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„Religiosität als Ressource erleben dürfen – von klein auf!“ Dr. Tarek Badawia Universität Erlangen- Nürnberg

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Page 1: „Religiosität als Ressource erleben dürfen – von klein auf!“ Dr. Tarek Badawia Universität Erlangen-Nürnberg

„Religiosität als Ressource erleben dürfen – von klein auf!“

Dr. Tarek BadawiaUniversität Erlangen-Nürnberg

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Funktionale Definition von Religion» Funktion der Identitätsstiftung (Problem der Affektbindung

und Angstbewältigung) » Funktion der Handlungsführung im Außeralltäglichen

(Magie, Ritual, Moral)» Funktion der Kontingenzbewältigung (Verarbeitung von

Unrecht, Leid, Schicksalsschlägen, Unverfügbarkeit)» Funktion der Sozialintegration (Legitimation von

Gemeinschaftsbildung und sozialer Integration)» Funktion der Kosmisierung (Sinngebung der Welt, die

Sinnlosigkeit und Chaos überwindet) » Funktion der Weltdistanzierung (Ermöglichung von

Widerstand und Protest gegen einen als ungerecht und unmoralisch erfahrenen Gesellschaftszustand)

(Vgl. Detlef Pollack, Religionssoziologie, in: H. Korte/B. Schäfers (Hrsg.), Einführung in die Praxisfelder der Soziologie, Opladen 1997, 2. Aufl., S. 210-213.)

Page 3: „Religiosität als Ressource erleben dürfen – von klein auf!“ Dr. Tarek Badawia Universität Erlangen-Nürnberg

Leitfragen…

» Trägt die religiöse Erziehung zur Selbstwerdung des Kindes bei, fördert sie die Autonomie des Heranwachsensen?

» Wie soll eine religiöse Bildung/Erziehung gestaltet werden, dass sie die Religiosität des Kindes als Ressource für eine positive Lebensführung fördern kann?

Page 4: „Religiosität als Ressource erleben dürfen – von klein auf!“ Dr. Tarek Badawia Universität Erlangen-Nürnberg

Religiosität

» Die Religiosität als ein anthropologischer Begriff, der die subjektiven Fragen und Bedürfnisse nach Transzendenz, Orientierung, Deutung usw. aufzunehmen erlaubt, als die subjektive Annahme, Verarbeitung und Darstellung, aber auch die subjektive Produktion von Religion, als Empfindung des Ich in seinem Lebenskontext, als erlebnisbezogenes Gefühl, als Sehnsucht, Suchhaltung und als gelebte Praxis, und als Deutung der eigenen Person in aktuellen Wirklichkeitsbezügen. (Behr 2014; Joas 2004; Wohlrab-Saar 1995; Kunstmann 2004)

Page 5: „Religiosität als Ressource erleben dürfen – von klein auf!“ Dr. Tarek Badawia Universität Erlangen-Nürnberg

Die Dimension der „Tiefe“» Paul Tillich (1886-1965)

„Die Religion ist keine spezielle Funktion, sie ist die Dimension der Tiefe in allen Funktionen des menschlichen Geisteslebens.

» Sie bedeutet, dass die religiöse Dimension auf dasjenige im menschlichen Geistesleben hinweist, das letztlich, unendlich, unbedingt ist. Religion ist im weitesten und tiefsten Sinne des Wortes das, was uns unbedingt angeht.

(Paul Tillich, Die verlorene Dimension. Not und Hoffnung unserer Zeit. Hamburg 1962, S. 23.)

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Position» „Recht des Kindes auf Religion“ als Bildungsauftrag

soll es in erster Linie um die Förderung und Entfaltung von Schutzfaktoren, um Schutz vor Vulnerabilität, um den ‚Schutz von mentalen Seelenstrukturen vor religiös motivierten Gewalt, um eine Pflege der „Natürlichkeit“ im Menschen; Förderung der mentalen oder seelischen Widerstandsfähigkeit (bildlich gesprochen: um das Immunsystem der Seele zu stärken“) gehen.

Page 7: „Religiosität als Ressource erleben dürfen – von klein auf!“ Dr. Tarek Badawia Universität Erlangen-Nürnberg

Kontingenzbewältig (Lübbe 2001)» Die Religion bietet für die schlimmsten Abstürze

des Lebens, den Tod, die Trennung nicht etwa Trost, sondern eine Form des Handelns, die das Umgehen mit solchen Katastrophen überhaupt ermöglicht.

Page 8: „Religiosität als Ressource erleben dürfen – von klein auf!“ Dr. Tarek Badawia Universität Erlangen-Nürnberg

Gegen das Nützlichkeitsdenken» „Das adaptive Potential, das ein Individuum im

Entwicklungsprozess mitbringt, ist als Konstellation von protektiven Faktoren und Risikofaktoren in jeder Entwicklungsphase zu definieren.

» Als Vulnerabilität wird jede Konstellation bezeichnet, die ein Individuum gegenüber negativen Entwicklungseinflüssen in besonderer Weise empfindlich macht, wobei dadurch unter ungünstigen Entwicklungsbedingungen ein negativer Entwicklungsverlauf geradezu vorhergesagt werden kann. (vgl. Resch et al. 2000: 4f.)

Page 9: „Religiosität als Ressource erleben dürfen – von klein auf!“ Dr. Tarek Badawia Universität Erlangen-Nürnberg

Fünf große Fragen der Kinder1. Wer bin ich und wer darf ich sein? (Die Frage nach

mir selbst)2. Warum musst du sterben? (Die Frage nach dem

Sinn des Ganzen)3. Wo finde ich Schutz und Geborgenheit? (Die Frage

nach Gott)4. Warum soll ich andere gerecht behandeln? (Die

Frage nach dem Grund ethischen Handelns)5. Warum glauben manche Kinder an Allah? (Die

Frage nach der Religion der anderen)

Page 10: „Religiosität als Ressource erleben dürfen – von klein auf!“ Dr. Tarek Badawia Universität Erlangen-Nürnberg

„Balance-Modell“ n. N. Peseschkian

Ich

Körper/Sinne

Verstand/Kognition

Tradition/Erfahrung

Phantasie/Intuition/

Sinn

(Vgl. Boessmann 2004, S. 35)

Page 11: „Religiosität als Ressource erleben dürfen – von klein auf!“ Dr. Tarek Badawia Universität Erlangen-Nürnberg

Vier Fundamente der Selbst-Balance

WirFähigkeit, sich

als soziales Wesen zu verhalten

IchSelbstwertgefühl

und Identitätsbewuss

tsein

DuVorbildstruktur

für Partnerschaft

Ur-WirFähigkeit zum Sinnerleben

(Vgl. Boessmann 2004, S. 33)

Page 12: „Religiosität als Ressource erleben dürfen – von klein auf!“ Dr. Tarek Badawia Universität Erlangen-Nürnberg

Das „Kasper Hauser-Syndrom» Steht auch für das Kind, dem die elementare

Unterstützung und Begleitung seines Aufwachsens vorenthalten bleibt. Kasper Hauser steht für das Kind, das nicht zur Sprache findet, weil andere nicht zu ihm und nicht mit ihm sprechen. (vgl. Schweitzer 2013: 78)

Page 13: „Religiosität als Ressource erleben dürfen – von klein auf!“ Dr. Tarek Badawia Universität Erlangen-Nürnberg

Eure Kinder sind nicht eure Kinder.Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen,Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit, und Er spannt euch mit Seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.Laßt euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;Denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.(Khalil Gibran, arabischer Dichter, 1883-1931)

Page 14: „Religiosität als Ressource erleben dürfen – von klein auf!“ Dr. Tarek Badawia Universität Erlangen-Nürnberg

Fazit: Recht des Kindes auf Freiheit

» Gesellschaftlicher WandelMentalitätswandel Wandel des Selbstverständnisses der Religionen

» „Nicht Wiederkehr, die Religion war nie verschwunden“ (Hans Joas 2014)

» Die tätige Anerkennung fremder Identität als Begründung einer neuen Form der Moral. (vgl. O. Schwemmer 1992: 101)

» Das Recht des Kindes auf Religion bedeutet keine Pflicht zur Religion.

» „Gottesvergiftung“ vs. „Kasper Hauser“-Syndrom» „Es gibt keinen Zwang im Glauben“ (2: 256)

Page 15: „Religiosität als Ressource erleben dürfen – von klein auf!“ Dr. Tarek Badawia Universität Erlangen-Nürnberg

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!