röntgenauslösung von chromosomenmutationen bei drosophila melanogaster ii

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(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut fiir Biologic, Berhn-Dahlem.) RONTGENAUSLOSUNG VON CHltOMOSOMENMUTATIONEN BEI DROSOPHILA MELANOGASTER II. DIE I~4UFIGKEIT DES PRIM~tCEN BRUCtIEREIGNISSES NACtt UXTERSUCHUNGEN AM REkxG-X-CHROMOSOM 1. Von HANS BAUER. Mit 8 Textabbildungen. (Einge41angen am 5. O]ctober 19g2.) Inhaltsiibersicht. Seitc L Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 II. Die Bestimmung der Bruchh~ufigkeit aus der Beeinflussung des Ge- schlechtsverh~ltnisses in der F 1. . . . . . . . . . . . . . . . . 408 A. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4:08 B. Versuche mit dem X+-Chromosom . . . . . . . . . . . . . . . 4:10 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 2. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 C. Versuche mit dem X c -Chromosom . . . . . . . . . . . . . . . 4:14 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4:14: 2. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 a) Die Dosisabh~ngigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4:19 b) Allgemeine Ableitung der iiberkrihnmten Kurve ...... 421 c) Das Schicksal der Zygoten mit bizentrischen Doppelringen . 425 d) Die Bruchh~ufigkeit . . . . . . . . . . . . ...... 429 e) Die Bruchhaufigkeit unter abgeAnderten Bestrahlungsbedin: gungen . . . . . . . . . . . . . . . . . ....... 433 ]lI. DieEntstehtmg derChromosomenmutationenimLichte der neuenBefunde 434 1. Die Dosisabh~ngigkeit der Mehr-Bruch-Rekombinationen .... 434: 2. Die Dosisabh~ngigkeit des Einzelbruches ........... 442 3. Die Natur des prim~ren Bruchereignisses und andere offene Ffagen 448 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 Schrfftenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 I. Einleitung. Die erste Mitteilung (BAUER 1939a) hatte neben anderem die H~tufig- keit fiberlebender Chromosomenmutationcn zum Gegenstand und brachte das Ergebnis, dab diese ais Mehrtrefferereignisse anzusehen sind. Sie entstehen dutch Rekombination zwischen Einzelbriichen, fiir die eine direkte DosisproportionalitKt anzunehmen war. In der vorliegenden Arbeit soll aus der Untersuchung des quantitativen Auftretens bestimmter zygotisch ]etaler Chromosomenmutationen das prim~ire Bruchereignis in seiner Dosisbeziehung n~her gekl~rt werden. Wesentlich ffir diese 1 Mit Untersttitzung dutch den Reichsforschungsrat durchgefiihrt.

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Page 1: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut fiir Biologic, Berhn-Dahlem.)

RONTGENAUSLOSUNG VON CHltOMOSOMENMUTATIONEN BEI DROSOPHILA MELANOGASTER II.

DIE I ~ 4 U F I G K E I T DES PRIM~tCEN B R U C t I E R E I G N I S S E S NACtt U X T E R S U C H U N G E N AM REkxG-X-CHROMOSOM 1.

Von

HANS BAUER.

Mit 8 Textabbildungen.

(Einge41angen am 5. O]ctober 19g2.)

Inhaltsiibersicht. Seitc

L Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 II . Die Bestimmung der Bruchh~ufigkeit aus der Beeinflussung des Ge-

schlechtsverh~ltnisses in der F 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 A. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4:08 B. Versuche mit dem X+-Chromosom . . . . . . . . . . . . . . . 4:10

1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 2. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413

C. Versuche mit dem X c -Chromosom . . . . . . . . . . . . . . . 4:14 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4:14: 2. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419

a) Die Dosisabh~ngigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4:19 b) Allgemeine Ableitung der iiberkrihnmten Kurve . . . . . . 421 c) Das Schicksal der Zygoten mit bizentrischen Doppelringen . 425 d) Die Bruchh~ufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 e) Die Bruchhaufigkeit unter abgeAnderten Bestrahlungsbedin:

g u n g e n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 ] l I . DieEntstehtmg derChromosomenmutationenimLichte der neuenBefunde 434

1. Die Dosisabh~ngigkeit der Mehr-Bruch-Rekombinationen . . . . 434: 2. Die Dosisabh~ngigkeit des Einzelbruches . . . . . . . . . . . 442 3. Die Natur des prim~ren Bruchereignisses und andere offene Ffagen 448

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 Schrfftenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456

I. Einleitung. Die erste Mitteilung (BAUER 1939a) hatte neben anderem die H~tufig-

keit fiberlebender Chromosomenmutationcn zum Gegenstand und brachte das Ergebn i s , dab diese ais Mehr t r e f fe re re ign i s se a n z u s e h e n sind. Sie

e n t s t e h e n d u t c h R e k o m b i n a t i o n zwi schen E inze lb r i i chen , fiir die e ine d i r ek t e Dos i sp ropor t i ona l i tK t a n z u n e h m e n war . I n der v o r l i e g e n d e n A r b e i t soll aus der U n t e r s u c h u n g des q u a n t i t a t i v e n A u f t r e t e n s b e s t i m m t e r

z y g o t i s c h ] e t a l e r C h r o m o s o m e n m u t a t i o n e n das prim~ire B r u c h e r e i g n i s in se iner D o s i s b e z i e h u n g n~her gek l~r t werden . W e s e n t l i c h ffir diese

1 Mit Untersttitzung dutch den Reichsforschungsrat durchgefiihrt.

Page 2: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

408 Hans Bauer: R6ntgenauslSsung van Chromosomenmutationen

Untersuchung ist die Verwendung des ringfSrmigen X-Chromosoms in den Experimenten.

Ringchromosomen sind in der letzten Zeit gelegentlich beschrieben warden. Ihr Verhalten ist abet nut in zwei Arbeiten genauer analysiert warden. Bei Drosophila, melanogaster hat L. V. MO;aGA~r (1933) das erste ringf5rmige X-Chromosom van einem in attached-X-Kreuzungen auf- getretenen Ausnahme- 9 erhalten und es in seinem meiotischen Verhalten eingehend untersucht. Kennzeichnend ist, dab Austauschchromatiden mit ungerader Anzahl van Austauschorten (Einfach-, Dreifachaustausch- Chromatiden) nicht zu erhalten sind. Die Ursache hierffir liegt darin, dal] durch solchen ungeradzahligen Austausch die zwei beteiligten Chromatiden - - genau wie im Modell der ~r -- sich zu einem kontinuierlichen, doppelt so groBen Ringchromosom mit zwei Spindel- ansgtzen (hier kurz als bizentrischer I)oppelring bezeichnet) vereinigen. Dieses wird in den Reifeteilungen eliminiert, so dab die 9-Vorkerne nur Nicht-, Zwei- und Vierfachaustausch-Chromatiden erhalten kSnnen oder ohne X bleiben. Im letzten Fall treten nach Befruchtung mit X- Spermien sterile patrokline XO-c7c~ auf.

Bei Zea maya hat McCLINTOCK (1938) das mitotische Verhalten ver- schiedener Ringchromosomen untersucht. Auch hier treten spontan bizentrische Doppelringe auf, und zwar um so h~ufiger, je grSBer das Ringchromosom ist. Diese' werden nicht immer eliminiert, sondern kSnnen in der Telophase bei der Ausbildung der neuen Zellquerwand durchgeteilt werden; dieses geschieht besonders hgufig bei den gr5Bten Ringchromosomen. Die beiden Ringhglften ergeben wieder geschlossene Ringe in der ngchsten Teilung.

Ffir Mutationsversuche sind Ringchromosomen bisher nur gelegent- lieh herangezogen warden (CATCHESIDE, 1938, MULLER, MAKKI und SIDKY, 1939, MULLER, 1940). Auf die Ergebnisse, soweit sie in dem hier be- handelten Zusammenhang wichtig sind, wird unten eingegangen werden.

Die vorliegende Untersuchung beruht methodisch auf der Fest- stellung der Ab~nderung des Geschlechtsverhi~ltnisses der F I nach Be- strahlung der P-~3 , aus der auf die unterschiedtiche Mutabilit~t in X- und u geschlossen werden kann. f3ber Methode und Ergeb- nisse sind vorls Mitteilungen bereits verSffentlicht warden (BAUER und WESCHE:NFELDER, 1938; BAUER, 1939b).

I1. Die Bestimmung der Bruchh~iuiigkeit aus der Beeinflussung des Geschlechtsverh~iltnisses in der F1.

A. Gang der Untersuehung. Es wurden ~ im Alter van 1--3 Tagen bestrahtt und danach mit

ebenso alten ~ 9 ffir 2 Tage in RShrchen belassen. Die ? ? wurden dann in 3 Passagen van 3, 2 und 4 Tagen zur Eiablage in Flaschen gebracht.

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bei Drosololfila melanogaster II. 409

Alle Versuche wurden in Massenkulturen durchgeffihrt, wobei an- gestrebt ~valrde, durch mit der t~Sntgendosis steigende Anzahl der P- Tiere anni~hernd gleiche ]~esiedlungsdichte in allen Flaschen zu erzielen. ~be r die verwendeten Genotypen gibt der experimentelle Teil Ausknnft.

Bei der Ausz~hlung der F I wurden alle Gsmandromorphen und lViosaiks, selbst kleinste, die nicht sehr seiten sind, sowie alle Duplikations-g~7 als ? ~ gezithlt, da sie sich alle nachweislich yon XX-Zygoten ableiten.

Die Bestrahlung wurde unter den folgenden Bedingungen vorge- nommen: 115 kV, 10 mA, 1 m m Aluminiumfilter, Intensit~t 107 r/rain. 1N~ur bei den niedrigsten Dosen (75, 150, 375 r) kam eine geringere In- tensit~t zur Anwendung (39 r/min).

Die X%Versuehe wurden in 2 Gruppen durehgefiihrt, die erste, welche die Dosen yon 250--6000 r umfa] te , in den Wintermonaten 1938 bis 1939, die zweite mit Zwischendosen yon 75--3500 r i m Frtihjahr und Sommer 1939L Da wegen der groi3en Zahl gleiehzeitig laufender Kul- turen in Zimmertemperatur gearbeitet werden mul~te, unterseheiden sieh die Versuchsgruppen in den bei ihnen herrsehenden AuBenbedin- gungen; bei der ersten betrug das Temperaturmit te l etwa 19 ~ bei der zweiten etwa 23--24 ~ Beide Gruppen unterseheiden sieh welter in der Besiedlungsdichte der Kulturen; fiber die Anzahl der P - $ $ (die der d g war jeweils etwas h6her) und die durehsehnittliehe Anzahl der l~l-Fliegen in je 3 Folgekulturen sind die Angaben in Tabelle 1 zusammengefal]t.

Tabelle 1. Mitt lere Anzahl der P-99 und der F1-Fl iegenin je 3 Folge- kulturen.

1. u 2. V e r s u c h s g r u p p e

Dosis P- 2 ~ F1-Fliegen Dosis P- 2 ~ F~-Fl iegen

0 250 500 750

1000 1250 1500 1750 2000 2500 3000 4000 5000 6000

8 8,4 8

10 12 15 20 23 25 30 30 40 70

100

539,5 691,0 538,4 724,7 641,1 879,6 963,7

1012,8 942,5

1031,2 799,6 544,7 607,2 462,7

0 75

150 375 625 875

1125 1375 1625 1875 2250 3500

10,3 11 11 11 10,5 13,5 16,5 21,8 26,4 29,4 33,6 35

871,8 1045,6 1050,7 1056,2 g74,0

1107,0 1292,8 1456,7 1542,0 1414,9 1465,1 684,3

Aus ihr geht hervor, dab im mittleren Bereich yon etwa 1000--3000 r die Anzahl der P -9 ~ zu hoeh war, wenn auch im ganzen die Unter- schiede der Fi-Anza.hlen das Verhgltnis 1 : 2 nieht tiberschreiten. Im

i Meinem ftiiheren Mitarbeiter Dr. WESCHEXFF~L1)Ea bin ich ttir die Durch- ftihrung der umfangreichen Kulturen und Zi~hlungen zu Dank verpfliehtet.

( ' ln 'onm~oma. 2. Bd.. 27

Page 4: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

410 Hans Bauer: RSntgenauslSsung yon Chromosomenmutationen

Mittel sehliipften nieht mehr als hSchstens etwas fiber 500 Fliegen je Flasehe; da dem Fut ter in allen Versuchen Hefe beigekocht war und unter diesen Ern~hrungsbedingungen fiber 2000 normalgroBe Fliegen aus einer Flasche aufgezogen werden kSnnen, ist der EinfluB der unterschiedlichen BevSlkerungsdichte als nur gering anzusehen.

B. u mit dem X+-Chromosom 1.

1. Voraussetzungen. In m~nnlichen Gameten kSnnen durch Bestrahlung die folgenden

Abs ausgelSst werden: nichtgenomatische Schs (Plasma, Centrosom?), Genmutationen und Chromosomenmutationen.

Unterschiede zwischen X- und Y-Spermien und damit zwischen den XX- und XY-Zygoten sind nur durch Gen- und Chromosomenmuta- tionen mSglich. Von den verschiedenen Arten der Genmutationen wiederum kann eine Verschiebung des Geschlechtsverh~ltnisses nur durch dominante Letal/aktoren (L-Faktoren) bewirkt werden. Obwohl diese vielfach zur Erkl/~rung der Eisterblichkeit herangezogen worden sind, ist ihr Auftreten doch bisher noch nie wirklich nachgewiesen worden 2. Als Ursache ffir eine unterschiedliche Mutationsh/iufigkeit in X- und Y-Spermien kann - - das Vorkommen dieser L-Faktoren vorausgesetzt - - ihre Beschr/inkung auf euchromatische Chromosomenabschnitte an- genommen werden. Sie wiirden dann nie im u auftreten, praktisch auch dann nicht, wenn man mit N]~vmtvs (1939) die/s Enden des Y-Chromosoms als euchromatisch ansieht, da diese so kurz sind, dab sie gegenfiber der Masse des X-Euchromatins vernachl/~ssigt werden kSnnen. Unter den N/iherungsannahmen, dab das X-Chromosom 1/5 des gesamten Euchromatins enth/ilt, und dab je L/~ngeneinheit das autosomale Euchromatin die gleiche Mutationshi~ufigkeit ~4e das X- Euchromatin hat, dab also in X-Spermien nur 80% der in X-Spermien mSglichen L-Faktoren auftreten, und unter der Voraussetzung, dab die L-Faktoren ~de alle Genmutationen direkt proportional zur Dosis aus- gelSst werden, ergeben sich die in Abb. 1 dargestellten Sterblichkeits- kurven ffir XX- und XY-Zygoten und die dadurch bedingte Verschie- bung des Geschlechtsverh/~ltnisses. Zygotische Sterblichkeit durch Chromosomenmutationen, deren Anteil sicher wesentlich hSher liegt, ist hierbei natfirlich nicht berficksichtigt worden.

1 Mit X +" wird im folgenden das normale st~bchenfSrmige X bezeichnet. z Der einzige kreuzungsanalytische Weg, um ihr Vorkommen aufzudecken,

besteht in der Untersuchung solcher semi-dominanter gcschlechtsgcbundener Letal- faktoren, die gegentiber 2 -t- -Allelen recessiv, gegeniiber cinem dominant sind. In dcr Fz der Krcuzung triploider attached-X-~ g~ mit bestrahlten normalen ~ miiBten sich solche Letalfaktorcn durch den Ausfall dcr ~ und dcr cincn Klasse der diploiden ~ ~ anzcigen, vorausgesetzt dab der Austausch zwischen den mfitter- lichen und dem v~ttcrlichcn X-Chromosom durch Wahl geeigneter Inversionen ver- hindert wird.

Page 5: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

bei Drosophil~ mel~nogaster. II. ~11

Von den Chromosomenmutationen spielen hier die wesentliche golle: Deletionen, Translokationen und bizentrisehe Chromatidentransloka- tionen naeh einfaehem Brueh.

a) Deletionen. W/i, hrend kurze Stfiekausf~ille des X-Chromosoms (lie Lebensf/~higkeit der ?-Zygoten erhalten, wenn aueh sieher verringern, und lange zur Entstehung yon d c~ mit Duplikationen ffihren, haben sieh mittellange nie beobaehten lassen. Da sie bei der zufglligen Brueh- verteilung 1/tngs der Chromosomen und der zufallsgemS~Ben Rekombi- nation der Bruehstellen, wie sie ffir Inversionen, Translokationen n. a. naehgewiesen worden ist (Mitt. I), aueh auftreten mfissen (und sieh mit

go

5o go

3o

1o

o ~s 7,o

1

1,s 4o

-%

2,s 4o 3,s Dosis f= mi//lere )nzahl dep L-Pak/oPenje x-@epm/um)

.kbb. 1. EilafluB dominant-letaler Genmutationen auf das f2berleben mfinnlieher (N ~) o

~md w e i b l i e h e r (N 2) Z y g o t e n mlcI da s G e s e h l e c h t s v e r h f i l t n i s in t ier F, (N~'N~)~ . be i A n n a h m e direkter Dosisproportionalitft dieser Mntationen. (In tier I'ntersehrift zm" Abszisse rang

es X- stat.t x-Spermien heiften.)

besonderen Versuchsanordnungen auch nachweisen lassen w/irden), sind sie also immer zygotenletal. Stiickausfs im Y-Chromosom sind da- gegen ohne Wirkung auf die Lebensfithigkeit (wenn auch auf (tie Fer- tilit/it) der ~c?.

b) Translolcationen. Reziproke Translokationen k6nnen in zweierlei Art auftreten (Abb. 2); bei euzentriseher gekombination entstehen dutch Austauseh der freien Enden wieder 2 monozentrisehe Chromo- somen; bei dyszentrischer I~ekombination dureh Vereinigung der Enden untereinander ein bizentrisehes und ein azentrisehes Chromosom. Die letzteren wirken zygotenletM infolge sofortigen Ausfalls des azentrisehen Rekombinationsehromosoms und allmS.hliehen Verlustes des bizentri- sehen Chromosoms infolge wiederholter Brtiekenbildung. Ein Unter- sehied zwischen X- und Y-Spermien k6nnte d~nn bestehen, wenn infolge

27*

Page 6: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

412 Hans Bauer: R6ntgenausl6sung yon Chromosomenmutationen

grSBerer Bruchh/iufigkeit des X dieses h/~ufiger Translokationen ein- ginge. Diese ~Sglichkeit ist jedoch anscheinend nieht verwirklicht, da nach DE3~EREC und KA~,~xx~-~ - (1938) die Bruchh/iufigkeit yon X und Y gleich ist. Die gleichen (~berlegungen gelten ffir komplizierte ~ehr-Bruch-Translokationen.

c) Bizentrische Chromatidentranslokationen (Abb. 3). Bizentrische Chromatiden kSnnen entstehen, wenn nach einem Bruch durch beide Chromatiden eines 1/tngsgespaltenen Chromo- sores die beiden spindelansatztragenden Rumpf- chromatiden sich an ihren Bruchstellen dys- zentri~ch vereinigen. Euzentrische Vereinigung, die zu normalen Chromatiden fiihrt, l~Bt sich

} t

Abb. '2. Abb. 3. Abb. 2. Sehemt~ tlcr Trans loka t ionen de, s X+-Chl'omosoxns. Nach je c in t ra Bmt, ch im X+ und e inem A u t osom (obcn) k6nnen sich die Bruchenden euzentr isch (untcn links) zu lcbcn,-- f~higcn oder dyszentr isch (unten rechts) zu zygot iseh- le ta len Trans loka t ionen vereinigen,

Abb. 3. Schema der E in -Brnch -Rekombina t ion im X+-Chromosom. Nach e inem ] ] rnch an([ ansehlieBender Lf ingste ihmg (oben Mitte) k6nncn sich die Ci~romatiden-Bruchendcn auBcr Zll no rma le r Anordnung euzentr iseh (links) zu n ieht erkennbare~l oder dyszentr isoh (rechts) zu riickl~iufigett ],~'in-Bruch-]Rekombinationen ~-ereinig'en. Unt(!~ dic zngeh6rio'en

Anaphascbi lder .

dagegen nieht erkennen. Bizentrische Chromatiden kSnnen entweder durchgetrennt werden oder sie werden eliminiert. W/ihrend derartige Vorggnge bei Autosomen immer zygotenletal ~4rken, fiihrt Elimination des X-Chromosoms zu XO-Zygoten, also zu Geschleehtsumwandhmg. Durchtrennung ist in ihrer Wirkung nicht eindeutig; diese h~ngt yon der L~nge der bizentrischen Chromatide, also der Lage der primitren Bruchstelle und dem weiteren Schieksal der bei der Durchtrennung entstehenden Brtickenh~lften ab. Zum groBen Tell werden letale Genome entstehen. Dieselben Vorg~tnge am Y-Chromosom sind wieder ffir die Lebensf~higkeit der Zygoten ohne Bedeutung und unterbinden

Page 7: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

bei Drosophila melanogaster II. 413

nur die Fertilit/it der 3 3 durch Yerlust eines Teils (bei Durehtrennung) oder aller Fertilit/~tsgene (bei Elimination).

Fiir die Entstehung solcher bizentrischer Chromatiden kommt sowohl die MSgliehkeit in Betracht, dab ein sehon geteiltes Chromosom in beiden Chromatiden an homologen Stellen bricht, wie es unter anderen SAx (1938) und .SAx und ~M~TH]~R (1939) bei Tradescant ia und M_a~QUARDT (1941b) bei Bellevalia u. a. wahrseheinlich gemaeht haben, wie aueh die andere MSglichkeit, dab ein Bruch in einem ungespa]tenen Chromosom bis nach der L~ngsteilung rekombinationsf~hig bleibt.

Es k6nnen demnach dominante Letalfaktoren, Deletionen und Einfachbriiehe zu einer Versehiebung des Geschlechtsverh/~ltnisses zu- gunsten der 3 3 fiihren, wahrend der EinfluB reziproker und kompli- zierterer Translokationen wohl ohne Bedeutung ist.

2. Ergebnisse.

Zum Vergleich mit X c2 wurden die folgenden V.ersuche mit X+- Chromosomen durehgeiiihrt: bestrahlte -4--Fla- 3 ~ wurden mit y w cv v ]- $ 9, in spi~teren Versuchen bestrahlte y- 3 3 mit y w /a n~ ? $1 gekreuzt. Zu diesen Bestra.hlungsversuchen, bei denen als einzige Dosis 4000 r zur Anwendung kamen, ~mrden die entsprechenden Kontrollversuche mit unbestrahlten 3 3 durehgefiihrt.

Tabelle 2. Das Geschlechtsverh~ltnis in der F i nach RSntgenbest rahlung yon X+-P-g3.

V e r s u c h s - a r t

y w ]ano X y (270 )

I~- renzung

y w cv v / • ~ - F l a Kontrolle (Zimmertemperatur) 4000r

Kontrolle 4000r

F1 G e s a m t - a n z a h l

17129 8023

k o r r i g . A n z a h l % • m - % % =i= m - %

8800 51,37 3= 0,38 50,00 4- 0,37 3966 49,43 4- 0,56 48,11 :j= 0,54

50,77 4- 0,56 50,00 4- 0,55 49,49 :J: 0,48 48,74 :j: 0,47

Die Ergeblfisse sind in der Tabelle 2 zusammengefaBt. Aus dieser geht hervor, dab in beiden Versuchen im ~-Prozentsatz ein geringer Unterschied zwisehen Kontrolle und Experiment besteht, der nach den tiblichen statistischen Verfahren als gesichert erscheint. Um bei diesen und den folgenden Versuehen die mit verschiedenen Genotypen durch- gefiihrten Kreuzungen unmittelbar vergleichen zu kSnnen, wurde der Prozentsatz der ~ ~ in den Kontrollen gleieh 50,00 gesetzt und die Pro- zents/itze der zugehSrigen Bestrahlungskreuzungen durch Multiplikation

1 Der neue Faktor ]acet-notchoid., ]a no, liegt bei 3,0; er bewirkt Notch-artige Fliigel/~nderung (Aderverdickung, Ausschnitte). - - Das y-Chromosom wurde benutzt, weil es als Austauschchromosom aus X ~ ~ erhalten und mit diesem min- destens im Bereich w+ his f+ allelgleich ist.

Page 8: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

414 Hans Bauer: R6ntgenausl6sung yon Chromosomenmutationen

mit dem aus der jeweiligen Kontrolle gewonnenen Faktor N/2N~ korrigiert. Es zeigt sich so (Tabelle 2), dal~ die Abnahme der $ 9 in beiden Versuchen etwa gleich groI~ ist. Diese ~bereinstimmung spricht mehr noch als die statistische Priifung etwa der Differenz yon Kontroll- und Versuchswerten fiir die Realitiit des Strahleneffektes, da nach den oben bezeichneten Versuchsbedingungen mit einer gr56eren als der statistischen Streuung der Einzelwerte zu rechnen ist.

Der beobachtbare Unterschied zwischen bestrahlten und unbestrahlten Kulturen ist klein. Daraus geht hervor, dal~ die a~,ge/iihrten Mu~tionen: L-Faktoren, Deletionen, Translokationen und - - was im Hinblick auf die folgenden Befunde besonders wichtig ist - - bizentrische Chromatid- translokationen nach Einfach-Bruch in X+- wie in Y-Chromosomen entweder von nahezu gleicher H/~ufigkeit (Translokationen) oder so selten sind, daI~ sie ]~eine nennenswerten Unterschiede in der MutabilitSt beider Spermiensorten bewirken.

C. V e r s u c h e mi t d e m Xc'2-Chromosom.

1. Voraussetzungen.

Das Ring-X-Chromosom ist gegeniiber X+ in seinem Genbestand praktisch unveriindert. Der Unterschied, der dutch die Duplikation des proximalsten und den Ausfall des distalsten Endes besteht (ScHuLTZ und CATC~]~SII)]~ 1938), ist so gering, dab er ohne weiteres vernach- l~ssigt werden kann. Dominante Letalfaktoren sind also im gleichen Ausma~ wie in X + zu erwarten. Ebenso sollten yon den Chromosomen- mutationen die I)e]etionen in X+ und X c2 gleich h~ufig sein (vgl. aber S. 418); dagegen sind dutch die Ringform des Xc-Chromosoms fiir Trans- lokationen und durch Einfach-Bruch entstehende bizentrische Chroma- tiden andere Verh~ltnisse gegeben.

a) Translokationen. Aus der Abb. 4 ist ohne weiteres ersichtlich, dab sowohl bei dyszentrischer wie euzentrischer Rekombination rezi- proke Translokationen immer bizentrische Chromosomen ergeben, die, da sie auch ein Autosom betreffen, immer zygotenletal sind. In all- gemeiner Form ergibt sich der Einflul~ der Stab- oder Ringform auf den Anteil lebensfi~higer Mehrbruch-Rekombinationen durch folgende auf der Bruchhypothese beruhenden Ableitungen, wobei zun~chst der Fall mit stiibchenf5rmigem X+ betrachtet sei:

Durch b Briiche entstehen 2 b Bruchenden. Durch deren paarweise Vereinigung gibt es an mSglichen Rekombinationen l

l%m - - 1 . 3 . 5 . . . . . (2b-- -1) .

i Bei CATCH~SmE (1938) ist in dieser Formel ein Druckfehler unterlaufen. (2b)! Die Schreibweise b . ~ , wie sie ~hnlich MARQUA~I)T (1941) anwendet, bietet keinen

Rechenvorteil.

Page 9: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

bei Drosophila melanogaster. II. 415

Von diesen Rekombinationen ist nur der Teil lebensfihig, bei dem alle gekombinationschromosomen monozentrisch sind und ss Chromo- somenabschnitte enthalten. Die seltenen F~lle mit lebensf~higen kurzen Deletionen k6nnen bier vernachl/~ssigt werden; ebenso bleiben die Dupli- kationen unberiicksichtigt, wie auch die sicher ganz seltenen, bisher nur fiir den Mais bekannten F/~lle m5glicher Querzerlegung eines Spindel- ansatzes in 2 funktionsfs Teile. Der Anteil dieser lebensfs (vitalen) Rekombinationen (Rv) 1/iBt sich folgendermaBen berechnen:

durch b Briiche wer- den aus

n beteiligten Chromo- somen (-schenkeln)

n Spindelansatzab- schnitte,

n Endabschnitte und b - - n Mittelabschnitte gebildet.

Zwischen Spindelan- satz- und Endabschnitten bestehen n! MSglichkei- ten ffir vollst/~ndige Re- kombination zu mono- zentrischen Chromoso- men. In die bei jeder

Anfangsrekombination vorliegenden Rekombi- nationsstellen kSnnen

% Abb. 4. Schema der Trans loka t ionen des X~-Chromosoms. Nach je e inem Brach i m X" uncl in e inem Au to so m (oben) en t s teh t sowohl nach euzentr ischer (links un ten) wie nach dyszentr ischer (rechts un ten) Vereinignng ein

einzigcs bizentrisches Trans lokal isa t ionschromosom.

nun die Mittelabschnitte in jeweils normaler oder invertierter Lage eingeffihrt werden,

der 1. Mittelabschnitt also auf 2 n Weisen, der 2. Mittelabschnitt , da jetzt n ~- 1 Rekombinafionsstellen vor-

liegen, auf 2 (n + 1) Weisen, der 3. Mittelabschnitt dann auf 2 (n ~ 2) Weisen und der ( b - - n ) - t e Mittelabschnitt auf 2 [n ~- ( b - - n ) - - l] = 2 ( b - - l )

Weisen.

Die Gesamth/~ufigkeit der lebensf/s Rekombinationen ist also Rv = n ! * 2 n - 2 ( n + 1).2 (n ~ - 2 ) - . . . - 2 ( b - - l )

- ( b - - l ) ! "2b-n 'n . (1)

Fiir n : - - 1 - 2 wird

R v ( b - - l ) ! - 2 b - l .

- b! Das ist der Fall, den CATCHESIDE allein Ftir n b wird Rv beriicksichtigt hat.

Page 10: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

416 Hans Bauer: R6ntgenausl6sung yon Chromosomenmu~ationen

Gegeniiber dieser fiir X+ geltenden Formel liegt fiir Rekombinationen mit X c eine geringere It/s yon Rv vor. Hier erzeugen b Br/iche

1 offencs Ringchromosom, n - - 1 normale Spindelansatzabschnitte, n - - 1 normale Endabschnit te und b - - n Mittelabschnitte.

Die Bruchenden yon X c sind nicht ffei kombinierbar, da in solchen F/~llen letale Rekombinationen entstehen (vgl. aber unten). Es sind also zwischen Spindelansatz- und Endabschnit ten nur ( n - - 1) r Rekombina- tionsmSglichkeiten gegeben, jedoch liegen fiir die Einfiigung der Mittel- abschnitte wieder n l~ekombinationsstellen vor. Bei Beteiligung yon X c wird also

R v = ( b - - l ) ! �9 21)- n (2)

Aus (l) und (2) ergibt sich R v vol~ X c 1

l ~ v yon X + - - n

Nur bei n = 1, also bei Beschr/~nkung der Br/iche auf das X-Chromosom, ist gleiche H/~ufigkeit der fiberlebenden Rekombinationen in X+ und X r zu e rwar ten . Bei Rekombination zwischen mehreren Chromosomen verringert sich die Anzahl der iiberlebenden Rekombinationen in X c im Vergleich zu X+ umgekehrt proportional zu der Anzahl der beteiligten Chromosomen.

Diese Beziehung gilt st~eng aber nur, wenn alle aul~er dem Ring- Chromosom vorhandenen Chromosomen einschenklig sind, oder wenn bei Anwesenheit V-fSrmiger Chromosomen diese nur mit je einem Schenkel an der Rekombination beteiligt sind. Nach Briichen in beiden Schenkeln eines V-fSrmigen Chromosoms kSnnen sich die proximalen Bruchenden der Schenkel vereinigen und so ein l~ingchromosom bilden, w/~hrend die beiden dann frei gewordenen Endabschnit te bei einem Bruch in X ~ seinen Bruchenden angefiigt werden k6nnen, so daI~ es zu einem V- f6rmigen Chromosom wird.

Die Formeln (1) und (2) betreffen somit nur Sonderf/ille. In all- gemeiner Form ist, wie hier nicht im einzelnen abgeleitet zu werden braucht,

~b_n. (n--r)! ( r : z ) , (3) R v ---- ( b - - l ) ! ,~ (n--l)!

wobei r die Anzahl der beteiligten Ringchromosomen und z die Anzahl der mit beiden Schenkeln beteiligten zweischenkligen Chromosomen darstellt.

I m Fall yon Drosophila melanogaster mit einem Ringchromosom und 2 V-fSrmigen Autosomen wird R v gegen/iber (2) bei r ~ 1 und z ~ 1 verdoppelt, bei r----1 und z----2 verdreifacht. Immer bleibt aber R v yon X c kleiner als R v yon X+.

Page 11: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

bei Drosophila melanogaster II. 417

In der Tabelle 3 sind die Berechnungen fiir einige R-Werte zusammen- gestellt. Sie beziehen sich auf Rekombinationen yon 2- -5 Briichen in einem Kontak tpunkt bei Zufallsverteilung auf 5 gleichlange Chromo- somenschenkel (X und 2 V-fSrmige Autosomen) 1 und bei Beriicksichtigung

Tabelle 3. Erwartungsverh/~lSnis yon m6glichen (Rm), le ta len (R1) lnd v i ta len (Rv) Rekombina t ionen (Erkl~rung vgl. Text),

Rm

15

105

X C

X +

X c

Rv

X e

X +

X c

1,11 2,00

3,28

6,82

16,26 34,73

113,96 240,07

R1

1,89 1,00

11,72 8,18

88,74 70,27

831,04 704,93

~:~v von X c

1 ~ yon X +

0,56

0,48

0,47

0_47

~ 1 yon X c

1~1 yon X +

1,89

1,43

],26

1,19

nur der Bruchkombinationen, an denen das X beteiligt ist. Bei allen b-Werten betr/igt das Verh/~ltnis ]~v von xC/Rv yon x§ rund 0,5, w/~hrend natfirlich das entsprechende Verh/iltnis der letalen Rekombinationen 1~ 1 ( = R m - - Rv) mit steigendem b wegen der starken Zunahme yon R 1 yon fast 2 sich schnell 1 n/~hert. Da im Mittel die Bruchanzahl je Kon- t ak tpunk t zwischen 2 und 2,5 liegt (vgl. Mitt. I), wird das Verh/fltnis der letalen Rekombinationen zwischen 2 : 1 und 1,5 : 1 liegen. Bei den "Werten der Tabelle 3 sifld nile, also auch die intrachromosomalen l~e- kombinationen sowie die dutch die Wiedervereinigung der Briiche im X auftretenden autosomalen Rekombinationen eingerechnet. Wenn man sich auf die eigentlichen Translokationen beschr/inkte, wiirde der Ver- h/~ltniswert sich nach 2 hin erh5hen, wie er fiir reziproke Translokationen gilt. Genauere Angaben sind aber fiir die hier behandelten Fragen fiberfiiissig.

b) Ein]ach-Briiche. ~hnlich wie bei reziproken Translokationen fiihrt bei einem Ringchromosom, dessen beide Chromatiden am gleichen Ort gebrochen sind, sowohl euzentrische wie dyszentrische l~ekombi- nation zu einem bizentrischen Chromosom, dem bizentrischen Doppel- ring (Abb. 5). Dyszentrische Vereinigung fiihrt zu einem unsymmetri- schen, euzentrische zu einem symmetrischen Doppelring.

1 Das 4. Chromosom kann ebenso wie die L~ngenunterschiede der Schenkel vernachl~ssig~ werden (vgl. BAUER, DEM~REC und KAVFMA~r sowie Mitt. I).

Page 12: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

418 Hans Bauer: RSntgenausl6sung yon Chromosomenmutationen

Auf S. 413 sind die MSglichkeiten erwogen women, dal derartige Brfiehe durch beide Chromatiden entweder unmittelbar am gespaltenen Chromosom ausgelSst werden, oder dal die im ungespaltenen Chromosom aufgetretenen Brfiche bis nach der L/s des Chromosoms rekombi- nationsf/~hig bleiben. Hier muB noch eine weitere MSglichkeit in Betracht gezogen werden. Aus der Tatsache, dal Ringchromosomen im allgemeinen

0 O 0

Abb. 5. S c h e m a der E in-Bruch- R e k o m b i n a t i o n e n i m Xr som. N a c h e inem Bruch u n d an- s ch l i e l ende r Lhngs t e i l ung (oben Mitre) k 6 n n e n sieh die Ghroma- t i den -Bruebenden au2e r zu nor- m a l e r A n o r d n u n g euzen t r i sch (links) zu s y m m e t r i s c h e n oder dyszen t r i seh (rechts) ztl a s y m - mc t r i s chen b izent r i schen doppelt- groBen R i n g c h r o m o s o m e n , den b izent r i schen Doppel r ingen , ver- einigen. Oben Metaphasc- , u n t e n

Anaphaseb i lder .

stabil sind und sich im Teilungszyklus normal verhalten und dab die Entstehung bizentrischer Doppelringe eine Ausnabme darstellt, ist geschlossen worden, dab die Chromosomen eine konstante Teilungsebene besitzen, sie also im Querschnitt bilateral- symmetrisch gebaut sind (DAI~LI~GTO~-, 1937 ; MCCLINTOCK, 1938). Anderenfalls wiirden, allerdings nur, wenn nicht die Teilungsebene yon einem Punkt, etwa dem Spindelansatz aus induziert wiirde, bei der Teilung vorwiegend bizentrische oder in- einanderh/mgende Tochterchromosomen ent- stehen, und wegen der damit gegebenen StSrungen mfilten die Ringchromosomen sehr schnell verlorengehen. Bizentrisehe Doppelringe kSnnen nun bei Vorliegen einer derartigen konstanten Teilungsebene auch dadurch entstehen, dal nach einem Bruch im ungespattenen Chromosom die Wiedervereinigung der Bruchenden schon vor der L/ingsteilung erfolgt. Da die Chromosomen im Spermienkern sich in einem Zustand mechanischer Spannung be- linden, wird die Vereinigung der Bruch- enden nut selten in der nrsprtinglichen Lage des Chromosoms erfolgen; in den meisten FKllen wird vielmehr das eine Bruchende (oder beide) infolge der MSglich-

keit, die Spannung auszugleichen, eine Drehung um 1800 oder um ein Vielfaches davon durchgemacht haben. Dieser Vorgang ffihrt zu einer Torsion der Teilungsebene, durch die dann, genau wie im Modell der M6BI~:s-Ringe, bedingt wird, dal vorwiegend bizentrische Doppelringe oder ineinanderh/ingende l~ingchromosomen entstehen.

Wenn dieser Vorgang bei der Entstehung bizentrischer Doppelringe eine Role spielt, dann mul er auch bei der Entstehung yon Inversionen, Deletionen und Insertionen wirksam sein und zu einer Herabsetzung

Page 13: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

bei Drosophila melanogaster. II. 419

der H~ufigkeit dieser Chromosomenmutationen in X c im Vergleich mit X + fiihren. Zur Kl~rung dieser Frage sind Untersuchungen im Gange.

2. Ergebnisse. a) Die DosisabMingigkeit. Die auf Bestrahlungsversuchen mit 24 ver-

schiedenen R6ntgendosen beruhenden Ergebnisse am XC-Chromosom sind in der Tabelle 4 zusammengefaBt. Die beiden Versuchsgruppen sind dabei getrennt angefiihrt, da sie, wie gesagt (vgl. S. 409), wegen der unterschiedlichen Versuchsbedingungen nicht roll vergieichbar sind.

Tabelle4. Geschlechtsverh&ltnis in der F l d e r K r e u z u n g ywcvv] • Xc2, cvv] nach R6ntgenbestrahlung der P - ~ .

97

% ~=m-%

49,03 • 0,23 47,63 =l= 0,27 46,75 ~ 0,34 45,82 =L 0,29 45,49 • 0,3O 44,24 =[= 0,27 43,21 =t= 0,25 41,94 ~= 0,25 41,49 =L 0,26 39,79 ~ 0,24 39,06 =~ 0,27 36,31 • 0,32 33,26 ~= 0,31 31,49 • 0,35

49,49 :L 0,49 48,27 • 0,32 47,83 :J: 0,31 47,29 ~ 0,31 46,59 • 0,34 45,9910,31 45,55 =L 0,28 44,70 • 0,27 43,37 • 0,26 42,75 • 0,27 41,53 • 0,26 38,10 ~ 0,54

korrig. % =i= m-%

50,00 ~ 0,24 48,58 • 0,27 47,68 • 46,73 ~ 0,29 46,39 ~= 0,30 45,12 ~= 0,27 44,07 ~= 0,25 42,78 i 0,25 42,32 ~= 0,27 40,58 :~ 0,24 39,83 =~ 0,28 37,04• 33,92 ~: 0,31 i 32,12 • 0,35

50,00 • 0,50 48,86 =~ 0,32 48,42 ~ 0,32 47,87 =~ 0,32 47,16 • 0,35 46,55 • 0,31 46,10 =~ 0,29 45,24 • 0,27 43,90 • 0,26 43,27 • 0,27 42,03.• 0,27 38,56 ~ 0,54

Anzah] der

Einzel- " g e r -

suche

20 14 11 11 11 11 12 10 10 11 11 16 10 11

4 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 4

Streuung ~Vahr- scheinlich- yon keit N $- % in den Einzel- fiir Homo-

versuchen genit~t P

46,09--50,58 0,77 45,85--49,55 0,55 45,16--47,97 0,92 43,90--47,38 0,32 43,82 --48,33 0,04 43,10--45,40 0,57 41,96--44,62 0,62 40,84--43,36 0,72 39,49--43,26 0,001 37,82--41,77 0,02 37,57--41,25 0,37 34,75--39,03 0,88 31,44--35,26 0,03 27,40--34,22 0,0003

47,95--50,54 0,18 47,50--49,68 0,49 46,76--49,32 0,22 44,30--48,56 0,05 45,32--47,64 0,67 44,60--47,25 0,42 43,93--48,02 0,05 43,95 --46,23 0,54 42,09--44,50 0,18 40,96 --44,79 0,03 40,04--42,79 0,12 37,03--39,07 0,53

A|s unmittelbares Ergebnis zeigt sich (in der 3. Spalte der Tabelle 4) eine yon 49,03 bzw. 49,49 bei den unbestrahlten Kontrollen bis zu 3],49 bei 6000 r gehende Senkung des $-Prozentsatzes. Die nicht genau 50 % betragenden Werte der Kontrollen kSnnten auf geringerer Vitalit~t der F 1- $ $ oder auf dem spontanen Auftreten derselben Mutationen beruhen, wie sie dutch die Bestrahlung ausgelSst werden. DaB das letztere nicht zutrifft, ergaben Versuche mit unbestrahlten c~c7, die vor

Page 14: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

~-20 Hans Bauer: R6ntgenausl6sung yon Chromosomenmutationen

der Kopulation 20 Tage fang gealtert waren. Der g~-Prozentsatz betrug bier 49,86 ~= 0,50 (N z 9896; 5 Versuche, P fiir Homogenit/~t ~ 0,14), war also yon den fibrigen Kontrollen mit jungen 3c? nieht verschieden. Bei Letalfaktoren dagegen erhSht sich die Anzahl der Spontanmuta-

~. o

s 'o o T o , ~ l, oo

%

/ . /

II

15 /

/ o 7ooo 2o0o #~o 5ooo 6"ooo

m= Dos/;~

Abb. 6. Dosisabh~ngigkei t der u des GeschlechtsverhfilL~aisses in der F~ nach Xr c~-Bestrahlung. U n t e n : Vergleich der aus den beobach te t en Anzah len e rha l tenen \Verte 1 - 2Ng/N m i t einer Ein~reffer -Kurve (diinn ausgczogene Gerade) ; die Beobach-

t lmgswer t e passen sich besser e iner leieht g e k r f i m m t e n K u r v e (dick ausgezogen) an. Obcn: ers te Able i tung der W e r t e aus de m un te ren Teilbild, ausgedr i ickt als (log y)/x; bei ] Jbe re in s t immung der Beobach tungswer te m i t e iner Eintreffer-l~2urve sollten alle Wer te u m eine paral lel zu r i b s z i s s e v e r l a ~ e n d e n Gerade ]iegen; sic fo]gen abe t besser einer K u r v e ,

die die erste Able i tung der K u r v e des u n t e r e n Teilbildes darsteli t . �9 W e r t e der 1., o ~Verte der 2. Versuchsgruppe.

tionen unter den gleichen Alterungsbedingungen der Spermien auf das 3fache (Tnvm~EFF-REssovsKY und ZI~MER, 1941). Z)er geringere 9- Prozentsatz beruht also nicht auf gametischer Mutabilit/~t von X c, kSnnte aber seine Ursache in zum Ausfall des Ring-X fiihrenden StS- rungen in der" Keimbahn haben; die im Alterungsversuch nicht beein- fluSt werden.

Page 15: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

bei Drosophila melanogaster IX. 421

Die korrigierten ~-Prozents~tze (vgl. S. 413) liegen zwischen 50,00 und 32,12. Durch die Bestrahlung wird also das Geschlechsverhs yon 1 : 1 bis auf fund 1:2 verschoben.

In den letzten 3 Spalten der Tabelle 4 sind Angaben fiber eine sta- tistische Priifung des Materials zusammengefal]t, wobei als Ergebnis in der letzten Spalte die nach der ZS-Methode gewonnenen Wahrschein- lichkeitswerte ffir ttomogenit~tt der aus 4 20 Einzelversuchen be- stehenden Dosiswerten angefiihrt sind i. Die 26 P-Werte sollten sich auf alle Intervalle von 0--1 gleichm~l~ig verteilem Tatsichlich aber iiberwiegen die zu niedrigen Werte, ein unmittelbarer ttinweis darauf, dab infolge der Versuchsbedingungen eine etwas zu grol~e Streuung der Einzelversuchsergebnisse auftritt . Die Werte ffir den ~-Prozentsatz sind also mit einem grSf~eren als dem statistischen Fehler behaftet.

Um die Dosisabh~ngigkeit des Geschlechtsverhiltnisses in einer den iiblichen Mutationskurven vergleichbaren Form auszudrticken, wurde ffir jede Dosis aus dem korrigierten ~-Prozentsatz der Wert 100 - - 2 N~ % berechnet (vgl. Tabelle 8, linke Spalte). Diese Werte zeigen eine weit- gehende Anpassung an den Verlauf einer Eintrefferkurve, wie aus Abb. 6, unten, hervorgeht. Besonders auch die schws Dosen geben keinen I-Iinweis dafiir, dal~ etwa eine sehr schiefe lV[ehrtrefferkurve vorl~ge. Besser als durch die Gerade lassen sich die beobachteten Werte bei aller Streuung zu ehler auf dem halblogarithmischen Raster etwas konvex verlaufenden Kurve zusammenfassen; denn ~de auch immer die Ein- trefferkurve durch den Nullpunkt gelegt wird (Einw~nde gegen diese Einschr&nkung werden unten S. 431, berticksichtigt), stets liegen im unteren Bereich zu viele Werte zu hoch und im oberen Bereich zu viele Werte zu tief. Noch deutlicher zeigt sich dieses bei graphischer Diffe- renzierung (Abb. 6, oben). Bei einer echten Eintrefferkurve sollten dann alle Werte um eine der Abszisse parallele Gerade streuen. Sie ordnen sich aber recht deutlich einer gekrtimmten Kurve zu. Die Beobachtungs- kurve ist damit als gegenfiber einer Eintrefferkurve st~trker gekrfimmt anzusprechen.

b) Allgemeine Ableitung der iiberkriimmten Kurve. Bevor die expei'i- mentelle Kurve genauer ausgewertet werden kann, mul3 zun/~chst das Zustandekommen einer fiberkrfimmten Kurve erkl/~rt werden, ttierftir ist nochmals die Tatsache zu betonen, dal~ bei Bestrahlung mit gleichen R6ntgendosen bei X + keine nennenswerte, bei X c dagegen eine erhebliche Wirkung zu beobachten ist. Wie oben gezeigt worden ist, muf3 dieser Unterschied auf den besonderen durch die Ringform yon X c gegebenen Verh/~ltnissen beruhen; alle anderen Mutationen als die bizentrischen Doppelringe und die Translokationen kSnnen deshalb unberficksichtigt bleiben.

Die P-Werte sind auf Grund der Tafeln yon 1)XTAU (1942) bestimmt worden.

Page 16: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

422 Hans Bauer: g6ntgenausl6sung von Chromosomenmutationen

Es lassen sich dann in formelm~giger Darstellung einige einfache Beziehungen angeben. Es sei 2 Z' die Anzahl der nicht durch autosomale Translokationen und andere Chromosomenmutationen ausfal]enden Zy- goten, d x die Anzahl der ausgel6sten bizentrischen Doppelringe, t x die Anzahl der Translokationen, an denen X c, und tyL die der letalen (dys- zentrischen) Translokationen, an denen Y beteiligt ist. Es wird dann

N~ = Z ' - - ( d x + tx) �9

Tatsachlich sind zwar nicht alle XC-Translokationen zygotenletal, wie auf S. 416 betont worden ist. Dieses gilt streng nnr ftir reziproke Trans- lokationen. Jedoch sind Mehrbruch-Translokationen selten (vgl. Mitt. I), so dall sie nicht ins Gewicht fallen.

Die Anzahl der d d ist verschieden je nach dem Schicksal, das die Zygoten mit einem bizentrischen Doppelring erfahren. Bei Elimination yon d x und damit Geschlechtsumwandlung wird

N~ -- Z ' - - t y ~ -" d x. Es ist dann

2N~ 2dx + t x - - t y L (4) 1 N -- 2 Z ' - - t x - - t y z "

Fiihrt d x dagegen zu Letalit/it, so ergibt sich eine der fiir Elimination ganz ithnliche Gleichung. Es ist dann

N3 == Z ' - - t y L und

N? dx + t x - tyL 1 Na -- Z ' - - tyL (5)

Diese Formeln lassen sich noch etwas vereinfachen, wenn man beriick- sichtigt, dag alle wirksamen Briiche in X c, d. h. alle, die nicht zu einer vollstiindig normalen Wiedervereinigung ftihren, sich entweder an einer Translokation beteiligen (wenn ein autosomaler Bruch zur Rekombi- nation zur Verfiigung steht) oder bizentrische Doppelringe ergeben (vgl. ]edoch unten). Die Gesamtheit der wirksamen Briiche in X c wird somit

bx = dx -i- tx.

Wird dieses in die Formeln (4) und (5) eingesetzt, so ergibt sieh bei Elimination yon d x

l

Letalitiit von d x

2N? bx - - �89 (tx + tyz) N -- Z ' - - } ( t x + t y L ) '

(6)

1 N~ bx - - ty~ (7) N~ -- Z'---tXL

Diese Formeln sind nun zwar dadurch gekennzeichnet, dab auch im Nenner dosisabhitngige Gr6Ben stehen, far welche sich Zahlenwerte nicht unmittelbar dem Experiment entnehmen lassen. Doch ls sich die Frage nach der Art der Dosisabhs yon b x auf einem Umwege beantworten.

Page 17: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

bei Drosophila melanogaster. II. 423

Nach den Ergebnissen der Mutationsana]yse an den Speicheldriisen- chromosomen (Mitt. I) gehen Translokationen wie alle Arten yon Chromo- somemnutationen, die erhaltungsf/~hig sind, auf Mehrtreffer-Ereignisse zuriick. Die Tatsache, dab die mitt lere Anzahl der an einem Kontak t - punkt beteiligten Briiche mit steigender Dosis w/~chst~ hat welter be- wiesen, dab als prim/~res Mutationsereignis der Einzelbruch angesehen werden muB. Um in der Kombinat ion der Zwei- und Mehrbruch-Muta- tionen die beobachtete Mehrtrefferkurve zu ergeben, miissen diese Einzelbriiche mit einer Trefferzahl ~ 1 ausgel6st werden.

100 % -kD

8

>e-hD kD

50

hD l +kD

J

o o,s 1,o s hD-----

k D Abb. 7. B c z i e h u n g e n zwischcn den Ein- u n d Z w e i t r e f f e r - K u r v e n u n d der t t y p e r b e r ~ + k D;

diese is t i m wiede rgegebenen A b s c h n i t t s t a r k e r g e k r f i m m t als die E i n t r e f f e r - K u r v e .

Werden diese SchluBfolgerungen hier der weiteren Ableitung zu- grunde gelegt und dabei die vereinfachende Annahme gemacht, dab b x einer reinen Eintrefferkurve, tyL (bzw. �89 t x + .~ tx~L) der zugehSrigen Zweitrefferkurve mit gleichem k in der allgemeinen Trefferformel

n-1 (kD)m y = 1 - - e -ko ~ m!

m = 0

folgen, so kSnnen in die Gleichung (7) die entsprechenden Werte der Trefferformel, b x : ] - - e -kD und tvL : 1 - - e -kD (1 . - kD) eingesetzt werden. Es wird dann bei Letalit/~t yon dx, auf Z' == 1 bezogen,

1 N~ k D 1 N~ -- l + k D -- 1 l + k D " (8)

Diese Funktion, die sich bei gleichartiger Behandlung auch fiir die Gleichung (6) ergibt, stellt nun, wie aus dem Fehlen yon e hervorgeht, keine eigentliche Trefferkurve mehr dar, sondern eine Hyperbel, deren im positiven Qu~dra.nten verlaufender Ast gegenfiber der Eintreffer- kurve yon gleichem k anfangs starker, yon k D = 2,513, dem Schnitt- punkt der ersten Ableitungen beider Funktionen, ab, wie rechnerisch

Page 18: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

424 Hans Bauer: RSntgenauslSsung yon Chromosomenmutationen

ermittel t wurde, schw~cher gekrfimmt verl~uft 1. Die Beziehungen zwisehen diesen Kurven sind in der Abb. 7 dargestellt. Die der Gleichung (8) folgende Kurve zeigt also wie die experimentell erhaltene der Abb. 6 die stiirkere Krfimmung im untersuchten Bereich.

Die Formel (8) ist auf dem Wege fiber einige vereinfaehende An- nahmen abgeleitet worden, deren EinfluB nun noch zu priifen ist. Zu- ns ist tyL [bzw. der entspreehende Ausdruck in Gleiehung (6)] sicher nicht gleich der Zweitrefferkurve, die zu der bx reprAsentierenden Ein- trefferkurve gehSrt, hat also n icht gleiehes kD. Setzt man tyL-= 1 - - e -akD (1 + akD) , so ergibt sich die allgemeinere Formel

N2 e (a-l) kD 1 - - 1 , N~ 1 -t- akD

aus der sich bei a = 1 die Formel (8), bei a = 0 die Eintrefferfunktion als GrenzfAlle ergeben.

Die weitere Annahme, dal~ b x = d x Jr tx, ist ebenfalls nicht voll- st~ndig riehtig; denn ein Teil der wirksamen Brfiehe in Xc kombiniert sich zu Inversionen, so dab N~ > Z ' - - b x . Dadurch ergibt sich, well Inversionen auf Mehrtreffer-Ereignisse zuriiekgehen, an Stelle der Ein- trefferkurve ffir b x sehon eine fiberkriimmte Kurve. Die Gleichung (8) wiirde, wenn man den Anteil der infolge Inversionen fiberlebenden ~ $ gleich 1 - - e -bkl) (1 -~ b k D ) setzt, die folgende Formel annehmen:

N~ 1 1--e--bkD (l d-bkD) 1 - - N ~ - --= 1 ld -kD e--kD ( l ~ k D )

:Die sie darstellende Kurve zeigt eine gegenfiber Gleiehung (8) verstiirkte Kri immung; bei hSheren Werten yon b wfirde sie sogar mit steigendem kD nicht mehr zu d- 1 als Grenzwert bin verlaufen, sondern sich abwi~rts krfimmen und negative Werte ($-(~rberschul3) annehmen kSnnen.

Die gegenfiber dem urspriinglichen Ansatz geringere H~ufigkeit yon t ffihrt also zu einer verminderten, das Auftreten der Inversionen zu einer verst~rkten Krfimmung. Beide Faktoren wlrken somit gegen- s~tzlich und werden in der Resultante eine etwas geringere Krf immung als nach (8) ergeben, weil reziproke Translokationen eine grSl~ere H~ufig- keit baben, die sich zu der der Inversionen wie 2:1 verh~lt (Mitt. I), doch kSnnte dieses Verh~ltnis noch grSl~er werden - - und damit die Krfimmung noch geringer - - , wenn, wie es oben als mSglich erSrtert wurde (S. 418), Inversionen in X c seltener sind als in X +.

Diese Erweiterungen reehnen wie die ganze bisherige Ableitung damit, dad sich alle Beziehungen durch echte Ein- und Zweitrefferkurven aus- driicken lassen. Auch diese Annahme ist nicht unbedingt richtig. Die Brfiche an verschiedenen Orten des Chromosoms brauchen nicht alle mit gleichem k auslSsbar zu sein; durch diese als ,,biologische Variabilit~t"

1 Herrn Dr. P.~TAU schulde ich Dank ftir seine Ratschl~ge bei der Behandlung dieser und anderer mathematischer Fragen.

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bei Drosophila melanogaster. II. 425

zusammengefal~te unterschiedliche Bruchwahrscheinlichkeit der einzelnen Bruchorte (Zn~E~ 1941; LA_WG~DO~ und SO~ERM~YW~, 1940) kommt schon bei der Eintrefferkurve eine ~berkrfimmung zustande. Doch wird diese in dem bier behandelten Zusammenhang wohl nur in be- grenztem Umfang beteiligt sein; jedenfalls liegt kein Grund zu der Annahme vor, dab so extreme Verh~ltnisse vorliegen, wie sie ZI_~WE~ in seiner Abb. 2, Kurve 3, auf Grund der Annahme mutationsf~higer Einheiten gleicher 1-I~ufigkeit, aber yon wie 1 :10 verschiedenem l~ berechnet hat. Sind solche Verh~ltnisse nicht zu erwarten, so bleibt der Unterschied dieser abgewandelten Eintreffer- und der entsprechend ver- s Mehrtrefferkurven gegeniiber den echten Ein- und Zweitreffer- kurven gering, so dab die letzteren ohne zu grol~e Fehler zugrunde gelegt werden kSnnen.

Zusammenfassend ergibt sich also fiir den Fall der AuslSsung der Einzelbrfiche durch einen Treffer, dal~ je nach den komplizierenden Be- dingungen verschieden stark fiberkrfimmte Kurven erwartet werden kSnnen. Diese bilden eine Kurven~char, deren obere Grenze durch die Eintrefferkurve, deren untere etwa dutch die Funktion (8) gegeben ist Das Marl der Bruchhiiu/igkeit ist in ]edem Fall die im Nullpun]ct an die Kurve gelegte Tangente.

Wenn die Einzelbriiehe selbst Mehrtreffe~-Ereignisse darstellten, wiirden aus den Gleichungen (6) und (7) immer nur, gleichgfiltig welche quantitativen Beziehungen zwischen bx und t bestfinden, Kurven vom Mehrtreffertypus hervorgehen.

c) Das Schiclcsal der Zygoten mit bizentrischen Doppelringen. Als weitere Vorfrage mul] noah geprfift werden, wie h~ufig die bizentrisahen Doppelringe eliminiert werden oder zygotisch letal wirken. Zwischen diesen beiden Verhaltensweisen zu unterscheiden, ist auf verschiedene Weisen mSglich. Die Versuchsanordnung mul~ so getroffen werden, dai~ sich die bei Gesehlechtsumwandlung infolge Elimination auftretenden X0-~3 als besondere Klasse erfassen lassen. Am einfachsten ist das auf genetischem Wege mSglich. Dabei gehen alle Kreuzungsverfahren darauf zurfick, ein Y zu verwanden, das einen im weiteren Sinne fiber einen des X dominanten Faktor enthalt. Da geeignete Spezialst~mme nicht zur Verfiigung standen, wurde die Untersuchung mit einer rezi- proken Translokation zwischen Y und dem Autosom 2, das den domi- nanten Faktor Lobe (L) enthielt, durchgeffihrt.

Diese T u wurde auf dem fiblichen Wege hergestellt: RSntgen- bestrahlte 33 eines Lobe/Curly-Stammes warden mit ~--$9 gekreuzt, die F1-L- 3 3 mit -~- ~ ~ rfickgekreuzt und unter den F2-Einzelkreuzungen diejenigan Kulturen ausgesueht, in denen L nur im 3 auftrat. Unter einer l~eihe solcher Translokationsst~mme wurde einer ausgew~hlt, der einen niedrigen Prozentsatz spontaner Ausnahmetiere ergab. Die eytologische Untersuchung an Speicheldrtisen zeigte ein normales

Chromosoma. 2. Bd. 28

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426 Hans Bauer: R6ntgenausl6sung yon Chromosomenmutationen

Tabelle 5. Das Geschlechtsverh/~ltnis in der F 1 der Kreuzung normaler b e s t r a h l t e n 3c~

1

Kreuzung

~. X , T Y - 2 , L yw/anO v ~+ y;

y w / , n o ,/x~c2 ~. TV ~ r~

Versuchs- a r t

Kontrolle

4000r

Kontrolle

4000r

F1 Gesamt- anzah l

2672

4581

3216

Anzahl % • m-% [

1039 38,88 0,94

1795 39,18 -}- 0,72

1278 39,74 q- 0,86

Chromosomenbild. Der Bruch in Chromosom 2 mull also im Hetero- chromatin liegen.

Diese nur heterozygot verwandte Translokation zeigt, wie alle hetero- zygoten Translokationen, scheinbare Koppelung der beiden beteiligten Chromosomen. Alle normalen 3 ~ sind also L, alle ~ ~ L+. Die XO-~ lassen sich als umgewandelte $ $ an ihrer normalen Augenform erkennen.

Diese Translokation wurde mit X + und X c kombiniert und in beiden F/~llen Kontroll- und Bestrahlungsversuche, letztere mit der einzigen Dosis yon 4000 r, durchgeffihrt. Die Ergebnisse sind in der Tabelle 5 zusammengefaBt.

Einer Er6rterung bedaff zun~chst die X+-Kontrolle (Zeile 1 der Ta- belle 5). Sie zeigt einmal, dab die erwarteten Klassen, L - 3 3 und L+. ~, sehr ungleich hs sind. Start wie 1 : 1 treten sie im Verh~ltnis 1 : 1,5 aus. Hierin driickt sich die durch die Translokation verringerte Lebens- f~higkeit der 3 3 auf. Daneben treten als Ausnahmeklassen L+. 3 3 und L - $ ~ auf. Diese k6nnten in ihrem Ursprung auf verschiedene Weise gedeutet werden: Abgesehen yon der unwahrscheinlichen Annahme yon spermatogonialem Faktorenaustausch kommen VerteilungsstSrungen in den Reifeteilungen in Betracht. Die Spaltungsm6glichkeiten der aus X, 2 und den beiden Translokationschromosomen bestehenden Vierer- gruppe gibt Tabelle 6 wieder. Aus ihr geht hervor, dab primate Aus- nahmetiere nur bei ~Tondisjunktion (4. Zeile der Tabelle 6) entstehen kSnnen. I)a im ~ nun keine M6glichkeit zu gerichteter Reduktion bei Nondisjunktion besteht, wie sie i m $ vorkommt, sollten die komple- menti~ren Gameten gleich h~ufig sein und die sich yon ihnen herleitenden Zygoten in ihrem Hs dem der normalen Klassen ent- sprechen. Start aber wie 1 : 1,5 verhalten sie sich wie 1 : 6. Es t r i t t also ein durch primate Nondisjunktion nicht erkli~rbarer (~berschu6 yon XO-, ~ ~ auf. ])ieser kann nur durch Elimination best immter Chromo-

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bei Drosophila melanogaster. II. 427

9~ mit ffir die Y-2-Trans loka t ion he terozygoten , unbes t rah l ten und Kul tu ren bei 27 ~

L+-r (XO)

.J.~nzahl % ~ m-%

61 2,28 • 0,29

225 4,91 • 0,32

81 2,52 • 0,28

9,63 1 • 0,52

L-~ ? (XXY)

:knzahl % • m-%

10 0,37 ~0,12

10 0,22 • 0,07

l l 0,34 :]:: 0,10

0,25 • 0,09

L +_ ~o (XX)

Anzahl % • m-%

1562 58,46 • 0,95

2551 55,69 • 0,73

1846 57,40 :t_ 0,87

39,33 • 0,87

Alle ? ko r r ig .

% -- m-%

50,00 •

47,51 • 0,62

50,00 • 0,75

34,28 • • 0,75

somen w/~hrend der Reife~eilungen oder in der 1. Furchungsteilung ent- stehen. Die dafiir vorhandenen M6gliehkeiten zeigt ebenfalls Tabelle 6, und zwar kommen in erster Linie die dutch die unb~taneierten G ameten gegebenen M6glichkeiten in Betraeht (Zeilen 2--3), da die auf sie zurfiek- gehenden Zygoten ebenso h/~ufig gebildet werden mfissen wie die balan- eierten (Zeile 1), w~hrend die Nondisjunktionsklassen (Zeilen 4--7) yon vornherein zu selten sind. Von den ar/balancierten Klassen kSnnen nur die Zygoten ohne v/iterliehes X dutch. Elimins yon 2 -u bzw. Y-2 lebensf~hig werden, also XO-c?3 ergeben. Eine komplement/~re Klasse yon Ausnahme- ~ ? gibt es dazu nicht. Solche $ ~ sind zwar aus Zygoten ableitbar, die yon Nondisjunktiongameten hers tammen (Zeile 5, 6), doeh sind sowohl Nondisjunktion wie Elimination seltene Ereignisse, so dag ihr Zusammentreffen ganz unwahrseheinlieh wird; allerdings wiirden

Tabelle 6. Die M6glichkeiten der Gamete:l- und Zygotenbi tdung in der Kreuzung normaler ~ mit fiir die u

X 2 Y-2 2-Y he te rozygoten ~ : ~ - - 2 x X 2 �9 (L = Lobe.)

Balanciert

2, Unbalanciert

3 .

j4. Aneuploid t (Non- 5.

disjunktion) 6.

3 - Gameten

1. Y-2, 2-u X, 2

X, Y-2 2-Y, 2

X, 2-Y Y-2, 2

2

Y-2

2-Y

X, Y-2, 2-Y

X, 2-Y, 2

X, Y-2, 2

Y-2, 2-Y, 2

Zygoten

ursprf ingl ich I na~ch E l imina t io r

, XY, L XX, L +

Letal -t Letal Legal Letal

XO, L+ ! XXY, L

Letal Letal

LetM Letal

Letal

(X) -> XO, L~

(~.y~ X0, L~

XO, L~ (Y-2)

- ( X i ~ X Y , L

(2-Y~ XX, L~

~" X X , L~ (Y-2) (2) + XY, L

28

Page 22: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

428 Hans Bauer: RSntgenausl6sung yon Chromosomenmutationen

die dabei entstehenden XX-~ 9 sich auch nicht von normalen L+-~ unterscheiden lassen. Die grSBere H/~ufigkeit der Ausnahme-~ 6 beruht also auf spontaner Elimination in urslorfinglich unbalancierten Zygoten.

I)er zu dieser Kontrolle gehSrige Bestrahlungsversuch (Tabelle 5, Zeile 2) zeigt dieselbe Erseheinung wie alle X+-Versuche (vgl. Tabelle 2) : die tt~ufigkeit der $ ~ wird etwas verringert, und zwar, wie der korrigierte Prozentsatz zeigt, um etwa das gleiehe wie in den friiheren Versuchen. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Ausnahme-~c~ auch auf etwa das I)olopelte der Kontrolle. Hierin ist ebenfalls in erster Linie eine rSntgen- induzierte ErhShung der Elimination zu erblieken. Ein Tell k6rmte allerdings auch auf dem Auftreten sehrlanger I)eletionen im autosomalen Sehenkel des in den unbalancierten Gameten vorhandenen u oder 2-u beruhen, wodurch dab l~estehromosom als fiberz/s Element das Gengleichgewicht nicht mehr so stark verschiebt, dab die unbalancierte Zygote abstirbt. Jedoch dfirften solche groBen I)eletionen zu selten sein, um einen nennenswerten Anteil der XO-c~d~ zu liefern.

Die Versuehe, in welchen die Translokation mit X c kombiniert war, entslarechen wiederum den oben behandelten XC-Versuchen. Die Kon- trolle (Zeile 3) ist yon der X+-Kontrolle statistisch nicht verschieden. Nach RSntgenbestrahlung (Zeile 4) erfolgt eine erhebliche Abnahme der

9 auf korrigiert 34,28% 1. Andererseits steigt die Anzahl der Ausnahme-~3 betr/ichtlich, auf

etwa das Vieffaehe des Kontrollwertes, also erheblieh mehr als in den Versuchen mit X +. Diese verst/irkte Zunahme der X0-~7c7 mug auf Kosten der normalen 9 9, also durch Elimination der bizentrischen Doppelringe entstanden sein.

Tabelle 7. Berechnung der Haufigkeit der Eliminat ion bizentrischer Doppelringe (E.rl~uterung im Text).

Kreuzungs-Nr. Anteil aus Tabelle 5 % XY-~ ~ % XO-~ ~ % ~ ~ Gesamt der Elimination

am 9-Ausfall

3 39,74 2,52 57,74 100,00

4, auf 3 bezogen 39,74 7,53 30,97 78,24 5,01

Differenz - - + 5,01 --26,77 --21,76 ~ = 18,7%

2 39,18 4,91 55,91 100,00

4, auf 2 bezogen 39,18 7,43 30,53 77,14 2,52 9,9%

Differenz - - A- 2,52 - - 25,38 - - 22,86 25,38

1 Sowohl in den X+. wie in den Xc-Versuchen sinkt nach Bestrahlung auch die Anzahl der Ausnahme- ~ ~ etwas, und zwar in beiden Serien etwa gleiehstark, wenn auch in ]edem Einzelfall nieht statistiseh gesichert. Da diese Abnahme nur 0,15 bis 0,09% betragt, braucht sie bier nicht beriicksiehtigt zu werden, wie auch die ErSrterung der m6gliehen Ursachen unterbleiben kann.

Page 23: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

bei Drosophila mela.nogas~er. II. 429

Um nun den Anteil zu berechnen, den die Elimination am ?-Ausfall hat, ~mrde folgendermagen vorgegangen (Tabelle 7). Da die normale (L-) d~ c?-Klasse dureh die Mutationen in X c nieht beeinfluBt wird, wnrde der d-Prozentsatz des Bestrahlungsversuehes dem der Kontrolle gleieh- gesetzt und die iibrigen Klassen entspreehend korrigiert, indem sie mit dem Faktor N x y - K o n t r . / N x y - 4 0 0 0 r multipliziert wurden; darauf wurden die Differenzen zwischen den Kontroll- und den so korrigierten Bestrah- lungswerten gebildet. Zwischen der XC-Kontrolle und der XC-Bestrah- lung ergibt sich so ein ?-Ausfall von 26,77%, der z u m geringen Teil durch die Zunahme der X O - 3 3 um 5,01% ausgeglichen wird. Als Anteil der Elimination ergibt sich dann, da Vitalit/itsunterschiede zwischen XO-3c~ und X X - $ ? wegen der Abwesenheit der Translokatiou nicht bestehen, der Quotient 5,01 : 26,77 = 18,7%. Von den Zygoten, die einen bizentrischen Doppelring erhalten, sterben also 81,3 %, wahrend die iibrigen zu ~3 umgewandelt werden.

Genauer ware natiirlich der Vergleich nicht der beiden XC-Versuehe, sondern der der beiden Bestrahlungsversuche mit X + und Xc; denn auch bei X + erfolgt durch die Bestrahlung ja eine Zunahme der XO-d~ 3. Bezieht man diese beiden Versuche in derselben Weise aufeinander (Tabelle 7 unten), so erhalt man einen geringeren Anteil der Elimination in HShe yon nur 9,9%.

Es ergibt sich also, dab die bizentrischen DoppeMnge in 10--20% eliminiert werden und in 90--80% wohl auf dem Wege der fortgesetzten Querdurchtrermung und Briickenbildung und der dadurch bedingten StSrung des genischen Gleichgewichtes zum Absterben der sich ent- ~ickelnden Eier fiihren. Diese Anteile der beiden Verhaltensweisen sind yon der Bestrahlung unabhangig und somit fiir alle Dosen als gleich zu setzen.

d) Die BruchhiiuJiglceit. Die Klarung der Vorfragen nach dem Zu- standekommen der iiberkriimmten Kurve und nach dem Schicksal der Zygoten mit einem bizentrischen Doppelring erlaubt nun, das Beobaeh- tungsmaterial der Tabelle 4 genauer auszuwel~en.

Zunachst sind die korrigierten 9-Prozentsatze nach den ~'ormeln (6) und (7) umgerechnet worden (Tabelle 8, die beiden linken Spalten), aus ihnen wurde fiir jede Dosis der Wert fiir 1.8,7% Elimination, das 9-Defizit erhalten (3. Spalte der Tabelle 8).

Die Werte ffir 9,9% Elimination sind nicht wiedergegeben worden. Sie sind zwar die korrekten, aber nur dann verwertbar, wenn die X c- 2- Prozents/itze auf diejenigen gleieher Dosis fiir X + bezogen werden. Hierdurch werden die Prozente der linken Spalten der Tabelle 8 etwas erniedrigt, wahrend die geringere Elimination wieder eine ErhShung bedingt. Die endgiiltigen Werte ~qirden also in beiden ]~erechnungs- weisen wieder mindestens weitgehend iibereinstimmen.

Page 24: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

4~0 Hans Bzuer: R6ntgenausl6sung von Chromosomenmutai~ionen

Die ~-Defizi twerte s ind in der Abb. 8 e ingetragen und ihnen eine m6gl ichst genau passende, der Forme l (8) en tsprechende i iberkr i immte K u r v e graphisch zugeordnet 1 Die Abb. 8 zeigt, dab die EinzeLverte sich dieser K u r v e gu t anffigen. Der Grad der Ubere ins t immung l~tgt sich aber besser als aus der Abbi ldung einer vere infachten s ta t i s t i schen Prfifung entnehmen. Tabel le 8 enth/~lt in der 4. Spa l te die mi t t l e ren Fehle r zu den ~-Defizi twerten. Diese sind die umgerechneten Fehle r

~ I j

o / / L0

20

,//o/-'o

'~ / ) ~ [ i i i I r i P ] I

0 1000 2090 ' 3000 qO00 50gg 6000 r

Pesis kD Abb, 8. Vergleich dcr ~-Defizit-~Verte mit der Funktion ~ ; die \Verte ffig'en sk.h

tier Hyperbel gut an mit Ausnahme des Anfangsteiles. Dariiber eingezeichnet die zugehUrige Eintrcffcr-Kurvc und die kD-Geradc. * ~Verte dcr 1., o ~Vcrtc der 2. Versuchsgruppc.

der beobach te ten ~-Prozents~tze der Tabel le 4 und wurden so gewommn, dab N~-% - - m - % und N~-~ @ m-% genau so behande l t wurden wie die N~-%-Wer te . Man erh/~lt so um eine Feh]erbre i te nach oben und un ten ver/~nderte $-Defizi twerte, deren geringffigig verschiedene Diffe- renzen gemi t t e l t die in der 4. Spa l te der T~belle 8 e inget ragenen Feh le r darstel len. Die 5. Spal te der Tabel le g ib t die Erwar tungswer t e an, die sich aus der in Abb. 8 e inget ragenen K u r v e geben; und die le tz te Spa l te

Eine rechnerischc Zuordnung durch Ermittlung eines gewichteten Mittel- wertes yon k aus den Experimentaldaten fiihrt wegen der Abweichungen der nied- rigen Dosiswerte zu gr6Beren Unstimmigkeiten.

Page 25: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

bei Drosophila melanogaster. II. 431

Tabelle 8. Berechnung des ~-Defizits und Vergleich mit der Funkt ion kD

l + k D

Dosis

75 150 250 375 500 625 750 875

1000 1125 1250 1375 1500 1625 1750 ]875 2000 2250 2500 3000 3500 40OO 50OO 6000

2N9 1 - ~ ~

(100 % Elimination)

2,28 3,17 2,85 4,27 4,65 5,68

6,54 6,90 7,21 7,79 9,76 9,51

11,87 12,22 14,45 13,46 15,36 15,93 19,03 20,33 22,88 25,93 32,16 35,76

(o % Elimination)

~-Defizit (18,7 % Elimination)

4,46 6,14 5,53 8,19 8,88

10,74 12,28 12,91 13,45 14,46 17,78 17,37 21,21 21,78 25,25 23,73 26,64 27,49 31,97 33,79 37,24 41,18 48,67 52,68

nach Tabelle 4 bcrcchnet

4,05 5,59 5,03 7,45 8,09 9,80

11,20 11,78 12,28 13,22 16,28 15,90 19,47 19,99 23,23 21,81 24,53 25,33 29,29 31,28 34,56 38,33 45,58 49,52

erwartet nach Gleichung (8)

ffirk=l,6.10 -4 (Abb. 8)

• 1,11 1,19 4- 1,09 2,34 4- 0,94 3,85 4- 1,07 5,66 4- 1,15 7,41 4- 1,15 9,09 4- 0,96 10,71 4- 1,00 12,28

0,97 13,79 ~= 0,91 15,24 4- 0,83 16,67 4- 0,83 18,03 4- 0,75 19,35 4- 0,77 20,63 • 0,71 21,88 4- 0,79 23,08 4- 0,76 24,24 • 0,74 26,47 4- 0,65 28,57 4- 0,73 32,43 4- 1,37 35,90 4- 0,79 39,02 4- 0,70 44,44 • 0,75 48,98

Fehlerbreite dev -Defizit-~Vertc.

innerhalb deter die

Erwartungswcrte liegen

- - 3 m m 3 m

~--2m l - - 2 m - - l m m l m - - l m + l m § + 3 m - - l m + 3 m - - l m + l m - - -2m + 2 m - - l m + 2 m -=-2m § + l m + l m ---2m --~lnl

schlie61ich zeigt, in welchem Fehlerbereich der Beobaehtungs- die Er- wartungswerte liegen. Aus dieser Spalte geht deutlich hervor, daft bei den niedrigsten Dosen eine systematische Abweichung auftritt und dab allgemein die Werte der 2. Versuchsgruppe sich sehlechter anpassen. W/s ffir die letztere Unstimmigkeit z. T. die Unterschiede in den Vet- suehsbedingungen (vgl. S. 409) verantwortlieh gemacht werden k6nnen, mfissen die Abweiehungen yore Anfangsteil der Kurve, die sich in beiden Versuchsgruppen bemerkbar machen, eine andere Ursache haben. Diese ist zweifellos in der Festlegung des Nullpunktes gegeben. Dutch :B zug auf den korrigierten K~ntrollwert yon 50% wird diesem eine, statistisehe Genauigkeit gegeben, die er nicht hat, wenn auch Mar ist da6 seine Streuung geringer sein mu{~ als die der iibrigen Prozentwerte, bei denen dureh die Bestrahlung eine zus~tzliche Streuung bedingt wird. Dureh den zu tief liegenden Nullpunkt ist also die in Abb. 8 eingetragene Kurve zu stark iiberkriimmt. Der ihr entspreehende Faktor k ist also zu grof~ und kann somit als der oberste Grenzwert angesprochen werden. Die durch ihn angegebene mittlere Bruehanzahl je X bei 1000 r betr~gt 0,16.

Page 26: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

432 Hans Bauer: RSntgenauslSsung Yon Chromosomenmutationen

Um eine Sch/~tzung ffir den unteren Grenzwert zu erhalten, wurde ermittelt, bei welcher Lage des Nullpunktes die Versuchswerte sich m6glichst gut einer Eintrefferkurve zuordnen lassen. Diese Berech- nungen sind nur ffir die genauere 1. Versuchsgruppe durchgeffihrt worden. Es ergab sich, da$ bei Korrektur auf einen Kontroll- $-Prozentsatz yon 48,44% ( = N~-% - - 2 , 5 m-%) die Versuchswer~e dem Verlauf einer Ein~refferkurve weitgehend folgen. Tabelle 9 gibt die Prozentwerte des

Tabelle 9. Vergleich des ~-Defizits miv derEin t re f fe r -Funkt ion 1--e -kD-

])osis in r

250 500 750

1000 1250 1500 1750 2000 2500 3000 4000 5000 6000

?-Defizit in % • m- % bei Bezug

aufNo--2,5m der %(ontrolle

2,98 -4- 0,97 6,14 :J: 1,18 9,35 :L 0,99

10,47 -4- 1,00 14,58 ~ 0,86 17,86 • 0,78 21,73 • 0,74 23,07 f 0,78 27,96 -4- 0,67 30,00 =L 0,75 37,23 • 0,81 44,66 • 0,72 48,88 ~= 0,77

Erwartet bei direkter Dosisproportionalit~t

(Eintrefferkurve k = 1,24-10 -4 )

Fehlerbreite der 9-Defizit-Werte, innerhalb derer die Erwartungswcrte

liegen

- - 2 m

- - 2 m

- - 2 m

- - 2m

+ 3m "- 3m + > 3 m

$-Defizits wieder. Die Fehlerberechnung wurde wie ffir die gleich- artigen Werte der Tabelle 8 vorgenommen. Die Erwartungswerte wurden erhalten, indem die verschiedenen 9-Defizit-Prozente als Eintreffer- werte behandelt und aus ihnen ein Mittelwert ffir k, aus diesem dann die Erwartungswerte ffir die einzelnen Dosen bereehnet wurden. Die rechte Spalte der Tabelle 9 zeigt, daI3 Beobachtung und Erwartung sich im An- fangsteil der Kurve gut decken. Im weiteren Verlauf machen sich aber systematische Abweichungen bemerkbar; im Bereich yon 1500--2500 r ]iegen alle Beobaehtungswerte fiber, yon 3000--6000 r unter der Ein- trefferkurve. Hierin zeigt sich die st/~rkere Krfimmung der experimen- tellen Kurve an. Wegen dieser st/~rkeren Krfimmung und wegen des bei der Berechnung angenommenen unwahrseheinlich niedrigen ~-Pro- zentsatzes der Kontrolle ist also der der Eintrefferkurve entsprechende Faktor k zu niedrig und kann dami$ als unterster Grenzwert angesehen werden. ]hm entspricht eine mittlere Bruchanzahl im X-Chromosom yon 0,124 bei 1000 r.

Damit ist die Bruchh/~ufigkeit des X eingeengt auf den Bereich zwischen 0,12 und 0,16 je 1000 r und dfirfte bei dem zwischen einer Ein- trefferkurve und der Hyperbe] liegenden Krfimmungsverlauf der Beob- achtungskurve, wenn dieser aueh nieht genau zu ermitteln ist, zwischen 0,13 und 0,15 ]iegen.

3,06 6,02 8,89

11,68 14,38 16,99 19,53 21,99 26,68 31,10 39,14 46,26 52,52

+ l m --- l m - - l m + 2m

- - 111a

Page 27: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

r bei Drosophila melanogaster. II. 40,)

Aus dem allgemeinen Verlauf der Beobachtungskurve geht somit hervor, dab die Grundannahme der Eintreffer-AuslSsung eines Bruches richtig ist. Die GrS[te der ermittelten Bruchh~ufigkeit zeigt auiterdem, dab die Einzelbri~che die hiiujigste Strahlenrealction im Genom darstellen; denn die ebenfalls an Spermien bestimmten Werte ftir Letalfaktor- und Vitalits sind etwa 0,03 bzw. 0,08.

e) Die BruchMiu/iglceit unter abgednderten Bestrahlungsbedingungen. Wenn die Hs der Einzelbriiche oder der Rekombinationsvorgang oder beide yon der Art der Bestrahlung abhi~ngen, so sind bestimmte Ab/~nderungen des Verlaufes der Beobachtungskurve zu erwartcn. Nimmt die Bruchh/~ufigkeit bei gleichbleibendem Anteil der Ein- und Mehrtrefferprozesse ab, so muB die Kurve bei unveri~nderter Form tiefer liegen. Bleibt die Bruchhi~ufigkeit gleich unter gleichzeitiger Abnahme der Mehrtreffervorgiinge, so 'muB sie hSher liegen und weniger stark gekriimmt sein. Das ergibt sich ohne weiteres aus den oben durch- gefiihrten Ableitungen. Die unmittelbar zu beobachtenden 9-Prozent- s~tze verhMten sich umgekehrt.

Als abges Bestrahlungsbedingungen kommen im wesentlichen zwei in l~rage: verschiedene Wellenl~nge und andere zeitliche Verteilung der Bestrahlung. Bei der Untersuchung der Letalfaktorausl6sung hat die EinfluBlosigkeit dieser beider Faktoren bekanntlich sehr wahrschein- lich gemacht, dab diese Mutationen in einer Um/~nderung innerhalb eines definierten Atomverbandes bestehen (vgl. Z I ~ E ~ und TI~Or~EFF- RESSOVSKY, 1942).

Derartige Versuche sind am XC-Chromosom bisher nur in geringem Umfange durchgefiihrt worden. Die Ergebnisse zeigt Tabelle 10. Die "(nderung der Wellenliinge yon mittelharten zu sehr weichen RSntgen- strahlen (Grenzstrahlen 1) ist ohne EinfluB auf den ~-Prozentsatz;

TabeHe 10. Das Gesch lech t sverh /~ l tn i s inderF l d e r K r e u z u n g y w c v v / • X c2, cvv/ nach P-c~c~-Bestrahlung unter var i ie r ten Bestrahlungs-

bedingungen.

B e s t r a h l u n g s a r t

Grenzstrahlen

Mittelharte R6ntgenstrahlen,

fraktionierte Verabfolgung

J F1 D o s i s ] G c s a m t - _ _ i n r I a n z a h l

3000 17082

3•

4 • 300

15847

17876

A n z a h l [ % • /

i

6757 39,56•

7182 45,32•

7982 44,65q- 0,37

1013 I 30,27i0,79

V e r g l e i e h s w c r t e a u s T a b c l l e ~:

39,063= 0,27

45,99• (875r) 45,49:l: 0,30 (1000r)

45,55• (1125r 44,24• (1250r)

31,49~ 0,35

Fiir die Durchfiihrung der Bestrahlung bin ich Herrn Dr. K.G. ZI~EI~ zu Dank verpfliehtet.

Page 28: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

434 Hans Bauer: R6ntgenausl6sung yon Chromosomenmutationen

der Unterschied zwischen den beiden Werten ist statistisch nicht bedeutungsvoll.

Zur Prfifung des etwaigen Einflusses eines Zeitfaktors wurden nut einige Versuche mit fraktionierter Bestrahlung vorgenommen, wobei die Teildosen im Abstand yon 24 Stunden unter sonst dem Hauptversuch gleichen Bestrahlungsbedingungen verabfolgt wurden. Die unregel- m~Sigen Dosen 900 und 1200 r sind aus teehnischen Grfinden (Abbruch der Versuehe infolge ApparatstSrung) zustande gekommen. Wie die Werte der Tabelle 10 zeigen, haben aueh diese Versuche keinen Unter- sehied zwisehen fraktioniert und kontinuierlieh verabfolgter Dosis erkemlen lassen. Es liegen die ?-Prozentwerte zwar niedriger als die der Vergleichwerte, ~de-es zu erwarten w/~re, wenn infolge der Fraktionierung nur die Rekombinationen weniger wtirden. Jedoch tr i t t dieses bei dem 900 r-Versueh nur deshalb in Erscheinung, weil beide Naehbarwerte, ~de sowohl Tabelle 8 ~'ie 9 zeigen, zu hoeh sind. Im fibrigen sind aber diese Untersehiede sowohl bei 900 wie 6000 r aueh nieht statistiseh gesichert.

Obwohl diese Versuehe an Umfang sehr gering sind, so sprechen sie doch dafiir, dab das Chromosomenmutationsgesehehen yon einer Variation der Bestrahlungsbedingungen unabh/ingig ist. Damit ist dann nicht nur ausgesagt, dab der prim/ire Bruch direkt ausgel6st ~ r d , sondern auch, dab der gekombinationsvorgang selbst nicht beeinfluBt wird. Dieses Ergebnis kann nur so gedeutet werden, daf~ die gekombination iiberhaupt nicht innerhalb des yon der Bestrahlung erfaBbaren Zeit- abschnittes erfolgt. Die induzierten Einzelbriiche miissen demnach in rekombinationsf/~higem Zustand erhalten bleiben, bis zu einem sp/~teren Zeitpunkt, bei der Vorkernbildung naeh der Befruchtung, ihre wechsel- .~eitige Rekombination eintritt (s. auch weiter unten).

III. Die Entstehung der Chromosomenmutation im Liehte der neuen Ergebnisse.

1. Die Dosisabhit~,gigkeit der Mehr- Bruch-Rekombinationen.

Untersuchungen iiber die R5ntgenausl6sung von Chromosomen- mutationen sind in den Ietzten Jahren zahlreich durehgeffihrt worden. Fast al]gemein wird die STADLERsche Bruchhypothese den Deutungen zugrnnde gelegt, nach der die Mehr-Brueh-Mutationen auf einzeln an- gelegte, sich nachtr/iglich zu zwei oder mehreren untereinander rekombi- nierende Brfiche zuriickgehen (vgl. Mitt. I). Als Beweismaterial dienen bei dieser Zustimmung zu dcr Bruehhypothese in erster Linie die Er- gebnisse fiber die Dosisproportiona]its unter der Annahme, dab die Einzelbrfiche durch einen Treffer, also direkt proportional zur Oosis ausgel6st werden, sind die Translokationen, Inversionen und andere Zwei-Brucb-Mutationen als Zweitreffer-Ereignisse aufzufassen und miissen desha.lb in einer quadratisehen Beziehung zur :Dosis auftreten.

Page 29: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

bci Drosophila melanogaster, lI. 435

Nach dem Materia, l und seiner Auswertung ,sondern sich diese Unter- suehungen in zwei Gruppen: 1. Analysen an Pollenzellkernen (fiber andere Zellarten vgl. den n~ichsten Abschnitt), 2. Analysen an auf bestrahlte Spermienkerne zurfiekgehenden Nachkommenschaften yon Drosophila melanogaster.

In der ei'sten Gruppe erlaubt die eytologisehe Untersuchung der Mitose nach Bestrahlung der vorangegangenen Interphase nieht nut das Vorhandensein oder Fehlen einer best immten Mutation, sondern auch - - bei nieht zu hohen Dosen - - die Anzahl der Mutationen je Kern festzustellen. Die Dosisproportionalit~it kann somit auf verschiedene Weise abgegeben werden: Entweder wird die I-I~iufigkeit der eine be- s t immte Mutationsart, z .B. Translokationen, aufweisenden Einheiten (Kerne u. a.) best immt ohne Rfieksicht darauf, ob die Mutation einmal oder mehrere Male in der gleiehen Einheit vorkommt; man erh/flt so Dosisproportionalit/~tskurven von der Art der theoretisehen Treffer- kurven, bei denen die H~ufigkeit der mutierten Einheiten infolge des ,,S~ttigungseffektes" (des Auftretens mehrerer gteiehartiger Mutationen in derselben Einheit) zwisehen 0 und 1 liegt. Oder es wird die H/tufig- keit der untersuehten Mutationen unmittelbar angegeben, wobei HRufig- keiten ~ 1 gefunden werden k5nnen, die S/~ttigung also zum Teil aus- gesehaltet wird. Die nach diesem seit SAx (1938) iibliehen Verfahren erhaltenen I)osisproportionalit/~tskurven werden nicht als Trefferkurven, sondern als Exponentialkurven yon der Art ]3-----(D/K) u angegeben, wobei B die Mutationsh/~ufigkeit, I) die Dosis, 1/K eine Mutations- konstante und p den Dosisproportionalit/~tsexponenten darstellen.

Die Beziehungen derartiger Exponentialkurven zu den Treffer- kurven, die von den sie verwendenden Untersuehern nicht genau disku- tiert worden sind, sind bei Eintreffer-Ereignissen einfach. Die Ein- treffer-Kurve

[ kD (kD)" .. (kD) ' I ] ....

Yl := 1 - - e - k D == e - k l ) ' k D 1 ! 2,. 3! n:

wird, wenn man die die Mehrtreffer-Ereignisse zusammensetzenden Einzelereignisse vollst/indig, also einZweitreffer- als 2 Eintreffer-Ereignisse usw., erfassen, die Ss somit ausschalten kann, zu

Yl '= e - k U ' k D 1 - : - ~ ( k D -~-- (kD).~ . n . . --- ~. ( k l ) ) " -

=- e - k J ) . k D - e kD ~ kD.

In diesem Fall wird bei B =-- (D/K) 1 der Proportionalit/itsfaktor 1/K - k.

Komplizierter ist die ]3eziehung bei Zwei- und Mehrtreffer-Ereig- nissen. Bei der Zweitrefferkurve

Y2 =: 1 --- e --I~D (1 kD) I~ D (k D) "~ '~ o

_ - - ) o - - - - e - �9 2 - I : 3-,-kD ~ . . (k l ) - -= . . . . . : ny.,(kD) .... "'

Page 30: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

436 Hans B~uer: R6ntgenauslSsung yon Chromosomenmutationen

wie sie fiir die h~ufigsten Chromosomenmutationen gelten mul~, ist es denkba, r, die auf 4 und mehr Treffer zuriickgehenden Ereignises in 2 und mehr Zwei- bzw. Dreitreffer-Ereignisse aufzulSsen. Es erg~be so ein Dreitreffer-Ereignis 1 Mutation, ein Viertreffer-Ereignis 2 Mutationen, ein Fiinftreffer-Ereignis 2 Mutationen, ein Sechstreffer-Ereignis 3 Muta- tionen usw. Gegenfiber der umgeformten Zweitreffer-Beziehung

Y2 - - ~ 1 - - - kD ~ (kD) 2 (kD) 3 + . . . (10) 3 .4 -5 ergibt sich dann bei einer derart vorgenommenen teilweisen Ausschaltung der S/~ttigung durch AuflSsung der Mehrtreffer-Ereignisse die Beziehung

(kD)~ [ 2 2 2 2 3 ] y ~ . - - ~ 1 - - ~ - k D + ~-7~-(kD) 2 3 .4 .5 (kD) 3 + ' ' " " (11)

Beide Gleichungen unterscheiden sich nur geringffigig; beide ergeben eine quadratische I)osisproportionalit/~t nur bei einem so Ideinen kI), dab alas 2. Glied des Klammerausdruckes vernachl/~ssigt werden kann, also nur in den untersten Kurvenbereichen. Hier stehen die Mutations- konstanten in der Beziehung 1/K ~-- k / ] /~ wenn y~ mit ]3 gleiehgesetzt wird. Fiir andere Dosisproportionalit/~t gilt allgemein 1/K = (p !)-1/~. k. Diese Beziehung gilt nicht ffir die Arbeiten der SAx-Schule, die mit ]3 nicht die H~ufigkeit der Mehrbruch-Mutationen, sondern der sie zu- sammensetzenden Brfiche bezeichnet. Hier ist 1/K = [(t)--1)!] -i/p. k, also bei Zwei-Brueh-Mutationen 1/K----k.

Fiir hShere Werte yon kD ergibt sich aus beiden Gleichungen ein S/~ttigungseffekt yon nur etwas verschiedenem AusmaB. Tatsi~chIich aber behalten die I)osisproportionalitatskurven yon SAX u .a . die an- f/~ngliehe Proportionalit/~t auch bei hSheren Mutationsh/iufigkeiten bei. Diese Tatsache kann ihre Erkl~rung nur darin finden, dab es sich bei den mehrfachen Chromosomenmutationen in einem Kern meistens um Mutationen in verschiedenen Rekombinationsbereichen handelt. Je geringer beweglich die Einzelbrfiche sind, um so seltener werden 2, noch seltener 3 Brfiche an einem Oft des Kernes (Rekombinationsbereich) zusammentreffen, um so verh~iltnism~iBig haufiger aber mehrere Orte mit 2 Briichen vorkommen. Die mathematische Formulierung dieser Situation als alleiniger Funktion der modalen Beweglichkeit des Einzel- bruches fehlt zwar noch, doch kann man unter der vereinfachenden Annahme yon voneinander scharf abgegrenzten, gleich groBen Rekombi- nationsbereichen, also Teilvolumina des Kerns ein ~Bild des Einflusses der beschr/~nkten Beweglichkeit der Brtiche gewinnen. Sind in einem Kern r Rekombinationsbereiche (in Mitt. I wurde die Bezeichnung k stat t r verwendet) vorhanden, so ergibt sich die H/~ufigkeit der ver- schiedenen mSglichen Mutationen und Mutationskombinationen aus dem Polynom

[ (kD)~ (kD)~' ] r 1 == e -rkD 1 -~- kD ~ 2! ~ ' " -~ n ~ "

Page 31: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

bei Drosophila melanogaster. II. 437

0hne die aus diesem Polynom zu erhaltenden tt~ufigkeiten fiir einzelne und mehrfache Zweibrueh-Mutationen im einzelnen anzufiihren, geniigt zun/s die folgende Uberlegung: Mutierende Einheit ist in diesem Falle der Rekombinationsbereich, der aber nicht selbst/~ndig erfal3t werden kann. Die gleichen Kurven, wie sie sich aus dem Polynom er- geben, wiirde man erhalten, wenn man selbst/s Mutationseinheiten, die jede einen P~ekombinationsbereich darstellen, zufallsgem/s zu Gruppen aus r Einheiten zusammenfal~te und dann die Gruppenmutabilit/s an- g/~be. Wenn dann in jeder Mutationseinheit nur Ein- oder Zwei-Bruch- Ereignisse vork/~men, kD also niedrig wiire, so wiirde die Gruppe aus r Einheiten nur dieselben Bruchereignisse einzeln oder zu mehreren kombiniert in den durch r bestimmten H~ufigkeitsverh/~ltnissen aus- weisen. Das Ergebnis ist dasselbe, das man bei einfacher Multiplikation der Mutationsprozente der einzelnen Mutationseinheit mit r erh/~lt. Um die richtige Beziehung zum 0rdinatenma6stab in diesem Fall wieder- herzustellen, miif~te dieser durch r dividiert werden; die Einheit der Ordinate, die bei r = 1 die obere tt/s darstellt, wird damit zu 1/r. Auf diese Weise ergibt sich dann wieder die Mutationsh/iufigkeit fiir die einzelne Mutationseinheit. Eine quadratische Dosisbeziehung noch bei hSherer Mutationsh/~ufigkeit besteht also nur solange, wie im l~ekombinationsbereich praktisch keine Dreitreffer-Ereignisse vorkommen und die Anzahl der Rekombina*ionsbereiehe in der Einheit grof3 i s t

Das 1/~l~t sich folgendermaf3en auch formal nachweisen In dem an- gefiihrten, etwas ver/~ndert geschriebenen Polynom

[ (kD)2 ( kD , (kD) 2 ) ] r e -rkD" (1 q -kD) ~ 2 I + - - ~ - - T T T . . . . 1

sind die Null- und Eintreffer-F/~lle, also die F/~lle, bei denen in keinem Re- kombinationsbereich mehr als 1 Treffer vorkommt, durch e - r k D. (1 q- k D)r gegeben. Es ist dann die fiir alle F/ille, in denen in mindestens einem Rekombinationsbereich mindestens 2 Treffer vorliegen, gfiltige Zwei- t reffer-Formel

372 - - 1 - - e - r k D (1 q- kD) r (12)

oder als Summe der Zwei- und Mehrtreffer-FKlle r

Y2 ~- e - r k D s _ ~ l ( : ) ( 1 - p k ~ D ) r - s ' [ ~ ( 1 - ~ ' ~ - ~ - ~ - ' " )1 s . ( k D ) 2 '

Lassen sich die Zwei- und Mehrtreffer-Ereignisse der versehiedenen lRe- kombinationsbereiche getrennt erfassen, so wird

q~,?'2, : e - ]" l'[ ]~ ~ S (1 § k ~ ) ~ ' - ~ . ( r l + ~ - T T T . , ] ~ 1

Durch Ausmultiplikation ergibt sich hieraus

(kD)'~ [/1 2 4 , - - 3-kD 1-~(kD)" ~ - 0 (kD)3q - . . . ) (13) y ~ , - - r - T

Page 32: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

4~8 Hans Bauer: R6ntgenausl6sung von Chromosomenmutationen

Wenn weiterhin, wie oben - - Gleichung (11) - - auch die Mehrtreffer- Ereignisse innerhalb eines gekombinationsbereiches noch in Zwei- oder Dceitreffer-Ereignisse aufl6sbar sind, so wiirde

vo , , ~ I - - ~ k D ~- 12~2 (kD) 2 2s � 9 =: r- - - 60- (kD)3 -~-"'" )) (14)

wcrden. Auch diese Gleichungen geben eine quadratische Beziehung nur dann, wenn k D gegen 1 vernachl~ssigt werden kann, doch wird der KurvenmaBstab gegeniiber der Ordinate um das r-fache gesteigert. Diese Formeln beweisen die oben allgemein abgeleitete Beziehung: Je gr6Ber r i s t , um so hSher ist die nfittlere Mutationsh/~ufigkeit je Kern, his zu der sich noch keine nennenswerte Abweichung yon einer quadrati- schen Dosisproportionalit~it bemerkbar macht. Die SAxschen Pro- portionalit~tskurven sind somit im wesentlichen nichts anderes als die mlteren Abschnitte yon Trefferkurven, die in einem (durch r bestimmten, meist unbekannten) vergr6Berten MaBstab dargestellt werden.

Um die empirischen Kurven mit theoretischen zu vergleichen, kSnnten nach den vorstehenden Formeln Kurvenscharen berechnet werden. Da r ~ber auch einen EinfluB auf (lie Form der Zweitreffer-Kurven hat, kann (las experimentelle Material nach Art der Trefferanalysen ausgewertet werden, braucht also nur auf die Hitufigkeit der mutierten Kerne hin analysiert zu werden, was besonders bei h6heren Dosen Vorteile bieten kann. Beispiele ffir (tie Umformung der Zweitreffer-Kurve (12) mit wachsendem r sind in Tabelle l l wiedergegeben. Sie zeigen, dab mit

'l'abelle 11. F, influIl der Anzahl der Rekombina t ionsbere iche r auf den V e r l a u f d e r Z w e i t r e f f e r - K u r v e y . , - l - - [((-kD(1 +kD)] r u n d Vergleich

( ?) mit d e r D r e i t r e f f e r - K u r v e y a:= 1 - e -kD 1 + kD ~ ( )2 .

Mindcs t - a l lza] l l del ' Trof fe r i l l

lllin(]eS~ellS (q IV2 lYI

l ( ekoml ) ina - 1 iOIlsl)t 'reich

ii I i

A nza.hl (|(~r

h )ekombi - na t i ons - bcrci( 'he

l"

I

2

5

If)

20

50

1 0 0

M i t t l e r c M i t t l e r e B r u c h - Bmwh- h i i u f i g k c i t

hfiufig'kciL in de r arts in e i n e m r R e k o m b i n a - R e k o m b i - t i o n s b c r e i e h e n llati011s- bes t ehen ( l en bcrei(']l E i n h e i t

k r . k

1,6785 ] ,679

1,0780 2,156

0,6229 3,115

0,4199 4,199

0,2869 5,738

0,17588 8,794

0,12246 12,246

2,674 2,674

Muti( , r tc E i n h e i t e n in % bei de r r e l a t i v e n Dos

0,2 0,:i

4,52 14,59

3,99 13,53

3,52 12,49

3,28 11,93

3,12 11,52

0,6 [ 0,8

26,68 38,82 I [25,62 38,19

24,50 37,49

23,85 37,06

23,37 36,73

2,95 [11,10 22,85 36,35 .~,90 10,97 I22'69136'28 ....

!9,35 I36,09

1,0

50,00

Page 33: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

bei Drosophila melanogaster. I[. 4:~!}

zunehmendem r sich die Zweitreffer- der Dreitreffer-Kurve fiir r ~ I n~,hert, ohne allerdings den besonders im Anfangsteil derselben verzSgerten, nahezu der 3. Potenz folgenden Anstieg zu zeigen. Wenn auch diese Formeln und (lie yon ihnen abgeleiteten Kurven unter der Annahme getrennter Re- kombinationsbereiche gewonnen sind und diese Annahme nur in erster Ann~herung den wirklichen Bedingungen im Kern entspricht, so ist doch der so erhaltene Zusammenhang zwischen Steilheit der Kurven und l~ekombinationsfreiheit, zweifellos richtig. Je eingeschrankter die Be- wegliehkeit der Briiehe ist, um so steiler verls die Zweitreffer-Kurve.

Naeh diesen Vorbemerkungen seien die Ergebnisse kurz besprochen. Die durch die Pollenzellanalysen erhobenen Befunde sind reeht einheitlich. Ffir eindeutige Zwei-iBruch-Mntationen lassen sich Dosisproportionalit~ts- exponenten yon p ~ 2 dann nachweisen, wenn in den Versuchen die einzelnen Dosen in gleicher Bestrahhmgszeit, also unter mit der Dosis steigender Intensit~t verabfolgt worden sind. Ffir bizentrisehe und lr also inter- und intrachromosomale Translokationen naeh chromosomalen Briichen finder SAX (1940) bei Tradescant ia die Beziehung B ~ (D/107) 2,~ RICK (1940) teilt fiir dieselben Mutationen gleichartige p-Werte mit: 1,94, 2,10 und 1,97 in verschiedenen Serien. Fiir ehromatidale Translokationen gibt SAx die Beziehung (D/67) 1,9 an, fiir lange interkalare Deletionen RICK (D/347)1,% Auch L~ARQUARDT (1942) finder bei Bellevalia ~vmana eine rein quadratische Dosispropor- tionalitS, t fiir die Summen aller erfai~baren Mehrbruch-Mutationen, wobei sich der Wert (D/76) 2,~ ergibt; der mit dem yon SAX vergleiehbare Wert betr~gt dann (D/54) 2,~ da MARQUARDT nieht die Zahl der Einzel- briiche, sondern der ~ekombinationen z~hlt. In ~hnliehen Untersuchungen finder NEWCOMB]S (1942) fiir Ring- und bizentrisehe Chromosomen kleinere Werte (p = 1,83 bzw. 1,40), doeh sind die Ergebnisse NEw- COM~Es nur unter Zusatzannahmen mit den iibrigen in Einklang zu bringen (siehe aueh weiter unten). Wird nicht, wie in den bisher be- sproehenen Versuchen, die Zeit der Bestrahlung, sondern die Intensit~t konstant gehalten, also die Bestrahlungszeit mit der Dosis gesteigert, so linden sieh allgemein niedrigere Exponenten yon p ~ 1,5. SAX (1938) fand bei bizentrisehen und Ringchromosomen die Beziehung (I)/80) 1,5. THODAY (1942) erhielt fiir die Chromatidentranslokationen ein p = 1,62. Die Werte bei NEWCOMBE liegen wiederum tiefer. Ffir diese allgemeine Senkung yon p hat SAx (1939, 1940) die verhgltnismit6ig kurze Zeit, in der ein Bruch rekombinationsf~thig bleibt, verantwortlieh gemaeht. Bei hSheren Dosen steht im Vergleich zu niedrigeren wghrend der lgngeren Bestrahlungszeit nur eine geringere als die dosisproportionale Bruchanzahl fiir die Rekombination zur Verfiigung, da ein zeitproportio- haler Anteil infolge Wiedervereinigung der Bruchenden oder ,,Aus- heilung" verschwindet. Es handelt sich hierbei also nur um eine sekundi~re -~nderung des urspriinglichen Exponenten p = 2.

Page 34: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

440 Hans Bauer: R6ntgenauslSsung yon Chromosomenmutationen

Aus den angeffihrten Versuehen lassen sich Angaben fiber die GrSBe yon r nur sehr allgemein machen. Die quadratisehe Dosisproportionalit~tt ist bis zu einer mittleren H/iufigkeit yon 0,6 je Kern bei ehromosomalen Translokationen yon Tradescantia (SAx, 1940) und yon sogar 1,3 je Kern bei allen Mehr-Bruch-Mutationen yon Bellevalia (MxaQVAa~)T 1942a) angegeben worden. Die hSehsten beobachteten Werte liegen dabei etwas unter den Erwartungswerten, doch nicht so erheblich, dab sich hieraus schon eine Sfi.ttigungswirkung yon nennenswertem Umfang ergeben wiirde. Deshalb muB aus den Daten, die allerdings noch der genaueren Festlegung bedfirfen, auf eine Anzahl der Rekombinations- bereiche v o n d e r GrSi]enordnung 50--100 geschlossen werden, ein Wert, der bei der engen Packung und der dadurch bedingten geringen Beweg- lichkeit der Chromosomen zumal innerhalb der durchschnittlichen Rekombinationszeit der Brfiehe in den Interphasekernen auch gut vor- stellbar ist.

Die Untersuchung der Mehr-Bruch-~utat ionen bei Drosophila melano- gaster ist in ihrer Auswertung dadurch erschwert, dal3 den Analysen stets nur ein vom Experiment selbst ver/~ndertes Gesamtmaterial zu- grunde gelegt werden kann. Gleichgfiltig ob die induzierten Verlage- rungen cytologisch in der F 1 oder genetisch in der F 2 festgestellt werden, stets umfa$t das Material nur den fiberlebenden Tell der von den be- strahlten Gameten s tammenden F1-Zygoten. Dieser fiberlebende Anteil stellt nun kein Zufa]lskollektiv mehr dar; denn das Absterben ist, wie auch oben (S. 415) n/~her gezeigt, mindestens zum Tell durch bestimmte Chromosomenmutationen bedingt. Aus diesem Grunde genfigt es fiir den hier behandelten Zusammenhang aufzuzeigen, dab die ])osisab- h/~ngigkeit dem allgemeinen Charakter der Mehrtreffer-Vorg/~nge ent- sprieht.

I m einzelnen sind die Untersuchungen sehon in der Mitt. I angefiihrt worden. Es genfigt hier, zwei Arbeiten nachzutragen. Die durch Analyse der Speicheldriisenchromosomen gewonnenen Ergebnisse yon DUBINI~, K_gVOSTOVA und MANSVROVA (1941) stel]en eine voile Besti~tigung der Befunde yon BAYER (Mitt. I) dar. Die absoluten Mntationsprozents~tze sind bei D ~ I ~ I ~ und Mitarbeitern zwar etwas andere, was wohl mit nicht sehr genauer Dosismessung zusammenh/~ngt, doch ist der Verlauf der Mutationskurve auch bei ihnen eindeutig nicht linear oder logarith- miseh, so dal~ die Angaben yon CATCH]~SIDE (1938) auch yon zweiter Seite widerlegt worden sind 1

Ffir genetiseh erfal~te Chromosomenmutationen ist zu den in Mitt. I genannten eine eingehende Untersuchung yon MLrLLER (1940) hinzu-

1 Die ErSrterungen yon TgODAY (1942) fiber die Mfglichkeit, dab auch bci RSnSgenbestrahlung die Ausl6sung von Chromosomenmutationen durch einen Treffer erfolgt, wobei als Treffer eine Ionisabionsbahn angenommen wird, stfitzen sich auf die Angaben CATC~EsIn~s und sind somit gegenstandslos.

Page 35: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

bei Drosophila melanogaster. II. 441

gekommen, in der besonders die in der F~ feststellbaren Translokationen beriicksichtigt sind. Fiir diese gibt MULLER einen Dosisproportionalit/~ts- exponenten p --~ 1,42 an. Von /~hnlicher GrSBe ist der Exponent, der ffir die Gruppe der in F 1 erfai]baren Chromosomenmutationen: lange X-])eletionen, Verlagerungen mit mottled-Wirkung und ci-Verlagerungen (ffir diese s. unten) berechnet werden kann; a u c h e r liegt unter 1,5. MULLER faBt diese Ergebnisse als ,3/2 power rule" zusammen. Diese Angabe bedeutet, dab es sich bei diesen Mutationen um Mehrtreffer- Ereignisse handelt. Da in den Versuchen nicht die Einzelmutationen (Kontaktpunkte in der Definition der Mitt. I) erfaBt werden, sind die genannten Exponenten natiirlich nicht mit den bei Pollenzellen ab- geleiteten vergleichbar; vielmehr mfissen die Experimentaldaten mit Trefferkurven verglichen werden. Ein solcher Vergleich zeigt, dab die Beobachtungskurven flaeher ver]aufen als Zweitreffer-Kurven. Bei einer Zweitreffer-Kurve wiirde zu dem 1000 r-Wert MU~ERS yon 1,16% fiir Translokationen ein 4000 r-Wert yon 13,52% (an Stetle der beobachteten 8,30%) gehSren. Auch zwischen diesen Werten besteht natiirlieh keine quadratische Beziehung, sondern der ])osisanstieg ~olgt, wenn man es so bereehnen will, einem Exponenten yon 1,78. Bedeutung haben solche Exponenten immer nur ffir ein bestimmtes Wertepaar. Es ist ja ldar, dab bei einer Zweitrefferkurve der Exponent yon p ~ 2 bei den niedrigsten Mutationsprozenten bis zu p ~--0 bei den hSchsten abnehmen muB. Auch bei MULLER gilt die ,,3/2 power rule" eben nur zwischen 1000 und 4000 r - - und auch hier nicht genau! Zwischen 375---400 r und 1500 r findet MULLER einen hSheren Exponenten, p ~ 1,8. ])as entspricht der Erwartung, wenn aueh im einzelnen die Berechnungen MULLEgs unsicher sind, da er stets den Mutationsprozent der hSheren ])osis unmittelbar als Bezugswert verwendet. MULLER hat seine fffihere Deutung (1938), der Exponent ki~me daher, dab ein Teil der Translokationen Eintreffer-, ein anderer Zweitreffer-Ereignisse darstelle, jetzt aufgegeben und erkl/irt - - im Sinne der Begriindung in Mitt. I - - den flacheren Verlauf der Beobachtungskurve mit der hSheren Sterblichkeit der besonders bei hohen Rosen auftretenden Mehr-Brueh-Mutationen und Mutationskombi- nationen.

Ob es sich bei diesen den Beobaehtungskurven zugrunde liegenden Mehrtreffer-Kurven um reine Zweitreffer-Kurven oder um durch das Vor- kommen einer grSBeren Anzahl yon Rekombinationsbereichen modifi- zierte Kurven handelt, ist noch nicht zu entscheiden. VGrgleieht man die Mutationskurve der Mitt. I (Abb. 1) unmittelbar mit Treffer-Kurven, so ergibt sich, dab sie zwischen einer Zwei- and einer ])reitreffer-Kurve verl/~uft L ])urch Berticksichtigung der letalen Mehr-Bruch-Mutationen wfirde sie noch etwas steiler verlaufen. Hieraus kSnnte ebenso wig aus der

1 BAUER: Verh. internat. Vererb.-Kongr. Edinburgh 1939. C h r n m n ~ n m a . 2. B d . 29

Page 36: Röntgenauslösung von Chromosomenmutationen bei Drosophila melanogaster II

442 Hans Bauer: R6ntgenausl6sung yon Chromosomenmu~ationen

quadratisehen Proportionalitgt der Kontaktpunkte (Mitt. I, Abb. 2) auf eine hShere Anzahl von Rekombinationsbereiehen gesehlossen werden; doeh steht dem entgegen, daB naeh dem Verh~ltnis der Zwei- zu den Drei- und Mehr-Bruch-Mutationen eher eine geringe Anzahl von Rekombinationsbereichen zu erwarten ist (Mitt. I). Zur Aufkl&rung <tieser Unstimmigkeit bedarf es weiterer Analysen.

=~lgemein stimmen jedenfalls alle Beobachtungen an Pollenzellen wie an Drosophila soweit iiberein, dab Mehr-Bruch-Mutationen auf (min- destens) 2 nnabhitngige Ereignisse zuriiekgehen und daB, um die un- mittelbar zu beobachtende oder verkappte quadratische Dosispreportio- nalit/it zu erkls angenommen werden muB, dab diese Einzelereig-aisse, die Einzelbrtiche, auf je einen Treffer zuriickgehen. Immerhin kSnnte, wenn ledig]ieh diese Dosisproportionalit~t bekannt wgre, die ~berein- stimmung mit den Voraussagen der Bruchhypothese noch zufgllig sein. Auch Deutungen auf dem Boden der Kontakthypothese ~T/iren dann noch denkbar. Diesen ist allerdings durch zus~tzliche Tatsachen sehon der Boden entzogen, in erster Linie dureh den Nachweis, dal3 mit stei- gender Dosis die Anzahl der an einem Kontaktpunkt beteiligten Brtiche w/iehst (Mitt. I). Trotzdem blieb es wichtig, den unmittelbaren Nach- weis zu fiihren, dab die yon der Bruehhypothese geforderten Einzel- br/iche Eintreffer-Ereignisse darstellen.

2, Die Dosisabhiingiglceit des Einzelbruches.

Die methodischen Wege, den Einzelbrueh zu erfassen, sind mannig- facher als bei den Mehr-Brueh-Mutationen.

Die unmittelbare cytologische Untersuehung der Mitose zeigt Chromo- .somen- und Chromatidenbriiche, die als achromatische Liicken oder eehte Querbriiehe auftreten kSnnen. Ws sich die Chromatiden- briiehe auf eine Spalth/~lfte beschriinken, erfassen die Chromosomen- briiehe beide Chromatiden auf gleicher t{She. Chromatidenbriiche sind nur als offengebliebene Briiche feststellbar. Dagegen kSnnen die Chromo- somenbriiche bei bestimmter Vereinigungsart der Chromatidenbruch- enden (in der Art der oben in Abb. 3 rechts gezeigten rticld/i, ufigen l%e- kombinationen) auch als wieder geschlossene Einzelbrfiche erfal3t werden.

Dosisabh/ingigkeitsbestimmungen sind an Pollenzellen fiir die ver- .~chiedenen Brucharten einzeln oder gemeinsam gemacht worden. Fiir Chromatidenbriiche bei Tradescantia ergibt sich aus den Befunden yon TtIODAY ein Proportionalit~tsexponent < 1. Offene Chromosomenbriiche, (lie terminale Deletionen ergeben, stehen - - ebenfalls bei Tradescantia - - naeh RIcK in der Dosisbeziehung (D/1830)1,o. Fiir alle Arten yon Einzel- briiehen unter EinschluB der riiekl/iufigen Einbruch-Rekombinationen findet MARQVA~DT (1942a) bei Bellevalia eine Dosiskurve, die im An- fangsteil etwa direkt proportional zur Dosis ansteigt, sich dann aber, ~hnlich ~d6 bei den Beobachtungen y o n TYIODAu aber noch friiher und

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bei Drosophila melanogaster. II. 443

st/~rker, abflacht. Auch hier liegt ein Proportionalit&tsexponent ~-~ 1 im Anfangsteil vor, der aus nicht klar ersichtlichen Grfinden bald unter 1 sinkt. Diese Angaben stimmen also mit der Annahme yon der Ein- treffer-Beziehnng des Einzelbruches iiberein.

In sehr klarer Weise findet sich hierftir eine weit.ere Best~ttigung i1~ der Analyse CRJ~mgTo~'s (1941) an Embryonalzellen~ Spermatogonien und Spermatocyten yon Chorthippus [ongicornis. Da sie nicht die Einzelbrfiche selbst, sondern die Anaphasen mit Einzelbriichen best immt bat, ergeben sich fiir die Dosisabhgngigkeit der Briiehe Eintrefferkurven : fiir Embryonalzellen Yl = 1 - -0 ,96" e -~ ffir Spermatogonien Yl = 1 - - 0,97. e -~176 und fiir Spermatocyten Yl -- 1 - - 0,97 �9 e -~176 yon denen die ersten beiden im Rahmen der Versuchsgenauigkeit identiseh sind (die Faktoren 0,96 und 0,97 beruhen auf der Spontanbruchhgufig- keit, fiir die die Bestrahlungswerte nicht korrigiert wurden). In dieser Untersuchung ist die direkte Dosisproportionalit~tt auch fiir sehr hohe Bruchanzahlen (bis Yl = 60%) nachgewiesen worden. Schon friiher hat )+L4_RSHAK (1937) fiir verschiedene Objekte (Lens esculentum, Pisum s~tivum, V.icia ]aba, Allium cepa und Mus m uscuhts) gezeigt, daf3 die H/~ufigkeit gestSrter Anaphasen durch Eintrefferkurven wiedergegeben werden kann. Allerdings Iehlt hier die genaue cytologische Beschreibung.

Noeh nicht Mar beurteilt werden kSnnen die bisherigen Unter- suchungen an bestrahlten Potlenmutterzellen (M~I~St~2K 1936, ~).~ Ca- 3L&RA, 1940), da auch bei ihnen die verschiedenen Chromosomenmuta- tionen nicht eindeutig genug gekennzeichnet sind. Es liegt sicher ein (lemisch x~on Ein- und Zwei-Bruch-Mutationen vor.

W~hrend in den angefiihrten Arbeiten y o n I~'~A/~QUAI~DT mid CREIGHTON die nur wenig h~ufigen rtickli~ufigen Einbruch-Rekombinationen mit einbezogen worden sind, fiihrt die Analyse yon ihnen allein nicht zu einem so ldaren Ergebms. S~tx gibt fiir sie bei Tradescantia die Dosis- beziehung (D/45) 1,1, also nahezu lineare Proportionalit~tt an. Einen

r ) h6heren Exponenten p = 1,24 finder dagegen ]7~ol AY. Diese Er- h6hung gegenfiber dem fiir Einzelbriiche erwarteten p - - 1 kann in diesen beiden F~llen darauf zurfickgeftihrt werden, dag nicht alle derartigen Rekombinationen auf einen Treffer zurtickgehen, der beide Chromatiden fiquilokal betrifft, sondern dai] ein Tell yon ihnen auf zwei unabhfingi~ voneinander in beiden Chromatiden ausgelSsten, gegebenenfMls ingqui- lokalen Briiehen beruht, also Zweitreffer-Ereignisse darstellt. Allerdings besteht dann zx~qsehe~ den Angaben yon S.4x und THODAr ein erheb- lieher Untersehied. Denn die Versuehe yon T~ODA~ sind unter gleieh- bleibender Bestrahlungsintensitgt der versohiedenen Dosen durehgefiihrt worden; sein Wert mtiBte also, entspreehend den im vorigen Absehnitt angegebenen Befunden auf etwa 1,5 erh5ht werden, um mit dem yon Sax vergleiehbar zu sein. Dann abet ist der Anteil der Zweitreffer-F/ille unter diesen Rekombinationen in beiden Untersuehungen reeht versehieden.

29*

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444 Hans Bauer: RSntgenausl6sung yon Chromosomenmutationen

Noch weniger eindeutig schlieglich ist eine andere Gruppe yon Chromosomenmutationen. RICK hat als erster die sehr kleinen kugeligen Deletionsfragmente untersucht, die nach Bestrahlung von ungespaltenen Chromosomen in der anschliegenden Mitose paarweise auftreten. Aus der Tatsaehe, dab sie nie die Satelliten trugen, ergab sich, dab es sieh um interkalare Deletionen handelt. Sie sind infolge der Vereinigung beider Bruchenden ringf6rmig und erscheinen a]s Kugeln, weil mit der Kontraktion das Ringlumen verschwindet. Diese Ringnatur der ,minute fragments" ergibt sieh auch daraus, dab sie in der N[ehrzahl als Fragment- paare erhalten bleiben, also keine freien Bruchenden aufweisen, an denen sie sich zu einem gemeinsamen Fragment vereinigen kSnnten (NEWCO~BE, 1942b). Aus der DosisabMngigkeit, die RICK als (D/133) 1,5s angibt, schlieBt er, dab in diesen ~Iutationen ein Gemisch von Ein- und Zwei- treffer-F/illen vorls wobei also, iihnlich wie bei den Chromosomen- briichen durch bereits gespaltene Chromosomen, durch einen Treffer auch 2 Briiche ausgelSst werden kSnnten, tIier lassen sieh die Befunde von FA]~ERG~ (1940a) anreihen, der fiir die meistens wohl zu derselben Mutationsklasse gehSrigen ,,supernumerary chromosome bodies" zwar eine direkte Dosisproportionalit/~t angibt, aus desse~I Material aber t~IeK und NEWCOMBE Dosisexponenten yon 1,7--1,8 berechnen. Gegen- fiber dem Exponenten von I~ICK (1,58) fiir die kleinen Deletionen ist der Vergleichswert yon N~WCOMB~ p = 2,07 und liegt damit schon hSher als die entsprechenden Werte ffir eindeutige Zweibrueh-Mutationen (Ringchromosomen p = 1,83, bizentrisehe Translokationen p = 1,40 naeh NEWCOMBE). Das hohe p fiir die ,,minute fragments" wird nun aber noch fibertroffen dureh NEWCOMI3ES Wert fiir einfache Fragmen- tationen (offene Chromosomenbrfiche, die zu terminalen Deletionen fiihren) von p = 2,56. Demnach h/~tte der Einzelbruch den h6chsten Proportionalits Diese Angaben st5ren das sonst einiger- magen einheitliche Bild, fordern aber keineswegs, dab die zugrunde liegende Hypothese yon der EintrefferauslSsung des Bruches aufgegeben werden mug, sondern weisen auf sekund/ire Einfliisse hin, die die Au,~- wertung der unmittelbar erfaf3baren Briiehe ersehweren. Diese maehen sieh sehon darin bemerkbar, dag bei NEWCOMBE im Gegensatz zu den allerdings nur sehr wenig umfangreiehen Daten yon SAx (1938) die Dosisproportionalitgt yon der Art der Bestrahlungsverabfolgung ab- h/~ngig ist. Bei zeitproportionaler, intensit/ttsgleieher Bestrahlung in den versehiedenen Dosen sinkt der Proportionalit~tsexponent fiir die zu terminalen Deletionen fiihrenden Einzelbriiehe yon 2,56 auf 2,11. Zur Deutung dieses abweiehenden Tatbestandes nimmt NEWCOMBE an, dag mit steigender Dosis der l~ekombinationsvorgang gehemmt wird, wo- dureh in zunehmendem Ma6e offene Brfiehe iibrigbleiben, und da6 <tieser Hemmungsvorgang selbst v o n d e r Art der Dosisverabfolgung abh/tngig ist. Es ist ldar, daf3 mit der Zunahme offener Brfiche

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bei Drosophila melanogaster. II. 4:45

gleiehzeitig eine Senkung des ProportionalitStsexponenten ftir die eehten Zweitreffer-Vorg~inge bedingt wird, wie sit NEWCOMBE aueh in seinen Experimenten findet. Er erklgrt die Tatsaehe, daft die oben angefiihrten Untersucher nieht einen derartigen Hemmungseffekt feststellen konnten, mit den verh~ltnism~tftig niedrigeren Dosen, die in deren Versuehen im Untersehied zu seinen angewandt worden sind. Jedenfalls lassen seine Ergebnisse erkennen, dal~ die Analyse der offen gebliebenen Briiche nicht unbedingt ein zutreffendes Bild yon den AuslSsungsbedingungen des Einzelbruehes gibt; doeh lassen sieh Zweifel an der Deutung des Einzelbruehes als Eintreffer-Ereignis auch nicht begriinden.

In den F 1- oder F.,-Analysen an Drosophila melanogaster beruhen die Versuehe, den Einzelbruch zu erfassen, zu einem Teil ebenfalls auf der Feststellung der H~ufigkeit offengebliebener oder rtiekl~ufig vereinigter ehromosomaler Einzelbriiche nach der Art der Abb. 3. Erfaftt wsrden nur diejenigen F/tlle, in denen die betroffenen Chromosomen (X oder Y) eliminiert werden (MtmL~, 1940, Po~T~eo~vo, 1941). Die Art der Versuehsanstellung entsprieht dabei grundsgtzlich der oben (S. 425) fiir die Feststellung der Eliminationsh~ufigkeit angewandten; im ein- zelnen waren die genetischen Kombinationen versehieden, was aber hier belanglos ist. MULLE~ wie PONTEGOI~VO kommen zu dem Schluft, daft die so erhaltenen Einzelbriiehe direkt proportional zur Dosis auftreten. Allerdings sind die beobachteten Prozents/~tze so niedrig - - MULLER finder nach Korrektion ffir spontane Elimination bei 2000 r 1,4%, PONT~CORVO bei 4000 r sogar nur 1,09% der Spermien mit derartigen Einzelbrfichen - - , daft bei dem Umfang des vorliegenden Materials auch Dosisexponenten bis zu 1,5 nieht ausgesehlossen sind.

Ein andersartiges Untersuehungsverfahren liegt den cubitus inter- ruptus-Versuehen zugrunde. Bei ihnen wird die tt~ufigkeit bestimmter Zwei-Brueh-l~Iuta.tionen festgestellt, bei denen der eine Brueh ein be- stimmter ist und in n/~ehster N/~he von ci+ liegen muft, w~hrend der zweite irgendwo im autosomalen oder in einem Tell des IIeteroehromatins der Geschleehtschromosomen auftritt. Derartige Zwei-Brueh-~utationen mfissen in der Hs Y2 = ( 1 - e -k~D) ( 1 - e -k~D) auftreten, wo- bei k~ die mittlere Mutationskonstante fiir den ci-Bruch, k~ die fiir den heterochromatischen Bruch darstellt. Die Ergebnisse fiber die H/~ufig- keit derartiger Chromosomenmutationen auch yon den friiheren Unter- suehern sind yon EBER~ARDT (1939) zusammengefaftt. Aus ihnen ist auf eine direkte Proportionalit/~t zur Dosis gesehlossen worden. Eine solche Proportionalitgt ist, wie sieh aus der angefiihrten Gleiehung ergibt, dann zu erwarten, wenn bei erfaftbaren H/~ufigkeiten yon ci-Brtiehen die H~ufigkeit der heterochromatischen Briiehe so groft ist, daft e -k~D

praktisch gleich 0 wird. In diesem Fall wtirde sich die Gleichung ver- einfachen zu y = 1 - e -k~D, also einer Eintrefferbeziehung, die nur die Bruchhgufigkeit des ci-Bruches angeben wiirde. Solange aus den

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446 Hans Bauer: R6ntgenausl6sung yon Chromosomenmut~tionen

Befunden die praktisch lineare Abh~ngigkeit der ci-Rekombinationen an- erkannt werden mugte, war diese zuerst in allgemeiner Form yon mir (vgl. Mitt. I) gegebene Erkl~rung die einzig m6gliche, um den Wider- sprueh zwisehen den Dosisbeziehungen von gewShnliehen nnd yon ci- Mehrbrueh-Mutationen zu beseitigen. Auf eine Konsequenz dieser Auf- fassung hat MULLEa (1940) hingewiesen. Wenn k2D so grog ist, wie es fiir eine geradlinige Proportionalits notwendig ist, so sollten (tie gleiehzeitig auftretenden Nieht-ci-Verlagerungen erheblieh hiiufig sein. TatsS~ehlich mfigten sie die der Gleichung y = e -k~D [ 1 - - e - k ~ D (1-~-k~D)] entspreehende H~ufigkeit rein heterochromatischer Zwei- brueh-Mutationen noch um die tt~ufigkeit der euchromatischen Ver- lagerungen iibersteigen. Setzt man z .B. das Verh~ltnis yon k 2 : k 1 = 100, so kfimen auf eine ci-Chromosomenmutation rund 40 hetero- chromatische Zweibrueh-Mutationen. Nimmt man noch eine ~hnlich grol3e Anzahl yon euchromatischen Zweibruch-Mutationen hinzu, so ergibt sich ein Verh/iltnis yon ci- : Nicht-ci-Mutationen, das h6her als das beob- achtete liegt. Aueh unter diesen Bedingungen liegt aber noeh keine direkte Proportionalitiit fiir den ci-Brueh vor, sondern eine Dosis- beziehung, die man in Ann~herung durch den Exponenten p = 1,4 aus- drfieken kann. Die von E B E ~ D T gefundenen Mutationsprozente zeigen nun entgegen seiner Deutung tats/~ehlieh keine lineare Dosis- proportionalitgt, sondern steigen ann/therungsweise ebenfalls mit dem Exponenten 1,4, wie ihn /ihnlich auch MVLLER angibt. Die Voraus- setzungen ffir die von mir gegebene I)eutung bestehen somit nieht im ursprfinglieh angenommenen Umfang. Die Methode verdient aber trotzdem eine genauere Ausarbeitung ihrer Grundlagen, wenn auch durch sie der Einzelbruch nur bedingt erfagt wird.

Weiterhin hat MA~_~-x (1940) Aussagen fiber die Bruchhgufigkeit zu machen versueht auf Grund der strahleninduzierten Trennung der attached-X-Chromosomen. Man mSchte annehmen, dal~ es sich bei dieser Trennung sowohl um Ein- wie Mehrtreffer-Fglle handelt; doch dfirfte die Trennung durch einen Bruch wohl nicht einfach als Zerlegung in 2 Einzelchromosomen, sondern viel]eicht als induziertes Crossing-over zwisehen X X und Y anzusehen sein. Da~s Material yon M~I~'x erlaubt noch keine Entscheidung; seine Dosiskurve ist zu abweichend. Hie,: sind weitere Untersuchungen unter gleiehzeitiger eytologischer PriKung der Trennungschromosomen notwendig.

Die umfangreichsten Bestimmungen der Bruchh/~ufigkeit liegen in der Ringehromosomenuntersuchung der vorliegenden Arbeit vor. Hier werden nieht nur die offengebliebenen, sondern aueh die wiederver- einigten (zu Doppelringen ffihrenden) Einzelbrfiehe der ganzen X-Chro- mosomen erfagt. Gegen die vorl~ufig mitgeteilten Ergebnisse (BA~;ER, 19391) sind yon MVLLER (1940) und seinem Schiller POXTECOm'O (1941)

J Verb. intcrnat. Vcrcrb.-Kongr. Edinburgh.

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bei Drosophila melanogaster. II. 447

Einwendungen gemacht, die bei MULLER darin gipfeln, das gauze Ver- fahren sei ungeeignet:

"UIffortunately, however, BAUE~s sex-ratio technique fails to distinguish between the reduction of the ratio of females to males caused by these X-chromosome losses (of all kinds taken together), and that caused by the inductiou in the X of dominant zygote-lethal changes of various possible types (gene mutations, and gross and minute structural changes) . . . . . . . In fact, as the losses might have caused but a minor part of the observed effect, the linearity of the curve as a whole might merely have been an expression of the already known linearity of the curve for gene mutations and minute rearrangements."

Unglticklicherweise iibersieht MULL~ dabei die selbstverstgndliche Voraussetzung, dal3 Kontrollexperimente mit X + vorlagen (BAUER und WESCg~SSELDER, 1938) und dal~ tatsgchlieh erst ihr Vergleieh mit den Xr den Anstoft zu dieser Untersnchung gab. Wie oben im einzelnen begriindet ist, zeigt eben dieser Vergleich, dab alle yon MvnnE~ als komplizierend angenommenen zygotisch-letalen Mutationen in ihrer Hgufigkeit zu gering sind, um ftir die Verschiebung des Geschlechts- verhgltnisses beriicksichtigt werden zu miissen. MUZLERS Einwand ist also ohne Sinn und um so unverstgndlicher als Mu~LLER die Mitteilung yon BAI:ER und WESCHS~FELDER zuggnglich war und yon ihm auch in seiner Drosophila-Bibliographie angeffihrt worden ist. Den gleichen Fehler macht auch PO~TOCORVO in seinen vorsichtiger gehaltenen Ein- wgnden. Diese kSnnen daher ebenso wie seine Berechmmgen, in denen er den Anteil der wirklichen Einbrueh-Fglle und der sonstigen im weiteren Sinne dominanten Letalfaktoren trennen will, hier unberiicksichtigt bleiben. Erwiihnt sei nur noch, dafl PONTECORVO erwggt: " that the mechanism of losses may be entirely different from that proposed in this (PoNTEC0RVOS, B.) paper, as for instance by some action of the radiation on the centromere or on achromatic constituents of the mitotic apparatus." Dall auch diese MSglichkeiten mit dem Unterschied der Ergebnisse an X + und X c hinfgllig sind, genfigt hier erw~hnt zu werden.

Aus den Ir leitet sich somit der erste und umfangreichste Beweis ffir die Eintreffer-AuslSsung der Einzelbriiche ab, der besonders dutch die Untersuchung CaEmHTO~S sowie allgemein durch die Pollenzellanalysen best~itigt worden ist.

Der Vergleich aller angcfiihrten Arbeiten macht den schon 5fter bervorgehobenen Tatbestand deutlich, dal~ die Mutationskonstanten ffir den Einzelbruch bei den verschiedenen Arten und aueh Zellen sehr verschiedene GrSBe zeigen. Der hSchste V~ert findet sich in den Sper- matogonien und Embryonalzellen yon Chorthippus longicornis, wo fiir D = 1 r k = 1,2.10-1 ist, der geringste Weft in den Spermicn yon Drosophila "melanogaster, wo die vergleichbarc Konstante ffir den ge- samten Chromosomenbestand (als rund Ffinffaches der oben ffir das X berechneten) etwa k -~ 7 . 1 0 -~ betrggt. Es besteht also eine Spanne

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448 Hans Bauer: R6ntgenausl6sung yon Chromosomenmutationen

yon mehr als 3 GrSBenordnungen. Eine Erkl/irung dieses groBen Unter- schiedes muB solange aufgesehoben werden, bis fiber die Bedeutung der Mutationskonstante k, des formalen Treffbereiches, und ihre Beziehung zum realen Treffbereich (vgl. RIEHL, TI~OF~EFF-REssovsKY und ZI~MER, 1941) eine bessere Einsicht gewonnen worden ist. Die Verwendung yon dichter ionisierenden Strahlungen erscheint hierfiir geboten. Die wenigen Versuche, in denen bisher Neutronen zur Bestrahlung verwandt worden sind, erscheinen noeh widerspruchsvoll. W~hrend bei Letalfaktoren yon ZI~_W~ER und TI~OF~EFr-R]~ssovsKu (1938) die hypothetisch geforderte Senkung der Mutationsrate beobachtet wurde, findet THODAu (1942) ~owohl flit Rekombination wie ffir Einzelbrtiche eine Zunahme der Mutationsprozente bei Neutronendosen yon gleicher GrSBe wie in den RSntgenvergleichsversuchen. Zwar iiberraseht die Zunahme der Re- kombinationen nicht, weft sie bei Neutronen aueh als Eintreffer-Ereignisse dann auftreten kSnnen, wenn beide Brfiehe durch eine Ionisationsbahn ausgelSst werden. Die Einzelbriiche sollten aber wie die Letalfaktoren bei Neutronen in geringerer H/~ufigkeit auftreten, wenn sie wie die Letalfaktoren auf eine Atomanregung oder eine Einzel-Ionisation zurfick- gehen (ZDI~ER und TIMOF~S~F-REssovsKY, 1942). THODAY gibt seinen Befunden die Deutung, dab ffir den Einzelbruch mehrere Ionisationen notwendig sind. Da die Briiche Eintreffer-Ereignisse sind, m/issen die Treffer den Ionenhs entsprechen. Um diese nicht unwahrsehein- liche Annahme zu prfifen, bedarf es eines Vergleiches der Einfliisse yon Strahlungen, die solche Ionenh/~ufchen in verschiedener Hs er- zeugen. MULLER (1940) hat den Vergleich mit ~- und weichen RSntgen- strahlen vorgenommen. Er findet keinen Unterschied in der Trans- lokationsh/~ufigkeit. Das w/irde gegen TltODAYS Deutung sprechen. Doeh 1/~l]t MULLERs Material zu w/inschen iibrig. Andererseits ist es auch nieht ausgeschlossen, dab in Drosophila-Spermien die Briiche schon dureh Einzelionisationen ausgelSst werden, dab also biologische bedingte Unterschiede vorliegen. Das muB dureh weitere Untersuehungen geprfift werden.

3. Die Natur des primiiren Bruchereignisses und andere o[]ene Fragen. Die AuslSsung der Brfiche erfolgt in der Interphase oder begirmenden

Prophase, ihre Untersuchung frfihestens in der folgenden Prometaphase. Was in diesem Zeitraum vor sich geht, entzieht sich der unmittelbaren Beobachtung, besonders sind bisher keine Feststellungen darfiber mSg- ]ieh gewesen, welcher Art die ersten Bestrahlungswirkungen sind. Es lassen sich deshalb mlr unbestimmte Vorstellungen hierfiber machen. Die 1orim~ren Treffervorg/inge kSnnen folgende eytologischen Ver~nde- rungen auslSsen: 1. echte Brfiehe, 2. bruchfi~hige Ste]len im Chromosom, die aber ohne manifesten Bruch Rekombinationen eingehen k5nnen, 3. nur rekombinationsf/i.hige Stellen, bei denen Fragmente nur als

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bei Drosophila melanogaster. II. 449

riickl~ufige Rekombinationen zwischen Tochterchromatiden auftreten kSnnen (vgl. hierzu Mitt. I und B A v ~ , 1942b).

Bei den echten Briichen wiirden dann freie Bruchenden auftreten. Diese Bruchenden kSnnten entweder often bleiben oder sieh untereinander vereinigen. In den Mitoseanalysen lgBt sich aul~er den offenen Einzel- briichen nur der Teil der vereinigten erfassen, der zu r/ickli~ufigen Ein- Bruch-Rekombinationen fiihrt. Wieviele Briiche eine Wiedervereinigung zur Ursprungsanordnung erfahren, ist nicht feststellbar. DaB diese letzteren die fibrigen an Zahl erheblich iibertreffen miissen, geht aber schon aus dem Verh~iltnis der Ein- zu den Zwei-Bruch-Mutationen hervor. Oben ist gezeigt worden, daB im Zellkern eine gr56ere Anzahl yon Re- kombinationsbereichen angenommen werden muG, um die beobachtete quadratische Proportionalit~t bis zu verhs163 groBen durch- schnittlichen H/iufigkeiten der Zwei-Bruch-Mutationen zu erkl/~ren. Unter diesen Bedingungen muB die Anzahl der gekombinationsbereiehe mit nur einem Bruch erheblieh hoeh sein. DaB sich offene Briiche nicht in entsprechender Menge beobachten lassen, kann darm nur darauf beruhen, dab zum gr5Beren Teil eine Wiedervereinigung der zusammen- gehSrigen Bruchenden erfolgt. Die Wahrscheinlichkeit fiir diese Wieder- vereinigung w r muB also zwischen 0,5 und 1 liegen.

Falls nicht echte Briiche ausgelSst werden, sondern rekombinations- fghige Stellen, so gilt fiir sie dasselbe; bei gleichzeitiger Neigung zur Fragmentat ion bedeutet 1 - - w r die Hi~ufigkeit des Auftretens oftener Briiche, bei nur rekombinationsfs Stellen die H~ufigkeit ffir rtiek- laufige Ein-Bruch-Rekombinationen.

Der Vergleich der Verschiebung des Gechlechtsverhs in X+ und XC-Versuchen bietet nun die )55glichkeit, einen Anhaltspunkt fiir den Wert von w r zu finden. Hierfiir mug noch einmal auf die oben (S. 413) dargestellten Versuche zuriickgekommen werden. In den X+. Versuchen wurde bei Bestrahlung mit 4000 r eine geringe Senkung des ~-Prozentsatzes gefunden. Als Ursachen hierftir kamen neben Einzel-

briichen dominant-letate Genmutationen, Deletionen u. a. in Betracht, die auch sicher gemeinsam beteiligt sind. Die Einzelbrtiche werden hierbei nut als offene oder dyszentrisch wiedervereinigte Briiche wirksam, wghrend bei Briichen in X c zus/itzlich die euzentrischen Wiederver- einigungen erfaBt werden. Der Unterschied ira 9-Prozentsatz bei X+. und XC-Versuchen mug also auf dem Unterschied in der H~ufigkeit oftener bzw. dyszentrisch vereinigter Briiche einerseits und euzentrisch vereinigter andererseits beruhen. Ffir den Vergleich mit X c kann man annehmen, dal] die Geschlechtsverschiebung in den X+-Versuchen zur Gs auf Einzelbriichen beruht; man macht durch die Vernachl~ssigung der iibrigen Mutationen einen Fehler zugunsten der offenen oder dys- zentrisch vereinigten Briiche und erhglt so ein zu kleines w r. Der Ver- gleich li~13t sich zahlenm~l~ig folgenderma6en durchffihren: Aus den

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450 Hans B~mer: R6ntgenausl6sung yon Chromosomenmutationen

Versuchen der Tabelle 2 iassen sich fiir den ~-Ausfall bei Letaliliit ( 1 - - Na/Na) -100 aus den korrigierten ~-Anza.hlen in den beiden Ver- suchen die Werte 7,28% und 4,92% bereehnen. Wenn aueh beide Ver- suehe wegen der versehiedenen Genotypen, die dabei verwandt wurden, nicht voll vergleiehbar sind, so kann man sie doch, wiederum zugunsten der X+-Werte, zusammen als 7% ansetzen. MJt diesem V(ert muB der entspreehende ffir 4000 r aus dem Xr (Tabelle 8) yon rund 41~ verglichen werden. Aus diesem lgl3t sich ein kD-Wer t nach Gleichung (8) bereehnen, der sich auf 0,615 belguft; mi t ihm kann nun in eine der Gleichung (7) entsprechenden ~ormel ffir X + eingegangen werden.

N? b~--t~.,. , wobei b~ den als offene oder dvs- Diese lautet 1 N~ -- Z ' - - t~,.

zentrisch vereinigte Brfiche vorliegenden Anteil von b x darstellt. Der Glei-

ehung (8) entsprieht dann die Beziehung 1 N?Nz - 1 e(ll -n)+ kDk D, wenn

b~ = 1 - e - n ' k D gesetzt wird, wobei n den dyszentrischen Anteil yon bx angibt. Aus dieser Gleichung folgt n = 0,35. Das heil3t, dag nur rund ein Drittel der Briiche often bleibt oder zu dyszentrischen Ein- Bruch-Rekombinationen fiihrt. Bei diesem Ergebnis kommt nun auger den schon angefiihrten zu giinstig fiir X + eingesetzten Zahlen noeh hinzu, dag bei der Berechnung von kD nach der Gleichung (8) mit einem maximal hohen Wert fiir t r z gerechnet wird. Wie oben gezeigt worden ist, liegt die 9-Defizit-Kurve zwischen einer Eint ref fer -und der hyper- bolischen Kurve. Mit einer Verringerung yon tyL sinkt a.ber auch n. was sich ohne weiteres zeigt, wenn man tyn gleich Null setzt. Es liegt

N? dann fiir X + die Beziehung 1 - - ~ = 1 - - e-"" kD vor, die naeh Bereeh-

N.o hung von k D (fiir X c) aus 1 - - N-~ ~ 1 - - e -kD und Einsetzen dieses

Wertes (0,53) ein n = 0,14 ergibt. Es lgge der Anteil der offenen oder dyszentrisehen Briiche hiernaeh zwischen 0,14 und 0,35, die Wahr- seheinlichkeit ftir Wiedervereinigung w r damit zwischen 0,65 und 0,86. Auch jetzt liegt die untere Grenze aber noeh zu fief; b'x ist definier~ als die Summe der offenen oder dyszent,risch vereinigten Einzelbriiche sowie der Brtiche, die sich an dyszentrischen reziproken Translokationen beteiligen. Nun liegt kein AnlMl vor, die dyszentrisehen Translokationen fiir weniger zahlreieh zu halten a ls die euzentrischen ; denn bei ihnen wird die Entseheidung, ob eine dyszentrische oder euzentrische Vereinigung erfolgt, dureh die Lagebeziehung der Abschnitte zweier Chromosomen gefgllt, und diese mug zufallsgemgB sein (vgl. Mitt. 1). Wenn also die beiden Translokationsarten gleieh wahrseheinlieh sind, so mul3, mn ein yon 0,5 abweichendes w r f/it alle Brtiehe zu ergeben, die euzentrische Wiedervereinigung der Einzelbrfiehe noch hgufiger sein a.ls eben angegeben. Sehlieftlich ist, bei allen Bruehbestimmungen die MSgliehkeit der euzentrisehen Wiedervereinigung der Br{iehe zur

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bei Drosophila melanogaster. II. 451

vol ls tgndig normalen Anordnung, bei X ~ also zu normal tei lungsf/ ihigen Ringen, n ieht zu erfassen. Je naeh der H~uf igke i t einer de ra r t igen Wiedervere in igung wfirde sieh w r dem Grenzwer t 1 en t spreehend wel ter nghern. ] )er un te re Orenzwer t yon ~%, 0,65, is t naeh al len s ieher zu niedr ig angesetzt . DaB es sieh bei diesen Angaben nur um eine mi t t l e r e Wahrsehe in l iehke i t hande l t , die ein untersehiedl iehes Verha l ten etw~ bes t immte r Stel len der Chromosomen n ieht aussehl iegt , b raueh t n ieh t besonders be ton t zu werden.

Bei der Uns ieherhe i t der Aussagen fiber die N a t u r des primS~ren Bruehereignisses haben es die. Unte r sueher bisher im a l lgemeinen unte r - lassen, konkre te re Angaben ~arf iber zu maehen. Eine bes t immte Stel- l ungnahme f inder sieh nur bei 3IAltQUAI~DT (1941 a, 1942 a). E r n i m m t im Sinne der Bruchhypo these einzelne pr imare Bruchvorg~tnge an, doeh sind diese nach ibm yon zweierlei Ar t ; neben rekombina t ions - und frag- menta t ionsf / ih igen Stel len n i m m t er eine zweite A r t yon Prims rungen an, die nur mi t solchen der ers ten Art , n ieht abe r un te r sieh rekombinationsf/~hig sind. Diese hypo the t i sehe Erwei te rung der Brueh- bypothese , die an sich n icht unm6gl ieh ist, wird dureh das yon MAa- QUAI~DT be igebrachte Beweismater ia l a]]erdings nicht gestfi tzt ,

Des N/~heren habe ieh zu MARQUARDTS Hypothese schon Stellung genommen (B.~cER, 1942a), worauf hier ftir Einzelheiten nur verwiesen wird. In einer Er- widerung sueht MARQVARDT (1942b) durch ausfiihrlichere Begrtindung seine An- sicht aufrechtzuerhMten. Dazu sei bier nur kurz bemerkt, dab auch (lurch diese ausftihrliehere Darstel]ung die Beweiskraft seiner Argumente nicht erh6ht, aus ihnen aber klar wird, dab MAttQUAI~DT aus der Bruchhypothese Folgerungen zieht und dann widerleg~, die yon der Bruchhypothese nicht gefordert werden. Es ist hier nicht der geeignete Zusammenhang, um MARQUARDTS Hypothese noch einmal ausfiihrlieh zu behandeln; das sol] nach Durehfiihrung einer Untersuchung an einem den PollenzeUen vergleichbaren M~terial geschehen. Jedenfalls b]eibt die Sachlage so, wie ich sie (1942a) schon gekennzeichnet babe; auch MARQb'aRDTS Befunde lassen sich noch ohne Schwierigkeiten auf dem Boden der Bruchhypothese deuten ~.

Ebensowenig Genaues wie fiber die primSz ansge]6sten Brfiehe 1/~Bt sieh fiber die Vorg/~nge sagen, die zur Neuvereinigung, zur Vv'iederver- einigung bzw. zum , ,Ausheilen: ' oder zum Offenbteiben der Bri iehe ffihren. Um in diese Vorgs einen Einb l ick zu gewinnen, mfissen die Folgen der Ver/~nderung der Bestra .hhmgsbedingungen ana lys ie r t werden.

1 Es sei hier nut hinzugeffigt, dab die yon MARQUARDT ~ls Beleg fiir seine tIypo- these verwertete Tatsuche. dab Fragmente und Rekombinutionen eine Pomsox- Verteilung auf die einzelnen Kerne sowohl einzeln, wie aueh gemeinsam (bei Wertung der Rekombination als 1 Ereignis) ergeben, genau so nach der Bruchhypothese erwartet wird. Naeh beiden Hypothesen ist die kombinierte PoISSO~-Verteilung nur solange m6glich, wie es sich bei Fragment~tionen und Rekombinationen um voneinander unabh~ngige, also in verschiedenen Rekombinatlonsbereichen auf- getretene VerSmderungen handelt. Hierin liegt also ein weiterer Hinweis auf die oben abgeleitete Tatsache, dal3 die Rekombinationsbereiche in den Pollenzellkernen zahlreieh sein miissen (vgl. S. 436 f).

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452 Hans Bauer: R6ntgenauslSsung von Chromosomenmutationen

Aus der Tatsache, dab bei den Chromosomenmutationen die Mutations- rate wellenl/~ngenunabh~ngig ist (M~RS~AK, 1937; EBER~ARDT, 1939; MULLER, 1940; FAnERC]~, 1940b sowie oben S. 433), ergibt sich, dab man nicht erwarten kann, die H~ufigkeit der Prims selbst durch zus~tzliche Bestrahlungsbedingungen abzu~ndern. Was gegebenenfalls abge~ndert wird, sind die genannten sekundiiren Vorgs Ihre :Be- einflul~barkeit liel~ sich schon nach den oben (S. 439) genannten Be- funden yon SAx vermuten, nach denen der Einzelbruch bei Trades- cantia nur ffir eine beschrs Zeit rekombinationsfi~hig ist. Diese Rekombinationszeit scheint temperaturabh~ngig zu sein (SAx und E~ZMANN 1939, SAX 1940); in Versuchen mit verschiedener Temperatur wiihrend und auch nach der Bestrahlung lieBen sich verschiedene Muta- tionshs beobachten; allerdings sind die Ergebnisse nicht leicht deutbar, da sich bestrahlte Interphasen und bestrahlte Prophasen in ihrer Temperaturbeziehung entgegengesetzt verhielten.

Ob in reifen Drosophila-Spermien s Vorg~nge ablaufen, ist noch nicht gekls :Nach dem Aufbau der Spermienkerne ist es sehr unwahrscheinlich, dal3 in ihnen selbst die Rekombination der Briiche stattfindet; vielmehr deutet alles darauf hin, dal~ sie erst nach der Be- fruchtung w~hrend der Umwandlung des Spermienkopfes zum Vorkern erfolgt (vgl. Mitt. I). Dagegen ware eine ,,Ausheilung" der Brfiche auch schon im Spermienkopf denkbar; ob sie vorkommt, ist aber noch un- bekannt. Sie mfiBte angenommen werden, wenn sich an reifen Spermien ein Zeitfaktoreinflul~ aufzeigen lieBe. Einen solchen hat bisher nur EBERgA~D~ (1939) angegeben; gegenteilige Feststellungen haben KAUF- ~ A ~ (1939), MVLLER (1940) und DVBINI~, KHVOSTOVA und MANSVROVA (1941) gemacht; ihnen schlieI~en sich die wenigen oben (S. 434) ~nge- fiihrten Befunde an 1. Ebenso unsicher ist die Antwort auf die Frage nach der Temperaturbeeinflul~barkeit der Chromosomenmutationsrate bei Drosophila. Positiven Angaben yon MICKEY (1939) stehen negative yon Mt'LLER (1940) gegenfiber.

Im ganzen aber gewinnt man aus den vorliegenden Arbeiten den bestimmten Eindruck, dal] im Drosophila-Spermium keine sekundiiren Vorg~nge an den Brfichen ablaufen, dal~ diese vielmehr in der primi~r induzierten H~tufigkeit einfach bis zur Befruchtung gestapelt werden. Damit l~ge dann ein grunds~tzlicher, abet v511ig verst~ndlicher Unterschied zwischen den Zellen im Mitosezyklus und den Spermien vor. Ffir eine endgfiltige Kl~rung bedarf es abet noch weiterer Untersuchungen.

(Zusatz bei der Korr.) Genaue Untersuchungen in TI~OF]~EFF-RESSOVSKYS L~borutorium scheinen den Unterschied zwischen den Befunden ]~BEI~IIAI~DTS und der iibrigen Untersucher zu kl~ren. Herr Dr. CATSC~ findet einen Zeitfaktor- einfluB nur bei unentwickelten Spermien (Kopulationen nach dem 1. Tag), nicht bei reifen Spermien (Kopulationen am 1. Tag).

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bei Drosophila melanogaster. II. 453

Noch ein weiterer Unterschied scheint zwischen den Drosophila- Chromosomen und denen best immter pflanzlicher Gewebe zu bestehen. ]~/IcCLINTOCK (1939) hat gezeigt, dait im Embryogewebe vom Mais - - nicht aber ira Endosperm - - offene Bruehenden, die nach mechanischem Bruch yon durch Austausch gebildeten Chromatidenbriicken entstanden sind, stabil werden, also sich weiterhin wie normale Chromosomenenden verhalten k5nnen. Es liegt kein Hinweis auf ein solches Verhalten der Bruchenden bei Drosophila vor. Dieses liel~e sich natiirlich nut cyto- logisch oder durch Austauschanalyse erkennen. Auch hier ist das Ring-X- Chromosom insofern geeignet, als bei ihm dutch einen Bruch keine Deletionen entstehen, sondern offene Chromosomen mit je nach dem Bruchort medianem his subterminalem Spindelansatz; es kSnnten also alle F~lle stabilisierter Bruchenden errant werden, wi~hrend bei X + nur die mit einem Bruch nahe dem Spindelansatz oder dem freien Ende erhalten wiirden. Voraussetzung ist allerdings, dab die Stabilisierung in X r beide Bruchenden zugleich betrifft. Schon CATCHESIDE (1938) hat in diesem Zusammenhang Speicheldriisenchromosomen yon Larven untersucht, die aus bestrahlten Xc-Spermien hervorgegangen sind. Aus dem Fehlen offener X-Chromosomen hat er allerdings den Schlul~ gezogen, dab induzierte Bruchenden sich immer vereinigen. Ein Often- bleiben der Briiche bis nach der L/~ngsspaltung mit anschliel~ender dyszentrischer Ein-Bruch-Rekombination, die CATCI-IESIDE nicht erwogen hat, ist demgegeniiber durchaus m~iglich und wird auch durch die Unter- suchungen PAssings (1941) an unvollstiindigen Translokationen be- wiesen. Die Angabe CATCHESlDES, daI~ sich in der F 1 keine stabilen offenen ~ingchromosomen auffinden ]~ssen, best~tigt ein umfangreiches ]~1- (WEsCIIElgFELDER unverSff.) und F2-Material (Letalfaktoranalyse). Durch diese Befunde wird natfirlich nichts dariiber ausgesagt, ob unmittel- bar durch die Bestrahlung offene Brtiche erzeugt werden. Selbst aber, wenn nur rekombinationsf/~hige Stellen ausgelSst werden, so ffihren diese doch in der 1. Furchungsteilung zu bizentrisehen Doppelringen, also Chromatidenbriicken. Dal~ diese meistens nicht, ohne mechanisch zu brechen, einfach eliminiert werden, ist oben nachgewiesen worden. Die Letalit/~t der Doppelringe mul~ eben auf fortgesetztem mechanischen Bruch und Briiekenneubildung beruhen. Wiirden nun diese zu Beginn der Furehung erzeugten Bruchenden stabil, wie es beim Mais vorkommt, so miil~ten dadurch (mindestens getegentlich, wenn die durch nicht genau mediane Lage tier beiden Bruehstellen bedingten Deletionen und Duplikationen klein sind) lebensf/ihige Zygoten mit nachweisbaren offenen X-Chromosomen entstehen. Ihr Fehlen beweist somit das Fehlen einer Stabilisierung der Bruchenden. Zum Untersehied yon diesem Verhalten der Briiehe in Spermien s ollen naeh R.~])oPonT (1940) bei Bestrahlung der Ooeyten-Chromosomen yon Drosophila erhaltungsfs Bruehenden auftreten. Einen vollen Beweis fiir diese Behauptung kann man der

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vorl/tufigen Mitteilung noch nicht entnehmen. Dagegen haben t{UGtIES- SCHRADE~ und RIS (1941) bei der Coccide Steatococcus tuberculatus eindeutig gezeigt, dal~ in den Furchungsteilungen die - - sicher unmittelbar (lurch die Bestrahlung ausgel6sten - - freien Bruchenden stabil werden und nornlales Teilungsverhalten der Chromosomenfragmente erlauben. Auch bei diesem Objekt finden sich Unterschiede verschiedener ZeHen; das geschilderte Verhalten trifft nicht ftir die Spermatocyten zu, in denen es nach Bestrahlung auch zu Translokationen kommt. Welche Bedingungen den Unterschied im Verhalten der t~ruchenden bei ver- .~chiedenen Objekten und bei ihnen in versChiedenen Zellarten herbei- fiihren, b]eibt zu kli~ren.

Die vorstehende Ubersicht zeigt, dal~ von dem eigentliehen Bruch- geschehen bisher erst die ~ul3erlichsten Vorgs erfal3t werden. Zu der Frage, was ein Bruch ist und worauf seine Verhaltensweisen zurfick- zufiihren sind, ist ein weiterer Fortschrit t nicht nur durch eine vertiefte strahlenbiologische Analyse, sondern wesentlich auch yon einer Ver- tiefung der Kenntnisse fiber den physikochemischen Feinbau der Chromo- somen her zn erhoffen.

Zusammenfassmlg.

1. X- und Y-Chromosomen unterscheiden sich in dem AusmaJ~, in dem in ihnen zygotisch-letale ~u ta t ionen ausgelSst werden. Je gr51]er der Unterschied ist, urn so mehr kommt es nach Spermienbestrahlung zu einer Verschiebung des Geschlechtsverh~ltnisses zuungunsten der

? in der F 1. 2. Der Grad dieser Verschiebung des Geschlechtsverh~ltnisses ist

verschieden bei Bestrahlung von ~ 3 mit normalem (X +) oder ring- f6rmigen (X c) X-Chromosom.

3. In X+-Chromosomen kSnnen als zygotisch-letale Mutationen vor- kommen: Dominant-letale Genmutationen und yon Chromosomen- mutationen Deletionen und dyszentrische Ein-Bruch-l~ekombinationen. In u sind solche Mutationen nicht letal. Unterschiede in der Hs zygotenletaler dyszentrischer, interchromosomaler :~Iehr-Bruch-I~kombinationen k6nnten dann bestehen, wenn Unter- schiede in der Bruchh/iufigkeit zwischen X+- und u vor- ]/tgen.

4. In XC-Chromosomen kommen als zus/~tzliche zygotenletale Mutationen die euzentrischen reziproken Translokationen und andere euzentrische interchromosomale Mehr-Bruch-Rekombinationen vor. AuBerdem fiihren euzentrische Ein-Bruch-I{ekombinationen in X c zu bizentrischen doppeltgroBen l~ingchromosomen, die entweder (bei an- schlieBendem Chromatidenbruch) zygotenletal mind oder (bei Elimination) zur Geschlechtsumwandlung ftihren und so an der Verschiebung des Geschlechtsverh/iltnisses aueh beteiligt sind.

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bei Drosophila melanogaster. II. 455

5. In der F 1 naeh Bestrahlung der X + - P - c ~ finder sieh (bei 4000 r) eine nur geringe Versehiebtmg des Gesehleehtsverh/~ltnisses (Tabelle 2, S. 413). Die Hgufigkeit aller unter 3. angefiihrten intraehromosomalen ~Iutationen ist also klein bzw. bei Translokationen in X+- und Y- Spermien nieht verschieden.

6. Gleichartige Versuche mit X ~ fiihren zu einer starken Ver- sehiebung des Geschleehtsverhgltnisses. Da naeh X+-c~c~-Bestrahlung keine nermenswerte Verschiebung vorliegt, k6nnen in den Xc-Versuchen die Y-Spermien mit, den X+-Spermien ohne wesentliehen Fehler gleieh- gesetzt werden. Die Versehiebung des Gesehleehtsverh/~ltnisses ist also ein ~{al~ ffir die Unterschiede der Mutabilit~t yon X +- und X~ .~omen und damit flit die H~ufigkeit der zu bizentrischen Doppelringen ffihrenden euzentrisehen Ein-Brueh-Rekombinationen und der sich an euzentrischen Translokationen beteiliegenden Briiche in X ~

7. Die Dosisabh~ngigkeit der Versehiebung des Gesehleehtsverh~lt- hisses wurde in 2 sieh dureh die Aul3enbedingungen unterseheidenden Versuchsgruppen untersucht, yon denen die erste 13 Dosen yon 250 bis 6000 r, die zweite 11 andere Dosen yon 75--3500 r umfal~te. Das Ge- schleehtsverhgltnis sinkt yon 1 : I in den Kontrollen auf weniger als I : 2 bei 6000 r (Tabelle 4, S. 419). Die Werte 1 - - 2 No/N stehen in nahezu linearer Abh~ngigkeit yon der Dosis, doch zeigt die Proportionalit/~ts- kurve eine leiehte L'berkrfimmung (Abb. 6, S. 420).

8. Eine fiberkrtimmte Eintreffer-Kurve ist nur unter den folgenden Bedingungen zu erwarten: Welm b x die H~ufigkeit aller wirksamen (zu bizentrisehen Doppelringen und zu eu- und dyszentrisehen Trans- lokationen) Brfiehe in X ~ und wenn t rL die der dyszentrisehen Trans- lokationen zwischen Y und Autosomen bezeichnet, so gilt unter der An- n~zhme der Zygotenletalit~t der Doppelringe die Beziehung 1 - N~/Nr

bx--t~-L - - 1--t~-n" Folgt nun b x einer Eintrefferkurve, t rL der zugeh6rigen

Zweitreffer-Kurve (gleiches k), so ist die Dosisproportionalit~t dureh die 1

hyperbolische Funktion 1 - - ~ / N ~ = 1 l § gegeben, die graphisch

gegenfiber einer Eintrefferkurve eine st~rkere Kri immung im Anfangs- teil zeigt. Dieselben Beziehungen erhalt man bei Almahme der Elimination der bizentrischen Doppelringe ffir die Werte 1 - - 2 N~/N. Verringerte Krfimmung ergibt sich, wenn die Translokationen einer Zweitreffer-Kurve yon kleinerem k folgen. Die experimentelle Kurve liegt zwischen einer Eintreffer- und der hyperbolischen Kurve (Abb. 8, Tabelle 8 und 9). Damit ist die Annahme bewiesen, dal] die Einzel- briiche direkt proportional zur Dosis auftreten. Die Streuung des ~Iaterials ist zu groin, um aus der experimentellen Kurve darfiber lfinaus genaue Angaben fiber das Zahlenverh~ltnis yon Ein- und Zwei- treffer-Ereignissen zu machen.

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9. Versucbe mi t einer Y-2-Tr~nslokation zeigten, dal3 (im Hfchstmal3) 18,7% der bizentrischen Doppelringe eliminiert werden; alle iibrigen Iiihren znm Absterben der Zygoten (Tabelle 5 und 7).

10. Unte r Berficksiehtigung dieses Verh/iltnisses yon El iminat ion and Letalit/~t 1/~B~ sich eine Bruehh~ufigkeit des X von k ---- 0,12--0,16 bei 1000 r berechnen. Brfiche stellen dami t die h/~ufigste Bestrahlungs- reakt ion der Chromosomen dar.

11. Einige Versuche mit abge/~nderten Bestrahlungsbedingungen weisen darauf hin, daI~ die Bruchh/iufigkeit yon der Wellenl/inge der benutz~en Strahlung (Grenzstrahlen gegenfiber mi t te lhar ten Rfn tgen- strahlen) nnd yon der Art der zei~liehen Dosisverabfolgung (Fraktio- nierung) unabh/ingig ist (Tabelle 10).

12. Eine ~bers ieht fiber die Befunde an Pollenzellen und Drosophila- Spermien zeigt, da~ allgemeine ~bere ins t immung der Beobachtungen mit den Grundforderungen der Bruchhypothese besteht. Die Ergebnisse fiber eine rein quadratisehe Dosisproportionalitiit bis zu Bruehh/~ufig- keiten ~ ! je Kern an Pollenzellen lassen sich nur unter der Annahme einer grfl3eren Anzah] yon Rekombinat ionsbereichen im Kern, also st/~rker eingeschr/mkter Bewegliehkeit der Bruchstellen bzw. Bruch- enden verstehen. Spermienkerne scheinen gegenfiber Kernen aus Tei- ]ungsgewebe dadurch gekennzeiehnet zu sein, daft bei ihnen die aus- gelfsten Brfiche, ohne sekund/ire Ver/~nderungen durcbzumachen, bis zur Befruchtung gestapelt werden.

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