unterscheidungsmerkmal interpretiert werden. Einen Jean Berdolde Bernard Bleystein als Bürger in der Stadt Prag habe ich bei meinen Recherchen bislang nicht ausmachen können.45 Kursorisch geprüft wurden ferner folgende Namen:

Freiherren Bernard/Bernhard , Bernardi und Bernardin 46, Ploenstein (Blaustein)47, Plateys

von Platensteyn48/Platteis von Plattenstein49 sowie die Herren von Brandt zum Pleystein50.

Konkrete Anhaltspunkte für eine möglicher Weise lohnende vertiefende Betrachtung waren dabei nicht zu finden. Ich habe sogar erwogen, ob es sich bei „Bleystein“ um eine Anspielung auf das heutige Plěiště/Plešiště (seinerzeit vermutlich Pleschischt/Plessisst) handeln könnte.

45 Auch Miloslav Študent, der sich u.a. intensiv mit der Geschichte der Laute mit Schwerpunkt ehemaliges Königreich

Böhmen befasst, sind bislang keine Belege für eine Person exakt dieses Namens bekannt geworden. 46 Die Genannten finden sich bei KNESCHKE, Ernst Heinrich u.a. (Hrsg.): Neues allgemeines Deutsches Adels-

Lexicon im Vereine mit mehreren Historikern. Unveränderter Abdruck des im Verlage von Friedrich Voigt zu Leipzig 1859 – 1870 erschienenen Werkes, Bd. I, Leipzig 1859 (Reprint: Leipzig 1929), S. 360 f.

47 Siehe SIEBMACHER's Wappenbuch Bd. 26, Die Wappen des Adels in Niederösterreich Teil I (A-K), Neustadt an der Aisch 1983, S. 352.

48 Siehe SIEBMACHER's Wappenbuch Bd. 30: Wappen des böhmischen Adels, Neustadt an der Aisch 1979, S. 21 49 Siehe SIEBMACHER's Wappenbuch Bd. 31: Wappen des mährischen Adels, Neustadt an der Aisch 1979, S. 234 f. 50 Siehe POBLOTZKI, Siegfried: Die Herren von Brandt zum Pleystein. In: Oberpfälzer Heimat, hrsg. vom

Heimatkundlichen Arbeitskreis im Oberpfälzer – Wald – Verein, Band 10, Weiden 1966, S. 87 ff. Zu Ort und Herrschaft P(B)leystein siehe auch folgend.

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- 9 - Zentrum dieser etwa 50 km von Prag entfernt gelegenen Siedlung im Umfeld der beiden ehemals königlichen Städte Příbram und Krásná Hora nad Vltavou (Schönberg an der Moldau) ist eine jetzt als Wohnhaus privat genutzte kleine Festungsanlage aus dem 15. Jahrhundert. Die Siedlung gehörte zur Herrschaft Chlumec, mit der die Familie Lobkowicz beliehen war.51

2.1 J.B.B.B., ein Mitglied der Adelsfamilie Prag? Im ZEDLER wie in SIEPMACHER' s Wappenbuch wird eine ursprünglich aus Böhmen stammende Adelsfamilie Prag (Pragern, Praga) mit je einer Linie in der Steiermark und in Kärnten ausgewiesen.52 Allerdings ist zu ihr bei Ernst Heinrich KNESCHKE verzeichnet:

„Die steiermärkische Linie erlosch 1627 mit dem Freih. Sigmund Friedrich, und auch die kärnter Linie muss um diese Zeit ausgegangen sein, da 1639 das Oberst-Erblandmarschallamt des Herzogthums Kärnten an die Familie v. Wagensperg kam.“53

Damit endet diese Spur. 2.2 J.B.B.B. de Prage: ein Nachkomme des Han(n)s Bernhard Pleisten von Pleistein in Prag? Han(n)s Bernhard Pleisten erhielt 1630 ein Adelsprädikat und durfte, damit verbunden, die Namenserweiterung „von Pleistein“ tragen.54 Ob und welche Zusammenhänge zwischen „Pleisten

von Pleistein“ zur oberpfälzischen Adelsfamilie „Pleisteiner (von Pleistein)“55 bestehen, vermochte

ich nicht zu klären.56 Auch ist es mir nicht gelungen, zur Familie „Pleisten von Pleistein“ weitere

Spuren zu finden. Damit handelt es sich auch bei diesem Ansatz (vorläufig?) um eine Sackgasse. 51 Zur Herrschaft Chlumec gehörten u.a. die Feste Krepenice, die Stadt Sedlancy, die Orte Chlumec, Kanyk, Sedlec,

Krasna Hora und weitere 90 Dörfer. Siehe http://www.lobkowitz.de/Reiseziele_in_Boehmen/Hochkleumetz/Hochkleumetz.htm.

Ich danke Marcella Dauer (Kehlheim) für Ihre Unterstützung in diesem Zusammenhang: Recherchen gestalten sich für einen des Tschechischen Unkundigen wie mich zum Teil sehr schwierig. Für die Genussmenschen unter uns noch der Hinweis auf das in Vysoký Chlumec gebraute Lobkowicz-Bier. Siehe http://www.pivovary.info/prehled/vysokychlumec/vysokychlumec_e.htm

52 Siehe ZEDLERs Großes Universallexicon Bd. 29, Leipzig und Halle 1741, S. 96 und SIEPMACHERs Wappenbuch Bd. 27: Die Wappen des Adels in Oberösterreich, Neustadt an der Aisch (Reprint) 1984, S. 261 f.

53 KNESCHKE, E.H. (Hrsg.): a.a.O., Bd. VII, Leipzig 1930, S. 234. 54 Siehe Stammbuch des blühenden und abgestorbenen Adels in Deutschland. Herausgegeben von einigen deutschen

Edelleuten, Regensburg 1865, Bd. 3, S. 167 sowie KNESCHKE, E.H. u.a. (Hrsg.): a.a.O., Bd. 8, (Reprint) Leipzig 1930, S. 176.

55 Siehe SIEPMACHER’s Wappenbuch Bd. 22: Die Wappen des Bayerischen Adels. Teil: Abgestorbene Bayerische Geschlechter, Neustadt an der Aisch 1971, S. 14.

56 Es dürfte sich bei „Pleisteiner (von Pleisten)“ um die Mitte des 16. Jahrhundert ausgestorbene Familie „Waldow zu Waldau, Pleystein und Waldthurn“ handeln. Siehe ZEDLITZ-NEUKIRCH, Leopold: Neues preussisches Adels-Lexicon: oder genealogische und diplomatische Nachrichten..., Band 4, Leipzig 1837, S. 307.

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- 10 -

2.3 J.B.B.B. de Prage = Johann Bartholotti (Freiherr von) P(B)artenfeld? Ursprünglich aus Venedig stammend, kam der Händler Johann Baptist Bart(h)olotti57 (oder einer

seiner Vorfahren) über die Steiermark und Krain in das Erzherzogtum Österreich. Seine beiden Söhne Johann Paul (Kaiserlich-königlicher Rat, Tranksteuer-, Tag- und Salzgefäll-Administrator in Böhmen, verstarb – ledig – 1686) und Carl (Herr zu Haidersfelden und Feste Murr, Hofkammer-Rat, verheiratet mit Anna Magdalena von Peverelli,58 verstarb 1698) wurden nach

WISGRILL/ODELGA 1636 in den Adelsstand,59 1653 in den Reichsritterstand erhoben, verbunden

mit dem Namenszusatz „von Part(h)enfeld“. Zu einem Barthalotti und Johann Anton Losy d.Ä. gibt es einen interessanten Eintrag im Wiener Hofkammerarchiv aus dem Jahre 1651. Dort heißt es: „R. fol. 573 Kays. bevell an die deputierte in Böheimb den Herrn Losy und Barthalotti von eingang negst khomenden 1652 Jahrs für das Khay. Cammerdepotat Monathlichen 2000 fl. zu erlegen auch benebens und ausserdenen noch absonderlichen auch die Monathlichen 603 fl. zuer bezahlung des viertel abzugs für die Khays. Hoff musica under aussen und also in beiden Posten zusamben iedes Monath 2603 fl. ins Hoffzahlambt abzuführen (Geschäfftel an Hoffzahlmeister).“60

Den kaiserlichen Befehl lese ich so, dass Losy d.Ä. und Barthalotti ab 1652 verpflichtet waren, monatlich für einen Teil der Kosten aufzukommen, die die Unterhaltung der Hofkapelle verursachten. Dieser Teil der auf das Hofzahlamt zulaufenden Einnahmen war also unmittelbar zweckgebunden in der Verwendung. Ob nun als spezielle Zahlungs-Verpflichtung oder Zahlung aus Neigung: es bestand eine Beziehung zur Musik.

57 Auch Giovanni Battista Bartolotti (?1590 - ?1624). Schreibweisen: Bartolotti, Bartelodi, Bärtelotti, Barthalotti,

Bartoloti, Bartolotti, Borteloti, Bortelotti. Inhaltlich siehe WISSGRILL, Franz Karl/ODELGA, Karl von: Schauplatz des landsässigen nieder-österreichischen Adels …, Bd. 1, S. 303 ff.

58 Peverelli, oberitalienische Händlerfamilie aus Chiavenna (siehe. Gabriel Peverelli, sicherlich ein Vorfahre von Anna Magdalena, war ....Wien: Die frühneuzeitliche Residenz (16. bis 18. Jahrhundert)

von Peter Csendes 59 Siehe SIEPMACHER's Wappenbuch Bd. 26, a.a.O., S. 22 f. Siehe auch den Eintrag bei KNESCHKE, E.H. u.a.

(Hrsg.): a.a.O, Bd. I, S. 209 f. 60 Zitiert nach NETTL, Paul: Zur Geschichte der kaiserlichen Hofmusikkapelle von 1636 - 1680, Teil II, StMw

(Studien zur Musikwissenschaft) 17, Wien 1930, S. 96.

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- 11 - Aufgrund des ausdrücklichen Hinweises auf Böhmen ist als Gemeinter Johann Paul von B. in Betracht zu ziehen: Tranksteuer-, Taz- und Salzgefällen-Administrator in Böhmen. Die Tochter (Maria Anna Josepha, geb. nach 1666) seines Neffen Johann Carl Freyherr Bartholotti von Partenfeld (Hofkammer-Rat, früher Hofkriegszahlmeister, „begütert sich in Böhmen“61) war

verheiratet mit Franz Anton Graf von Pachta, Freyherrn von Rayhofen (verstorben: 1730 in Wien). Dieser war Sohn von Johann Anton Pachta von Rayhofen (1669 - 1717) und Josefa Losy von Losin/mthal, Schwester von Johann Anton Graf Losy d.J.62

Diese Zusammenhänge unter Bezugnahme auf die gemeinsame Verpflichtung der Deputierten Losy und Barthalotti aus dem Jahre 1651 lassen vermuten, dass es ausgehend von der Senioren-Generation enge Beziehungen zwischen den Familien gab. Ob aber ein Bart(h)olotti von Part(h)enfeld 63 Laute spielte und komponierte, ist bislang nicht bekannt. Ebenso bleibt offen,

warum der Name dann bei Ausweisung des Komponisten verändert wurde. Ein Spaß? Eine gezielte Täuschung?64 Und was hat es mit dem Namensteil „Bleystein“ auf sich? Einen offenkundig Bezug

zwischen einem Bart(h)olotti und Bleystein (Ort bzw. Herrschaft) haben ich jedenfalls nicht entdecken können.

2.4 J.B.B.: eine Person aus dem Ort Pleystein? Stammte ein J.B.B. aus P(B)ley(i)stein65 und hielt sich temporärer in Prag auf? Pleystein

(Oberpfälzer Landkreis Neustadt an der Waldnaab), bis heute bekannt für seinen Felsen (Rosenquarz und andere Mineralien) im Zentrum der Stadt, auf dem sich bis 1760 ein Burganlage befand (1902 Bau einer neubarocken Kirche an deren Stelle), lag bis 1612 an der zentralen Handelsverbindung zwischen Prag und Nürnberg. Danach wurde die Route geändert. Die Stadt war Bestandteil der Herrschaft Pleystein. Geprägt ist beider Geschichte durch wechselnde Besitzverhältnisse und damit verbundene Streitigkeiten:

61 Ebenda. 62 Siehe auch weiter unten zu „Wunschwitz“. 63 Es sind ferner die weiteren Neffen zu nennen: Johann Paul (Hofkammer-Rat, „hatte viele Güter“), Johann Baptist

(Hofkammer-Rat, Salzobmann in Salzburg, sonst bekannter Aufenthalt/Besitz: Alt- und Neulengbach/Niederösterreich), Johann Horaz (Honoratius) (Reichshofrat, keine weiteren Angaben zum Aufenthaltsort) und Johann Joseph (keine weiteren Angaben zu Tätigkeiten und Aufenthaltsort). Siehe SIEPMACHER's Wappenbuch Bd. 26: a.a.O., S. 23.

64 Siehe dazu weiter unten. 65 Recht herzlich möchte ich der Stadt Pleystein für die Unterstützung bei den Recherchen danken. Insbesondere ist zu

nennen: Frau Irene Bock, Tourismusbüro Pleystein.

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- 12 -

1418 vom Eigentümer Johann III. Landgraf von Leuchtenberg (? - 1458) an den Kurfürsten der Pfalz nach vorheriger Verpfändung verkauft, 1623 von Kaiser Ferdinand II . (1578 - 1637) als verwirktes Lehen eingezogen und an Bayern gegeben. Von dort 1626 an Pfalz-Neuburg verkauft, 1742/1745 von Maria Theresia, Kaiserin, eingezogen und als Lehen an Philipp Ludwig Graf von Sinzendorf vergeben.66 Es bestanden also prinzipielle

Beziehungen zwischen Pleystein (Stadt: Verkehrsweg; Herrschaft: Besitz-/Lehensverhältnisse) und Prag, aber auch Wien (Hauptstadt des Reiches; Kaiser zugleich König von Böhmen).

Bemerkenswert ferner: die Familie Lobkowicz hatte unmittelbar an die Herrschaft Pleystein angrenzende Besitzungen. Hierzu zählten: die Herrschaft Neustadt mit der Stadt Neustadt an der Waldnaab und die Herrschaft Waldthurn. Die letztgenannte Herrschaft war 1656 vom Kaiser an Wenzel Eusebius von Lobkowicz, Herzog von Sagan (1609–1677), verkauft worden. Dessen Frau (Heirat: 1653) Augusta Sophie Pfalzgräfin von Sulzbach (1624 - 1682) hielt sich überwiegend in Neustadt an der Waldnaab auf.67 Vor dem Erwerb der Herrschaft Waldthurn hatte

Lobkowicz entweder Pleystein 1653 in Besitz oder daran Interesse bekundet.68 1737 befindet sich

die Herrschaft Pleystein sogar im Besitz der Fürstin Lobkowicz. Bei der Fürstin Lobkowicz könnte es sich um Anna Maria Wilhelmine von Althann (1703 – 1754), zum fraglichen Zeitpunkt Witwe von Philipp Hyazinth Fürst von L. (1680-1734), oder Maria Louise von Schwarzenberg (1689-1739), Witwe von Ferdinand August Fürst von L. (1655-1715), handeln. In beiden Fällen ist ein Bezug zur Laute gegeben: das Lautenspiel von Anna Maria Wilhelmine von Althann wurde gerühmt.69 Vom Haus Lobkowicz wurde die Herrschaft dann gegen 36.000 fl an den

Reichskanzler Graf von Sinzendorf verkauft – ohne kaiserliche Genehmigung.70

Denkbar also ist, dass eine Person namens Johann Berthold Bernhard aus der Stadt oder der Herrschaft Pleystein sich in Prag aufhielt und dort die Stücke komponierte: Pleystein als Namenszusatz, mit dem eine Person über ihre geografische Herkunft charakterisiert wird, aber ggf. auch als Eigenname.71

66 Siehe die ausführlichen Darstellungen bei POBLOTZKI, S.: Geschichte der Stadt und Herrschaft Pleystein,

Pleystein 1967. Der Besitz dieses Lehens muss finanziell attraktiv gewesen sein. Es gehörten 1649 u.a. dazu: die Stadt Pleystein, 28 Dörfer, 8 Kirchen, 102 Höfe, 64 Güter, 10 Mühlen, 5000 Tagwerk Wald, 400 Untertanen. Verkaufswert: 125 405 fl. (entspricht etwa dem seinerzeitigen Wert von 4.200 Reitpferden. Siehe dazu http://www.beyars.com/kunstlexikon/lexikon_3728.html).

67 Siehe u.a. http://www.lobkowitz.de/ 68 Siehe POBLOTZKI, S.: a.a.O., S. 44. 69 Siehe dazu: TREDER, M.: Ein irdisches Vergnügen ..., a.a.O., Bd. I, Anmerkung 119, TREE-Edition 2010, S. 34 f. 70 Siehe POBLOTZKI, S.: a.a.O., S. 60. 71 Bleistein ist ein auch heute noch gebräuchlicher Eigenname. Bei meinen Recherchen bin ich auch auf einer aus

Bayern stammenden Abraham Bleistein (Blystone), geboren zwischen 1722 - 1728, gestoßen, der in die Neue Welt auswanderte und dort eine über die Generationen weit verzweigte Familie gründete. Siehe: http://www.famgen.net/blystone/fam00399.htm.

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- 13 - Es gibt für eine solche Annahme Anhaltspunkte:

� Eine Familie Bernhard ist bereits 1516 in Pleystein nachgewiesen.72 Ein Bastian Bernhard

ist 1578 als Bürger,73 1585 mit dem Beruf Förster belegt;74 ein Hans Bernhard in der

Strafliste aus dem Jahr 1587 als Geschädigter erwähnt75, ein (anderer ?) Hans Bernhard

1635 als Besitzer der Post-Herberge.76 1637 wird festgehalten, Hans Bernhardt (möglicher

Weise der vorgenannte Besitzer der Post-Herberge) seien zwei Häuser abgebrannt.77

Vermutlich ist es auch dieser Hans Bernhardt, der zu einer Kommission Pleysteiner Bürger gehört, die 1638 den Wert des Burggutes zu taxieren hatte.78

� Eine Familie Berthold ist ebenfalls in der Stadt Pleystein nachgewiesen: am 17. Januar 1657

nahm an den Erbhuldigungen für den Kurfürsten ein Michael Berthold teil,79 1746 wurde

ein Mitglied der Familie Berthold zum Bürgermeister gewählt,80 was als Indikator für eine

feste Verankerung der Familie in der Gemeinde gewertet werden kann. Ferner gibt es über die jeweiligen Eigentumsverhältnisse der Herrschaft Pleystein (Lehen) unmittelbare persönliche Bezüge nach Prag und zum Kaiserhof in Wien incl. zum lautenistischen Umfeld bei Hofe. Für den in diesem Zusammenhang relevanten Zeitraum:

� 1686 wurden Stadt und Herrschaft Pleystein vom Kurfürsten an Matthias (Gottfried) Freiherrn von Wunschwitz (Prag Feb. 1632 – 1695) verpfändet.81 Wunschwitz

(böhmischer Adliger, Familie ursprünglich aus der Lausitz kommend) war verheiratet mit Anna Felicina Pachta von Rayhoven (1648 – 1718), deren Bruder Johann Anton (1669 – 1717) mit Josefa Losy von Losyn/mthal, Schwester des bekannten Losy jr. , verheiratet war.82

72 Musterungsliste vom 02.11.1516. Siehe POBLOTZKI, S.: a.a.O., S. 18. 73 Siehe POBLOTZKI, S.: a.a.O., S. 85. 74 Siehe POBLOTZKI, S.: a.a.O., S. 31. 75 „... Martin Hermanns Weib, weil sie des Hansen Bernhard Zaun zerhauen und weggetragen 1 fl.“. In: POBLOTZKI,

S.: Geschichte der Herrschaft, der Stadt und der Pfarrei Pleystein, Stadt Pleystein 1980, S. 117. 76 Siehe POBLOTZKI, S.: a.a.O., S. 135. 77 Siehe POBLOTZKI, S.: a.a.O., S. 42. 78 Siehe POBLOTZKI, S.: a.a.O., Pleystein 1980, S. 336. 79 Siehe POBLOTZKI, S.: a.a.O., S. 46. 80 Siehe POBLOTZKI, S.: a.a.O., Pleystein 1980, S. 61. 81 Siehe POBLOTZKI, S.: a.a.O., S. 49. Mathias von Wunschwitz wurde 1661 in den „alten Ritterstand“ erhoben,

1675 in den Herrenstand. Siehe DOERR, August von: Der Adel der böhmischen Kronländer. Ein Verzeichniss derjenigen Wappenbriefe und Adelsdiplome welche in den böhmischen Saalbüchern des Adelsarchivs im K.K. Ministerium des Innern in Wien eingetragen sind, Prag 1900, S. 144 und S. 160.

82 Siehe SIEPMACHER' s Wappenbuch Bd. 30: a.a.O., S. 155.

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- 14 - Der kunstsinnige Wunschwitz83 (Kaiserl. Kämmerer, Hof-Lehn-Rechtsbeisitzer, Kreis-

Hauptmann des Pilsener-Kreises in Böhmen, designierter Reichs-Hof-Rat)84 hatte sich 1688

in Pleystein ein Haus neben der Pfarrkirche bauen lassen. Dieses hat er mit seiner Frau zusammen zumindest auch zeitweise bewohnt.85

War J.B.B.B. de Prage ein „Bedienter zur Musik“86 der Wunschwitz' in Pleystein oder in

Prag? Oder war der Bezug zur Herrschaft Pleystein nur Teil einer sprachlichen Spielerei mit Namen und ggf. Beziehungen bzw. Bezügen, entstanden im (weiteren) familiären Umfeld: Franz Anton, ein Sohn aus der Ehe Johann Anton Pachta von Rayhoven/ Josefa Losy von Losyn/mthal, war seit 1723 verheiratet mit Maria Anna Josepha Bartholotti Freyin von Partenfeld (siehe vorstehend).

2.5 J.B.B.B de Prage: keine reale Person? Handelt es sich bei J.B.B.B. de Prage um ein Pseudonym, gar einen Spaß, wie schon vorstehend angedeutet? Bilden Name und Titel zusammen eine Anspielung? „Adieu de la maitresse“: „Lebe wohl, Meisterin“ oder „Lebe wohl, Mätresse/Geliebte“. Handelt es sich hier um das Abschiedslied eines Adligen für seine Geliebte - oder wird solches durch den so präzise angegebenen Namen des (vermeintlichen) Komponisten nur vorgegaukelt? Warum sollte am Kaiserhof in Wien87 nicht auch

intellektuell vermittels der Musik gescherzt worden sein? Johann, Berthold und Bernhard sind keine außergewöhnlichen Vornamen, der Ort Pleystein (bzw. das Lehen) dürfte zumindest in adligen Kreisen in Prag, aber auch in Wien bekannt gewesen sein. Bekannt mag auch (noch?) die Familie „von Prag“ gewesen sein. Wird über Titel und angegebenen Namen auf den Verlust oder die Unerreichbarkeit des Lehens Pleystein angespielt? 83 Wunschwitz beschäftige den Bildbauer Prokop (Brokoff) (1652 ? - 1718) 2 Jahre lang auf seinem Anwesen

Ronsberg (Königreich Böhmen, etwa 7 km zur heutigen tschechisch-deutschen Grenze gelegen und ca. 40 km entfernt von Pleystein) und stiftete 1683 die von diesem geschaffene St. Johannes-Nepomuk-Statue auf der Prager Karls-Brücke.

84 Siehe Genealogisch-Historische Nachrichten von den Allerneuesten Begebenheiten, welche sich an den Europäischen Höfen zutragen, worinn zugleich Vieler Standes=Personen und anderer Berühmter Leute Lebens=Beschreibungen vorkommen, als eine Fortsetzung des Genealog. Histor. Archivarii. Der L. Theil, Leipzig 1743. Verlegts Johann Samuel Heinsius, S. 83.

85 Siehe POBLOTZKI, S.: a.a.O., S. 50 f. 86 Bei Ernst BÜCKEN heißt es: „Man kann es wahrlich den deutschen Musikern nicht verdenken, wenn sie mit sehr

gemischten Gefühlen auf die von aller Welt verhätschelten fremden Kollegen schauten. Sie, die sich durchweg in der Doppelbesetzung als Musiker und Lakai, als ‘Bediente zu Musik’ befanden“ (S. 6 f.). Zum einen stimmt diese Verallgemeinerung der Doppelbesetzung nicht, zum anderen scheint es sich bei dem Stichwort ‘Bediente zu Musik’ um ein Zitat oder eine Anlehnung zu handeln, wofür leider keine Quelle bzw. der Bezug angegeben wird. Es bleibt offen, auf welcher Grundlage diese Kategorisierung erfolgte. BÜCKEN, E.: Die Musik des Rokokos und der Klassik, 2. Auflage, Wiesbaden 1979.

87 HUSS, Frank: Der Wiener Kaiserhof. Eine Kulturgeschichte von Leopold I. bis Leopold II., Gernsbach 2008.

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- 15 - Mitglieder des Hofstaates, sogar aus dem unmittelbaren Machtzentrum um Kaiser/Kaiserin heraus, waren an den Auseinandersetzungen um das Lehen über Generationen beteiligt (z.B. die Familie Lobkowicz)88.

Und diese Auseinandersetzungen beschäftigten ganz offenkundig sogar den Kaiser (z.B. Ferdinand III. , der das Lehen um 1650 an den Grafen Khevenhüller89 – geben wollte), später dann auch die

Kaiserin Maria Theresia, die Pleystein als böhmisches Lehen einzog und Philipp Ludwig Graf von Sinzendorf übergab.90

3. Abschluss Es bleibt derzeit (weiterhin) offen, wer oder was hinter Jean Berdolde Bernard Bleystein de Prage steht: ein Bürgerlicher, ein Adliger, gar keine reale Person? Bislang ist lediglich das Stück „Adieu de la maitresse de Monsieur Jean Berdolde Bernard Bleystein de Prage“ ihm zugeschrieben bzw. zuzuschreiben aufgrund der Namensnennung im Titel. Ob die folgenden Stücke (La Double, Autrement) ebenfalls aus seiner Feder stammen, ist ungewiss, doch nicht prinzipiell auszuschließen. Ein „La Double“ gibt es jeweils auch zu anderen Stücken im MS AU-LHD 243: „Double“ könnten Ausführungen sein, die der Schreiber für sich, einen Auftraggeber oder auch einen Schüler notiert hat. Es ist möglich, dass die Kompositionen von einer Person mit höfischem Bezug stammen, aber nicht belegbar. Den Komponisten als „Prager Lautenisten“ zu bezeichnen, wie durch A. KOCZIRZ geschehen, ist gewagt. Die Annahme beruht vermutlich auf dem Namenszusatz „de Prage“, der aber nicht - sie oben - eindeutig zu interpretieren ist. Wiedergegeben sind in der Tabulatur-Beilage (Stimmung der Laute: C#-D–E–F#-G–A–d –f#-a–d'–f'#)91: „Adieu de la maitresse de Monsieur Jean Berdolde Bernard Bleystein de Prage“, „La

Double“ und das folgende „Autrement“.92

88 Siehe dazu insbesondere auch die Hinweise bei POBLOTZKI, S.: a.a.O., S.44. 89 Siehe KNESCHKE, E.H.: a.a.O., Bd. V, Leipzig 1930, S. 90 f. 90 Siehe HOHN, Karl Friedrich: Der Regenkreis Königreichs Bayern geographisch und statistisch beschrieben vom

Prof. Dr. Karl Fr. Hohn, Stuttgart/Tübingen 1830, S. 242. 91 Alle Stücke im MS AU-LHD 243 stehen in D-Dur mit angegebener Stimmung und liegen gut in der Hand. 92 Adolf KOCZIRZ hat in seinem Beitrag „Österreichische Lautenmusik zwischen 1650 und 1720. Biographisch-

bibliographischer Teil zum Band 50, Jahrg. XXV der „Denkmäler der Tonkunst in Österreich““ (in: Studien zur Musikwissenschaft, Bd. V, Leipzig/Wien 1918, S. 4 ff.) Stücke von Bleystein („Adieu de sa (!) maitresse“/“La Double“/“Autrement“; S. 94 f.) in reguläre Notation übertragen im Anhang wiedergegeben.

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Kupferstich von Matthaeus Merian, etwa 1644 - 1650. Abbildung frei verfügbar im Internet.

Literaturliste: BALET, Leo/GERHARD, E. [d. i. Eberhard Rebling]: Die Verbürgerlichung der deutschen Kunst, Literatur und Musik im 18. Jahrhundert, Straßburg und Leiden, Heitz 1936, 2. erweiterte Aufgabe Frankfurt am Main et al. 1979 BARON, Ernst Gottlieb: Historisch-Theoretische und Practische Untersuchung des Instruments der Lauten, Mit Fleiß aufgesetzt und allen rechtschaffenen Liebhabern zum Vergnügen heraus gegeben, Nürnberg 1727 (Reprint TREE-Edition 2011) BASTL, Beatrix : Tugend - Liebe - Ehre. Die adlige Frau in der Frühen Neuzeit, Wien et al. 2000 BOETTICHER, Wolfgang: Handschriftlich überlieferte Lauten- und Gitarrentabulaturen des 15. bis 18. Jahrhunderts, München 1978 BÜCKEN, Ernst: Die Musik des Rokokos und der Klassik (1928), 2. Auflage, Wiesbaden 1979 DLABACŽ, Gottfried Johannes: Allgemeines historisches Künstler-Lexikon für Böhmen und zum Theil auch für Mähren und Schlesien. Drei Bände (1813). Reprint herausgegeben von BERGNER, Paul, Hildesheim/New York 1973

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- 17 - DOERR, August von: Der Adel der böhmischen Kronländer. Ein Verzeichniss derjenigen Wappenbriefe und Adelsdiplome welche in den böhmischen Saalbüchern des Adelsarchivs im K.K. Ministerium des Innern in Wien eingetragen sind, Prag 1900 DOHRMAN, Christoph: Ennemond Gaultier, Gautier, Gaulthier. In: MGG, 2., neubearbeitete Auflage, Personenteil Bd. 7, Kassel et al. 2002, Sp. 622 ff. FINSCHER, Ludwig (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG), 2., neubearbeitete Ausgabe, Sachteil, Bd. 2, Kassel et al. 1995; Personenteil Bd. 7, Kassel et al. 2002, Bd. 17, Kassel et al. 2007 Genealogisch-Historische Nachrichten von den Allerneuesten Begebenheiten, welche sich an den Europäischen Höfen zutragen, worinn zugleich Vieler Standes=Personen und anderer Berühmter Leute Lebens=Beschreibungen vorkommen, als eine Fortsetzung des Genealog. Histor. Archivarii. Der L. Theil, Leipzig 1743. Verlegts Johann Samuel Heinsius GRÜNSTEUDEL, Günther: Klarinetten und Klarinettisten am Oettingen-Wallersteiner Hof. In: Rosetti-Forum 9, Mitteilungen der Internationalen Rosetti-Gesellschaft, Wallerstein 2008, S. 3 ff. GURLITT, Wilibald: (Hrsg.): Riemann Musik Lexikon, 12. völlig neu bearbeitete Auflage in drei Bänden, Mainz 1961 HANSLICK, Eduard: Geschichte des Concertwesens in Wien, Wien 1869 HOHN, Karl Friedrich: Der Regenkreis Königreichs Bayern geographisch und statistisch beschrieben vom Prof. Dr. Karl Fr. Hohn, Stuttgart/Tübingen 1830 HUSS, Frank: Der Wiener Kaiserhof. Eine Kulturgeschichte von Leopold I. bis Leopold II., Gernsbach 2008 JARCHOW, Ralf: Wir hätten wissen können, wenn wir hätten wissen wollen - Wolfgang Boettichers brauner Schatten auf der Musikwissenschaft zu Gitarre und Laute. Erscheint in: Die Laute IX.-X. Jahrbuch der Deutschen Lautengesellschaft e.V., hrsg. von Dr. Peter KIRÁLY, Frankfurt am Main 2011, S. 88 ff. KNESCHKE, Ernst Heinrich u.a. (Hrsg.): Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexicon im Vereine mit mehreren Historikern. Unveränderter Abdruck des im Verlage von Friedrich Voigt zu Leipzig 1859 – 1870 erschienenen Werkes, Leipzig 1929 ff.

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- 18 - KOCZIRZ, Adolf: Österreichische Lautenmusik zwischen 1650 und 1720. Biographisch-bibliographischer Teil zum Band 50, Jahrg. XXV der „Denkmäler der Tonkunst in Österreich“. In: Studien zur Musikwissenschaft, Bd. V, Leipzig/Wien 1918, S. 4 ff. KUBISKA, Irene: Der kaiserliche Hof- und Ehrenkalender zu Wien als Quelle für die Hofforschung. Eine Analyse des Hofpersonals in der Epoche Kaiser Karls VI. (1711-1740). Diplomarbeit, Wien 2009 LUTZ, Markus: Graf von Questenberg. Theorbist in Caldaras Oper Euristeo. In: Die Laute IX.-X. Jahrbuch der Deutschen Lautengesellschaft e.V., hrsg. von Dr. Peter KIRÁLY, Frankfurt am Main 2011, S. 131 ff. MEYER, Christian in Zusammenarbeit mit Tim Crawford, François-Pierre Goy, Peter Király, Monique Rollin (Hrsg.): Catalogue Des Sources Manuscrites En Tablature. Luth et théorbe. c.1500-c.1800. Catalogue descriptif, 4 Bände, Baden-Baden - Bouxwiller 1991-1999 MORROW, Mary Sue: Concert Life in Haydn’s Vienna: Aspects of a Developing Musical and Social Institution, Stuyvesant, NY: Pendragon Press, 1989 NETTL, Paul.: Zur Geschichte des Konzertwesens in Prag. In: Zeitschrift für Musikwissenschaft, 5. Jhg., Oktober 1922 – September 1923, Leipzig, p. 157 ff NETTL, Paul: Zur Geschichte der kaiserlichen Hofmusikkapelle von 1636 - 1680“, StMw (Studien zur Musikwissenschaft) Teil I: Studien zur Musikwissenschaft (StMw) 16, Wien 1929, S. 70 ff.; Teil II: StMw 17, Wien 1930, S. 95, Teil III: StMw 18, Wien 1931, S. 23 ff.; Teil IV: StMw 19, Wien 1932, S. 33 ff. POBLOTZKI, Siegfried: Die Herren von Brandt zum Pleystein. In: Oberpfälzer Heimat, hrsg. vom Heimatkundlichen Arbeitskreis im Oberpfälzer – Wald – Verein, Band 10, Weiden 1966, S. 87 ff. POBLOTZKI, S.: Geschichte der Stadt und Herrschaft Pleystein, Pleystein 1967 POBLOTZKI, S.: Geschichte der Herrschaft, der Stadt und der Pfarrei Pleystein, Stadt Pleystein 1980 PRIEBERG, Fred K: Handbuch Deutsche Musiker 1933 - 1945, Kiel 2004 ROLLIN, Monique: F-Polyre 173. In: MEYER, Chr. et al. (Hrsg.): a.a.O., Bd. 1, Baden-Baden - Bouxwiller 1991, S. 155 f.

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- 19 - SCHLEUNING, Peter: Der Bürger erhebt sich. Geschichte der deutschen Musik im 18. Jahrhundert, Stuttgart/Weimar 2000 SIEPMACHER’s Wappenbuch Bd. 22: Die Wappen des Bayerischen Adels. Teil: Abgestorbene Bayerische Geschlechter, Neustadt an der Aisch 1971 SIEBMACHER's Wappenbuch Bd. 26, Teil I: Die Wappen des Adels in Niederösterreich, Neustadt an der Aisch 1983 SIEPMACHER's Wappenbuch Bd. 27: Die Wappen des Adels in Oberösterreich, Neustadt an der Aisch 1984 SIEBMACHER's Wappenbuch Bd. 30: Wappen des böhmischen Adels, Neustadt an der Aisch 1979 SIEBMACHER's Wappenbuch Bd. 31: Wappen des mährischen Adels, Neustadt an der Aisch 1979 SMITH, Katherine: Uni acquires French music press and rare collection, UniNews (The University of Melbourne) Vol. 15, No. 14, 7 - 21 August 2006 TREDER, Michael.: Böhmische Lautenisten des Barock. Folge I. Aureo Dix. Musik für die 11-chörige Barocklaute. In: Lauten-Info der DLG e.V. 1/2008, Redaktion: Joachim Luedtke, Frankfurt am Main, S. 11 ff. TREDER, M. (in Zusammenarbeit mit Markus LUTZ): Boehmische Lautenisten und boehmische Lautenkunst. Folge II: „Antony(ij)/Antoni“. Anton(ius)/Antonin Eckstein oder Johann Christian Anthoni von Adlersfeld? In: Lauten-Info der DLG e.V. 3/2009, Redaktion: Joachim Luedtke, Frankfurt am Main, S. 8 ff. TREDER, M.: Ein irdisches Vergnügen in der Barocklaute, Bd. I - III, TREE-Edition (Lübeck) 2010 TREDER, M.: "Partie de l'Année 1720 a l'honneur L.C.J. de M. GA Kalivoda". Georg Adalbert Kalivoda (18th Century). Ut Orpheus (Italy, 2010) TREDER, M./SCHLEGEL, Andreas: Lautenmusik der Habsburger Lande. In: SCHLEGEL, A./LUEDKE, Joachim: Die Laute in Europa 2. Lauten, Gitarren, Mandolinen und Cistern, Menziken 2011, S.S. 288 ff. TREDER, M.: Böhmische Lautenisten des Barock. Lautenkunst in den österreichischen Habsburger Landen. Folge III: „Häußler“. In: Lauten-Info der DLG e.V. 3/2011, Redaktion: Joachim Luedtke, Frankfurt am Main, S. 8 ff.

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- 20 - TREDER, M.: Böhmische Lautenisten des Barock. Lautenkunst in den österreichischen Habsburger Landen Folge IV. Achatius/Achaz Casimir Huelse/Hültz/Hiltz. In. Lauten-Info der DLG e.V. 1/2012, Redaktion: Joachim Luedtke, Frankfurt am Main 2012, S.8 ff. TREDER, Michael: Johann Anton Losy. Stücke für Barocklaute aus der Kalmar-Handschrift (MS S-Klm21072), TREE-Edition 2012. Versteigerung der Musikbibliothek des Herrn Dr. Werner Wolffheim (Katalog). Versteigerung durch die Firmen Martin Breslauer und Leo Liepmannssohn, 2 Bände, Berlin 1928/29 VIERHAUS, Rudolf (Hrsg.): Deutsche biographische Enzyklopädie, 2. Auflage, München 2008 VOLEK, Tomilav: Hudba u Furstenbergu a Waldsteinu. In: Miscellanea Musicologica, VI, Prag 1958, S. 119 f. WAGNER, Hans: Harrach, Ferdinand Bonaventura Joseph Georg Leopold Anton Graf von. In: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 699 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd138714312.html. WISSGRILL, Franz Karl/ODELGA, Karl von: Schauplatz des landsässigen nieder-österreichischen Adels vom Herren- und Ritterstande von dem XI. Jahrhundert an, bis auf jetzige Zeiten. Abgefasset von Franz Karl Wißgrill, k.h. Hof-Sekretär, Bd. 1, Wien 1794 ZEDLER, Johann Heinrich: Großes Universallexicon Bd. 29, Leipzig und Halle 1741 ZEDLITZ-NEUKIRCH, Leopold: Neues preussisches Adels-Lexicon: oder genealogische und diplomatische Nachrichten..., Band 4, Leipzig 1837 ZUTH, Josef: Handbuch der Laute und Gitarre, Wien 1926/1928

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