politikundkommunikation

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Alles Fake Wenn Bürgerdialog nur PR ist Agil Wie die Großmacht China ihre Kultur zur Imagepflege einsetzt INTERNATIONAL 58 Mobil Wie die mächtige Automobil-Lobby ihre Interessen durchsetzt PUBLIC AFFAIRS 30 www.politik-kommunikation.de Helios Media GmbH | ISSN 1610-5060 | Ausgabe 03/12 | Mai 2012 | 7,20 Euro

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politik&kommunikation ist das einzige deutsche Fachmagazin für politische Kommunikation. Es bietet eine professionelle Plattform für die Diskussion aktueller Themen und Trends und berichtet unabhängig und parteiübergreifend über Kampagnen und Köpfe, Techniken und Methoden.

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Alles FakeWenn Bürgerdialog nur PR ist

AgilWie die Großmacht China ihre Kultur zur Imagepflege einsetzt INTERNATIONAL 58

MobilWie die mächtige Automobil-Lobby ihre Interessen durchsetzt PUBLIC AFFAIRS 30

www.politik-kommunikation.de Helios Media GmbH | ISSN 1610-5060 | Ausgabe 03/12 | Mai 2012 | 7,20 Euro

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Inhalt

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14 Nur mal drüber redenDer Bürgerdialog der Bundeskanzlerin ist mehr Regierungs-PR denn ein Angebot zur Partizipation – sagen Kritiker. Zu unverbindlich sei die Aktion.

30 Ein Auto für jedenDie Automobilbranche ist immer noch das Herzstück der deutschen Wirtschaft, und ihre Akteure sind gut vernetzt – p&k analysiert die Machtstrukturen in der Verkehrspolitik.

58 Von Peking bis SchwedenChina will seinen Einfluss in der Welt ausbauen. Wichtiger Teil der Strategie sind die Konfuzius-Institute – p&k zeigt, wie die „sanfte Machtausdehnung“ funktioniert.

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36 Die Flottenlobby mit dem Propaganda-Kino Rüstungs-Campaigning im Kaiser- reich von Marco Althaus38 Gesetz des Monats Neue Regeln zur frühen Beteiligung der Bürger an großen Bauvorhaben von Julia Haneke

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40 Kompakt

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42 Rhetorik

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44 Kompakt45 „Macht macht sexy“ Interview mit Ursula Kosser über Macht und Sex in der Politik von Felix Fischaleck46 Bücher und TV

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48 Kompakt50 Mann mit Ambitionen Über einen Einsteiger in das Lobbygeschäft der Hauptstadt von Björn Müller52 Leiht uns euren Glanz Stars für Obama und Romney im US-Wahlkampf von Björn Müller

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8 Meldungen FDP-Chef kommt auf fünf Prozent, Piraten klagen in Karlsruhe

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12 Direktwahl der Ministerpräsidenten? Pro und Kontra von Hans Herbert von

Arnim und Georg Schmid14 Manege frei Die Bürgerdialoge der Politik von Christina Bauermeister20 Gewinnerthema Euro-Krise Die Euro-Krise zeigt die Grenzen politischer Kommunikation von Max A. Höfer22 Top-down hat ausgedient Flache Hierarchien für bessere Politik von Mark T. Fliegauf23 „Netzwerke konsequent abgelehnt“ Interview mit Volker Reinhardt über den Machttheoretiker Machiavelli von Sebastian Lange

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24 Die fetten Jahre sind vorbei Die Wulff-Affäre hat Folgen für das Polit-Sponsoring von Christina Bauermeister30 Die Radler greifen an Das Politikfeld Verkehr von Felix Fischaleck

54 Stammeskriege Polit-Machtkämpfe in Schottland von David Torrance58 Sanfte Machtausdehnung „Konfuzius-Institute“ sollen Chinas kulturellen Einfluß erweitern von Falk Hartig

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60 Die Karrierekurve Michael Steiner62 Personen und Karriere Team Bundespräsident steht Dettmer leitet BWE66 Ossis Welt Das Politikbilderbuch 68 Gala Die wichtigsten Events71 Politikkalender Die Top-Termine im Mai und Juni72 Mein Lieblings... p&k befragt Bundestagsabgeordnete

nach dem, was ihnen lieb ist73 Porträt in Zahlen Norbert Röttgen

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3 Redaktionstagebuch5 Liebling des Monats6 Falsche Freunde Essay von p&k-Chefredakteur

Sebastian Lange74 Letzte Seite

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Wenn wieder einmal eine Sitzung des Bundestags ansteht oder gar eine der vielen Bundesversamm-lungen, die Norbert Lammert zu leiten hat, dürften sich alle Betei-ligten freuen: Der zweite Mann im Staat hat bekanntlich Humor und damit einen gewissen Unter-

haltungswert. Na gut, ein wenig selbstverliebt ist er auch, doch sind das wohl die meisten Akteure im politischen Betrieb. Vor allem aber ist Lammert eins: ein Kämp-fer für ein starkes Parlament, der keine Probleme damit hat, auch mal anzuecken. So waren die

Fraktionschefs von Union und FDP, eigentlich der ganze Ältestenrat „not amused“, als Lammert in der Euro-Debatte zwei Abweichler zu Wort kommen ließ, denen ihre Fraktionen keine Redezeit einräu-men wollten. Damit hat der Christ-demokrat ein so klares Zeichen für

die Freiheit des Mandats gesetzt, dass der Versuch der Fraktions-chefs, Auftritte von Abweichlern künftig zu unterbinden, zum Scheitern verurteilt war. So wird der politische Streit in Deutsch-land zumindest nicht gänzlich in die Talkshows verlagert.

Liebling des Monats: Norbert Lammert

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Falsche Freunde

I n dem durch die Verfilmung berühmt gewordenen Roman „Der Pate“ von Mario Puzo gibt es die Szene, in der der Bestat-ter Bonasera den Mafiapaten Vito Corleone bittet, die Schän-

dung seiner Tochter zu rächen. Corleone tut erst beleidigt – ist er denn ein schnöder Verbrecher? –, als Bonasera ihm aber seine „Freundschaft“ zusichert, zeigt der Pate sich großzügig: „Du sollst Gerechtigkeit haben. Eines Tages, und die-ser Tag wird vielleicht niemals kommen, werde ich Dich bitten, mir dafür einen Gefallen zu tun. Bis dahin betrachte diese Gerechtigkeit als Geschenk.“

Was lernen wir daraus? Der Pate ist eigentlich ein ganz Lie-ber, der will nur Freundschaft. Er nimmt später auch nur eine geringe Gegenleistung in Anspruch, als Bonasera Corleones von Maschinen-gewehrkugeln durchsiebten Sohn vor der Au�ahrung ein wenig hübsch machen soll, damit Mama Corleone nicht zu entsetzt ist.

Diese Schlüsselszene aus „Der Pate“ verdeutlicht das Grundprinzip des Networkings, wie es auch in der Politik täg-lich zur Anwendung kommt, nur in unblutiger Form. Das simple Prinzip des „Eine Hand wäscht die andere“ wird gleichermaßen in der Management-Literatur immer wieder als Erfolgsrezept beschrieben, und so ist es kein Wunder, dass der AWD-Gründer und bekannte Politi-kerfreund Carsten Maschmeyer sich in seinem Buch „Selfmade“ ebenfalls über das Networking auslässt. „Goßartige Menschen haben großartige Netzwerke“ lernen wir da, und konkret ver-mittelt Maschmeyer Erkenntnisse wie diese: „Networking ist ein Sparkonto, auf das man zunächst viel einzahlen muss, um spä-ter davon abzuheben.“ Wenn der eine Networker – „Freund“ im Sinne Corleones – dem anderen einen wichtigen Menschen vor-stellt, entstünden „Kontaktschulden“. Der eine hat beim ande-ren also einen gut, und wenn dieser Tag vielleicht auch niemals kommen wird, so ist doch irgendwann die Gegenleistung fällig.

Der Fall Wulff regt zum Nachdenken über die Grenzen des NETWORKING an. Wichtigste Erkenntnis: Mit dem Paten kann man

nicht befreundet sein.

VON SEBASTIAN LANGE Für Politiker fangen genau da die Probleme an: Wenn sie, wie Christian Wulff, sich mit solchen Freunden einlassen, stehen sie immer im Verdacht, Schulden auf ihrem Networking-Konto zu haben. Wenn der Freund mal dringend eine Bürgschaft, Geneh-migung oder auch nur eine Empfehlung benötigt, wird es den Politiker zumindest eine Erklärung kosten, warum er in der Angelegenheit nichts für ihn tun kann. Es kann unangenehm

sein, einem Freund etwas abzuschlagen. Für schwache Cha-raktere ist es da zur Korruption nicht allzu weit.

Das landläufige Lob des Networkings gehört also auf den Prüfstand: Für Politi-

ker, Lobbyisten und Journalisten gehö-ren Kontaktpflege und Informati-

onsaustausch zunächst einmal zum Job, andernfalls könnte kei-

ner von ihnen seine – legitime – Aufgabe erfüllen. Kompliziert aber wird es, wenn der Politi-ker dem Lobbyisten womög-lich einen Gefallen tut, damit dessen Unternehmen Arbeits-plätze schafft; wenn der Jour-nalist mal auf eine Enthül-lung über einen Politiker ver-zichtet, weil dieser stets so gute

Informationen aus der Partei liefert – was ja auch dem Leser,

der Öffentlichkeit dient. In einem Netz kann man sich verstricken, und

nur für den Einsiedler in der Wüste ist es leicht, integer zu sein. Für den Durch-

schnitts-Menschen aber bedeutet es zuwei-len große Anstrengung. Diese aber lohnt sich,

wenn man Überzeugungen sein Eigen nennt und mor-gens noch in den Spiegel schauen will. Und vor allem ist die Anstrengung vereinbar mit Networking – dieses will nur rich-tig verstanden sein. Ist es nicht das Konstruktionsprinzip eines Netzes, dass einzelne Verbindungen reißen dürfen? Der integre Networker traut sich, eine Rechnung auch mal nicht zu bezah-len, wenn der Preis zu hoch ist. Das muss erlaubt sein bei einem Geschäft, bei dem die Gegegenleistung erst später, und dann auch noch einseitig bestimmt wird. Bei Leuten wie Vito Cor-leone ist das zugegebenermaßen schwierig. Wer aber wirklich glaubt, der Pate wolle vor allem Freundschaft – der ist dann eh zu doof für Politik und Business.

Essay

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Was der Bauer kennt ...

Josef und Caroline gehört einer der rund 90.000 Höfe in Deutschland, die McDonald’s mit 100 % bestem Rindfl eisch beliefern. Sie kümmern sich mit viel Sorgfalt um ihre Rinder. Darum gönnen sie sich auch selbst mal gerne was von McDonald’s. Denn sie wissen, dass da alles so gut ist, wie es schmeckt.

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Kompakt

Zumindest bei der Wirtschaftskompetenz schafft es FDP-Chef Philipp Rösler über die Fünf-Prozent-Hürde. Mit genau fünf Prozent belegt der Bundeswirtschaftsmi-nister allerdings den letzten Platz unter prominenten Politikern in einer Umfrage der Doeblin Wirtschaftsforschung. Die Erhebung fußt auf einer Befragung von 80 Wirtschaftsjournalisten verschiedener Medien. Am besten bewerteten die Jour-

nalisten Ex-Finanzminister und Womög-lich-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (SPD). Ihm attestierten 81 Prozent der Befragten ökonomisches Fachwissen. Auf Platz zwei kommt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit 74 Pro-zent, gefolgt von Hermann Otto Solms (FDP) und Bundeskanzlerin Angela Mer-kel (CDU). Bitter für Rösler: Sogar der Linken-Politikerin und Kaptitalismuskri-

tikerin Sahra Wagenknecht trauen die Medienvertreter mehr Wirtschaftskom-petenz zu als dem Vizekanzler. Wagen-knecht spricht jeder siebte Teilnehmer Kompetenz zu (14 Prozent). Die nicht repräsentative Umfrage wurde Anfang März via Internet durchgeführt. Das Ins-titut hatte die Journalisten nach der Kom-petenz von 20 Bundespolitikern bei Wirt-schafts- und Finanzthemen gefragt.

Journalisten sehen seine Wirtschaftskompetenz skeptisch: Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP).

Kompakt

UMFRAGE

FDP-Chef schafft die fünf Prozent

JUGENDORGANISATIONEN

Streit ums Taschengeld

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Um den Erfolg der Piraten zu kon-tern, haben CDU-Politiker einen netzpolitischen Verein gegründet. Mit dem neuen Verein C-Netz will die Union Lobby für das Internet sein und Ideen für eine bürgerliche Netz-politik entwickeln. Gründungsmit-glieder von C-Netz sind unter ande-rem CDU-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier sowie die Präsiden-tin des Bunds der Vertriebenen, Erika Steinbach. Die CDU-Bundestagsab-geordneten Peter Tauber und Tho-mas Jarzombek wurden als Spre-cher gewählt. Ein erstes Ziel des Ver-eins ist es, Vorschläge zum Urheber-recht im Internet zu erarbeiten. Doch die Netzgemeinde spottet bereits über „Merkels Möchtegern-Piraten“.http://c-netz.info/

CDU

C-Netz gegründet

Kompakt

Die Finanzierung der Jugendorgani-sationen der Parteien ist in die Kritik geraten. Grund ist ein Urteil des Oberver-waltungsgerichts Berlin von Mitte März. Darin heißt es, es gebe keine eindeu-tige Rechtsgrundlage für die staatlichen Zuschüsse an Parteijugendorganisatio-nen. Sie seien womöglich „verkappte Par-teienfinanzierung“. Bis jetzt erhalten die Partei-Jugendorganisationen Mittel aus dem Kinder- und Jugendplan (KJP) des Bundesfamilienministeriums. 2011 beka-men allein die Jungsozialisten (Jusos) 454.000 Euro für ihre Arbeit, die Jun-gen Liberalen und die Grüne Jugend jeweils 164.000 Euro. Nur die Linke muss bisher ihre Jugendorganisation Solid fast ausschließlich selbst finanzieren, da das Ministerium wegen angeblich linksextre-mistischer Positionen nicht zahlt. Nach dem Urteil wollen nun alle im Bundes-

tag vertretenen Parteien einen gemeinsa-men Vorschlag erarbeiten, wie die Finan-zierung durch das Familienministerium sauber geregelt werden kann. Dazu der Juso-Bundesvorsitzende Sascha Vogt: „Sollte die Förderung nicht mehr gezahlt werden, müssen wir alle Bildungsveran-staltungen streichen. Wir könnten dann nur noch klassische Gremienarbeit finan-zieren.“

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Die moderne Arbeitswelt fördert die Unzufriedenheit mit der Demokratie. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Diese ließ dazu die Universität Bamberg 1633 Arbeitneh-mer befragen. Die Umfrage ist Teil des Forschungsprojekts „Agenda Moderne Personalpolitik“ der Stiftung. Dessen Ziel: Für Unternehmen Ansätze zu finden, wie sie Arbeit effizient und sozial organisie-ren können. Dabei fragten die Forscher auch nach der Haltung der Teilnehmer zur Demokratie. Nur rund ein Viertel der Zeitarbeiter und ein Fünftel der geringfü-gig Beschäftigten sind mit der Demokra-tie zufrieden. Dagegen schätzen 42 Pro-zent der Bürger, die in Vollzeit arbeiten,

diese Staatsform. Ursache der Frustration ist das als ungerecht empfundene Wirt-schaftssystem: Über 60 Prozent der Zeit-arbeiter und geringfügig Beschäftigten beklagen in der Umfrage, dass in der Wirt-schaft keine Chancengleichheit herrsche. Menschen in unsicheren oder prekären Arbeitsverhältnissen sehen hier ein Ver-sagen der Politik und damit der Demo-kratie. Laut der Studie schwinden die Identifikation mit dem Unternehmen, die Arbeitsmotivation und in der Folge auch das gesellschaftliche Engagement. Nach der Umfrage würden bei einer Bundes-tagswahl rund 10 Prozent weniger Zeitar-beiter und geringfügig Beschäftigte an die Urnen gehen als Normalbeschäftigte.

Die Verbände in Deutschland nut-zen die sozialen Medien kaum für ihre externe Kommunikation und Kampag-nen. Das geht aus einer Studie hervor, in der die Politikberaterin Ulrike Pro-pach und der PR-Experte Jens Fuder-holz mithilfe einer Online-Umfrage und Experteninterviews Trends in der Verbandskommunikation aufzeigen. Lediglich ein Viertel aller Verbände besitzt demnach einen Verbands- account. Im Social-Media-Bereich überlassen die Verbände das Feld überwiegend den Nicht-Regierungs-organisationen, so Ulrike Propach. Kampagnen über die Sozialen Medien durchzuführen, ist bei den meis-ten Verbänden lediglich mittel- und langfristig oder gar nicht geplant. Die Autoren fanden zudem heraus, dass im Vergleich zu 2009 das Wissen der Verbände um Gesetzgebungsprozesse nochmals nachgelassen hat. In der Debatte um die Einführung eines Lob-byregisters sind sich die Verbandsver-treter aber einig: Laut der Umfrage lehnt die Mehrheit eine freiwillige Variante ab. www.verbändestudie.de

STUDIE

Zeitarbeit schadet Demokratie

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VERBÄNDE

Keine Lust auf Social Media

Piraten werden immer populärer: Können sie sich dau-erhaft im Parteiensystem etablieren?

Grass-Gedicht sorgt für Diskussionsstoff: Sollten sich Intellektuelle öfter in die Politik einmischen?

Lafontaine vor Comeback als Parteichef: Kann er die schrumpfende Partei nochmals zu alter Stärke führen?

Ukraine verfolgt Oppositionspolitiker: Hat das Land unter diesen Umständen Chancen auf einen EU-Beitritt?

Röttgen hält sich Verbleib in Berlin offen: Kann das seine Karrierenachhaltig beschädigen?

EXPERTEN-

TIPPWolfgang Ismayr

(Uni Dresden)Ulrich Sarcinelli(Uni Koblenz-

Landau)

Ulrich vonAlemann

(Uni Düsseldorf)

Karl-Rudolf Korte (Uni Duisburg-

Essen)

Wichard Woyke(Uni Münster)

Uwe Jun(Uni Trier)

Peter Lösche(Uni Göttingen)

Wie zufrieden sind Sie mit der Demokratie in Deutschland?

Art des Beschäftigungsverhältnisses sehr eher teils/teils eher nicht ganz und gar nicht

Vollzeit unbefristet: 8 34 36 14 8

Vollzeit befristet: 5 29 39 19 8

Teilzeit unbefristet: 4 21 43 20 12

Teilzeit befristet: 5 26 39 22 8

Geringfügig beschäftigt: 3 19 45 19 14

Zeitarbeiter: 6 22 26 25 21

Angaben in Prozent der Befragten, Quelle: Bertelsmann

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Kompakt

Die Piratenpartei hat beim Bundesver-fassungsgericht eine Klage gegen die staat-liche Parteienfinan-zierung eingereicht. Sie will vor allem eine Abschaffung der rela-tiven Obergrenze bei staatlichen Zuschüssen erwirken. Diese wurde erst 2011 in das Parteiengesetz auf-genommen. Sie deckelt Zuschüsse auf die Höhe der Eigeneinnahmen einer Par-tei. Zurzeit erhalten Parteien 70 Cent pro abgegebene Wählerstimme und 38 Cent für jeden gespendeten Euro. Diese Zuwen-dungen werden gekappt, sobald sie die

Höhe der Eigenmittel einer Partei aus Mit-gliederbeiträgen und Spenden erreichen. Parteien mit vie-len Mitgliedern und großen Firmenspen-den tangiert diese Obergrenze kaum;

für Kleinparteien ist sie ungünstig. Aus Sicht der Piraten bekommen sie weni-ger Geld, als ihnen eigentlich zustünde. Das sei nicht demokratiefreundlich, so Pressesprecher Christopher Lang. „Von dem jetzigen Gesetz profitiert insbeson-dere die NPD aufgrund ihrer langjährigen Existenz und ihren mächtigen Helfern.“

PARTEIEN

Piraten klagen in Karlsruhe

DIREKTE DEMOKRATIE

Bilanz der VolksbegehrenFo

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Der Verein „Mehr Demokratie“ hat Anfang März wieder seinen Volksbe-gehrensbericht vorgestellt. Danach wurden voriges Jahr mit 18 direktdemokratischen Verfahren zwei mehr als noch im Jahr zuvor initiiert. Davon haben vier die Hürde von der Initiative zum Volksbegeh-ren geschafft und drei weitere kamen zum Volksentscheid: Die Berliner „Wasserverträge“, Hessens Referendum zur Schuldenbremse und Stuttgart 21. Das Problem vieler Initiativen sei die Kombination aus zu hohen Unterschrif-

tenquoren und dem Verbot freier Unter-schriftensammlungen, heißt es in dem

Bericht. Regionale Unterschiede machen es den Bürgern einiger Bundesländer schwerer als ande-ren: In Hamburg brauchen Initi-ativen nur fünf Prozent der Stim-men, in Baden-Württemberg hingegen 16,6 Prozent für ein Volksbegehren. „Mehr Demokra-tie“ zufolge gäbe es mehr Begeh-ren, wenn die scharfen Regelun-gen überarbeitet würden. „Je fai-rer die Bedingungen, desto mehr

Bürger beteiligen sich“, so Vorstandsspre-cher Michael Efler.

AUSBILDUNG

Traineeships nicht standardisiert Der Berliner Think-Tank für Politikbera-tung Polisphere hat in einer Trainee- studie Kommunikationsagenturen über ihre Ausbildung befragt. Ein Ergebnis: Die Traineeships verlaufen noch immer nicht nach einheitlichen Standards. Von den 31 befragten Unternehmen wird das Trainee-Programm vor allem als „Training on the job“ verstanden. Positiv: Mehr als

die Hälfte der Befragten (56 Prozent) bie-ten ihren Mitarbeitern inzwischen einen festgelegten Ausbildungsplan an. Die Mehrheit der Trainees ist jung, weiblich und verdient im Durchschnitt 1500 Euro brutto monatlich. Außerdem kann rund die Hälfte der Berufseinsteiger nach der Ausbildung mit einer Übernahme rech-nen.

Michael Efler

NGOS

Dialog-Schwächen Die Kommunikation deutscher NGOs ist verbesserungswürdig. Dies ergab die Studie „Dialog-T“ der überparteilichen Initiative „Pro Dialog“. Die Studie ging der Frage nach, wie professionell NGOs rea-gieren, wenn sich interessierte Bür-

ger mit der Bitte um Informatio-nen an sie wen-den. „Pro Dia-log“ untersuchte die Kommuni-kationsfähigkeit von 50 deutschen NGOs in den Kategorien Reak-tionszeit, Kanal, Ansprache, Qua-lität und Dialog-bereitschaft. Das Ergebnis: Keine

Organisation zeigte ein sehr gutes, und deutlich weniger als die Hälfte ein überzeugendes Antwortverhal-ten. Am besten schnitt die internati-onale Menschenrechtsorganisation Fian ab, gefolgt von der Hilfsorga-nisation Care und dem Deutschen Tierschutzbund.

Deutschland gibt bei der Korrup-tionsbekämpfung kein gutes Bild ab. Zu diesem Schluss kommt die beim Europarat angesiedelte Staa-tengruppe gegen Korruption (Greco) in ihrem aktuellen Bericht. Dieser überprüft eine bereits 2009 aufgestellte Mängelliste für die Bundesrepublik. Bei nur vier von 20 Punkten zeigen sich Fortschritte. Schwachpunkt ist unter anderem die rechtliche Grauzone in Bezug auf die Abgeordnetenbestechung. Zwar ist Stimmenkauf in Deutsch-land stra�ar, Abgeordnete dür-fen sich jedoch für Dienstleistun-gen bezahlen lassen. Ebenfalls nicht zufriedenstellend ist für die Greco-Gruppe, dass Parteispenden erst ab einer Höhe von 50.0000 Euro ausge-wiesen werden müssen.

KORRUPTION

Schlechtes Zeugnis

Der zweite Senat des Verfassungsgerichts

Tierschützer in Aktion

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Kompakt

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In der März-Ausgabe berichtete p&k auf Seite 9 über die Mitgliederent-wicklung der Parteien. In der Gra-fik hatte sich bei der FDP ein Zahlen-dreher eingeschlichen. Richtig ist, dass die Liberalen zu Jahresbeginn 63.123 Mitglieder zählten, Anfang 2011 waren es noch 68.523.

Die Piraten schwe-ben derzeit auf Wolke sieben – oder doch eher auf Wolke zwölf? Denn auf stolze zwölf Pro-zent kommen die Freibeuter in den Umfragen, und mit zwölf Jahren – so die Forderung des Lan-desverbands Sach-sen-Anhalt – soll man künftig wäh-len dürfen. Frei nach dem Motto „Früh übt sich“ wol-len die Piraten den Nachwuchs für die Demokratie begeistern. Nun ist es ja nicht gerade so, dass in den Kinder-zimmern zuhauf Poster von Angela Merkel oder Guido Westerwelle hän-gen würden. Die Helden sind andere: Bushido, Robert Pattinson, vielleicht noch irgendein Fußballer wie Mario Götze, aber Politiker? Die Piraten mei-nen es auf jeden Fall ernst: „Wir sind

keine Spaßpartei“, kommentierte Hen-ning Lübbers – Lan-desvorsitzender in Sachsen-Anhalt – den Vorschlag. Nur: Wie weckt man Demokratiebegeiste-rung bei der Jugend von heute? Gele-sen wird in diesem Alter ja bekanntlich die „Bravo“ – und die widmete 2008 mit Barack Obama erst-mals einem Politiker ein Poster. Politiker

mit Bravo-Starschnitt-Qualitäten gibt es hierzulande leider nicht wie Sand am Meer. Bei den Piraten allemal nicht. Auf dem gleichen Parteitag forderten sie übrigens, das Tanzverbot an Fei-ertagen abzuschaffen. Ein Vorschlag, der bei den spaßwütigen 12-Jährigen sicher gut ankäme – wenn sie denn in die Disko dürften. Doch das lässt sich bestimmt auch noch ändern.

Aufgedeckt: Früh übt sich

Kinder sollten mitentscheiden

IN EIGENER SACHE

Korrektur

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Unter dem Titel „CDU Plus“ hat die CDU Deutschland ihre neue Dia-logplattform gestartet. CDU Plus verbindet das Mitgliedernetz und die interaktiven Angebote der CDU-Homepage unter einem Dach. Darü-ber hinaus können sich auch Nicht-partei-Mitglieder anmelden. Nach Angaben der Partei haben sich 28.600 Benutzer registriert, knapp 1000 davon haben kein Parteibuch.

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Pol i t ik

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VON HANS HERBERT VON ARNIM VON GEORG SCHMID

D ie Sehnsucht nach einem charismatischen Herrscher mag in einer Mediendemokratie verlockend sein – am Ge-meinwohl orientierte Entscheidungen befördert sie nicht.

Mit der Direktwahl des Ministerpräsidenten würde nicht die Demokratie gestärkt, sondern ein künstlicher Gegensatz zwi-schen Parlament und Regierung entstehen.

Die letzten Haushaltsverhandlungen in den USA zwischen Präsident Obama und dem amerikanischen Kongress sind ein

mahnendes Beispiel für politischen Stillstand und institutionelle Selbstblockade in einer prä-sidentiellen Demokratie. Und würde die Direkt-wahl eines Regierungschefs zwangsläufig zu mehr Akzeptanz führen? Umfragen der vergan-genen zwei Jahrzehnte belegen, dass die meisten Länderregierungschefs – im übrigen über Par-teigrenzen hinweg – deutlich höhere Zustim-mungswerte genießen als der jeweilige US-Prä-sident. So sind nahezu zwei Drittel aller Bayern mit der Arbeit von Ministerpräsident Horst See-hofer zufrieden bis sehr zufrieden – Werte, von denen Barack Obama nur träumen kann.

Die CSU bräuchte eine Direktwahl nicht zu fürchten, sinnvoll ist sie gleichwohl nicht. Statt-dessen würden Vorteile der parlamentarischen Demokratie beseitigt werden. Regierungskont-

rolle besteht nicht in erster Linie im Widerspruchsgeist, son-dern in der Gestaltungskraft des Parlaments. Die Volksvertre-tung würde durch den Entzug ihrer Wahlfunktion einer ent-scheidenden Kraftquelle beraubt. Gleichzeitig würde sie Legiti-mationskraft gegenüber der Regierung verlieren. Und dies zum Schaden der Bürger: Parlamente und gerade auch Regierungs-fraktionen sind keine Claqueure. Vielmehr bringen sie unend-lich viele Anliegen aus ihren Stimmkreisen ein, verbessern Re-gierungsvorlagen und diskutieren die Regierungspolitik täglich mit den Bürgern. Der direkt gewählte Regent wäre einer wirk-samen Kontrolle durch das Parlament enthoben. Eine strikte Trennung zwischen Parlament und Regierung würde diese täg-liche Zusammenarbeit im Großen wie im Kleinen auf einem Schlag beenden. Mehr Bürgerbeteiligung sieht anders aus.

Pro

D ie Direktwahl des Ministerpräsidenten würde ihm hohe demokratische Legitimation verschaffen. Mit Minister-präsidenten wie Horst Seehofer oder Volker Bouffier, die

noch nie an der Spitze einer Wahlliste eine Landtagswahl ge-wonnen haben und ihr Amt allein der Partei verdanken, wäre es vorbei.

Direkt gewählte Ministerpräsidenten sind unabhängiger von ihrer Partei und lassen sich nicht mehr so leicht zu rein par-teipolitischen Blockaden im Bundesrat veran-lassen, wie das jetzt häufig vorkommt.

Da die Mehrheitsfraktionen dann nicht mehr ihre Hauptaufgabe in der Stützung „ihrer“ Re-gierung sehen, ist das ganze Parlament frei, den direkt Gewählten und seine Regierung wirklich zu kontrollieren. Bisher ist nur die Opposition dazu wirklich bereit, kann im Parlament aber je-derzeit überstimmt werden. Auch bei der Ge-setzgebung wird das Parlament zu einer selbst-bewussten eigenen Potenz. Damit wird echte Gewaltenteilung hergestellt. Der Landtag wird – entgegen dem ersten Anschein – also keines-wegs geschwächt, sondern erheblich gestärkt. Selbstverständlich können Regierungsmitglie-der dann nicht mehr dem Parlament angehören und auch noch Abgeordnetendiäten mitnehmen – ein Faktum, das nicht gerade dazu beiträgt, führende Landes-politiker für die Direktwahl zu begeistern.

Die wichtigste Funktion der Bundesländer ist die Verwal-tung. Selbst Bundesgesetze werden von den Ländern und Ge-meinden ausgeführt. Liegt es dann nicht nahe, die Spitze der Exekutive – genau wie in den Städten – direkt vom Volk wählen zu lassen? Haben wir mit der Direktwahl der Oberbürgermeis-ter, etwa in München, nicht gute Erfahrungen gemacht?

Auch wenn der Ministerpräsident einer anderen Partei an-gehört als die Landtagsmehrheit, droht keine Blockade. Das zeigt die Erfahrung in den Großstädten. Ein kluger Ministerprä-sident wird ohnehin die Fraktionen in seiner Regierungsmann-schaft angemessen berücksichtigen und so die Kooperationsbe-reitschaft erhöhen.

Kontra

Georg Schmid (CSU)ist seit dem Jahr 2007 Fraktionsvorsitzender der CSU im Bayerischen Landtag. Davor war er vier Jahre lang Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium des Innern.

Hans Herbert von Arnim ist Professor an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaf-ten Speyer. Er setzt sich seit langem für eine Direktwahl der Ministerprä-sidenten ein.

Direktwahl der Ministerpräsidenten?Am 13. Mai wählen die Bürger Nordrhein-Westfalens einen neuen Landtag.

Ginge es nach Hans Herbert von Arnim, würden sie den künftigen Ministerpräsidenten direkt wählen. Georg Schmid ist strikt gegen eine solche

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Energiewende. Wir fördern das.Fokussierung auf erneuerbare Energien, Klimawandel, Ressourcenschonung und Risikominimierung – es gibt viele Motive für die Energiewende.

Die KfW hat im Jahr 2011 mit mehr als 22 Mrd. EUR den Umwelt- und Klimaschutz gefördert und somit vielen Einzelnen ermöglicht,

einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Ganz gleich, ob Sie die Steigerung der Energieeffizienz Ihres Hauses anstreben oder Ihr Beitrag

im Bau einer Offshore-Anlage besteht: Wir fördern das.

Mehr Informationen erhalten Sie unter www.kfw.de/energiewende

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Pol i t ik

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Top-down hat ausgedient

Was Unternehmen wie IBM oder Google schon lange praktizieren, hat die Politik bislang noch nicht erreicht: TRANSFORMATIONALE FÜHRUNG, die ohne

steile Hierarchien auskommt.

VON MARK T. FLIEGAUF

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Haben Werte in der Politik ausgedient? Die Frage liegt nahe, denn auf der einen Seite ist die Berliner Politik in den ver-gangenen zwölf Monaten von erstaunlichen moralischen

Verfehlungen erschüttert worden. Auf der anderen Seite beob-achten wir einen nationenübergreifenden Trend zur staatslen-kenden Technokratisierung, welcher Angela Merkels szientis-tischen Führungsstil ebenso umfasst wie die Sachzwang-Poli-tik Mario Montis in Italien und Lucas Papademos’ in Griechen-land.

Diese Entwicklung beruht nicht zuletzt auf der Vielzahl von betriebswirtschaftlichen Führungs- und Strategiekonzepten, die Unternehmens- und Politikberater im vergangenen Jahrzehnt in die Politik eingebracht haben. Doch jene Konzepte rekurrieren beinahe ausnahmslos auf ein transaktionales Verständnis von Führung: Der Führende entscheidet, reguliert und kontrolliert, und der Untergebene folgt im Gegenzug entweder um einer Ent-lohnung willen oder um Sanktionen zu entgehen. Außenminis-ter Guido Westerwelle hat dieses Führungsverständnis auf die ebenso simple wie naive Formel gebracht: „Es geht nicht darum, das Populäre zu machen, sondern das Richtige zu tun. Und dann muss man dafür sorgen, dass es populär wird.“ Eine Vorstellung, die auch Karl-Theodor zu Guttenberg vor seinem unrühmlichen Abgang aus der Politik verinnerlicht hatte. Denn ebenso wie für Westerwelle bestand für den Ex-Verteidigungsminister Füh-rung vor allem darin, „Richtungen vorzugeben und Unbequemes gegen Widerstände durchzusetzen.“

Eiserne Hierarchien geglättet

Doch die vermeintliche Orthodoxie der Unternehmensfüh-rung ist seit geraumer Zeit ins Wanken geraten. So haben hie-rarchische Stellung und formale Macht als Führungsgrundla-gen zunehmend ausgedient, weil sich der betriebswirtschaftli-che Erfolg im neuen Jahrtausend vornehmlich aus „Humanka-pital“ speist. Heißt im Klartext: Das Wohl und Wehe von Firmen wie Google, Siemens oder SAP hängt in nie dagewesenem Aus-maß vom technischen Know-How, der Kreativität und der In-novationsfähigkeit ihrer Mitarbeiter ab. Und die wachsende Be-deutung des Individuums hat für eine „unternehmerische De-mokratisierungswelle“ gesorgt, welche einst eiserne Hierarchien merklich geglättet hat.

Das Ergebnis ist ein nachhaltiger Wandel hin zu transforma-tionaler Führung. Transformational Führende geben Lösungen nicht in Top-Down-Manier vor, sondern bilden vielmehr einen Dialograhmen, in dem Zukunftsperspektiven entwickelt, Werte

Mark T. Fliegauf lehrt Führung an der LMU München und war Associate der Stiftung Neue Verantwortung im Projekt „Public Leadership“. Er hat Politik-wissenschaften in München, Tokio und Harvard studiert.

Fingerzeig der Kanzlerin – Angela Merkels Führungsstil ist ein technokratischer

ausgehandelt, und eine Übereinstimmung zwischen den Inte-ressen der Führungskraft und den Bedürfnissen der Geführten gesucht werden. Die Führungsperson übernimmt vornehmlich eine motivierende und orientierende Funktion und geht weit über eine rational betriebene, autoritär begründete Machtausü-bung hinaus. Stattdessen wird die Ausbalancierung von verschie-denen Werten, die Moderation zwischen Individuen und Grup-pierungen, die für bestimmte Werte einstehen, und die Einord-nung von unterschiedlichen Wertvorstellungen in ein geteiltes Wertesystem, zu einer, wenn nicht zu der zentralen Führungs-aufgabe. Das lehrte schon Sam Palmisano, der ehemalige Len-ker von IBM. Kaum zum Vorstandsvorsitzenden gekürt, initiierte Palmisano einen 72-stündigen Webchat, an dem knapp 140.000 Mitarbeiter teilnahmen. Ziel war die Erarbeitung eines unterneh-mensspezifischen Wertekatalogs, der noch heute als normative Richtschnur des IT- und Computergiganten dient.

Der wertorientierte Diskurs transformationaler Führung ist inhärent im politischen Prozess angelegt, im Zuge des transakti-onalen Führungsdiktums über die letzten Jahre jedoch sträflich vernachlässigt worden. Nun gilt es diesen normativen Diskurs wiederzubeleben. Das Beispiel IBM, das im vergangenen Quar-tal einen Netto-Profit von über fünf Milliarden Dollar verbuchte, macht deutlich, wie wertvoll wertevolle Führung sein kann.

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13pol it ik&kommunikat ion | Ma i 2012

p&k: Herr Reinhardt, warum ist der Denker Machiavelli heute noch so po-pulär? Volker Reinhardt: Machiavelli ist der Tabu-brecher unter den politischen Denkern, er ist ein Querdenker und Provokateur. Er hat schon zu Lebzeiten Anstöße gegeben. Nicht nur Denkanstöße, sondern auch Anstößigkeiten. Was ist so anstößig bei Machiavelli?Er hat ein extrem negatives Bild vom Menschen. Der Mensch ist für ihn durch und durch destruktiv. Er will immer mehr Macht, Einfluss, Genuss und Be-sitz. Damit stößt er jedoch an Grenzen, denn die anderen folgen ja denselben An-trieben. Die andere Hauptanstößigkeit Machiavellis besteht darin, dass er Moral als untauglich für die Politik betrachtet. Er geht davon aus, dass sich Politiker in ihrem politischen Handeln von der im Privatleben gültigen Moral konsequent ablösen müssen. Wäre Machiavelli heute noch ein guter Berater für Politiker? Ja, und er war es schon immer. Bald nach seinem Tod empörte sich das christliche, konfessionalisierte Europa über seine Lehre, Machiavelli wurde zur Inkarnation des Bösen in der Politik. Trotzdem wurde er gelesen, er war der heimliche Ratgeber der Mächtigen in Europa. Da passt es gut, dass eine seiner Hauptregeln besagt, dass Politik vor allem die Kunst der Täuschung ist. Nach Machiavelli dürfen, sollen Politi-ker sich sogar ein Image zulegen, das mit der Realität nichts gemein hat. Als ethisch denkende Menschen werden wir nicht damit einverstanden sein, aber bei nüch-terner Betrachtung ist es so. Wahlkämpfe etwa sind doch nichts anderes als gigan-tische Maschinerien zur Erzeugung eines schönen Scheins, von dem die Wähler sich nur zu gern einlullen lassen. Machiavelli wäre also der perfekte Kampagnenmanager für eine Partei?Oder ein Enthüllungsjournalist, der die Machenschaften der Mächtigen mit lu-zider Transparenz nach außen tragen würde. Als Person war er übrigens abso-lut unbestechlich. Nützliche Netzwerke hat er konsequent abgelehnt. Er sah sich zu Recht als den schlecht bezahlten, un-eigennützigen Staatsdiener, dessen Ver-dienste eigentlich nicht honoriert wur-den, der aber in seiner unwandelbaren Loyalität zum Staat nicht wankt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel agiert zuweilen so, als würde Machiavelli als Ratgeber im Kanzleramt sitzen: Sie handelt pragmatisch, ist nicht gerade idealistisch und weiß, wie man Kon-kurrenz aus dem Weg räumt. Wäre der Meister zufrieden mit ihr? Vermutlich, in dieser Hinsicht ja, denn damit folgt sie sicherlich seinen Regeln. Eine seiner großen Entdeckungen lautet ja, dass Politik ihre eigenen Gesetzmäßig-keiten hat, und diese scheint die Kanzlerin zu verstehen. Allerdings mussten die eige-nen Gesetze der Politik dem Staat zugute-kommen. Ob das heute der Fall ist, müs-sen spätere Historiker entscheiden.Nach Machiavelli ist es wichtig, die Launen Fortunas, der Glücksgöttin, im Auge zu behalten. Merkel hat nach dem Unglück von Fukushima, schein-bar prinzipienlos, mal eben ihre Ener-giepolitik auf den Kopf gestellt. Hätte Machiavelli applaudiert? Vermutlich hätte er gelobt, dass die Kanz-lerin in diesem Fall eine Gelegenheit am Schopfe gepackt hat. Denn Fortuna wird von einer weiteren mythologischen Gott-heit begleitet, die nicht minder unbere-chenbar ist: von der günstigen Gelegen-heit. Beide treten zusammen auf. Die Po-

litik hat in diesem Fall die Gelegenheit ergriffen, die darin bestand, dass die Öf-fentlichkeit zutiefst beunruhigt war und ein Politiker sich populär machen konnte. So unberechenbar Fortuna auch ist – sie bietet mindestens einmal eine Gelegen-heit. Wer diese nicht ergreift, der wird ihr ewig nachtrauern.Lehrt Machiavelli letztlich politischen Opportunismus? Persönlich war er kein Opportunist, im Gegenteil: Er hat zwar versucht, sich mit seinen Schriften der florentinischen Herr-scherfamilie der Medici anzudienen, doch auf eine so kritische und für diese unan-nehmbare Weise, dass die Abstoßungsre-aktion vorhersehbar war. Machiavelli sieht den perfekten Politiker nicht opportunis-tisch, aber geschmeidig und anpassungs-fähig; in dem Sinne, dass er auf veränderte Situationen und Konstellationen reagieren kann, ohne dabei das große Ziel aus den Augen zu verlieren. Und das Ziel entschei-det alleine über die Rechtmäßigkeit der Zwecke. Ziel ist die Größe, Stärke und Do-minanz des Staats. Das erlaubt einen Op-portunismus im kleinen Stil, nicht aber im großen. Opportunismus im Großen wäre, wenn einem Politiker Privatangelegenhei-ten wichtiger sind als die des Staats. Dann wäre auch das politische Handeln nicht erlaubt. Der Zweck heiligt auch moralisch verwerfliche Mittel, aber nur, sofern diese den Staat stärken. Der Denker Machiavelli ist zum personi-fizierten Bösen geworden. Welches Bild haben Sie vom Menschen gewonnen?Ich glaube, dass er ein sehr gewinnender Mensch war, der außerordentlich über-zeugungsmächtig reden konnte. Seine vielen diplomatischen Missionen wurden immer sehr gelobt. Er war ein vor Witz überströmender, sarkastischer und ironi-scher Mensch. Er war auch mutig, unbe-stechlich, und übrigens ein großer Liebha-ber des schönen Geschlechts. Man sollte jedoch nicht übersehen, dass er unein-sichtig war, was eigene Fehler betraf.

INTERVIEW: SEBASTIAN LANGE

Volker Reinhardt (Jahrgang 1954) ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg in der

Schweiz. Vor kurzem ist im Verlag C.H. Beck seine Machiavelli-Biographie „Machiavelli – oder die Kunst der Macht“ erschienen. Reinhardt verfasste bereits Werke über die Borgia und Michelangelo.

„Netzwerke konsequent abgelehnt“Politik als Kunst des schönen Scheins – Machiavellis Lehren sind zeitlos gültig. p&k sprach mit VOLKER REINHARDT, der jetzt eine Biografie über den Denker veröffentlicht hat.

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Praxis

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Berlin, 23. März, Deutscher Bundestag: Der neu vereidigte Bundespräsident Joachim Gauck hält seine mit Spannung erwartete Antrittsrede. Sie ist geprägt von einem staatstragenden Ton. Über die zukünftige Gestalt „unseres Landes“ spricht Gauck in seiner knapp 20-minüti-gen Rede. Der 72-Jähige fordert darin eine aktive und solidarische Gesellschaft, die niemanden aufgrund der Herkunft oder des Glaubens ausgrenzt. Zentrale Werte sind für den neuen Bundespräsidenten Freiheit und Gerechtigkeit. Freiheit

bezeichnet Gauck als sein „Lebensthema“. Sie sei für ihn eine notwendige Bedingung von Gerechtigkeit. Was Gerechtigkeit be-deutet, vor allem soziale Gerechtigkeit, ließe sich nur in intensiver demokrati-scher Diskussion und Debatte klären. Umgekehrt sei das Bemühen um Gerech-tigkeit unerlässlich für die Bewahrung der Freiheit, so Gauck. Darüber hinaus bekennt sich der 11. Präsident der Bun-desrepublik auch klar zu Europa: „Wir wollen mehr Europa wagen“ lautet die Botschaft. Europa, so Gauck, sei für seine

Generation Verheißung gewesen, für die heutige Jugend dagegen längst aktuelle Lebenswirklichkeit. Nicht nur in Europa gelte: Einzig und allein die repräsentative Demokratie könne dafür sorgen, dass Gruppen- und Gemeinwohlinteressen ausgeglichen werden. Zum Schluss seiner Ansprache bittet der neue Bundespräsi-dent um Vertrauen — in seine Person, aber auch in die politisch Verantwortli-chen, „in alle Bewohner dieses wiederver-einigten und erwachsenen Landes“ und letztlich „in sich selbst“.

��������Rhetorik spielt in der Politik eine große Rolle. Menschen zu überzeugen und für eine gemeinsame Sache zu gewinnen, ist Grundlage erfolgreicher Politik. In p&k fi nden Sie jeden Monat BEISPIELE,

praktische TIPPS und hilfreiche ANALYSEN rund um das Thema.

REDE DES MONATS: JOACHIM GAUCK

In unserer Wortwolke sind die meistbenutzten

Wörter der Rede groß hervorgehoben

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15pol it ik&kommunikat ion | Ma i 2012

Lassen Sie sich nicht unterbrechen. Viele Menschen haben die Angewohnheit, andere ständig zu unterbrechen, auch wenn diese gerade erst ein oder zwei Sätze geredet haben. Dafür gibt es ein einfaches Rezept: Sagen Sie einfach freundlich, aber laut und deutlich: „Warten Sie bitte, lassen Sie mich das noch kurz zu Ende bringen…“ oder „Warten Sie bitte, einen Satz noch…“. Viele Menschen merken oft gar nicht, dass sie andere Menschen unterbrechen. Deshalb ist es manchmal nötig, sie darauf hinzuweisen. Durch die oben gezeigte Art und Weise können Sie wieder das Wort ergreifen, ohne den anderen anzugreifen.

DER TIPP

Der fi nnische Politologe Kari Palonen untersucht in seinem Buch, mit wel-chen rhetorischen Strategien Politiker verteidigt werden. Zunächst geht es jedoch um die Frage, warum Politiker heutzutage ein nur geringes Ansehen genießen. Palonen vertritt die These, dass insbesondere Journalisten „Poli-tiker-Bashing“ kultivieren. Ausgehend von seinen Studien zu Max Weber und der Begriff sgeschichte der Politik analysiert der Autor anschließend eine Auswahl von Lobreden auf Politiker von 1896 bis 2003. Dabei stellt er einige wiederkehrende Argumentations-muster heraus, zu denen vor allem der Verweis der Redner auf die Professi-onalität, die Unentbehrlichkeit und den Eigenwert der Politik gehören. Der Leser erfährt auf den 209 Seiten, dass Lobreden auf Politiker maßgeblich dazu beitragen, die Demokratien in Westeuropa vor einer ernsthaften Krise zu bewahren.

Von der Kraft der Begegnung spricht Hannelore Kraft auf dem Parteitag der NRW-SPD Ende März recht viel. Sie möchte die Batterien ihrer Partei wieder aufl aden. Aufl aden für einen Wahlkampf, den sie mit „Herzblut und mit Freude“ gestalten will. „Ihr wisst, ich bin für klare Kante. Ich sag, was Sache ist.“ Doch stimmt das wirklich? Was die Betonungen, Lautstärke und Körpersprache an-geht: Ja! Doch der saloppe Tonfall und der gewollt volksnahe Duktus drohen die inhaltlichen Aussagen zu überlagern. Frau Krafts Rhetorik er-möglicht zwar Empathie und fordert sie sogar ein: „Wir sind Kümmerer, nah bei den Menschen…und kämp-fen geschlossen und gemeinsam, beherzt und leidenschaftlich…mit NRW im Herzen!“ Jedoch: Es fehlen inhaltliche Pointierungen und bild-haft wirkende Kernbotschaften.

Frank HartmannFrank Hartmann ist Rhetorikcoach- und Medien-trainer in Berlin und analysiert für p&k die rhetorischen Fähigkeiten unserer Politiker. Sie erreichen ihn unter: [email protected]

RHETORIKCHECK

Hannelore Kraft

RHETORIKCHECK

MIMIK, GESTIK, KÖRPERSPRACHE

LEBENDIGER AUSDRUCK

REDEAUFBAU

DAS ZITAT

„Am meisten nützt eine Rede, die sich in kleinen Abschnitten in die Seele einschleicht.“

LUCIUS ANNAEUS SENECA

DAS BUCH

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Kari Palonen: Rhetorik des Unbeliebten. Lobreden auf Politiker im Zeitalter der Demokratie. Nomos-Verlag, Baden-Baden 2012, 209 Seiten, 34 Euro.

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Internat ional

pol it ik&kommunikat ion | Ma i 2012

Mit Pandas und Konfuzius Wegen der Menschenrechtslage ist CHINA Kritik ausgesetzt – doch gelingt es der asiatischen Groß-

macht immer besser, mit der chinesischen Kultur international für ihr Image zu werben.

VON FALK HARTIG

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T A ls die chinesische Führung Anfang April 16 Webseiten sperrte, um der weiteren Verbreitung von „Internet-

gerüchten und Lügen“ entgegen zu wir-ken, wurde wieder einmal deutlich, wie Regierungskommunikation innerhalb Chinas funktioniert – oder eben auch nicht. Diese „notwendige Säuberungsak-

tion“ (so das Parteiorgan „Volkszeitung“) folgte, nachdem Ende März im Internet tagelang Gerüchte die Runde machten, wonach es in Peking im Zuge interner Parteimachtkämpfe zu einem Putsch ge-kommen sein sollte. Die Mutmaßungen waren auch deshalb so wild, weil die al-leinherrschende Kommunistische Partei ihre Untertanen traditionell darüber im Unklaren lässt, was ihre Führer so trei-

ben. Diese Intransparenz, auch und ge-rade in Personalfragen, führt nach wie vor dazu, dass Chinesen den Status in-nerhalb der Führungsmannschaft daran ablesen, wer in den Fernsehnachrichten auftaucht und wer nicht.

Während Peking daheim mit den altbewährten Kommunikationsmitteln kommunistischer Prägung agiert, also einerseits Schweigen und andererseits

Internat ional

Symbolfigur chinesischer Kultur: Konfuzius

Page 17: politikundkommunikation

17pol it ik&kommunikat ion | Ma i 2012

Zensur und Gängelung der Medien, zeigt sich die Volksrepublik auf internationaler Bühne erstaunlich kreativ, wenn es darum geht, mit der Weltöffentlichkeit zu kom-munizieren, um das Image des Landes zu verbessern. Für seine Public Diplomacy, also die Kommunikation mit der Bevölke-rung anderer Länder, nutzt Peking prinzi-piell die gleichen Instrumente wie andere Regierungen, also die klassischen Medien und das Internet, Kulturveranstaltungen, Austauschprogramme oder Großveran-staltungen wie die Olympischen Spiele 2008 in Peking oder die Weltausstellung 2010 in Shanghai.

Geballte Medienmacht

Seit dem Jahr 2009 hat die chinesische Regierung rund 8,7 Milliarden US-Dol-lar in die vier großen staatlichen Medien-betriebe investiert: die Nachrichtenagen-tur Xinhua, den Fernsehsender CCTV, den Radiosender CRI und die englisch-sprachige Tageszeitung „China Daily“. Die Zeitung hat seit 2009 eine eigene US-Ausgabe und veröffentlicht seit Dezem-ber 2010 eine europäische Wochenaus-gabe. Im Juli 2009 startete CCTV sein arabisch-sprachiges Programm und sen-det nun in fünf Fremdsprachen (auch in Englisch, Russisch, Spanisch und Franzö-sisch). CRI berichtet sogar in 43 Fremd-sprachen und Dialekten. Die Agentur Xinhua hat weltweit rund 400 Korres-pondenten in 117 Büros, bis 2020 sollen es bis zu 180 Außenposten werden. Au-ßerdem verfügt sie seit Sommer 2010 über einen eigenen englischsprachigen Fern-sehsender.

Mit ihren Angeboten bedient die Agen-tur, die direkt dem Propagandaministe-rium untersteht, weltweit rund 80.000 Kunden. Erfolgreich ist Xinhua insbe-sondere in Entwicklungsländern, da die Agentur ihre Dienste wesentlich günsti-ger anbietet als die westliche Konkurrenz. Und können Kunden gar nicht bezahlen, dann liefert Xinhua Inhalte, Ausrüstung und technische Unterstützung auch gra-tis. Allerdings steht diese Medienoffensive vor allem im Westen im Verdacht, bloßes Propagandainstrument der Kommunisti-schen Partei Chinas (KPCh) zu sein.

Während die chinesischen Medien als Public-Diplomacy-Instrumente nicht auf der ganzen Welt überzeugen können, sind zwei andere Instrumente der chinesischen Charme Offensive erfolgreicher: Das pro-

minenteste Instrument sind die 360 Kon-fuzius-Institute und die 500 „Konfuzius-Klassenzimmer“ an Schulen, die der inte-ressierten Öffentlichkeit in aller Welt die chinesische Sprache und Kultur vermit-teln sollen. Ende 2011 zählten die Institute weltweit rund eine halbe Million Kursteil-nehmer, laut offiziellen Angaben fanden 10.000 Kulturveranstaltungen mit 7,2 Mil-lionen Besuchern statt.

Das Besondere an den Instituten ist ihre Struktur als Joint Ventures zwischen chinesischen und internationalen Part-nern. Dabei stellt die internationale Seite Räumlichkeiten und örtliche Mitarbeiter, China schickt Sprachlehrer, meist einen Vize-Direktor, Lehrmaterialen und zahlt einen Teil des Budgets. So erhalten die In-stitute jährlich durchschnittlich 100.000 US-Dollar, außerdem können sie zusätzli-che Projektgelder beantragen. Allerdings müssen die internationalen Partner auch investieren: zunächst in die Räumlichkei-ten und lokalen Kräfte, und auch bei den Projektmitteln werden die Kosten zwi-schen chinesischen und internationalen Partnern geteilt.

Noch eklatanter ist die internatio-nale finanzielle Beteiligung an Chinas Public Diplomacy bei Chinas so genann-ter Panda-Diplomatie. Während Riesen-pandas, die es nur in China gibt, bis Mitte der 1980er Jahre an wichtige oder wohlge-sinnte Länder verschenkt wurden, wer-den sie heute unter strengen Auflagen im Rahmen von wissenschaftlichen Koope-rationen an zahlungskräftige Zoos ausge-liehen. Rund eine Million Dollar pro Jahr muss ein Zoo für ein Pandapaar zahlen, das für zehn Jahre ausgeliehen wird. Dazu kommen für viele Zoos Umbaukosten in Millionenhöhe, und allein die Verpfle-gung der Tiere mit Bambus schlägt pro Jahr mit rund 150.000 Euro zu Buche.

Offiziell geht es zwar um tiermedizi-nische Kooperationen und die Erhaltung der vom Aussterben bedrohten Art durch Nachwuchsgewinnung, aber die enorm positive Image-Wirkung ist dabei durch-aus einkalkuliert. 2009 bekam der Zoo im australischen Adelaide zwei Pandas und verzeichnete im ersten Jahr einen Besu-cherzuwachs von 70 Prozent. Der Edin-burgher Zoo vermeldete im Dezember 2011, dem ersten Monat mit Pandas, gar einen Besucheranstieg von 200 Prozent. Doch auch wenn die Pandas Besucherma-gneten sind, können sie die teilweise enor-men Kosten für die Zoos nicht immer ein-

Falk Hartig ist Sinologe und Journalist. Er lebt in Bris-bane. Er schrieb „Die Kommunistische Par-tei Chinas heute“ (Campus Verlag, 2008).

spielen. So leidet der Zoo in Adelaide an einer Schuldenlast von 24 Millionen Aus-tralischen Dollar, was auf die Beherber-gung der Bären zurückzuführen ist.

Aus chinesischer Sicht allerdings sind die Pandas ein absoluter Erfolg. Die Be-sucher im Ausland sind begeistert, be-schäftigen sich nicht mit so lästigen The-men wie Menschenrechten oder dem Dalai Lama, und selbst die sonst so china-kritischen Medien geraten bei den Bären mehrheitlich in Verzückung. Die Panda-Diplomatie mag auf den ersten Blick skur-ril erscheinen – sie ist Teil einer Strate-gie. So konnte zum Beispiel der kanadi-sche Premier Stephen Harper diesen Fe-bruar auf einer China-Reise verkünden, dass Kanada 2013 zwei Pandas bekom-men wird. Harper wurde mit den Pandas nicht nur dafür belohnt, dass er sich vom China-Kritiker zu Beginn seiner Amtszeit zum China-Freund gemausert hat, son-dern wohl auch, weil sich China in Kanada enorme Rohstoffvorkommen sichern konnte, die für die Entwicklung des Lan-des immens wichtig sind.

Die Kritik bleibt

Insgesamt zeigen Konfuzius-Institute und Panda-Diplomatie eines ganz deut-lich: China nutzt die durchaus bestehende globale Faszination der chinesischen Kul-tur überaus geschickt, indem es sich in-ternationale Partner ins Boot holt und so von deren Expertise, Infrastruktur und Prestige profitiert. Noch entscheidender aus chinesischer Sicht ist allerdings, dass es im Ausland zahlreiche Partner gibt, die bereit sind, Chinas Public Diplomacy mitzufinanzieren und sich dafür im Hei-matland, siehe Konfuzius-Institute, mit-unter heftiger Kritik ausgesetzt sehen. Al-lerdings können noch so süße Pandas und noch so viele Konfuzius-Institute nicht wettmachen, was die Regierung zu Hause beschädigt. Denn jede noch so kreative Außendarstellung bleibt erfolglos, wenn in China nach wie vor Internetseiten ge-sperrt, Medien zensiert oder Dissidenten verhaftet werden.

Page 18: politikundkommunikation

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Was Politiker von Machiavelli & Co lernen können

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����������Die Sozialen Medien spielen bei der arabischen Revolution eine wichtige Rolle. ����������������

����������Wie Helmut Metzner von den Medien zum „Maulwurf“ gemacht wurde. ����������

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���������Die US-Kampagnentrends

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�����������Das Internetportal Greenleaks soll helfen, Umweltskandale aufzudecken. ���������

����������Die Bundeswehr wird zur Freiwilligenarmee – künftig muss sie um Soldaten werben. �����������

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Zwischen Fraktionszwang und Gewissen

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������������US-Botschafter Philip Murphy über den American Dream – und über Wikileaks ����������������

����������Die Bürger erwarten mehr Transparenz – doch die Parlamentarier tun sich schwer �����������������

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Die Lobby der Netzbürger formiert sich

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�����������In den Bundesministerien verliert das Ideal des preußischen Beamten an Bedeutung ����������

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������Was ein Fotograf bei Interviews mit Politikern erlebt – und was er ihnen rät ���������

�����Welche Rolle das Design im modernen Wahlkampf spielt �����������

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Ihre Strategien, ihre Ziele

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Eine

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����������Die Politik setzt immer stärker auf Youtube-Filme als Kommunikationskanal ���������

����������Vor der Wahl setzte Polens Opposition auf Ressentiments – ohne Erfolg ����������������

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Krisenkommunikation für Politiker

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�����������Die prämierten Fotografi en und Karikaturen des Wettbewerbs „Rückblende“ ���������

�����������Der rapide Wandel der politischen Kommunikation in Bayern �����������������

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���������Wege in politische Berufe

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��������Der britische Ex-Außenminister David Miliband will die Labour-Basis einbinden ����������������

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����������Wenn Bürgerdialog nur PR ist

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�����������������������Wie die Großmacht China ihre Kultur zur Imagepfl ege einsetzt ����������������

������������������Wie die mächtige Automobil-Lobby ihre Interessen durchsetzt �����������������

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DAS NULL-EMISSIONSAUTO. FÜR UNS DER NÄCHSTE SCHRITT.

EIN REVOLUTIONÄR, DER NICHTS ERREICHEN WILL.Bei der Arbeit hat Mirco Schwarze nur ein Ziel: das Null-Emissionsauto zu bauen. Im BMW Werk Leipzig ist er diesem Ziel mit der Produktion des BMW ActiveE ein gutes Stück näher gekommen. Dieses Elektrofahrzeug ist ein weiterer Beitrag zu BMW E� cientDynamics – einer Tech-nologie, die bisher mehr als 3,4 Millionen Tonnen CO2eingespart hat. Und wenn im Jahr 2013 im Werk Leipzig der BMW i3 an den Start geht, baut Mirco Schwarze an einem weiteren Meilenstein der Elektromobilität. Dann kann er mit Fug und Recht sagen, dass er nichts erreicht hat. Und doch eine Revolution mit auf den Weg brachte.

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