git manual 2005 - onkologie-eschweiler.de · 150 kolorektale karzinome häufigkeit, histologie...

51
150 Kolorektale Karzinome Häufigkeit, Histologie Entstehung In der Ätiologie spielen sowohl Umwelteinflüsse, insbesondere die Ernährungsgewohnheiten, als auch genetische Faktoren eine zentrale Rolle. Ein kolorektales Karzinom (CRC) ist das Ergebnis eines vieljährigen Prozesses, der über morphologisch definierte Zwischenstadien, die sog. Dysplasien, zum invasiven Karzinom führt. Die Neoplasie entsteht über eine Dysplasie-Karzinom- Sequenz, d.h. einem Karzinom geht üblicherweise eine Dysplasie voraus, zumeist in Form eines polypösen Adenoms oder auch eines sog. flachen Adenoms. Die zugrunde liegenden molekulargenetischen Mechanismen sind vielfältig. Häufigkeit In den Industrieländern ist ein stetiger, altersabhängiger Anstieg der Inzidenz zu verzeichnen. Vor dem 40. Lebensjahr ist das CRC selten. Danach findet sich ein exponentieller Anstieg bis zum 85. Lebensjahr mit einer Inzidenz von 300 Erkrankungen/100.000 Einwohner/Jahr für die Altersgruppe 70 - 74 Jahre. Bezogen auf Deutschland treten pro Jahr etwa 57 000 Neuerkrankungen kolorektaler Karzinome auf. Die tumorbedingte Mortalität wird mit etwa 40% angenommen (Felix-Burda-Stiftung, www.darmkrebs.de) Histologie Adenokarzinome: In 85 - 90 % handelt es sich um Adenokarzinome, die sich durch ein invasives Wachstum durch die Lamina muscularis mucosae in die Submucosa oder tiefere Darmwandschichten definieren. Tumore mit morphologischen Charakteristika eines Adenokarzinoms, die nur das Epithel betreffen oder eine Invasion in die Lamina propria, aber keine Invasion in die Lamina muscularis mucosae aufweisen, haben praktisch kein Metastasierungsrisiko. Sie werden deshalb besser mit dem Begriff „high-grade intraepitheliale Neoplasie“ oder „intramucosale Neoplasie“ anstelle eines Adenocarcinoma in situ oder eines intramucosalen Adenokarzinoms bezeichnet. Varianten des kolorektalen Adenokarzinoms Muzinöses Adenokarzinom: Das Karzinom besteht zu mehr als 50% aus Muzin. In diesem Falle geben die Tumorzellen Schleim in die Drüsenlumina ab, d.h. es tritt eine extrazelluläre Verschleimung auf. Viele Karzinome mit hochgradiger Instabilität in der Mikrosatelliten- Instabilitäts-Analyse (MSI-H, siehe folgende Seiten) entsprechen histopathologisch dieser Variante. Siegelringzellkarzinome: 1 % sind Siegelring-Ca. Für diese Tumoren ist eine intrazelluläre Verschleimung charakteristisch. Einige Karzinome mit MSI-H entsprechen dieser Variante. Medulläre Karzinome: seltene Variante , die nahezu ausschliesslich mit MSI-H assoziiert ist und im Vergleich mit anderen schlecht differenzierten CRC eine bessere Prognose aufweisen. Ausgesprochen selten sind Plattenepithel-Karzinome, adenosquamöse Karzinome, kleinzellige und undifferenzierte Karzinome sowie Karzinoide und maligne Lymphome. Grading Grading 1 und 2 gelten als low grade mit einer lymphogenen Metastasierungsrate von bis zu 25 %, Grading 3 + 4 gelten als hochmaligne. Die lymphogene Metastasierungsrate beträgt für diese Subgruppe 80 %. Siegelringzellkarzinome gelten per definitionem als schlecht differenziert (G3). Medulläre Karzinome mit MSI-H erscheinen undifferenziert (G 4). Da aber MSI-H Karzinome mit einer eher besseren Überlebenswahrscheinlichkeit assoziiert sind, sind sicherlich weitere Untersuchungen zur Korrelation zwischen Grading und molekularen Subtypen erforderlich. Kolonkarzinom im endoskopischen Bild im Colon ascendens

Upload: nguyenthuy

Post on 13-Oct-2018

214 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

150

Kolorektale Karzinome Häufigkeit, Histologie

Entstehung In der Ätiologie spielen sowohl Umwelteinflüsse, insbesondere die Ernährungsgewohnheiten, als auch genetische Faktoren eine zentrale Rolle. Ein kolorektales Karzinom (CRC) ist das Ergebnis eines vieljährigen Prozesses, der über morphologisch definierte Zwischenstadien, die sog. Dysplasien, zum invasiven Karzinom führt. Die Neoplasie entsteht über eine Dysplasie-Karzinom-Sequenz, d.h. einem Karzinom geht üblicherweise eine Dysplasie voraus, zumeist in Form eines polypösen Adenoms oder auch eines sog. flachen Adenoms. Die zugrunde liegenden molekulargenetischen Mechanismen sind vielfältig. Häufigkeit In den Industrieländern ist ein stetiger, altersabhängiger Anstieg der Inzidenz zu verzeichnen. Vor dem 40. Lebensjahr ist das CRC selten. Danach findet sich ein exponentieller Anstieg bis zum 85. Lebensjahr mit einer Inzidenz von 300 Erkrankungen/100.000 Einwohner/Jahr für die Altersgruppe 70 - 74 Jahre. Bezogen auf Deutschland treten pro Jahr etwa 57 000 Neuerkrankungen kolorektaler Karzinome auf. Die tumorbedingte Mortalität wird mit etwa 40% angenommen (Felix-Burda-Stiftung, www.darmkrebs.de) Histologie Adenokarzinome: In 85 - 90 % handelt es sich um Adenokarzinome, die sich durch ein invasives Wachstum durch die Lamina muscularis mucosae in die Submucosa oder tiefere Darmwandschichten definieren. Tumore mit morphologischen Charakteristika eines Adenokarzinoms, die nur das Epithel betreffen oder eine Invasion in die Lamina propria, aber keine Invasion in die Lamina muscularis mucosae aufweisen, haben praktisch kein Metastasierungsrisiko. Sie werden deshalb besser mit dem Begriff „high-grade intraepitheliale Neoplasie“ oder „intramucosale Neoplasie“ anstelle eines Adenocarcinoma in situ oder eines intramucosalen Adenokarzinoms bezeichnet. Varianten des kolorektalen Adenokarzinoms Muzinöses Adenokarzinom: Das Karzinom besteht zu mehr als 50% aus Muzin. In diesem Falle geben die Tumorzellen Schleim in die Drüsenlumina ab, d.h. es tritt eine extrazelluläre Verschleimung auf. Viele Karzinome mit hochgradiger Instabilität in der Mikrosatelliten-Instabilitäts-Analyse (MSI-H, siehe folgende Seiten) entsprechen histopathologisch dieser Variante. Siegelringzellkarzinome: 1 % sind Siegelring-Ca. Für diese Tumoren ist eine intrazelluläre Verschleimung charakteristisch. Einige Karzinome mit MSI-H entsprechen dieser Variante. Medulläre Karzinome: seltene Variante , die nahezu ausschliesslich mit MSI-H assoziiert ist und im Vergleich mit anderen schlecht differenzierten CRC eine bessere Prognose aufweisen. Ausgesprochen selten sind Plattenepithel-Karzinome, adenosquamöse Karzinome, kleinzellige und undifferenzierte Karzinome sowie Karzinoide und maligne Lymphome. Grading Grading 1 und 2 gelten als low grade mit einer lymphogenen Metastasierungsrate von bis zu 25 %, Grading 3 + 4 gelten als hochmaligne. Die lymphogene Metastasierungsrate beträgt für diese Subgruppe 80 %. Siegelringzellkarzinome gelten per definitionem als schlecht differenziert (G3). Medulläre Karzinome mit MSI-H erscheinen undifferenziert (G 4). Da aber MSI-H Karzinome mit einer eher besseren Überlebenswahrscheinlichkeit assoziiert sind, sind sicherlich weitere Untersuchungen zur Korrelation zwischen Grading und molekularen Subtypen erforderlich.

Kolonkarzinom im endoskopischen Bild im Colon ascendens

151

nach 5 Jahren in 2,5% nach 10 Jahren in 8 % nach 20 Jahren in 24 %

Kolorektale Karzinome Adenom – Karzinom - Sequenz

Molekularbiologische Untersuchungen untermauern die seit langem aus der Histologie bekannte Adenom - Karzinom - Sequenz Morphologische und zytogenetische Veränderungen verlaufen in einer regelhaften Abfolge. Die Dysplasie stellt eine Übergangsphase zwischen normaler Schleimhaut und invasivem Karzinom dar. Es ist ein stufenloser Übergang von physiologischen Verhältnissen über eine geringgradige zu einer hochgradigen Dysplasie zu beobachten. Histologisch ist die Dysplasie definiert als zweifelsfrei neoplastische Epithelproliferation, die jedoch keinerlei infiltratives Wachstum in die Mucosa aufweist. Mehr als 95% der Dysplasien treten im

Kolorektum in Form von Adenomen auf. Die Mehrzahl ist polypös, ein kleinerer Teil erscheint als flache Adenome. Bei belassenen kolorektalen Polypen ist mit einer Karzinomentstehung im Bereich der primär diagnostizierten Polypen zu rechnen.

Karzinome in gestielten und flachen Adenomen

Invasionszonen des Karzinoms in einem gestielten und in einem flachen Adenom. Karzinome in flachen Adenomen invadieren vergleichsweise frühzeitig die Submukosa. Demgegenüber ist bei einem gestielten Adenom eine längere Strecke des Tumorwachstums nötig, um die Submukosa zu erreichen. Jeder Tumor, der die Muscularis mucosae penetriert, kann potentiell Metastasen setzen.

Klassifikation epithelialer Polypen des Dickdarms Pathogenetischer Mechanismus Histologischer Typ

Neoplastisch Hamartom (Malformation) Entzündlich Unbekannt

Adenome (tubulär, tubulo-villös, villös) Peutz-Jeghers Polyp, Juveniler Polyp Entzündlicher (inflammatorischer) Polyp Hyperplastischer Polyp

Resektionspräparate. Links: Adenom Rechts: Adenom mit bereits eingetretener karzinomatöser Transformation.

152

Kolorektale Karzinome Pathogenese

Wie bei den meisten soliden Tumoren geht man beim CRC davon aus, dass die maligne Transformation auf einem Mehrstufenprozess beruht, bei dem es zu genetischen Veränderungen mit Einbeziehung einer Aktivierung von Proto-Onkogenen und einem Verlust von Tumorsuppressorgenen kommt. Alterationen dieser Gene korrelieren eng mit der Progression des Adenoms zum Karzinom.

Die intensive Suche nach genetischen Alterationen hat zu einer Identifikation von zwei molekular definierten Gruppen des CRC geführt. - LOH-positiv: die erste Gruppe die LOH (Loss of heterozygosity) positiv-Gruppe ist charakterisiert durch Hyperploidie und Allel-Verluste, wobei vorzugsweise die Chromosomen 18q und 17p involviert sind. Tumor-Suppressorgen-Mutationen (p53 und APC) sind häufig. Die Tumore betreffen vor allem das distale Colon. Ca. 85% der CRC gehören zu dieser Gruppe. - MSI-positiv: Die zweite Gruppe, die Microsatelliteninstabilität-positive Gruppe genannt wird, ist charakterisiert durch genetische Instabilität an den Mikrosatellitenloci. Sporadische (nicht hereditäre) Karzinome mit hoher Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) machen ca. 15% aller CRC aus. Sie sind diploid und zeigen keine Allelverluste auf Chromosom 17 oder 18. Tumor-Suppressorgen-Mutationen sind selten. Das CRC manifestiert sich häufig im proximalen Colon. Entstehung eines Karzinoms aus der normalen Schleimhaut über die Entwicklungsstufen der Dysplasie. Rolle der chromosomalen Aberrationen. Zeitlicher Ablauf der Veränderungen. Die geradezu gesetzmäßige Entwicklungslinie von einem Adenom zu einem Karzinom unterstreicht den hohen Stellenwert der endoskopischen Abtragung von Adenomen hinsichtlich der Prävention von kolorektalen Karzinomen (CRC). Adenome mit einem Durchmesser von < 1 cm zeigen in 0,5% der Fälle ein karzinomatöses Wachstum. Ihre Abtragung bedeutet neben dem Karzinomausschluß auch in den meisten Fällen zugleich die definitive Therapie.

3-5 Jahre

5-10 Jahre

5q21 Mutation APC

Alterierte DNA-Methylierung

ras - Mutation

Normales Epithel

Proliferation

low grade Dysplasie < 1 cm

Metastase

DCC / 18q21 Verlust

p53 Mutation Verlust 17p13

nm 23 Verlust 17q21

high grade Dysplasie

Karzinom

low grade Dysplasie > 1 cm

153

Kolonkarzinom ESMO Mindestanforderungen, Diagnostik, Therapie

Inzidenz Die Inzidenz des kolorektalen Karzinoms in der Bevölkerung der Europäischen Union beläuft sich auf 58/100.000 Einwohner/Jahr, die Sterblichkeit beträgt 30/100.000 Einwohner/Jahr.

Diagnose Die Diagnose eines kolorektalen Karzinoms erfordert die histopathologische Sicherung. Risikofaktoren und die Lokalisation der Karzinome müssen dokumentiert werden.

Staging • Die Stadieneinteilung liefert essentielle prognostische Informationen, die notwendig sind für die Wahl der adäquaten

Therapie. • Zur präoperativen Vorbereitung sind erforderlich: Klinische Untersuchung des Patienten, aktuelle Laborwerte, Leber-

und Nierenfunktionstests und eine CEA-Bestimmung, Röntgen-Thorax, CT-Abdomen und eine vollständige Koloskopie und eine Wiederholung der endoskopischen Untersuchung, wenn initial die proximalen Anteile des Kolons aufgrund einer Tumorstenose nicht einsehbar waren.

• Die pathologische Stadieneinteilung wird durchgeführt entsprechend der TNM-Klassifikation der UICC 2002 mit optionaler Angabe der modifizierten Dukes-Kriterien.

• Risikofaktoren des kolorektalen Karzinoms sind: Kolorektale Karzinome in der Familienanamnese, familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) und attenuierte FAP-Syndrome sowie kolorektale Karzinome in der Eigenanamnese, Colitis ulcerosa und M. Crohn.

Behandlungsplan für das kolorektale Karzinom • Eine adjuvante Chemotherapie wird empfohlen für die Stadien T1-4, N1-2, M0 (Stadium III, bzw. C1-3 nach den

modifizierten Dukes-Kriterien) [I, A]. Eine adjuvante Chemotherapie kann bei Patienten mit N0 in Erwägung gezogen werden [II, A].

• Die Chemotherapie für die adjuvante Therapie beinhaltet 5-FU-Regime mit oder ohne Oxaliplatin. Capecitabin ist mindestens genauso effektiv wie die Bolus-Gabe 5-FU/Leucovorin (LV) [II, A].

Nachsorge • Die Nachsorge-Untersuchungen dienen der Erkennung derjenigen Patienten, die eine chirurgische oder eine palliative

Behandlung benötigen sowie zur Vermeidung und rechtzeitigen Diagnostik von sekundären kolorektalen Karzinomen. Neben Anamnese und dem körperlichen Befund, sind weitere Untersuchungen für die Patienten erforderlich, bei denen die Feststellung eines Rezidivs therapeutische Konsequenzen nach sich zieht: • Rektosigmoidoskopie alle 6 Monate für 2 Jahre bei Patienten mit distalem sigmoidalen Koloncarcinom. • Ultraschall der Leber alle 6 Monate für 3 Jahre und nach 4 sowie 5 Jahren. • Koloskopie nach 1 Jahr und danach alle 3 Jahre zur Erkennung von Adenomen und Karzinomen. • Röntgen-Thorax hat eine geringe Sensivität, kann jedoch alle 5 Jahre durchgeführt werden. • CEA-Bestimmung alle 3-6 Monate für 3 Jahre und alle 6-12 Monate im 4. und 5. Jahr nach chirurgischer Intervention,

falls dieser Wert initial erhöht war. • Klinische, laborchemische und radiologische Untersuchungen zeigten bei asymptomatischen Pat. keinen Benefit [A].

TNM-Stadium Infiltrationsgrad Mod. Dukes Kriterien 5-Jahresüberlebensrate

Tis N0 M0 0 Carcinoma in situ - meist normal T1 N0 M0 I Mukosa o. Submukosa A >90% T2 N0 M0 I Muskularis propria B1 85% T3 N0 M0 IIa Subserosa/perikolisches Gewebe B2 70- 80% T4 N0 M0 IIb Perforation in das viszerale B3 Peritoneum oder andere Organe T1-2 N1 M0/ III T2, N1: 1-3/N2: ≥ 4 LK C1 T2 N2 M0 T3 N1 M0/ III T3, N1: 1-3/N2: ≥ 4 LK C2 25-60% T3 N2 M0 T4 N1 M0 III T4, N1: 1-3/N2: ≥ 4 LK C3 Tx Nx M1 IV Fernmetastasen D 5-30% Aus: Ann Oncol 2005; 16 (Suppl.1): i16-17

154

Kolorektale Karzinome Erbliche CRC/Molekulargenetik

Mehr als ein Viertel aller Patienten mit kolorektalen Karzinome (CRC) haben nahe Verwandte mit der gleichen Tumorerkrankung.

Auf einer autosomal-dominant erblichen Disposition beruhen etwa 5–10% aller CRC. Zu diesen genetisch bedingten CRC gehören die im folgenden aufgeführten Krankheitsbilder, die durch ein frühes Manifestationsalter und gehäuft multiples Auftreten gekennzeichnet sind:

• Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)

• HNPCC (hereditary non-polyposis colorectal cancer)

• Hamartoma– Polyposis–Syndrome (HPS)

Ungefähr 15-20 % der Patienten mit CRC haben eine Familienanamnese mit Dickdarmkrebs, ohne dass oben genannte Syndrome vorliegen. Ätiologisch spielen in diesen Fällen wahrscheinlich sowohl genetische als auch Ernährungs- und Umweltfaktoren eine Rolle.

Erbliche Disposition

Zwei -Treffer Hypothese von Knudson Nach Knudson (Proc Natl Acad Sci USA 68:920-923,1971) entstehen Tumore durch einen Funktions-verlust von Tumorsuppressorgenen. Dieser Funktionsverlust entsteht durch eine Mutation der entsprechenden Gensequenz. Alle autosomal kodierenden Gene liegen jedoch in zwei Kopien (Allelen) vor. Deshalb ist trotz Ausfall des einen Allels in der Regel die Funktion der Zelle intakt. Erst der Funktionsverlust des zweiten Allels in der selben Zelle („2.Treffer“) führt zum Ausfall der gesamten Genfunktion. Dies führt zu unkontrollierter Zellproliferation und maligner Entartung. In der allgemeinen Bevölkerung ist die Wahrscheinlichkeit relativ gering, dass eine Mutation in beiden Allelen in der selben Zelle auftritt.

Patienten mit erblicher Tumordisposition haben aber bereits von Geburt an in allen Zellen ein durch eine sogenannte Keimbahnmutation verändertes Allel. Das Risiko, dass es durch eine Mutation des intakten Allels zu einem Funktionsverlust des Gens kommt, ist deshalb in dieser Gruppe wesentlich erhöht.

Ätiologie des Kolorektalen Karzinoms

Der Eisberg der Gene, die mutiert zum CRC disponieren. Bezeichnungen der bekannten mutierten Gene (nach Hj.Müller et al.: ChirGastroenterol 2000;16:207).

155

Kolorektale Karzinome FAP – Hamartomatöse Polyposis

Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) Bei der klassischen FAP treten hunderte bis tausende adenomatöser Polypen der Kolonschleimhaut auf. Der Erbgang der Erkrankung ist autosomal dominant mit nahezu 100% Penetranz. Erste Symptome treten in der Regel am Ende der 2. Lebensdekade auf, bei fehlender Behandlung kommt es ca. im Alter von 35 Jahren zu einer malignen Entartung der Adenome. Deshalb ist die Behandlung der Wahl eine prophylaktische Proktokolektomie.

Ca. 70% der Patienten mit FAP weisen eine diagnostisch verwertbare kongenitale Hypertrophie des retinalen Pigmentepithels (CHRPE) auf. Polypen können auch im Duodenum auftreten. Weitere extrakolonische Manifestationen sind: Gardner-Syndrom: Kolonpolyposis, Osteome des Kiefers und der langen Röhrenknochen, Epidermoidzysten. Turcot-Syndrom: Zusätzlich Hirntumore wie Medullo- oder Glioblastom. Ferner exsistiert eine mildere Verlaufsform, die sich durch eine geringere Polypenzahl und ein späteres Auftreten auszeichnet, jedoch auch ein sehr hohes CRC-Risiko hat: die sogenannte attenuierte FAP (AAPC). Genetische Grundlagen der FAP Keimbahnmutationen im Tumor-Suppressorgen APC (adenomatous polyposis coli) auf dem Chromosom 5q 21 führen zu einem inaktiven Genprodukt. Bisher wurden über 800 verschiedene Mutationen im APC-Gen identifiziert. Fast jede Familie hat ihre eigene Mutation. Derzeit lassen sich bei 65% der Familien mit FAP Keimbahnmutationen identifizieren. Die Zahl der Adenome und das Manifestationsalter sind von der Lage der Mutation im APC-Gen abhängig. Es besteht jedoch innerhalb der Familie eine große Variabilität, so dass auch zusätzliche Einflüsse, wie weitere modifizierende Gene und Umweltfaktoren wahrscheinlich eine Rolle spielen. Die Diagnose einer klassischen FAP erfolgt aufgrund des klinischen und histopathologischen Befundes. Die Identifizierung der Keimbahnmutation ist vor allem für Grenzfälle, zum Beispiel bei attenuierter FAP, und für die prädiktive Testung von Risikopersonen von Bedeutung. (Siehe auch „Früherkennung bei erhöhtem Risiko“).

Hamartomatöse Polyposis

Familiäre juvenile Polyposis (FJP) Juvenile Polypen sind im Rektosigmoid lokalisiert und weisen charakteristische pathomorphologische Merkmale auf. Das Risiko, bis zum 60. Lebensjahr an einem CRC zu erkranken liegt bei 20-60%. Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS) Hamartomatöse Polypen finden sich im Gastrointestinaltrakt, meist im Dünndarm, aber auch im Kolon und Magen. Hamartomatöse Polypen haben ein geringeres Entartungsrisiko als Adenome. Anlageträger haben aber ein erhöhtes Risiko für kolorektale Karzinome und auch für andere intestinale und extraintestinale Tumore (Magen, Mamma etc.). Eine Hamartom-Karzinomsequenz ist in Diskussion. Vererbung autosomal-dominant, Penetranz 90%. Die bisher nachgewiesenen Keimbahnmutationen sind über das gesamte Gen verteilt und bei fast jeder Familie anders. Die klinische Diagnose ist gesichert bei Auftreten von typischen Pigmentflecken um die Lippen und gleichzeitigem Vorliegen von Hamartomen. Cowden-Syndrom Beim autosomal vererbten Cowden-Syndrom ist insbesondere das Risiko für Mamma- und Schilddrüsenkarzinome erhöht, während das Risiko für gastrointestinale Tumoren nicht erhöht zu sein scheint. Es liegen Keimbahnmutationen des PTEN-Gens vor.

Typische adenomatöse Polyposis coli. Aus: G.Rosenbusch ,JWA Reeders, Klinische Radiologie Endoskopie. Thieme-Verlag

156

Kolorektale Karzinome HNPCC

Hereditäres nichtpolypöses CRC (HNPCC, Lynch-Syndrom) Das HNPCC ist die häufigste erbliche Form des kolorektalen Karzinoms (CRC). Die Inzidenz wird zwischen 1-13% geschätzt. Das durchschnittliche Manifestationsalter des CRC liegt bei 45 Jahren. Die Tumore treten vorwiegend im proximalen Dickdarm auf. Sie sind weniger differenziert und produzieren häufig exzessive Massen von Schleim (muzinöse CRC). Die klinische Diagnose HNPCC kann gestellt werden, wenn in der Familie der Betroffenen die sogenannten Amsterdam-Kriterien erfüllt sind (siehe folgende Seite). Für die Sicherung der Diagnose ist die molekulargenetische Diagnostik von großer Bedeutung. Tumorlokalisation Penetranz %

Kolorektum 80-90 Endometrium 43-60 Magen 13-19 Ovar 9-12 Harnwege 3-10 Dünndarm 1-4 Gehirn 3-4 Hepatobiliäres System 2

Mikrosatelliten-Instabilität Tumoren von Patienten, bei denen die Amsterdam Kriterien vorliegen, zeigen in ca. 80% der Fälle eine sogenannte Mikrosatelliteninstabilität (MSI). Dieses Phänomen ist jedoch auch bei 15% der sporadischen CRC nachweisbar. Die Mikrosatelliten-DNA ist eine kurze Nukleotidsequenz, die an einem bestimmten Locus auf einem individuellen Chromosom normalerweise in umschriebener Zahl vorkommt. Die MSI wird durch eine Mutation in einem DNA-Mismatch-Reparatur-Gen verursacht. Diese Reparaturgene erkennen normalerweise während der DNA-Replikationen falsch in den neuen Strang eingebaute Nukleotide, deren Basen sich nicht mit denen des alten Strangs paaren können („mismatch“), und ersetzen diese. Bei Ausfall dieses Reparatursystems kommt es im Verlauf weiterer Zellteilungen zur Anhäufung von Mutationen in den Tochterzellen. Sind Tumorsupressor-Gene davon betroffen, kann die maligne Entartung der Tochterzelle die Folge sein.

Bisher sind 6 verschiedene DNA-Mismatch-Reparatur-Gene bekannt, die in der Pathogenese des HNPCC eine Rolle spielen. Mutationen im hMSH2-Gen und hMLH1-Gen wurden jeweils bei einem Drittel der Patienten mit Verdacht auf HNPCC festgestellt, nur bei wenigen wurden Mutationen in einem der 3 anderen Gene hPMS1, hPMS2, hMSH6 oder hMLH3 gefunden.

Praktisches Vorgehen - Amsterdam-Kriterien (I oder II) erfüllt: direkte Mutationssuche, zunächst hMLH1 und hMSH2. Sporadisches CRC vor dem 45. Lebensjahr bzw. Familie mit auffälliger Anamnese, aber

- Amsterdam Kriterien nicht erfüllt: Zunächst Untersuchung des Tumorgewebes auf Mikrosatelliteninstabilität.

Wenn MSI nachgewiesen → Mutationssuche wie oben (für Gendiagnostik 10 ml EDTA-Blut) - Früherkennung siehe folgende Seiten

HNPCC-Mutationsträgern haben ein lebenslang erhöhtes Karzinomrisiko auch für andere Tumore. Die Tabelle zeigt das Tumorspektrum und die Penetranz bei HNPCC-Mutation.

157

Kolorektale Karzinome HNPCC-Amsterdam-/ Bethesda-Kriterien

Für eine einheitliche Erfassung von Patienten mit hereditärem nicht polypösem Kolonkarzinom (HNPCC) aufgrund klinischer Daten wurden 1991 die Amsterdam-Kriterien festgelegt. Die Amsterdam II-Kriterien berücksichtigen auch weitere häufig auftretende Tumoren aus dem HNPCC typischen Spektrum. Die 1996 definierten Bethesda-Kriterien erfassen weitere Patientengruppen, bei denen aufgrund eines frühen Manifestationsalters ein Verdacht auf ein HNPCC besteht.

Klinische Kriterien und Richtlinien zur Erfassung von Patienten, bei denen ein HNPCC vorliegen könnte. Amsterdam-Kriterien I (klassische Amsterdam-Kriterien) In der Familie müssen mindestens 3 Personen an einem kolorektalen Karzinom erkrankt sein, wobei alle folgenden Kriterien erfüllt sein müssen:

1. Einer der drei Patienten ist ein Verwandter ersten Grades von den beiden anderen Erkrankten.

2. Mindestens zwei aufeinanderfolgende Generationen sind betroffen.

3. Mindestens ein kolorektales Karzinom wurde vor dem 50.Lebensjahr diagnostiziert.

4. Eine familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) ist bei den Patienten mit kolorektalem Karzinom (CRC) ausgeschlossen.

5. Die Tumoren sind histopathologisch verifiziert. Amsterdam-Kriterien II (erweiterte Kriterien 1998) In der Familie müssen mindestens 3 Personen an einem HNPCC-assoziierten Tumor (Karzinom im Kolorektum, Endometrium, Dünndarm, ableitende Harnwege oder Nierenbecken) erkrankt sein, wobei alle folgenden Kriterien erfüllt sein müssen:

1. Einer der drei Patienten ist ein Verwandter ersten Grades von den beiden anderen Erkrankten.

2. Mindestens zwei aufeinanderfolgende Generationen sind betroffen.

3. Mindestens ein kolorektales Karzinom wurde vor dem 50. Lebensjahr diagnostiziert.

4. FAP ist bei den CRC-Patienten ausgeschlossen.

5. Die Tumoren sind histopathologisch verifiziert. Bethesda-Kriterien (Richtlinien zur Identifizierung von Patienten, deren Tumoren auf das Vorliegen einer genomischen Instabilität untersucht werden sollten)

1. Patienten, die die Amsterdam-Kriterien (I) erfüllen 2. Patienten mit synchronen oder metachronen Tumoren aus dem HNPCC-Spektrum 3. Patienten mit CRC und erstgradig Verwandten mit Karzinom aus dem HNPCC-Spektrum vor dem

45. Lebensjahr oder mit kolorektalem Adenom vor dem 40. Lebensjahr 4. Patienten mit CRC oder Endometriumkarzinom vor dem 45. Lebensjahr 5. Patienten mit kolorektalem Adenom vor dem 40. Lebensjahr 6. Patienten mit wenig differenziertem, rechtsseitigem CRC vor dem 45. Lebensjahr 7. Patienten mit CRC vom Siegelringzelltyp vor dem 45. Lebensjahr

158

Kolorektale Karzinome S3-Leitlinie 2004, I

Das Informationszentrum für Standards in der Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft erstellt und aktualisiert seit 1996 Leitlinien zu Diagnostik, Therapie, Nachsorge, Rehabilitation und Palliation onkologischer Eerkrankungen. Bisher sind über 50 Leitlinien erarbeitet worden. Die Mehrzahl sind S1-Leitlinien. Hinsichtlich ihrer Qualität und praktischen Brauchbarkeit werden Leitlinien in drei Stufen klassifiziert.

Stufe 1: Expertengruppe repräsentativ zusammengesetzt, erarbeitet im informellen Konsens eine Leitlinie, die vom Vorstand der entsprechenden wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaft verabschiedet wird.

Stufe 2: Formale Konsensusfindung Diskussion der Literatur für die Feststellungen und Empfehlungen, Verabschiedung in einem interdisziplinären, formalen Konsensusverfahren.

Stufe 3: Leitlinie mit allen Elementen systematischer Entwicklung Formale Konsensusfindung, systematische Recherche und Bewertung der Literatur sowie Klassifizierung von Studien und Empfehlungen nach den Kriterien der Evidenz-basierten Medizin, klinische Algorithmen, Outcome-Analyse, Entscheidungsanalyse.

Leitlinien als systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Ärzte und Patienten sind ein wichtiges Instrument des Qualitätsmanagements in der Medizin und werden auch von der Gesundheitspolitik gefordert (§§137e-g SGBV). Die kontinuierliche Verbesserung der methodischen Qualität von Leitlinien ist daher ein wichtiges medizinisches und gesellschaftliches Ziel.

Am 30.06.2004 fand die abschliessende Leitlinienkonferenz „Kolorektales Karzinom“ 2004 statt. Die Ausarbeitung erfolgte unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechsel-krankheiten mit Unterstützung der Deutschen Krebshilfe - in Zusammenarbeit mit der: Deutschen Krebsgesellschaft Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie Deutschen Gesellschaft für Pathologie Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie Deutschen Röntgengesellschaft Deutschen vereinten Gesellschaft für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin e.V.

Teilnehmer der Leitlinienkonferenz Prof. Adler, Ulm ; Dr. Altenhofen, Köln; Prof. Bechstein, Frankfurt; Prof. Becker, Göttingen; Prof. Brambs, Ulm; Prof. Budach, Tübingen; Prof. Büttner, Bonn; Prof. Classen, München; Dr. Dürsch, Erlangen; Prof. Dunst, Halle; Dr. Eickhoff, Ludwigshafen; Prof. Encke, Frankfurt; Prof. Englert, Freising; Prof. Epplen, Bochum; Prof. Feuerbach, Regensburg; Dr. Fibbe, Hamburg; Prof. Fischbach, Aschaffenburg; Prof. Fleig, Halle; Prof. Flenker, Dortmund; Prof. Fölsch, Kiel; Prof. Frühmorgen, Ludwigsburg; Prof. Gabbert, Düsseldorf; Dr. Galandi, Freiburg; PD Graeven, Bochum; PD Hahn, Bochum; M. Haß, Freising; Prof. Hegewisch-Becker, Hamburg; PD Heike, Dortmund; Prof. Hinkelbein, Berlin; Dr. Hoecht, Berlin; Prof. Hofheinz, Mannheim; Prof. Hohenberger, Erlangen; Prof. Holstege, Landshut; Dr. Hüppe, Herne; Prof. Jauch, München; Prof. Junginger Mainz; Prof. Kirchner, Erlangen; PD Kleber, Aalen; Prof. Köhne, Dresden; Dr. Kopp, Marburg; PD Kubicka, Hannover; Dr, Kühbacher, Kiel; PD Kullmann, Regensburg; Dr. Kunstmann, Bochum; Dr. Langer, Marburg; Prof. Layer, Hamburg; Prof. Lehnert, Heidelberg; Prof. Liebe, Rostock; Prof. Lochs, Berlin; Dr. Maar, München; Dr. Mauer, Berlin; PD Möslein, Düsseldorf; Prof. Mössner, Leipzig; PD Ockenga, Berlin; Dr. Overkamp, Recklinghausen; Prof. Pausch, Kassel; Prof. Petrasch, Duisburg; Dr. Pommer, Oldenburg; Prof. Porschen, Bremen; Dr. Pox, Bochum; Prof. Propping, Bonn; Prof. Raab, Oldenburg; Dr. Reichert, Berlin; Dr. Reingruber, Erlangen; Dr. Reiser, Bochum; Prof. Riemann, Ludwigshafen; Prof. Rothmund, Marburg; Prof. Rüschoff, Kassel; Prof. Sauer, Erlangen; Prof. Sauerbruch, Bonn; Prof. Scheppach, Würzburg; Prof. Schmiegel, Bochum; Prof. Schmitt, München; Prof. Schmoll, Halle; Prof. Schölmerich, Regensburg; Dr. Schulmann, Bochum; Prof. Seeber, Essen; Prof. Selbmann, Tübingen; Prof. Sieg, Östringen; Prof. Stange, Stuttgart; U. Steder-Neukamm, Leverkusen; Dr. Steiner, Ihringen; Dr. Strauch, München; PD Strumberg, Essen; PD Vanhoefer, Essen; PD Vieth, Magdeburg; Prof. Vogel, Frankfurt; Prof. Wagener, Hamburg; PD Weitz, Heidelberg; Prof. Wilke, Essen; Vorbereitung; Prof. Wittekind, Leipzig; Prof. Zeitz, Berlin ; Prof. Zamboglou, Offenbach

Die Entscheidungen zur Diagnostik und Therapie wurden auf der Basis einer evidenzbasierten Medizin und den entsprechenden Graden der Empfehlung zu deren Anwendung getroffen.

Klassifikation der Konsensusstärke

starker Konsens Zustimmung von > 95 % der Teilnehmer Konsens Zustimmung von > 75 – 90 % der Teilnehmer mehrheitliche Zustimmung Zustimmung von > 50 – 75 % der Teilnehmer kein Konsens Zustimmung von < 50 % der Teilnehmer

159

Kolorektale Karzinome S3-Leitlinie 2004, II

Center of Evidence based Medicine Oxford (Quelle: http://cebm.net/levels_evidence.asp)

Empfehlungs-grad Evidenz-grad

Typen von Therapiestudien

A 1-a 1-b 1-c

Systematisches Review randomisierter kontrollierter Studien (RCT) eine geeignet geplante RCT alles oder nichts-Prinzip

B 2-a 2-b

Systematisches Review gut geplanter Kohortenstudien eine gut geplante Kohortenstudie, einschließlich RCT mit mäßigem Follow-up (<80%)

C 3-a 3-b

Systematisches Review von gut geplanten Fall-Kontroll-Studien eine gut geplante Fall-Kontroll-Studie

C 4 Fallserien, einschließlich schlechter Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien

C 5 Meinungen ohne explizite kritische Bewertung, physiologische Modelle, Vergleiche oder Grundsätze

Themenkomplexe der S3-Leitlinie Kolorektale Karzinome Die 127 Seiten umfassende Leitlinie gibt den derzeitigen evidenzbasierten Wissensstand aller klinisch relevanten Aspekte der kolorektalen Karzinome wieder. Nachfolgend sind die Themenkomplexe aufgelistet. Details siehe www.dgvs.de Prävention asymptomatische Bevölkerung

Lebensgewohnheiten - Ernährungsempfehlungen - Mikronährstoffe und Medikamente

Screening asymptomatische Bevölkerung - Stuhluntersuchung auf okkultes Blut (FOBT) - Immunologische Stuhltestverfahren - Molekulare Screeningverfahren: - Endoskopische Verfahren

Sporadisches kolorektales Karzinom - Verwandte von Patienten mit kolorektalem Karzinom

Patienten mit kolorektalen Adenomen Empfehlung zur Primärprävention Vorsorgeuntersuchungen

Hereditäre kolorektale Karzinome Patienten mit Familiärer Adenomatöser Polyposis (FAP) Attenuierte familiäre adenomatöse Polyposis HNPCC (Hereditäres kolorektales Karzinom ohne Polyposis) Patienten mit hamartomatösen Polyposis-Syndromen Vorsorge Chronisch entzündliche Darmerkrankungen Colitis ulcerosa, Morbus Crohn Primärprävention

Polypenmanagement

Präoperative Diagnostik

Chirurgische Therapie mit kurativem Ziel Adjuvante Therapie des Kolonkarzinoms Adjuvante und neoadjuvante Therapie beim Rektumkarzinom

Therapeutisches Vorgehen bei Metastasierung und in der palliativen Situation: Chemotherapieschemata der First-line Therapie Chemotherapieschemata der Second-line Therapie Vorgehen bei resektablen Metastasen Vorgehen bei isolierten inoperablen Lebermetastasen Vorgehen beim Lokalrezidiv: Nachsorge

160

Kolorektale Karzinome Prävention, Lebensgewohnheiten, S3-Leitlinie 2004

Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an einem CRC zu erkranken, beträgt ca. 6%. Das Risiko steigt ab einem Alter von 50 Jahren signifikant an. Genetische und epidemiologische Studien zeigen, dass ein CRC durch eine komplexe Interaktion zwischen genetischen Risikofaktoren und Umweltfaktoren entsteht. Etwa 90% der CRC entwickeln sich aus adenomatösen Vorstufen.Vermutlich wird die Progression der primär genetisch determinierten Adenom-Karzinom-Sequenz durch Umweltfaktoren, insbesondere Ernährungsfaktoren bestimmt. Der World Cancer Research Fund schätzt, dass bis zu 50% der CRC durch diätetische Massnahmen vermeidbar sind (Potter J. 1997, World Cancer Research Fund, London, and American Institute for Cancer Research, Washington). In den bisher vorliegenden Studien ist es bisher aber noch nicht gelungen, diese Zusammenhänge im Detail zu charakterisieren und präventive Strategien zu entwickeln. Präventive Massnahmen müssen darauf zielen, die Entwicklung von Adenomen (Primärprävention) und von Karzinomen (Sekundärprävention) zu verhindern.

Körperliche Aktivität Es gibt mehrere Beobachtungsstudien, die einen protektiven Effekt von vermehrter körperlicher Aktivität im Hinblick auf ein CRC gefunden haben (Friedenreich CM et al., Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2001;10:287-301). Die mittlere relative Risikoreduktion durch vermehrte körperliche Aktivität beträgt zwischen 40-50%. Unklar ist jedoch, ob es sich bei verminderter körperlicher Aktivität um einen unabhängigen Risikofaktor handelt und in welchem Maße andere Faktoren wie Übergewicht und genetische Prädisposition beteiligt sind.

Risikofaktor Übergewicht, Insulinresistenz Eine positive Energiebilanz korreliert in mehreren Studien mit dem CRC-Risiko. Ursächlich ist möglicherweise die fettreiche Ernährung und der Hyperinsulinismus, der für den Adipösen typisch ist. Auch der Bewegungsmangel geht mit einer erhöhten CRC-Inzidenz einher. Folgender Mechanismus könnte dem zugrunde liegen: Aufgrund exzessiver Hyperalimentation kommt es zu einer Insulinresistenz mit erhöhten Insulinspiegeln, Triglyceriden und Fettsäuren. Dies regt die Darmepithelien zur Proliferation an und setzt sie Sauerstoffradikalen aus, was die Entstehung des CRC fördert.

Risikofaktor Alkohol Epidemiologische Daten weisen darauf hin, dass das Risiko insbesondere an einem Rektumkarzinom zu erkranken, durch Alkoholgenuss erhöht ist. Ein assoziierter Folsäure-und Methioninmangel ist von grosser Bedeutung, da diese Faktoren bei der Regulation der DNA-Methylierung, die die Genexpression und damit die Tumorentstehung beeinflusst, beteiligt sind und der Alkohol den Methylengruppen-Metabolismus antagonisiert. Durch eine erhöhte Folsäureaufnahme kann das alkoholbedingte erhöhte CRC-Risiko fast neutralisiert werden. (Giovannucci E. et al., J Natl Cancer Inst 1995; 87:265-73). S3-Leitlinie 2004, Prävention Lebensgewohnheiten

Empfehlung Zur Risikoreduktion eines kolorektalen Karzinoms sollten regelmäßig körperliche Aktivitäten durchgeführt sowie eine Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Personen (BMI > 25 kg/m2) angestrebt werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke 2b, starker Konsens. Patienten sollten zur Nikotinkarenz angehalten werden. Empfehlungsgrad A, Evidenzstärke 2b; starker Konsens.

Anmerkungen Personen mit höherem körperlichen Aktivitätsgrad haben in Querschnittsuntersuchungen weniger Kolonpolypen (Adenome) und ein geringeres Karzinomrisiko. Zwei Kohortenstudien konnten zeigen, dass bereits 30 bis 60 Minuten tägliche moderate körperliche Aktivität mit einem verringerten Karzinomrisiko einhergeht. Kolonpolypen (Adenome) finden sich häufiger bei Patienten mit höherem BMI. Bei übergewichtigen Personen war das Risiko für ein Kolonkarzinom bis zu zweifach erhöht, wobei unklar ist, ob die Risikoerhöhung durch das Übergewicht, die erhöhte Kalorienaufnahme oder durch die fehlende körperliche Aktivität bedingt ist. Rauchen ist mit einem erhöhten Risiko für Kolonadenome und –karzinome assoziiert. Trotz einer Evidenzstärke 2b wurde von den Teilnehmern der Plenumsitzung der Empfehlungsrad auf A hochgestuft, um der nachweislich durch das Rauchen bedingten erhöhten extrakolischen Morbidität und Mortalität Rechnung zu tragen.

161

Kolorektale Karzinome Ernährungsfaktoren, S3-Leitlinie 2004

Ernährungsfaktoren mit möglichem Einfluss auf das Enstehen von kolorektalen Karzinomen

Risikofaktor Fleisch und Fett "Rotes Fleisch" wird bei täglichem Genuss, aufgrund mehrerer grosser Kohortenstudien, als Risikofaktor für ein CRC angesehen. Es ist unklar, ob dies auf eine häufig gleichzeitig auch erhöhte Aufnahme tierischer Fette zurückzuführen ist. Auch ist ungewiss, welche Fette (gesättigte oder ungesättigte Fettsäuren) sich ungünstig oder vielleicht auch protektiv auswirken. Andere Stoffe, wie die im Olivenöl enthaltenen antioxidativ wirksamen Phenole oder Flavoide könnten ebenfalls protektiv wirken. Andererseits kann das Krebsrisiko durch beim Braten von Fleisch entstehende Amine erhöht werden. Fettgedruckte Faktoren werden vom World Cancer Research Fund als "wahrscheinliche" Faktoren eingestuft (Bode C. et al. Aktuel Ernaehr Med 2001; 26:121-129)

Risikofaktor Vitaminmangel, Ballaststoffmangel Dem reichlichen Genuss von Gemüse wird ein protektiver Effekt zugeschrieben. Es ist unklar, auf welchen Komponenten dieser Effekt beruht. Infrage kommen dafür Ballaststoffe und die antioxidativen Vitamine A,C,E und beta-Karotin, die toxische Sauerstoffradikale neutralisieren. Diesen Sauerstoffradikalen wird eine Akzeleration des Tumorwachstums im Rahmen der Adenom-Karzinom-Sequenz zugeschrieben. Jedoch konnte durch eine hoch dosierte Vitamin-Supplementierung die Entwicklung von Polypen nach vorangegangener Polypektomie nicht unterdrückt werden (Greenberg ER et al., NEJM 1994; 331:141-7). Auch verschiedene Kohortenstudien wie die Nurses Health Study oder die American Cancer Society Study (Jacobs EJ et al., Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2001;10:17-23) zeigen, dass durch eine Supplementierung mit Vitamin C oder E über 10 Jahre oder durch einen vermehrten Gemüse- und Obstkonsum keine eindeutige CRC-Reduktion zu erreichen ist. Dennoch haben epidemiologische Studien bei keinem anderen Ernährungsaspekt ähnlich übereinstimmende Ergebnisse ergeben, wie bei der Beziehung zwischen Gemüse- und Obstkonsum und der Risikoreduktion, eine Krebserkrankung zu entwickeln.

S3-Leitlinie 2004, Ernährungsempfehlungen Zur Risikoreduktion eines kolorektalen Karzinoms sollte die Ballaststoffaufnahme erhöht werden. Rotes bzw. verarbeitetes Fleisch sollte nicht täglich verzehrt werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens. Obst und Gemüse sollten vermehrt gegessen werden (5 Portionen am Tag). Eine Limitierung des Alkoholkonsums wird angeraten. Empfehlungsrad: B, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens. Anmerkungen Obwohl es kontroverse Studien gibt, ist die Evidenz ausreichend, um eine ballaststoffreiche Ernährung (30g/Tag) zu empfehlen. Die alleinige Zufuhr von bestimmten Ballaststoffen scheint nicht ausreichend zu sein. Insbesondere hat die EPIC-Studie, die Ballaststoffaufnahmen zwischen 12 und 35 g/Tag untersucht hat, eine inverse Beziehung zwischen Ballaststoffzufuhr und Karzinomrisiko nachgewiesen. Die negativen Daten der Nurses Health Study könnten darauf zurück zu führen sein, dass die untersuchte Spannweite lediglich 9,8 bis 24,9 g/Tag betrug. Eine höhere Zufuhr von Obst und Gemüse ist mit einer reduzierten Häufigkeit von Kolonadenomen/Karzinomen assoziiert. Die Evidenz ist für die Aufnahme von Gemüse eindeutiger als für die Aufnahme von Obst. Unklar ist jedoch, welche Bestandteile (Ballaststoffe, Flavonoide, Anthocyanine) einen protektiven Effekt haben. Durch mehrere Studien konnte ein moderat erhöhtes Karzinomrisiko bei täglicher Aufnahme von rotem bzw. verarbeitetem Fleisch gezeigt werden. Hoher Alkoholkonsum ist mit einem erhöhten Risiko für ein Kolonkarzinom assoziiert, insbesondere bei reduzierter Folsäureeinnahme. Zusätzlich scheint ein negativ synergistischer Effekt zwischen Rauchen und Alkohol zu bestehen. Das Risiko korreliert mit der Menge des aufgenommenen Alkohols und nicht mit der Art des alkoholischen Getränks. Keine Empfehlungen können zum Fischkonsum (starker Konsens) der Reduktion des Fettverzehrs (Konsens) oder der Förderung der Aufnahme Vitamin-C-haltiger Nahrung (starker Konsens) gegeben werden. Anmerkungen Mehrere Studien zeigen zwar eine Assoziation zwischen Fischkonsum und reduziertem Auftreten von Kolonpolypen. Die Evidenz reicht jedoch nicht aus, um eine Empfehlung geben zu können. Unter der Voraussetzung, dass Vitamin-C-haltige Nahrung im Wesentlichen Obst und Gemüse ist, könnte dies empfohlen werden. Es liegen aber keine entsprechenden Studien vor. Eine erhöhte Menge von Fett in der Nahrung ist ein möglicher Risikofaktor für ein kolorektales Karzinom. Der Effekt von Kofaktoren (Fleischzufuhr, Übergewicht) kann nicht hinreichend abgetrennt werden.

Risikofaktoren Protektive Faktoren Alkohol Körperliche Aktivität Rotes Fleisch Gemüse Adipositas Folsäure Eisen Kalzium Gesättigte Fettsäuren Vitamin C und E Fettsäuren Olivenöl Flavoide Ballaststoffe Selen Azetylsalizylsäure

162

Kolorektale Karzinome Prävention, Mikronährstoffe/Medikamente, S3 Leitlinie 2004

Chemoprävention mit NSAID Mehrere Studien zeigen, dass Menschen, die regelmässig Aspirin und andere nicht-steroidale antiinflammatorische Medikamente einnehmen, ein 40-50% niedrigeres Risiko haben, ein CRC oder adenomatöse Polypen zu entwickeln. Die Wirkung ist jedoch weder durch Interventionsstudien abgesichert, noch besteht Klarheit über die Dosierung und Applikationsdauer. Der Wert dieser Medikamente wird bei Personen mit erhöhtem Risiko eingehend untersucht. Bei Patienten mit familiärer adenomatöser Polypose (FAP) führte eine Behandlung mit Celecoxib, einem COX-2-Inhibitor, in einer Dosierung von 2 x 400mg/die über 6 Monate zu einer signifikanten Reduktion der Anzahl der kolorektalen Polypen (Steinbach G. et al., NEJM 2000, 342:1946-52). Das Medikament wurde deshalb von der FDA für diese Indikation zugelassen. Sulindac, ein nicht-selektiver Cyclooxygenase-Inhibitor hatte schon früher in unkontrollierten und in einer kleinen Placebo-kontrollierten Studie (Labayle D. et al., Gastroenterology 1991; 101:635-9) bei Patienten mit FAP eine fast komplette Regression rektaler Adenome bewirkt.

S3-Leitlinie, Prävention Ernährungsempfehlung Zur Karzinomreduktion sollte die Ernährung folsäure- (Empfehlungsgrad B) und kalziumreich (Empfehlungsrad C) sein. Evidenzstärke 2b, starker Konsens. Anmerkungen Folsäurereiche Ernährung war assoziiert mit einem erniedrigten Karzinomrisiko. Ob dieser Effekt auf die Folsäure oder andere in einer folsäurereichen Ernährung erhaltenen Stoffe zurück zu führen ist, lässt sich nicht differenzieren. Kalziumreiche Ernährung war ebenfalls mit einem erniedrigten Karzinomrisiko assoziiert. Auch hier lässt sich nicht eindeutig unterscheiden, ob dieser Effekt auf Kalzium oder andere in einer kalziumreichen Ernährung enthaltenen Stoffe zurück zu führen ist.

Mikronährstoffe und Medikamente Empfehlung Es gibt derzeit keine gesicherten Daten zur wirksamen Prävention des kolorektalen Karzinoms durch Mikronährstoffe und Medikamente. Diese Angaben gelten für Kalzium (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke 4). Magnesium (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke 5), ß-Carotin (Empfehlunsgrad B, Evidenzstärke 3b), Vitamin A (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke 3b), Vitamin C, Vitamin D, Vitamin E (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke 4), Folsäure (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke 2b) und Selen (Empfehlunsgrad C, Evidenzstärke 4). Die Einnahme dieser Substanzen im Rahmen der Primärprävention sollte daher derzeit nicht erfolgen. Zum Einsatz von Sulindac, COX-2-Inhibitoren, 5-ASA, Cholesterinsyntheseinhibitoren oder Ursodeoxycholsäure existieren keine Daten für die asymptomatische Bevölkerung, so dass diese Substanzen ebenfalls nicht für diese Indikation gegeben werden sollten. Starker Konsens. Anmerkungen Es gibt Hinweise, dass die Einnahme von Folsäure in einem Multivitaminpräparat einen protektiven Effekt auf die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms hat. Allerdings ist dieser Effekt für die Folsäure allein bisher nicht eindeutig nachgewiesen worden. Mehrere epidemiologische Untersuchungen an Personen mit erhöhter Einnahme von Vitamin A konnten eine Reduktion des Risikos für en kolorektales Karzinom nicht sichern. Für ß-Carotin fand sich in mehreren Studien kein genereller Effekt, jedoch in zwei Studien eine Reduktion der kolorektalen Karzinome bei Patienten mit erhöhter Alkoholzufuhr. Es ist nicht eindeutig belegt, dass die Einnahme hoher Dosen von Vitamin C das Risiko für ein kolorektales Karzinom senkt. Für die Vitamin D und E ist die Datenlage unzureichend, so dass eine Aussage über mögliche protektive Effekte auf die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms nicht möglich ist. Durch Anreicherung der Nahrung mit Selen wurde eine Reduktion des KRK in einer prospektiven Studie festgestellt. Da in dieser Studie die Häufigkeit des kolorektalen Karzinoms nicht das Hauptzielkriterium war, reichen diese Daten nicht aus, um eine Empfehlung für Selen zur Reduktion des Risikos des kolorektalen Karzinoms zu geben. Empfehlung Eine Gabe von Acetylsalicylsäure für die Primärprophylaxe kolorektaler Neoplasien sollte nicht erfolgen. Empfehlungsgrad : A, Evidenzstärke 2a, starker Konsens In einigen Kohorten- und Fall-Kontrollstudien wurde eine erniedrigte Inzidenz des KRK bei Einnahme von Aspirin gesehen. Diese Befunde wurden jedoch in anderen Studien nicht bestätigt. Aufgrund der derzeitigen ungesicherten Datenlage und der fehlenden Bewertung der Nutzen-Risiko-Relation sollte ASS als Primärprävention nicht eingesetzt werden.

163

Kolorektale Karzinome Prävention, Lebensgewohnheiten, NCI-Empfehlungen

Evidenzbeurteilung der vorliegenden Studien zur Prävention des CRC durch das NCI (National Cancer Institute) der USA

Fett, hochkalorische Ernährung Epidemiologische experimentelle und klinische Untersuchungen legen nahe, dass fett-, protein- und kalorienreiche Ernährung, Alkoholkonsum, Fleischverzehr (sowohl rotes als auch weisses Fleisch) und eine Kalzium- und Folinsäurearme Ernährung mit einer erhöhten Inzidenz des CRC assoziiert sind. Evidenzlevel 3 und 4.

Ballaststoffe, Früchte und Gemüse Ballaststoffsupplementierung und Diäten, die fettarm, aber reich an Früchten und Gemüsen sind, reduzieren nicht die Rate der Rekurrenz von Adenomen über einen 3-4 jährigen Zeitraum. Evidenzlevel 1 und 3.

Nichtsteroidale antiinflammatorische Medikamente Medikamente wie Piroxicam, Sulindac und Aspirin können Adenome verhindern oder zu einer Regression adenomatöser Polypen bei der familiären adenomatösen Polyposis führen. Evidenzlevel 1 und 3.

Rauchen von Zigaretten Rauchen von Zigaretten ist assoziiert mit einer erhöhten Tendenz, Adenome auszubilden und ein CRC zu entwickeln. Evidenzlevel 3.

Postmenopausaler Hormonersatz Postmenopausaler Ersatz weiblicher Hormone ist mit einer Verminderung des Risikos für ein Kolon- aber nicht für ein Rektumkarzinom assoziiert. Evidenzlevel 3.

Koloskopie Die Koloskopie mit Entfernung von adenomatösen Polypen kann das Risiko eines CRC reduzieren. Evidenzlevel 3. Empfehlung der American Cancer Society zur Ernährung und körperlichen Aktivität

Ratschläge für eine gesunde Lebensweise ♦Essen Sie eine Vielfalt gesunder Nahrungsmittel mit einem Schwergewicht auf pflanzlichen Erzeugnissen.

- Essen Sie 5 mal am Tag Gemüse oder Obst - Bevorzugen Sie Vollkorngetreide. - Begrenzen Sie den Verzehr von rotem Fleisch insbesondere solches mit hohem Fettgehalt.

♦Legen Sie sich einen körperlich aktiven Lebensstil zu. - Wenigstens mässige Aktivität für 30 Minuten an 5 oder mehr Tagen der Woche.

♦Halten Sie ein normales Gewicht während der gesamten Lebenszeit. - Gleichen Sie Kalorienaufnahme mit körperlicher Aktivität aus. - Reduzieren Sie Ihr Gewicht, falls Sie übergewichtig sind.

♦Wenn Sie Alkohol trinken, reduzieren Sie den Konsum auf geringe Mengen.

"5 am Tag"

In Anlehnung an die seit 1991 laufende amerikanische Kampagne "5 a day for better Health" wurde im Mai 2000 eine deutsche Aktion "5 am Tag" gegründet. Es wird empfohlen, 3 Portionen Gemüse (ca. 375 g) und 2 Portionen Obst (ca.250 g) pro Tag zu verzehren.

Als einfache Richtlinie bei unterschiedlichen Portionsgrössen gilt die Regel "5 mal eine Handvoll", so dass sich auch für Kinder und Jugendliche durch die Grösse der Hände eine adäquate Portionsgrösse ergibt.

Insbesondere beim Gemüsekonsum nimmt Deutschland bisher in der europäischen Vergleichsstatistik einen hinteren Platz ein (ca. 240g/die). www.cancer.gov-colorectal Cancer(PDQ):Prevention

164

Kolorektale Karzinome Früherkennung, Screeninguntersuchungen

Früherkennung Kolorektale Karzinome werden häufig in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Die effektive Heilungsrate eines nichtselektionierten Patientengutes beträgt aus diesem Grund nur durchschnittlich 40 - 50%. Etwa 15% weisen bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung Fernmetastasen auf. Das CRC ist einer Früherkennung gut zugänglich. Durch Screeninguntersuchungen kann die Erkrankung nicht nur in einem frühen, heilbaren Stadium erkannt, sondern auch bei Entdeckung und Entfernung von Polypen verhindert werden. So kann eine deutliche Reduktion von Inzidenz und Mortalität erzielt werden.

Screening-Untersuchungen Für die Darmkrebsvorsorge stehen folgende Untersuchungsverfahren zur Verfügung: - FOBT - Immunologische Testverfahren - Sigmoidoskopie - Sigmoidoskopie + FOBT - Koloskopie - CT-Kolonographie - MRT-Kolonographie - Molekulare Screeningverfahren

Fäkale okkulte Bluttestung (FOBT) Die Untersuchung des Stuhls auf okkultes Blut stellt ein geeignetes Screening für ein CRC dar. Die Minnesota Studie zeigte eine Reduktion der Mortalität an CRC durch die jährliche FOBT von 8.8 auf 5,9/1000, was einer relativen Reduktion von 33% entspricht (Mandel JS et al., NEJM 1993; 328:1365-71). Eine Testung alle 2 Jahre führte zu einer relativen Mortalitätsreduktion von 21% (Mandel JS et al., Journal of National Cancer Institute 91(5):434-37,1999). Nach 18 Jahren Follow-up zeigte sich die Inzidenz des CRC bei jährlicher Untersuchung um 20%, bei einer Testung alle 2 Jahre um 17% vermindert (Mandel JS et al.. NEJM 2000;343:1603-7). Die jährliche Untersuchung war also der Testung alle 2 Jahre hinsichtlich der Reduktion der Mortalität überlegen.

Eine Metaanalyse von 4 randomisierten und 2 nicht randomisierten Studien mit insgesamt 442.000 Pat.

Patienten in einem Alter über 40 Jahren ergab bei regelmäßiger

Eine regelmässige Testung, meist alle 2 Jahre, ergab eine Senkung der Mortalität um 23% (Towler B. et al.: BMJ 1998, 317: 559-65). In allen Studien hatten ca. 1-5% der unselektionierten getesteten Personen ein positives Testresultat. Von den Personen mit positivem Test hatten 2-10% Krebs, 20-30% hatten Adenome. Eine Rehydrierung des Testbriefchens steigerte die Sensitivität zwar signifikant, jedoch zu Lasten der Spezifität. Wenn 10.000 Personen ähnlichen Alters und Risikos in den Studien ein Test alle zwei Jahre angeboten wurde und zwei Drittel wenigstens einen FOBT durchführten, konnten 8,5 Todesfälle an CRC in 10 Jahren verhindert werden.

Genetische Stuhltests Da der Tumor Zellen ins Darmlumen abgibt, können Genmutationen durch neue analytische Techniken im Faeces nachgewiesen werden. Die APC-Mutation in fäkaler DNA konnte in einer neuen Pilotstudie mit einer 100%igen Spezifität, jedoch nur mit einer Sensitivität von 57% nachgewiesen werden. Dieselbe Gruppe entwickelte einen weiteren Test für einen Marker der Mikrosatelliteninstabilität (Traverso G et al., Lancet 2002:359, 403-404 und NEJM 2002,346,311-320). Eine weitere Studie untersuchte die fäkalen Spiegel der Tumor-Pyruvatkinasetyp M2 (M2 – PK). Sie waren bei 207 Pat. mit CRC signifikant höher als bei 107 Pat. mit Adenom und 100 gesunden Patienten (Hardt et al, World Congress on GI-Cancer, Barcelona 2004). Als Screeninguntersuchungen in Konkurrenz zum FOBT eignen sich diese Tests bisher noch nicht.

Signifikanter Überlebensvorteil der Patienten mit regelmässigem jährlichen Screening mit fäkalem Okkultbluttest (aus Mandel JS et al. NEJM 1993; 328:1365)

165

Kolorektale Karzinome Früherkennung, Sigmoido-, Koloskopie

Sigmoidoskopie Die flexible Sigmoidoskopie wurde 1969 eingeführt. Sie erlaubt die komplette Untersuchung des distalen Kolons und verlangt beim Auffinden von Polypen nach einer kompletten Koloskopie. Alle Screening-Studien haben eine proportionale Vermehrung der frühen Stadien und eine Verbesserung des Überlebens für die gescreenten im Vergleich zu den nicht gescreenten Personen gezeigt. Die meisten dieser Studien haben jedoch keine entsprechende Vergleichsgruppe und ihre Interpretation ist aufgrund des Screening-Bias unklar. Zwei Fall-Kontrollstudien (Selby JV et al. NEJM 326(10):653-7,1992 und Newcomb PA et al. Journal of National Cancer Institute 84 (20):1572-75,1992) fanden ein signifikant vermindertes Risiko (70-90%) für ein CRC im distalen Kolon bei Personen, die mindestens eine Sigmoidoskopie durchführen liessen im Vergleich zu nicht gescreenten Personen.

Digitale rektale Untersuchung Eine Fall-Kontroll-Studie ergab, dass die rektale digitale Untersuchung nicht mit einer statistisch signifikanten Reduktion der Mortalität an einem distalen Rektumkarzinom assoziiert ist (Herrington LJ et al., American Journal of Epidemiology 142(9):961-4,1995). Trotzdem erscheint eine rektale Untersuchung im Rahmen z.B. einer Sigmoidoskopie und Koloskopie sinnvoll.

Barium-Kolon-Kontrasteinlauf Als Teil der amerikanischen "National Polyp Study" wurden Patienten nach Polypektomie im Überwachungsprogramm koloskopiert und geröngt (Winawer SJ et al., NEJM 342(24):1766-72,2000). Die Sensitivität war abhängig von der Polypengrösse und war statistisch signifikant höher für die Koloskopie.

Koloskopie 2 Studien zeigen, dass die Koloskopie eine relevante Zahl an präkanzerösen Polypen detektiert, die der Sigmoidoskopie entgangen wären. In der Studie von 13 Veterans Affairs Medical Centers (Lieberman DA et al., NEJM 343(3):162-8,2000) mit 3121 Personen fanden sich bei 128 Patienten im rechten Kolon fortgeschrittene Polypen. 52% dieser Pat. hatten keine Polypen im linken Kolon, so dass das Karzinom bei einer ausschliesslichen Sigmoidoskopie nicht entdeckt worden wäre. Die andere Studie (Imperiale TF et al., NEJM 343(3):169-174,2000) schloss knapp 2000 Personen ein. Das Ergebnis war ähnlich: die Hälfte der 50 Fälle von fortgeschrittenen Polypen im rechten Kolon wäre bei einer Sigmoidoskopie nicht entdeckt worden, da das linke Kolon frei von Polypen war. Aber letztendlich ist die Frage nicht geklärt, ob sich die grössere Sensitivität im Vergleich zu FOBT und Sigmoidoskopie auch in eine höhere Mortalitätsreduktion umsetzen lässt und ob der Benefit die Risiken (Blutung, Perforation) überwiegt.

Screening des Kolorektalen Karzinoms: Effektivität der Früherkennung Empfehlung der US Preventive Services Task Force (Alfred O. Berg, University of Washington, www.uwecme.org/courses/evidence/colorectal.html).

Test Level of Evidence Grad der Empfehlung

FOBT Level I B

Sigmoidoskopie Level II B

Digitale rektale Untersuchung Level III C

Koloskopie Level III C

Barium-Kolon-Kontrasteinlauf Level III C

Stenosierendes Kolonkarzinom. KE

166

Kolorektale Karzinome Früherkennung Standardrisiko

Vorgehen zur Früherkennung bei der asymptomatischen Bevölkerung Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und der Arbeitsgemeinschft für Gastroenterologische Onkologie (Schmiegel W. et al. Z Gastroenterol 2004;42: 38:1129-77):

ab dem 50. Lebensjahr ● Koloskopie alle 10 Jahre (spätestens ab dem 55. Lebensjahr, ober Altersgrenze abhängig von Begleiterkrankungen), FOBT entfällt

bei Ablehnung: ab dem 50. Lebensjahr ● Sigmoidoskopie alle 5 Jahre und ● jährlich Untersuchung des Stuhls auf okkultes Blut bei Ablehnung: ab dem 50. Lebensjahr ● jährlich Untersuchung des Stuhls auf okkultes Blut (siehe unten)

Es wird die jährliche Durchführung einer FOBT aus 3 Testbriefchen, für drei aufeinander folgende Stuhlgänge, mit je zwei Proben pro Stuhl auf zwei Testfelder empfohlen. Bei einmalig positivem Testergebnis ist eine komplette endoskopische Darstellung des Dickdarms (Koloskopie bis zur Bauhinschen Klappe) nach digitaler rektaler Austastung erforderlich. Die Rehydrierung wird nicht empfohlen.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat die sogenannte "Vorsorge-Koloskopie" vom 56. Lebensjahr an als Früherkennungsleistung ab dem 1.7.2002 in das Programm aufgenommen. Sie sollte nach 10 Jahren einmal wiederholt werden. Zwischen 50 und 54 Jahren sollte jährlich ein FOBT durchgeführt werden. Wird die Koloskopie abgelehnt, steht der FOBT auch ab 55 Jahren zur Verfügung. Die Durchführung ist aber nur noch alle 2 Jahre vorgesehen.

Von der amerikanischen Krebsgesellschaft werden folgende Screening-Untersuchungen alternativ empfohlen: American Cancer Society Guidelines für Screening und Überwachung zur Früherkennung von kolorektalen Adenomen und Krebs

Frauen und Männer 50 Jahre und älter mit durchschnittlichem Risiko -

Test Intervall, Beginn mit 50 J. Kommentar

Fäkaler Okkultblut-test (FOBT ) und Sigmoidoskopie

FOBT jährlich und flexible Sigmoidoskopie alle 5 Jahre

Sigmoidoskopie und FOBT zusammen werden bevorzugt anstatt FOBT oder Sigmoidoskopie alleine. Allen Untersuchungen mit positivem Ergebnis muss eine Koloskopie folgen.

Sigmoidoskopie alle 5 Jahre Allen Untersuchungen mit positivem Ergebnis muss eine Koloskopie folgen.

FOBT Jährlich Allen Untersuchungen mit positivem Ergebnis muss eine Koloskopie folgen.

Koloskopie alle 10 Jahre Die Koloskopie hat den Vorteil der direkten Sicht, der Möglichkeit einer PE und der Entfernung einer signifikanten Läsion.

Doppelkontrast-Barium-Einlauf Alle 5 Jahre

Alternativ, wenn eine Koloskopie nicht gewünscht oder nicht durchführbar ist oder das Coecum nicht erreicht wurde. Allen Untersuchungen mit möglichen Läsionen muss eine Koloskopie folgen.

167

Kolorektale Karzinome Screeninguntersuchungen I, FOBT, S3-Leitlinie 2004

Screening asymptomatische Bevölkerung (keine Risikogruppen) - Maßnahmen zur Früherkennung von Darmkrebs sollten bei Personen mit durchschnittlichem Risiko

(leere Familienanamnese für KRK bzw. Polypen/Adenome) ab dem Alter von 50 Jahren durchgeführt werden.

- Eine ärztliche Beratung über die Screeningmethoden ist unerlässlich. - Standardverfahren ist die Koloskopie. Sie ist der Sigmoidoskopie überlegen. - Um die Sicherheit der Untersuchten zu gewährleisten, müssen die Qualitätsrichtlinien beachtet

werden. - Bei Personen, die am Koloskopie-Screening entsprechend dieser Richtlinie teilnehmen, erübrigt

sich das FOBT-Screeningverfahren. - Bei Personen, die eine Früherkennungskoloskopie ablehnen, sollte eine Sigmoidoskopie alle 5 Jahre

sowie jährlich ein FOBT (Guaiak-Verfahren) durchgeführt werden. - Bei Personen, die jegliches endoskopische Screeningverfahren ablehnen, sollten jährlich ein FOBT

durchgeführt werden. - Ein positiver FOBT sollte nicht kontrolliert werden, sondern erfordert in jedem Fall eine

Koloskopie. - Andere Verfahren als Koloskopie, Sigmoidoskopie und FOBT können derzeit nicht empfohlen

werden. - Eine hohe Akzeptanz des Screening-Programms ist Voraussetzung für eine Senkung von Inzidenz

und Mortalität des Darmkrebses und Steigerung der Kosteneffektivität. Screening-Alter Empfehlung Mit der Darmkrebsvorsorge sollte ab dem Alter von 50 Jahren begonnen werden. Eine obere Altersbegrenzung kann bei steigender Lebenserwartung nicht gegeben werden. Hier erscheint eine individuelle Entscheidung unter Berücksichtigung der Begleiterkrankungen angezeigt. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 4 starker Konsens Anmerkungen Die KRK-Inzidenz steigt ab einem Alter von 50 Jahren deutlich an. In einer prospektiven Koloskopiestudie zeigte sich eine deutlich niedrigere Nachweisrate fortgeschrittener Adenome bei 40- bis 49-Jährigen (3,5%), so dass ein Screeningbeginn vor 50 Jahren für die Allgemeinbevölkerung wenig sinnvoll erscheint. Von großer Bedeutung ist die Identifikation von Personen mit erhöhtem KRK-Risiko, für die gesonderte Empfehlungen gelten. Zur Altersbegrenzung der Darmkrebsvorsorge existieren keine prospektiven Studien. Die Inzidenz fortgeschrittener Neoplasien nimmt mit dem Alter zu. Endoskopische Untersuchungen scheinen auch bei älteren Patienten sicher durchführbar zu sein. In einer Studie war die relative 5-Jahres-Überlebensrate nach kurativer Operation eines kolorektalen Karzinoms für Patienten über 74 Jahre vergleichbar mit der von Patienten zwischen 50 und 74 Jahren. Die Festlegung der Altersbegrenzung sollte daher individuell in Abhängigkeit des „biologischen Alters“ sowie vorhandener Begleiterkrankungen erfolgen. Zum Nutzen-Risiko-Verhältnis des Darmkrebsscreenings in verschiedenen Altersgruppen existiert keine ausreichende Datenlage. FOBT (Guaiak-Test) Empfehlung Bei Personen mit durchschnittlichem Darmkrebsrisiko, die keine Koloskopie wünschen, sollte ein FOBT – bestehend aus 3 Testbriefchen (mit je 2 Auftragefeldern) für drei konsekutive Stühle - jährlich durchgeführt werden. Hierdurch wird die Sterblichkeit an Darmkrebs signifikant gesenkt. Ein positives Testergebnis macht die endoskopische Untersuchung des gesamten Dickdarms erforderlich. Der jährliche FOBT ist der zweijährlichen Untersuchung überlegen. Bei Personen, die am Koloskopie-Screening teilnehmen, erübrigen sich FOBT und andere Maßnahmen. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.

168

Kolorektale Karzinome Screeninguntersuchungen II, Stuhltestverfahren, S3 Leitlinie

FOBT (Guaiak-Test): siehe vorherige Seite Anmerkungen Grundlage für die Stuhltestung auf okkultes Blut ist die Tatsache, dass kolorektale Karzinome häufiger bluten als die normale Darmmukosa. Herkömmliche FOBT verwenden mit Guaiakharz imprägniertes Filterpapier, das sich in Anwesenheit von im Stuhl enthaltenem Hämoglobin nach Zugabe von Wasserstoffperoxyd blau färbt. Da viele Karzinome intermittierend bluten, führt die wiederholte Testung zu einer zuverlässigeren Erkennung von KRK. Das in den Studien eingesetzte Verfahren beinhaltet, aus drei aufeinander folgenden Stuhlgängen je zwei Proben pro Stuhl auf zwei Testfelder aufzutragen und auf okkultes Blut zu testen. Zur Effektivität des FOBT als Screeningmethode für ein kolorektales Karzinom liegen die Ergebnisse von 3 großen randomisierten Studien vor. In ihnen konnte eine Senkung der KRK-bedingten Mortalität von 15 bis 33% gezeigt werden. Eine Metaanalyse der Studien ergab eine durchschnittliche Senkung der KRK-Mortalität um 23%. Diese Mortalitätssenkung bestätigte sich auch nach längerem Follow-up der Studien. Die jährliche war der zweijährigen Testung in Bezug auf die Reduktion der Mortalität in einer Studie eindeutig überlegen. Die Sensitivität des Tests hängt entscheidend von der Art der Testdurchführung und der Patienteninstruktion ab. Eine Rehydrierung der Testbriefchen vor Entwicklung steigert die Sensitivität des Screenings, verringert jedoch die Spezifität deutlich (in einer Studie von 97,6 auf 90,2%, in einer weiteren von 97 auf 85,4%) und wird daher nicht empfohlen. Es gibt Hinweise dafür, dass die Instruktion des Patienten vor der Testdurchführung in Bezug auf Ernährung und interferierende Medikamente die Zahl der falsch positiven Testergebnisse und somit auch die Zahl der erforderlichen Koloskopien reduzieren kann. Es erscheint daher sinnvoll, den Patienten über Faktoren, die das Testergebnis beeinflussen könnten, aufzuklären. Der Einfluss von Pflanzenperoxidasen kann alternativ durch eine Testentwicklung 3d nach Durchführung vermieden werden. Die Notwendigkeit einer Ernährungsempfehlung für den Hämoccult® wird allerdings durch eine Metaanalyse infrage gestellt. Bereits bei positivem Testergebnis auf okkultes fäkales Blut von einem der sechs Testfelder ist keine Kontrolle, sondern eine komplette endoskopische Darstellung des Dickdarms nach digitaler rektaler Untersuchung erforderlich. Dies beinhaltet auch den sicheren Ausschluss eines Anal- oder distalen Rektumkarzinoms mittels Proktoskopie. Eine Kolonkontrastuntersuchung sollte nur bei technisch unvollständiger Koloskopie erfolgen. Der Effekt der FOBT beruht auf einer Diagnose kolorektaler Karzinome in einem früheren prognosegünstigeren Stadium. Vorteile des FOBT sind die leichte Durchführbarkeit sowie die geringen Kosten. Nachteilig ist eine mäßige Sensitivität für Karzinome und eine geringe Sensitivität für Adenome. In einer der randomisierten Studien konnte zwar eine Senkung der Inzidenz kolorektaler Karzinome gezeigt werden, es muss jedoch beachtet werden, dass im Rahmen dieser Studie über 30% der Teilnehmer koloskopiert wurden.

Immunologische Stuhltestverfahren - Empfehlung Immunologische Verfahren stellen derzeit keine Alternative zu den Guaiak-Verfahren in der Screening-Anwendung dar. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, Konsens. Anmerkungen Immunologische Tests auf Hämoglobin oder Hämoglobin/Haptoglobin im Stuhl besitzen eine höhere Sensitivität als der Hämoccult®-Test. Die Datenlage zur Spezifität ist uneinheitlich. Zu bedenken ist jedoch, dass für den Einsatz der immunologischen FOBT weniger Daten als für das Guaiak-Verfahren vorliegen und die Tests kostenintensiver und zum Teil komplizierter in der Durchführung sind. Während der Testdurchführung ist keine Änderung der Ernährung erforderlich. Immunologische Stuhltests auf Albumin oder Calprotectin sind für das Screening nicht geeignet. Ebenso reicht die Datenlage zur M2-PK-Bestimmung im Stuhl nicht aus, um einen Einsatz außerhalb von Studien zu rechtfertigen. Molekulare Screeningverfahren - Empfehlung Stuhluntersuchungen auf DNA-Veränderungen als KRK-Screeningmaßnahme können derzeit aufgrund der unzureichenden Datenlage außerhalb von Studien nicht empfohlen werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens. Anmerkungen Die Entstehung kolorektaler Karzinome über die Zwischenstufe der Adenome geht in vielen Fällen mit charakteristischen genetischen Veränderungen einher. Eine Isolierung und Untersuchung von DNA aus Kolonepithelzellen im Stuhl ist mittlerweile möglich. In einer Studie wurde der Stuhl von 46 Patienten mit bekannten Karzinomen oder Adenomen auf APC-Mutationen untersucht. Die Sensitivität für Karzinom betrug 61%, für Adenome 50%. In weiteren Studien mit ebenfalls kleinen Fallzahlen an Patienten mit bekannten Neoplasien wurden mehrere Marker im Stuhl untersucht. In diesen Untersuchungen wurde eine Sensitivität für Karzinome von 63 bis 91%, für fortgeschrittene Adenome von 57 bis 82% gefunden. Aufgrund fehlender Daten aus der asymptomatischen Bevölkerung sowie des hohen Aufwands und der Kosten sollten diese Verfahren derzeit nur im Rahmen von Studien evaluiert werden.

169

Kolorektale Karzinome Screening, Endoskopische/Radiol. Verfahren, S3-Leitlinie 2004

Endoskopische Verfahren Von allen Maßnahmen zur Früherkennung kolorektaler Neoplasien besitzt die Koloskopie die höchste Sensitivität und Spezifität (Goldstandard). Endoskopische Maßnahmen sind als einzige diagnostisch und therapeutisch und haben den Vorteil, dass durch sie auch nicht blutende Karzinome und Adenome mit hoher Sensitivität nachgewiesen werden können. Durch die Abtragung von Adenomen kann zudem die Entstehung von Karzinomen effektiv verhindert werden (Unterbrechung der Adenom-Karzinom-Sequenz).

Sigmoidoskopie - Empfehlung Die Effektivität der Sigmoidoskopie als Screening-Methode für das KRK ist gesichert. Es ist jedoch zu bedenken, dass nicht alle Darmabschnitte eingesehen werden können und somit eine komplette Koloskopie der Sigmoidoskopie überlegen ist. Sie ist Personen, die die Koloskopie ablehnen, anzubieten und alle 5 Jahre zu wiederholen. Zur möglichen Detektion proximaler Karzinome sollte zusätzlich zur Sigmoidoskopie eine jährliche FOBT-Durchführung erfolgen. Die Effektivität der Kombination ist jedoch nicht abschließend geklärt. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens. Anmerkungen In Fall-Kontroll-Studien konnte für die Sigmoidoskopie eine Senkung der Mortalität von Karzinomen des Rektosigmoids um etwa 60 bis 80% gezeigt werden. Prospektive randomisierte Studien laufen derzeit in den USA, Großbritannien und Italien. In einer prospektiven Studie in Norwegen bestehend aus Sigmoidoskopie gefolgt von einer Koloskopie bei Patienten mit Polypennachweis in der Sigmoidoskopie konnte eine Senkung der KRK-Inzidenz gezeigt werden. Verglichen mit der okkulten fäkalen Bluttestung besitz die Sigmoidoskopie eine höhere Sensitivität für kolorektale Neoplasien. In drei randomisierten Studien, in denen die Kombination aus einmaligem FOBT und Sigmoidoskopie mit einem alleinigen FOBT verglichen wurde, wurden signifikant mehr Neoplasien durch die Kombination gefunden.

Koloskopie - Empfehlung Die komplette Koloskopie besitzt die höchste Sensitivität und Spezifität für das Auffinden eines KRK und von Adenomen und sollte daher als Standardverfahren empfohlen werden. Bei unauffälligem Befund sollte die Koloskopie nach 10 Jahren wiederholt werden. Zur Durchführung wird auf die Krebsfrüherkennungsrichtlinie verwiesen, die digitale rektale Untersuchung ist hierbei obligat. Bei Personen, die am Koloskopie-Screening entsprechend dieser Richtlinie teilnehmen, erübrigt sich das FOBT-Screeningsverfahren. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke; 3b, starker Konsens. Anmerkungen In zwei Fall-Kontroll-Studien wurde gezeigt, dass die Inzidenz von Darmkrebs durch Polypektomie im Rahmen einer Koloskopie um 66 – 90% gesenkt wird. Zwar gibt es keine randomisierte Studie, die richtlinienkonform durchgeführte Untersuchung wird jedoch aufgrund der hohen Sensitivität und Spezifität und der Möglichkeit der Polypektomie von fast allen Konsensusteilnehmern als die bevorzugte Vorsorgemethode für kolorektale Karzinome angesehen. Sie besitzt eine nachgewiesene hohe Sensitivität für Karzinome und Adenome des gesamten Kolons und erlaubt insbesondere eine Detektion proximaler Neoplasien. 46% bis 52% der Patienten mit proximalen Neoplasien wiesen in Studien keine zusätzlichen distalen Adenome auf. Bei diesen Patienten wäre eine Diagnose der Neoplasien mittels Sigmoidoskopie unmöglich. Die Ergebnisse der Fall-Kontroll-Studie der Sigmoidoskopie sollten auf die Koloskopie übertragbar sein. Auch der protektive Effekt der FOBT-Studien beruht letztendlich auf der Abklärung positiver Tests mittels Koloskopie. Zusätzlich konnte in einer Fall-Kontroll-Studie ein protektiver Effekt der Koloskopie gezeigt werden. Die Komplikationsrate der Untersuchung in Deutschland war in einer Studie auf freiwilliger Basis sehr gering. Tandemuntersuchungen haben gezeigt, dass größere Adenome nur selten übersehen werden. Es wird davon ausgegangen, dass eine unauffällige Koloskopie nach 10 Jahren wiederholt werden sollte. So fanden sich 5,5 Jahre nach einer unauffälligen Koloskopie keine Karzinome und weniger als 1% fortgeschrittene Neoplasien. In einer Fallkontrollstudie hielt der protektive Effekt einer Koloskopie mindestens 10 Jahre an.

Radiologische Verfahren - Empfehlungen Weder die CT-Kolonographie noch die MRT-Kolonographie können derzeit außerhalb von Studien für das Screening in der asymptomatischen Bevölkerung empfohlen werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens. Anmerkungen Für den Einsatz der MRT-Kolonographie existieren keine Studien (Flächen-/Feldversuche) in der asymptomatischen Bevölkerung. Nur wenige Studien befassen sich mit der Untersuchung asymptomatischer Personen mittels CT-Kolonographie. Die vorliegenden Daten zeigen für beide Untersuchungen eine niedrigere Sensitivität für kleine (<10 mm) Polypen. Flache Polypen können nicht erfasst werden. Beide Methoden sind nicht standardisiert und die Angaben zur Sensitivität widersprüchlich, so dass ihr Einsatz als Screening-Methode außerhalb von Studien derzeit nicht empfohlen werden kann. Ein Einsatz bei inkompletter Koloskopie ist denkbar, hierzu gibt es keine Studien.

170

Kolorektale Karzinome Risikogruppen, S3 Leitlinien

Risikogruppen Personen, die aufgrund einer besonderen Prädisposition ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms im Vergleich mit der Normalbevölkerung aufweisen, gehören in der Regel zu einer von drei definierten Risikogruppen:

a) Personen mit einem familiär gesteigerten (genetische Grundlage z. Zt. noch nicht bekannt) Risiko für ein kolorektales Karzinom

b) nachgewiesene oder mögliche Anlageträger für ein hereditäres kolorektales Karzinom c) Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung

Sporadisches kolorektales Karzinom Verwandte von Patienten mit kolorektalem Karzinom Verwandte ersten Grades von Patienten mit einem kolorektalen Karzinom haben ein erhöhtes Risiko, ebenfalls an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Evidenzstärke 2a. Verwandte zweiten Grades haben ein nur gering erhöhtes Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Evidenzstärke 2b. Anmerkungen Für Verwandte ersten Grades (Eltern, Geschwister, Kinder) ist das mittlere Risiko zwei- bis dreifach erhöht. Eine weitere, 3- bis 4-fache Risikosteigerung besteht, wenn bei dem Indexpatienten das kolorektale Karzinom vor dem 45. Lebensjahr aufgetreten und/oder mehr als ein Verwandter ersten Grades von einem KRK betroffen ist. In der Altersgruppe <50 Jahren befinden sich allerdings auch bislang unentdeckte hereditäre Kolonkarzinome. Das Risiko ist für das Kolon- im Vergleich zum Rektumkarzinom höher (relatives Risiko 2,4 vs 1,9). Für erstgradige Verwandte von betroffenen Patienten kann das KRK-Risiko weiter aufgeteilt werden: Bei einem betroffenen Elternteil ist das Risiko im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung 2,3fach, bei einem betroffenen Geschwisterteil 2,6fach erhöht. Ist der Indexpatient nach dem 60. Lebensjahr erkrankt, ist das KRK-Risiko für die erstgradig Verwandten nur noch gering erhöht. Verwandte zweiten Grades (Großeltern, Geschwister der Eltern, Enkel) von Patienten mit kolorektalen Karzinomen haben ein leicht erhöhtes Karzinomrisiko (RR 1,3); dieses ist aber derzeit nur unzureichend untersucht und bisher nicht in der Praxis verifiziert. Für Verwandte dritten Grades von Patienten mit kolorektalen Karzinomen ist kein erhöhtes Karzinomrisiko anzunehmen. Verwandte von Patienten mit kolorektalem Adenom Verwandte ersten Grades von Patienten, bei denen ein kolorektales Adenom vor dem 50. Lebensjahr nachgewiesen wurde, haben ein erhöhtes Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Evidenzstärke: 2b. Anmerkungen Das Risiko dieser Verwandten, ein kolorektales Karzinom zu entwickeln, ist im Mittel etwa 2fach gegenüber der Allgemeinbevölkerung gesteigert. Es besteht ein 80% höheres Risiko bei Eltern und Geschwistern von Adenom-Patienten im Vergleich mit deren Lebenspartnern. Auch hier ist die Risikohöhe vom Alter des Indexpatienten abhängig. Ist dieser jünger als 60 Jahre, ist das mittlere Risiko nur leicht erhöht, ist er jünger als 50 Jahre, ist das Risiko ca. 4,3fach erhöht. Ist der Indexpatient älter als 60 Jahre, ist das kolorektale Karzinomrisiko nicht mehr statistisch signifikant erhöht. Aufgrund der Datenlage gibt es keine Evidenz, dass Verwandte von Patienten, bei denen ein hyperplastischer Polyp nachgewiesen wurde, ein erhöhtes Risiko haben, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Eine Ausnahme ist die sehr seltene hyperplastische Polyposis.

171

Kolorektale Karzinome Risikogruppen, Prävention, Untersuchungen, S3 Leitlinie

Patienten mit kolorektalen Adenomen Jedes histologisch nachgewiesene Adenom stellt ein erhöhtes Risiko für ein kolorektales Karzinom dar (Evidenz 2b). Dies gilt insbesondere für

- multiple (>3) Adenome - große (>1 cm) Adenome

Anmerkungen Generell führt die Abtragung kleiner, singulärer Adenome im Vergleich zur Normalbevölkerung zu einem um bis zu 90% verminderten Risiko, ein metachrones kolorektales Karzinom zu entwickeln. Dieses reflektiert den Vorsorgewert der Koloskopie im Rahmen der Adenom-Karzinom-Sequenz. Kontrolluntersuchungen dienen insbesondere der Entdeckung übersehener oder metachron auftretender Adenome. Adenome >1 cm sind mit einem etwa 4fach erhöhten Karzinomrisiko assoziiert. Auch bei multiplen Adenomen ist das Risiko, ein metachrones Karzinom zu entwickeln, deutlich (4- bis 6fach) gesteigert. Hierbei dürfte das erhöhte Risiko einerseits auf einer stärkeren individuellen Disposition, andererseits auf einer höheren Prävalenz übersehener Polypen bei der initialen Koloskopie beruhen. Beim koloskopischen Nachweis von >3 Polypen besteht eine signifikant größere Wahrscheinlichkeit, dass weitere Polypen übersehen wurden. Ob hyperplastische Polypen als präkanzeröse Läsionen angesehen werden können, ist derzeit nicht abschießend beurteilbar. Empfehlung zur Primärprävention Eine gesonderte Empfehlung zur Primärprävention (diätetische Maßnahmen, Chemoprävention) im Vergleich zur Normalbevölkerung kann aufgrund der widersprüchlichen Datenlage für die genannten Risikogruppen derzeit nicht gegeben werden. Evidenzstärke: 1b starker Konsens. Anmerkungen Generell können die für die Normalpopulation genannten Empfehlungen auch für die Angehörigen der Risikogruppen übernommen werden. Für spezielle Maßnahmen fehlen weiterhin gesicherte Daten. Vorsorgeuntersuchungen Verwandte ersten Grades von Patienten mit kolorektalem Karzinom Empfehlung

a) Verwandte ersten Grades von Patienten mit kolorektalem Karzinom sollten in einem Lebensalter, das 10 Jahre vor dem Alterszeitpunkt des Auftretens des Karzinoms beim Indexpatienten liegt, erstmal komplett koloskopiert werden, spätestens im Alter von 50 Jahren. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke 4, starker Konsens.

b) Die Koloskopie sollte mindestens alle 10 Jahre wiederholt werden. Empfehlunsgrad: b, Evidenzstärke 4, starker Konsens.

Anmerkungen a) Das Risiko eines Verwandten ersten Grades eines Patienten mit kolorektalem Karzinom, ebenfalls an

einem kolorektalen Karzinom zu erkranken, ist, insbesondere bei einem Manifestationsalter unter 50 Jahren beim Indexpatienten erhöht. Bei jungen Indexpatienten in der Verwandtschaft sollte die Diagnose eines HNPCC-Syndroms in Erwägung gezogen werden und eine Mikrosatellitenanalyse und/oder immunhistochemische Untersuchung der Mismatch-Reparatur-Proteine durchgeführt werden. Ist dies nicht möglich, sollte die Vorsorge intensiviert werden.

b) Die Frage des maximalen Untersuchungsintervall ist bis nicht eindeutig geklärt. Es gilt derzeit aber als wahrscheinlich, dass ein Intervall von 10 Jahren in der Regel ausreichen dürfte, dieses aber nicht überschritten werden sollte.

Verwandte von Patienten mit kolorektalen Adenomen Empfehlung Verwandte ersten Grades von Indexpatienten, bei denen Adenome vor dem 50. Lebensjahr nachgewiesen wurden, sollten 10 Jahre vor dem Lebensalter zum Zeitpunkt des Nachweises des Adenoms koloskopiert werden. Die Koloskopie sollte mindestens alle 10 Jahre wiederholt werden. Empfehlunsgrad: C, Evidenzstärke 5, starker Konsens.

172

Kolorektale Karzinome Früherkennung bei erhöhtem Risiko , FAP, S3-Leitlinie 2004

Vorsorge-familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) Empfehlung Verwandte eines FAP-Patienten, die aufgrund des Stammbaums als Mutationsträger in Betracht kommen, werden als Risikopersonen bezeichnet. Bei diesen sollten ab dem 10. Lebensjahr im Anschluss an eine humangenetische Beratung der Familie eine prädiktive molekulargenetische Diagnostik durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens. Wurde die Mutation bei Risikopersonen (Kinder von einem Elternteil mit FAP oder Geschwister von FAP-Patienten) ausgeschlossen, ist eine spezifische gesonderte Vorsorge nicht mehr notwendig. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens. Risikopersonen, bei denen die Mutation bestätigt oder nicht ausgeschlossen werden konnte, sollten spätestens ab dem 10. Lebensjahr jährlich rekto-sigmoidoskopiert werden. Bei Nachweis von Adenomen muss eine komplette Koloskopie erfolgen und bis zur Proktokolektomie jährlich wiederholt werden. Empfehlungsgrad:A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.

Anmerkungen Die humangenetische Beratung erfolgt bei Minderjährigen gemeinsam mit den Erziehungsberechtigten. Die Einleitung der humangenetischen Diagnostik vor dem 10. Lebensjahr ist selten notwendig, da kolorektale Karzinome bei FAP-Anlageträgern vor dem 15. Lebensjahr sehr selten sind. Die molekulargenetische Untersuchung kann mittels direkter (Mutationsnachweis im APC-Gen) oder indirekter (Nachweis der Vererbung ursächlichen Mutation durch Kopplungsanalyse) Genotypisierung erfolgen. Eine prädiktive Testung kann nur bei zuvor identifizierter pathogener Keimbahnmutation bei einem betroffenen Familienmitglied erfolgen und muss in eine humangenetische Beratung eingebettet sein. Ein Mutationsnachweis gelingt bei 70% der Patienten. Bei Vorhandensein von mindestens zwei Betroffenen in der Familie kann die Vererbung des für die FAP verantwortlichen Gen-Defekts indirekt über die Vererbung benachbarter polymorpher Marker nachgewiesen werden (Kopplungsanalyse). Mit beiden Methoden zusammen genommen gelingt die molekulargenetische Diagnostik bei über 90% der Betroffenen. Als weitere Methode zur Identifizierung von Genträgern kann in vielen Familien eine Augenhintergrundspiegelung durchgeführt werden. Die Augenhintergrundspiegelung zur Identifizierung einer kongenitalen Hypertrophie des retinalen Pigmentepithels hat durch die prädiktive DNA-Testung jedoch an Bedeutung verloren. Bei der klassischen FAP werden immer auch Polypen im Rektum und Sigma beobachtet. Sind Rektumpolypen nachgewiesen worden, so können weiter proximal weitere Adenome oder sogar Karzinome vorhanden sein. In diesem Falle schließt sich kurzfristig eine komplette Koloskopie an, die, je nach Befund, in mindestens jährlichen Abständen wiederholt werden sollte. In Familien, in denen eine genetische Testung nicht durchgeführt wurde oder nicht aussagekräftig war, ist allen Risikopersonen die endoskopische Vorsorge ab dem 10. Lebensjahr zu empfehlen. Im Einzelfall ist bei bestimmten Mutationen, früher Karzinommanifestation in der Familie oder assoziierten Symptomen, der Beginn der Vorsorge bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Erwägung zu ziehen.

Empfehlung Patienten mit klassischer FAP sollten prophylaktisch - wann immer möglich kontinenzerhaltend - proktokolektomiert werden, wenn vertretbar erst nach Abschluss der Pubertät. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens. Nach einer Operation ist eine Pouchoskopie jährlich, bei Patienten mit erhaltenem Rektumstumpf eine Rektoskopie alle 4 Monate erforderlich. Empfehlungsgrad: 1, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens.

Empfehlung Eine ÖGD mit besonderer Inspektion der Papillenregion sollte spätestens ab dem 30. Lebensjahr alle 3 Jahre durchgeführt werden. Das Intervall sollte in Abhängigkeit vom Schweregrad vorhandener Adenome auf bis zu 1 Jahr verkürzt werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke 4, starker Konsens.

Weitere extrakolische Manifestationen müssen bei der Vorsorge beachtet werden. Es sollte daher eine jährliche Sonographie des Abdomens und der Schilddrüse ab dem 10. Lebensjahr erfolgen. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke 4, starker Konsens.

Empfehlung Eine allgemeingültige Empfehlung zur Behandlung von Adenomen im oberen Gastrointestinaltrakt kann derzeit nicht gegeben werden. Dies gilt auch für die Gabe von Cox-2-Hemmern. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.

173

Kolorektale Karzinome Früherkennung bei erhöhtem Risiko, HNPCC, S3-Leitlinie 2004

Hereditäres Nicht-Polyposis-Coli-Kolonkarzinom (HNPCC) Empfehlung Risikopersonen ist ab dem 18. Lebensjahr eine genetische Beratung zu empfehlen. Sobald die krankheitsverursachende Mutation in der betreffenden Familie bekannt ist, sollte diese bei den Risikopersonen untersucht werden. Empfehlungsgrad : A, Evidenzstärke: 1-c, starker Konsens Wenn die krankheitsverursachende Mutation bei einer Risikoperson ausgeschlossen wurde, gelten die allgemeinen Krebsvorsorgemaßnahmen. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1-c, starker Konsens Empfehlung Risikopersonen für ein HNPCC sollten ab dem 25. Lebensjahr jährlich komplett koloskopiert werden (Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2-a, Konsens), in jedem Fall 5 Jahre vor dem niedrigsten Erkrankungsalter in der Familie. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, Konsens Anmerkung Eine prospektive Studie konnte eine signifikante Reduktion der Mortalität und auch Inzidenz von KRK um mehr als jeweils 60% bei dreijährlichen Untersuchungsintervallen nachweisen. Aufgrund einer beschleunigten Tumorprogression mit Intervallkarzinomen bei etwa 4% aller Patienten bei zwei- bis dreijährlichen Untersuchungsabständen wird ein jährliches Intervall empfohlen. Die Stadienverteilung und damit auch Prognose HNPCC-assoziierter kolorektaler Karzinome, die im Rahmen eines Vorsorgeprogramms entdeckt werden, ist signifikant günstiger als die symptomatischer Patienten. Daten zu einer medikamentösen Chemoprävention des KRK-Risikos bei HNPCC liegen bisher nicht vor. Eine medikamentöse Chemoprävention außerhalb von Studien kann daher derzeit nicht empfohlen werden. Empfehlung Bei weiblichen Risikopersonen und Mutationsträgerinnen sollte ab dem 25. Lebensjahr zusätzlich zur jährlichen gynäkologischen Untersuchung ein transvaginaler Ultraschall im Hinblick auf Endometrium- und Ovarialkarzinome durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 4, starker Konsens

Wenn in der Familie ein Magenkarzinom aufgetreten ist, sollte ab dem 25. Lebensjahr jährlich eine ÖGD vorgenommen werden. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 4, starker Konsens Bei allen Risikopersonen und Mutationsträgern sollte ab dem 25. Lebensjahr zusätzlich eine jährliche Oberbauchsonographie durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, starker Konsens Anmerkungen Da durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen Karzinome bei fast allen Patienten im Stadium UICC I/II oder sogar als prämaligne Adenome entdeckt werden und die Penetranz unvollständig ist, kann eine prophylaktische Kolektomie bzw. Proktokolektomie derzeit nicht empfohlen werden.

Hamartomatöse Polyposis Empfehlung Generelle Überwachungsempfehlungen können wegen der spärlichen Datenlage nicht gegeben werden. Die Überwachung der Patienten und Risikopersonen sollte in Zusammenarbeit mit einem ausgewiesenen Zentrum durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, starker Konsens. Anmerkungen Die meisten Studien sind retrospektiv und umfassen kleine Fallzahlen. Nach diesen Studien ist das relative Risiko eines Patienten mit Peutz-Jeghers-Syndrom zur Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms deutlich gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöht. Darüber hinaus ist das Risiko für eine Reihe von weiteren Tumoren signifikant erhöht. Aufgrund der Seltenheit des Krankheitsbildes sollten diese Patienten in enger Abstimmung mit erfahrenen Zentren behandelt werden. Neben der intestinalen und extraintestinalen Karzinomfrüherkennung stehen jedoch auch insbesondere die Vermeidung und rechtzeitige Erkennung benigner intestinaler Komplikationen wie Blutung, Anämie, Obstruktion und Invagination von Polypen bereits in jungen Jahren im Vordergrund. Aus diesem Grunde sollte eine bildgebende Diagnostik des gesamten Gastrointestinaltraktes bereits ab dem etwa 10. Lebensjahr erfolgen. Auch bei Patienten mit einer juvenilen Polyposis sollte wegen des erhöhten Risikos für KRK und Magenkarzinome und zur Vermeidung und Früherkennung benigner Komplikationen bereits frühzeitig eine bildgebende Diagnostik des gesamten Gastrointestinaltraktes erfolgen.

z.B.: Institut für Humangenetik der Universität Bonn , Wilhelmstr. 31, 53111 Bonn Ansprechpartnerin: Dr. med. Elisabeth Mangold E-mail: [email protected]

174

Kolorektale Karzinome Früherkennung /erhöhtes Risiko, Colitis ulc., S3-Leitlinie 2004

Der Beginn der Vorsorgeuntersuchungen bei Patienten mit chronischer Colitis ulcerosa richtet sich nach den Empfehlungen der WHO (Levin et al. 1991) nach der Ausdehnung der entzündlichen Veränderungen. Bei ausgedehnter, über die Flexura lienalis hinausgehender oder totaler Kolitis soll ab dem 8.-10. Erkrankungsjahr, bei ausschließlich linksseitiger bis maximal zur Flexura lienalis reichender Entzündung ab dem 12.-15. Jahr begonnen werden. Nach neueren Untersuchungen ist eine zusätzlich vorhandene primär sklerosierende Cholangitis ein weiterer unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten von Dysplasien und Karzinomen. Während der Koloskopie sind multiple Biopsien zu entnehmen, und zwar: von allen makroskopisch auffälligen Läsionen (Plaques, knotig verdickte oder zottige Areale, ungewöhnliche Polypen, Stenosen) und von makroskopisch unauffälliger (flacher) Schleimhaut alle 10 - 12 cm. Die Biopsien müssen getrennt und mit detaillierter Angabe der Herkunft zur histologischen Untersuchung eingesandt werden. Nach dem Ergebnis der Histologie und nach dem makroskopischen Befund richtet sich das weitere Vorgehen entsprechend dem nachstehenden Schema (Empfehlung der WHO nach Hohenberger, Regensburg):

S3-Leitlinie

Bei Patienten mit Pancolitis ulcerosa, die >8 Jahre besteht, oder linksseitiger Colitis, die >15 Jahre besteht, soll eine komplette Koloskopie mit Stufenbiopsien (mindestens 4 Biopsien alle 10 cm) jährlich erfolgen. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2-b, Konsens Primärprävention - Empfehlung Aminosalicylate können zur Prophylaxe des kolorektalen Karzinoms bei Colitis ulcerosa eingesetzt werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, Konsens. Anmerkungen Prospektive Studien zum Einsatz von Aminosalicylaten zur Karzinomprophylaxe liegen nicht vor. In mehreren Fallkontrollstudien ging eine 5-ASA-Therapie mit einer gesenkten Karzinomentstehung einher. In einer Kohortenstudie war das Risiko ein KRK zu entwickeln für Patienten mit langjähriger Aminosalicylat-Therapie signifikant verringert. Eine Dauergabe von Aminosalicylaten scheint demnach das KRK-Risiko zu senken. Eine Fortführung der Aminosalicylat-Therapie zur Karzinomprophylaxe sollte mit dem Patienten individuell anhand vorliegender Risikofaktoren besprochen werden. Sie ersetzt nicht die Notwendigkeit einer regelmäßigen endoskopischen Überwachung. Bei Colitis ulcerosa – Patienten mit zusätzlich vorliegender PSC scheint eine Ursodeoxycholsäure-Therapie (UDCA) einen protektiven Effekt auf die kolorektale Neoplasieentstehung zu besitzen. Folsäure besitzt möglicherweise einen protektiven Effekt bei Patienten mit CU, weitere Studien sind jedoch erforderlich. Empfehlung Bei eindeutiger und durch eine unabhängige zweite Pathologenbefundung bestätigter hochgradiger intraepithelialer Neoplasie in flacher, nicht entzündeter Schleimhaut, ist dem Patienten die elektive, kontinenzerhaltende Proktokolektomie zu empfehlen. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.

Morbus Crohn Beim Morbus Crohn ist ebenfalls von einem erhöhten kolorektalen Karzinom-Risiko auszugehen, dieses ist jedoch im Vergleich zur Colitis ulcerosa noch unzureichend charakterisiert, möglicherweise aber geringer.

LGD = low grade Dysplasie HGD = high grade Dyspalsie

Überwachungsstrategie bei Colitis ulcerosa nach dem Dysplasiegrad der Mukosa

175

Kolorektale Karzinome Früherkennung bei erhöhtem Risiko, ASCO-Guidelines

American Cancer Society Guidelines für Screening und Überwachung zur Früherkennung Kolorektaler Adenome und CRC bei Personen mit erhöhtem und hohem Risiko

Risikokategorie Alter bei Beginn Empfehlung Kommentar

Pat. mit einem einzelnen kleinen (< 1 cm) Adenom

3-6 Jahre nach der initialen Polypektomie

Koloskopie Bei Normalbefund in Kontroll-untersuchung → Screening nach guidelines für normales Risiko

Pat. mit einem grossen (> 1 cm) Adenom

Innerhalb von 3 Jahren nach der initialen Polypektomie

Koloskopie

Bei Normalbefund in Kontroll-untersuchung → Kontrolle in 3 Jahren; bei Normalbefund dann Screening wie bei normalem Risiko

Pat. nach kurativer Resektion eines CRC

Innerhalb eines Jahres nach Tumorentfernung

Koloskopie

Bei Normalbefund in Kontroll-untersuchung Wiederholung in 3 Jahren; bei Normalbefund Kontrolle alle 5 Jahre

CRC oder adenomatöse Polypen bei erstgradig Verwandten vor dem 60. Lebensjahr oder bei 2 oder mehr erstgradig Ver-wandten jeglichen Alters

40 Jahre oder 10 Jahre vor der Ersterkrankung des Verwandten

Koloskopie

Alle 5-10 Jahre. CRC bei entfernteren als erstgradig Verwandten erhöht das Risiko nicht substantiell

Familienanamnese einer familiären adenomatösen Polypose (FAP)

Pubertät

Frühe endoskopische Überwachung, genetische Beratung und Testung

Bei positivem genetischem Test ist die Kolektomie indiziert. Überweisung zu einem Zentrum mit Erfahrung im FAP-Management.

Familienanamnese eines hereditären nicht-polypösen CRC (HNPCC)

21 Jahre

Koloskopie, genetische Beratung und Testung

Bei positivem genetischen Test oder bei fehlender genetischer Testung alle 1-2 Jahre bis zum 40. Lebensjahr, dann jährlich. Überweisung zu einem Zentrum mit Erfahrung im HNPCC-Management.

Chronisch entzündliche Darmerkrankung, Colitis ulcerosa und M. Crohn

Signifikante Er-höhung des Krebs-risikos 8 Jahre nach Beginn der Pankolitis oder 12-15 Jahre nach Beginn der linksseitigen Kolitis

Koloskopie mit Biopsien unter der Fragestellung Dysplasie

Alle 1-2 Jahre. Überweisung der Patienten an ein Zentrum mit Erfahrung in Überwachung und Management chronisch entzündlicher Darmerkrankungen.

Colitis ulcerosa Die Mehrzahl der Studien zeigt ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms. In einer Meta-Analyse betrug das kumulative Karzinomrisiko bei Pancolitis 2 % nach 10 Jahren, 9 % nach 20 Jahren und 18 % nach 30 Jahren. Lediglich in einer dänischen Studie mit hoher Kolektomierate fand sich keine erhöhte Inzidenz kolorektaler Karzinome. Eine Meta-Analyse konnte die Bedeutung der primär sklerosierenden Cholangitis als Risikofaktor für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms bei Colitis ulcerosa Patienten bestätigen.

176

Kolorektale Karzinome Polypenmanagement S3-Leitlinie 2004

Polypektomiedurchführung - Empfehlung Bei der Polypektomie müssen die Polypen einzeln unter Angabe der Lokalisation geborgen werden. Die histologische Befundung der Polypen erfolgt entsprechend den WHO-Kriterien und mit einer Aussage zur Vollständigkeit der Abtragung. Bei Karzinomnachweis muss der histologische Befund folgende Merkmale enthalten: - das Ausmaß der Tiefeninfiltration (pT-Kategorie) - den histologischen Differenzierungsgrad (Grading) - das Vorhandensein oder Fehlen von Lymphgefäßinvasion (L-Klassifikation) - die Beurteilung der Resektionsränder (R-Klassifikation im Hinblick auf die lokale Entfernung im Gesunden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens. Im Hinblick auf weitere therapeutische Konsequenzen bei komplett entfernten pT1-Karzinomen sollte eine zusammenfassende Klassifikation in „Low-risk“ (G1, G2 und keine Lymphgefäßeinbrüche) oder „High-risk“ (G3, G4 und/oder Lymphgefäßeinbrüche) erfolgen. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke:2b, starker Konsens.

Polypenmanagement (Nachsorge) - Empfehlung Nach Abtragung singulärer oder multipler ausschließlich nicht neoplastischer Polypen besteht keine Notwendigkeit einer endoskopischen Nachsorge. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.

Nach kompletter Abtragung neoplastischer Polypen (Adenome) ist eine Kontrollendoskopie erforderlich. Aufgrund der bisherigen Daten randomisierter Studien sollte eine erste endoskopische Kontrolle nach Schlingenektomie eines oder mehrerer Adenome nach 3 Jahren erfolgen. Voraussetzung ist ein adenomfreier Darm. Nach unauffälliger Kontrollendoskopie sind weitere Kontrollen in 5-jährigen Abständen angezeigt. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.

Bei unvollständig entfernten neoplastischen Läsionen sollte die endoskopische, wenn möglich, die chirurgische Restpolypektomie zeitnah erfolgen. Dabei ist die Abtragung im Gesunden (im Sinne einer RO-Situation) obligat. Adenome, die makroskopisch-endoskopisch und/oder aufgrund des histologischen Befunds in toto entfernt worden sind, bedürfen keiner kurzfristigen Nachsorge. Dies gilt auch für Adenome mit hochgradiger intraepithelialer Neoplasie (HIN; früher hochgradige Dysplasie). Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.

Bei makroskopisch kompletter, aber histologisch - aufgrund der Diathermieschäden bzw. nach Piecemeal-Resektion - unsicherer Abtragung im Gesunden sollte bei Adenomen mit hochgradiger intraepithelialer Neoplasie eine endoskopisch bioptische Kontrolle der Abtragungsstelle zeitnah erfolgen. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, starker Konsens.

Medikamentöse Sekundärpräventation bei Adenomen - Empfehlung Eine medikamentöse Sekundärprophylaxe nach Polypektomie (bei nicht FAP-Patienten) sollte derzeit außerhalb von Studien nicht erfolgen. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens. Anmerkungen Obwohl zwei prospektive randomisierte Untersuchung des Evidenzlevels 1b einen geringen präventiven Effekt nach Einnahme von niedrig dosiertem ASS belegen, kann bei dem schwachen Effekt und den bisher nicht einschätzbaren medikamentös bedingten Risiken derzeit keine Empfehlung zur Einnahme ausgesprochen werden. Insbesondere liegen auch keine Langzeitdaten bezüglich einer effektiven KRK-Prophylaxe vor. Vorgehen bei Adenomen mit Karzinom - Empfehlung Ergibt die histologische Untersuchung eines endoskopisch entfernten Polypen ein Adenom mit pT1-Karzinom, kann auf eine onkologische Nachresektion verzichtet werden, wenn es sich um eine Low-risk-Situation bei histologisch karzinomfreier Polypenbasis (RO) handelt. In der High-risk-Situation ist die radikale chirurgische Behandlung erforderlich, auch wenn die Läsion komplett entfernt wurde. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens. Die endoskopische Nachsorge erfolgt in Abhängigkeit von der Risikoklassifikation und der Lokalisation:

- Low risk (pT1, low grade [G2, L0]) Kontrollendoskopie nach 6, 24 und 60 Monaten. - High risk (pT1, high grade [G3, G4] oder L1): radikale chirurgische Therapie und anschließend

Kontrollendoskopie nach 24 und 60 Monaten. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.

Bei inkompletter Abtragung eines Low-risk-T1-Karzinoms in einem Adenom muss eine komplette endoskopische oder chirurgische Entfernung erfolgen. Wenn eine R0-Situation nicht erreichbar ist, so ist die chirurgische Resektion obligat. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 5, starker Konsens.

177

Kolorektale Karzinome Präoperative Diagnostik

Die Therapie kolorektaler Karzinome sollte grundsätzlich auf der Basis einer histologischen Untersuchung geplant werden.

Präoperative Stagingdiagnostik beim Kolonkarzinom

Nach histologischer Diagnosesicherung und vor Durchführung der Operation: • Anamnese mit besonderer Berücksichtigung einer familiären Häufung • Körperliche Untersuchung mit digital-rektaler Untersuchung • Laborroutine + CEA, Blutgruppe • Rö.-Thorax in zwei Ebenen, EKG • Vollständige Koloskopie, sofern nicht bereits erfolgt • Im Falle einer nicht passierbaren Stenose Koloskopie 3-6 Monate postoperativ • Abdominelle Sonographie • CT/MRT Abdomen bei unklarem sonographischen Befund oder unzureichender Beurteilbarkeit • Optional sind CT-Thorax, endoluminale Sonographie, Zystoskopie bei Verdacht auf.

Harnblaseninfiltration, gynäkologische Untersuchung bei Verdacht auf Infiltration von Uterus und/oder Adnexen.

Spezielle Diagnostik beim Rektumkarzinom siehe dort S3-Leitlinie 2004 Vor der Therapie eines Patienten mit einem KRK muss eine Koloskopie mit Biopsie vorliegen. Da in bis zu 5% der kolorektalen Karzinome synchrone Tumoren zu erwarten sind, die der intraoperativen Beurteilung entgehen könnten, ist eine Koloskopie des gesamten Kolons vorzunehmen. Ist aus technischen Gründen eine komplette Koloskopie nicht möglich, sollte ein alternatives radiologisches Verfahren eingesetzt werden. Die virtuelle Kolonographie stellt hierfür eine viel versprechende Alternative zum Kolonkontrasteinlauf dar mit hoher Sensitivität in einer Fallserie. Ist eine komplette Koloskopie aufgrund eines stenosierenden Prozesses nicht möglich, sollte eine Koloskopie ca. 3 bis 6 Monate nach Resektion erfolgen. Ein präoperativer Kolonkontrasteinlauf ist von der Wertigkeit her eingeschränkt und bei Stenosen mit der Gefahr einer Ileusinduktion verbunden und wird daher nicht empfohlen. Zum Stellenwert der virtuellen Kolonographie für diese Fragestellungen liegen bisher keine Daten vor. Das PET hat in der Primärdiagnostik des kolorektalen Karzinoms keinen Stellenwert. Eine Mikrometastasendiagnostik ist bisher ohne therapeutische Konsequenz und kein unabhängiger prognostischer Parameter. Definition von Kolon- und Rektumkarzinom Die Grenze zwischen Kolon und Rektum wird unterschiedlich definiert. Die intraoperative Beurteilung anhand des Endes der Taeniae oder der peritonealen Umschlagsfalte ist individuell unterschiedlich und von Alter, Geschlecht und anderen Faktoren abhängig. Die präoperative Messung der Höhenangabe des Tumors mit dem flexiblen Endoskop ist unzuverlässig. Zuverlässiger sind die Höhenangaben mit dem starren Rektoskop. Die Anokutanlinie dient als distaler Messpunkt. Nach dem internationalen Dokumentationssystem gelten als Rektumkarzinome Tumoren, deren aboraler Rand bei der Messung mit dem starren Rektoskop 16 cm oder weniger von der Anocutanlinie entfernt ist. Demgegenüber gelten in der USA als Kolonkarzinome Tumoren, die mehr als 12 cm und als Rektumkarzinome Tumoren, die 12 cm und weniger von der Linea anocutanea entfernt sind. Begründet wird dies mit der deutlich höheren Lokalrezidivrate bei Tumoren unterhalb von 12 cm.

178

Kolorektale Karzinome TNM-Klassifikation

T – Primärtumor Tx Primärtumor kann nicht beurteilt werden.

Tis Carcinoma in situ. T1 Tumor infiltriert Submukosa. T2 Tumor infiltriert Muscularis propria. T3 Tumor infiltriert durch die Muscularis propria in die Subserosa oder in nicht peritonealisiertes

perikolisches oder perirektales Gewebe. Untergruppen:

T4 Tumor perforiert das viszerale Peritoneum oder infiltriert in andere Organe oder Strukturen. Anmerkung Tis liegt vor, wenn Tumorzellen innerhalb der Basalmembran der Drüsen (intraepithelial) oder in der Lamina propria (intramukös) nachweisbar sind, ohne dass eine Ausbreitung durch die Muscularis mucosae in die Submucosa feststellbar ist. Direkte Ausbreitung in T4 schließt auch die Infiltration mehrerer Segmente des Kolorektums auf dem Weg über die Serosa ein, z.B. die Infiltration des Sigma durch ein Zökumkarzinom. Ein Tumor, der makroskopisch an anderen Organen adhärent ist, wird als T4 klassifiziert. Ist bei der histologischen Untersuchung in den Adhäsionen kein Tumorgewebe nachweisbar, soll der Tumor als pT3 klassifiziert werden. N - Regionäre Lymphknoten Nx Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden. N0 keine regionären Lymphknotenmetastasen. N1 Metastasen in 1-3 perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten. N2 Metastasen in 4 oder mehr perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten.

pN0 Regionäre Lymphadenektomie und histologische Untersuchung üblicherweise von 12 oder mehr Lymphknoten. Wenn die untersuchten Lymphknoten tumorfrei sind aber die geforderte Richtzahl nicht erreicht wird, soll der Befund dennoch als pN0 klassifiziert werden.

Anmerkung Ein Tumorknötchen im perikolischen oder perirektalen Fettgewebe ohne histologischen Anhalt für Reste eines Lymphknotens wird in der pN-Kategorie als regionäre Lymphknotenmetastase klassifiziert, wenn die Form und glatte Kontur eines Lymphknotens vorliegt. Wenn das Tumorknötchen eine irreguläre Kontur aufweist, soll es in der pT-Kategorie beurteilt und auch als V1 (mikroskopische Veneninvasion) oder, falls es makroskopisch erkennbar ist, als V2 eingestuft werden, weil es dann sehr wahrscheinlich ist, dass es sich um eine Veneninvasion handelt.

M - Fernmetastasen Mx Das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden. Mo Keine Fernmetastasen. M1 Fernmetastasen.

179

Kolorektale Karzinome Lokalisaton

Lokalisation Die häufigsten Lokalisationen befinden sich auf der linken Seite des Kolonrahmens. Die prozentuale Verteilung geht aus der nebenstehenden Tabelle hervor. Lokalisationen des Primärtumors

Kolon Appendix Zökum Colon ascendens Flexura hepatica Colon transversum Flexura lienalis Colon descendens Colon sigmoideum

Rektosigmoidaler Übergang Rektum Regionäre Lymphknoten, Definition Für die verschiedenen anatomischen Bezirke und Unterbezirke sind die regionären Lymphknoten nachstehend aufgelistet: • Appendix • Ileokolische Lymphknoten • Zökum • Ileokolische und rechte kolische Lymphknoten • Colon ascendens • Ileokolische, rechte und mittlere kolische Lymphknoten • Flexura hepatica • Rechte und mittlere kolische Lymphknoten • Colon transversum • Rechte, mittlere und linke kolische Lymphknoten und Lymphknoten an A. mesenterica inferior • Flexura lienalis • Mittlere und linke kolische Lymphknoten und Lymphknoten an A. mesenterica inferior • Colon descendens • Linke kolische Lymphknoten und Lymphknoten an A. mesenterica inferior • Colon sigmoideum • Linke kolische und Simalymphknoten, Lymphknoten an A. rectalis superior und an A. mesenterica

inferior sowie rektosigmoidale Lymphknoten • Rektum • Lymphknoten an Aa. Rectalis superior, media und inferior, mesenterica inferior, iliaca interna,

mesorektale (paraproktale), laterale sakrale und präsakrale Lymphknoten sowie sakrale Lymphknoten am Promontorium (Gerota)

Metastasen in anderen als den angeführten Lymphknoten werden als Fernmetastasen klassifiziert.

Lokalisation der kolorektalen KarzinomeVerteilung

180

Kolonkarzinom Stadieneinteilung UICC, Dukes-Klassifikation

UICC Dukes TNM Dukes mod. n. Astler-Coller

5-Jahres-Überlebensraten

0 A Tis A keine Daten T 1 A

I A T 2 B 1 90%

T 3 B 2 II B T 4

N 0

B 3 60 - 80%

T 1 , T 2 N 1, 2 C 1 T 3 N 1, 2

M 0

C 2 III C T 4 N 1 ,2 C 3

30 - 60%

IV D jedes T jedes N M 1 D 5%

Beachte UICC II setzt sich zusammen aus einer Gruppe mit besserer (T3, No, Mo) und mit schlechterer (T4, No, Mo) Prognose. Ebenso ist das Stad. III prognostisch nicht einheitlich.

Dukes-Klassifkation Die Dukes-Einteilung in der Modifikation nach Astler und Coller wird in den gängigen Lehrbüchern sehr unterschiedlich zitiert (Definition der Stadien der Stadien B 3 – C 3) und sollte deshalb keine Verwendung finden, obwohl sie prognostisch wichtige Untergruppen besser erfaßt als die Stadieneinteilung der UICC.

181

Kolorektale Karzinome Therapiestrategie beim Kolonkarzinom - Flussdiagramm

Schematische Darstellung der Diagnostik sowie der Therapie unter kurativer und palliativer Zielstellung (Aus: Der Onkologe 1999, 5):

182

Kolonkarzinom Operative Therapie

Allgemein Voraussetzung für eine Kuration ist eine R0-Resektion. Diese verlangt die Entfernung des tumortragenden Darmabschnittes mit den regionären Lnn. Die Operationsletalität liegt < 3%. Die No-touch-Operationstechnik gilt heute als chirurgischer Standard. Die Operation erfolgt als Hemikolektomie unter Mitnahme des Mesokolons und der dazu gehörigen Lymphknoten. Bei einer Lokalisation an einer Flexur wird die Tumorexstirpation als erweiterte Hemikolektomie durchgeführt.

Tumorlokalisation und entsprechende Standardoperation1) Lokalisation Operation Lymphabflußgebiet

1. Zoekum / C. ascendens Hemikolektomie rechts A. ileocolica, A. colica dextra 2. Rechte Kolonflexur proximales Kolon transversum

Erweiterte Hemikolektomie rechts

wie bei 1. zusätzlich: A. colica media A. gastroepiploica dextra

3. Linke Kolonflexur Erweiterter Hemikolektomie links

A. colica media A. colica sinistra

4. Kolon descendens proximales Sigma Hemikolektomie links A. mesenterica inf.

5. Mittleres und distales Sigma Sigmaresektion A. colica sinistra

S3-Leitlinie Kolorektale Karzinome 2004 (www.dgvs.de) Radikalchirurgische Therapie des Kolonkarzinoms Kolorektale Karzinome wachsen vorwiegend zirkulär und metastasieren weitgehend konstant in die regionären Lymphknoten. Unter dem Gesichtspunkt des intramuralen mikroskopischen Tumorwachstums ist ein Sicherheitsabstand von 2 cm ausreichend. Das regionäre Lymphabflussgebiet geht über diesen Bereich hinaus. Die Lymphknotenmetastasen breiten sich zentral entlang des versorgenden Gefäßes, primär entlang den perikolischen Gefäßarkaden bis zu 10 cm vom makroskopischen Tumorrand entfernt aus. Das Ausmaß der Darmresektion wird durch die Resektion der versorgenden Gefäße und das hierdurch definierte Lymphabflussgebiet vorgegeben. Liegt der Primärtumor zwischen zwei zentralen Gefäßen, werden beide mit entfernt. An dem Versorgungsgebiet der radikulär durchtrennten Gefäße orientiert sich das Resektionsausmaß (mind. 10 cm beidseits des Tumors). Im Falle einer rechtsseitigen Kolonresektion reicht in der Regel aus onkologischen Gesichtspunkten ein Resektionsausmaß des terminalen Ileums von ca. 10 cm aus. Onkologische Grundsätze Im Gegensatz zum Rektumkarzinom ist die Notwendigkeit eines radikalen chirurgischen Vorgehens durch prospektiv randomisierte Studien nicht erwiesen. Zwei randomisierte Studien konnten einen Nutzen der „no-touch-Technik“oder einer formalen Hemikolektomie ] nicht zeigen. Dennoch empfiehlt sich die Einhaltung onkologischer Grundsätze aufgrund pathologisch-anatomischer Befunde, prospektiver Beobachtungsstudien und theoretischer Überlegungen. Intraoperative pathologische Diagnostik. Allgemein ist die Indikation zur Schnellschnittuntersuchung sehr zurückhaltend zu stellen. Häufigste Indikation ist die Verifikation von Strukturen mit Verdacht auf Fernmetastasen, z. B. am Peritoneum, in der Leber oder in nicht regionären (z. B. paraaortalen) Lymphknoten.

Notfalleingriffe Ein mechanischer Ileus oder eine Perforation verlangen eine Notfalloperation. Früher wurde einer raschen und möglichst einfachen operativen Taktik der Vorrang gegeben. Dazu bediente man sich der Anlage eines Anus praeter oder der Durchführung einer mehrzeitigen Operation. Heute kann die onkologische Radikalität, zumindest bei der Tumorobstruktion, bei vielen Notfällen berücksichtigt werden.

Operationsziele bei Tumorobstruktion • Dekompression des Kolons • R0-Resektion • Wiederherstellung der Kontinuität 1) Feifel, G., U. Hildebrandt, Onkologe 1999, 5 :24–29

183

Kolonkarzinom Gefäßversorgung, Lymphdrainage

Standard des operativen Vorgehens ist die onkologisch radikale Tumorresektion unter Mitnahme der lokoregionären Lymphknoten entsprechend der Gefäßversorgung des Kolons.

184

Kolon- Rektumkarzinom Operationsverfahren

Das operative Vorgehen bei dem Kolon- und Rektumkarzinom orientiert sich an der Gefässversorgung und den Lymphabflusswegen. Aus diesem Grunde ist es erforderlich, bei einer Tumorlokalisation im Kolonrahmen entweder eine links- oder eine rechtsseitige Hemikolektomie durchzuführen. Das Prinzip der Resektion und das Ergebnis nach der Anastomosierung geht aus den nachfolgenden schematischen Zeichnungen hervor. Abildung 1 zeigt eine Hemikolektomie links, Abildung 2 eine rechtsseitige Hemikolektomie. Die Bilder der zweiten Reihe stellen die Resektion und das Operationsergebnis für eine Tumorlokalisation im Querkolon und im Sigma dar. Die Zeichnungen der Abb. 5 und 6 kennzeichnen die Tumorexstirpation bei einem Rektumkarzinom. Links sind die Resektionsgrenzen bei einer tiefen anterioren Rektumresektion zu erkennen. Voraussetzung für die sphinktererhaltende Operation ist ein tumorfreier distaler Rektumstumpf von mindestens 5 cm. Wenn ein solcher Abstand unter der Zielstellung einer radikalen Operation nicht erreichbar ist, muss eine Rektumexstirpation vorgenommen werden. Das operative Vorgehen findet sich in Abb. 6. Siehe auch Kapitel Rektumkarzinom. In solchen Situationen sollte eine präoperative Radio- oder eine Radio-/Chemotherapie erfolgen. 3) WOLMARK, N., H.ROCKETTE et al. J.Clin.Oncol. 8, 1990, 1466-1475

1 2

4 3

5 6

185

Kolonkarzinom Laparoskopische Chirurgie

Von der laparoskopischen Chirurgie beim Kolonkarzinom erhofft man sich Vorteile im postoperativen Verlauf bei gleichwertiger onkologischer Radikalität und Morbidität. Mehrere randomisierte Studien zum Vergleich der laparoskopischen Chirurgie versus offene Chirurgie liegen vor, wobei aber Daten zu onkologischen Langzeitergebnissen fehlen.

Technische Durchführbarkeit – Konversionsrate Konversionsrate Die Konversionsraten beim Kolonkarzinom liegen in den grossen Studien COST (Clinical Outcomes of surgical therapy study group, NEJM 2004;350:2050-59) und CLASICC (Guillou PJ, Lancet 2005;365:1718-26) mit jeweils 435 und 246 Patienten bei 21 und 25%; das bedeutet, wegen technischer Schwierigkeiten oder intraoperativer Komplikationen konnte bei über 20% eine minimal invasiv begonnene Operation mit dieser Technik nicht zu Ende geführt, sondern musste in konventioneller Technik beendet werden.

Operationsdauer Auch die neuen Studien von 2004 und 2005 wie COST und CLASICC belegen, dass minimal invasive Operationstechniken eine um 25 bis 50% längere Operationszeit erfordern.

Postoperative Erholung Bei 4 von 5 Studien, die postoperative Schmerzen am ersten postoperativen Tag bei den beiden chirurgischen Verfahren verglichen, ergab sich kein signifikanter Unterschied. Die postoperative Darmtätigkeit kam bei Patienten in 3 von 6 randomisierten Studien hochsignifikant früher in Gang im minimal invasiven Arm. Der Zeitvorteil betrug 14 bis 22 Stunden. Der postoperative Kostaufbau ergab in den Studien, die dieses Kriterium verglichen, einen geringen Vorteil für die minimal invasive Gruppe.

Chirurgische Komplikationen Die Wundinfektionsrate war in keiner von 11 randomisierten Studien signifikant unterschiedlich. Es zeigte sich keine Reduktion der Wundinfektionsrate bei der minimal invasiven Gruppe. Die Notwendigkeit zur Reoperation war in den Studien für beide Therapieverfahren nicht signifikant unterschiedlich. Doch waren bei den minimal invasiven Eingriffen Nachoperationen etwas häufiger, was meistens auf unbemerkte Darmverletzungen durch Instrumente oder thermische Schäden (Koagulationsstrom) als methodenspezifische Ursachen zurückzuführen ist. Der postoperative Krankenhausaufenthalt war bei der COST-Studie im konventionellen Arm mit 6 Tagen signifikant länger versus 5 Tage im laparoskopischen Arm, bei der CLASICC-Studie lag die Zeit bei 9 Tagen in beiden Armen. Zwischen den einzelnen Studien wurden regelmässig grössere Unterschiede beobachtet als beim direkten Vergleich der beiden Techniken, sodass es denkbar erscheint, dass andere Faktoren die Ergebnisse massgeblich bestimmen und dass der Operationstechnik nicht die entscheidende Bedeutung zukommt.

S3 Leitlinien 2004 Laparoskopische Chirurgie Die Ergebnisse der laparoskopischen Tumorresektion sind derzeit wegen fehlender onkologischer Langzeitergebnisse nicht abschließend zu beurteilen, so dass dieses Verfahren nur im Rahmen von qualifizierten Studien mit langfristiger Verlaufsbeobachtung zur Anwendung kommen sollte. Empfehlunsgrad: A, Evidenzstärke: 2a, mehrheitliche Zustimmung. Auch bezüglich der Vorteile der Lebensqualität nach laparoskopischen Resektionen sind keine überzeugenden Vorteile erkennbar. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, mehrheitliche Zustimmung. Anmerkung Im Rahmen des Einsatzes in der Therapie von Rektumkarzinomen liegt lediglich eine randomisierte Studie zu postoperativen Funktionsstörungen im Vergleich zur konventionellen chirurgischen Therapie vor mit einer höheren Rate urogenitaler Funktionsstörungen im laparoskopischen Arm. Onkologische Langzeitergebnisse sind auf Beobachtungsstudien begrenzt und erlauben keine abschließende Bewertung.

186

Kolonkarzinom Prognosefaktoren

Etablierte Prognosefaktoren Die Prognose des CRC wird durch verschiedene Faktoren bestimmt, von denen der wichtigste derzeit das pathologische Tumorstadium darstellt, das charakterisiert ist durch die - Eindringtiefe, den Lymphknotenbefall sowie das Vorhandensein von Fernmetastasen. Weitere ungünstige Prognosefaktoren sind: - Lymphangiosis oder Hämangiosis carcinomatosa des Tumorgewebes - Siegelring- oder wenig differenzierter Tumor - Tumorperforation in die freie Bauchhöhle - Operation unter Notfallbedingungen (z.B. Ileus) - Entfernung von weniger als 12 Lymphknoten Neue, nicht etablierte Prognosefaktoren, prädiktive Faktoren Das TNM-System unterscheidet gut zwischen Patienten im Frühstadium der Erkrankung und Patienten mit weit fortgeschrittenen Tumoren; im mittleren Tumorstadium ist die Prognose weniger gut damit abzuschätzen. Eine adjuvante Chemotherapie wird bei Patienten im Stadium II nicht regelhaft empfohlen. Trotzdem rezidivieren 20-30% der Patienten. Aus diesem Grund werden genetische Marker untersucht, die Hochrisikopersonen identifizieren und als prädiktive Marker ein Ansprechen auf die Behandlung mit einer Chemotherapie vorhersagen.

Zu den molekularen Markern, die nach publizierten Studien prognostisch bzw. prädiktiv relevant sein sollen, zählen:

18q – und 8 p- Der Verlust von chromosomalem Material von 18q und 8p soll sowohl prognostisch als auch prädiktiv von Bedeutung sein. Die Kombination der beiden Marker 18q und 8p ergab eine eindrucksvolle Differenzierung zwischen einer 5-Jahres-Überlebensrate von 100% und weniger als 60% bei Patienten im Stadium II (Zhou et al., Lancet 359(9302):219-25,2002). Mikrosatelliteninstabilität (MSI) In Studien konnte gezeigt werden, dass Patienten mit hochgradig instabilen Tumoren (MSI-high) eine niedrigere Metastasenhäufigkeit und eine verbesserte Prognose aufweisen als Patienten mit stabilen Tumoren (MSS). Eine aktuelle Studie zeigt, dass niedrig instabile Erkrankungen (MSI-low) besonders ungünstig verliefen, während MSS-Tumorerkrankungen annähernd so günstig waren wie MSI-high-erkrankungen (Kohonen-Corisch et al., JCO 23:2318-24,2005). Patienten mit hochgradig instabilen Tumoren scheinen auch nicht von einer adjuvanten Chemotherapie mit 5-FU zu profitieren (Ribic et al. ProcASCO 21:128a,2002). Thymidilatsynthase (TS) Die TS, ein Zielenzym für 5-FU, konnte in einer grossen Metaanalyse als unabhängiger Prognoseparameter bei Patienten im Stadium III identifiziert werden. In insgesamt 11 Studien mit über 1300 Patienten korrelierte eine niedrige TS-Expression mit einem signifikant schlechteren Überleben und mit einem besseren Ansprechen auf eine 5-FU-haltige Therapie (Johnston et al., ASCO 2005, # 3510). Diese Marker sollen nun prospektiv validiert werden. Die ECOG-Studie E5202 evaluiert die Marker 18q- und MSI als Prognoseparameter. Es sollen 3000 Patienten im Stadium II mit entweder günstiger Prognose (MSI, 18q normal) nicht adjuvant therapiert werden oder mit schlechter Prognose (MSS, 18q-) randomisiert werden für eine adjuvante Therapie mit FOLFOX +/- Bevazicumab.

187

Kolonkarzinom Adjuvante Chemotherapie, S3-Leitlinie 2004

Indikation zur adjuvanten Behandlung bei Kolonkarzinomen Voraussetzung für eine adjuvante Therapie ist die RO-Resektion des Primärtumors. Grundlage für die Indikation zur adjuvanten Therapie nach Tumorresektion ist die pathohistologische Stadienbestimmung, insbesondere die Bestimmung des Lymphknoten-Status (pN). Zur Festlegung von pNO sollen 12 oder mehr regionäre Lymphknoten untersucht werden (UICC 2002). Immunzytologische Befunde von isolierten Tumorzellen in Knochenmarkbiopsien oder Lymphknoten sowie zytologische Tumorzellbefunde in Peritonealspülungen sind keine Indikation zur adjuvanten Therapie außerhalb von Studien. Für Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium I ist eine adjuvante Therapie nicht indiziert. Patienten des UICC-Stadiums II und III sollten möglichst in kontrollierte Studien eingebracht werden, um Aufschluss über die Indikationsstellung und die optimale adjuvante Therapie zu erhalten. Der Verlauf von Patienten, die außerhalb klinischer Studien behandelt werden, ist im Rahmen der Qualitätssicherung hinsichtlich des Auftretens von Rezidiven, der Überlebensrate und von Nebenwirkungen zu dokumentieren. Die Durchführung der adjuvanten Chemotherapie erfordert einschlägige Erfahrung und insbesondere die Kenntnis der entsprechenden Dosisreduktionsschemata, die bei auftretender Toxizität eingehalten werden müssen.

Empfehlung Bei Patienten mit einem RO resezierten Kolonkarzinom im Stadium III ist eine adjuvante Chemotherapie indiziert. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke 1a, starker Konsens. Eine Altersbeschränkung für die Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie existiert nicht, allgemeine Kontraindikationen sind zu berücksichtigen. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke 2a, starker Konsens. Kontraindikationen der adjuvanten Chemotherapie bei Kolonkarzinomen

1. Allgemeinzustand schlechter als 2 (WHO) 2. unkontrollierte Infektion 3. Leberzirrhose Child B und C 4. Schwere koronare Herzkrankheit; Herzinsuffizienz (NYHA III und IV) 5. präterminale und terminale Niereninsuffizienz 6. Eingeschränkte Knochenmarkfunktion 7. Unvermögen, an regelmäßigen Kontrolluntersuchungen teilzunehmen

Empfehlung Bei Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium II ist eine adjuvante Chemotherapie im Regelfall nicht indiziert. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens. Im Einzelfall kann auch im Stadium II bei ausgewählten Risikosituationen (T4, Tumorperforation/-einriss oder Operation unter Notfallbedingungen) eine adjuvante Chemotherapie erwogen werden. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 4, starker Konsens. Zusätzliche Parameter (z.B. CEA-Spiegel, Differenzierungsgrad, 18q Verlust, Mikrometastasennachweis in Lymphknoten oder im Knochenmark, Mikrosatelliten-Status, DNA-Ploidie und TS/p53-Expression) können momentan noch nicht zur Indikationsstellung für eine adjuvante Chemotherapie benutzt werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens. Empfehlung: Die adjuvante Chemotherapie wird mit einem 5-FU/Folinsäure-haltigen Protokoll durchgeführt. Folgende Therapieschemata stehen zur Verfügung:

1. Mayo-Schema 20 mg/m² Folinsäure (rasche intravenöse Infusion) plus 425 mg/m² 5-FU (Bolusinjektion innerhalb von weniger als 5 min.) in Woche 1, 4 und 8 jeweils von Tag 1- 5. 3 weitere Zyklen alle 5 Wochen, insgesamt 6 Zyklen

2. NSABP-Schema einmal pro Woche über insgesamt 6 Wochen 500 mg/m² Folinsäure (2 Stunden Infusion), anschließend 500 mg/m² 5-FU (Bolusinjektion innerhalb von weniger als 5 min., 1h nach

Beginn der Folinsäure-Infusion), alle 8 Wochen, insgesamt 4 Zyklen. Empfehlunsgrad: B, Evidenzstärke 1a, Konsens

3. LV5FU2 + Oxaliplatin Folinsäure (200 mg/m² als 2 Stunden Infusion, Tag 1 und 2)plus 5-FU (400 mg/m² als Bolus, danach 600 mg/m² als 22 Stunden Infusion; Tag 1 und 2) in Kombination mit Oxaliplatin (85 mg/m² als 2 Stunden Infusion; Tag 1 ) 1 Zyklus umfasst 2 Wochen, insgesamt 12 Zyklen Das Rezidivrisiko kann durch diese Kombination weiter gesenkt werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, Konsens.

188

Kolonkarzinom Adjuvante Chemotherapie, Entwicklung der Therapiestandards

5-FU/Levamisol 12 Monate 1990 wurde erstmals der Nutzen einer postoperativen Chemotherapie auf 5-FU Basis durch die Intergroup-Studie INT-0035 belegt (Moertel CG et al. NEJM 1990;322,6:235-8). Die Endergebnisse nach einem medianen Follow-up von 6,5 Jahren zeigten, dass beim Kolonkarzinom im Stadium III 5-FU/Levamisol über 12 Monate die Rezidivrate um 40% und die Mortalität um 33% signifikant gegenüber der nicht behandelten Kontrollgruppe senkt.

5-FU/Levamisol wurde damit zum Standard in der adjuvanten Therapie und wurde als Kontrollarm für viele weitere Studien verwendet.

5-FU/Folinsäure 6 Monate Als sich herausstellte, dass mit Folinsäure (FS) moduliertes 5-FU beim fortgeschrittenen KRK wirksamer ist als 5-FU allein, wurde eine Reihe von adjuvanten Therapiestudien mit verschiedenen 5-FU/FS-Kombinationen auf den Weg gebracht.

Die grösste Studie mit 3759 Patienten im Stadium II und III, die Intergroup Studie 0089 (Haller DG et al. ProcASCO 1998:Abstr.982), prüfte im Standardarm eine 12 monatige Behandlung mit 5-FU/Levamisol gegen eine 6 monatige Behandlung mit 5–FU in Kombination mit einer niedrigen Folinsäuredosis (Mayo-Clinic-Schema) oder einer hohen Folinsäuredosis (Wolmark oder NSABP-Schema). In einem vierten Studienarm erhielten die Patienten zusätzlich zu 5-FU/FS noch Levamisol. Die 5-Jahresüberlebensdaten ergaben, dass eine 6 monatige Behandlung mit 5-FU in Kombination mit niedrig oder hoch dosierter Folinsäurdosis genauso wirksam ist wie eine 12 monatige Behandlung mit 5-FU/Levamisol. Die Wirkung von 5-FU/FS konnte durch die zusätzliche Gabe von Levamisol nicht verbessert werden.

Aus diesen Ergebnissen ergab sich der Konsens, Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium III über 6 Monate mit 5-FU/FS Schemata (Mayo-Clinic-Schema, alternativ NSABP-Schema) zu behandeln.

FOLFOX-4 Aufgrund der gesteigerten Ansprechraten der Kombinationen aus 5-FU/FS und Oxaliplatin oder Irinotecan in der palliativen Therapie des KRK wurden diese Kombinationen auch in Phase III Studien in der adjuvanten Therapie eingesetzt. In der MOSAIC-Studie (de Gramont A., NEJM 2004; 350: 2342-2351) wurden 2248 Patienten mit KRK im Stadium II und III nach R0-Resektion entweder mit dem deGramont-Schema (5-FU/FS) oder dem FOLFOX-4 (5-FU/FS/Oxaliplatin)-Schema behandelt. Nach 3 Jahren war die Wahrscheinlichkeit des krankheitsfreien Überlebens (DFS) im FOLFOX-4-Arm um knapp 5% höher (77,8 vs. 72,9%). Für Patienten im Stadium III war die Differenz mit 71,8 vs. 65,5% noch deutlicher. Für Patienten im Stadium II war die Differenz von 86,6% vs. 83,9% nicht signifikant. Daten zum Gesamtüberleben stehen noch aus. Es ist aber zu erwarten, dass der Unterschied im DFS auch zu einer Verbesserung im Gesamtüberleben führt. Diese Daten wurden durch die NSABP C-07 Studie bestätigt (Wolmark N. et al. ASCO 2005, #LBA 3500). Ähnlich gute Ergebnisse liessen sich mit einer Irinotecanhaltigen Kombination bisher nicht erreichen.

Aufgrund der Ergebnisse der MOSAIC-Studie gilt FOLOX 4 als neuer Standard zur adjuvanten Chemotherapie kolorektaler Karzinome im Stadium III. Xeloda ® In der X-ACT-Studie (Twelves C. et al.,NEJM 2005;352:2696-704), die bei mehr als 2000 Patienten im Stadium III Capecitabine oral mit dem Mayo-Protokoll verglichen hat, zeigt sich eine bessere Verträglichkeit der adjuvanten Therapie mit Capecitabine und ein Trend zu einer besseren Wirksamkeit. Das DFS nach 3 Jahren lag bei 65,5% für Capecitabine vs. 61,9% für das Mayo-Protokoll.

Aufgrund dieser Daten kann bei Kontraindikationen zu FOLFOX-4 das orale Capecitabine eingesetzt werden. Das Mayo-Clinic-Schema sollte nur noch in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen. Die Daten für das Stadium II sind widersprüchlich, eine Behandlung ausserhalb von Studien, die neue molekulare Prognose- und prädiktive Parameter evaluieren, wird nicht empfohlen.

189

Kolonkarzinom Adj. Chemotherapie, NSABP-, Mayo-Clinic- Schema

Moertel et. al. hatten 1990 als Erste den statistisch signifikanten Vorteil einer postoperativen adjuvanten Behandlung des Kolon-Ca mit 5-FU + Levamisol im Vergleich zu einer nichtbehandelten Kontrollgruppe für das Stadium Dukes C veröffentlicht. Für das Rektumkarzinom war der therapeutische Gewinn bereits zu diesem Zeitpunkt auch für das Stadium Dukes B2 (T3, N0, M0) nachgewiesen worden.

NSABP-Schema (Roswell Park-Schema) Auf dem ASCO-Meeting 1993 teilten zwei internationale Therapiegruppen eine signifikante Reduktion des Rezidivrisikos und der Mortalitätsrate um etwa ein Drittel nun auch für das Stadium Dukes B2 des Kolonkarzinoms mit. Die Behandlung erfolgte mit 5-FU + Folinsäure.

Roswell Park-Schema, auch bekannt als NSABP-Schema Wolmark, N. et. al Proc. ASCO 1993; 12: Abstr. 578

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36

5-FU 500 i.v. Bolus 1 Std. nach Beginn der

Folinsäure-Infusion 1, 8, 15, 22, 29, 36

Woche 7 Therapiepause. Wiederholung Tag 50.

Therapiedauer in dieser Studie: 6 Zyklen (48 Wochen). Anmerkung: in adjuvanter Intention kann bei fehlender oder geringer Toxizität auch schon am Tag 43 der nächste Zyklus beginnen. Die Dauer von 6 Monaten für eine adjuvante Therapie wird als ausreichend erachtet.

Therapiedaten Patientengut: 1081 kurativ resezierte Pat. mit Kolon-Ca Stad. Dukes C und B2. Ergebnisse: 3 Jahre-krankheitsfreies Überleben : 73 % vs. 63 % 3 Jahres-Gesamtüberleben : 84 % vs. 77 % Die Ergebnisse waren im randomisierten Vergleich denen der Kombination mit MOF (Methyl-CCNU, Vincristin, 5-FU) überlegen (p=0.0004). Bei Verwendung der Kombination von Leucovorin und 5-FU bestand kein Unterschied zwischen den Stadien Dukes B2 und C beim Kolonkarzinom. Demnach profitierten in dieser Studie auch die Pat. mit dem Stadium Dukes B2 von dieser Behandlung. Mayo-Clinic-Schema Auf dem gleichen ASCO–Meeting 1993 stellten O’Connel et al. das Ergebnis einer kleineren Intergroup-Studie mit niedrig dosierter Folinsäure vor. Dieses Therapieschema ist deshalb interessant, da hierdurch die Arzneimittelkosten signifikant gesenkt werden. Auch in dieser Studie wurden Patienten der Stadien B und C nach Dukes behandelt.

O‘Connel et al. (Mayo-Clinic-Schema) Proc. ASCO 12, 1993, Abstr.552

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage

Folinsäure 20 i.v. Bolus 1 – 5

5-FU 425 i.v. Bolus (< 5 Min.) 1 – 5

Wiederholung Tag 29 – 33, Therapiedauer: 6 Zyklen

Therapiedaten Patientengut: 309 kurativ resezierte Pat. mit Kolon-Ca Stad. Dukes C und B2. Ergebnisse: 3,5 Jahre-krankheitsfreies Überleben : 77 % vs. 64 % (Kontrollgruppe)

3,5 Jahres-Gesamtüberleben : 75 % vs. 71 % Die Ergebnisse waren im randomisierten Vergleich denen der unbehandelten Kontrollgruppe bezüglich des krankheitsfreien Überlebens signifikant überlegen. Das Gesamtüberleben unterschied sich allerdings nicht signifikant zwischen beiden Gruppen.

Nachdem das Mayo-Clinic-Schema lange als Standard der adjuvanten Therapie der kolorektalen Karzinome galt, schneidet es jetzt im Vergleich zu FOLFOX4 und Capecitabin schlechter ab. Das Roswell Park-Schema kann im Vergleich mit diesen beiden Regimen noch nicht zuverlässig bewertet werden.

190

Kolonkarzinom PETACC 2-Studie, Adjuvante Chemotherapie

Die PETACC 2-Studie zur Adjuvansbehandlung lief in Deutschland auch unter dem Namen „AIO-Studie“. Sie ist identisch mit der EORTC-Studie 40963 bzw. mit einem Arm des PETACC 2-Trials. Die Abkürzung PETACC steht für „Pan European Trial in Adjuvant Colon Cancer“. Hier werden jedoch im europäischen Verbund die landesspezifischen „Eigenheiten“ in der Wahl des Schemas für die 5-FU-Dauerinfusion berücksichtigt. Die Wahl des Schemas ist der teilnehmenden Institution freigestellt, es muss jedoch immer das gleiche verwendet werden. In Deutschland wird das AIO-Schema angewandt, in Frankreich hauptsächlich das „De-Gramont-Schema“, in Spanien 5-FU als Monosubstanz über 48h.

Als Standardarm kam einheitlich das „Mayo-Clinic-Schema“ zum Einsatz

AIO-Schema

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36

5-FU 2600 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36

Wiederholung: Tag 50, Therapiedauer: 3 Zyklen (=21 Wochen) HD-5-FU Mono-48 Stunden

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage

5-FU 3500 48-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36,43,50

Wiederholung: Tag 57, Therapiedauer: 3 Zyklen (=24 Wochen) De-Gramont-Schema (LV5FU2)

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage

Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2

5-FU 400 i.v. Bolus (5 min) 1, 2

5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2

Wiederholung: Tag 15, Therapiedauer: 12 Zyklen (=24 Wochen)

Studie ist noch nicht abgeschlossen ! PETACC 1 Die PETACC1-Studie, die in gleicher Situation 5-FU/Folinsäure mit der Substanz Raltitrexed verglich, wurde in einer umstrittenen Entscheidung nach der Interimsanalyse im Juli 1999 durch die Firma Astra Zeneca beendet. Der Grund war eine mit 17 vs. 7 erhöhte Anzahl an Substanz-assoziierten Todesfällen in der Tomudex-Gruppe (allerdings gab es hier relevante Abweichungen von den Studienvorschriften wie z.B. fehlende Kreatininkontrollen). Es waren bereits 1838 Patienten eingeschlossen, es lagen nur Sicherheits-, aber noch keine Effektivitätsdaten vor.

191

Kolonkarzinom PETACC 3-Studie, Adjuvante Chemotherapie

In dieser inzwischen geschlossenen Studie wurde in Deutschland zumeist das AIO-Schema verwendet. Im adjuvanten Setting wurden verglichen infusional 5-FU/Folinsäure ± Irinotecan. In der Gruppe A bekamen die Pat. entweder das um Irinotecan erweiterte AIO-Schema mit auf 2000 mg/m² reduzierter 5-FU-Dosis oder das „De-Gramont-Schema“ + Irinotecan.

Standardtherapie (Gruppe B)

AIO-Schema

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36

5-FU 2600 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36 Wiederholung: Tag 50 De-Gramont-Schema (LV5FU2)

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage

Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2

5-FU 400 i.v. Bolus (5 min) 1, 2

5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2 Wiederholung: Tag 14

Prüfarm (Gruppe A)

AIO-Schema + Irinotecan

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage

Folinsäure 500 2-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36

5-FU 2000 24-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36

Irinotecan 80 ½-Std.-Infusion 1,8,15,22,29,36

Wiederholung Tag 50

De-Gramont-Schema (LV5FU2) + Irinotecan

Substanz Dosis [mg/m²/d] Applikationsform Therapietage

Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2

5-FU 400 i.v. Bolus (5 min) 1, 2

5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2

Irinotecan 180 60-min.-Infusion 1

Wiederholung Tag 15

Therapiedauer: jeweils 6 Monate.

Die Studie ist inzwischen geschlossen! Ergebnisse siehe ASCO-Daten 2005

192

Kolonkarzinom MOSAIC-Studie, Teil I, Adjuvante Chemotherapie

Nahezu die Hälfte aller potentiell kurativ operierten Patienten mit kolorektalen Karzinomen erleiden Rezidive und versterben als Folge einer späteren Metastasierung. Moertel CG et al zeigten als Erste (N Engl J Med 1990;322:352-58) dass eine adjuvante Therapie mit 5FU das Rezidivrisiko bei nodal-positiven Tumoren (Stadium III) um 33% reduzieren kann. Nachfolgend kamen verschiedene Gruppen, überwiegend mit der Kombination 5-FU/Folinsäure, zu ähnlichen Ergebnissen (Wolmark N, et al. J Clin Oncol 1999;17:3553–59). Nachdem sich Oxaliplatin in der Therapie des metastasierten Kolonkarzinoms bewährt hat, vornehmlich nach den Daten der FOLFOX-Kombination der französischen Arbeitsgruppe um de Gramont, wurde die Substanz auch in der adjuvanten Indikation eingesetzt.

Die Ergebnisse der von T. André et al. durchgeführten internationalen, multizentrischen MOSAIC-Studie (Multicenter International Study of Oxaliplatin/5-Fluorouracil/Leucovorin in the Adjuvant Treatment of Colon Cancer) ergeben neue Perspektiven in der Adjuvansbehandlung kolorektaler Karzinome. In die Studie wurden insgesamt 2246 Patienten mit Stadium II und III eingeschlossen und im prospektiv randomisierten Vergleich mit einer jeweils sechsmonatigen Therapie mit Bolus plus Infusional 5-FU/FA ± Oxaliplatin behandelt.

Studiendesign

Einsschlusskriterien R0-resezierte Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium II und III. Behandlungsbeginn innerhalb von 7 Wochen nach der Tumorexstirpation Keine vorangegangene Chemo-, Immuno- oder Radiotherapie WHO PS ≤2 Alter 18-75 Jahre

Zielkriterien, primär: Krankheitsfreies Überleben, sekundär: Toxizität, Gesamtüberleben

Toxizität Eine wesentliche Bedeutung kommt in einer Tumortherapiestudie der Toxizität zu. Die therapieassoziierte Mortalität war in beiden Gruppen gleich niedrig (0,5%). Haupttoxizitäten waren Diarrhoe, Neutropenie und Erbrechen, wobei Grad 3-4 Neutropenie mit 41,1% bei der oxaliplatinhaltigen Therapie gegenüber 4,7% im Kontrollarm deutlich häufiger auftrat, jedoch lediglich in 1,8% vs. 0,2% zu Fieber /Infektionen führte. Ein relevantes Problem stellt die Neurotoxizität dar. 92,1% der Pat. im Oxaliplatin-Arm erlitten eine periphere Neuropathie, jedoch nur 12,4% Grad 3 oder höher. Die Symptomatik war meist reversibel. Nur bei 1,1% zeigte sich ein Fortbestehen einer Grad 3-Toxizität nach 12 und bei 0,5% nach 18 Monaten.

LV5FU2 + Oaxliplatin

Folinsäure 200 mg/m2 / 2h-Inf. d1+2 5-FU 400 mg/m2 Bolus + 5-FU 600 mg/m2 22h-Inf. d1+2 Oxaliplatin 85 mg/m2 2h-Inf d1 alle 14 Tage, 12 Zyklen LV5FU2

Folinsäure 200 mg/m2 / 2h-Inf. d1+2 5-FU 400 mg/m2 Bolus + 5-FU 600 mg/m2 22h-Inf. d1+2 alle 14 Tage, 12 Zyklen

Häufigkeit und Verlauf der neurosensorischen Symptome in der Oxaliplatin-haltigen Gruppe

193

Kolonkarzinom MOSAIC-Studie, Teil II, Adjuvante Chemotherapie

Nach durchschnittlich 37,9 Monaten Nachbeobachtung ergab sich ein krankheitsfreies Überleben von 78,2% im Oxaliplatinarm gegenüber 72,9% für die LV5FU-Gruppe (p=0,01).Das bedeutet eine 4-6%ige Verbesserung im krankheitsfreien Überleben. Somit stellt die 5-FU/Folinsäure mit Oxaliplatin auch in der adjuvanten Situation eine Therapiebereicherung dar. Eine Überlegenheit für das Overall Survival steht aber noch aus. Das krankheitsfreie Überleben nach 3 Jahren wurde bewusst gewählt, da zum einen die meisten Rezidive in den ersten 3 Jahren auftreten, zum anderen sollte eine zeitnahe Übertragung der Ergebnisse in die praktische onkologische Arbeit ermöglicht werden. Der Therapievorteil der Oxaliplatingruppe zeigte sich sowohl für das Gesamtkollektiv als auch in der Sub-gruppenanalyse.

FL + Oxali. n=1123

FL n=1123

Folow-up Median [Monate] 37,9 37,8

3-Jh-DFS 78,2 72,9 Ereignisse 237 (21,1%) 293 (26,1%) Rezidive 208 (18,5%) 279 (24,8%) Metastasen 169 (15,0%) 229 (20,4%) Zweit-Kolorekt.-Ca. 6 (0,5 %) 9 (0,8%) Lokalrezidiv 38 (3,4%) 51 (4,5%) Tod ohne Rezidiv 29 (2,6%) 14 (1,2%)

MOSAIC-Studie. Signifikant besseres krankheitsfreies Überleben der Oxaliplatin-behandelten Pat. gegenüber Folinsäure/5-FU allein. Besonders im nodalpositiven Stadium III profitieren die Patienten. Aber auch für Pat. im Stad. II ließ sich ein Benefit für den Oxaliplatin-Arm nachweisen, wie die Graphik verdeutlicht. Fazit

FOLFOX4 ist signifikant wirksamer als 5-FU/FS in der adjuvanten Behandlung des Kolonkarzinoms Das krankheitsfreie Überleben ist erhöht: 78% vs 73% (p <0,01). Das Rezidivrisiko ist im FOLFOX 4-Arm für das Gesamtkollektiv um 23% gesenkt. Bei Patienten im Stadium II betrug die Risikoreduktion 18%. Im Stadium III fand sich eine Risikoreduktion um 24%. Die Toxizität ist akzeptabel. Die Mortalität lag in beiden Armen bei 0,5%. Weniger als 1% der Patienten erlitten eine febrile Neutropenie. Im FOLFOX 4-Arm keine Zunahme der Alopezie. Eine sensorische Neuropathie (Grad 3) trat bei 12% der FOLFOX 4-Patienten auf und war nach einem Jahr nur noch bei 1% nachweisbar.

Aufgrund dieser Erbgebnisse gilt FOLOX 4 als neuer Standard zur adjuvanten Chemotherapie kolorektaler Karzinome.

André et al, N Engl J Med 350;23

André et al, N Engl J Med 350;23

194

Adjuvante Therapie X-ACT-Studie, Adjuvante Chemotherapie

Die X-ACT-Studie ist eine multizentrische, randomisierte Phase-III-Studie, in der das orale Prodrug Capecitabin (Xeloda®) bei nodal-positiven, R0-resezierten Kolonkarzinomen im Vergleich zum intravenös gegebenen Mayo-Clinic-Schema untersucht wurde. Capecitabin wird in der Leber nach enteraler Resorption in 5-Deoxy-Fluorozytidin umgewandelt, das in Tumorzellen stärker als in gesunden Zellen angereichert wird. Im Zeitraum 11/1998 bis 11/2001 wurden insgesamt 1987 Patienten mit R0-reseziertem Dukes-C-Kolonkarzinom randomisiert auf einen Standardarm mit einer Therapie nach dem Mayo-Clinic-Protokoll über 24 Wochen, im Vergleich zum experimentellen Arm mit Capecitabin 2 x 1250 mg/m2 über 14 Tage. Wiederholung alle 3 Wochen (Cassidy J et al. Proc. ASCO 2004; 22:3509A) Studiendesign, Patientenverteilung

Ergebnisse Im Ergebnis zeigte sich eine mindestens gleichgute Wirksamkeit mit tendenziellen Vorteilen für Capecitabin (signifikant für das rezidivfreie Überleben). Die Toxizität war mit Ausnahme des Hand-Fuß-Syndroms für Capecitabin günstiger. Notwendige Dosisreduktionen waren in beiden Armen vergleichbar (42 vs. 44%), ebenso die Therapieabbrüche (16 vs. 12%)

Ergebnisse der Multivarianzanalyse Berücksichtigt wurden folgende Faktoren: Alter, Geschlecht, Lymphknoten, Zeit von der Operation bis zur Randomisation, baseline CEA und das Land, in dem der Pat. behandelt wurde.

Fazit: - Überlegenes krankheitsfreies Überleben (RFS) - Signifikante 14% Risikoreduktion (p=0.0407) - 4% absolute Verbesserung des RFS nach 3 Jahren- Trend zu einem höheren Gesamtüberleben Wirksamkeitsdaten sind in der Multivarianzanalyse bestätigt, wie aus der Tab. links hervorgeht.

Capecitabin ist in der adjuvanten Therapie des nodalpositiven Kolonkarzinoms wirksamer und weniger toxisch als das Mayo-Clinic-Schema und kann wie das FOLFOX 4-Schema als eine künftige Behandlungsoption in dieser Indikation angesehen werden.

Kolonkarzinome, Stad. III. Adjuvante Therapie Mayo-Clinic-Schema vs Capecitabin CassidyJ et al. Proc. ASCO 2004; 22: 3509° Krankheitsfreies Überleben Wahrscheinlichkeit einer Grad 3/4-Toxizität

[A] [B]

[A]

[B]

[A] [B]

[A]

[B]

195

Kolorektale Karzinome Adjuvante Therapie, Studienergebnisse ASCO 2004 und 2005

ASCO 2004 CALGB-Studie C 89993 ((Saltz LB et al. Proc. ASCO 2004; 22:3500) Folinsäure/5-FU ± Irinotecan zur adjuvanten Therapie beim Kolonkarzinom Stadium III, Arm A: FS/FU 500/500 mg/m2 wöchentlich x 6/ 8Wochen, 4 Zyklen (PRM-Schema), n=629 Arm B: Irinotecan 125 mg/m2, FS/FU 20/500 mg/m2 wöchentlich x 4/ 6Wochen, 5 Zyklen (IFL-SChema), n=635

Ergebnisse: Mediane Nachbeobachtungszeit 3,8 Jahre. Gesamtüberlebenskurven deckungsgleich, ebenso das krankheitsfreie Überleben. Fazit: Kein Vorteil für IFL.

NSABP C-06-Studie ((Wolmark N et al. Proc. ASCO 2004; 22:3508A) UFT/FS vs FS/FU in der adjuvanten Therapie des Kolonkarzinom-Stadium II + III, Arm A (n=308): FS/FU 500/500 mg/m2 i.v. wöchentlich x 6/ 8Wochen, 4 Zyklen (PRM-Regime) Arm B (n=805): FS/UFT 30/100 mg/m2 p.o. 3 x täglich x 28 Tage, alle 5 Wochen, 5 Zyklen

Toxizität in beiden Armen identisch.

Fazit: Beide Arme sind gleich effektiv und äquitoxisch.

ASCO 2005 PETACC 3 Studie (van Cutsem E. et al.,ASCO 2005, Abstract LBA8) 3278 Patienten im Stadium II (945) und III (2333) wurden randomisiert auf das deGramont-Regime +/- Irinotecan oder das AIO-Regime +/- Irinotecan (siehe Seite PETACC 3). Nach 3 Jahren wurde durch die Zugabe des Irinotecans das krankheitsfreie Überleben (DFS) für Patienten im Stadium III von 59,9% auf 62,9% verbessert, was statistisch nicht signifikant war. Bei der gepoolten Analyse von allen Patienten (Stadium II und III) zeigte sich eine signifikante Verbesserung durch die Zugabe von Irinotecam. Die 60-Tage Mortalität lag bei der Irinotecan-Kombination bei 0,4% versus 0,2% im 5-FU/Folinsäure-Arm. Fazit: Irinotecanhaltige Schemata haben keinen Stellenwert in der adjuvanten Therapie. MOSAIC-Studie (de Gramont A. et al., ASCO 2005, Abstract 3501) Die neueste Analyse der MOSAIC-Studie (siehe auch entsprechende Seiten) ergab nach 4 Jahren ein krankheitsfreies Überleben (DFS) von 61% im LV5FU2-Arm versus 69,7% im FOLFOX4-Arm für Patienten im Stadium III. Im Stadium II beträgt das DFS 81,3 versus 85,1 zugunsten des FOLFOX4-Arms. Das Gesamtüberleben ist im FOLFOX4-Arm tendenziell besser (+2,1%) jedoch noch nicht signifikant. Fazit: Diese Ergebnisse unterstreichen die Position des FOLFOX4-Regimes als Therapiestandard im Stadium III. NSABP C-07-Studie (Wolmark N. et al., ASCO 2005, Abstract LBA3500) 2407 Patienten im Stadium II und III erhielten entweder das wöchentliche Wolmark- bzw. NSABP-Bolus-Schema (FULV) über 24 Wochen oder dasselbe Regime unter Zugabe von 85 mg/m2 Oxaliplatin (FLOX) in Woche 1,3 und 5 eines jeden 8 Wochen-Zyklus. Das DFS nach 3 Jahren beträgt 76,5% im FLOX-Arm vs. 71,6% im FULV-Arm und ist statistisch signifikant. Unter dem FLOX-Regime trat Diarrhoe wesentlich häufiger als relevante Nebenwirkung auf. Es ereigneten sich unter Therapie immerhin 14 (1,1% )Todesfälle in der FULV- und 15 (1,2%) in der FLOX-Gruppe. Fazit: Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit den Ergebnissen der MOSAIC-Studie. Beim FLOX-Regime kommen aber nur 75% der Oxaliplatin-Dosis aus der MOSAIC-Studie zum Einsatz, was beim Kongress zur Diskussion über die tatsächlich benötigte Oxaliplatin-Dosis führte. XELOX versus Bolus 5-FU/LV (Schmoll H.J. et al., ASCO 2005, Abstract 3523) 1886 Patienten im Stadium III erhielten XELOX (Capecitabine 1000 mg/m2 bid d1-14 + Oxaliplatin 130 mg/m2 d1, q3w x 8) oder ein i.v. Bolus 5-FU/LV-Schema (Mayo-Clinic oder Roswell Park). Die vorgestellten Toxizitätsdaten zeigen das bekannte Nebenwirkungsprofil von Oxaliplatin, das den Angaben der Autoren zufolge dem von FOLFOX4 bekannten entspricht. Anmerkung: Auf dem Kongress wurde die Anzahl der abgebrochenen Therapien kritisch diskutiert. Insgesamt brachen 22% der Patienten, davon 13% innerhalb der ersten 12 Wochen, die adjuvante Therapie mit XELOX ab. Bei der Bolus-Therapie waren es 9% insgesamt. Es wurde in der Diskussion ausdrücklich darauf hingewiesen, bei der Kombinationstherapie mit Capecitabin besonders auf die teilweise beachtlichen Toxizitäten zu achten.

Resultate Krankheitsfreies ÜL Gesamtüberleben Arm A (n=771) 68,3% 78,7% Arm B (n=782) 66,9% 78,7% p-Wert 0.79 0.88

196

Kolorektale Karzinome Adjuvante Chemotherapie, Stadium II

Adjuvante Chemotherapie im Stadium II (nodal negativ)? Ob und wie eine adjuvante Chemotherapie im Stadium II (Dukes B) beim Kolonkarzinom durchgeführt werden soll, ist nach wie vor unklar.

Studienübersicht NSABP C-01, C-02, C-03 und C-04 Eine gepoolte Analyse dieser Studien kam zu dem Schluss, dass Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium II einen ähnlichen Benefit von einer adjuvanten Chemotherapie haben, wie Patienten im Stadium III. Allerdings war die Patientenzahl im Stadium II in diesen Studien sehr niedrig.

IMPACT-B2-Studie In dieser Studie wurden die Ergebnisse von 5 Studien, die 1006 Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium II enthielten, gepoolt und ergaben keinen Vorteil für eine adjuvante Chemotherapie. Diese Studie zeigte keinen Unterschied im 5-Jahres-Überleben (80% in der Kontrollgruppe und 82% in der 5-FU/Folinatgruppe) und im Ereignisfreien Überleben (73% in der Kontrollgruppe versus 76% in der 5-FU/Folinatgruppe).

NACCP-Studie (Taal BG et al., Br J Cancer 85:1437-43, 2001) In dieser niederländischen Studie wird über einen Benefit durch eine adjuvante Chemotherapie im Stadium II berichtet. 468 Pat. im Stadium II wurden randomisiert zwischen 5-FU/Levamisol für 12 Monate und Beobachtung. Diese Studie zeigte eine Reduktion der Sterberate im Stadium II um 19% unter der adjuvanten Therapie.

MOSAIC-Studie (T.Andre Proc. ASCO 2003; 21)

In dieser Studie hatten die FOLFOX4-behandelten nodalnegativen Pat. ebenfalls einen signifikanten Vorteil für das 3-Jahre-Krankheitsfreies Überleben.

PETACC4-Studie In dieser prospektiv randomisierten Studie der EORTC wird derzeit der Wert einer postoperative Chemotherapie im Vergleich zu einer nicht behandelten Gruppe im Stadium II geprüft. (siehe Seite PETACC4). S3-Leitlinie Kolorektale Karzinome 2004 (www.dgvs.de) Bei Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium II ist eine adjuvante Chemotherapie im Regelfall nicht indiziert. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1-a, starker Konsens Im Einzelfall kann auch im Stadium II bei ausgewählten Risikosituationen (T4, Tumorperforation/-einriss oder Operation unter Notfallbedingungen) eine adjuvante Chemotherapie erwogen werden. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 4, starker Konsens In Studien gingen gewisse Risikosituationen wie eine Tumorperforation oder Operation unter Notfallbedingungen mit einer schlechteren Prognose einher. Es erscheint daher denkbar, dass solche Pat. auch im Stadium II von einer adjuvanten Chemotherapie profitieren könnten. In einer Studie, in denen Patienten mit Perforation eine kleine Untergruppe darstellten, konnte allerdings kein Benefit gezeigt werden. Zusätzliche Parameter (z. B. CEA-Spiegel, Differenzierungsgrad, 18q Verlust, Mikrometastasennachweis in Lymphknoten oder im Knochenmark, Mikrosatelliten-Status, DNA-Ploidie und TS/p53 Expression) können momentan noch nicht zur Indikationsstellung für eine adjuvante Chemotherapie benutzt werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens. Für eine Reihe von Parametern konnte in Untersuchungen eine prognostische Bedeutung für das kolorektale Karzinom gezeigt werden. Es liegen jedoch keine prospektiven Studien zum Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie bei Vorhandensein einzelner oder mehrerer dieser Faktoren vor.

Molekularbiologische Gesichtspunkte Derzeit wird nach Strategien gesucht, das therapeutische Vorgehen nach dem Vorliegen bestimmter molekularer Marker zu stratifizieren. Dabei könnten Marker wie die Mikrosatelliteninstabilität (MSI), Thymilatsynthase, Mutationen im p53 oder DCC-Gen eine Rolle spielen.

Auf dem ASCO 2002 wurde eine Studie vorgestellt, die darauf hinweist, dass Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium II und III, die eine hohe MSI aufweisen, wahrscheinlich nicht von einer adjuvanten Chemotherapie mit 5-FU profitieren und möglicherweise unter einer adjuvanten Chemotherapie sogar eine schlechtere Prognose besitzen. Patienten mit MSI-stabilen Tumoren profitieren jedoch signifikant von einer adjuvanten Therapie (Ribic et al., ProcASCO 21:128a,2002).

197

Kolonkarzinom PETACC 4, adjuvante Therapie, Stad. II, EORTC 40012

Adjuvante Chemotherapie des Kolonkarzinoms im Stad. II. Randomisierte multizentrische Phase III-Studie des R0-resezierten Kolonkarzinoms. Infusional 5-FU CPT 11 + Folinsäure vs Beobachtung. Studienkoordinator Prof. Dr. JF Seitz, Marseilles, Tel. 0033-4-9138-6038. Einschlusskriterien Stadium II (pT3, N0; pT4, N0). Kolonkarzinom, R0-Resektion. Distale Resektionsgrenze oberhalb der peritonealen Umschlagfalte. Mindestens 12 Lymphknoten im Resektat und histopathologisch untersucht. Ausschluss von Fernmetastasen. Alter über 18 Jahre, unter 75 Jahre. Allgemeinbefinden: 0/1 WHO. Studiendesign Randomisation: Innerhalb 56 Tagen nach der kurativen Resektion. Chemotherapie: 4 Zyklen (6 Monate)

Irinotecan 80 mg/m2 500 ml NaCl 0,9%/30 min. Tag 1,8,15,22,29,36

Folinsäure 500 mg/m2 500 ml NaCl 0,9%/2h Tag 1,8,15,22,29,36

5-FU 2.000 mg/m2 24h-Inf. Tag 1,8,15,22,29,36

Wiederholung: Tag 50.(Tag 1 des nächsten Sechs-Wochen-Zyklus) Stratifizierung nach prädiktiven und responsiven Faktoren

Institution pT3 vs. pT4, initiale Komplikation: Ileus, Perforation vs keine, Grading G1, G2, G3, Geschlecht, Mikrosatelliteninstabilität positiv vs negativ vs unbekannt. Studienziel Verbesserung des DFS in der Therapiegruppe Sekundär: Bewertung von prognostischen Faktoren zur Frage der Korrelation von Überleben und Rezidiv nach adjuvanter Chemotherapie: Zahl der untersuchten Lnn, Grading, T-Stadium, CEA-Spiegel, DCC-Alteration, bcl-2, Matrix Metalloproteinasen, Mikrosatelliteninstabilität.

R Alleinige Operation

Operation + adjuvante Chemotherapie

198

Kolonkarzinom PETACC 8

Studientitel Adjuvante Behandlung des komplett resezierten Kolonkarzinoms Stadium III mit FOLFOX-4 plus Cetuximab versus FOLFOX-4. Randomisierte kontrollierte multinationale multizentrische Phase-III-Studie.

Studienziel Primäres Studienziel ist das krankheitsfreie Überleben (DFS). Sekundäre Ziele sind krankheitsfreies Überleben nach 3 Jahren, Gesamtüberleben, 5-Jahres-Gesamtüberleben, Verträglichkeit und Sicherheit der Therapie, Evaluation von prädiktiven biologischen Markern für Rezidiv und/ oder Therapieerfolg. Start der Studie: 11/05.

Studienunterlagen AIO-Studienzentrale, Herr René Siewczynski Martin-Luther-Universität Halle, Klinik für Innere Medizin IV, Ernst-Grube-Straße 40, 06120 Halle Tel.: 0345-557-5752, Fax: 0345-557-3283, E-mail: [email protected], Internet: www.aio-portal.de

Studiendesign FOLFOX-4 + Cetuximab (Arm A)

R Therapiedauer: FOLFOX-4 (Arm B) 12 Zyklen = 24 Wochen

Einschlusskriterien - Alter ≥ 18 und < 75 Jahre - Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Kolons Stadium III, unabhängig vom EGFR-Status - Kurative R0-Resektion nicht weniger als 28 und nicht länger als 56 Tage vor Randomisation - Keine Metastasen bei Studienaufnahme - Keine vorangegangene Chemotherapie - Keine vorangegangene Bestrahlung von Abdomen oder Becken - WHO-Performance Status 0-2 - Schriftliche Einverständniserklärung des Patienten - Wirksame Kontrazeption, falls die Möglichkeit einer Schwangerschaft/Zeugung besteht

Ausschlusskriterien - Fernmetastasen - Chronisch entzündliche Darmerkrankung - Rektumkarzinom innerhalb 15 cm ab Anokutanlinie (endoskopisch) oder oberhalb der peritonealen Umschlagsfalte

(chirurgisch) oder präoperative Strahlentherapie - Schwangere oder stillende Frauen - Neuropathie - Bekannte Hypersensitivität gegenüber einer der Komponenten der Studientherapie

Therapiedurchführung Die Behandlung erfolgt postoperativ über 12 Zyklen (6 Monate).

FOLFOX-4 + Cetuximab (Arm A) Substanz Dosis [mg/m2/d] Applikationsform Therapietage Cetuximab-Erstgabe 400 2-Std.-Infusion 1 Cetuximab 250 1-Std.-Infusion (1), 8 Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion 1 Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2 5-FU 400 Bolus 1, 2 5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2

Wiederholung Tag 15

FOLFOX-4 (Arm B) Substanz Dosis [mg/m2/d] Applikationsform Therapietage Oxaliplatin 85 2-Std.-Infusion 1 Folinsäure 200 2-Std.-Infusion 1, 2 5-FU 400 Bolus 1, 2 5-FU 600 22-Std.-Infusion 1, 2

Wiederholung Tag 15

199

Rektumkarzinom ESMO-Mindestanforderungen; Diagnostik, Therapie I

Inzidenz Die Inzidenz des rektalen Karzinoms in der Bevölkerung der Europäischen Union beläuft sich auf ca. 35% der koloretalen Karzinome, also ca. 15-20/100.000 Einwohner/Jahr erkranken. Die Sterblichkeit beträgt 10/100.000 Einwohner/Jahr.

Diagnose Die Diagnosestellung basiert auf der rektal-digitalen Untersuchung einschließlich starrer Rektoskopie mit histopathologischer Sicherung. Als Rektumkarzinome gelten Tumore, deren aboraler Rand bei der Messung mit dem starren Rektoskop 15cm oder weniger von der Anokutanlinie entfernt ist.

Staging • Anamnese und körperliche Untersuchung des Patienten, aktuelle Laborwerte (insb. Leber- und

Nierenwerte), CEA-Bestimmung, Röntgen-Thorax und CT, MRT oder Ultraschall der Leber müssen durchgeführt werden.

• Endosonographie oder MRT-Rektum sind gefordert, um Pat. für eine präoperative Therapie zu selektionieren. Notwendig ist die prä- oder postoperative hohe Koloskopie.

• Während des chirurgischen Eingriffs sollen Biopsien aus dem proximalen, distalen und dem umgebenden Gewebe entnommen werden. Zwölf regionäre Lymphknoten sollen untersucht werden.

• Die TNM-Klassifikation 2002 (sieh Tab. 1) liegt stets zugrunde.

Tab. 1 TNM Stadium Infiltrationsgrad Tis N0 M0 0 Carcinoma in situ T1 N0 M0 I Submukosa T2 N0 M0 I Muskularis propria T3 N0 M0 IIA Subserosa/perirektales Gewebe T4 N0 M0 IIB Perforation in das perirektale Gewebe

oder andere Organe T1-2 N1 M0 IIIA 1-3 regionale Lymphknoten betroffen T3-3 N1 M0 IIIB 1-3 regionale Lymphknoten betroffen T1-4 N2 M0 IIIC 4 oder mehr regionale Lymphknoten betroffen T1-4 N1-2 M1 IV Fernmetastasen Behandlung 1. Resezierbare Tumore

Präoperative Bestrahlung/Chemotherapie: • Präoperative Bestrahlung (z.B. 25Gy, frakt. à 5Gy gefolgt von chirurgischem Eingriff) reduziert die

lokale Rezidivrate [I, A]. • Im Hinblick auf geringere Toxizität ist die präoperative Radio-Chemotherapie (50Gy, 2Gy/Tag + 5-FU

c.i. während der ersten und der fünften Woche) im Gegensatz zur postoperativen Radio-Chemotherapie zu bevorzugen [II, A]. Der chirurgische Eingriff sollte 6-8 Wochen nach der Radio-Chemotherapie durchgeführt werden.

Chirurgischer Eingriff: Die totale mesorektale Exzision (TME) wird strengstens empfohlen als die Methode mit geringer lokaler Rezidivrate (<10%) und guter Lebensqualität [II, A].

Postoperative Radio-Chemotherapie: Postoperative Bestrahlung (z.B. 50Gy, 1,8-2Gy/Sitzung) mit begleitender 5-FU-basierter Chemotherapie wird bei Patienten mit positivem Tumornachweis im resezierten Tumorgeweberand, Perforation in die Tumorregion oder bei Patienten mit erhöhtem Risiko eines lokalen Rezidivs durchgeführt, wenn eine präoperative Therapie nicht erfolgte [I, A].

200

Rektumkarzinom ESMO-Mindestanforderungen; Diagnostik, Therapie II

2. Primär nicht-resezierbare Tumore und Lokalrezidive • Patienten mit fixiertem Tumor oder mit lokalem Rezidiv (bei denen eine Bestrahlung primär nicht

durchgeführt wurde) sollten präoperativ eine Bestrahlung mit oder ohne begleitende Chemotherapie erhalten [II, A].

• Der Versuch einer radikalen chirurgischen Intervention sollte 4-8 Wochen nach der Bestrahlung erfolgen [II, A].

3. Lokal fortgeschrittene und disseminierte Erkrankung • Bei bestimmten Patienten kann die Behandlung die chirurgische Entfernung von resezierbaren

Leber- oder Lungenmetastasen einschließen [III, A]. Andere chirurgische Eingriffe, Stenteinlage [III, A] oder Bestrahlung sollten als palliative Maßnahmen aufgefasst werden [II, A].

• Palliative first line-Chemotherapie sollte früh beginnen und 5-FU/Leucovorin in Kombination, z.B. mit Oxaliplatin oder Irinotecan beinhalten.

• Second line-Chemotherapie sollte bei ausgewählten Patienten mit gutem Allgemeinzustand eingesetzt werden.

Nachsorge • Die Nachsorgeuntersuchungen dienen der Identifikation derjenigen Patienten, die eine chirurgische

salvage-Therapie oder eine palliative Behandlung benötigen sowie zur Erkennung von sekundären kolorektalen Karzinomen. Es gibt keinen Beweis dafür, dass reguläre Nachsorgeuntersuchungen nach erfolgreich durchgeführter Behandlung zu einem besseren outcome von Patienten mit rektalem Karzinom führen.

• Eine vorläufige Empfehlung ist: • Anamnese-Erhebung und Rektosigmoidoskopie alle 6 Monate für insgesamt 2 Jahre [V, D]. • Anamnese-Erhebung und Koloskopie mit Entfernung von Kolonpolypen alle 5 Jahre [I, B]. • Klinische, laborchemische und radiologische Untersuchungen zeigten bisher keinen relevanten

benefit und sollten nur bei Patienten mit suspekten Symptomen eingesetzt werden [A].

Notiz Die Angaben bezüglich Level of Evidenz [I-V] und Grade of Recommendation [A-D] stimmen mit den Empfehlungen der American Society of Clinical Oncology überein. Andere Angaben beziehen sich auf klinisch geprüfte Expertenmeinungen und die ESMO. Aus: Ann Oncol 16 (Suppl. 1) 2005; 16: i20-21