shift...nun kann man fachsimpeln, ob damit nicht vielmehr ein purpose beschrie-ben ist und inwiefern...

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Shift MOBILITÄT GESTALTEN Die Vision des Konzerns ist ein Aufruf zur Zusammenarbeit. ZUGANG SCHAFFEN Netzwerke innerhalb und außerhalb sollen Innovationsprozesse öffnen. 2019

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Page 1: Shift...Nun kann man fachsimpeln, ob damit nicht vielmehr ein Purpose beschrie-ben ist und inwiefern das den Zeitgeist besser trifft. Welchen Buzzwords wir auch anhängen, am Ende

Shift

MOBILITÄT GESTALTEN Die Vision des Konzerns ist ein Aufruf zur Zusammenarbeit. ZUGANG SCHAFFEN Netzwerke innerhalb und außerhalb sollen Innovationsprozesse öffnen.

2019

Page 2: Shift...Nun kann man fachsimpeln, ob damit nicht vielmehr ein Purpose beschrie-ben ist und inwiefern das den Zeitgeist besser trifft. Welchen Buzzwords wir auch anhängen, am Ende

XQ4www.blauer-engel.de/uz195

Dieses Druckerzeugnis wurde mit dem Blauen Engel ausgezeichnet.

ShiftUnruhe ist eine der wenigen Konstanten

im Konzern seit dem 18. September 2015. Unruhe, die vermeintliche Gewissheiten infrage stellt.

Unruhe, die Wandel anzeigt. Produktive Unruhe.

Was wir in diesen Zeiten brauchen, sind Haltung und Ausdauer. Das gilt sowohl für die Transformation

selbst als auch für ihre Kommunikation.

In diesem Jahr kehrt Shift zurück an die Seite des Nachhaltigkeitsberichts. Als Plattform für den Dialog

mit unseren Stakeholdern in Politik und [email protected]

H E RAU S G E B E RVolkswagen AGBerliner Ring 238440 Wolfsburg

Dr. Thomas Steg Leiter Public Affairs

P RO J E KT L E I TU N GDaniela Blaschke Public DialoguePublic Affairs

KO N Z E P T U N D R E A L I SAT I O NRat für Ruhm und Ehre GmbH, Düsseldorf/Berlin

ChefredaktionSepideh Honarbacht

E N T W I C K LU N G U N D K R E AT I V D I R E KT I O NZIEGLER., Berlin

GestaltungAngela Ziegler

BildredaktionAnne Grobler

T E A M D I E S E R AU S GA B EProjektmanagement Regina Feldmann (Rat für Ruhm und Ehre), Anika Schulze (Volkswagen AG)

Text Daniela Blaschke, Kay Firth- Butterfield, Dr. Axel Heinrich, Sepideh Honarbacht, Daniel Kastner

BildIllustrationen: Yau Hoong Tang (Titel, S. 3, 7, 14), Uli Knörzer (S. 3, 8, 13, 16), Volkswagen AG (S. 9, 17), Shutterstock (S. 13), gutentag Hamburg (S. 17)

Fotos: Matías Delacroix (S. 11), Porsche AG (S. 17)

L E KTO RATGabi Kämpken (correc-tour online, Bad Zwischenahn)

L I T H Otwentyfour seven creative media services GmbH, Berlin

D R U C Koeding print GmbH, Braunschweigwww.oeding-print.de

Papier ENVIRO CLEVER U

Auflage200 Exemplare

Redaktionsschluss28.02.2020

Der Druck dieser Publikation verursacht

CO₂-Emissionen. Volkswagen unterstützt ein Waldschutzprojekt

im Harz, Deutschland, um

die entsprechende Menge auszugleichen.

I M P R E S S U M

Liebe Leserinnen und Leser,der Volkswagen Konzern hat seine Vision formuliert: Shaping mobility for generations to come. Nun kann man fachsimpeln, ob damit nicht vielmehr ein Purpose beschrie-ben ist und inwiefern das den Zeitgeist besser trifft. Welchen Buzzwords wir auch anhängen, am Ende zählt zu wissen, was zu tun ist: CO2-Neutralität unserer Gesellschaften bis 2050 zu erreichen; digitale Technologien für die Gesellschaft arbei-ten zu lassen, nicht gegen sie; und unser Unternehmen so aufzustellen, dass es diese Aufgaben annehmen kann.

Volkswagen legt im Magazin Shift im vierten Jahr den Fokus auf Klimawandel und Digitalisierung, die Treiber für den Strukturwandel im 21. Jahrhundert. Wir reflektieren zunächst unsere neue Vision und beschreiben, wie die For-schung sich selbst neu erfindet, um den Weg dorthin zu bereiten. Zur gesellschaftspolitischen Dimension von Klima-schutzmaßnahmen haben wir mit Carolina Schmidt gespro-chen, chilenische Umweltministerin und Präsidentin der COP25. Und Kay Firth-Butterfield, britische Juristin und KI-Expertin des World Economic Forum, haben wir gebeten, Ansätze zu beschreiben, die Ethik und Digitali sierung zusam-menbringen könnten.

Unseren externen Kontributorinnen – in diesem Jahr aus-schließlich Frauen – danke ich für ihre Impulse und für ihr Vertrauen in Shift. Danken will ich auch den zahlreichen Beteiligten im Konzern für ihre Unterstützung, ohne die ein solches Magazin nicht möglich wäre.

Ihre

Editorial

Inhalt

Daniela Blaschke, 31, fragt sich seit einiger

Zeit, welches Buzzword auf Nachhaltigkeit folgt – vielleicht ist es Zukunft.

04 Mobilität für morgenDie Konzernstrategie soll uns helfen, Antworten auf die großen Herausfor-derungen unserer Zeit zu finden. Welche Fragen müssen wir dafür stellen?

06 Innovation neu denken Um Mobilität für künftige Generatio-nen zu gestalten, entwickelt sich die Forschung zu einem Innovationsöko-system, das den Wandel vorantreibt.

10 „Der Klimawandel wird bleiben“Die chilenische Umweltministerin Carolina Schmidt spricht über Klima-gerechtigkeit und Verantwortung.

14 Ein Plädoyer für KI-Governance Kay Firth-Butterfield leitet die Disku s-sion über ethische Rahmenbedin-gungen für künstliche Intelligenz (KI) beim WEF. Einige Meilensteine.

18 Das vierte Jahr Während der Konzern viel Kraft in die Transformation steckt, gehen juristische Auseinandersetzungen weiter.

19 Thompsons Monitorship Welche Meilensteine das Unternehmen erreicht hat – und welche es bis Juli 2020 noch vor sich hat.

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W I R U N D D I E K O M M E N D E N

G E N E R AT I O N E N

Wir tragen Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft – so lautet der

erste Konzerngrundsatz, an dem sich unsere Strategie messen lassen muss. Welche Mobilität werden kommende

Generationen erwarten? Wie beeinflussen unsere Mobilitäts­

entscheidungen von heute ihre Zukunft?

D E R V O L K S W A G E N

K O N Z E R N 2 0 5 0

Bis Mitte des Jahrhunderts wollen wir unsere gesamte Flotte

klimaneutral produzieren und Mobi li tät ermöglichen, die keine CO2­Emissionen

verursacht. Trauen Sie uns das zu? Retten wir damit uns, aber nicht das Klima?

Was wünschen Sie sich von uns?

Wir sind gespannt auf Ihre Antworten.

Mobilität für morgenWir ermöglichen seit Generationen individuelle und bezahlbare Mobilität

für Millionen Menschen. Die geschärfte Konzernstrategie TOGETHER 2025+ soll uns helfen, Antworten auf die Herausforderungen von heute und morgen zu finden –

motiviert von unserer Vision „SHAPING MOBILITY – FOR GENERATIONS TO COME“. Welche Fragen müssen wir dafür stellen? Hier eine Auswahl.

W E L C H E M O B I L I TÄT

Mobilität soll den Menschen dienen. Wie lässt sie sich so gestalten,

dass sie allen zugänglich ist? Können wir mehr Mobilitäts angebote machen und das Verkehrs aufkommen in unseren Städten zugleich reduzieren? Welche Konzepte für den ländlichen Raum

fallen uns ein? Werden wir mit ihnen Geld verdienen?

U N S E R E V I S I O N

Schreiben Sie uns unter: [email protected]

Wir wollen Mobilität für uns und für kommende Generationen

nachhaltig gestalten. Unser Ziel: Mit dem elektrischen Antrieb, der digitalen

Vernetzung und dem autonomen Fahren machen wir Fahrzeuge sauberer, leiser,

intelligenter und sicherer. Auch in Sachen Klima- und Umweltschutz sollen sie zum Teil

der Lösung werden. So kann das Auto auch künftig ein Eckpfeiler zeitgemäßer,

individueller und bezahlbarer Mobilität sein.

W I E W I R G E S TA LT E N

Wir arbeiten auf allen fünf Kontinenten, in der Stadt und auf dem Land, in der Werkshalle, im Büro und in

der Cloud. Welchen gedanklichen Freiraum brauchen wir, um Zukünfte zu gestalten?

Ist es möglich, Mobilität nicht nur für, sondern mit den kommenden Generationen zu gestalten?

Wie stellen wir sicher, dass alle die geltenden Regeln kennen und achten? Wie wollen wir in einer

zusammenwachsenden Welt mit Beschaffung und Produktion in nicht demokratischen

Staaten umgehen? Können wir mehr Einfluss auf die Wahrung der

Menschenrechte in fernen Ländern nehmen?

W E R G E S TA LT E T

Wir gestalten – aber nicht mehr allein. Sind unsere Teams in der

Entwicklung divers genug? Wer arbeitet heute schon mit

Robotern zusammen? Und wer schreibt die Codes für

Programme, die uns in Zukunft leiten?

520194 Shift

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Wie wollen sich Menschen in den nächsten Jahrzehnten in den Megacitys weltweit, aber auch im ländlichen Raum fortbewegen? Welche Möglichkeiten können wir bieten, die ihren Bedürfnissen gerecht werden? Und wie – mit welchen Technologien und Werkstoffen – setzen wir diese Produkte, Dienstleistungen und neuen Geschäfts-modelle so um, dass wir unsere Klimaziele erreichen? Das sind die Fragen, mit denen wir uns in der neuen Volkswagen Group Innovation beschäftigen. In den ver-gangenen Monaten haben wir die Forschung zu einem Innovationsökosystem ausgebaut. Denn die Transfor-mation des Unternehmens erfordert auch eine Transforma-tion der Innovationsprozesse.

Warum? Erstens: Weil wir Innovationen hervor-bringen müssen, die der Gesellschaft dienen. Und dafür müssen wir größer denken. Wenn wir uns bisher auf technologische Innovationen für unsere Produkte konzentriert haben, ist es unser Ziel, 2025 fähig zu sein, Konzepte für ganze Mobilitätssysteme anzubieten. Zweitens: Das intellektuelle Kapital unseres Konzerns liegt nicht in einem Safe. Es sind die klugen Köpfe, die aus unterschiedlichen Innovationskulturen kommen, sich vernetzen und weltweit funktionierende Lösungen entwickeln. Drittens: Wir glauben an das Potenzial von

Innovation neu denken

Um Mobilität für zukünftige Generationen zu gestalten, muss sich die Art, wie Produkte und Dienstleistungen, ja ganze Geschäftsmodelle im Konzern entstehen, grundlegend ändern. Dafür

entwickelt sich die Forschung zu einem Innovationsökosystem, das diesen Wandel vorantreibt.

Co-Innovation und Open Innovation. Wir müssen über die Leitplanken der Automobilindustrie hinausblicken und mit Experten aus anderen Feldern neue Technolo-gien und Kompetenzfelder aufbauen und für die Gesell-schaft nutzbar machen. Unsere Komplexität bietet uns die Chance, vielschichtige Fragen zu stellen und so die richtigen Lösungen zu entwicklen.

Viele Bausteine des Volkswagen Group Innovation Ecosystems gibt es schon lange, andere sind hinzu-gekommen. Es ist ein lebendiges Netzwerk verschie-dener Akteure und Organisationseinheiten, die gemein-sam mehr sind als die Summe ihrer Teile. Wir arbeiten für die Weiterentwicklung unserer Konzernstrategie: TOGETHER 2025+.

Neue ZukünfteWir verstehen uns als Vorausdenker, Wegbereiter und strategische Innovationspartner für alle Marken. In Wolfsburg konzentrieren wir uns auf technologische Schlüsselinnovationen. Die Innovation Center in Pots-dam/Deutschland, Peking/China und Belmont/USA sowie der Innovation Hub Tel Aviv/Israel und der Inno-vation Hub Tokio/Japan sind Teil unseres Ökosystems und gestalten die regionalen Aktivitäten. Wir haben ins-gesamt zwölf zukunftsweisende Handlungsfelder defi-niert. Dazu gehören Technologien für neue Batterie- und Brennstoffzellengenerationen oder künstliche Intelli-genz, aber auch Anwendungen wie autonomes und ver-netztes Fahren oder ganzheitliche Szenarien wie die

W

Innovation ist der Treiber: Wer Mobilität für künftige Generationen gestalten will, muss wissen, wie. Volkswagen Group Innovation gibt die nötigen Impulse für die Transformation.

6 Shift

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+2035

Lebenswelten unserer Kunden in 2030+. Ein neuer Fokus liegt auch auf dem sogenannten Venturing – das heißt, wir investieren gezielt in Regionen und Menschen mit richtungsweisenden Ideen für das 21. Jahrhundert. Mit sogenannten Leuchttürmen schaffen wir agile Platt-formen: Beschäftigte aus Forschung, Design und User Experience kommen mit regionalen Spezialisten, inter-nationalen Wissenschaftlern oder Start-ups zusammen, um für die Marken zukunftsfähige Mobilitätsvisionen für ihre jeweiligen Märkte zu erarbeiten.

Neue Generationen2019 konnten wir die ersten dieser Leuchttürme prä-sentieren. Dazu zählt GEN.TRAVEL. Hier fragen wir, wie Reisende 1.000 Kilometer in 10 Stunden zurücklegen können – quasi im Schlaf und dazu vollständig klima-neutral. 2020 werden wir einen Prototyp präsentieren, der in einigen Jahren eine Alternative zu Kurzstrecken-flügen sein könnte. GEN.URBAN ist für asiatische Groß-städte konzipiert und vollständig vernetzt. Ein persönli-cher digitaler Assistent und eine automatisierte Steuerung ermöglichen es auch Menschen mit Behinderungen, individuell mobil zu sein. Auch hierzu wollen wir 2020 ein Design-Konzept in einem Simulationsumfeld vor-stellen. GO.GREEN beschäftigt derzeit das Innovation Center in Kalifornien. Unser Ziel ist ein Produkt, das zu 100 Prozent aus nachhaltigen Materialien gebaut ist und über den gesamten Lebenszyklus eine neutrale CO2-Bilanz aufweist. Natürlich machen wir bei Qualität und Sicherheit keine Kompromisse. Wir wollen Nachhal-tigkeit neu denken und neue Wege der Demokratisie-rung nachhaltiger Mobilität aufzeigen.

Ein weiterer wichtiger Organismus, der in unserem Innovationsökosystem entstanden ist, ist das Group Future Heads Network, das mittlerweile über 500 Köpfe aus den unterschiedlichsten Konzernbereichen, Marken und

Regionen umfasst. Unsere Future Heads sind Menschen, die extrem lösungsorientiert denken und Entwicklungen antizipieren können. Das Netzwerk treibt insbesondere hierarchie- und funktionsübergreifenden Aus tausch von Wissen und wechselseitige Förderung voran. Die interna-tionale Gemeinschaft entwickelt Zukunftsszenarien – „Futures“ – sie denkt sich in diese hinein, spielt sie durch und leitet Erkenntnisse ab. Dabei behalten die jungen Talente und erfahrenen Kräfte im Blick, was schützens-wert ist und welcher neue Ansatz skalierbar wäre.

Wir befinden uns mitten in der Transformation – das gilt auch für die Volkswagen Group Innovation. Gemein-sam wollen wir Produkte und Services erdenken für Menschen in den Ballungszentren und auf dem Land, für junge Menschen, die keine Autos mehr besitzen, ebenso wie für alte und eingeschränkt mobile Menschen, die am gesellschaftlichen Leben teilhaben wollen und sollen. Unser Innovationsökosystem wird die Zukunftsfähigkeit des Konzerns gewährleisten. Unsere Aufgabe ist es, den Wandel zu ermöglichen und zu gestalten – damit die Transformation des Volkswagen Konzerns zum Mobili-tätsanbieter für heutige und zukünftige Generationen gelingt. Ob es uns in 50 Jahren noch geben wird? Davon bin ich überzeugt. Allerdings wird der Konzern eine ande-re Struktur haben. Eine, die regionale Lebens- und Wirt-schaftswelten sowie deren globale Auswirkungen besser abbilden kann als heute.

Dr. Axel Heinrich, 56, verantwortete als Leiter in den vergangenen knapp vier Jahren den Umbau der Konzern­

forschung der Volkswagen Aktiengesellschaft zur Group Innovation. Ein kluger Zug: Auch in seiner neuen Rolle in der

Nutzfahrzeugentwicklung wird er so die Zukunft der Mobilität im konzernweiten Innovationsökosystem mitgestalten.

„Wir werden den Innovationsprozess

für alle unsere Marken antreiben.“

Unterwegs in gemeinsame Zukünfte

Mit neuen Partnern, vernetztem Denken und einem Fokus auf Schlüsseltechnologien treibt der Konzern Innovationen weltweit voran – und erneuert dabei auch sich selbst.

„Probleme kann man niemals mit derselben

Denkweise lösen, durch die sie

entstanden sind.“Albert Einstein,

(1879–1955), der wohl berühmteste Physiker der

Neuzeit. Seine Forschungen zu Materie, Raum und Zeit

stellten das bis dahin gültige Weltbild infrage.

W E LT W I R T S C H A F T I M W A N D E LDas Group Future Heads Network hat 2019 die Initiative „Future of the Global Economy“ gestartet. Ein interdisziplinäres Team beschäf-tigt sich in dem Projekt mit der Frage, was Business Ökosysteme angesichts der sich wandelnden Weltwirtschaft ab 2035 erfolgreich und widerstandsfähig macht. Dafür entwickelt es zunächst anhand makroökonomischer und geopo-litischer Kennzahlen vier global gültige Muster.

N E U E K O O P E R AT I O N E NEin wichtiges strategisches Element der neu ausgerichteten Volks-wagen Group Innovation ist das Venturing: Hierbei beteiligt sich ein Unternehmen an existierenden Firmen oder gründet mit starken Part-nern neue. Ziel eines Ventures ist es, Know-how zu vernetzen und Risiken zu teilen. Ende August 2019 hat sich Volkswagen eine Minder-heitsbeteiligung an dem Technologie-Unternehmen SeeReal Techno-logies S.A. gesichert. Die Beteiligung fördert den Zugang des Konzerns zu wegweisender Augmented Reality (erweiterte Realität) im Bereich zukünftiger dreidimensionaler und holografischer Anzeigetechnolo-gien im Auto. SeeReal bringt Holografie-Expertise für digital erwei-terte Realitäten ein, der Volkswagen Konzern kennt die Anforderungen von Fahrern und Passagieren an Displays in Fahrzeugen.

Ein weiteres Venture hat der Volkswagen Konzern im September 2018 mit einer Investitionssumme von rund 100 Millionen US-Dollar deutlich ausgebaut. Der Konzern wurde damit einer der größten Anteilseigner des kalifornischen Technologieunternehmens Quantum- Scape. Ein neues 50/50-Gemeinschaftsunternehmen von Volkswagen und QuantumScape soll Feststoffbatterien in Serie fertigen. Die Tech-nologie der Feststoffbatteriezelle gilt als zukunftsweisend. Sie bietet gegenüber der aktuell genutzten Lithium-Ionen-Technologie mehrere Vorteile, darunter höhere Energiedichte, bessere Schnellladefähigkeit und einen deutlich geringeren Platzbedarf.

7 . 6 3 9 PAT E N T E auf Erfi ndungen seiner Mit-arbeiter hat der Volkswagen Konzern 2018 weltweit schützen lassen, das sind 1.073 mehr als im Vorjahr. Rund die Hälfte der Patente wurde in Deutschland angemeldet. Ein immer größerer Teil entfällt auf wichtige Zukunftsfelder wie Fahrerassistenzsysteme und Automatisierung, Kon-nektivität, alternative Antriebe sowie neue Werkstoff e, smarte Produktionsverfahren und Mobilitäts-Services. 2008 2010 2012 2014 2016 2018

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2.000

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8.000

Seit fast zehn Jahren betreuen IP-Experten an unseren Standorten in China und den USA die Erfi nder vor Ort.

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Frau Ministerin, welche Gruppen sind in Chile am stärksten durch den Klimawandel gefährdet?Carolina Schmidt: Diejenigen, die von der Landwirt-schaft leben. Seit zehn Jahren erlebt das Zentrum Chiles eine „Megadürre“. Dieses Phänomen, das schlimmste seit 60 Jahren, hat zur Ausrufung einer „landwirtschaft-lichen Notstandszone“ geführt, die 6 der 16 Regionen des Landes umfasst. 2019 war eines der trockensten Jahre in sechs Jahrzehnten. Früher haben wir in Chile so getan, als hätten wir Wasser im Überfluss, aber der Klimawandel und die globale Erwärmung haben unser Land wahr-scheinlich für immer verändert. Der Klimawandel wird bleiben. Er ist Teil der gegenwärtigen und zukünftigen Realität Chiles und sollte daher jedem wichtig sein, dem das Land am Herzen liegt.Im März 2019 haben Sie in einem YouTube­Video die Chilenen aufgefordert, nicht länger als drei Minuten zu duschen, um Wasser zu sparen. Warum? Weil es sensibilisiert und auf einfache Weise eine klare Botschaft sendet. Es verbindet diese beiden Probleme – die Megadürre und die Wasserverschwendung – und es zeigt einen Weg auf, wie jeder etwas dagegen tun kann.

„Der Klimawandel wird bleiben“

Chile ist stark vom Klimawandel betroffen – und besitzt zugleich dank seiner Lithiumressourcen einen Schlüssel zu Elektrifizierung und Dekarbonisierung. Umweltministerin Carolina Schmidt

spricht über Klimagerechtigkeit, ihre Sicht auf die Verantwortung multinationaler Unternehmen und die Chancen internationaler Konferenzen wie COP25.

I n t e r v i e w Daniel Kastner

Wie definieren Sie Klimagerechtigkeit?Klimagerechtigkeit bedeutet, die Schwächsten bei der Anpassung zu unterstützen: die Bauern, aber auch alte Menschen und Kinder, die anfälliger für Hitzewellen sind. Es bedeutet, Schadstoffemissionen zu verhindern, die ihre Gesundheit beeinträchtigen, und einen Schwerpunkt auf die Verbesserung öffentlicher Dienstleistungen wie Mobilität und Abfallmanagement zu legen. Insbesondere in Chile müssen wir auch die Verschmut-zung in Gebieten beseitigen, die wir zum Beispiel für Ener-gieversorgung nutzen und die dadurch dauerhaft von Umweltschäden betroffen sind.Was tut die chilenische Regierung noch, um sich dem Klimawandel entgegenzustellen oder seine sozialen Auswirkungen zu mildern? Wir wollen bis 2040 die thermoelektrischen Kraftwerke schließen und Energieausschreibungen durchführen, die Energie reduzieren und sauber machen. Die Elektrifi-zierung der öffentlichen Mobilität ist derzeit im Gange.

F

Carolina Schmidt inmitten von Solar­kollektoren auf dem Dach des Umwelt­

ministeriums in Santiago de Chile.

Carolina Schmidt, 52, ist seit 2018 Umweltministerin von Chile und saß im Dezember 2019 der 25. Klimakonferenz

der Vereinten Nationen (COP25) in Madrid vor. Zuvor bekleidete sie verschiedene Managementposten im Privatsektor und der Medienbranche. In der ersten Regierung von Sebastián

Piñera (2010–2014) war sie Ministerialdirektorin der National­behörde für Frauen sowie Bildungsministerin. Sie hat einen

Abschluss als Wirtschaftsingenieurin.

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Sind diese Maßnahmen erfolgreich?Sie lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen um-setzen – deshalb haben wir die endgültigen Schließungs-daten auf verantwortliche Weise festgelegt. Wir haben ein Investitionsdefizit bei der Stromüber tra gungs infra struk-tur, die für eine größere Verbreitung der erneuerbaren Energien unerlässlich ist. Wir müssen den Regulierungs-rahmen modernisieren, und es fehlt an wirt schaftlichen oder regulatorischen Instrumenten, um die Kosten der Treib hausgasemissionen zu berücksichtigen. Welche Verantwortung tragen multinationale Unter­nehmen wie der Volkswagen Konzern im Zusammen­hang mit dem Klimawandel und seiner Eindämmung? Große Unternehmen sollten alles tun, um neuen Anfor-derungen gerecht zu werden und neue Produktionen zu ermöglichen – und nicht versuchen, einen Status quo hinauszuzögern, der profitabel, aber auf lange Sicht schädlich ist. Die Autohersteller und insbesondere Volks-wagen, der die „Mobilität für jedermann“ im Namen trägt, haben eine Verantwortung, die Mobilität sauber und für viele Menschen erschwinglich zu machen – das gilt

Wie wirkt sich die Ausbeutung von Lithium auf Umwelt, Nachbargemeinden und Wirtschaft aus?Die Ausbeutung von Lithium und seine Verarbeitung zu Endprodukten sollten wir als Chance für die Industria-lisierung, für Investitionen und für die Diversifizierung der Wirtschaft betrachten. Aber unser Ziel muss es sein, über den „Export-Extraktivismus“ hinauszugehen, das heißt: Rohstoffe im Land zu halten und hier auch zu ver-arbeiten. Wir wollen, dass der private Sektor diese Rolle übernimmt. Der Staat wird den Rahmen für den ordent-lichen Abbau setzen, aber er kann auch denjenigen Anreize bieten, die an diesem Wandel mitwirken wollen. Sind in Chile schon viele Elektroautos unterwegs?Elektroautos sehen wir kaum, eher Dutzende als Hun-derte davon in den Parkhäusern. Aber Elektromotorräder aus China werden immer beliebter. Und im öffentlichen Verkehr beginnen wir, die Flotte der Hauptstadt auf Strom umzustellen. Der Präsident hat Chiles Willen zum Aus-druck gebracht, dass bis 2040 alle öffentlichen Verkehrs-mittel elektrisch fahren. Hoffentlich können wir dieses Ziel früher erreichen.Welche Partnerschaften sind nötig, um den Klima­wandel abzumildern?Dieses Bündnis braucht einen Kompass, einen Leitstern – und das ist der Kohlenstoffhaushalt, innerhalb dessen sich die chilenische Wirtschaft von nun an Jahr für Jahr bewegen wird. Um uns erfolgreich an den Klimawandel anzupassen, müssen wir prüfen, wer welche Optionen hat und welche Beiträge leisten kann: die Verbraucher, die Zivilgesellschaft, der Privatsektor und die politi-schen Entscheidungsträger.Können internationale Konferenzen wie die COP25 zu mehr Klimagerechtigkeit beitragen?Sie können wirksame und vergleichbare Verfahren verein-baren, wie Stakeholder-Dialoge und öffentliche Konsul-tationen zwischen der Regierung und gesellschaftlichen Akteuren – so wie es die Konvention und das Pariser Abkommen bereits festgelegt haben. Dieses Abkommen ist im Grunde eine internationale Umweltnorm, die erste mit messbarem Bezugspunkt. Wir müssen globale öko-nomische Instrumente vereinheitlichen – zum Beispiel die vielfältigen Möglichkeiten, die Umweltverschmutzung zu beziffern. So könnten sie dann weltweit Länder und Gesellschaften entschädigen, die wenig zur Verschärfung der Klimakrise beitragen, aber am meisten unter den Folgen leiden. ‹

„Früher haben wir in Chile so getan,

als hätten wir Wasser im Überfluss.“

für die private und öffentliche Mobilität. Sie sollten übrigens ein „Greenwashing“ vermeiden und nicht etwa marginale Verbesserungen bereits als die notwendigen radikalen Veränderungen darstellen.Hilft E­Mobilität, den Klimawandel einzudämmen, oder schafft sie eher neue Probleme in Chile?Es ist zweifellos eine Lösung für die Nachfrage nach Mobilität, insbesondere für die öffentliche Mobilität. Wenn sie sich nur auf die private Mobilität konzentrieren wür-de, würde sich das Stauproblem verschärfen. Die Gewin-nung von Lithium ist ein anderes Thema, das immer wichtiger wird. Hier müssen Gesetzgebungs- und Folgen-abschätzungsverfahren in Chile ebenso zum Normal-fall werden wie die Beteiligung der Öffentlichkeit.

„Sieben der zehn größten CO₂-Emittenten in Europa sind

deutsche Kohlekraftwerke. In Wolfsburg ersetzen wir unse-re zwei Kohlekraftwerke durch

Gas-und-Dampfturbinen. Ab 2022 sparen wir damit 60 Prozent CO₂

ein – das entspricht dem Aus-stoß von 870.000 Autos.“

Dr. Herbert Diess,Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG

Klimagerechtigkeit: Verursacher, Verbraucher, Verlierer

Die Folgen des Klimawandels werden ärmere und reichere Länder, aber auch ältere und jüngere Generationen oder Frauen und Männer unterschiedlich stark treffen. In der Diskussion um

Klimagerechtigkeit stehen die Rechte der Menschen im Fokus, die besonders gefährdet sind.

W I E V I E L D E S W E LT W E I T E N C O ₂ - A U S S T O S S E S H A B E N S I E E R L E B T ?Der Großteil aller anthropogenen CO2-Emissionen wurde erst in den vergangenen 100 Jahren ausgestoßen – also größtenteils erst zu unseren Lebzeiten. Die folgenden Personen stehen repräsentativ für die Altersgruppen 15, 50 und 80 Jahre.4

W E R F Ö R D E R T L I T H I U M ?Noch ist das Leichtmetall für die Elektromobilität unentbehrlich und spielt damit zumindest kurz-fristig eine Schlüsselrolle bei der CO₂-Reduktion im Verkehrssektor.Länder nach Fördermenge 2018, in Tonnen 3

China

8.000

Argentinien

6.200

Simbabwe1.600

W E N T R I F F T D E R K L I M A W A N D E L ? Hitze, Dürren, Stürme: Der Globale Klima-Risiko-Index zeigt die am stärksten betroff enen Länder und ihre wirschaftlichen Schäden im Jahr 2018.1

Rang Land Schäden (Mio. USD) 1 Japan 35.8392 Philippinen 4.5473 Deutschland 5.0394 Madagaskar 5685 Indien 37.8086 Sri Lanka 3.6277 Kenia 7088 Ruanda 939 Kanada 2.28210 Fidschi 119

WER STÖSSTWI E VI EL AUS?Anteile einzel-ner Länder am weltweiten CO₂-Ausstoß 2018 in Prozent. Die Ge-samtmenge betrug 36,6 Milliarden metrische Tonnen.2

2,1

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Fran

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Chile

Greta Thunberg, 17, schwedische Klimaaktivistin,

hat schon etwas mehr als 30 Prozent aller jemals

ausgestoßenen CO2-Emissionen miterlebt.

Carolina Schmidt, 52, Umweltministerin von Chile, war schon bei ungefähr drei

Vierteln aller jemals ausgestoßenen

CO2-Emissionen dabei.

Klaus Töpfer, 81, erster deutscher Umwelt-

minister, hat in seinem bisherigen Leben sogar schon

fast 90 Prozent aller CO2-Emissionen miterlebt.Q

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Chile

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12 Shift

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Die Balance halten: Welche Regeln brauchen wir für KI­Anwendungen in Produkten und Dienst­

leistungen? Und wer sollte sie definieren? Ein

heißes Thema.

24. Januar 201924. Januar 2019Wir brauchen alle Arten von Regeln für KI und Algo-rithmen: von Best Practices in Unternehmen bis hin zu staatlicher Regulierung. Heute war ich auf einem Panel in Davos und sprach mit einem hochrangigen Vertreter der Industrie über die Notwendigkeit, Technologien zur Gesichtserkennung zu regulieren. Wir waren uns einig, dass diese KI-Anwendung aufgrund ihrer möglichen negativen Auswirkungen auf bürgerliche Freiheiten reguliert werden sollte. Denken Sie an Überwachung auf der Straße.

Ohne Regulierung erhalten Unternehmen keine Auf-träge. Deswegen haben wir aus diesem Panel heraus ein von Frankreich geleitetes Projekt aufgesetzt mit dem Ziel, Richtlinien für die staatliche Anwendung der Tech-nologie festzulegen und Bürgerrechte zu schützen.

30. Mai 201930. Mai 2019Die USA, China und die EU gehen bei der Anwendung und großflächigen Einführung von KI unterschiedliche Wege. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir zu Richtlinien gelangen, denen alle zustimmen. Wenn wir jedoch die Pekinger KI-Richtlinien mit denen vergleichen, die in Euro-pa und den USA entwickelt wurden, können wir Paralle-len erkennen. Kai-Fu Lee, einer der Co-Vorsitzenden des Global AI Council, riet heute dazu, sich auf Gemeinsam-keiten zu konzentrieren. Ich denke, er hat recht: Europa wird eine wichtige Rolle spielen, weil, wie im Fall der

Ein Plädoyer für KI­Governance

Multistakeholder-Plattformen sind beliebt, um Probleme und Themen von globalem Ausmaß anzugehen. Die ehemalige Richterin Kay Firth-Butterfield führt für das World

Economic Forum die Diskussion über ethische Rahmenbedingungen für künstliche Intelligenz (KI). Auf Bitte von Shift beschreibt sie hier einige Meilensteine des vergangenen Jahres.

DSGVO, andere Länder die europäischen Regeln für KI übernehmen werden.

20. September 201920. September 2019Die britische Regierung hat Richtlinien für die KI-Be-schaffung veröffentlicht. Sie wurden von unserem Team beim World Economic Forum gemeinsam mit Partnern aus dem öffentlichen und privaten Sektor entwickelt. Über zehn Monate haben wir uns in Workshops und Interviews mit verschiedenen Interessengruppen aus-getauscht. Die Richtlinien enthalten die Anforderungen, die ein Beamter berücksichtigen sollte, bevor er KI- Lösungen und -Dienste einkauft und einsetzt. Zudem formulieren sie Fragen zur Entwicklung von KI und zur Verwendung und Verarbeitung der Daten, die Anbieter beantworten sollten. Als Erste werden Großbritannien und die Vereinigten Arabischen Emirate die Richtlinien implementieren.

20. Oktober 201920. Oktober 2019Der Einsatz von KI in allen Branchen nimmt zu – und stellt uns vor große Herausforderungen. Der Hype auf dem Markt für KI-Start-ups und der Wettbewerb ums Geld sind groß. Einigen Marktteilnehmern fällt es schwer zu erkennen, dass ihre Marke profitieren kann, wenn sie KI ethisch und verantwortungsvoll entwickeln und einsetzen. Oft verstehen sie nicht, wie der Markt funk-tioniert oder was bei der Nutzung von KI auf dem Spiel steht. Heute haben wir ein KI-Toolkit für Unternehmen

152019

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Kay Firth-Butterfieldist Head of Artificial Intelligence and Machine Learning des

World Economic Forum, stellvertretende Vorsitzende der IEEE Global Initiative on Ethics of Autonomous and Intelligent

Systems, Associate Tenant bei Doughty Street Chambers und Fellow an der University of Cambridge und der University of

Texas. In den letzten drei Jahrzehnten war Kay auch als Executive Director, Rechtsanwältin, Richterin und Professorin tätig.

vorgestellt, das dieses Verständnis fördern soll. So emp-fehlen wir ihnen, Gremien zu etablieren, die bei ethischen Fragen zu KI beraten können, und ein Whistleblower- System aufzubauen. Jeder sollte sich sicher fühlen, wenn er Zweifel vorbringen möchte. Und wir empfehlen, dem KI-Entwicklungsteam einen Ethik-Spezialisten zur Seite zu stellen.

5. November 20195. November 2019Jeden Tag tauchen neue KI-Anwendungsszenarien auf: Wer sind die wichtigsten Stakeholder, die wir anhören müssen für die Regulierung von KI? Was sind ihre Bedürf-nisse und Ängste? Mit diesen Fragen haben wir uns in einem Projekt mit der neuseeländischen Regierung befasst. Sollten existierende Behörden die Regulierung verant-worten – oder brauchen wir eine neue Institution? Wie sieht der Regulierer der Zukunft aus?

24. Januar 202024. Januar 2020Unser Rahmen für den Einsatz ethischer KI durch Unter-nehmen in Singapur wurde nach einer umfassenden Pilot-phase freigegeben. Es hilft Unternehmen zu verstehen, was die Regierung von ihnen erwartet, überlässt ihnen aber die Entscheidung, wie sie KI gemäß dem Rahmen-werk verwenden. Dieses Beispiel beschreibt die Haltung des Global AI Council zur Regulierung: Wir empfehlen im Großen und Ganzen keine Regulierung – mit einer Aus-nahme bei der Gesichtserkennung. Da KI selbstlernend ist, halten wir es für besser, weiche Gesetze zu erlassen.

KI-Regulierung – Stand der

Diskussion

Die Europäische Union schreitet voran und positioniert sich strategisch bewusst anders als die USA, wo bis 2019 vor allem die Privatwirt-

schaft eigene Leitlinien entwickelt hat, und China, wo der Staat großes Interesse hat, private und öffentliche Investitionen in KI zu steuern.

ChinaVor allem die Städte Beijing und Shenzhen setzen Maßstäbe. Die Beijing AI Principles

fordern etwa, dass Forschung und Entwick-lung, Anwendung und Überwachung der

KI Gutes bewirken sollen – für die chinesische Gesellschaft, die gesamte Menschheit und

die Umwelt. Das Design der KI müsse ethische Anforderungen erfüllen, indem es Vorurteilen

und Diskriminierung entgegenwirke, divers und inklusiv sei.

Europäische UnionDie Europäische Kommission hat im April 2019 erstmals nicht bindende ethische Richtlinien für vertrauenswürdige KI veröffentlicht. Ihr elementares Prinzip: KI soll immer mit Blick

auf menschliche Werte entwickelt, angewendet und kontrolliert werden. Im Februar 2020 hat die Kommission ein Weißbuch vorgelegt, auf

das ein Konsultationsprozess folgen wird.

Vereinigte Staaten von AmerikaSeit Mai 2019 liegt dem US-Kongress der

Artificial Intelligence Initiative Act vor. Der Gesetzentwurf fordert unter anderem, dass der Präsident eine nationale Initiative für

Forschung und Entwicklung zu KI ins Leben ruft. Sie soll vor allem dafür sorgen, dass aus-reichend KI-Fachkräfte zur Verfügung stehen.

Mobilität, Maschinen und MoralEine Facette der Digitalisierung ist die künstliche Intelligenz (KI). Entwickler wollen die

Potenziale von KI für Mobilitätslösungen ausschöpfen, zugleich sollen sie das Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit und Datensouveränität achten. Dafür brauchen sie Orientierung.

PROZESSE IN DER ENTWICKLUNGEntsprechend den Anforderungen des Monitors Larry D. Thompson hat der Volkswagen Konzern Strukturen geschaffen, in denen die Zuständigkeit für die Produktentwicklung organisatorisch von der Zertifizierungsprüfung und -überwachung getrennt wird. Das gemeinsame Ziel, die Sicherstellung der Entwicklung vor schrif ten -konformer Produkte, bildet den Kern des 2019 aufgesetzten Pro-duct Compliance Management System.

Ingenieure sind weiterhin verantwortlich, sich über die für ihre Arbeit relevanten Regeln und Gesetze zu informieren, diese zu interpretieren und im Entwicklungsprozess zu berücksichtigen. Dabei werden die Ingenieure durch einen neuen Bereich in der Technischen Entwicklung unterstützt. Dort recherchieren Vorschrif-ten-Koordinatoren externe und interne Anforderungen, werten diese im Austausch mit den Vorschriften-Experten der entwickeln-den Fachbereiche aus und übersetzen sie in Leitlinien für die Marken – bei Bedarf mit Unterstützung des Rechtswesens. Die Marken sind verpflichtet zu prüfen, dass ihre Fahrzeuge für jeden Markt weltweit alle dort geltenden Gesetze und Vorschriften erfül-len. Über die Vorschriften-Experten können Entwickler ihr Feed-back in die Arbeitsgruppen einspielen und offene Punkte klären.

„Die Debatte über KI und Mobilität dreht

sich häufig um autonomes Fahren.

Doch das ist nur eines von unzähligen

Anwendungs-szenarien von intelligenten

Technologien in der Automobilbranche.“

Anja Hendel, Managing Director der Konzerntochter diconium

W A S I S T K I ?Eine allgemeingültige Defi nition von künstlicher Intelligenz gibt es nicht. Die KI-Strategie der deutschen Regierung nimmt KI als Lösung von konkreten Anwen-dungsproblemen in den Fokus, bei der Methoden aus der Mathematik und Informatik zum Einsatz kom-men. Für Systeme, die zur Selbst-optimierung fähig sind, werden auch Aspekte menschlicher Intelli-genz nachgebildet.*

V E R A N T W O R T U N G Ü B E R N E H M E NDer Volkswagen Konzern plant, mit den Partnern Ford und Argo AI die Entwicklung des auto no-men Fahrens voranzutreiben. Dazu wurde im Oktober 2019 eine neue Tochter, die Volkswagen Autonomy GmbH, als Kompetenzzentrum für Autonomes Fahren ab Level 4 gegründet. Mit der technischen Entwicklung gehen ethische und rechtliche Fragen einher. In Deutschland sind sich Politik und Automobilindustrie einig, dass für Schäden durch aktivierte automatisierte Fahrsysteme die gleichen Grundsätze wie in der übrigen Produkthaftung gelten sollen.Q

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Der zweite Prüfer Volkswagen veröffentlicht die Nachricht, dass das Unternehmen mit der US-Umweltbehörde eine Vergleichsvereinbarung geschlossen hat, aufgrund derer ein zweiter Auditor für den Volkswagen Konzern beauftragt wurde. Diese Vereinbarung wurde von Volkswagen abgeschlossen, um nicht von öffentlichen Aufträgen in den USA ausgeschlossen zu werden. Dieses zweite Auditorship ist auf drei Jahre angelegt.

Verfahren der besonderen ArtIm Kapitalanleger-Musterverfahren gegen Volkswagen AG und Porsche Automobil Holding SE geht es darum, ob die Unternehmen ihre Veröffentlichungspflichten gegen-über Anlegern und Kapitalmarkt erfüllt haben. Am fünften Verhandlungstag legt das zuständige Gericht seine vorläufige Einschätzung dar, dass es für die Kenntnis der Situ a-tion nicht allein auf den Vorstand ankomme, sondern auch auf das mögliche Wissen von einzelnen Mitarbeitern. Diese entspricht nicht der überwiegenden Auffassung in Recht sprechung und Literatur. Mit seiner Auffassung steht das Gericht außerdem im Widerspruch zur etablierten Praxis der BaFin und in börsennotierten Unternehmen. Vor diesem Hintergrund halten die Beklagten den Vorwurf einer möglichen Verletzung kapital marktrechtlicher Informationspflichten weiterhin für unbegründet.

Beginn der mündlichen VerhandlungAm ersten mündlichen Verhand-lungstag der Musterfeststellungs-klage (MFK) gegen die Volkswagen AG behandelt das Oberlandes-gericht Braunschweig vorrangig Fragen zur Zulässigkeit der Fest-stellungsziele und gibt eine erste Einschätzung zum materiellen Recht ab. Die Musterfeststellungs-klage der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) umfasst Dieselfahrzeuge mit Motoren des Typs EA 189.

Das vierte JahrWährend der Volkswagen Konzern einen Großteil seiner Kraft in die Transformation

steckt, gehen juristische Auseinandersetzungen weiter.

Einigung Die Parteien im Musterfeststellungsverfahren einigen sich auf den ausge-handelten Vergleich in der Größenordnung von 830 Millionen Euro. Die Lösung gewährleistet eine transparente und einfache Abwicklung für vergleichs-berechtigte Verbraucherinnen und Verbraucher.

„Gemeinsam mit dem vzbv haben wir eine faire und praktikable Vergleichslösung erreicht. Wir bedanken uns beim OLG-Präsidenten für das konstruktive Vorgehen als Güterichter.“ Hildtrud D. Werner, Vorstandsmitglied für Integrität und Recht

Anklage wegen sogenannter Marktmanipulation Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat Anklage gegen den amtierenden und einen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden sowie ein ehemaliges Vorstandsmitglied (heuti-ger Aufsichtsratsvorsitzender) der Volks-wagen AG wegen sogenannter Marktma-nipulation im Zusammenhang mit der Dieselthematik erhoben und die Neben-beteiligung der Volkswagen AG im Ver-fahren beantragt. Die Volkswagen AG ist davon überzeugt, dass die Vorwürfe unbegründet sind.

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90 Tagemehr Zeit hat der Volkswagen Konzern im Oktober 2019 erbeten und bekommen, um die umgesetzten

Maßnahmen, einschließlich der Empfehlungen des Monitors, umfassend testen zu lassen und gegebenenfalls korrigieren zu können. Ursprünglich sollte der Abschlussbericht im April 2020 vorliegen.

426.000 Mitarbeiterin 18 Ländern haben bereits im Rahmen des Together4Integrity Programms Compliance-Schulungen absolviert.

Bis Mitte 2025 sollen alle rund 650.000 Beschäftigten die Schulungen durchlaufen haben.

29 Prozesse im Personalwesenhat der Konzern neu aufgesetzt. Von der Einstellung bis zur Führungskräfteentwicklung und bei der Festlegung

von Bonuszahlungen ist Integrität nun auch als formales Kriterium zu berücksichtigen.

Etwa 90 Prozent der Hinweisgeberermöglichen dem Aufklärungs-Office, mit ihnen in Kontakt zu treten. Das zeigt, dass die Belegschaft mit dem

Hinweisgebersystem und den zugrunde liegenden Verfahrensweisen vertraut ist. Zudem ist dies ein Beleg dafür, dass die Mitarbeiter im Sinne einer Speak-up Culture motiviert sind, aktiv zum Abstellen von Fehlverhalten beizutragen.

903 Verweise und Abmahnungensowie 204 Entlassungen gab es in 51 Gesellschaften des Konzerns allein im ersten Quartal 2019: Gründe waren

zum Beispiel unentschuldigte Fehltage, aber auch Verstöße gegen den Code of Conduct des Volkswagen Konzerns.

Fazit von Dr. Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender des Volkswagen Konzerns, im November 2019

„Mit unserem Compliance-Programm gehen wir über die Anforderungen des Monitors hinaus und sind auf einem guten und nachhaltigen Weg

zu einer anderen Unternehmenskultur. Larry Thompson agiert professionell und rational. Gleichzeitig geht er auf unsere Bedürfnisse ein. Ich freue

mich darauf, dem Monitor weiterhin zu zeigen, was wir geleistet haben.“

Thompsons MonitorshipSeit Juni 2017 ist Larry D. Thompson als unabhängiger Compliance-Monitor und -Auditor bei

Volkswagen bestellt. Zu seinen Aufgaben zählen Maßnahmen zur weiteren Stärkung der Compliance und der Berichts- und Kontrollsysteme bei Volkswagen sowie die Implementierung

eines erweiterten Programms für Compliance und ethisches Verhalten. Einige Meilensteine hat das Unternehmen erreicht, andere hat es bis zum Abschluss des Monitorships noch vor sich.

Page 11: Shift...Nun kann man fachsimpeln, ob damit nicht vielmehr ein Purpose beschrie-ben ist und inwiefern das den Zeitgeist besser trifft. Welchen Buzzwords wir auch anhängen, am Ende

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