presseberichte aus lausitzer rundschau und … · ernst neufert in weißwasser/o.l. presseberichte...

25
Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten Pötzsch) Jahre 2004 bis 2009 2009 05. Mai 2009 Verein erforscht das Leben von Frauen aus Weißwasser Hinweise zu Leben und Wirken berühmter Weißwasseraner gibt es viele doch nicht über Frauen. Ihnen widmet sich ein neues Vereinsprojekt. Von Sabine Larbig Das Frauennetzwerk Harmonia plant eine neue Wanderausstellung. Diesmal durch das Projekt Zeitreise. Foto: gs Zeitreise - so heißt das Projekt, das seit Jahresbeginn beim Frauennetzwerk „Harmonia“ e.V. läuft und über Landes-LOS-Mittel gefördert wird. Laut Vereinsvorsitzender Kerstin Böhme soll bis 2010 eine Broschüre oder Wanderausstellung entstehen, die das Leben einstiger Unternehmerfrauen von Weißwasser, ihr gesellschaftliches Engagement und die allgemeine Situation von Arbeiterinnen dokumentieren. Das Material soll Stadtverwaltung, Schulen, Vereinen und dem Glasmuseum zur Verfügung gestellt werden. „Selbst das sächsische Sozialministerium hat sein Interesse signalisiert“, freut sich Kerstin Böhme. Ehrenamtliche Vereinsmitglieder und ABMer recherchieren seit Monaten akribisch. Weltweite Recherchearbeit „Als Verein könnten wir weder personell noch finanziell das Zeitreise-Projekt tragen“, weiß Böhme. Nur die Förderung ermöglicht für die umfangreichen Recherchen beispielsweise den Postverkehr ins In- und Ausland oder Archivfahrten außerhalb Weißwassers. „Die Schwierigkeit besteht darin, dass es über das Leben von Weißwasseranerinnen aus der Zeit um 1900 kaum

Upload: others

Post on 03-Oct-2019

3 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

Ernst Neufert in Weißwasser/O.L.

PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG

Stand: 01.04.2013 (von Torsten Pötzsch)

Jahre 2004 bis 2009

2009

05. Mai 2009

Verein erforscht das Leben von Frauen aus Weißwasser

Hinweise zu Leben und Wirken berühmter Weißwasseraner gibt es viele –doch nicht über Frauen. Ihnen widmet sich ein neues Vereinsprojekt.

Von Sabine Larbig

Das Frauennetzwerk Harmonia plant eine neue Wanderausstellung. Diesmal durch das Projekt Zeitreise. Foto: gs

Zeitreise - so heißt das Projekt, das seit Jahresbeginn beim Frauennetzwerk „Harmonia“ e.V. läuft und über Landes-LOS-Mittel gefördert wird. Laut Vereinsvorsitzender Kerstin Böhme soll bis 2010 eine Broschüre oder Wanderausstellung entstehen, die das Leben einstiger Unternehmerfrauen von Weißwasser, ihr gesellschaftliches Engagement und die allgemeine Situation von Arbeiterinnen dokumentieren. Das Material soll Stadtverwaltung, Schulen, Vereinen und dem Glasmuseum zur Verfügung gestellt werden. „Selbst das sächsische Sozialministerium hat sein Interesse signalisiert“, freut sich Kerstin Böhme. Ehrenamtliche Vereinsmitglieder und ABMer recherchieren seit Monaten akribisch.

Weltweite Recherchearbeit

„Als Verein könnten wir weder personell noch finanziell das Zeitreise-Projekt tragen“, weiß Böhme. Nur die Förderung ermöglicht für die umfangreichen Recherchen beispielsweise den Postverkehr ins In- und Ausland oder Archivfahrten außerhalb Weißwassers. „Die Schwierigkeit besteht darin, dass es über das Leben von Weißwasseranerinnen aus der Zeit um 1900 kaum

Page 2: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

Überlieferungen gibt - im Gegensatz zu männlichen Firmengründern oder historischen Persönlichkeiten jener Zeit“, erläutert Kerstin Böhme. Gerade deshalb sei das Projekt gewählt worden. „Wir wollen herausfinden, wie Frauen lebten, welche Rolle sie hatten und ob sie gesellschaftlich aktiv waren.“

Erste, fast unbekannte Hinweise gibt es bereits. Auch dank der Unterstützung des Zeitreise-Projekts durch Übersetzerin Yvonne Hungler aus Bad Muskau oder den Förderverein Glasmuseum. Zwei Beispiele nennt Projektbetreuerin Edeltraut Deckert. „Annemarie Schweig hat im Februar 1943 in der Rosenstraße in Berlin um die Freilassung ihres jüdischen Mannes aus SS-Haft gekämpft. Eine Jubiläumsschrift zu 50 Jahren Glaswerk Gelsdorf GmbH überliefert, dass Emilie Gelsdorf hilfsbereit und mitfühlend gegenüber Arbeiterfamilien war.“ Insgesamt erwiesen sich die Recherchen aber schwieriger und zeitaufwendiger als vermutet. Der Grund dafür, so Deckerts Vermutung, liege wohl in den einst herrschenden Geschlechterrollen.

Mithilfe der Bürger erbeten

Da viele Puzzleteile ein Ganzes ergeben, setzt der Verein ebenfalls auf Mithilfe von Bürgern. Wer über Dokumente, Fotos oder Aufzeichnungen über Weißwasseranerinnen und ihr Leben zur Jahrhundertwende verfügt, wird gebeten, sich beim Frauennetzwerk zu melden. „Über Umwege konnte ich außerdem Kontakt zu Nachfahren der Familien Altmann und Neufert knüpfen“, freut sich Edeltraut Deckert. Nicht nur sie hofft letztlich auf ein aussagefähiges Projektergebnis.

2008

15. November 2008

Vorbild war rot, nicht blau

Manchmal denkt man, jemand habe ein ganz bestimmtes Vorbild und sieht sich dann getäuscht.

So ist das auch mit der Orange Box, dem Bürgerzentrum zum Stadtumbau, das am Mittwoch an der Bautzener Brücke eröffnet wurde. Da haben Hoyerswerdaer in Weimar einen Kubus entdeckt, der ebenfalls als Ausstellungsort dient. Die Neufert-Box ist dem Bauhaus-Architekten Ernst Neufert gewidmet und steht schon zehn Jahre. Da könnte man auf den Gedanken kommen, in Hoyerswerda habe man sich aus Thüringen etwas abgeguckt, auch wenn die Neufert-Box größer und blau angestrichen ist. Stimmt aber nicht. In der Hoyerswerdaer „Stadtwerkstatt 15 + 9” ist nie über Weimar geredet worden, allerdings häufiger über Berlin. Das Vorbild der orangenen ist nämlich die rote Infobox, die von 1995 bis 2001 den Bau des Potsdamer Platzes begleitete. Nun ist den Baufachleuten auch in Hoyerswerda aber Ernst Neufert trotzdem lieb und teuer. Der Mann schrieb 1936 eine Bauentwurfslehre. Der Leitfaden für Planer und Bauherren gilt noch heute. Außerdem ist Neufert quasi Ehren-Lausitzer. Er war Hausarchitekt der Glaswerke in Weißwasser.

Mirko Kolodziej

Page 3: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

15. November 2008

Das Vorbild war rot und nicht blau

Von Mirko Kolodziej

Manchmal denkt man, jemand habe ein ganz bestimmtes Vorbild und sieht sich dann getäuscht. So ist das auch mit der Orange Box, dem Bürgerzentrum zum Stadtumbau, das am Mittwoch an der Bautzener Brücke eröffnet wurde. Da haben nämlich Hoyerswerdaer in Weimar einen Kubus entdeckt, der ebenfalls als Ausstellungsort dient. Die Neufert-Box ist dem Bauhaus-Architekten Ernst Neufert gewidmet und steht schon zehn Jahre. Da könnte man wirklich auf den Gedanken kommen, in Hoyerswerda habe man sich aus Thüringen etwas abgeguckt, auch wenn die Neufert-Box größer und blau angestrichen ist. Stimmt aber nicht. In der Hoyerswerdaer „Stadtwerkstatt 15 + 9“ ist nie über Weimar geredet worden, allerdings häufiger über Berlin. Das Vorbild der orangenen ist nämlich die rote Infobox, die von 1995 bis 2001 den Bau des Potsdamer Platzes begleitete. Nun ist den Baufachleuten auch in Hoyerswerda aber Ernst Neufert trotzdem lieb und teuer. Der Mann schrieb 1936 eine Bauentwurfslehre. Der Leitfaden für Planer und Bauherren gilt noch heute. Außerdem ist Neufert quasi Ehren-Lausitzer. Er war nämlich Hausarchitekt der Glaswerke in Weißwasser.

12. Juni 2008

Die Erben des Baumeisters Thormann

Am 12. April 2008 ist Oskar Thormann, der letzte lebende Miterbauer des Wasserturmes, eines Wahrzeichens der Stadt Weißwasser, in Bremen im Alter von 97 Jahren verstorben. Mitte Mai weilte sein Sohn Ulrich, Architekt a.D., in Weißwasser, um etwas heimatliche Erde und einen kleinen Fichtenbaum für das Grab seines Vaters mit nach Bremen zu nehmen. Oskar Thormanns Wunsch war es, in Weißwasser bestattet zu werden. Da ihm den aber die Familie nicht erfüllen konnte, hatte sie beschlossen, das Grab des Vaters mit etwas heimischer Erde abzudecken.

Oskar Thormann. Der Weißwasseraner Wasserturm ist ein Bauwerk, mit dem sich der Baumeister und Architekt Walter Thormann (kleines Foto) selbst ein Denkmal gesetzt hat. Fotos: privat

Page 4: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

Oskar Thormann wurde in Weißwasser in der Mittelstraße im sogenannten «Rotsteinhaus» (neben der Bibliothek) geboren und erlernte den Maurerberuf. Während seiner Lehrzeit arbeitete er am evangelischen Gemeindehaus in der Berliner Straße und half bei den Planungsarbeiten für den Badestrand am Jahnteich 1929/30. Im Sommer 1930 erhielt Thormann von seinem Vater, dessen Baugeschäft die Ausführung des Wasserturmbaues in Auftrag hatte, die Aufgabe, eine Teilfläche der Backsteinummantelung als Gesellenstück zu mauern. Das war keine einfache Arbeit, denn auch das dazu gehörende Gerüst – der Turm ist bekanntlich dreißig Meter hoch - musste geschaffen werden. Nach erfolgreichem Abschluss der Lehre studierte Oskar Thormann Architektur und ließ sich nach dem Krieg in Bremen nieder. Hier betrieb er selbstständig ein Architekturbüro und besaß als Hochschullehrer auch eine Professur. Die Thormann-Dynastie hatte in Weißwasser eine lange Tradition. Der erste hier Ansässige, Carl Thormann, kam mit Kommerzienrat Emil Meyer und Joseph Schweig um 1880 nach Weißwasser. Hier fungierte er als technischer Leiter der von Meyer gepachteten Braunkohlengrube. Joseph Schweig wurde wenig später als kaufmännischer Leiter hierher gerufen und brachte seine Verwandte Elisabeth Schröder mit, die Thormann später ehelichte. Zwei Jahre später gründete er ein eigenes Bergbauunternehmen im Ort und schied aus Emil Meyers Unternehmen «Kohlenwerke Weißwasser» aus. Als Carl Thormanns zweiter Sohn Oskar durch ein Bergbauunglück ums Leben kam, gab er sein Gewerbe auf und verkaufte es an den Bergassessor Willi von Lewinski. Mit dem Verkaufserlös unterstützte er seinen ersten Sohn Walter, welcher ein Baugeschäft mit kleinem Sägewerk an der heutigen Käthe-Kollwitz-Straße eröffnete. Walter Thormann wurde zu einem der erfolgreichsten und bekanntesten Baumeister Weißwassers. Vielen seinen Bauwerke sieht man das auch heute noch an. Er heiratete Charlotte Novodny, Tochter des Osram-Prokoristen Richard Novodny, wohnhaft in der Schillerstraße, wo vor einiger Zeit noch das Tourismusbüro untergebracht war. Neben dem Wasserturm, welcher von Gemeindebaumeister Weißig im Stil des Backsteinexpressionismus und der benachbarten Bauhausvilla des Architekten Ernst Neufert geplant war und dessen Ausführung dem Baugeschäft Thormann übertragen wurde, gab es einige Eigenkreationen. Walter Thormann bevorzugte den 1925 aufgekommenen Art-Deco-Stil, ein Gemisch verschiedener Neostile in Richtung der Moderne. Deutlich erkennbar sind darin auch vage Elemente des Jugendstils in der Phase des Übergangs zum Heimatstil. Hier findet man Thormanns Handschrift an den Wohngeschäftshäusern Friedrich-Bodelschwingh-Straße 5 und 17. Ebenso an den Häusern Butter-Noack und Hotel Prenzel sowie am Eckhaus Kirchstraße - Muskauer Straße sowie an der sogenannten Stadtvilla an der Muskauer Straße wieder. Wenn die Medien über Erdbebenkatastrophen in der Welt berichteten und ich als Kind meinen Großvater fragte, ob auch unser Haus einstürzen könnte, dann beruhigte er mich immer mit den Worten: „Das passiert nicht, denn dieses Haus hat Thormann gebaut!“ Von Lutz Stucka

Page 5: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

24. Mai 2008

Weißwassers unbeachtete Schätze

Seit drei Monaten ist Diplom-Architekt Fred Jasinski von der Fachhochschule Lausitz in Weißwasser unterwegs, um sich im Auftrag des Bergbauunternehmens Vattenfall Europe Mining und Generation ein Bild von der Stadt, ihren Problemen und Potenzialen zu machen. Seine Eindrücke sollen in eine Studie und ein stadtplanerisches Leitbild münden. Auch Projekte sollen vorgeschlagen werden, welche Vattenfall finanziell zu unterstützen bereit wäre. Erste Ergebnisse seiner Weißwasser-Untersuchung stellte Jasinski am Donnerstag auf Einladung des Vereins «Zukunft aktiv gestalten» (ZAG) vor.

Ebenfalls sehr vorzeigbar: Villen in Weißwasser, die einst dem Wunsch des Bürgertums nach Wohnen im Grünen entsprachen. Fred Jasinskis Vision von Weißwasser ist eine Stadt, die ihre Gründerzeit-Visitenkarte wiederentdeckt. Schmuckes Einzelstück am Marktplatz in Weißwasser. Das sind die Gebäude, die Weißwassers Visitenkarte ausmachen. Ein Haus des bekannten Bauhaus-Architekten Ernst Neufert - Weißwasser hat es und damit eine Attraktion, um die mancher die Stadt beneiden würde. Kann die Idee vom Indoor-Climbing das alte Fabrikgebäude mit neuem Leben erfüllen? Gut erhaltenes Gründerzeitambiente: Zwar von Lücken und anderer Architektur unterbrochen, hat Weißwasser noch vieler solcher Anblicke. Foto: Fotos: Thoralf Schirmer Das erste, womit Fred Jasinski die Weißwasseraner an diesem Abend in einem mit 80 Besuchern voll besetzten Bibliothekssaal konfrontiert, ist ihre Geschichte. Besser die Geschichte ihrer Stadt, die auf ganz besondere Weise von sich rasant ändernden Verhältnissen geprägt ist. Zwei Dörfer, Hermannsdorf und das Alte Dorf Weißwasser, waren im 19. Jahrhundert miteinander verknüpft worden, als Neu-Weißwasser zwischen sie gebaut wurde. Eine eigens konzipierte und den damaligen Bedürfnissen des Bürgertums angepasste eigene Stadt, mit allem was dazu gehöre: Kirche, Marktplatz, Kaufhaus und Schule war auf dem Hügel zwischen den Dörfern entstanden. Jasinski lässt Fotos sprechen: dreigeschossige Bürgerhäuser, die das neue Stadtzentrum prägten; schicke Villen, die, gar nicht so weit weg vom Zentrum, dem Wunsch des Bürgertums gerecht wurden, unmittelbar im Grünen zu wohnen. Es sind Häuser, von denen sich heute noch viele in Weißwasser finden. Ungeachtet der Schäden, die sie durch den Zweiten Weltkrieg erlitten hat, sei dieses spätbürgerliche Gründerzeit-Quartier nach wie vor etwas ganz Besonderes, sagt Jasinski, die Visitenkarte von Weißwasser schlechthin. Nur, dass dies von den Einwohnern oft gar nicht recht erkannt werde. Für eine Rückbesinnung

Page 6: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

wirbt Jasinski nun: «Ihre Chance ist es, sich als Stadt des 19. Jahrhunderts wiederzuentdecken. Sie brauchen diese Stadt nicht neu zu erfinden oder aufzubauen. Es geht hier nicht darum, eine Art Disneyland zu schaffen, sondern um Wertschätzung.» Zwar sei Weißwasser im Vergleich mit ähnlichen Städten besonders schwer geschlagen, was Brachflächen in der Innenstadt betrifft ( «Sie befinden sich oft ausgerechnet in unmittelbarer Nachbarschaft von Bereichen, in denen es sich angenehm wohnen lässt» ), doch auch diese Flächen sollten in städteplanerische Überlegungen schon jetzt mit einbezogen werden. Zum Teil ließen sie sich beräumen. Es ließe sich festlegen, welche Nutzungsarten gegebenenfalls für sie ausgeschlossen und welche ausdrücklich gewünscht seien. Und schließlich gebe es auch solche Flächen, auf denen Gebäude stehen, die einen ungeahnten Schatz darstellten. «Der Neufert beispielsweise» , schwärmt Fred Jasinski, und stößt auf manchen verständnislosen Blicke. «Das ist ein weltweit geschätzter Architekt. Andere fahren weit, um sich ein Gebäude von ihm anzusehen, und sie haben ein Haus von ihm.» Tatsächlich kennen die meisten das ehemalige Fabrikgebäude an der Dr.-Altmann-Straße (neben dem Polizeirevier) als letzten Standort der Großhandelsorganisation «Obst, Gemüse, Speisekartoffeln» (GHG). Dass es von einem Bauhaus-Architekten erbaut worden ist, wissen sie nicht. Jasinski und seine Studenten haben die Vision von neuem Leben in diesem Haus: «Man könnte die Hülle sanieren, alle Geschosse heraus nehmen und so eine Möglichkeit zum Indoor-Klettern schaffen. Denn Sie sollten nicht unbedingt nur für die Senioren etwas tun, sondern auch für die Jugendlichen, die hier bleiben sollen.» Fred Jasinski kennt inzwischen weitere reizvolle Vorteile der Stadt Weißwasser. Dass sie so viel Grün und Wasserflächen dicht am Zentrum hat, zum Beispiel. Doch: «Diese Stadt heißt Weißwasser, aber wenn Sie als Besucher kommen, sehen Sie kein Stück Wasser.» Stadtplanerisches Ziel könnte es also sein, den Blick auf Wasserflächen zu öffnen, beziehungsweise diesen Blick aufs Wasser erst zu schaffen, indem die vorhandenen, idyllischen kleinen Teiche miteinander verbunden werden. Natürlich, räumt Jasinski ein, ist ein hübscher Anblick nicht alles. Diese Stadt brauche auch eine Dienstleistungsperspektive und geeignete Zentren dafür. Der Umsteigepunkt Bahnhof/Busbahnhof komme dafür beispielsweise in Frage, aber auch im «Rückraum» von Telux sei möglicherweise Raum für ein kleines Gewerbegebiet zu schaffen, das den Charme hätte, sich in der Nähe des Marktplatzes zu befinden und damit auch dessen Umfeld attraktiver zu machen. Letztlich sollte nach den Vorstellungen von Fred Jasinski auch das Alte Dorf, das in seinem Kern einmalig und gut erhalten sei, wieder mehr Lebensqualität durch eine ortsnahe Versorgung bekommen, vorzugsweise sogar durch ganz charakteristische Angebote von in der Region selbst produzierten Waren. Vor allem aber glaubt der Architektder Fachhochschule Lausitz, dass sich an der heutigen Verkehrsstruktur dringend etwas ändern müsste. «Dort, wo es bei Ihnen am schönsten ist, haben Sie eine 50-km/h-Strecke» , sagt Jasinski. «Jeder Lkw fährt quasi durch Ihr Wohnzimmer. Ich weiß nicht, ob Sie so etwas bei sich Zuhause auch zulassen würden.»

Hintergrund Bauhaus-Student und Architekt Ernst Neufert

Der Architekt Ernst Neufert wurde 1900 in Freyburg an der Unstrut geboren. Nach fünfjähriger, baugewerklicher Tätigkeit war Ernst Neufert 1919 einer der ersten Studenten an dem noch jungen Bauhaus in Weimar. Er schloss sein dortiges Studium bereits 1920 ab und sammelte nach einem Auslandsaufenthalt in den darauf folgenden Jahren Erfahrungen bei Walter Gropius . Von 1934 bis 1944 war Ernst Neufert Hausarchitekt der Vereinigten Lausitzer Glaswerke . Er entwarf das Direktorenwohnhaus Dr. Kindt (mit Farbglas von Charles Crodel), übernahm den Entwurf und die Bauleitung von Siedlungen, Bürohäusern und Fabrikanlagen in Weißwasser, Tschernitz und Kamenz . Aus dieser Tätigkeit geht auch das Buch «Bauentwurfslehre. Handbuch für den Baufachmann, Bauherren, Lehrenden und Lernenden» von 1936 hervor, das bis heute als Standardwerk gilt und in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde. Quelle: Wikipedia

Von Thoralf Schirmer

Page 7: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

2007

keine Artikel

2006

keine Artikel

2005

05. März 2005

Das schwärzeste Kapitel der Stadt

Weißwasser. Vor 60 Jahren endete das schwärzeste Kapitel in Weißwassers Geschichte, die Zeit des Nationalsozialismus. So, wie es mit viel Getöse begann, endete es auch mit mächtigen Detonationen der Kriegswaffen. Weißwasser befand sich in diesen letzten Tagen mittendrin im teuflischen Inferno.

Weißwasser im Jahre 1933. Politischer Aufmarsch vor dem Rathaus. Foto: Archivfoto: privat Nach der Machtübernahme des nationalsozialistischen Regimes wurden die Ämter des Magistrats und des Stadtparlaments von Weißwasser vollständig mit Hitler-Sympathisanten besetzt. Der sozialdemokratische Bürgermeister Lange musste trotz seiner hervorragenden kommunal-politischen

Fähigkeiten gehen. Die Lehrerschaft, besonders aber die Schulleiter, wurden angehalten, sich der neuen nationalsozialistischen Bewegung zu nähern. Für einige, so auch für Rektor Heinrich Küllmann, ein großer Schritt empor der Karriereleiter. Besonders Leute aus der Mittelschicht erwarteten von dieser Bewegung persönliches Fortkommen und eine neue Zukunft. Auch musste der eine oder andere erwerbslosen Arbeiter hinzugezählt werden, der hier einen Ausweg aus seiner Notlage zu sehen glaubte. Mehrheitliche Ablehnung Für die übergroße Mehrheit der Weißwasseraner, die auch keine politisch relevanten Ämter bekleideten, hatte die neue Bewegung untergeordnete Bedeutung. Sie wurde sogar mehrheitlich abgelehnt. Die wirtschaftlichen Führer der großen Weißwasser Glaskonzerne hatten ihren Sitz in Berlin, nur wenige lebten hier in der Industriemetropole. Die Schicht der besseren Beamten und

Page 8: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

Angestellten, die in der Stadt lebten, war dünn. Sie hatten ihren Wohnsitz nur widerwillig hier, denn in dem gräulichen Weißwasser, wie Prof. Wilhelm Wagenfeld bemerkte, konnte man nur berufsbedingt leben. Den überwiegenden Teil der sozialen Struktur bildeten kleinere Gewerbetreibende und Handwerker sowie 80 Prozent Arbeiter. So ist auch nicht sonderbar, dass die politischen Sympathien zu 40 Prozent den Sozialdemokraten und jeweils zu 30 Prozent den Bürgerlichen und Kommunisten galten. Die Nazis hatten in Weißwasser keinen nennenswerten Rückhalt. Im Gegenteil, die vielen aktiven Gegner brachten der Stadt bald das Synonym «Rote Hochburg» ein. Ihr Zulauf aus den Reihen des Kleinbürgertums und der Arbeiterschaft kann auch nicht sonderlich groß gewesen sein, denn von sozialem Elend, wie es in Großstädten durch die Weltwirtschaftskrise bestand, gab es hier durch die hervorragende Stellung der Glasindustrie sehr wenig. Zu offenen Konfrontationen auf politischer Ebene kam es in den dreißiger Jahren vergleichsweise eher selten, denn die konträren politischen Richtungen waren recht unausgewogen. Jedem nationalsozialistischen Anhänger standen etwa zweieinhalb dagegen. Den Großunternehmern der Glasindustrie war ein politischer Frieden in Weißwasser sehr wichtig, denn dieser Industriezweig befand sich zurzeit auf dem Weg aus einer schweren wirtschaftlichen Krise und brauchte keinen zermürbenden Machtkampf der Arbeiter untereinander. Gänzlich vermeiden ließen sich die Auseinandersetzungen allerdings nicht. Die ersten politischen Unruhen entstanden, als die Nazis die Auflösung und Zusammenführung der zahlreichen Vereine im Ort durchzusetzen begannen. Auf Anweisung des Reichssportführers erfolgte die völlige Auflösung aller Sportvereine im Ort. Am 16. Dezember 1933 wurde der Zusammenschluss der sieben Arbeiter- und bürgerlichen Sportvereine zum Turn- und Sport-Verein Weißwasser (TSV) durch Turnvater Paul Klinke eingeleitet. Von der SA beschlagnahmt Die Durchführung dieser Order dauerte aber den neuen Machthabern zu lange, so dass eines Tages SA-Truppen anrückten, die Geräte des Rotsportvereins und des Männerturnvereins (MTV) sowie die Ausrüstung im Arbeiterschwimmbad in Beschlag nahmen, aber auch die Instrumente des Tambourkorps wurden von ihnen konfisziert. Die Nazis versuchten die Spielleute des MTV für ihre Reihen zu gewinnen, was ihnen aber nicht gelang. Daraufhin ließ der Ortsgruppen-Leiter der NSDAP, Bernhard, das Turnerheim schließen. Lediglich die Turnhalle blieb weiterhin für den Schulsport geöffnet. Im Jahr darauf, am 1. April, wurde der leidenschaftliche Nationalsozialist Dr. Gerhard Weyh als neuer Gemeindeschulze (Bürgermeister), eingesetzt. Aber auch er musste schon am 13. August wieder seinen Hut nehmen, denn er war der Aufgabe nicht gewachsen. Die Neuregelung des Gemeindeverfassungsgesetzes am 15. Dezember 1933 ermöglichte die Neubeantragung der Verleihung der Stadtrechte für Weißwasser, deren Anträge zuvor mehrmals abgelehnt wurden. Aber erst die am 1. April 1935 in Kraft getretene neue deutsche Gemeindeordnung ermöglichte es, den lang ersehnten Wunsch zu erfüllen. Stadtrecht Am 5. September 1935 teilte der Landrat der Gemeinde Weißwasser fernmündlich mit, dass sie vom Oberpräsidenten durch Verfügung vom 28. August 1935 zur Stadt ernannt wurde. Die Verleihungsurkunde erhielt die Stadt am 6. September 1935 sehr unspektakulär per Boten überreicht. Der einige Monate bürgermeisterlose Ort erhielt am 15. Dezember ein neues Stadtoberhaupt. Es war Dipl. rer. pol. Karl Wenderoth, der das Amt bis zu seiner Flucht nach Süddeutschland am Ende des Krieges behielt. Besonders positiv gestaltete sich die von staatlicher Seite über gesellschaftliche Kräfte geförderte Kleinsiedlerbewegung, die übereinstimmend mit den Ansichten des Diktators, Schaffung von sozial verträglichem Umfeld bei gleichzeitiger Forderung hoher Arbeitsleistungen, bedeutend für die Wahrung des inneren Friedens war. In den Jahren 1933 bis 1937 entstand eine Siedlung an der Paul- und Helmuthstraße, heute Richard-Wagner- und Robert-Koch-Straße. Auch die Häuser an der heutigen Waldhausstraße, die ehemalige SA-Siedlung, wurde im Rahmen der Kleinsiedlerbewegung in dieser Zeit erbaut. Es entstanden auch eben solche Wohnhäuser in der Teichgeländesiedlung, am Anger und am Schulacker. 1936

Page 9: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

begannen Mitglieder der Nationalsozialistischen Kriegsopferhilfe ihre Wohnhäuser am Südrand der Stadt zu bauen. So entstand hier auch der nach dem deutschen Heimatdichter Hermann Löns benannte Lönshof. Die rege Bautätigkeit endete 1937/38 mit der Errichtung der Wohnhäuser in der Südstadtsiedlung der Siedlergemeinschaft «Schlesische Heimstätte» an der Schiller-, Luther- und Brunnenstraße sowie am Eichendorffweg. Damit erhielt die Stadt insgesamt einen Zuwachs von 108 Wohngebäuden und 44 Kleinsiedlungen. Im Jahr 1936 war die Einrichtung einer Luftwaffen-Hauptmunitionsanstalt in der Stadt geplant, die aber schließlich westlich von Schleife an der Straße nach Graustein im Wald angelegt wurde, heute Wohnsiedlung und Schule. KdF-Dienststelle Als Ersatz dafür erhielt die Stadt die Kreisverwaltung der Deutschen Arbeitsfront, die Kreisdienststelle der Nationalsozialistischen Gemeinschaft «Kraft durch Freude» (KdF) und der Kreishandwerksmeister im Ort seinen Dienstsitz. Im selben Jahr wurde Professor Ernst Neufert (1900 bis 1986), bedeutendster Bauhaus- und Musterarchitekt des Deutschen Reiches, in Weißwasser tätig. Er projektierte für den Konzern Vereinigte Lausitzer Glaswerke das sechsgeschossige Lagerhaus an der Schmiedestraße und das einzige Wohnhaus im Bauhausstil der Stadt für den technischen Direktor dieses Konzerns, Dr. Bruno Kindt, in der Arnimpromenade, heutige Rosa- Luxemburg-Straße 10. Neuferts Einfluss wurde noch einmal während des Krieges in der Stadt bemerkbar. Für bombengeschädigte Flüchtlinge einiger deutscher Großstädte errichtete die Kommune an der verlängerten Heinrich-Heine-Straße hölzerne Behelfsbauten aus seiner Architekturwerkstatt. Unterdrückung der Sorben Der Geltungsdrang der Nationalsozialisten auf die Bewohner der Stadt nahm zu. Als Inhaber der entscheidendsten politischen Ämter versuchten sie knallhart, die nationalsozialistische Idee publik zu machen. Ein besonderer Höhepunkt im kulturellen Leben der Stadt sollte am 3. Oktober 1938 stattfinden. Im Haus der «Deutschen Arbeit» (Volkshaus) an der Görlitzer Straße gastierte das Orchester des Führers zu einem großen Konzertabend. Ein wichtiger Schritt bei der Arisierung der Bevölkerung war die Unterdrückung der sorbischen Wurzeln vieler noch in Weißwasser lebenden Urfamilien dieser Minderheit. Alle öffentlichen Bezeichnungen slawischen Ursprungs wurden aus dem Sprachgebrauch verbannt. Neben der Umbenennung einiger Ortschaften der Umgebung, zum Beispiel Tzschelln wurde zu Nelkenberg und Krauschwitz zu Rudolfhütte, erfolgte auch die Neubenennung des Weißwasser Ortsgebietes Qualisch in Teichgebiet und der Qualischweg hieß künftig Teichstraße. Auch wurde der Name des jüdischen Großunternehmers in Weißwasser Joseph Schweig getilgt. Die Bezeichnung Schweig straße änderten sie in Richard-Seelinger-Straße und die Josefstraße in Osramstraße. Eine derart intensive Judenverfolgung, wie sie leider aus anderen Gegenden bekannt wurde, erfolgte in Weißwasser nicht. Im Jahr 1913 lebten im Ort 43 jüdische Leute, das war die Höchstzahl. 1920 waren es nur noch 34 Einwohner und 1932 sank die Zahl auf 29 herab. In der Zeit des Nazi-Regimes verringerte sich die jüdische Einwohnerzahl von 25 auf 18 im Jahr 1937. Antisemitismus Erst einige Tage vor der Kristallnacht, am 9. November 1938, wurde der antisemitische Hass, sicher nur einiger weniger in der Stadt, besonders deutlich. Dem angesehenen Arzt Dr. Hermann Altmann demolierten einige hiesige SA-Leute die Wohnung und Praxis. Auch sein gesamtes Vermögen und seine medizinische Ausrüstung beschlagnahmten und zerstörten sie. Für ihn war dies das Ende. Am 4. November 1940 schied er freiwillig aus dem Leben. Kurz zuvor hatte August Schweig, der letzte der bekannten jüdischen Unternehmerfamilie in Weißwasser, vom Vorhaben der Nazis interne Informationen erhalten und konnte rechtzeitig emigrieren. Er wurde als Fabrikbesitzer enteignet und seine Villa demoliert. Am selben Tag erschienen SA-Leute im Knappenweg, wo die Witwe des jüdischen Textilhändlers Max Pese lebte. Sie drangen in ihre Wohnung ein und verwüsteten und zerstörten die Einrichtung. Im April 1943 musste sich Frau

Page 10: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

Pese in einem Judenlager in Breslau melden, wo sie seit dem verschollen ist. Gebäude am Rand Am 12. Juni 1938 erfolgte die Grundsteinlegung zum Bau des Hitlerjugend-Heimes, späteres Makarenko-Heim am Nordrand der Stadt. Dieses Gebäude konnte allerdings von der HJ nicht recht benutzt werden, denn Ende 1940 mussten hier Berliner Schulklassen mit ihren Lehrern unterkommen. Das führte zwar zu Empörungen bei der örtlichen HJ-Gruppe, war aber durch die Kriegsereignisse notwendig geworden. Zur Aufrechterhaltung der Produktion, denn fast alle wehrfähigen Männer waren an der Front, kamen Fremdarbeiter nach Weißwasser. Sie wurden in Baracken, die früher Sportlern dienten, in Fabriklagerhäusern, auch im ehemaligen Lok-Schuppen an der Bahnbrücke und anderswo untergebracht. Auch wurden 1944 spezielle Behelfsunterkünfte der Außenstelle des Konzentrationslagers Groß Rosen errichtet. Am Kromlauer Weg, Ecke Neuteichweg erinnern nur noch Fundamente an eine dieser Lagerbaracken, in der von September 1944 bis März 1945 Fremdarbeiterinnen untergebracht waren. Von Lutz Stucka

2004

28. Oktober 2004

Historie

Von einer schweren Krise in die nächste

Wasserglas ist ein wasserabweisender Stoff, der im Bauwesen als Dichtmittel verwendet wird. Er ist aber auch Bestandteil von Waschmitteln, der das Gewebe wasserabweisend macht. Der Bergbau- und Glashüttenunternehmer Joseph Schweig gründete mit dem Hamburger Glasgroßhändler Adolf Ladiges eine Produktionsstätte für Wasserglas.

Weißwasseraner

Glaswerke um 1900.

Page 11: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

Glasschleiferinnen in

Weißwasser bei der

Arbeit.

Archivfotos: privat

Obwohl dieses Erzeugnis eine hohe Bedeutung hatte, konnten die beiden Kaufleute keinen zuverlässigen Absatzmarkt für die Erzeugnisse der Wasserglasfabrik Joseph Schweig, Weißwasser O/L finden. Schon nach einem Jahr, 1895, stellten sie die Produktion ein. Adolf Ladiges verließ das Unternehmen, Joseph Schweig suchte nach einem Partner, wollte ein weiteres Glaswerk gründen. Der Inhaber der benachbarten Glasraffinerie „Germania“ Gustav Rex & Co. wurde sein Teilhaber. Am 14. Mai 1898 erhielt das neue Glaswerk den Namen Glashüttenwerke Germania Schweig, Rex & Co. KG.

Rex wurde kurz darauf wegen eines Sittlichkeitsvergehens vor Gericht verurteilt und musste seine Glasraffinerie aufgeben. Für Schweigs Glashütte war das allerdings ein Glücksfall. Rex hatte Verbindlichkeiten dem Glaswerk Hirsch, Janke gegenüber, hier wurden die Erzeugnisse des Werkes veredelt. Der Hauptgläubiger, das Glaswerk Hirsch, Janke, übernahm nun Rex Anteile am Glaswerk Germania und setzte einen Kompagnon der Firma, Gottlieb Müller ein. Die neue Firmenbezeichnung lautete ab dem Jahr 1902 Glashüttenwerke Germania Schweig, Müller & Co.

Petroleumdampflampe mehrt das Ansehen

Müller konnte für die Firma Ende 1902 eine Petroleumdampflampe schützen lassen, mit der sich das Glaswerk besonders in der Beleuchtungsglasbranche profilierte.

Leider hielt es Müller nicht lange in Weißwasser. Schweig war ab dem 10. Februar 1905 wieder alleiniger Inhaber der Glashüttenwerke. Er setzte nun die technischen Direktoren Bucht und Mitmann ein. Sie hatten die Aufgabe, den Herstellungsprozess des Hauptproduktes der Firma – Beleuchtungsglaskörper – und das Nebenprodukt – dekorierte Trinkbecher – fachlich zu gewährleisten. Gearbeitet wurde anfangs an einem Ofen. Später kam ein weiterer hinzu, so dass im Jahr 1908 an beiden Produktionsstätten 300 Leute tätig waren. Eine besonders moderne Einrichtung war die seit dem 23. April 1896 bestehende Krankenkasse, die am 1. Januar 1904 in eine gesetzlich fundierte Betriebskrankenkasse der Firma überging.

Eine derartige Einrichtungen war zu dieser Zeit ein Novum und sprach für das große soziale Engagement des Firmeninhabers. Dieser Kasse traten ab 1905 die Arbeiter und Angestellten der noch in Weißwasser bestehenden Schweigschen Familienfirma Lausitzer Tafelglashüttenwerk Joseph Schweig, Weißwasser an der Schmiedestraße bei.

Die Arbeitsbedingungen waren aber auch hier nicht die Besten. Im Jahr 1909 führte die Unternehmensleitung in der Germaniahütte probeweise eine um eine Stunde verkürzte Arbeitszeit gegenüber anderen Glashütten des Ortes ein. Der Betrieb verlor in Folge an

Page 12: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

Wettbewerbsfähigkeit. Schweig versuchte, durch Investitionen in modernere Technologien entgegenzuwirken. Am 1. Juli 1910 wurde die Glashütte Germania der Glashüttenwerke Weißwasser Aktiengesellschaft zugeordnet und führte anschließend den Namen Glashüttenwerke Weißwasser AG, Abteilung Germania.

Ein Brand vernichtete 1911 mehrere Gebäude

Ein Brand im Jahr 1911 vernichtete mehrere Gebäude. Der Neubau eines mehrstöckigen Gebäudes brachte die Firma in große Schwierigkeiten. Die Glashütte musste ihre Selbstständigkeit aufgeben und wurde in den Jahren 1912/13 in den seit 1909 in Weißwasser bestehenden Glaskonzern Vereinigte Lausitzer Glaswerke AG integriert. Nach einem Strukturwandel innerhalb des Großunternehmens wurde ab Beginn der 20-er Jahre die Bezeichnung Vereinigte Lausitzer Glaswerke AG, Werk G gebräuchlich. Infolge der Hohlglaskrise ab Mitte der 20-er Jahre entschied die Konzernleitung im Jahr 1933, die Germaniahütte als Teilbetrieb stillzulegen und in die Gebäude des Werkes Verarbeitungs- und Veredlungswerkstätten des Konzerns unterzubringen.

Neben den zahlreichen Nachbehandlungsarbeiten, dem sich der neu entstandene Glaskörper unterziehen musste, produzierten einige Arbeiter in einer gesonderten Abteilung um 1920 Thermosflaschen, aber auch Flugzeugmodelle für die Jugend wurden ab 1938 hergestellt. Während einer Werbewoche im April 1941 stellte die Ortsgruppe Flieger-HJ Weißwasser in einer Werkhalle ein Segelflugzeug her. Auch befanden sich in den ehemaligen Werkhallen Ausstellungsräume für bereits hergestellte Flugzeugmodelle und eine Funkausbildungsstelle. Einen weniger rühmlichen Zweck erfüllte das stillgelegte Werk, als hier das „Sturmheim“ der in Weißwasser bestehenden Formation SS-Sturm 3/8 eingerichtet wurde.

Nach dem Krieg begannen wieder zaghaft die Arbeiten in den noch bestehenden Veredlungswerkstätten. Materialmangel und fehlende Energie behinderten besonders die Thermosflaschenherstellung. Die Arbeiter konnten sich in den Jahren 1948/49 kurzzeitig mit der Herstellung von Christbaumschmuck nützlich machen. Im Jahr 1950 erfolgte der Zusammenschluss mit den benachbarten Werkstätten der früheren Glasraffinerie A. Mudra & Co., und im Jahr darauf entstand daraus ein Lehrbetrieb des VEB Oberlausitzer Glaswerke Weißwasser. Später, als die Lehrstätten vollständig in die Gebäude der ältesten Glashütte, früher die Gelsdorf-Hütte, übersiedelten, nutzte die Lebensmittelbranche die Betriebsräume. Heute befindet sich hier die Tischlerei Lehmann.

Fünfte Glashütte: Lausitzer Tafelglashüttenwerk Fritz Thormann & Co. Weißwasser. Die erste Tafelglashütte in Weißwasser wurde im Jahr 1894 von Kaufmann Fritz Thormann, Bruder des Obersteigers Carl Thormann, der lange Jahre die standesherrschaftlichen Kohlengruben in Weißwasser leitete, gegründet. Das Verwandtschaftsverhältnis zu Carl Thormann war nicht unerheblich, denn die Tochter des Obersteigers war verheiratet mit Martin Mudra, Gründer der benachbarten Glashütte „Union“. Der Familie Mudra gehörten hier einige Morgen Land, die Fritz Thormann zum Bau seiner Glashütte nutzen konnte. Auch war die verwandtschaftliche Verbindung zu den notwendigen Braunkohlengruben, denen sein Bruder vorstand, von beiderseitigem Vorteil. Am Gründungstag lautete der Name der Firma: Lausitzer Tafelglashüttenwerk Thormann & Maschke, Weißwasser. Mitinhaber der Firma war auch der Bau- und Sägewerksunternehmer Gottlieb Wauro, der umfangreiche Nachbargrundstücke sein Eigen nannte. Die Produktionsstätten waren zwei Glasschmelzöfen, an denen das Hauptprodukt Tafelglas jeder Art, besonders Fensterglas, aber auch etwas Hohl- sowie einiges an Spezialglas, hergestellt wurde.

Vier Jahre später schied Teilhaber Maschke aus, und der Firmenname wurde in Lausitzer Tafelglashüttenwerk Friedrich Thormann & Co. geändert. Der Haupteingang zum Werk befand sich am Ende der Schmiedestraße, wo im Sommer 1904 ein neues Eingangsportal mit einem schönen

Page 13: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

schmiedeeisernen Tor, gefertigt von Schmiedemeister Pfitzmann, entstand und als besonders attraktiver Blickfang für die Straßendurchsicht diente. Leider brachte das luxuriöse Aushängeschild dem Unternehmen keine großen Erfolge. Das Tafelglas aus Weißwasser war auf dem Markt nicht so begehrt wie das Hohlglas, das in anderen Hütten produziert wurde.

Tod des Firmeninhabers beeinträchtig die Leistung

Auch der frühe Tod des Firmeninhabers Friedrich Thormann im Jahr 1900 war ausschlaggebend für die nachlassende Leistung des Unternehmens. Thormanns Ehefrau und Sohn Philipp, welcher der Firma am 4. Mai 1901 beitrat, führten die Glashütte als Kommanditgesellschaft weiter. Ein erfolgreiches Vorankommen war auch ihnen nicht beschieden. Joseph Schweig, weitläufiger Verwandter der Familie Thormann und namhafter Kommanditist dieser Gesellschaft, übernahm das Unternehmen am 6. Februar 1905 und führte es unter dem Namen „Lausitzer Tafelglashüttenwerk Joseph Schweig, Weißwasser“ weiter. Die fachlichen Leiter des Werkes wurden Prokurist Thomas sowie die Hüttenmeister Vogel und Poferl. Trotz des rastlosen Mühens des erfolgreichsten Glashüttenunternehmers im Ort, Joseph Schweig, gelang es nicht, die Probleme, der herrschenden Tafelglaskrise, aus dem Weg zu räumen. Zwei Jahre später, am 25. Juli, übergab Schweig das Werk seinem Sohn Martin, der es in ein Hohlglaswerk umprofilierte. Im Handelsregister erschien nun die Bezeichnung „Glasfabrik Dr. Martin Schweig, Weißwasser“.

Hauptprodukt war jetzt Hohlglas, besonders Konservenglas, aber auch Spiegel- und etwas Tafelglas wurden weiterhin hergestellt. Die Besonderheit dieser Produktumstellung wurde von den Mitarbeitern mit der Kurzbezeichnung „Hohlglaswerk“ honoriert, aber auch der akademische Titel des neuen Chefs brachte der Fabrik den volkstümlichen Namen „Doktorhütte“ ein. Der Wettbewerbsdruck unter den Glashütten hatte ein enormes Ausmaß angenommen. Viele Unternehmen schlossen sich zusammen, um kostengünstiger zu produzieren. Am 1. Juli 1910 vereinigten sich das Glaswerk Dr. Martin Schweig mit der Oberlausitzer Porzellanmanufaktur August Schweig & Co. zur Schweigschen Glas- und Porzellanwerke AG. Dr. Martin Schweig, promovierter Chemiker, wollte Glas mit Hilfe elektrochemischer Energie schmelzen, eine Methode, an der schon viele Wissenschaftler, allerdings bisher erfolglos, arbeiteten.

Er investierte beträchtliches Vermögen in sein Forschungsvorhaben, aber ohne das gewünschte Ergebnis. Darüber hinaus bestanden noch private Probleme, die dazu führten, dass Martin am 25. Juli 1913 Selbstmord beging. Die Situation der Familie brachte der neuen Schweigschen Aktiengesellschaft keinen wirtschaftlichen Aufschwung. Am 1. Juli 1912 wurden beide Betriebe von der Glashüttenwerke Weißwasser AG übernommen, die ihrerseits schon gewissermaßen dem Konzern Vereinigte Lausitzer Glaswerke AG (VLG) angehörte.

Nach der im Jahr 1920 durchgeführten Umstrukturierung der VLG erhielt die „Doktorhütte“ die Bezeichnung Abteilung Hohlglaswerk, später Werk H. Zwei Jahre später begann ein umfangreicher Werksumbau. In die Gebäude der Doktorhütte zogen die Erprobungsabteilung der VLG und die Konzernleitung ein. Das benachbarte Osram-Werk nutzte ein Ofengebäude für spezielle Versuchszwecke.

Hier konnte am 6. Mai 1923, nach erfolgreichen Proben, die vollautomatische Röhrenziehmaschine System Danner in Betrieb genommen werden. Nach guten Erfolgen arbeiteten bald zwei Anlagen dieser Art, die den ganzen Bedarf des Konzerns an normalen Glasröhren und -stäben deckten. Am zweiten Ofen wurde weiterhin Hohlglas für den täglichen Gebrauch hergestellt. Der Ausbruch der Hohlglaskrise Mitte der zwanziger Jahre zwang die Konzernleitung 1933, auch dieses Werk stillzulegen. Die Farbikanlagen der Doktorhütte wurden zur Ausbildung der Glasmacherlehrlinge und als Forschungsstätten für Wissenschaftler und Gestalter, wie Glasdesigner Professor Wilhelm Wagenfeld, genutzt. Der Chefdesigner des Glaskonzerns machte durch seine hier entstandenen Kreationen, unter dem Warenzeichen

Page 14: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

„Rautenglas“, funktionsgerechtes und formschönes Industrieglas, die Lausitzer Glasindustrie weltbekannt.

Altes Glasofengebäude wurde abgerissen

Neue Herstellungs- und Veredelungsmethoden an Versuchsöfen und Fertigungslinien wurden hier erprobt und anwendungsreif gemacht. Auch befand sich die Betriebsschlosserei des Konzerns auf dem Werksgrundstück. Das nicht mehr genutzte alte Glasofengebäude wurde abgerissen und an seine Stelle trat in den Jahren 1935 bis 1937 ein mehrstöckiges Lagerhaus.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden im Lagerhaus Bürounterkünfte der Hauptgeschäftsstelle des Versorgungsunternehmens Handelsorganisation (HO) des Kreises Weißwasser. Aber auch die Geschäftsstelle der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe, Bäuerliche Handelsgenossenschaft (VdgB-BHG), die Großhandelsverwaltung des Konsum- Vereins, die Glasvertriebsorganisation der volkseigenen Glasbetriebe und das Polizeirevier von Weißwasser waren hier bis zum Jahr 1990 untergebracht. (WW/SZ)

23. Oktober 2004

Germania, Schweig, Müller Wasserglas ist ein wasserabweisender Stoff, der besonders im Bauwesen als Dichtmittel verwendet wird. Er ist aber auch ein wichtiger Bestandteil von Waschmitteln, wo er während des Reinigungsprozesses in das Gewebe eindringt und es anschließend wasserabweisend macht. Der Bergbau- und Glashüttenunternehmer Joseph Schweig gründete gemeinsam mit dem Hamburger Glasgroßhändler Adolf Ladiges, Schwiegersohn des ersten Glashüttengründers in Weißwasser, Wilhelm Gelsdorf, eine solche Produktionsstätte.

Weißwasseraner Glaswerke um 1900.

Page 15: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

Glasschleiferinnen in Weißwasser bei ihrer Arbeit. Foto: Archivfotos: privat

Obwohl dieses Erzeugnis eine hohe Bedeutung hatte, konnten die beiden Kaufleute keinen zuverlässigen Absatzmarkt für die Erzeugnisse der Wasserglasfabrik Joseph Schweig, Weißwasser O/L finden. Schon nach einem Jahr, 1895, stellten sie die Produktion ein. Adolf Ladiges verließ das Unternehmen, und Joseph Schweig wollte sich neu profilieren und suchte nach einem Partner. Er beabsichtigte, daraus ein weiteres Glaswerk zu gründen. Bald hatte er einen Glasfachmann für sein neues Vorhaben gefunden. Der Inhaber der benachbarten Glasraffinerie «Germania» Gustav Rex & Co. wurde Teilhaber. Am 14. Mai 1898 erhielt das neue Glaswerk den Namen Glashüttenwerke Germania Schweig, Rex & Co. KG. Rex verurteilt Rex musste sich kurz darauf wegen eines Sittlichkeitsvergehens vor Gericht verantworten und wurde verurteilt. Auch musste er seine Glasraffinerie aufgeben. Für Schweigs Glashütte war das allerdings ein Glücksfall. Rex hatte Verbindlichkeiten dem Glaswerk Hirsch, Janke gegenüber, denn hier wurden die Erzeugnisse des Werkes veredelt. Der Hauptgläubiger, das Glaswerk Hirsch, Janke, übernahm nun Rex Anteile am Glaswerk Germania und setzte einen Kompagnon der Firma, Gottlieb Müller, an Rex Stelle ein. Müller war Glasfachmann und hatte natürlich den Ehrgeiz, das Unternehmen, an dem er jetzt Teilhaber wurde, funktionsfähig zu halten. Davon konnte natürlich auch Schweig profitieren. Die neue Firmenbezeichnung lautete ab dem Jahr 1902 Glashüttenwerke Germania Schweig, Müller & Co. Müller machte sich auch gleich an die Arbeit und konnte für die Firma Ende 1902 eine Petroleumdamp flampe schützen lassen. Das Besondere daran war der birnenförmige Vergasungsraum am oberen Dachrohr, welches aus Glas bestand und hier die Verbrennung förderte. Diese Neuerung brachte es, dass sich das Glaswerk besonders in der Beleuchtungsglasbranche profilierte. Leider hielt es Müller nicht lange in Weißwasser. Er übernahm bald die Zweigniederlassung der Firma in Köln und siedelte nach dorthin über. Schweig war ab dem 10. Februar 1905 wieder alleiniger Inhaber der Glashüttenwerke Germania Joseph Schweig, Weißwasser OL. Zur fachgerechten Führung des Unternehmens setzte er nun die technischen Direktoren Bucht und Mitmann ein. Sie hatten die Aufgabe, den Herstellungsprozess des Hauptproduktes der Firma – Beleuchtungsglaskörper – und das Nebenprodukt – dekorierte Trinkbecher – fachlich zu gewährleisten. Gearbeitet wurde anfangs an einem Ofen. Später kam ein weiterer hinzu, so dass im Jahr 1908 an beiden Produktionsstätten 300 Leute tätig waren. Eine besonders soziale und moderne Einrichtung war die seit dem 23. April 1896 bestehende Krankenkasse, die am 1. Januar 1904 in eine gesetzlich fundierte Betriebskrankenkasse der Firma überging. Novum dieser Zeit Eine derartige Einrichtungen war zu dieser Zeit ein Novum und sprach für das große soziale Engagement des Firmeninhabers. Dieser Kasse traten ab 1905 die Arbeiter und Angestellten der

Page 16: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

noch in Weißwasser bestehenden Schweigschen Familienfirma Lausitzer Tafelglashüttenwerk Joseph Schweig, Weißwasser an der Schmiedestraße bei. Die Arbeitsbedingungen waren aber auch hier nicht die Besten. Die Glasmacher forderten schon seit längerem den 8-Stunden-Arbeitstag, aber bisher ohne Erfolg. Im Jahr 1909 schienen ihre Forderungen dann doch Gehör gefunden zu haben. Probeweise führte die Unternehmensleitung in der Germaniahütte eine um eine Stunde verkürzte Arbeitszeit gegenüber anderen Glashütten des Ortes ein. Die Befürchtung bei dieser Maßnahme stellte sich bald ein, der Betrieb verlor an Wettbewerbsfähigkeit. Schweig versuchte, die Wirtschaftlichkeit seiner Hütte d urch Investitionen in modernere Technologien wieder wett zu machen. Finanzielle Mittel dafür erhielt er durch die Umwandlung des Unternehmens in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Offensichtlich war dieser Schritt zur Sanierung des Werkes noch nicht ausreichend. Am 1. Juli 1910 wurde die Glashütte Germania der Glashüttenwerke Weißwasser Aktiengesellschaft zugeordnet und führte anschließend den Namen Glashüttenwerke Weißwasser AG, Abteilung Germania. Ein Brand im Jahr 1911 vernichtete mehrere Gebäude, in denen Glaswaren zum Versand vorbereitet wurden. Der Neubau eines mehrstöckigen Gebäudes brachte die Firma in große Schwierigkeiten. Die Glashütte musste ihre Selbstständigkeit aufgeben und wurde in den Jahren 1912/13 in den seit 1909 in Weißwasser bestehenden Glaskonzern Vereinigte Lausitzer Glaswerke AG integriert. Nach einem Strukturwandel innerhalb des Großunternehmens wurde ab Beginn der zwanziger Jahre die Bezeichnung Vereinigte Lausitzer Glaswerke AG, Werk G gebräuchlich. Infolge der Hohlglaskrise ab Mitte der zwanziger Jahre entschied die Konzernleitung im Jahr 1933, die Germaniahütte als Teilbetrieb stillzulegen und in die Gebäude des Werkes Verarbeitungs- und Veredlungswerkstätten des Konzerns unterzubringen. Thermosflaschen, Flugmodelle Neben den zahlreichen Nachbehandlungsarbeiten, dem sich der neu entstandener Glaskörper unterziehen musste, produzierten einige Arbeiter in einer gesonderten Abteilung um 1920 Thermosflaschen, aber auch Flugzeugmodelle für die Jugend wurden ab 1938 hier hergestellt. Während einer Werbewoche im April 1941 stellte die Ortsgruppe Flieger-HJ Weißwasser in einer Werkhalle ein Segelflugzeug her. Auch befanden sich in den ehemaligen, gegenwärtig nicht genutzten Werkhallen Ausstellungsräume, der bereits hergestellten Flugzeugmodelle und auch eine Funkausbildungsstelle. Einen weniger rühmlichen Zweck erfüllte das stillgelegte Werk als hier das «Sturmheim» der in Weißwasser bestehenden Formation SS-Sturm 3/8 eingerichtet wurde. Nach dem Krieg begannen wieder zaghaft die Arbeiten in den noch bestehenden Veredlungswerkstätten. Materialmangel und fehlende Energie behinderten besonders die Thermosflaschenherstellung. Die Arbeiter dieser Abteilung konnten sich in den Jahren 1948/49 kurzzeitig mit der Herstellung von Christbaumschmuck nützlich machen. Im Jahr 1950 erfolgte der Zusammenschluss mit den benachbarten Werkstätten der früheren Glasraffinerie A. Mudra & Co., und im Jahr darauf entstand daraus ein Lehrbetrieb des VEB Oberlausitzer Glaswerke Weißwasser. Später, als die Lehrstätten vollständig in die Gebäude der ältesten Glashütte, früher die Gelsdorf-Hütte, übersiedelten, nutzte die Lebensmittelbranche die Betriebsräume. Heute befindet sich hier die Tischlerei Lehmann.

Tafelglashütte in Weißwasser wurde im Jahr 1894 von Kaufmann Fritz Thormann, Bruder des Obersteigers Carl Thormann, der lange Jahre die standesherrschaftlichen Kohlengruben in Weißwasser leitete, gegründet. Das Verwandtschaftsverhältnis zu Carl Thormann war nicht unerheblich, denn die Tochter des Obersteigers war verheiratet mit Martin Mudra, Gründer der benachbarten Glashütte «Union» . Der Familie Mudra gehörten hier einige Morgen Land, die Fritz Thormann zum Bau seiner Glashütte nutzen konnte. Auch war die verwandtschaftliche Verbindung zu den notwendigen Braunkohlengruben, denen sein Bruder vorstand, von beiderseitigem Vorteil. Am Gründungstag lautete der Name der Firma: Lausitzer Tafelglashüttenwerk Thormann & Maschke, Weißwasser. Mitinhaber der Firma war auch der Bau- und Sägewerksunternehmer Gottlieb Wauro, welcher umfangreiche Nachbargrundstücke sein Eigen nannte. Die Produktionsstätten waren zwei Glasschmelzöfen, an denen das Hauptprodukt

Page 17: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

Tafelglas jeder Art, besonders Fensterglas, aber auch etwas Hohl- sowie einiges an Spezialglas, hergestellt wurde. Änderungen Vier Jahre später schied Teilhaber Maschke aus, und der Firmenname wurde in Lausitzer Tafelglashüttenwerk Friedrich Thormann & Co. geändert. Der Haupteingang zum Werk befand sich am Ende der Schmiedestraße, wo im Sommer 1904 ein neues Eingangsportal mit einem besonders schönen schmiedeeisernen Tor, gefertigt von Schmiedemeister Pfitzmann, entstand und als besonders attraktiver Blickfang für die Straßendurchsicht diente. Leider brachte das luxuriöse Aushängeschild dem Unternehmen keine großen Erfolge. Das Tafelglas aus Weißwasser war auf dem Markt nicht so begehrt wie das Hohlglas, was in anderen Hütten erfolgreich produziert wurde. Auch der frühe Tod des Firmeninhabers Friedrich Thormann im Jahr 1900 war ausschlaggebend für die nachlassende Leistung des Unternehmens. Thormanns Ehefrau und Sohn Philipp, welcher der Firma am 4. Mai 1901 beitrat, führten die Glashütte als Kommanditgesellschaft weiter. Ein erfolgreiches Vorankommen war auch ihnen nicht beschieden. Joseph Schweig, weitläufiger Verwandter der Familie Thormann und namhafter Kommanditist dieser Gesellschaft, übernahm das Unternehmen am 6. Februar 1905 und führte es unter dem Namen «Lausitzer Tafelglashüttenwerk Joseph Schweig, Weißwasser» weiter. Die fachlichen Leiter des Werkes wurden Prokurist Thomas sowie die Hüttenmeister Vogel und Poferl. Trotz des rastlosen Mühens des erfolgreichsten Glashüttenunternehmers im Ort, Joseph Schweig, gelang es nicht, die Probleme, der zu dieser Zeit allgemein herrschenden Tafelglaskrise, aus dem Weg zu räumen. Zwei Jahre später, am 25. Juli, übergab Schweig das Werk seinem Sohn Martin, der es in ein Hohlglaswerk umprofilierte. Im Handelsregister erschien nun die Bezeichnung «Glasfabrik Dr. Martin Schweig, Weißwasser» . Akademischer Chef Hauptprodukt war jetzt Hohlglas, besonders Konservenglas, aber auch Spiegel- und etwas Tafelglas wurden weiterhin hergestellt. Die Besonderheit dieser Produktumstellung wurde von den Mitarbeitern mit der Kurzbezeichnung «Hohlglaswerk» honoriert, aber auch der akademische Titel des neuen Chefs brachte der Fabrik den volkstümlichen Namen «Doktorhütte» ein. Der Wettbewerbsdruck unter den Glashütten hatte ein enormes Ausmaß angenommen. Viele Unternehmen schlossen sich zusammen, um kostengünstiger zu produzieren. Am 1. Juli 1910 vereinigten sich das Glaswerk Dr. Martin Schweig mit der Oberlausitzer Porzellanmanufaktur August Schweig & Co. zur Schweigschen Glas- und Porzellanwerke AG, eine Maßnahme, die Vater Joseph einleitete, um Kapital für notwendige Investitionen seiner Familienbetriebe zu erlangen. Dr. Martin Schweig, promovierter Chemiker, beabsichtigte, Glas mit Hilfe elektrochemischer Energie zu schmelzen, einer Methode, an der schon viele Wissenschaftler, allerdings bisher erfolglos, arbeiteten. Dr. Schweig versprach sich aber Erfolg. Er investierte beträchtliches Vermögen in sein Forschungsvorhaben, aber ohne dem gewünschten Ergebnis. Darüber hinaus bestanden noch private Probleme, die dazu führten, dass Martin am 25. Juli 1913 Selbstmord beging. Die Situation, in welcher sich die Familie nun befand, brachte der neuen Schweigschen Aktiengesellschaft keinen wirtschaftlichen Aufschwung. Am 1. Juli 1912 wurden beide Betriebe von der Glashüttenwerke Weißwasser AG übernommen, die ihrerseits schon gewissermaßen dem Konzern Vereinigte Lausitzer Glaswerke AG (VLG) angehörte. Nach der im Jahr 1920 durchgeführten Umstrukturierung der VLG erhielt die «Doktorhütte» die Bezeichnung Abteilung Hohlglaswerk, später Werk H. Zwei Jahre später begann ein umfangreicher Werksumbau. In die Gebäude der Doktorhütte zogen die Erprobungsabteilung der VLG und die Konzernleitung ein. Das benachbarte Osram-Werk nutzte ein Ofengebäude für spezielle Versuchszwecke. Hier konnte am 6. Mai 1923, nach erfolgreichen Proben, die vollautomatische Röhrenziehmaschine System Danner in Betrieb genommen werden. Nach guten Erfolgen arbeiteten bald zwei Anlagen dieser Art, die den ganzen Bedarf des Konzerns an normalen Glasröhren und -stäben deckten. Am zweiten Ofen wurde weiterhin Hohlglas für den täglichen

Page 18: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

Gebrauch hergestellt. Der Ausbruch der Hohlglaskrise Mitte der zwanziger Jahre zwang die Konzernleitung 1933, auch dieses Werk stillzulegen. Die Farbikanlagen der Doktorhütte wurden zur Ausbildung der Glasmacherlehrlinge und als Forschungsstätten für Wissenschaftler und Gestalter, wie Glasdesigner Professor Wilhelm Wagenfeld, genutzt. Der Chefdesigner des Glaskonzerns machte durch seine hier entstandenen Kreationen, unter dem Warenzeichen «Rautenglas» , funktionsgerechtes und formschönes Industrieglas, die Lausitzer Glasindustrie weltbekannt. Versuche Neue Herstellungs- und Veredelungsmethoden an Versuchsöfen und Fertigungslinien wurden hier erprobt und anwendungsreif gemacht. Auch befand sich die Betriebsschlosserei des Konzerns auf dem Werksgrundstück. Das später nicht mehr genutzte alte Glasofengebäude wurde abgerissen und an seine Stelle trat in den Jahren 1935 bis 1937 ein mehr stöckiges Lagerhaus. Architekt dieses Gebäudes war der mit Wagenfeld befreundete Bauhausprofessor Ernst Neufert. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden im Lagerhaus Bürounterkünfte der Hauptgeschäftsstelle des Versorgungsunternehmens Handelsorganisation (HO) des Kreises Weißwasser. Aber auch die Geschäftsstelle der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe, Bäuerliche Handelsgenossenschaft (VdgB-BHG), die Großhandelsverwaltung des Konsum- Vereins, die Glasvertriebsorganisation der volkseigenen Glasbetriebe und das Polizeirevier der Stadt Weißwasser waren hier bis zum Jahr 1990 untergebracht. Von Lutz Stucka

09. Oktober 2004

Industriegeschichte

Dekore mit Siebdruck als Neuheit

1936 begann in der Aktienhütte der Bau eines Hüttengebäudes für einen Wannenofentrakt, mit dem man sich durch billigere industrielle Massenglasherstellung eine Betriebsersparnis von rund 200 000 Mark jährlich erhoffte. Es sollten hier hauptsächlich Becher produziert werden. Drei Jahre später begann der Aufbau einer zweihäusigen Wannenschmelzanlage, Bauart Maetz, die den Erfordernissen der maschinellen Glasproduktion sehr entgegen kam.

Blick in die Rheinische Schleiferei der damaligen Glashüttenwerke Weißwasser. Foto: WW/SZ

Page 19: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

Im Jahr 1940 jedoch erfolgte anstelle der geplanten Becherherstellung die Produktion von Medizinflaschen für die Wehrmacht mit einer dreiarmigen Saugblasmaschine der französischen Firma Roirant. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges trat an die Stelle der anderen Wirtschaftsglasproduktion die Fertigung militärtechnischer und medizinische Gläser. Der immer größer werdende Kriegsproduktionsanteil, wie Sichtplatten (Winkelspiegel-Prismen) für Panzer und Schutzgläser für Unterseeboote sowie Glastellerminen verdrängte nach und nach das Rautenglas. Zum Zweck weiterer Produktionssteigerungen im Rüstungsbereich, trotz des Rückganges der Beschäftigtenzahl von 1 400 vor dem Krieg auf 500, begannen 1942 Umbauten an den Öfen 4 und 5.

In den 40er Jahren Kriegsproduktion

Der Verlust Dr. Kindts, als hervorragenden Betriebsorganisator im Krieg, machte die Lage noch ernster. Anfang 1944 spitzte sich die Situation bedrohlich zu. Militärische Auskämmkommissionen begannen letzte Arbeitskräfte aus den Betrieben für den Einsatz an den Fronten abzuziehen. Der einzige noch arbeitende Ofen der Aktienhütte sollte stillgelegt werden. Da wurde bekannt, dass Wirtschaftsminister Albert Speer den Arbeiterabzug aus den Glashütten unterbunden hatte, um für weltbekannte Markenfabrikate einen qualifizierten Arbeiterstamm in den Frieden zu retten. Diese Glasmacher produzierten noch in den letzten Monaten des Krieges neben waffentechnischen Gläsern auch minderwertiges Glasgeschirr für Fliegergeschädigte.

Zwar erlitt die Aktienhütte während der Beschießung der Stadt Weißwasser durch die Rote Armee keine größeren Schäden, doch anschließend von der Besatzungsmacht befunden, dass das Werk wegen Beteiligung an der Rüstungsproduktion demontiert und die Anlagen nach Russland gebracht werden sollten. Der Abbau bezog sich nicht auf die Glasschmelzöfen, sondern auf die bewegliche Betriebsausrüstung. Nach Beendigung der Demontage, die etwa ein halbes Jahr dauerte, begannen einige heimkehrende Glasmacher, vorhandene Pressglaserzeugnisse an zurückgelassenen Werkstellen zu veredeln.

Im teilweise zerstörten Lagerhaus der VLG-Aktiengesellschaft, im ehemaligen Hohlglaswerk an der Schmiedestraße, fanden sich einige Rohstücke aus der Vorkriegsproduktion und aus dem Schutt geborgene Pressteller, die in der Schleiferei und Malerei bearbeitet werden konnten. Den Vorrang bei der Demontage durch die Besatzungsmacht hatten Elektromotoren, die hier nur schwer zu ersetzen waren.

Aus weniger wichtigen Anlagen, wie dem Fahrstuhl des Gebäudes der Fabrikenoberleitung, heute Polizeigebäude an der Schmiedestraße, und anderen Orten wurden diese Antriebsaggregate ausgebaut, um sie in der Glasschleiferei-Abteilung verfügbar zu machen. Dadurch war bereits am 17. Juni 1945 hier die Wiederaufnahme der Arbeit möglich. Abkömmliche Werkzeuge anderer Glashütten Weißwassers wurden herbeigeschafft, und auch der Ofen 4 konnte rasch repariert werden.

Da relativ wenige Glasmacher aus der Aktienhütte wegen der bevorzugten Rolle des Rautenglases zum Kriegsdienst gerufen wurden, standen sie für die Wiederaufnahme der Produktion im demontierten Werk als Fachkräfte reichlich zur Verfügung. Die Notwendigkeit der rasch beginnenden Produktion des zukunftsweisenden Rautenglases führte dazu, dass die zwar demontierte Aktienhütte mehr Überlebenschancen hatte als die relativ funktionstüchtigere Glashütte Hirsch-Janke, die schließlich zugunsten der Rautenglashütte abgebaut wurde.

Die frühere Zugehörigkeit zum großen VLG-Konzern und die Inbetriebnahme der modernen Hartglasschmelzwanne vor dem Krieg waren Voraussetzungen für eine rasche Eingliederung in die marktorientierte Produktion.

Page 20: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

Kurze Zeit nach der Demontage konnte bereits am 29. Dezember 1946 die erste Hüttenabteilung am Ofen 4 mit der Produktion von Medizinflaschen, Glaskrügen und Konservengläsern in Betrieb genommen werden. Zwei Jahre später erfolgte die offizielle Wiedereröffnung der nun als VEB Oberlausitzer Glaswerke (OLG) bezeichneten einstigen Aktienhütte. Werkleiter wurde der langjährige Betriebsangehörige Hugo Rösner. Schon ab dem Jahr 1947 konnte allmählich wieder das Vorkriegssortiment hergestellt werden. Hinzu kamen wieder Kelche, das frühere Spezialprodukt der Hütte, und Schleifglas sowie auch Erzeugnisse aus Bleikristallglas.

Es war schnellstens notwendig, das formschöne und vor allem preiswerte Rautenglas in großen Stückzahlen zu produzieren. Dazu mussten weitere Glasmaschinen aus einigen anderen Werken Weißwassers und der Umgebung herbeigeschafft werden. In den Jahren 1948 und 1950 gelang es ebenso, die Öfen 2 und 3 in Gang zu setzen, was das Produktionsvolumen rasch steigerte. Im Jahr 1951 übernahm das Werk die Werkstätten der Glasraffinerie der nicht weit entfernt gelegenen ehemaligen Germaniahütte und die benachbarte Glasraffinerie A. Mudra & Co. In diesem Jahr begann auch wieder die Becherproduktion.

70 Prozent mit Gütezeichen 1

In einem Presseartikel der „Märkischen Union“ wurde 1954 berichtet, dass in der OLG die Erzeugnisse bis zu 70 Prozent das Gütezeichen 1 tragen und das Ausland hohes Interesse zeige. Zu den ersten Kunden zählte Dänemark, und auch in der Schweiz werde derzeit verhandelt. Im Jahr 1958 erfolgte der erneute Aufbau der Glasschmelzwanne mit Generatorengasbeheizung, und im Jahr darauf begann hier die maschinelle Becherproduktion. Diese Erzeugnisse konnten ab dem 1. Mai 1960 mit Hilfe einer neuen halbautomatischen Siebdruckanlage veredelt werden.

Durch den Einsatz eines Zusatzgerätes zur Debuit-Maschine wurde es erstmals möglich, Bowlendeckel und Teller mit Siebdrucken zu dekorieren. Die Möglichkeit, Glaskrüge zu bedrucken, bestand aber noch nicht. Diese mussten noch immer per Hand bemalt werden.

Die Glasmacher Richter, Jurtz und Domula konstruierten daraufhin eine auswechselbare, konisch arbeitende Siebdruckvorrichtung, die neben Bowlen auch Krüge sauber bedruckte. Dieses Zusatzgerät erlaubte es, ab Oktober 1962 je nach Bedarf etwa einhundert Krüge in der Stunde zu verzieren. Die Maler schafften in dieser Zeit etwa 23. Am 1. August 1960 war die Glaswanne III, anstelle des alten Glasschmelzofens 3, betriebsbereit. Hier begann die vollautomatische, Produktion dünnwandiger Becher mit einer einarmigen, kurz darauf mit einer zweiarmigen Ivenhoe-Glasblasmaschine.

Dabei wurde eine neue Technologie, das Pressblasverfahren, angewandt. An der anschließend weiterentwickelten vierarmigen Ivenhoe-, auch IV-Maschine genannt, wurde am 1. Februar des darauf folgenden Jahres der 200 000. versandfertige Becher hergestellt. Mit der nun laufenden automatischen Bechermassenproduktion in der OLG konnte der gesamte Bedarf dieses Produkts in der DDR annähernd gedeckt werden. Nach einer erfolgreichen Versuchszeit gingen täglich 15 000 Becher vom Band.

Diese dünnwandigen Trinkgefäße mit verstärktem Boden waren einmalig im Land, und deren Herstellung bedeutete gleichzeitig einen großen Fortschritt auf dem Gebiet der Automatisierung in der Glasindustrie. Eine weitere Neuerung konnte mit diesem Aggregat umgesetzt werden: Durch das Dazustellen einer schwedischen Glasverarbeitungsmaschine wurde das schwierige Problem des Heißabschneidens gelöst. Jetzt erfolgte das Absprengen der Kapseln, das Verkollern und Verschmelzen des Glasoberrandes in einem Arbeitsgang. Zeit und Arbeitskräfte sowie Transportwege konnten damit eingespart werden. Am 4. Februar 1961 war es dann soweit: Die vollautomatische Produktionsanlage von dünnwandigen Bechern begann erstmalig in der DDR zu arbeiten. (WW/SZ)

Page 21: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

26. Juni 2004

Zeittafel

Dezember 1945. Der Backmeister Hermann Kolbe wurde für 24 Stunden von Soldaten der Roten Armee wegen Sabotage eingesperrt, weil das im Brot verarbeitete Schrot zu viele Haferspelzen aufwies. Kurze Zeit später ereignete sich ein Unfall. Ein Bäcker verlor an einer Maschine zwei Fingerkuppen, die sich in einem Brot, welches an die Rote Armee geliefert wurde, wieder fand.

1. November 1952. Der Konsum-Verein übergab sein Verwaltungsgebäude an das Volkspolizeikreisamt (VPKA) und wechselte in das benachbarte mehrstöckige Lagerhaus des damals bestehenden Glaskonzerns „Vereinigte Lausitzer Glaswerke“ (VLG) über. Auch das Zentrallager, welches im Spezialglaswerk „Einheit“ untergebracht war und das in der ehemaligen Bürstenfabrik Muskau untergebrachte Unterlager (ULA) wechselten ihren Standort hierher an die Schmiedestraße.

8. Februar 1952. Der Konsum eröffnet eine Verkaufstelle in der ehemaligen Lebensmittelhandlung Bresagk an der Lorenc-Zaleski-Straße (Teichstraße).

Am 1. November 1952, die HO-Geschäftsstelle war in die ehemaligen Fabrikräume des Germania Glaswerkes, heute Tischlerei Lehmann, gewechselt, wurden die freigewordenen Räume von der Geschäftsstelle der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe – Bäuerliche Handelsgenossenschaft (VdgB-BHG) – belegt.

1954. Die Zahlen der Beschäftigten in den einzelnen Konsum-Betrieben: Kreis-Konsum-Genossenschaften Weißwasser 223, Konsumgenossenschaften Weißwasser 138, Konsum-Produktion 99, Konsum-Druckerei Weißwasser 13.

1958. Die erste Selbstbedienungsverkaufsstelle eröffnete die Handelsorganisation (HO) 1958 an der Muskauer Straße, heute Geschäftsstelle der Landesbausparkasse (LBS).

8. Mai 1959. Die zweite Selbstbedienungsverkaufsstelle der Stadt, aber die erste des Konsums, wurde an der Alexanderstraße durch den Vorsitzenden der Stadt-Konsum-Genossenschaft, Günter Heinze, eröffnet. Unter der Leuchtschrift „Spare Zeit – bediene Dich selbst“ konnte der Kunde neben den Selbstbedienungsständen an einem Tempo-Stand unverpackte Ware erhalten. Infolge dieser Neugestaltung konnten in dieser Verkaufsstelle zehn Mitarbeiter (!) eingespart werden.

1960. Zur rationelleren Bewirtschaftung wurde ab diesem Jahr der gesamte Großhandel zu Großhandelsgesellschaften zusammengeschlossen. Das Lager an der Schmiedestraße wurde für den Kreis Weißwasser zum Sitz der selbstständigen Großhandelsgesellschaft für Lebensmittel einschließlich Haushaltschemie.

Page 22: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

19. Juni 2004

Die Zeittafel: 1958 erste Selbstbedienungsverkaufsstelle der HO

Dezember 1945. Der Backmeister Hermann Kolbe wurde für 24 Stunden von Soldaten der Roten Armee wegen Sabotage eingesperrt, weil das im Brot verarbeitete Schrot zu viele Haferspelzen aufwies. Kurze Zeit später ereignete sich ein Unfall.

Ein Bäcker verlor an einer Maschine zwei Fingerkuppen, die sich in einem Brot, welches an die Rote Armee geliefert wurde, wieder fand. Nach 1945. Der Pferdestall und die Remise auf dem Bäckereigrundstück an der Görlitzer Straße wurden außer dem Pferd der Konsum-Bäckerei noch vom Pferd des Fuhrunternehmers Koppatz und zwei Pferden des Fuhrunternehmers Kirschke vom anderen Ende der Görlitzer Straße genutzt. 1949. Der Dachverband «Verband der Konsum-Genossenschaften der DDR» wurde gegründet. 1. November 1952. Der Konsum-Verein übergab sein Verwaltungsgebäude an das Volkspolizeikreisamt (VPKA) und wechselte in das benachbarte mehrstöckige Lagerhaus des damals bestehenden Glaskonzerns «Vereinigte Lausitzer Glaswerke» (VLG) über. Auch das Zentrallager, welches im Spezialglaswerk «Einheit» untergebracht war und das in der ehemaligen Bürstenfabrik Muskau untergebrachte Unterlager (ULA) wechselten ihren Standort hierher an die Schmiedestraße. Einen zu dieser Zeit fast unverzeihlichen Fehler machte der Konsum-Kraftfahrer Marco Richard. Während einer Fahrt nach dem ULA-Muskau verunglückte er mit seinem 1-Tonnen-Borgward-Lkw am Turnerheim. Auf der Ladefläche hatte er mehrere tausend Eier geladen, die anschließend auf der Straße lagen. Nach dem Krieg wurde dieses Lagerhaus, welches von Bauhaus-Professor Ernst Neufert, ein Freund des in Weißwasser tätigen Professors Wilhelm Wagenfeld, geschaffen wurde, zum Bürohaus, wo die Hauptgeschäftsstelle der Handelsorganisation (HO) des Kreises Weißwasser unter- kam. Am 1. November 1952, die HO-Geschäftsstelle war in die ehemaligen Fabrikräume des Germania Glaswerkes, heute Tischlerei Lehmann, gewechselt, wurden die freigewordenen Räume von der Geschäftsstelle der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe – Bäuerliche Handelsgenossenschaft (VdgB-BHG) – belegt. Ihr folgte die Großhandelsverwaltung des Konsum-Vereins, die Glasvertriebsorganisation der volkseigenen Glasbetriebe, und das Straßengebäude wird das Polizeirevier der Stadt Weißwasser sowie das oben genannte Kreisamt. 8. Februar 1952. Der Konsum eröffnet eine Verkaufstelle in der ehemaligen Lebensmittelhandlung Bresagk an der Lorenc-Zaleski-Straße (Teichstraße). 1954. Die Zahlen der Beschäftigten in den einzelnen Konsum-Betrieben: Kreis-Konsum-Genossenschaften Weißwasser – 223, Konsumgenossenschaften Weißwasser – 138, Konsum-Produktion (Fleischerei, Bäckerei) – 99, Konsum-Druckerei Weißwasser – 13. 8. Mai 1959. Die zweite Selbstbedienungsverkaufsstelle der Stadt, aber die erste des Konsums, wurde an der Alexanderstraße durch den Vorsitzenden der Stadt-Konsum-Genossenschaft, Günter Heinze, eröffnet. Unter der Leuchtschrift «Spare Zeit – bediene Dich selbst» konnte der Kunde neben den Selbstbedienungsständen an einem Tempo-Stand unverpackte Ware erhalten. Infolge dieser Neugestaltung konnten in dieser Verkaufsstelle zehn Mitarbeiter (!) eingespart werden. Die erste Selbstbedienungsverkaufsstelle eröffnete die Handelsorganisation (HO) 1958 an der Muskauer Straße, heute Geschäftsstelle der Landesbausparkasse (LBS).

Page 23: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

1960. Zur rationelleren Bewirtschaftung wurde ab diesem Jahr der gesamte Großhandel zu Großhandelsgesellschaften zusammengeschlossen. Das oben genannte Lager an der Schmiedestraße wurde für den Kreis Weißwasser zum Sitz der selbstständigen Großhandelsgesellschaft für Lebensmittel einschließlich Haushaltschemie.

2003

29. März 2003

Architekt und Baumeister in Weißwasser

Die dörflichen Bauten im heutigen Stadtteil Alt-Weißwasser entstammten der Kultur der einst hier ansässigen slawischen Urbevölkerung. Der überdurchschnittliche Waldreichtum gestattete den Einwohnern bis Mitte des vorigen Jahrhunderts, die charakteristische Blockbauweise anzuwenden. Es handelte sich hierbei um eine Aufschichtung waagerechter Baumstämme, die an den Gebäudekanten verzahnt und mit Werg abgedichtet waren.

Walter ThormannThormanns Handschrift trägt auch das Wohn- und Geschäftshaus von Julius Noack an der Straße des Friedens. Im Gegensatz dazu wurde recht früh im übrigen Teil der Lausitz die von fränkischen Siedlern eingeführte Fachwerkbauweise bevorzugt. Die Wände bestanden hier aus hölzernen Rahmen mit Verstrebungen, deren Zwischenräume mit Stroh, Lehm oder Ziegel ausgefacht wurden. Vereinzelte Bauten wurden auch in Weißwasser so errichtet, oder Mischformen bevorzugt. Dominant blieb aber die bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts reichende Blockbauweise, wo aus Kostengründen die Wohnhäuser gegen Steinbauten ausgetauscht wurden. Leider sind nur noch sehr vereinzelt diese hölzernen Häuser der Volksbauweise in Weißwasser erhalten geblieben. Die Bauwerke der neu entstehenden Industriestadt um den Bahnhof wurden entsprechend der Manier der Zeit und dem jeweiligen Geldbeutel aus Ziegeln geschaffen. Der erste Baumeister in Neu-Weißwasser war Eugen Woitschach aus Muskau, der auch ein Bauunternehmen gründete, dem bald mehrere folgten. Die bekanntesten Firmen der Branche in der Gründerzeit waren Moritz und Julius Windschild, die sehr eng mit dem Architekten Ludwig Finke zusammenarbeiteten, das Baugeschäft und Sägewerk Gottlieb Wauro, die Bauunternehmer Ernst Fulde, Oskar Oertel und R. Schaller. Ihnen folgten die Bauunternehmen Haisler & Thormann, Mrosko & Papproth, Scholta & Co., Paul Reder u. a. Walter Thormann (7. Februar 1884 bis 7. Februar 1940), Sohn des Obersteigers Carl Thormann, war ein bekannter Architekt und Baumeister in Weißwasser. Nach einer vierjährigen Lehre im hiesigen Baugeschäft Schaller wurde er im Jahr 1908 Mitgründer des Bauunternehmens Haisler & Thormann. In der folgenden Zeit projektierte Thormann zahlreiche Häuser der Innenstadt von Weißwasser, die er dann durch seine Firma errichten ließ. Das Unternehmen genoss einen guten Ruf solider Bauausführung und wurde von einigen Gewerbetreibenden bevorzugt. Zum Beispiel das Hotel Prenzel, das Haus des Lebensmittelhändlers Julius Noack, das ehemalige Haus des Fleischermeisters Hentschel, gegenüber dem Busbahnhof gelegen, heute Neubau, das Haus Wunderlich (Bodelschwinghstraße 9), das Haus des Milchhändlers Gustav Stucka (Bodelschwinghstraße 5), die Villa des Baumeisters Wauro (Straße der Glasmacher, Ecke Muskauer Straße), die Villa Körner an der Rosa-Luxemburg-Straße u. a. entstanden unter seiner Regie. An

Page 24: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

allen diesen Gebäuden erkennt man leicht die Handschrift Walter Thormanns. Ich erinnere mich, wenn die Medien über Erdbebenkatastrophen in der Welt berichteten und ich als Kind meinen Großvater fragte, ob auch unser Haus einstürzen könnte? Da beruhigte er mich immer mit den Worten: «Das passiert nicht, denn das Haus hat Thormann gebaut!» Die Familien Carl und Walter Thormann hatten ihren Wohnsitz an der Straße nach Halbendorf, in der Aue. Ab 1908 bewohnte Vater Carl eine Villa am Neuteichweg inmitten einer umfangreichen Obstplantage, die Sohn Walter ihm als Altersruhesitz gebaut hatte. Im Jahr darauf wurde der 18 Meter hohe Wasserturm gebaut. Dieser enthielt zur Speicherung des Wassers zwei ineinander gebaute Behälter von je 200 Kubikmeter Fassungsvermögen. Pumpen, die mit Braunkohlengas betrieben wurden, füllten diese Behälter nach Bedarf. Der Wasserverbrauch, besonders durch die Industrie, stieg rasch an, und ein neuer größerer Turm machte sich nötig. Der Gemeindebaumeister Weißig projektierte diesen Turm, der einfach über den alten gestellt wurde. Auf über 20 Metern hohen Betonpfeilern wurde ein 1100 Kubikmeter fassender Betonbehälter gebaut, dessen Ab- und Zuflussleitungen von oben nach unten durch den alten Turm hindurch, der sich noch ziemlich unversehrt darunter befindet, geleitet werden. Diese Aufgabe zum Bau dieses Projektes erhielt im Jahr 1930 der Baufirma Walter Thormann übertragen, was gleichzeitig eine große Herausforderung für das Unternehmen, was W alter nun schon seit vielen Jahren selbst leitete, war. Die eisenbewehrten Betonpfeiler wurden am Bauplatz in einer zuvor errichteten Holzverschalung gegossen. In gleicher Weise entstand anschließend der Beckenaufbau, bis schließlich der Turm eine Backsteinummantelung erhielt. Walter Thormann war anfangs Teilhaber des Baugeschäftes Haisler & Thormann, das seinen Firmensitz in der heutigen Fr.- Bodelschwingh-Straße hatte, da, wo sich jetzt die Sparkasse befindet. Die Witwe des Weißwasseraner Star-Baumeisters Moritz Windschild verkaufte dieses Grundstück aus dem Nachlass ihres Ehemannes. Im Jahr 1910 erwarb Thormann das Baugeschäft des Bauunternehmers Mattheus Mrosko, der mit dem Maurer- und Zimmermeister Friedrich Papproth an der heutigen Käthe-Kollwitz-Straße seine Firma hatte. Hier errichtete der neue Eigentümer ein weiteres Bauunternehmen mit kleinem Sägewerk und diversen Werkstätten. Walter Thormanns Sohn Oskar, geboren 1910 in Weißwasser, erlernte im väterlichen Betrieb Maurer und erhielt im Sommer 1930 die Aufgabe, eine Eckfläche des 30 Meter hohen Wasserturmes als Gesellenstück selbst zu mauern. Diese anspruchsvolle Schule war ihm sicher auf seinem weiteren Lebensweg von Nutzen. Oskar Thormann lebt heute in Bremen, war Architekt, Bauassessor und Professor. Walter Thormanns Bauunternehmen befand sich bis 1936 an der heutigen Käthe-Kollwitz-Straße. Bedingt durch die Rückläufigkeit der Bauaufträge, ausgelöst durch die Weltwirtschaftskrise und die Bestrebungen, seiner 80-köpfigen Belegschaft immer Arbeit zu geben, baute Thormann auf seinem Grundstück 1930/31 ein Wohn- und Geschäftshaus sowie zwei Mehrfamilienhäuser. Die Vermietung der Neubauwohnungen brachte ihm durch das neue Wohnraumvermietungsgesetz der nationalsozialistischen Regierung, das später auch von der DDR-Regierung beibehalten wurde und billigste Mieten vorschrieb, nicht den Ausgleich seiner Kosten. Das folgliche Ausbleiben zugesicherter Hypothekendarlehen brachte der Firma 1936 das Konkursverfahren. Durch einen guten Verfahrensabschluss verblieben Walter Thormann einige Mittel, die er für den Erwerb eines neuen Firmengrundstücks einsetzen konnte. Die Bergarbeiterhäuser mit dem Kohlenstaubplatz, ehemaliges Betätigungsfeld seines Vaters Carl Thormann, konnte er vom Grafen Arnim günstig erwerben. Hier begann Walter Thormanns zweiter Anfang. Es entstanden vorerst notdürftig in Holzschuppen und den ehemaligen Bergarbeiterhäusern Werkstätten, Lager- und Abstellplätze für Baumaschinen sowie das Architektenbüro. Die Firma Walter Thormann war wieder handlungsfähig. Obwohl der Konkurs dem Architekten und Bauunternehmer Walter Thormann enormen Schaden bereitete, wurde aufgrund seiner anerkannten Leistungen und Fähigkeiten seine Wettbewerbsfähigkeit keineswegs geschmälert. Im Gegenteil, als einen seiner ersten Aufträge nach der Wiedergeburt erhielt Thormann den Auftrag, das Wohnhaus des damaligen Osram-Glashüttendirektors Dr. Kindt zu bauen. Dieses Haus, das heute zu den bedeutendsten Gebäuden Weißwassers zu zählen ist, wurde von dem renommierten Bauhausarchitekten Professor Ernst Neufert projektiert, welcher kurzzeitig als

Page 25: PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und … · Ernst Neufert in Weißwasser/O.L. PRESSEBERICHTE aus LAUSITZER RUNDSCHAU und SÄCHSISCHER ZEITUNG Stand: 01.04.2013 (von Torsten

Freund Professor Wilhelm Wagenfelds in Weißwasser für den Konzern Vereinigte Lausitzer Glaswerke tätig war. An Walter Thormanns 56. Geburtstag ereignete sich in der Ortslage Weißkeißel ein schwerer Verkehrsunfall, der vom Rothenburger Gendarmerieposten aufgenommen wurde, und darin hieß es: «Gegen 10 Uhr befuhr der Kreisobmann der Deutschen Arbeitsfront, Thiel, mit seinem Pkw die Landstraße nach Niesky. Auf der geraden Strecke vor dem Ortsausgang Weißkeißel begann Thiel, den vor ihm fahrenden Pkw zu überholen. Da zu diesem Zeitpunkt ein derartiger dichter Nebel herrschte, dass man kaum 20 Meter sehen konnte, bemerkte Thiel auch nicht den entgegenkommenden Lastwagenzug des Baumeisters Karl Reifa und stieß mit ihm zusammen. Der Aufprall bewirkte, dass der Tank des Pkw beschädigt wurde, sich das Benzin über die Insassen ergoss und zu brennen begann. Den beiden anderen Fahrern gelang es zwar, die Insassen aus dem brennenden Auto zu ziehen, aber der herbeigeholte Arzt konnte nur noch den Tod der beiden feststellen.» Thiels Beifahrer war Walter Thormann. Herbeigeeilte Weißkeißeler Einwohner konnten das brennende Auto mit Schnee löschen. Die Schuld des Unfalls wurde Thiel gegeben. Er durfte bei derart schlechter Sicht nicht überholen, waren sich alle einig. Die Polizei verließ sich auf die Richtigkeit der Aussage des Lastzugfahrers, welcher beteuerte, rechts und höchstens mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h gefahren zu sein. Nach dem Tod des Firmenchefs führte seine Ehefrau Anna das Unternehmen weiter, wie auch während des Ersten Weltkrieges, an dem Walter teilnehmen musste. Nach 1945 erfolgte die allmähliche Stilllegung des Betriebes, die Gebäude verfielen und wurden zum Teil abgetragen. Nur die Tischlerei arbeitete bis Ende der siebziger Jahre weiter. An ihrer Stelle befindet sich heute der Bahnhof der Waldeisenbahn an der Teichstraße.

Zeittafel Gräfliches Veto wurde umgangen

November 1908. Baubeginn des Wasserwerks für Weißwasser in der Nochtener Pfarrheide. Dem Gemeinderat gelingt es außerhalb des gräflichen Waldgürtels um Weißwasser, geeignetes Land für die Wasserversorgung zu erwerben. Graf Arnim hatte die Wassergewinnung in seinen Forsten um Weißwasser, wegen der Grundwasserabsenkung und der damit verbundenen Beeinträchtigungen der Baumbestände, untersagt. In der seit 1627 zum Besitz des Nochtener Geistlichen gehörende Pfarrheide, etwa 5,5 Kilometer südlich Weißwassers gelegen, konnte das Wasserwerk entstehen. Die Gemeinde erwarb hier ein vier Morgen (ein Hektar) großes Grundstück, worauf Graf Arnim keinen Einfluss hatte. Im April des Jahres wurden die finanziellen Mittel zum Bau des Wasserwerkes nebst Leitung genehmigt. Es werden zwei Rohrbrunnen von zehn Zentimeter Durchmesser und 28 Meter Tiefe geschaffen. Drei Pumpen, getrieben von ebenso vielen Braunkohlengasmotoren, fördern 1500 Kubikmeter Wasser täglich nach Weißwasser.

von lutz stucka