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Research Collection Educational Material Geometrie Skript für die Vorlesung: 91-157, G, Geometrie, 86-3, Ausgabe 2002 Author(s): Walser, Hans Publication Date: 2002 Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-004377954 Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection . For more information please consult the Terms of use . ETH Library

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Research Collection

Educational Material

GeometrieSkript für die Vorlesung: 91-157, G, Geometrie, 86-3, Ausgabe2002

Author(s): Walser, Hans

Publication Date: 2002

Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-004377954

Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted

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Sphärische Trigonometrie. Berechnungen

Hans Walser

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen ii

Inhalt

1 Sphärische Trigonometrie.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Worum geht es? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Der Seiten-Cosinus-Satz.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Zusammenhang mit der Trigonometrie des ebenen Dreieckes .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.4 Das Polardreieck.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.5 Der Winkel-Cosinus-Satz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.6 Der Sinus-Satz.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71.7 Weitere Formeln der Sphärischen Trigonometrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71.8 Kombinatorischer Aspekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.9 Rechtwinklige sphärische Dreiecke .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.10 Zusammenstellung der Formeln.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11

2 Berechnungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .112.1 Angepasste Koordinaten.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11

2.1.1 Polarkoordinaten in der Ebene .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .112.1.1.1 Archimedische Spiralen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .122.1.1.2 Logarithmische Spiralen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13

2.1.2 Kugelkoordinaten im Raum ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .142.1.3 Analogie im 4D-Raum... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15

2.2 Inhaltsberechnungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .162.2.1 Kreisflächeninhalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .162.2.2 Kugelinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .182.2.3 Inhalt der 4D-Hyperkugel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .182.2.4 Allgemeine Formeln für Inhalt und Oberfläche.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19

Literatur .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20Anhang: Kreisscheiben.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21

1995 Erstausgabe1996 Korrektur von Fehlern1999 Erweiterungen. Graphische Überarbeitung2001 Erweiterungen. Neue Moduleinteilung2002 Fehlerbereinigungen

[email protected]

1 Sphärische Trigonometrie

1. 1 Worum geht es?Wir bezeichnen die sphärischen Dreiecke entsprechend den Dreiecken der ebenen Geo-metrie.

A

B

C

αβ

γ ab

c

M

Bezeichnungen

Trotzdem besteht aber ein wichtiger Unterschied zur ebenen Geometrie: Eine Drei-ecksseite kann jetzt auch als Winkel aufgefasst werden. So kann zum Beispiel die Seite aals Winkel ∠BMC interpretiert werden. Auf der Einheitskugel (mit Radius 1) ist das Bo-genmaß dieses Winkels die Länge der Seite a. In der sphärischen Trigonometrie werdendeshalb auch Seiten als Argumente trigonometrischer Funktionen erscheinen. Ein weitererUnterschied zur ebenen Trigonometrie besteht darin, dass die drei Winkel eines sphäri-schen Dreieckes nicht mehr voneinander abhängig sind. Aus diesen Gründen hat diesphärische Trigonometrie eine interessantere Struktur als die ebene Trigonometrie. Wirwerden aber sehen, dass sich die ebene Trigonometrie als Grenzfall aus der sphärischenTrigonometrie ergibt.

Wo nichts anderes vermerkt ist, werden wir in diesem Abschnitt mit der Einheitskugelarbeiten.

1. 2 Der Seiten-Cosinus-Satz

AB

N=C

M

b a

c

γ

x

y

z

Spezielle Lage des Dreieckes A B C

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 2

Ein gegebenes sphärisches Dreieck ABC können wir so auf der Kugel herumschieben,dass die Ecke C auf den Nordpol auf der z-Achse und die Ecke A auf den Nullmeridian inder x,z-Ebene zu liegen kommen. Dann hat lediglich der Punkt B keine spezielle Lage.

Für den Vektor MA →

erhalten wir:

MA →

=sin b

0

cosb

Die Seite b ist die Zenitdistanz des Punktes A und wird hier als Winkel verwendet. Ana-log folgt:

MB →

=sin acosγsin asin γ

cosa

Der Zwischenwinkel dieser beiden Vektoren MA →

und MB →

ist die Seite c. Da diese bei-den Vektoren die Länge 1 haben, gilt nach dem Skalarprodukt

cosc = MA →

⋅ MB →

MA →

⋅ MB →

= sin bsin acosγ +0+cosbcosa1 ,

also:

cosc = cosacosb + sin asin bcosγDies ist der Seiten-Cosinus-Satz. Er gilt in jedem sphärischen Dreieck, da die zur Herlei-tung verwendete spezielle Lage in der Schlussformel nicht mehr erscheint.

α β

γ

a b

c

Zyklische Vertauschung

Durch zyklische Vertauschung erhalten wir die drei Formeln:

Seiten-Cosinus-Satz

cosc = cosacosb + sin asin bcosγcosa = cosbcosc + sin bsinccosαcosb = cosccosa + sincsin acosβ

Eine Anwendung des Seiten-Cosinus-Satzes ist die Berechnung des sphärischen Abstan-des zwischen zwei Kugelpunkten P ϕP ,λ P( ) und Q ϕQ ,λQ( ), welche durch ihre geogra-phischen Breiten und Längen gegeben sind.

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 3

N

c

x

y

z

P

2− ϕ P

π2 − ϕQ

λQ − λ P

Bogenlänge von P nach Q

Zusammen mit dem Nordpol N erhalten wir ein sphärisches Dreieck NPQ, von dem zweiSeiten, nämlich NP = π

2 − ϕP und NQ = π2 − ϕQ , sowie deren Zwischenwinkel λQ − λ P

gegeben sind, und die gegenüberliegende Seite c = PQ gesucht ist. Der Seiten-Cosinus-Satz liefert:

cosc = cos π2 − ϕQ( )cos π

2 − ϕP( ) + sin π2 − ϕQ( )sin π

2 − ϕP( )cos λQ − λ P( )Wegen cos π

2 − ϕ( ) = sinϕ und sin π2 − ϕ( ) = cosϕ ergibt sich daraus:

cosc = sinϕQ sinϕP + cosϕQ cosϕP cos λQ − λ P( )Die so berechnete Seite c ist dann die Bogenlänge auf der Einheitskugel. Für eine beliebi-ge Kugel muss noch mit dem Kugelradius r multipliziert werden. Somit gilt:

c = r arccos sinϕQ sinϕP + cosϕQ cosϕP cos λQ − λ P( )( )Beispiel: Für den Bogen c mit den Endpunkten P 30°S, 60°W( ), Q 60°N, 60°E( ) er-halten wir:

cosc = sin 60°( )3

2

124 34sin −30°( )

− 12

1 24 34+ cos 60°( )

12

1 24 34cos −30°( )

32

1 24 3460°−(−60°)( )

− 12

1 244 344= − 3

8 3

Somit erhalten wir für c den Winkel

c = arccos − 38 3( ) ≈ 130.5053°≈ 2.2777,

und für den zugehörigen Bogen auf der Erdkugel die Länge 14 500 km.

1. 3 Zusammenhang mit der Trigonometrie des ebenen DreieckesEin sehr kleines sphärisches Dreieck oder ein sphärisches Dreieck auf einer Kugel mitsehr großem Radius ist beinahe eben. In beiden Fällen ist der zu einer Seite gehörendeZentriwinkel mit dem Kugelmittelpunkt als Scheitel sehr klein. Wir überlegen uns nun,was geschieht, wenn die drei Seiten a, b und C des sphärischen Dreieckes sehr klein wer-den.

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 4

Zunächst ist festzuhalten, dass dabei die drei Winkel α, β und γ nicht klein werden.

Die Grundidee unserer Überlegungen beruht darauf, die trigonometrischen Funktionen ineine TAYLOR-Reihe zu entwickeln und höhere Glieder wegzulassen. Für kleine x gilt

cos x ≈ 1 − x2

2 und sin x ≈ x . Damit erhalten wir aus dem Seiten-Cosinus-Satzcosc = cosacosb + sin asin bcosγ die Beziehung:

1 − c2

2 ≈ 1 − a2

2( ) 1 − b2

2( ) + abcosγ

Der Faktor cosγ kann nicht umgeschrieben werden, da der Winkel γ nicht klein wird.Ausmultiplikation ergibt:

1 − c2

2 ≈ 1 − a2

2 − b2

2 + a2

2b2

2 + abcosγ

Der Summand a2

2b2

2 ist vom vierten Grad und kann daher weggelassen werden. Dannfolgt:

c2 ≈ a2 + b2 − 2abcosγDies ist der Cosinus-Satz in der ebenen Trigonometrie.

1. 4 Das PolardreieckFür die Herleitung der weiteren Sätze benötigen wir den Begriff des Polardreiecks unddes Pols.

Die Pole eines Großkreises

Unter den Polen eines Großkreises verstehen wir die beiden Schnittpunkte der Kreisachsemit der Trägerkugel.

Die Namengebung orientiert sich am Spezialfall der Erdkugel; die beiden Pole des Äqua-tors sind der Nordpol und der Südpol.

Dem Schnittwinkel α zweier Großkreise kann ein Polarbogen zugeordnet werden, indemje die "äußeren" Pole der beiden Großkreise durch einen Großkreisbogen a* verbundenwerden.

α

α

α

A

′A

A = ′A

a∗

a∗

Dem Winkel α wird der Polarbogen a* zugeordnet

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 5

Offensichtlich gilt die Beziehung: α + a∗ = π . Nun können wir das Polardreieck definie-ren: Das Polardreieck besteht aus den drei Polarbögen a*, b* und c* der drei Winkel α, βund γ. Das Polardreieck ist also ebenfalls ein sphärisches Dreieck.

A

B

C

αβ

γ a

b

c

M

C*

A*B*

a*

c*

b*

Das Polardreieck A*B*C* des sphärischen Dreieckes A B C

Der Vektor MA∗ →

ist orthogonal zur Ebene des Großkreisbogens a, daher ist dieser Vek-

tor MA∗ →

auch orthogonal zu den beiden Vektoren MB →

und MC →

. Durch zyklische Vertau-schung folgt:

MA∗ →

orthogonal zu MB →

, MC →

MB∗ →

orthogonal zu MC →

, MA →

MC∗ →

orthogonal zu MA →

, MB →

Daraus folgt aber:

MA →

orthogonal zu MB∗ →

, MC∗ →

MB →

orthogonal zu MC∗ →

, MA∗ →

MC →

orthogonal zu MA∗ →

, MB∗ →

Das heißt, dass das Polardreieck des Polardreieckes wieder das ursprüngliche Dreieck ist,so wie das Spiegelbild des Spiegelbildes wieder das ursprüngliche Bild ist.

1. 5 Der Winkel-Cosinus-SatzDa das Polardreieck A*B*C* auch ein sphärisches Dreieck ist, gilt dafür nach dem Sei-ten-Cosinus-Satz:

cosc∗ = cosa∗ cosb∗ + sin a∗ sin b∗ cosγ ∗

Wegen α + a∗ = π , β + b∗ = π und γ + c∗ = π folgt daraus:

cos π − γ( ) = cos π − α( )cos π − β( ) + sin π − α( )sin π − β( )cos π − c( )

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 6

und schließlich:

cosγ = − cosα cosβ + sinα sinβ cosc

Dies ist der Winkel-Cosinus-Satz. Er gilt für das ursprüngliche sphärische Dreieck ABC.Gegenüber dem Seiten-Cosinus-Satz sind die Begriffe "Seiten" und "Winkel" vertauscht,der Satz hat aber bis auf ein Vorzeichen dieselbe Struktur. Durch zyklische Vertauschungergibt sich

Winkel-Cosinus-Satz

cosγ = − cosα cosβ + sinα sinβ cosc

cosα = − cosβ cosγ + sinβ sin γ cosa

cosβ = − cosγ cosα + sin γ sinα cosb

Als Anwendung berechnen wir die Seitenlänge eines regelmäßigen sphärischen Fünfek-kes der folgenden Figur.

Regelmäßige Fünfecke auf der Kugel

Da an jeder Fünfecks-Ecke drei Fünfecke zusammenstoßen, misst ein Innenwinkel 23 π .

Die Innenwinkelsumme beträgt somit 103 π , der sphärische Exzess ist gleich

103 π − 3π = 1

3 π . Dies ist ein Zwölftel der Kugeloberfläche der Einheitskugel; es hat alsogenau zwölf solcher regelmäßiger Fünfecke. Zur Berechnung der Seitenlänge s einessolchen Fünfeckes unterteilen wir dieses vom Mittelpunkt M aus in fünf gleichschenkligesphärische Dreiecke.

A B

C

D

E M

s

2π5

π3

π3

Unterteilung in gleichschenklige Dreiecke

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 7

Diese gleichschenkligen Dreiecke haben Basiswinkel von 13 π (Hälfte des Innenwinkels

von 23 π ), der Winkel an der Spitze misst 2

5 π . Wir haben also hier ein Beispiel einesDreieckes, von dem alle drei Winkel gegeben sind, aber keine Seite. In der Ebene ist die-se Situation nicht möglich, daher gibt es auch keinen dem Winkel-Cosinus-Satz entspre-chenden Satz in der ebenen Trigonometrie. Durch Einsetzen erhalten wir

cos 25 π = − cos π

3 cos π3 + sin π

3 sin π3 coss

Daraus ergibt sich s ≈ 0.7297 ≈ 41.81°.

1. 6 Der Sinus-SatzAus dem Winkel-Cosinus-Satz folgt

cosc = cosγ +cosα cosβsinα sinβ

und daraus

sin2 c = 1 − cos2 c = sin2 α sin2 β −cos2 γ −2cosγ cosα cosβ −cos2 α cos2 βsin2 α sin2 β

und weiter

sin2 csin2 α sin2 β =

= −2cosγ cosα cosβ + 1 − cos2 α( ) 1 − cos2 β( ) − cos2 γ − cos2 α cos2 β

= −2cosγ cosα cosβ + 1 − cos2 α − cos2 β + cos2 α cos2 β − cos2 γ − cos2 α cos2 β= −2cosγ cosα cosβ + 1 − cos2 α − cos2 β − cos2 γ

Die rechte Seite dieser Gleichung ist zyklisch symmetrisch bezüglich der drei Winkel α ,

β und γ. Wir können also links eine zyklische Vertauschung vornehmen, ohne dass sicham Wert des Ausdrucks etwas ändert. Daher ist sin2 csin2 α sin2 β = sin2 asin2 β sin2 γ ,also:

sin2 csin2 γ

= sin2 asin2 α

Da die vorkommenden Seiten und Winkel alle kleiner als π sind, sind alle vorkommendenSinuswerte positiv. Wir können also die Quadrate weglassen und erhalten (mit zyklischerVertauschung) den Sinussatz:

Sinus-Satz

sin a

sinα= sin b

sinβ= sinc

sin γ

1. 7 Weitere Formeln der Sphärischen TrigonometrieIn der sphärischen Trigonometrie gelten weitere Formeln, welche keine Entsprechung inder ebenen Trigonometrie haben. Sie lassen sich aus den bis anhin gefundenen Formelnauf rechnerischem Wege herleiten:

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 8

Cotangens-Satz, erste Gruppe

cot bsinc = cosccosα + sinα cotβcot csin a = cosacosβ + sinβ cot γcot asin b = cosbcosγ + sin γ cot α

Cotangens-Satz, zweite Gruppe

cot bsin a = cosacosγ + sin γ cotβcot csin b = cosbcosα + sinα cot γcot asinc = cosccosβ + sinβ cot α

1. 8 Kombinatorischer AspektIm Unterschied zur ebenen Geometrie sind in der sphärischen Geometrie die sechs Drei-eckselemente a, b, c und α, β, γ völlig unabhängig voneinander. In jeder unserer For-meln kommen vier dieser sechs Elemente vor, das heißt man kann aus dreien das vierte

berechnen. Nun gibt es in einer Menge mit 6 Elementen 6

4

= 15 Möglichkeiten, deren 4

auszuwählen. Tatsächlich werden mit unseren 15 Formeln genau diese 15 Fälle abge-deckt. Im einzelnen sieht das so aus:

a) Es sind drei Seiten und ein Winkel im Spiel.

a

b c

βγ

α

Drei Seiten und ein Winkel

Hier muss der Seiten-Cosinus-Satz verwendet werden:

cosc = cosacosb + sin asin bcosγb) Eine Seite und drei Winkel sind im Spiel.

γa

b c

β

α

Eine Seite und drei Winkel

Hier wird der Winkel-Cosinus-Satz verwendet:

cosα = − cosβ cosγ + sinβ sin γ cosa

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 9

c) Zwei Seiten und deren gegenüberliegende Winkel

γa

b c

β

α

Zwei Seiten und deren gegenüberliegende Winkel

Hier wird der Sinus-Satz benötigt:

sin a

sinα= sin b

sinβd) Zwei Seiten und zwei Winkel, nur ein Paar gegenüberliegender Seite und Winkel

γa

b c

β

α

Zwei Seiten und zwei Winkel

Das ist ein Fall für die Cotangens-Sätze:

cot bsinc = cosccosα + sinα cotβ

1. 9 Rechtwinklige sphärische DreieckeWir untersuchen sphärische Dreiecke mit γ = π

2 .

A

B

C

Rechtwinkliges sphärisches Dreieck

Aus dem Seiten-Cosinus-Satz cosc = cosacosb + sin asin bcosγ erhalten wir:

cosc = cosacosb

Für kleine rechtwinklige Dreiecke heißt das:

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 10

1 − c2

2 ≈ 1 − a2

2( ) 1 − b2

2( ) = 1 − a2

2 − b2

2 + a2

2b2

2

Wenn wir den Summanden a2

2b2

2 , welcher vom vierten Grad ist, weglassen, folgt:

c2 ≈ a2 + b2

Es ist daher berechtigt, von der sphärischen Formel des Pythagoras zu sprechen.

Sphärischer Pythagoras

cosc = cosacosb

PYTHAGORAS 580 - 496 v.Chr.(Chorgestühl im Ulmer Münster von Jörg SYRLIN dem Älteren 1469 - 1474)

Der griechische Philosoph PYTHAGORAS von Samos lebte von 580-496 v.Chr. PY-THAGORAS, der schon bei Lebzeiten eine legendäre Persönlichkeit war, soll ursprünglichals Kaufmann Ägypten, Kleinasien, Persien und Babylonien bereist haben. 529 v.Chr.ging er nach Kroton in Unteritalien, wo er den Bund der Pythagoreer gründete, der sichmit Mathematik, Astronomie und Musik befasste. PYTHAGORAS hat selber keine Schriftenhinterlassen, doch sind uns seine und die Lehren der Mitglieder des Bundes von einigenAnhängern überliefert worden. Grundlagen der pythagoreischen Philosophie ist eineZahlenlehre, die später in eine Zahlenmystik ausartete. Der Name des PYTHAGORAS ist vorallem durch den nach ihm benannten Lehrsatz bis in unsere Zeit lebendig geblieben; dieserwar in seinem Grundgedanken allerdings bereits den alten Babyloniern bekannt.

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 11

1. 10 Zusammenstellung der FormelnSeiten-Cosinus-Satz

cosc = cosacosb + sin asin bcosγcosa = cosbcosc + sin bsinccosαcosb = cosccosa + sincsin acosβ

Winkel-Cosinus-Satz

cosγ = − cosα cosβ + sinα sinβ cosc

cosα = − cosβ cosγ + sinβ sin γ cosa

cosβ = − cosγ cosα + sin γ sinα cosb

Sinus-Satz

sin a

sinα= sin b

sinβ= sinc

sin γCotangens-Satz, erste Gruppe

cot bsinc = cosccosα + sinα cotβcot csin a = cosacosβ + sinβ cot γcot asin b = cosbcosγ + sin γ cot α

Cotangens-Satz, zweite Gruppe

cot bsin a = cosacosγ + sin γ cotβcot csin b = cosbcosα + sinα cot γcot asinc = cosccosβ + sinβ cot α

Sphärischer Pythagoras

cosc = cosacosb

2 Berechnungen

2. 1 Angepasste Koordinaten

2. 1. 1 Polarkoordinaten in der Ebene

P

x1

x2

ϕ

ρ

Polarkoordinaten

Für viele Kreisprobleme sind die „natürlichsten“ Koordinaten die durch

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 12

x1 = ρ cosϕx2 = ρ sinϕ

definierten Polarkoordinaten ρ und ϕ . Dabei ist ρ ∈ 0,∞[ [ und ϕ ∈ 0,2π[ ].

Für ρ = const.= r erhalten wir die übliche Parameterdarstellung des Kreises.

2. 1. 1. 1 Archimedische SpiralenDie archimedische Spirale kann in Polarkoordinaten durch eine lineare Funktion ρ ϕ( )beschrieben werden.

Archimedische Spirale, ρ = 0.1ϕ

A RCHIMEDES, 287 - 212 v. Chr.

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 13

Archimedische Spiralen spielen in der Technik eine wichtige Rolle, zum Beispiel beiAufwickelprozessen.

Archimedische Spirale bei Aufwickelprozess

2. 1. 1. 2 Logarithmische SpiralenEine Exponentialfunktion für ρ ϕ( ) führt zu einer logarithmischen Spirale.

Logarithmische Spirale für ρ = 1.1ϕ

Logarithmische Spiralen kommen in der Natur an vielen Stellen vor.

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 14

Logarithmische Spirale

2. 1. 2 Kugelkoordinaten im Raum

P

x1x2

ϕ

ρ

x3

λ

Kugelkoordinaten

Die Kugelkoordinaten ρ,λ ,ϕ ergeben sich aus

x1 = ρ cosλ cosϕx2 = ρ sin λ cosϕx3 = ρ sinϕ

mit ρ ∈ 0,∞[ [ , λ ∈ 0,2π[ ] und ϕ ∈ − π2 , π

2[ ]. Für ρ = const.= r erhalten wir die üblicheParameterdarstellung der Kugel.

Im folgenden Beispiel ist ρ = 0.2λ + 0.1ϕ , dies ist eine Art Verallgemeinerung der ar-chimedischen Spirale.

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 15

ρ ϕ , λ( ) = 0.1ϕ + 0.2λ

Im folgenden Beispiel ist ρ ϕ,λ( ) = 1.2ϕ + λ , dies ist eine Art Verallgemeinerung der log-arithmischen Spirale.

ρ ϕ , λ( ) = 1.2ϕ + λ

2. 1. 3 Analogie im 4D-RaumWir erhalten in Analogie zu den Kugelkoordinaten die „Hyperkugelkoordinaten“ ρ , α ,β , γ durch

x1 = ρ cosα cosβ cosγx2 = ρ sinα cosβ cosγx3 = ρ sinβ cosγx4 = ρ sin γ

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 16

Dabei ist ρ ∈ 0,∞[ [ , α ∈ 0,2π[ ], β ∈ − π2 , π

2[ ], γ ∈ − π2 , π

2[ ]. Im 4D-Raum haben wirnämlich 16 „Hexadekanten“, da wir vier Koordinaten mit je den zwei Vorzeichen Plusund Minus haben. Der Parameter α bestreicht 4, die beiden Winkel β und γ je zweiHexadekanten. Damit kommen wir auf 4 ⋅ 2 ⋅ 2 = 16 Hexadekanten.

Für ρ = const.= r erhalten wir eine Parameterdarstellung der 4D-Hypersphäre.

Es ist leicht einzusehen, wie die Sache in höhere Dimensionen fortzusetzen ist.

2. 2 InhaltsberechnungenUm den 4D-Inhalt der 4D-Hyperkugel zu berechnen, studieren wir zunächst das Vorge-hen in den uns bekannten Dimensionen 2 und 3.

2. 2. 1 KreisflächeninhaltFür das Flächenelement erhalten wir in Polarkoordinaten: ρ dϕ dρ

ρ dϕ

dϕρ

Flächenelement

Damit ergibt sich für den Flächeninhalt des Kreises:

Flächeninhalt = ρ dρ0

r

0

∫ dϕ = πr2

Das Flächenelement ρ dϕ dρ kann auch analytisch hergeleitet werden. Aus

rx ρ,ϕ( ) =

ρ cosϕρ sinϕ

mit ρ ∈ 0,1[ ] und ϕ ∈ 0,2π[ ]

ergeben sich die partiellen Ableitungen:

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 17

∂rx ρ,ϕ( )

∂ρ =cosϕsinϕ

und

∂rx ρ,ϕ( )

∂ϕ =−ρ sinϕρ cosϕ

Die Vektoren ∂r

x ρ,ϕ( )∂ρ dρ und

∂r

x ρ,ϕ( )∂ϕ dϕ spannen das Flächenelement auf. Für das Flä-

chenelement erhalten wir somit:

Flächenelement = det∂r

x ρ,ϕ( )∂ρ ,

∂rx ρ,ϕ( )

∂ϕ

dρ dϕ = det

cosϕ −ρ sinϕsinϕ ρ cosϕ

dρ dϕ = ρ dρ dϕ

Die Matrix

∂rx ρ,ϕ( )

∂ρ ,∂r

x ρ,ϕ( )∂ϕ

=

cosϕ −ρ sinϕsinϕ ρ cosϕ

heißt Jacobische Matrix. Ihre Determi-

nante, multipliziert mit dρ dϕ , ist das Flächenelement.

Mit Maple sieht die Sache so aus:

> with(linalg):x:=vector([rho*cos(phi),rho*sin(phi)]);

:= x [ ]ρ ( )cos φ ρ ( )sin φ

> Jacobische:=jacobian(x,[rho, phi]);

:= Jacobische

( )cos φ -ρ ( )sin φ( )sin φ ρ ( )cos φ

> Determinante:=simplify(det(Jacobische));

:= Determinante ρ

> Int(Int(Determinante,rho=0..r),phi=0..2*Pi) =int(int(Determinante,rho=0..r),phi=0..2*Pi);

=d⌠⌡

0

2 πd⌠

0

rρ ρ φ r2 π

>

Analog können wir nun in den höheren Dimensionen vorgehen.

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 18

2. 2. 2 KugelinhaltAus

rx ρ,λ ,ϕ( ) =

ρ cosλ cosϕρ sin λ cosϕ

ρ sinϕ

mit ρ ∈ 0,1[ ], λ ∈ 0,2π[ ] , ϕ ∈ − π2 , π

2[ ]

ergibt sich der Kugelinhalt 43 πr3 wie folgt:

> with(linalg):x:=vector([rho*cos(lambda)*cos(phi),rho*sin(lambda)*cos(phi),rho*sin(phi)]);

:= x [ ]ρ ( )cos λ ( )cos φ ρ ( )sin λ ( )cos φ ρ ( )sin φ

> Jacobische:=jacobian(x,[rho, lambda, phi]);

:= Jacobische

( )cos λ ( )cos φ -ρ ( )sin λ ( )cos φ -ρ ( )cos λ ( )sin φ( )sin λ ( )cos φ ρ ( )cos λ ( )cos φ -ρ ( )sin λ ( )sin φ

( )sin φ 0 ρ ( )cos φ

> Determinante:=simplify(det(Jacobische));

:= Determinante ( )cos φ ρ2

> Int(Int(Int(Determinante,rho=0..r),lambda=0..2*Pi), phi=-Pi/2..Pi/2) =int(int(int(Determinante,rho=0..r),lambda=0..2*Pi), phi=-Pi/2..Pi/2);

=d⌠⌡

-12 π

12 π

d⌠⌡

0

2 πd

⌠⌡

0

r

( )cos φ ρ2 ρ λ φ 43 r3 π

2. 2. 3 Inhalt der 4D-HyperkugelAusgehend von der Darstellung

rx ρ,α,β ,γ( ) =

ρ cosα cosβ cosγρ sinα cosβ cosγ

ρ sinβ cosγρ sin γ

ρ ∈ 0,1[ ], α ∈ 0,2π[ ], β ∈ − π2 , π

2[ ], γ ∈ − π2 , π

2[ ]

erhalten wir mit Maple den 4D-Inhalt der 4D Hyperkugel:

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 19

> with(linalg):x:=vector([ rho*cos(alpha)*cos(beta)*cos(gamma),

rho*sin(alpha)*cos(beta)*cos(gamma), rho*sin(beta)*cos(gamma),rho*sin(gamma)]);

:= x [ ]ρ ( )cos α ( )cos β ( )cos γ ρ ( )sin α ( )cos β ( )cos γ ρ ( )sin β ( )cos γ ρ ( )sin γ

> Jacobische:=jacobian(x,[rho, alpha, beta, gamma]);

Jacobische := ( )cos α ( )cos β ( )cos γ -ρ ( )sin α ( )cos β ( )cos γ -ρ ( )cos α ( )sin β ( )cos γ[ , , ,

-ρ ( )cos α ( )cos β ( )sin γ ]( )sin α ( )cos β ( )cos γ ρ ( )cos α ( )cos β ( )cos γ -ρ ( )sin α ( )sin β ( )cos γ[ , , ,

-ρ ( )sin α ( )cos β ( )sin γ ][ , , , ]( )sin β ( )cos γ 0 ρ ( )cos β ( )cos γ -ρ ( )sin β ( )sin γ[ , , , ]( )sin γ 0 0 ρ ( )cos γ

> Determinante:=simplify(det(Jacobische));

:= Determinante ( )cos β ( )cos γ 2 ρ3

> Int(Int(Int(Int(Determinante,rho=0..r),alpha=0..2*Pi), beta=-Pi/2..Pi/2), gamma=-Pi/2..Pi/2)=int(int(int(int(Determinante,rho=0..r),alpha=0..2*Pi), beta=-Pi/2..Pi/2) ,gamma=-Pi/2..Pi/2);

=d⌠⌡

-12 π

12 π

d⌠⌡

-12 π

12 π

d⌠⌡

0

2 πd

⌠⌡

0

r

( )cos β ( )cos γ 2 ρ3 ρ α β γ 12 r4 π2

Die 4D-Hyperkugel hat also den 4D-Inhalt 12 π2r4 . Überraschend ist, dass die Kreiszahl

π quadratisch vorkommt.

2. 2. 4 Allgemeine Formeln für Inhalt und OberflächeMan kann zeigen, dass für den nD-Inhalt der nD-Hyperkugel und den (n – 1)D-Inhalt derzugehörigen Hypersphäre (das ist die „Oberfläche“ der nD-Hyperkugel) die folgendenFormeln gelten:

nD-Inhalt der

nD-Hyperkugel

(n – 1)D-Inhalt der

zugehörigen Hypersphäre

n gerade = 2k 1k! π kr2k 2

k−1( )! π kr2k−1

n ungerade = 2k + 1 22k +1 k!2k+1( )! π kr2k+1 22k +1

2k( )! π kr2k

Da die Fakultäten schneller wachsen als die Potenzen, verschwinden diese Inhalte fürn → ∞ .

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 20

Literatur[Berger 1987.2] Berger, Marcel: Geometry II. New York: Springer 1987. ISBN 0-

387-17015-4

[Bigalke 1984] Bigalke, Hans Günther: Kugelgeometrie. Otto Salle Verlag, Frank-furt am Main 1984. ISBN 3-7935-5530-5

[Gray 1993] Gray, Alfred: Modern Differential Geometry of Curves and Sur-faces. CRC Press, Boca Raton 1993. ISBN 0-8493-7872-9

[Heitzer 1998] Heitzer, Johanna: Spiralen, ein Kapitel phänomenaler Mathematik.Leipzig: Klett 1998. ISBN 3-12-720044-7

[Schröder E 1988] Schröder, Eberhard: Kartenentwürfe der Erde. Teubner Verlag,Leipzig 1988. ISBN 3-322-00479-1

[Schröder EM 1991] Schröder, Eberhard M.: Vorlesungen über Geometrie. Band 1:Möbiussche, elliptische und hyperbolische Ebenen. B.I. Wissen-schaftsverlag, Mannheim 1991. ISBN 3-411-15291-5

Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 21

Anhang: Kreisscheiben