screening auf kolorektale neoplasien; screening for colorectal cancer;

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Das kolorektale Karzinom zählt mit 1 Mio. Erkrankungs- und 500.000 To- desfällen pro Jahr weltweit zu den häufigsten krebsbedingten Erkran- kungs- und Todesursachen [22]. Für 2004 wurden deutschlandweit 36.000 Neuerkrankungen bei Frau- en und 37.250 Neuerkrankungen bei Männern dokumentiert. Die Zahl der jährlichen Sterbefälle am kolorek- talen Karzinom in Deutschland liegt bei ca. 26.000. Der Anteil des kolo- rektalen Karzinoms an allen Krebs- neuerkrankungen liegt bei ca. 17%, der Anteil an den krebsbedingten Sterbefällen bei ca. 12%. Das mittle- re Erkrankungsalter für Männer ist mit 68,7 Jahren deutlich niedriger als bei Frauen mit 72,5 Jahren. Auch das mediane Sterbealter ist bei Frau- en mit 79,3 Jahren deutlich höher als bei Männern mit 72,9 Jahren [8]. Das Screening auf Frühstadien kolorek- taler Karzinome und auf Adenome stellt ein wichtiges Instrument zur Senkung der Inzidenz und Mortalität der Erkrankung dar. Primärprävention und Lebensstil Als gesicherte Risikofaktoren für die Ent- wicklung eines kolorektalen Karzinoms gelten ein westlicher Lebensstil mit we- nig körperlicher Bewegung, Übergewicht, eine fleischlastige Ernährung sowie Alko- hol- und Zigarettenkonsum [17]. Das Ri- siko von Rauchern entspricht in etwa dem von Personen mit erstgradig Verwandten mit kolorektalem Karzinom [13]. Im welt- weiten Vergleich finden sich deutliche In- zidenzunterschiede des kolorektalen Kar- zinoms. Die höchsten Inzidenzraten wer- den in der westlichen Welt, die niedrigs- ten in Entwicklungsländern im afrikani- schen und asiatischen Raum beschrieben. Die Inzidenzraten können sich dabei um das bis zu 10-fache unterscheiden. Inte- ressant ist die Beobachtung, dass sich das Risiko der 1. Generation von Nachfahren von Einwanderern aus einem Niedrig- in ein Hochinzidenzgebiet dem Risiko der Bevölkerung des Gastgeberlandes annä- hert. Dies deutet auf den wichtigen Fak- tor des Lebensstils und der Ernährung als Risikofaktor hin. Wichtige Risikoerkran- kungen stellen insbesondere das metabo- lische Syndrom und der Diabetes melli- tus dar. So steigert ein metabolisches Syn- drom das Risiko, an einem kolorektalen Adenom oder Karzinom zu erkranken, um 50% [13]. Aber auch Alter und Ge- schlecht stellen wichtige Risikofaktoren dar. Die Häufigkeit kolorektaler Adeno- me und Karzinome nimmt mit dem Al- ter kontinuierlich zu [2, 15]. Auch erkran- ken Männer nicht nur früher an kolorek- talen Karzinomen, sondern kolorektale Adenome treten bei ihnen in einem we- sentlich jüngeren Alter auf als bei Frau- en. Eine Untersuchung basierend auf dem bayerischen Koloskopieregister konnte nachweisen, dass Männer bereits im Alter von 45 Jahren das gleiche Risiko für fort- geschrittene Neoplasien haben wie Frau- en mit Mitte 50 [15]. Die medikamentö- se Primärprävention der Normalbevölke- rung sowie die Chemoprophylaxe nach Polypektomie sind weiterhin nicht etab- liert. Zwar wurden insbesondere präven- tive Ansätze mit nichtsteroidalen Anti- rheumatika und Cyclooxygenase-II-Inhi- bitoren in zahlreichen Studien untersucht, aufgrund von Nebenwirkungen und der dadurch ungünstigen Nutzen-Risiko-Re- lation kann aber bis heute keine Chemo- prävention des kolorektalen Karzinoms empfohlen werden. Unterscheidung von 3 Risikogruppen Grundsätzlich müssen 3 Risikogrup- pen für die Entwicklung eines kolorek- talen Karzinoms unterschieden werden (. Abb. 1): F   normales Risiko, F   familiär erhöhtes Risiko und F   erblicher Darmkrebs. Die größte Gruppe stellt mit ca. 70% das sporadische kolorektale Karzinom dar; Radiologe 2012 · 52:504–510 DOI 10.1007/s00117-011-2281-0 Online publiziert: 24. Mai 2012 © Springer-Verlag 2012 F.T. Kolligs Medizinische Klinik und Poliklinik II, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München,   Campus Großhadern, München Screening auf kolorektale  Neoplasien Aktuelle Evidenz und neue Entwicklungen Leitthema: Kolorektales Karzinom Abkürzungen CRC kolorektales Karzinom CT Computertomographie FIT fäkal immunochemischer Test FOBT fäkal okkulter Stuhlbluttest HNPCC Hereditary Non-Polyposis   Colorectal Cancer 504 | Der Radiologe 6 · 2012

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Page 1: Screening auf kolorektale Neoplasien; Screening for colorectal cancer;

Das kolorektale Karzinom zählt mit 1 Mio. Erkrankungs- und 500.000 To-desfällen pro Jahr weltweit zu den häufigsten krebsbedingten Erkran-kungs- und Todesursachen [22]. Für 2004 wurden deutschlandweit 36.000 Neuerkrankungen bei Frau-en und 37.250 Neuerkrankungen bei Männern dokumentiert. Die Zahl der jährlichen Sterbefälle am kolorek-talen Karzinom in Deutschland liegt bei ca. 26.000. Der Anteil des kolo-rektalen Karzinoms an allen Krebs-neuerkrankungen liegt bei ca. 17%, der Anteil an den krebsbedingten Sterbefällen bei ca. 12%. Das mittle-re Erkrankungsalter für Männer ist mit 68,7 Jahren deutlich niedriger als bei Frauen mit 72,5 Jahren. Auch das mediane Sterbealter ist bei Frau-en mit 79,3 Jahren deutlich höher als bei Männern mit 72,9 Jahren [8]. Das Screening auf Frühstadien kolorek-taler Karzinome und auf Adenome stellt ein wichtiges Instrument zur Senkung der Inzidenz und Mortalität der Erkrankung dar.

Primärprävention und Lebensstil

Als gesicherte Risikofaktoren für die Ent-wicklung eines kolorektalen Karzinoms gelten ein westlicher Lebensstil mit we-nig körperlicher Bewegung, Übergewicht, eine fleischlastige Ernährung sowie Alko-hol- und Zigarettenkonsum [17]. Das Ri-siko von Rauchern entspricht in etwa dem von Personen mit erstgradig Verwandten mit kolorektalem Karzinom [13]. Im welt-weiten Vergleich finden sich deutliche In-zidenzunterschiede des kolorektalen Kar-zinoms. Die höchsten Inzidenzraten wer-den in der westlichen Welt, die niedrigs-ten in Entwicklungsländern im afrikani-schen und asiatischen Raum beschrieben. Die Inzidenzraten können sich dabei um das bis zu 10-fache unterscheiden. Inte-ressant ist die Beobachtung, dass sich das Risiko der 1. Generation von Nachfahren von Einwanderern aus einem Niedrig- in ein Hochinzidenzgebiet dem Risiko der Bevölkerung des Gastgeberlandes annä-hert. Dies deutet auf den wichtigen Fak-tor des Lebensstils und der Ernährung als Risikofaktor hin. Wichtige Risikoerkran-kungen stellen insbesondere das metabo-lische Syndrom und der Diabetes melli-tus dar. So steigert ein metabolisches Syn-drom das Risiko, an einem kolorektalen Adenom oder Karzinom zu erkranken, um 50% [13]. Aber auch Alter und Ge-schlecht stellen wichtige Risikofaktoren dar. Die Häufigkeit kolorektaler Adeno-me und Karzinome nimmt mit dem Al-

ter kontinuierlich zu [2, 15]. Auch erkran-ken Männer nicht nur früher an kolorek-talen Karzinomen, sondern kolorektale Adenome treten bei ihnen in einem we-sentlich jüngeren Alter auf als bei Frau-en. Eine Untersuchung basierend auf dem bayerischen Koloskopieregister konnte nachweisen, dass Männer bereits im Alter von 45 Jahren das gleiche Risiko für fort-geschrittene Neoplasien haben wie Frau-en mit Mitte 50 [15]. Die medikamentö-se Primärprävention der Normalbevölke-rung sowie die Chemoprophylaxe nach Polypektomie sind weiterhin nicht etab-liert. Zwar wurden insbesondere präven-tive Ansätze mit nichtsteroidalen Anti-rheumatika und Cyclooxygenase-II-Inhi-bitoren in zahlreichen Studien untersucht, aufgrund von Nebenwirkungen und der dadurch ungünstigen Nutzen-Risiko-Re-lation kann aber bis heute keine Chemo-prävention des kolorektalen Karzinoms empfohlen werden.

Unterscheidung von 3 Risikogruppen

Grundsätzlich müssen 3 Risikogrup-pen für die Entwicklung eines kolorek-talen Karzinoms unterschieden werden (. Abb. 1):F  normales Risiko,F  familiär erhöhtes Risiko undF  erblicher Darmkrebs.

Die größte Gruppe stellt mit ca. 70% das sporadische kolorektale Karzinom dar;

Radiologe 2012 · 52:504–510DOI 10.1007/s00117-011-2281-0Online publiziert: 24. Mai 2012© Springer-Verlag 2012

F.T. KolligsMedizinische Klinik und Poliklinik II, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München,  

Campus Großhadern, München

Screening auf kolorektale NeoplasienAktuelle Evidenz und neue Entwicklungen

Leitthema: Kolorektales Karzinom

AbkürzungenCRC kolorektales Karzinom

CT Computertomographie

FIT fäkal immunochemischer Test

FOBT fäkal okkulter Stuhlbluttest

HNPCC Hereditary Non-Polyposis  Colorectal Cancer

504 |  Der Radiologe 6 · 2012

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die Mehrzahl der Betroffenen ist über 50 Jahre und weist keinen Hinweis für eine familiäre Belastung auf. Bei etwa einem Viertel aller Patienten lässt sich eine familiäre Belastung eruieren, ohne dass ein eindeutiger Vererbungsmodus identifiziert werden kann. Erkrankt ein erstgradig Verwandter an einem kolorek-talen Karzinom, erhöht sich das Risiko für den entsprechenden Angehörigen um das 2- bis 3-fache (. Tab. 1; [17, 23]). Je mehr Angehörige betroffen sind, desto höher ist das Risiko für den Einzelnen. Etwa 5% al-ler kolorektalen Karzinome gehören zur Gruppe der hereditären Karzinome. Hier-zu zählen das Lynch-/HNPCC-Syndrom, die familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) sowie die seltenen hamartösen Po-lyposissyndrome Peutz-Jeghers-Syndrom, juvenile Polyposis coli und Cowden-Syn-drom. Auch das seltene hyperplastische Polyposissyndrom ist mit einem erhöh-ten Darmkrebsrisiko verbunden. Patien-ten mit Zustand nach Resektion eines ko-lorektalen Karzinoms oder eines kolorek-talen Adenoms haben ein erhöhtes Risi-ko für die Entwicklung metachroner Ko-lonadenome bzw. -karzinome. Entspre-chend gelten hier risikoadaptierte Nach-sorgeempfehlungen [20].

Chronisch entzündliche Darmerkran-kungen stellen eine weitere Risikoerkran-kung für die Entwicklung eines Kolonkar-zinoms dar. Während beim sporadischen und bei den meisten Formen des heredi-tären Kolorektalkarzinoms die Adenom-Karzinom-Sequenz gilt, in der sich das kolorektale Karzinom über adenomatöse Vorstufen im Laufe mehrerer Jahre ent-wickelt, liegt bei den chronisch entzünd-lichen Darmerkrankungen eine Entzün-dung-Dysplasie-Karzinom-Sequenz vor. Bei einer Pancolitis ulcerosa mit 10-jähri-ger Erkrankungsdauer bzw. einer linkssei-tigen Colitis ulcerosa mit 15- bis 20-jäh-riger Erkrankungsdauer steigt das Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu er-kranken, deutlich an. Aus diesem Grun-de wurden für diese Patientengruppen se-parate Surveillanceempfehlungen entwi-ckelt [20].

Voraussetzungen für Screening auf Kolonneoplasien

Das Stadium des kolorektalen Karzinoms zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ist der wichtigste prognostische Faktor für das Überleben [14]. Es wird geschätzt, dass mehr als 95% aller Patienten mit einem kolorektalen Karzinom von einem kura-tiven chirurgischen Vorgehen profitieren könnten, würde die Diagnose in einem frühen Karzinom- oder prämalignen Polypenstadium gestellt [7]. Aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit von 5–6% der Allgemeinbevölkerung, an einem ko-lorektalen Karzinom zu erkranken, wur-den in vielen Ländern der Welt Vorsor-geprogramme etabliert. Vor diesem Hin-tergrund ist zu bedenken, dass bis zu 50% der Gesamtbevölkerung in entwickelten Ländern im Laufe des Lebens kolorektale Polypen entwickeln und dass aber gleich-zeitig nur ein kleiner Teil dieser benignen Neoplasien maligne transformiert.

Das kolorektale Karzinom ist eine der wenigen Krebserkrankungen, bei der der Nutzen der Vorsorge erwiesen ist. Eine ideale Screeningstrategie erfüllt dabei fol-gende Kriterien:F  die Screeningmethode ist sicher und

hat hohe positive und negative prä-diktive Werte, d. h. sie unterscheidet sicher zwischen Betroffenen und Ge-sunden;

F  ihr Einsatz führt zu einer Reduktion der Mortalität;

F  sie hat eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung;

F  es stehen kurative Behandlungsmög-lichkeiten bei Diagnose von Vor- und Frühstadien der Erkrankung zur Ver-fügung;

F  die Kosteneffizienz des Screening-ansatzes spielt ebenfalls eine wichti-ge Rolle bei der Etablierung bevölke-rungsweiter Screeningprogramme.

Seit Oktober 2002 ist die Darmkrebsvor-sorge in Deutschland eine Regelleistung der Gesetzlichen Krankenkassen. Jeder gesetzlich Versicherte hat zwischen dem 50. und 54. Lebensjahr Anspruch auf einen jährlichen Hämokkulttest. Ab dem 55. Lebensjahr besteht der Anspruch auf eine Koloskopie, die nach 10 Jahren wie-derholt werden kann. Alternativ kann der

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Hämokkulttest alle 2 Jahre weiter durch-geführt werden. Die Zielläsion für das Ko-lonscreening ist die fortgeschrittene Neo-plasie. Unter diesem Begriff werden alle Karzinome und fortgeschrittenen Adeno-me zusammengefasst. Unter fortgeschrit-tenen Adenomen versteht man dabei alle Adenome ≥1 cm, alle Adenome mit hoch-gradiger Dysplasie und Adenome mit tu-bulovillöser oder villöser Histologie.

Screening auf okkultes Blut im Stuhl

Die typische Latenz von der Entstehung eines Adenoms bis zur Progression zu einem Karzinom beträgt 10 bis 15 Jahre, kann aber in einzelnen Fällen und ins-besondere bei entsprechender Belastung auch deutlich kürzer sein. Diese schon vor mehr als 30 Jahren beschriebene Ade-nom-Karzinom-Progression und das Ent-stehen der meisten Karzinome über vie-le Jahre aus polypösen Vorstufen kann als

„Screeningfenster“ genutzt werden. Da-bei ist der Test auf okkultes Blut im Stuhl (fäkal okkulter Stuhlbluttest, FOBT) der Test mit der höchsten Evidenz. Der klas-sische Guaiac-basierte Hämokkulttest ba-siert auf dem Nachweis der Pseudoper-oxydaseaktivität des Hämoglobins und weist somit nichtspezifisch humanes Hä-moglobin nach, andererseits können nur zumindest intermittierend blutende Be-funde nachgewiesen werden. Üblicher-weise werden 3 Testbriefchen mit je 2 Fel-dern für 3 aufeinander folgende Stuhlgän-ge untersucht. Auch bei nur einem posi-tiven Test muss eine Koloskopie zur Ab-

klärung folgen. Durch den jährlich oder alle 2 Jahre angewendeten FOBT können die Inzidenz und Mortalität an einem ko-lorektalen Karzinom gesenkt werden [10]. Auch wird durch den FOBT ein Stadien-

shift erreicht: Unter Screeningbedingun-gen detektierte Karzinome weisen frühe-re und damit besser kurativ behandelba-re Stadien auf als Karzinome, die im Rah-men von Abklärungskoloskopien detek-

Zusammenfassung · Abstract

Radiologe 2012 · 52:504–510   DOI 10.1007/s00117-011-2281-0© Springer-Verlag 2012

F.T. Kolligs

Screening auf kolorektale Neoplasien. Aktuelle Evidenz und neue Entwicklungen

Zusammenfassung

Klinisches Problem.  Das kolorektale Karzi-nom zählt zu den häufigsten krebsbeding-ten Erkrankungs- und Todesursachen. Durch Screening kann die Inzidenz und Mortali-tät des kolorektalen Karzinoms gesenkt wer-den. Neben der Normalrisikogruppe, die den größten Teil der Bevölkerung ausmacht, wird noch zwischen Personen mit erhöhtem Ri-siko bei familiärer Belastung und Personen aus Familien mit erblichem Darmkrebs unter-schieden.Standardverfahren zum Screening.  Die höchste Evidenz aller Screeningverfahren existiert für den Guaiac-basierten Test auf ok-kultes Blut im Stuhl. Die Koloskopie ist zu-gleich diagnostisches als auch therapeuti-sches Instrument. Da sie die Referenzmetho-de für alle anderen Tests in Studien ist, wird sie als Goldstandard für das Screening auf Ko-lonneoplasien angesehen.Leistungsfähigkeit und Bewertung  neuer Verfahren.  Neue, auf dem immunolo-gischen Nachweis von humanem Hämoglo-

bin beruhende Stuhltests, haben eine deut-lich höhere Sensitivität als der Guaiac-Test bei vergleichbarer Spezifität. Zahlreiche neue Verfahren befinden sich in Entwicklung und könnten in Zukunft Einzug in Screeningpro-gramme halten. Die höchste Sensitivität nach der Koloskopie haben dabei die CT-Kolono-graphie und die Kapselkoloskopie. Moleku-lare Tests, die auf dem Nachweis genetischer und epigenetischer DNA-Veränderungen im Stuhl oder Blut beruhen, haben ein hohes Potenzial und könnten in Zukunft den Ok-kultbluttest ablösen.Empfehlung für die Praxis.  Primäres Scree-ningverfahren auf Kolonneoplasien ist die Koloskopie. Der Hämokkulttest sollte nur bei Ablehnung der Koloskopie eingesetzt wer-den. Die CT-Kolonographie ist zum Screening in Deutschland nicht zugelassen.

SchlüsselwörterKolorektales Karzinom · Screening · Früherkennung · Koloskopie · Hämokkulttest

Screening for colorectal cancer. Current evidence and novel developments

Abstract

Clinical issue.  Colorectal cancer is one of the leading causes of cancer-related morbid-ity and mortality. Screening has been dem-onstrated to reduce both the incidence and mortality of colorectal cancer. In addition to the large group with a normal risk level, two further risk groups need to be distinguished: increased family risk and hereditary colorec-tal cancer syndromes.Standard methods for screening.  The high-est evidence for all screening tests has been demonstrated for guaiac-based fecal oc-cult blood testing. Colonoscopy is a diagnos-tic and therapeutic tool and it serves as the reference standard for other tests in clinical studies.Innovations.  Fecal immunochemical tests have a higher sensitivity than guaiac-based tests. Several novel techniques are under de-velopment and could be adopted by screen-

ing programs in the future. Next to colonos-copy, computed tomography (CT) colonog-raphy and colon capsule endoscopy have the highest sensitivity for colorectal neopla-sia. Molecular tests which are based on the detection of genetic and epigenetic chang-es of DNA released by the tumor into feces or blood have a high potential and could poten-tially replace occult blood tests in the future.Practical recommendations.  Colonoscopy is the primary instrument for screening for colorectal neoplasia. Fecal occult blood test-ing should only be performed if colonosco-py is denied and CT colonography has not yet been approved for screening in Germany.

KeywordsColorectal cancer · Screening ·  Early detection · Colonoscopy ·  Fecal occult blood test

Tab. 1  Risikofaktor Familienanamnese. (Nach [23])

Risikokonstellation Risikoerhöhung

1 Verwandter 1. Grades mit CRC <50 Jahre

3- bis 4-mal

2 Verwandte 1. Grades mit CRC

3- bis 4-mal

1 Verwandter 1. Grades mit CRC

2- bis 3-mal

2 Verwandte 2. Grades mit CRC

2- bis 3-mal

1 Verwandter 1. Grades mit Adenom

2-mal

1 Verwandter 2. Grades mit CRC

1,5-mal

CRC kolorektales Karzinom.

506 |  Der Radiologe 6 · 2012

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tiert werden. Die Leistungsfähigkeit des FOBT ist aber begrenzt. Bei regelmäßiger 1- bis 2-jährlicher Anwendung kann er die Mortalität des kolorektalen Karzinoms nur um 15–33% senken. Seine Sensitivi-tät für kolorektale Karzinome liegt bei et-wa 30–35% und für Adenome bei 10–15%.

Zur Verbesserung der Sensitivität des Guaiac-Tests wurden immunologische Stuhlbluttests (fäkal immunochemischer Test, FIT) entwickelt. Diese beruhen auf dem direkten, antikörperbasierten Nach-weis des humanen Hämoglobins. Es wur-den zahlreiche Tests entwickelt und in den Markt eingeführt, die allerdings sehr unterschiedliche Sensitivitäten und Spe-zifitäten aufweisen [11]. Optimale Tests erreichen heute Sensitivitäten für fortge-schrittene Adenome von ca. 25% bei einer Spezifität von deutlich über 90%. In einer aktuell publizierten randomisierten spa-nischen Studie erhielten 26.703 Personen eine Koloskopie und 26.599 Personen al-le 2 Jahre ein Screening mittels FIT [19]. Zwischen Juni 2009 und Juni 2011 wurden in der Koloskopiegruppe mit 30 Karzino-men und der FIT-Gruppe mit 33 Karzi-nomen annähernd gleich viele Maligno-me detektiert. Die Zahl der fortgeschrit-tenen Adenome unterschied sich mit 544 vs. 264 dagegen deutlich. Das primä-re Ziel der Studie, der Nachweis der Sen-kung der Mortalität am kolorektalen Kar-zinom, wird erst in 2021 erreicht werden. Auch wenn die Studienlage zum FIT deut-lich schwächer ist als die zum konventio-nellen FOBT, sollte bereits heute bei ent-sprechender Auswahl eines Tests mit ho-her Sensitivität und Spezifität dem FIT der Vorzug gegenüber dem FOBT gegeben werden. Die europäische Leitlinie emp-

fiehlt daher, den FIT dem FOBT vorzu-ziehen [6]. Andere Stuhltests, wie etwa der Test zum Nachweis der M2-Pyruvatkina-se im Stuhl, werden bei niedriger Spezifi-tät nicht zum Screening empfohlen.

Goldstandard Koloskopie

Die Koloskopie wird als Goldstandard für die Diagnose kolorektaler Polypen und Malignome angesehen. Gegenüber al-len anderen Verfahren hat sie den Vor-teil, dass sie diagnostisches und therapeu-tisches Instrument zugleich ist. Eine his-tologische Sicherung auffälliger Befunde und die Abtragung prämaligner Polypen und von Niedrigrisikokolonkarzinomen (gut differenzierte pT1-Karzinome oh-ne Lymphgefäßeinbrüche) kann in glei-cher Sitzung erfolgen. Im Gegensatz zum FOBT liegen bis heute keine randomisiert kontrollierten Studien vor, die den Nach-weis einer Reduktion der Inzidenz oder Mortalität an kolorektalen Karzinomen durch die Vorsorgekoloskopie gezeigt hät-ten. Da die Koloskopie aber in randomi-siert kontrollierten FOBT- und Sigmoi-doskopiestudien zur Aufarbeitung posi-tiver Testergebnisse und zur Polypekto-mie eingesetzt wurde, kann indirekt auch auf die koloskopische Polypektomie als Instrument zur Senkung der kolorekta-len Karzinominzidenz geschlossen wer-den. Zusätzlich gibt es eine starke Evidenz aus Polypektomiekohorten. So konnte in der National Polyp Study im Vergleich zu 3 Kontrollkohorten gezeigt werden, dass durch die koloskopische Polypektomie die Inzidenz an kolorektalen Karzinomen um 76–90% gesenkt werden kann [24]. Ein aktuell durchgeführter Vergleich der

Mortalität an einem kolorektalen Kar-zinom innerhalb der Kohorte von 2602 Personen der National Polyp Study, bei denen ein Adenom endoskopisch ent-fernt worden war, zeigte im Vergleich zur Sterblichkeit der US-amerikanischen Be-völkerung eine Risikoreduktion um 53% [25]. Die Ergebnisse zur Inzidenz- und Mortalitätssenkung in aktuell laufenden randomisierten Screeningkoloskopiestu-dien in Nordeuropa (NCT00883792), in Spanien (NCT00906997) und den USA (NCT01239082) sind nicht vor dem Jahr 2022 zu erwarten.

Leistungsfähigkeit und Limitationen der Koloskopie

Eine Hochrechnung aus Deutschland hat gezeigt, dass in den ersten 8 Jahren des deutschen Koloskopieprogramms bei 300.000 Teilnehmern fortgeschritte-ne Adenome detektiert und entfernt so-wie 50.000 asymptomatische kolorektale Karzinome in meist frühen Stadien dia-gnostiziert wurden [3]. Es wird geschätzt, dass 100.000 kolorektale Karzinome in der Altersgruppe der 55- bis 84-Jährigen ver-hindert wurden. Trotz des dokumentier-ten Erfolgs der Vorsorgekoloskopie ist al-lerdings die Teilnahme der Bevölkerung hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Häufig gegen die Koloskopie angeführte Kritikpunkte können aber basierend auf der guten Dokumentation des deutschen Vorsorgeprogramms ausgeräumt werden. Da die überwältigende Mehrzahl aller Ko-loskopien in (Analgo-)Sedierung durch-geführt wird [15], stellt die vor der Endo-skopie erforderliche Kolonlavage sicher-lich die größte Belastung für den Patien-ten dar. Die detaillierte Dokumentation von Routinekoloskopien hat zudem ge-zeigt, dass Komplikationen wie Blutungen und Perforationen sowie kardiovaskuläre Komplikationen im niedrigen einstelli-gen Promillebereich liegen [4, 15]. Zahl-reiche Studien haben nachgewiesen, dass die Grundvoraussetzung für eine erfolg-reiche und sichere (Vorsorge-)Koloskopie die Qualitätssicherung ist. Nur bei erfah-renem Untersucher, kompletter Untersu-chung bis zum Zökum, sorgfältigem En-doskoprückzug vom Zökum bis ins Rek-tum, vollständiger Polypektomie und Einhaltung der Surveillanceempfehlun-

SporadischesKolonkarzinom70-80%

Erhöhtes familiäresRisiko 10-30%

Hamartöse PolyposisSyndrome <0,1%

HNPCC 2%-3%

FAP <1%

Abb. 1 9 Verteilung kolorektaler Karzino-me. Die Mehrzahl ko-lorektaler Karzinome tritt ohne erkennba-re familiäre Belastung auf. Ein erhöhtes Risi-ko findet sich bei bis zu einem Drittel der Be-troffenen. FAP familiäre adenomatöse Polypo-sis, HNPCC „hereditary non-polyposis colorec-tal cancer“

507Der Radiologe 6 · 2012  | 

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gen kann der maximale Benefit in Bezug auf Inzidenz- und Mortalitätssenkung er-reicht werden. Eine wichtige Maßzahl ist die individuelle Adenomdetektionsrate des Koloskopeurs.

Virtuelles Screening mittels Computertomographie und Kapselkoloskopie

Neben der Koloskopie und dem Hämok-kulttest werden in Deutschland z. Z. keine weiteren Vorsorgeverfahren empfohlen. Während die Sigmoidoskopie insbeson-dere in den USA ein viel genutztes Vorsor-geinstrument ist, hat sie in Deutschland nur eine nachgeordnete Bedeutung. Die Bariumdoppelkontrastuntersuchung hat heute keinen Stellenwert mehr im Scree-ning. Bei aus technischen Gründen un-vollständiger Koloskopie sollte eine virtu-elle CT-Kolonographie erfolgen. Im Ver-gleich zur Koloskopie erreicht die CT-Ko-

lonographie Sensitivitäten für Adenome ≥10 mm von über 90% [18]. Die CT-Ko-lonographie ist somit nach der Kolosko-pie das sensitivste Verfahren für die De-tektion von Kolonneoplasien. Während amerikanische Leitlinien die CT-Kolo-nographie in die Liste möglicher Scree-ningverfahren aufgenommen haben [16], ist die CT-Kolonographie in Deutschland aus Gründen des Strahlenschutzes zum Screening nicht zugelassen. Ein weiteres Verfahren mit großem Potenzial stellt die Kolonkapsel dar. Eine aktuelle Studie hat für die Kolonkapsel eine Sensitivität von 88% für Polypen ≥10 mm nachgewiesen [21]. Bei noch nicht ausreichender Stu-dienlage kann eine Empfehlung zum rou-tinemäßigen Einsatz für das Screening bislang aber noch nicht gegeben werden. Neben methodeninhärenten Fragen der CT-Kolonographie und der Kolonkapsel-koloskopie sind insbesondere die Fragen der Kosteneffizienz und des risikoadap-

tierten Workups bei positiven Befunden nicht abschließend geklärt.

Potenzial stuhl- und blutbasierter DNA-Tests

Die normale Kolonschleimhaut und ins-besondere Tumorzellen setzen kontinu-ierlich DNA einerseits in die Blutbahn und andererseits in den Stuhl ab. Diese DNA kann aus dem Blut bzw. Stuhl iso-liert und auf Mutationen und epigeneti-sche Veränderungen wie CpG-Insel-Met-hylierung untersucht werden. Im Gegen-satz zu nur intermittierend auftreten-den Blutungen von Kolonneoplasien, auf denen die Chancen und Limitationen von Okkultbluttests beruhen, ist die Abschil-ferung von Tumorzellen ein kontinuierli-cher Prozess. Eine Reihe von DNA-Mu-tationen, die im Rahmen der Adenom-Karzinom-Sequenz regelmäßig auftre-ten, wie z. B. Mutationen in APC, KRAS und P53, können im Stuhl nachgewiesen werden. In der bislang größten prospek-tiven Studie zum Screening mittels fäka-lem DNA-Mutationsnachweis von Impe-riale et al. [12], die auf dem Nachweis von 21 genetischen Veränderungen in der iso-lierten Stuhl-DNA beruhte, konnte eine Sensitivität von 52% für Karzinome er-reicht werden. In der gleichen Studie er-reichte der konventionelle Hämokkult-test nur eine Sensitivität von 13%. Die-se niedrige Sensitivität des Hämokkult-tests wurde an dieser Studie heftig kriti-siert. Unabhängig davon handelt es sich hierbei um die erste Studie, die prospektiv die vergleichsweise gute Sensitivität die-ses Tests im Vergleich zum FOBT aufzei-gen konnte. In der Folge wurde dieser Test um die Methylierungsanalyse des Vimen-tin-Gens erweitert. Ahlquist et al. [1] wie-sen hier eine 46%ige Detektionsrate für fortgeschrittene Adenome nach. In den Vereinigten Staaten werden DNA-basier-te Stuhltests seit mehreren Jahren angebo-ten und auch in interdisziplinären Leitli-nien von Fachgesellschaften als alternati-ve Screeningmethode gelistet [16].

In mehreren Studien wurde die Analy-se von Tumor-DNA-Mutationen im Blut untersucht. Es hat sich gezeigt, dass An-sätze zum Nachweis von DNA-Methy-lierung ausgesuchter Gene eine hohe Sen-sitivität erreichen können. So ist es mög-

Tab. 2  Leitlinien im Vergleich

Risikogruppe Deutsche  Leitlinie [20]

Europäische  Leitlinie [6]

Amerikanische  Leitlinie [16]

Allgemeinbevölkerung

Screeningalter ≥50 Jahre ≥50 Jahre ≥50 Jahre 

Methode Koloskopie alle 10 Jahre oder Sigmoidoskopiea alle 5 Jahre plus FOBTa jährlich oder FOBTa jährlich

FITa mindestens alle 3 Jahre oder FOBTa mindestens alle 2 Jahre oder Sigmoidoskopie alle 10 Jahre oder Koloskopie alle 10 Jahre

Krebspräventionstests:  Sigmoidoskopiea alle 5 Jahre oder Koloskopie alle 10 Jahre oder Bariumdoppelkontrasta alle 5 Jahre oder CT-Kolono- graphiea alle 5 Jahre; Krebs-detektionstests: FOBTa jährlich oder FITa jährlich oder DNA-Stuhltests (Intervall unklar)

Erhöhtes Risiko

Familiäre  Belastung

Erstgradig Verwandter mit CRC; erstgradig  Verwandter mit Adenom vor dem 50. Lebensjahr: 10 Jahre vor dem  Erkrankungsalter des Indexpatienten

Erstgradig Ver-wandter mit CRC: ab 40 Jahre

Erstgradig Verwandter ≤60 Jah-re oder ≥2 erstgradig Verwand-te egal welchen Alters mit CRC oder Adenom: ab Alter 40 Jahre oder 10 Jahre vor Erkrankungs-alter des Indexpatienten, alle 5 Jahre Koloskopie

Erblicher Darmkrebs

FAP Genetische Testung; Sig-moidoskopie ab 10 Jah-re; Koloskopie bei Nach-weis von Adenomen

Genetische Tes-tung; Surveillance mittels Koloskopie

Genetische Testung;  Sigmoidoskopie ab 10 Jahre; Koloskopie bei Nachweis von Adenomen

HNPCC Genetische Testung; Koloskopie jährlich ab 25 Jahre bzw. 5 Jahre vor dem frühesten Erkran-kungsalter in der Familie

Genetische Tes-tung; Surveillance mittels Koloskopie

Genetische Testung; Koloskopie alle 1 bis 2 Jahre ab 20 Jahre

aBei positivem Test Koloskopie. FIT fäkal immunochemischer Test, FOBT Fäkal-okkulter Stuhlbluttest, Hämok-kulttest, CRC kolorektales Karzinom, FAP familiäre adenomatöse Polyposis, HNPCC „hereditary non-polyposis colorectal cancer“.

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Leitthema: Kolorektales Karzinom

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lich, durch den Nachweis von nur einem Methylierungsmarker deutlich über 50% aller kolorektalen Karzinome bei einer Spezifität von 90% im Blut zu detektieren [5, 9]. Vorausgesetzt, dass diese Methy-lierungstests auch in prospektiven Studien eine Sensitivität deutlich über 50% und eine Spezifität über 90% aufweisen, stel-len sie eine möglicherweise interessante Alternative zum Screening für Personen dar, die die Vorsorgekoloskopie ablehnen. In diesem Zusammenhang ist aber noch unbeantwortet, wie mit einem falsch-positiven Test verfahren werden soll. Es ist unklar, ob ein positiver Test bei nega-tiver Koloskopie dann weitere Untersu-chungen anderer Organsysteme (stammt die methylierte DNA aus einem extrako-lonischen Tumor?) bzw. wiederholte Ko-loskopien (wurde der Befund bei Kolos-kopie übersehen?) nach sich ziehen soll-te. Solange also prospektive Studien nicht überzeugende Ergebnisse präsentieren und die Frage der Bedeutung falsch-posi-tiver Tests nicht geklärt ist, sollten diese Tests außerhalb klinischer Studien nicht angewendet werden.

Aktuelle Empfehlungen deutscher und internationaler Leitlinien

Die deutsche, die europäische und die amerikanische Leitlinie unterscheiden sich sowohl im Hinblick auf die präferier-te Screeningmethode als auch im Hinblick auf die Vorsorgeintervalle (. Tab. 2). Die interdisziplinäre deutsche Leitlinie präfe-riert die Koloskopie zum Screening [20]. Bei Ablehnung der Koloskopie sollte ein jährlicher Hämokkulttest zum Einsatz kommen, der zur Steigerung der Sensiti-vität mit einer Sigmoidoskopie in 5-jäh-rigem Abstand kombiniert werden soll-te. Die Leitlinie der Europäischen Kom-mission listet neben Koloskopie, Sigmoi-doskopie und FOBT auch den FIT. Dabei wird dem immunologischen Stuhlblut-test bei größerer Sensitivität der Vorzug gegenüber dem Guaiac-basierten FOBT gegeben [6]. Die amerikanische Leitlinie unterscheidet zwischen Tests, die die De-tektion von Krebsvorstufen erlauben und daher als Präventionstests bezeichnet wer-den [16]. Diese werden gegenüber Krebs-detektionstests mit niedriger Sensitivität

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für Adenome bevorzugt. Da Leitlinien in regelmäßigen Abständen dem aktuel-len Wissensstand und Evidenzgrad an-gepasst werden, ist in Abhängigkeit vom Ausgang zahlreicher aktuell laufender Stu-dien mit der Aufnahme neuer Screening-modalitäten in die Empfehlungen in Zu-kunft zu rechnen. Nicht zuletzt trägt dies auch den unterschiedlichen und individu-ellen Präferenzen innerhalb der Bevölke-rung Rechnung.

Fazit für die Praxis

F  Spätestens mit dem 30. Lebensjahr sollte das individuelle Risiko, im Lau-fe des Lebens an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken, erfasst wer-den.

F  Wenn keine familiäre Belastung vor-liegt, sollte ab dem 50. Lebensjahr jährlich ein Hämokkulttest erfolgen und ab dem 55. Lebensjahr die erste Koloskopie.

F  Bei Personen mit erstgradig Verwand-ten mit einem kolorektalen Karzinom oder einem Adenom vor dem 50. Le-bensjahr sollte die erste Koloskopie 10 Jahre vor dem Erkrankungsalter des Indexpatienten erfolgen.

F  Für Patienten mit erblichem Darm-krebs gelten gesonderte Empfehlun-gen.

F  Es ist davon auszugehen, dass leis-tungsstärkere, auf dem immunologi-schen Nachweis von Hämoglobin be-ruhende Stuhltests bald den konven-tionellen Guaiac-basierten Hämok-kulttest verdrängen werden.

F  Verfahren wie die CT-Kolonographie, die Kolonkapselendoskopie sowie molekulare Stuhl- und Bluttests sind weitere neue Verfahren mit hohem Potenzial, deren Einsatz zum Scree-ning außerhalb klinischer Studien ak-tuell nicht etabliert ist.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. F.T. KolligsMedizinische Klinik und Poli-klinik II, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität  München,  Campus Großhadern,Marchioninistr. 15, 81377 Münchenfrank.kolligs@ med.uni-muenchen.de

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

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