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H Haben Sie heute schon vor ihrem Abfall- trennsystem gestanden und sich gefragt: Gehört die ölige Folie vom Antipasti-Be- cher nun in den gelben Sack oder in den Restmüll? In welchen Behälter gehört die zerbrochene Porzellanschüssel? Und ist dieses Schokoladenpapier jetzt Papier oder Plastik – also ab in die blaue Tonne oder doch lieber in die gelbe? Hauptsa- che ich trenne, denken Sie – Trennen gleich Recycling gleich Gutes tun für die Umwelt – und schließlich sind wir ja Re- cycling-Weltmeister. Nicht jeder setzt sich diesem Stress aus, manche gehen der Entscheidung grüne/braune oder graue, blaue oder gel- be Tonne, Glas- oder Blechcontainer aus dem Weg. Mehr als jeder Dritte trennt seinen Müll mal mehr, mal weniger in- tensiv. Und jeder Vierte hierzulande trennt konsequent Abfall. Dem Statisti- schen Bundesamt zufolge landeten 2015 in Deutschland gut 40 Mio. Tonnen Haushaltsabfälle in Sack, Tonne oder Container – pro Einwohner knapp 490 Kilogramm Müll. Davon wurden 91 Pro- zent verwertet, 67 Prozent stofflich, wie das im Fachjargon heißt. Das ist der Eu- ropäischen Umweltagentur zufolge Re- kord in Europa. Nicht wenige zweifeln die hohe Recyc- ling-Quote an, bezeichnen sie gar als „Quotenzauber“. „Wir trennen vorbild- lich in allen Bereichen, aber die Quoten, die erreichen wir nur durch statistische Tricks“, sagt Thomas Obermeier. Auf Ba- sis eigener Berechnungen geht der Ehren- vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Abfallwirtschaft (DGAW) davon aus, dass nur 36 bis 40 Prozent des Hausmülls tatsächlich stofflich recycelt werden. Die höheren Werte kämen zustande, weil of- fiziell „input-orientiert“ gerechnet werde. Das heißt: Alles, was in einer Sortieranla- ge aufs Band gekippt wird, gilt als recy- celt. Auch das Material, mit dem sich nichts anfangen lässt und das im Nachhi- nein nur verbrannt wird. „Wir müssen ehrlicher sein“, fordert Obermeier. Denn in der Praxis seien die Verluste, abhängig von der Abfallart, teilweise immens. Das Recycling von Altpapier und Alt- glas klappt gut, beide Materialien sind Wirtschaftsgüter. „Die Industrie greift gern auf günstigere Recyclingfasern oder Altglasscherben für Neuprodukte zu- rück“, sagt Henning Wilts, Leiter des Ge- schäftsfelds Kreislaufwirtschaft beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Was auch daran liege, dass die Ausgangsstoffe sortenrein erfasst wer- den. „Die Leute sind seit den 1970er-Jah- ren daran gewöhnt, Papier, Pappe und Karton zu sammeln, und sie wissen, was mit Altglas zu tun ist.“ Statistisch gesehen werden 89 Pro- zent der Behältergläser recycelt. Altglas- recycler klagen immer mal wieder über Leuchtstoffröhren, Bleikristallglas, Fens- terglas oder Keramik auf ihren Sortier- bändern. Eine Tonne Altglas darf jedoch nicht mehr als 25 Gramm davon enthal- ten, sonst ist die Charge verloren. Blaues und rotes Glas gehört in den Container für Grünglas. Denn grundsätzlich ist für die Produktion von Grünglas ein Fehlfar- benanteil von bis zu 15 Prozent tragbar, während für weißes Behälterglas fast ausschließlich weiße Scherben einge- setzt werden können. Bei Papier beträgt die Recyclingquote 87 Prozent. Proble- me bereiten folienbeschichtete Kartona- gen oder solche mit Klebstoffresten und anderen Verschmutzungen. Zudem wer- den Papierfasern mit jedem Recycling- durchgang kürzer, so dass die reale Quo- te 70 bis 80 Prozent betragen dürfte. Noch ein wenig besser funktioniert das Recycling von Dosen aus Weißblech oder Aluminium. Hier liegt die Quote laut Statistik bei 93 Prozent. „Für die Hersteller sind Metalle sehr wertvoll. Nehmen Sie Aluminium: Der Energiever- brauch bei der Produktion ist um den Faktor 20 niedriger, wenn sie recyceltes Aluminium anstatt Primärmaterial ein- setzen“, erklärt Henning Wilts. Aller- dings landet der Blechzylinder nicht im- mer im Pfandautomaten, sondern oft auch im Restmüll oder im gelben Sack. Fehlwürfe – doch in diesem Fall sind sie folgenlos. Aufgrund des Wertes wird Me- tall per Magnetabscheider aus dem Rest- müll oder gelben Säcken geholt. Selbst nach der Verbrennung können eisenhal- tige und nicht eisenhaltige Stoffe noch von der Schlacke separiert werden. „Sie bekommen das Material zwar hygieni- siert heraus, gleichwohl ist der Sortier- aufwand höher als das Material getrennt zu erfassen“, sagt Joachim Wuttke, Lei- ter des Fachgebiets Kommunale Abfall- wirtschaft beim Umweltbundesamt. Gemischt fällt die Bilanz bei Bioabfäl- len aus. Zwar zeigen die Deutschen gro- ße Bereitschaft Bioabfälle zu sammeln – offiziell sind das jährlich rund 4,2 Millio- nen Tonnen, also rund 52 Kilogramm pro Einwohner –, aber vier bis fünf Millionen Tonnen landen nach wie vor im Rest- müll. Das Material selbst wird zu 59 Pro- zent wiederverwertet. Störstoffe sind Plastikbeutel in der Biotonne, die auf- wendig aussortiert werden müssen. Nicht selten mindern kleine Kunststoff- partikel Qualität und Güteklasse des Kompostes. Problematisch sind auch größere Mengen Kunststoffverpackun- gen, Dosen, Flaschen, Gläser, Blumen- töpfe, Windeln, Zigarettenkippen, Asche oder Staubsaugerbeutel. Das Sorgenkind der Entsorgungsbran- che sind Kunststoffverpackungen. Pro Jahr schmeißen die Deutschen laut Statis- tik knapp sechs Millionen Tonnen in den gelben Sack, die gelbe Tonne oder brin- gen sie zum Kunststoffcontainer. Jeder Deutsche sammelt also etwa 73 Kilo- gramm Plastik. Rund die Hälfte des Mate- rials wird offiziell recycelt, die andere Hälfte verbrannt. Allerdings steht die Fra- ge, wie die zehn Dualen Systeme recy- celn, schon seit Längerem im Raum. „Im Durchschnitt sind ein Drittel bis ein Vier- tel des Inhalts der gelben Tonne Fehlwür- fe. Da finden Sie alles: Küchenabfälle, Fo- lien, kleine Elektrogeräte, gebrauchte Einwegwindeln“, sagt Henning Wilts. „Stofflich recyceln die Entsorgungsun- ternehmen das, was einfach zu sortieren ist und sich wirtschaftlich lohnt“, erläu- tert Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirt- schaft bei der Deutschen Umwelthilfe. Um die bisherige gesetzliche Recycling- quote für Kunststoffverpackungen von 36 Prozent zu erfüllen, reiche es aus, die werthaltigen Stoffe aus der Sammlung herauszuholen. Kompliziertere Verpa- ckungen landeten bis heute einfach in der Verbrennung. Andere Experten schätzen die tatsächliche Verwertungsquote auf nur 20 oder 30 Prozent. Der Rest wird zwar als recycelt gezählt. In der Praxis gehen aber gerade Misch- kunststoffe und Sortierreste – Plastikteile unter 40 Millimeter oder Folien – direkt in Müllverbrennungsanlagen oder Ze- mentwerke. Dort werden sie als alternati- ver Brennstoff „thermisch verwertet“, wie das in der Branche heißt. Ein Teil wurde bis vor Kurzem auch nach China verschifft. „China will Qualität und Struktur in seine Recyclingwirtschaft bringen und hat in diesem Jahr Import- verbote für minderes Material angekün- digt“, so Joachim Wuttke vom Umwelt- bundesamt. China könnte künftig also nur noch Kunststoff mit geringen Verun- reinigungen, etwa Polyethylenterephtalat (PET) in Form von Flaschen, als Basis für Industrietextilien abnehmen, glaubt er. Können wir uns wirklich länger Recyc- ling-Weltmeister nennen? „Deutschland hat nach wie vor die beste Sammel-Infra- struktur der Welt, unsere Maschinen- und Umwelttechnik ist weltweit gefragt. Aber was die Rückgewinnung angeht, machen wir nicht das Meiste aus dem Abfall“, antwortet Henning Wilts. Aus Sicht von Bernd Bilitewski, Professor für Abfallwirtschaft an der Technischen Uni- versität Dresden, hört sich Recycling- Weltmeister lediglich für den Verbrau- cher gut an. Aber: „Wir sind schon lange kein Recycling-Weltmeister mehr; viel- leicht waren wir vor 20 Jahren mal gut“. In Europa zählt Deutschland mit sei- ner Recyclingquote zur Spitzengruppe, gemeinsam mit der Schweiz, den Nie- derlanden und Österreich. „Ein echter Vergleich innerhalb Europas ist auf- grund der verschiedenen Berechnungs- grundlagen schwierig. Man kann sagen, in Sachen Recycling gibt es ein Nord- Süd- und ein Ost-West-Gefälle“, betont Wuttke. Die Verantwortlichen in Brüssel sind dabei, das zu ändern. Im Rahmen eines neuen EU-Kreislaufwirtschaftspakets wird aktuell diskutiert, die Recycling- quote auf Basis der Materialmenge zu berechnen, die in den finalen Recycling- prozess mündet. Für Sortieranlagen hie- ße das: Das Material, das tatsächlich ins Recycling wandert, ist entscheidend. Gleichzeitig dürfen weniger als zehn Prozent des Materials deponiert oder verbrannt werden. „Nach der neuen EU- Berechnungsmethode würde Deutsch- land seine Haushaltsabfälle zu rund 47 bis 52 Prozent recyceln und damit die ge- planten Quotenvorgaben knapp oder gar nicht erfüllen“, sagt Thomas Obermeier. Zur Debatte steht eine Quote von 50 oder 60 Prozent ab 2025. Ab 2030 sollen dann 60, 65 oder 70 Prozent der Abfälle recycelt werden. Deutschland will aber laut DGAW-Ehrenpräsident an einer in- put-orientierten Quote festhalten. T Inhalte dieser Beilage unter: www.welt.de/energie GETTY IMAGES/TOKIFUMI HAYAMIZU Für die TONNE Als erstes Land führte Deutschland ein System zum Recycling von Verpackungen ein, heute verteilen wir Müll auf allerlei farbige Behälter. Doch den Titel des Recycling-Weltmeisters führen wir zu Unrecht. Kritiker sprechen von „Quotenzauber“ und geschönten Statistiken VON BERND SCHLUPECK EIN ECHTER VERGLEICH INNERHALB EUROPAS IST KAUM MÖGLICH SONNTAG, 1. OKTOBER 2017 NACHHALTIGKEIT Energie-Projekte Deutschland geht mit Frankreich in ein Duell Seite 3 SONDERAUSGABE ENERGIE & EFFIZIENZ Speichertechnik Batterie-Systeme stehen vor dem Praxistest Seite 4 ANZEIGE

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HHaben Sie heute schon vor ihrem Abfall-trennsystem gestanden und sich gefragt:Gehört die ölige Folie vom Antipasti-Be-cher nun in den gelben Sack oder in denRestmüll? In welchen Behälter gehört diezerbrochene Porzellanschüssel? Und istdieses Schokoladenpapier jetzt Papieroder Plastik – also ab in die blaue Tonneoder doch lieber in die gelbe? Hauptsa-che ich trenne, denken Sie – Trennengleich Recycling gleich Gutes tun für dieUmwelt – und schließlich sind wir ja Re-cycling-Weltmeister.

Nicht jeder setzt sich diesem Stressaus, manche gehen der Entscheidunggrüne/braune oder graue, blaue oder gel-be Tonne, Glas- oder Blechcontainer ausdem Weg. Mehr als jeder Dritte trenntseinen Müll mal mehr, mal weniger in-tensiv. Und jeder Vierte hierzulandetrennt konsequent Abfall. Dem Statisti-schen Bundesamt zufolge landeten 2015in Deutschland gut 40 Mio. TonnenHaushaltsabfälle in Sack, Tonne oderContainer – pro Einwohner knapp 490Kilogramm Müll. Davon wurden 91 Pro-zent verwertet, 67 Prozent stofflich, wiedas im Fachjargon heißt. Das ist der Eu-ropäischen Umweltagentur zufolge Re-kord in Europa.

Nicht wenige zweifeln die hohe Recyc-ling-Quote an, bezeichnen sie gar als„Quotenzauber“. „Wir trennen vorbild-lich in allen Bereichen, aber die Quoten,die erreichen wir nur durch statistischeTricks“, sagt Thomas Obermeier. Auf Ba-sis eigener Berechnungen geht der Ehren-vorsitzende der Deutschen Gesellschaftfür Abfallwirtschaft (DGAW) davon aus,dass nur 36 bis 40 Prozent des Hausmüllstatsächlich stofflich recycelt werden. Diehöheren Werte kämen zustande, weil of-fiziell „input-orientiert“ gerechnet werde.Das heißt: Alles, was in einer Sortieranla-ge aufs Band gekippt wird, gilt als recy-celt. Auch das Material, mit dem sichnichts anfangen lässt und das im Nachhi-nein nur verbrannt wird. „Wir müssenehrlicher sein“, fordert Obermeier. Dennin der Praxis seien die Verluste, abhängigvon der Abfallart, teilweise immens.

Das Recycling von Altpapier und Alt-glas klappt gut, beide Materialien sindWirtschaftsgüter. „Die Industrie greiftgern auf günstigere Recyclingfasern oderAltglasscherben für Neuprodukte zu-rück“, sagt Henning Wilts, Leiter des Ge-schäftsfelds Kreislaufwirtschaft beimWuppertal Institut für Klima, Umwelt,Energie. Was auch daran liege, dass die

Ausgangsstoffe sortenrein erfasst wer-den. „Die Leute sind seit den 1970er-Jah-ren daran gewöhnt, Papier, Pappe undKarton zu sammeln, und sie wissen, wasmit Altglas zu tun ist.“

Statistisch gesehen werden 89 Pro-zent der Behältergläser recycelt. Altglas-recycler klagen immer mal wieder überLeuchtstoffröhren, Bleikristallglas, Fens-terglas oder Keramik auf ihren Sortier-bändern. Eine Tonne Altglas darf jedochnicht mehr als 25 Gramm davon enthal-ten, sonst ist die Charge verloren. Blauesund rotes Glas gehört in den Containerfür Grünglas. Denn grundsätzlich ist fürdie Produktion von Grünglas ein Fehlfar-benanteil von bis zu 15 Prozent tragbar,während für weißes Behälterglas fastausschließlich weiße Scherben einge-setzt werden können. Bei Papier beträgtdie Recyclingquote 87 Prozent. Proble-me bereiten folienbeschichtete Kartona-gen oder solche mit Klebstoffresten undanderen Verschmutzungen. Zudem wer-den Papierfasern mit jedem Recycling-durchgang kürzer, so dass die reale Quo-te 70 bis 80 Prozent betragen dürfte.

Noch ein wenig besser funktioniertdas Recycling von Dosen aus Weißblechoder Aluminium. Hier liegt die Quotelaut Statistik bei 93 Prozent. „Für dieHersteller sind Metalle sehr wertvoll.Nehmen Sie Aluminium: Der Energiever-brauch bei der Produktion ist um denFaktor 20 niedriger, wenn sie recyceltesAluminium anstatt Primärmaterial ein-setzen“, erklärt Henning Wilts. Aller-dings landet der Blechzylinder nicht im-mer im Pfandautomaten, sondern oftauch im Restmüll oder im gelben Sack.Fehlwürfe – doch in diesem Fall sind siefolgenlos. Aufgrund des Wertes wird Me-tall per Magnetabscheider aus dem Rest-

müll oder gelben Säcken geholt. Selbstnach der Verbrennung können eisenhal-tige und nicht eisenhaltige Stoffe nochvon der Schlacke separiert werden. „Siebekommen das Material zwar hygieni-siert heraus, gleichwohl ist der Sortier-aufwand höher als das Material getrenntzu erfassen“, sagt Joachim Wuttke, Lei-ter des Fachgebiets Kommunale Abfall-wirtschaft beim Umweltbundesamt.

Gemischt fällt die Bilanz bei Bioabfäl-len aus. Zwar zeigen die Deutschen gro-ße Bereitschaft Bioabfälle zu sammeln –offiziell sind das jährlich rund 4,2 Millio-nen Tonnen, also rund 52 Kilogramm proEinwohner –, aber vier bis fünf MillionenTonnen landen nach wie vor im Rest-müll. Das Material selbst wird zu 59 Pro-zent wiederverwertet. Störstoffe sindPlastikbeutel in der Biotonne, die auf-wendig aussortiert werden müssen.Nicht selten mindern kleine Kunststoff-

partikel Qualität und Güteklasse desKompostes. Problematisch sind auchgrößere Mengen Kunststoffverpackun-gen, Dosen, Flaschen, Gläser, Blumen-töpfe, Windeln, Zigarettenkippen, Ascheoder Staubsaugerbeutel.

Das Sorgenkind der Entsorgungsbran-che sind Kunststoffverpackungen. ProJahr schmeißen die Deutschen laut Statis-tik knapp sechs Millionen Tonnen in dengelben Sack, die gelbe Tonne oder brin-gen sie zum Kunststoffcontainer. JederDeutsche sammelt also etwa 73 Kilo-gramm Plastik. Rund die Hälfte des Mate-rials wird offiziell recycelt, die andereHälfte verbrannt. Allerdings steht die Fra-ge, wie die zehn Dualen Systeme recy-celn, schon seit Längerem im Raum. „ImDurchschnitt sind ein Drittel bis ein Vier-tel des Inhalts der gelben Tonne Fehlwür-fe. Da finden Sie alles: Küchenabfälle, Fo-lien, kleine Elektrogeräte, gebrauchteEinwegwindeln“, sagt Henning Wilts.

„Stofflich recyceln die Entsorgungsun-ternehmen das, was einfach zu sortierenist und sich wirtschaftlich lohnt“, erläu-tert Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirt-schaft bei der Deutschen Umwelthilfe.Um die bisherige gesetzliche Recycling-quote für Kunststoffverpackungen von 36Prozent zu erfüllen, reiche es aus, diewerthaltigen Stoffe aus der Sammlungherauszuholen. Kompliziertere Verpa-ckungen landeten bis heute einfach in derVerbrennung. Andere Experten schätzendie tatsächliche Verwertungsquote aufnur 20 oder 30 Prozent.

Der Rest wird zwar als recycelt gezählt.In der Praxis gehen aber gerade Misch-kunststoffe und Sortierreste – Plastikteileunter 40 Millimeter oder Folien – direktin Müllverbrennungsanlagen oder Ze-mentwerke. Dort werden sie als alternati-ver Brennstoff „thermisch verwertet“,wie das in der Branche heißt. Ein Teilwurde bis vor Kurzem auch nach Chinaverschifft. „China will Qualität undStruktur in seine Recyclingwirtschaftbringen und hat in diesem Jahr Import-verbote für minderes Material angekün-digt“, so Joachim Wuttke vom Umwelt-bundesamt. China könnte künftig alsonur noch Kunststoff mit geringen Verun-reinigungen, etwa Polyethylenterephtalat(PET) in Form von Flaschen, als Basis fürIndustrietextilien abnehmen, glaubt er.

Können wir uns wirklich länger Recyc-ling-Weltmeister nennen? „Deutschlandhat nach wie vor die beste Sammel-Infra-struktur der Welt, unsere Maschinen-und Umwelttechnik ist weltweit gefragt.Aber was die Rückgewinnung angeht,machen wir nicht das Meiste aus demAbfall“, antwortet Henning Wilts. AusSicht von Bernd Bilitewski, Professor fürAbfallwirtschaft an der Technischen Uni-versität Dresden, hört sich Recycling-Weltmeister lediglich für den Verbrau-cher gut an. Aber: „Wir sind schon langekein Recycling-Weltmeister mehr; viel-leicht waren wir vor 20 Jahren mal gut“.

In Europa zählt Deutschland mit sei-ner Recyclingquote zur Spitzengruppe,gemeinsam mit der Schweiz, den Nie-derlanden und Österreich. „Ein echterVergleich innerhalb Europas ist auf-grund der verschiedenen Berechnungs-

grundlagen schwierig. Man kann sagen,in Sachen Recycling gibt es ein Nord-Süd- und ein Ost-West-Gefälle“, betontWuttke.

Die Verantwortlichen in Brüssel sinddabei, das zu ändern. Im Rahmen einesneuen EU-Kreislaufwirtschaftspaketswird aktuell diskutiert, die Recycling-quote auf Basis der Materialmenge zuberechnen, die in den finalen Recycling-

prozess mündet. Für Sortieranlagen hie-ße das: Das Material, das tatsächlich insRecycling wandert, ist entscheidend.Gleichzeitig dürfen weniger als zehnProzent des Materials deponiert oderverbrannt werden. „Nach der neuen EU-Berechnungsmethode würde Deutsch-land seine Haushaltsabfälle zu rund 47bis 52 Prozent recyceln und damit die ge-planten Quotenvorgaben knapp oder gar

nicht erfüllen“, sagt Thomas Obermeier.Zur Debatte steht eine Quote von 50oder 60 Prozent ab 2025. Ab 2030 sollendann 60, 65 oder 70 Prozent der Abfällerecycelt werden. Deutschland will aberlaut DGAW-Ehrenpräsident an einer in-put-orientierten Quote festhalten.

T Inhalte dieser Beilage unter:www.welt.de/energie

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Für die TONNEAls erstes Land führte Deutschland ein System zumRecycling von Verpackungen ein, heute verteilen wir Müll auf allerlei farbige Behälter. Doch den Titel desRecycling-Weltmeisters führen wir zu Unrecht. Kritikersprechen von „Quotenzauber“ und geschönten Statistiken

VON BERND SCHLUPECK

EIN ECHTERVERGLEICHINNERHALBEUROPAS IST KAUM MÖGLICH

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