sind bewegungsmuffel auch sportmuffel?

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Z Gerontol Geriat 1 2009 S. Becker M. Zimmermann-Stenzel Sind Bewegungsmuffel auch Sportmuffel? Sport, Übergewicht und körperliche Mobilität in der Gruppe der 50- bis 70-jährigen baden-württembergischen Bevölkerung Z Gerontol Geriat 42:20–27 (2009) DOI 10.1007/s00391-008-0568-1 ORIGINALARBEIT Eingegangen: 7. Dezember 2007 Akzeptiert: 26. Mai 2008 Online publiziert: 15. September 2008 Dipl. Soz.-wiss. Simone Becker ( ) ) Monique Zimmermann-Stenzel Stiftung Orthop. Universitätsklinik Heidelberg Forschung Schlierbacher Landstr. 200 a 69118 Heidelberg, Germany Tel.: +49-6221/96-9255 Fax: +49-6221/96-9288 E-Mail: [email protected] No sports = no exercise? – Sports, overweight and physical activity in the 50–70 age group in Baden-Württemberg " Zusammenfassung Da erwiese- nermaßen mit zunehmendem Al- ter die sportliche Aktivität ab- nimmt, stellt sich die Frage, ob körperliche Aktivität bzw. Mobili- tät wie spazieren gehen oder Fahrrad fahren zur Fortbewegung im höheren Erwachsenenalter die Sportbetätigung ersetzt oder ob Sportler eher körperliche Aktivi- tät in ihren Alltag integrieren. Ein negativer Zusammenhang zwischen Sportaktivität und Übergewicht, einem wichtigen Ri- sikofaktor für zahlreiche Erkran- kungen, wurde bereits belegt. Ziel der Studie ist es somit, den Zu- sammenhang zwischen spazieren gehen bzw. Fahrrad fahren zur Fortbewegung und Sportaktivität bzw. Übergewicht unter Kontrolle von Drittvariablen zu ermitteln. Die Untersuchung basiert auf einer von der Landesstiftung Baden-Württemberg geförderten repräsentativen Studie von 50- bis 70-jährigen Baden-Württember- gern (N=2002). Belegt wird in den Analysen, dass Personen, die angeben, regelmäßig zur Fortbe- wegung Fahrrad zu fahren, sowie Personen, die regelmäßig spazie- ren gehen, auch unter Kontrolle sozio-demographischer und le- bensstilrelevanter Variablen signi- fikant mehr Sport treiben als Per- sonen, die nicht regelmäßig spa- zieren gehen bzw. regelmäßig das Fahrrad zur Fortbewegung nut- zen. Bezüglich des Zusammen- hangs zwischen körperlicher Ak- tivität und Übergewicht zeigt sich, dass Personen im höheren Erwachsenenalter, die regelmäßig spazieren gehen, häufiger unter Übergewicht leiden, als Personen, die nicht regelmäßig spazieren gehen. Personen dagegen, die re- gelmäßig das Fahrrad zur Fortbe- wegung nutzen, leiden signifikant seltener unter Übergewicht. Personen im höheren Erwach- senenalter, die keinen Sport trei- ben, bewegen sich somit auch nicht als Ausgleich dazu im Alltag mehr; d. h. dass „Sportmuffel“ auch „Bewegungsmuffel“ sind. Da aber aus biologisch-medizinischer Sicht der sportlichen und körper- lichen Aktivität eine gesundheits- erhaltende Wirkung zugeschrie- ben wird, ist es von besonderer Bedeutung, dass auch gerade älte- re Personen körperlich-sportlich aktiv sind. " Schlüsselwörter 50+ – Sport – körperliche Aktivität – Übergewicht – Gesundheit " Abstract Sporting activity is proven to decline with advancing age. But do older adults replace sporting activity with physical ac- tivity like walking and cycling for transportation purposes, and are people with a history of sporting activity more likely to integrate physical activity in their day-to- day lives? There is a proven nega- tive correlation between sporting activity and overweight, a major risk factor for numerous diseases. The purpose of this study was to investigate correlations between walking/cycling for transportation and sporting activity/overweight,

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Z Gerontol Geriat 1 2009

S. BeckerM. Zimmermann-Stenzel

Sind Bewegungsmuffel auch Sportmuffel?Sport, Übergewicht und körperliche Mobilität in der Gruppeder 50- bis 70-jährigen baden-württembergischen Bevölkerung

Z Gerontol Geriat 42:20–27 (2009)DOI 10.1007/s00391-008-0568-1 ORIGINALARBEIT

Eingegangen: 7. Dezember 2007Akzeptiert: 26. Mai 2008Online publiziert: 15. September 2008

Dipl. Soz.-wiss. Simone Becker ())Monique Zimmermann-StenzelStiftungOrthop. Universitätsklinik HeidelbergForschungSchlierbacher Landstr. 200a69118 Heidelberg, GermanyTel.: +49-6221/96-9255Fax: +49-6221/96-9288E-Mail:[email protected]

No sports = no exercise? –Sports, overweight and physicalactivity in the 50–70 age groupin Baden-Württemberg

� Zusammenfassung Da erwiese-nermaßen mit zunehmendem Al-ter die sportliche Aktivität ab-nimmt, stellt sich die Frage, obkörperliche Aktivität bzw. Mobili-tät wie spazieren gehen oderFahrrad fahren zur Fortbewegungim höheren Erwachsenenalter dieSportbetätigung ersetzt oder ob

Sportler eher körperliche Aktivi-tät in ihren Alltag integrieren.Ein negativer Zusammenhangzwischen Sportaktivität undÜbergewicht, einem wichtigen Ri-sikofaktor für zahlreiche Erkran-kungen, wurde bereits belegt. Zielder Studie ist es somit, den Zu-sammenhang zwischen spazierengehen bzw. Fahrrad fahren zurFortbewegung und Sportaktivitätbzw. Übergewicht unter Kontrollevon Drittvariablen zu ermitteln.Die Untersuchung basiert aufeiner von der LandesstiftungBaden-Württemberg gefördertenrepräsentativen Studie von 50- bis70-jährigen Baden-Württember-gern (N=2002). Belegt wird inden Analysen, dass Personen, dieangeben, regelmäßig zur Fortbe-wegung Fahrrad zu fahren, sowiePersonen, die regelmäßig spazie-ren gehen, auch unter Kontrollesozio-demographischer und le-bensstilrelevanter Variablen signi-fikant mehr Sport treiben als Per-sonen, die nicht regelmäßig spa-zieren gehen bzw. regelmäßig dasFahrrad zur Fortbewegung nut-zen. Bezüglich des Zusammen-hangs zwischen körperlicher Ak-tivität und Übergewicht zeigtsich, dass Personen im höherenErwachsenenalter, die regelmäßigspazieren gehen, häufiger unterÜbergewicht leiden, als Personen,die nicht regelmäßig spazierengehen. Personen dagegen, die re-

gelmäßig das Fahrrad zur Fortbe-wegung nutzen, leiden signifikantseltener unter Übergewicht.

Personen im höheren Erwach-senenalter, die keinen Sport trei-ben, bewegen sich somit auchnicht als Ausgleich dazu im Alltagmehr; d.h. dass „Sportmuffel“auch „Bewegungsmuffel“ sind. Daaber aus biologisch-medizinischerSicht der sportlichen und körper-lichen Aktivität eine gesundheits-erhaltende Wirkung zugeschrie-ben wird, ist es von besondererBedeutung, dass auch gerade älte-re Personen körperlich-sportlichaktiv sind.

� Schlüsselwörter 50+ – Sport –körperliche Aktivität –Übergewicht – Gesundheit

� Abstract Sporting activity isproven to decline with advancingage. But do older adults replacesporting activity with physical ac-tivity like walking and cycling fortransportation purposes, and arepeople with a history of sportingactivity more likely to integratephysical activity in their day-to-day lives? There is a proven nega-tive correlation between sportingactivity and overweight, a majorrisk factor for numerous diseases.The purpose of this study was toinvestigate correlations betweenwalking/cycling for transportationand sporting activity/overweight,

21Sind Sportmuffel auch Bewegungsmuffel?

Z Gerontol Geriat 1 2009

while controlling other variables.This representative study, whichincludes 50 to 70 year old peoplefrom Baden-Württemberg, issponsored by the LandesstiftungBaden-Württemberg (N=2002).People who say they use a bicyclefor transportation on a regularbasis, and those who go for walkson a regular basis, are signifi-cantly more likely to engage insports than people who do not gofor walks or cycle regularly. Thecorrelation applies after control-

ling sociodemographic and life-style relevant variables. With re-gard to the correlation betweenphysical activity and overweight,the results show that older adultswho go for walks regularly aremore likely to be overweight thanthose who do not. In contrast,those who use a bicycle for trans-portation on a regular basis aresignificantly less likely to be over-weight.

Older adults who do not workout do not compensate for this by

physical activity in their day-to-day lives, i.e., no work out = nophysical activity. In recognitionof the biological and medical roleof sporting activity and exercisefor preserving health, exercisingand doing sports is of special im-portance especially for olderadults.

� Key words elderly people –physical activity – overweight –health – prevention

Hintergrund und Fragestellung

In den letzten Jahrzehnten haben Industrienationen,wie die Bundesrepublik Deutschland, durch einendeutlichen Anstieg der Lebenserwartung, einem An-stieg der relativen und absoluten Zahlen an älterenMenschen und einem spürbaren Rückgang der Ge-burtenzahlen eine rasante demographische Entwick-lung erfahren [3, 24]. Gleichzeitig haben Infektions-krankheiten, Hunger und Krieg für eine frühe Sterb-lichkeit an Relevanz verloren [18]. Inzwischen stellenKrankheiten des Kreislaufsystems und Neubildungenzusammengenommen die häufigste Todesursachedar [12]. In diesem Zusammenhang und im Zusam-menhang mit der Zunahme des Anteils älterer Men-schen an der Gesamtbevölkerung wächst auch dieBedeutung des Sports zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen speziell für Personen immittleren und höheren Erwachsenenalter. Denn ge-rade koronare Herzerkrankungen gehören zu dendurch den Lebensstil beeinflussbaren Krankheitenund zu der bedeutendsten Gruppe der vermeidbarenTodesursachen [12]. Bewegungsmangel ist zudemein wichtiger Einflussfaktor bei der Entstehung vonOsteoporose, Diabetes, chronischen Krankheiten undmanchen Krebsformen [6, 8, 19, 26]. Menschen, dieeinen aktiven Lebensstil führen, erkranken zudemseltener an chronischen Rückenschmerzen [11] oderArthrose [16]. Ebenso kann durch körperliche Akti-vität Osteoporose-bedingten Frakturen vorgebeugt[7] und die Beweglichkeit im Alter deutlich verbes-sert werden [20]. Auch ökonomische Cost-Benefit-Analysen belegen, dass die Kosten reduzierendenWirkungen sportlicher Betätigung die durch Sportentstehenden Krankheitskosten weit übersteigen[25]. Zudem zeigte sich in einer groß angelegten epi-demiologischen Studie, dass ältere Männer, die regel-

mäßig viel zu Fuß gehen, ein verringertes Risiko ha-ben an koronaren Herzerkrankungen zu leiden alsPersonen, die wenig zu Fuß gehen [10].

Da jedoch erwiesenermaßen gerade Personen immittleren und höheren Erwachsenenalter vergleichs-weise wenig sportlich aktiv sind [1, 5, 22] stellt sichdie Frage, ob körperliche Aktivität 1 im Alltag in deruntersuchten Altersgruppe mit sportlicher Aktivitäteinhergeht oder ob es vor allem die sportabstinentenPersonen sind, die sich im Alltag mehr bewegen,also häufiger spazieren gehen oder das Fahrrad zurFortbewegung verwenden.

Vor dem Hintergrund, dass Übergewicht als medi-zinischer Risikofaktor das Auftreten zahlreicher chro-nisch orthopädischer und kardiovaskulärer Erkran-kungen begünstigt [14] wird dieser bisher unzu-reichend untersuchte Zusammenhang zwischen Über-gewicht und körperlicher Aktivität im Alltag auch auspräventionspolitischer Sicht zu einem bedeutsamenUntersuchungsgegenstand.

Zusammenfassend lassen sich die Ziele der vorlie-genden Studie in der Beantwortung folgender Fragenzusammenfassen:• Besteht ein Zusammenhang zwischen körperlicher

Mobilität im Alltag (spazieren gehen, Fahrrad fah-ren) und der Sportaktivität?

• Existiert eine Beziehung zwischen körperlicherMobilität im Alltag (spazieren gehen, Fahrrad fah-ren) und Übergewicht?

1 Im Folgenden werden die Begriffe körperliche Aktivität undkörperliche Mobilität synonym verwendet, da spazieren gehenund Fahrrad fahren als sportnahe körperliche Aktivitäten ange-sehen werden, die der Fortbewegung dienen.

Studiendesign und Methoden

Datenbasis und Durchführung

Die empirische Basis dieser Untersuchung bilden Da-ten der von der Landesstiftung Baden-Württembergfinanzierten Studie „Ein aktives Leben leben – Alterund Altern in Baden-Württemberg“. Diese Quer-schnittsstudie liefert repräsentative aktuelle und re-trospektive Daten zu Gesundheits-, Aktivitäts- undLebensstilaspekten von Personen im Alter von 50 bis70 Jahren. Die Daten stellen einen repräsentativenBasis-Survey über die körperlich-sportliche Aktivitätälterer Menschen in Baden-Württemberg dar undkönnen als zuverlässige Datenbasis für künftige Prä-ventionsmaßnahmen herangezogen werden.

Im Zeitraum von Mai bis Oktober 2006 wurden982 Männer und 1020 Frauen aus der Zielpopulationmittels eines computerassistierten telefonischen In-terviews (CATI) befragt. Die Telefonstichprobe fürdie Datenerhebung wurde zufällig auf Grundlage desGabler-Häder-Verfahrens gezogen [9]. Um die Reprä-sentativität der Studie für die 50- bis 70-jährige ba-den-württembergische Bevölkerung zu gewährleisten,wurde der Datensatz vor der Durchführung statisti-scher Analysen nach den Variablen Alter, Geschlechtund Schulbildung auf der Basis des Mikrozensus von2004 gewichtet (eine genauere Projektbeschreibungfindet sich in Becker et al. [4]). In Tabelle 1 ist die

Verteilung der zentralen Merkmale der Studienpopu-lation nach Geschlecht dargestellt.

n Operationalisierungen

Abhängige Variablen

Sport wurde als die Ausübung von Sportarten defi-niert, wobei nur Sportarten, die regelmäßig ausgeübtwurden, von Interesse waren. Personen, die angaben,regelmäßig mindestens einmal pro Woche eine Stun-de Sport zu treiben, wurden als Sportler definiertund den Personen, die weniger als einmal pro Wo-che sportlich aktiv sind gegenübergestellt. Zum ei-nen ist eine wöchentliche Sportaktivität als Unter-grenze anzusehen, an der die sportliche Betätigungbeginnt sich nachhaltig günstig auf die Gesundheitauszuwirken.2 Zum anderen ist Sport um so eherBestandteil des Lebensstils, je häufiger sportlicheAktivitäten ausgeübt werden; wobei im Rahmen dervorliegenden Daten eine mindestens wöchentlicheSportaktivität am sinnvollsten zu analysieren ist.

Die zweite abhängige Variable, Übergewicht, wur-de auf Grundlage der WHO-Definition gebildet: AlleBefragten mit einem BMI von mindestens 25 sinddementsprechend als übergewichtig definiert undwerden den Befragten mit einem BMI von unter 25gegenübergestellt [14].

Unabhängige Variablen

Als unabhängige Variablen wurden die alltäglichenkörperlichen Aktivitäten spazieren gehen und Fahr-rad fahren zur Fortbewegung in die Analysen auf-genommen. Die Erfassung dieser alltäglichen körper-lichen Aktivitäten geschah zunächst über eine dicho-tome Antwortvariable: „Im folgenden geht es umFahrradfahren zur Fortbewegung, also zum Einkau-fen, zum Arbeitsplatz, oder ähnliches. Haben Siediese Aktivität innerhalb der letzten 12 Monate re-gelmäßig ausgeübt?“ bzw. „Im folgenden geht es umSpazierengehen in gemütlichem Tempo. Haben Siediese Aktivität innerhalb der letzten 12 Monate re-gelmäßig ausgeübt?“. Dabei war „regelmäßig“ defi-niert als mindestens einmal pro Woche. Unter Rück-griff auf die Begründung für die Definition vonSportlern bzw. Nicht-Sportlern wurde auch zur Defi-

22 S. Becker und M. Zimmermann-Stenzel

Z Gerontol Geriat 1 2009

Tab. 1 Verteilung der zentralen Merkmale in der Studienpopulation nachGeschlecht

Frauen Männer

Schulbildung Hauptschule 64,75% 61,84%Realschule 21,48% 13,69%Abitur 13,77% 24,48%

Altersgruppe 50–54 Jahre 26,03% 24,18%55–59 Jahre 21,74% 22,81%60–64 Jahre 25,26% 24,93%65–70 Jahre 26,98% 28,08%

Fahrrad fahrenzur Fortbewegung

Ja 45,49% 48,96%

spazieren gehen Ja 73,89% 69,99%

Sportaktivität Ja 62,76% 60,19%

Übergewicht Ja 42,26% 62,48%

Tabakkonsum Raucher 23,19% 27,01%

Ernährungs- ungesund 3,54% 4,29%gewohnheiten Mischform 26,47% 40,06%

gesund 69,99% 55,65%

SubjektiverGesundheitzustand

gut 66,80% 70,93%

moderat 26,41% 23,35%schlecht 6,78% 5,71%

Quelle: Ein aktives Leben leben, 2006, eigene Berechnungen

2 Es ist zwar davon auszugehen, dass zusätzliche Bewegung aufjeder Häufigkeitsstufe mit günstigen Gesundheitswirkungen ver-bunden ist (vgl. auch Literaturüberblick [6]). Neuere Empfeh-lungen gehen jedoch dazu über, den Schwellenwert für Häufig-keit und Intensität zunehmend höher anzusetzen. So rät bei-spielsweise das Robert-Koch-Institut: „Eine halbe Stunde Bewe-gung an mindestens 3 Tagen pro Woche bringt schon nachweis-bare positive Effekte für die Gesundheit“ [17].

nition regelmäßiger körperlicher Aktivität eine Gren-ze von mindestens wöchentlicher Aktivität vorgege-ben.

Kontrollvariablen

Der allgemeine Gesundheitszustand wurde im Selbst-auskunftsverfahren auf einer Skala von 1 (=sehr gut)bis 5 (=sehr schlecht) erfasst und für die Analysenzu drei Kategorien zusammengefasst. Für die Erhe-bung von Erkrankungen und Risikofaktoren wurdendie Probanden gefragt: „Wurde bei Ihnen jemalsdurch einen Arzt eine der folgenden Krankheiten di-agnostiziert?“ Als medizinische Risikofaktoren wur-den Hypertonie, Hypercholesterinämie sowie Dia-betes mellitus nach WHO-Standard erfasst und inden durchgeführten Analysen kontrolliert. Der aktu-elle Tabakkonsum wurde in Raucher (täglich und ge-legentlich) und Nichtraucher (ehemalige und Nie-Raucher) kategorisiert.

Die Operationalisierung des Ernährungsverhaltenserfolgte gemäß dem Typisierungsvorschlag von Rei-me et al. [21]. Als gesunde Ernährungsgewohnheitenwurde täglicher Verzehr von Vollkornbrot, Obst, Ge-müse und Fisch sowie nicht-täglicher Verzehr vonFleisch, Frittiertem, Weißbrot und Süßwaren defi-niert. Weniger als drei dieser 8 Ernährungsgewohn-heiten wurden als ungesundes Essverhalten, vier bisfünf als Mischform und mehr als sechs gesundesEssverhalten definiert.

Der Alkoholkonsum wurde in g/Tag erfasst undals „niedrig“ (0–5 g/Tag), „moderat“ (5–30 g/Tag)oder „hoch“ (>30 g/Tag) kategorisiert.

Soziodemographische und sozioökonomische Va-riablen wurden mit einem standardisierten Fragebo-genteil erfasst [2] und ebenfalls als Kontrollvariablenin der Untersuchung berücksichtigt.

n Statistisches Design

Die Effekte des Fahrradfahrens im Alltag bzw. desSpazierengehens sowie der Kontrollvariablen auf dieSportaktivität bzw. das Übergewicht wurden zu-nächst bivariat, je nach Skalenniveau, mit Chi2-Testsoder ungepaartem t-Test ermittelt. Im Falle bivariatsignifikanter Ergebnisse erfolgte mittels logistischerRegressionsanalyse die Untersuchung des Einflussesdes Fahrradfahrens bzw. des Spazierengehens auf dieSportaktivität bzw. das Übergewicht unter Kontrollerelevanter Kovariaten. Ein möglichst parameterspar-sames Vorgehen soll dadurch realisiert werden, dassin der multivariaten Analyse alle in der bivariatenAnalyse nicht signifikanten Variablen und Kontroll-variablen ausgeschlossen werden. Hierbei soll über-prüft werden, inwieweit Fahrrad fahren im Alltag

bzw. spazieren gehen per se Bestimmungsparameterfür die abhängigen Variablen sind oder ob sich ein-zelne Assoziationen durch die Einbeziehung undKonstanthaltung weiterer Variablen auflösen. Für dieverschiedenen zu untersuchenden Zusammenhängewurden mehrere Regressionsmodelle berechnet. InModell 1 (bzw. Modell 4) ist der Zusammenhangzwischen der abhängigen Variablen und dem Fahr-rad fahren zur Fortbewegung bzw. dem spazieren ge-hen unter Kontrolle sozio-demographischer Variab-len dargestellt, in Modell 2 (bzw. Modell 5) erfolgtdie Untersuchung dieser Zusammenhänge unterKontrolle verschiedener lebensstilrelevanter Variab-len (z. B. Tabakkonsum, Ernährungsverhalten, medi-zinische Risikofaktoren). Im Gesamtmodell (Modell3 bzw. Modell 6) wird der Einfluss der jeweiligenunabhängigen auf die abhängige Variable unter Auf-nahme aller bivariat signifikanten Kontrollvariablenermittelt. In die bi- und multivariaten Analysen flos-sen standardgemäß ausschließlich vollständige Da-tensätze ein. Alle Tests wurden zweiseitig mit derSignifikanzgrenze p≤0,05 durchgeführt. Die Ana-lysen wurden mit dem Statistikprogramm SAS forWindows in der Version 9.02 (SAS Institute Inc. Ca-ry, NC 27513, USA) erstellt.

Ergebnisse

n Prävalenzen der Sportaktivität, des Übergewichtsund einzelner körperlicher Aktivitäten

In Baden-Württemberg geben 61,7% der Befragtenim höheren Erwachsenenalter an, mindestens wö-chentlich sportlich aktiv zu sein. 52,3% der Befrag-ten haben jedoch einen BMI von mindestens 25 undsind somit gemäß der aktuellen WHO-Definitionden Übergewichtigen zuzuordnen. Das Fahrrad zurFortbewegung nutzen 47,4% der befragten Personenund in die Kategorie der regelmäßigen Spaziergän-ger lassen sich 72,1% der Personen im höheren Er-wachsenenalter einordnen.

n Bivariate Analysen der Sportaktivitätund des Übergewichts

Bei den bivariaten Analysen zeigt sich sowohl zwi-schen der Sportaktivität und dem Fahrrad fahrenzur Fortbewegung (X2 =97,989; p≤0,0001) als auchzwischen der Sportaktivität und dem spazieren ge-hen (X2 =38,171; p≤0,0001) ein hochsignifikanterpositiver Zusammenhang.

Übergewichtige sind signifikant häufiger den re-gelmäßigen Spaziergängern zuzuordnen als Normal-

23Sind Sportmuffel auch Bewegungsmuffel?

Z Gerontol Geriat 1 2009

gewichtige (X2 =16,733; p≤0,0001). Das Fahrrad zurFortbewegung wird signifikant seltener von Überge-wichtigen genutzt (X2 =5,684; p=0,0113).

Inwiefern körperliche Aktivität wie Fahrrad fah-ren und spazieren gehen ein Ersatz für Sportaktivitätist oder inwiefern sich die sportlich Aktiven auch imAlltag eher körperlich betätigen, wird in den nach-folgenden multivariaten Analysen untersucht.

n Multivariate Analysen

Fahrrad fahren zur Fortbewegungund Sportaktivität

In der logistischen Regressionsanalyse zeigt sich,dass der signifikante Zusammenhang zwischen Fahr-rad fahren zur Fortbewegung und der Sportaktivitätauch unter Kontrolle der bivariat signifikanten Vari-able Schulbildung erhalten bleibt. 50- bis 70-jährigeMänner und Frauen, die das Fahrrad zur Fortbewe-gung benutzen, berichteten 2,6-mal so häufig, dasssie mindestens wöchentlich sportlich aktiv sind wiePersonen, die das Fahrrad nicht regelmäßig im All-tag einsetzen (Tabelle 2, Modell 1). Dieser positiveZusammenhang bleibt auch unter Kontrolle derlebensstilrelevanten Variablen in Modell 2 erhalten

(Tabelle 2, Modell 2). Im Gesamtmodell konnte unterKontrolle aller bivariat signifikanten Variablen ge-zeigt werden, dass Personen, die im Alltag Fahrradfahren, 2,5-mal so häufig den Sportlern zuzurechnensind wie Personen, die nicht regelmäßig das Fahrradzur Fortbewegung nutzen (Tabelle 2, Modell 3).

n Regelmäßiges spazieren gehen und Sportaktivität

Zwischen regelmäßigem spazieren gehen und derSportaktivität bleibt der in der bivariaten Analysestatistisch signifikante Zusammenhang auch unterKontrolle der Schulbildung erhalten. Personen dieregelmäßig spazieren gehen, geben 1,9-mal so häufigan, regelmäßig Sport zu treiben, wie Personen, dienicht den regelmäßigen Spaziergängern zuzurechnensind (Tabelle 2, Modell 4). Dieser Zusammenhangbleibt auch unter Konstanthaltung der zusätzlichenlebensstilrelevanten Variablen Tabakkonsum, Ernäh-rung, subjektiver Gesundheitszustand und Überge-wicht erhalten (Tabelle 2, Modell 6).

n Fahrrad fahren zur Fortbewegungund Übergewicht

Der zuvor berichtete signifikante negative Zusam-menhang zwischen Fahrrad fahren zur Fortbewe-gung und Übergewicht bleibt auch unter der Kon-trolle von weiteren sozio-demographischen Kovaria-ten erhalten. Personen, die regelmäßig das Fahrradzur Fortbewegung nutzen, haben ein um 24% verrin-gertes Risiko, unter Übergewicht zu leiden, als Per-sonen der Referenzgruppe, die das Fahrrad nichtregelmäßig zur Fortbewegung einsetzen (Tabelle 3,Modell 1). Dieser Zusammenhang löst sich jedoch inModell 2 unter Kontrolle der Lebensstilvariablen auf.Im Gesamtmodell kann unter Kontrolle der sozio-de-mographischen und der Lebensstilvariablen dagegenwieder ein signifikanter negativer Zusammenhangzwischen Fahrrad fahren und Übergewicht berichtetwerden (Tabelle 3, Modell 2+3).

n Regelmäßiges spazieren gehen und Übergewicht

Das Odds, unter Übergewicht zu leiden, ist unterKontrolle der Variablen Alter, Bildung und Ge-schlecht für regelmäßige Spaziergänger 1,7-mal sohoch wie für Personen, die nicht regelmäßig spazie-ren gehen (Tabelle 3, Modell 4). Dieser signifikantepositive Zusammenhang bleibt auch unter zusätz-licher Kontrolle der lebensstilrelevanten Variablenerhalten (Tabelle 3, Modell 6).

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Z Gerontol Geriat 1 2009

Tab. 2 Zusammenhang zwischen Fahrrad fahren/spazieren gehen und Sport-aktivität unter Kontrolle von Bildung, Tabakkonsum, Essgewohnheiten, Überge-wicht und subjektivem Gesundheitszustand (Logistische Regression)

Aktuelle Sportaktivität

Fahrrad fahren spazieren gehen

Modell 1 2 3 4 5 6

Fahrradfahren a

2,637*** 2,504 *** 2,527***

spazierengehen a

1,875*** 1,866 *** 1,851***

95%-KI [2,167;3,209]

[2,049;3,059]

[2,064;3,093]

[1,525;2,307]

[1,507;2,311]

[1,494;2,294]

p-Wert ��0,0001 ��0,0001 ��0,0001 ��0,0001 ��0,0001 ��0,0001

R2 0,0557 0,1177 0,1261 0,0324 0,0833 0,0861

N 1.863 1.863 1.863 1.863 1.863 1.863

a: Dichotome Variable, die bei Vorliegen des Merkmals mit 1, ansonsten mit0 codiert ist.

N: Anzahl der Probanden.KI: Konfidenzintervall.Modell 1+4: unter Kontrolle von Bildung.Modell 2+5: unter Kontrolle von Tabakkonsum, Essgewohnheiten, Übergewicht,subj. Gesundheitszustand.Modell 3+6: unter Kontrolle von Bildung, Tabakkonsum, Essgewohnheiten,Übergewicht, subj. Gesundheitszustand.*** p≤0,001; ** p≤0,01; * p≤0,05Quelle: Ein aktives Leben leben, 2006, eigene Berechnungen

Diskussion

Methodische Besonderheiten und Beschränkungender Datenbasis

Die erhobenen Daten basieren untersuchungsbedingtauf der Selbstauskunft der Probanden. Dies ist auf-grund der sozialen Erwünschtheit nicht unproblema-tisch [15]. Um zu vermeiden, dass sich die Studien-teilnehmer in ihren Aktivitäten überschätzen oderunbewusst falsche Angaben zur Krankheitsgeschichtemachen, wurde in den Interviews besonders auf dieAkzentuierung der Regelmäßigkeit bei körperlichenund sportlichen Aktivitäten sowie auf die Berufungauf ärztliche Diagnosen bei der Angabe von Erkran-kungen und medizinischen Risikofaktoren geachtet.

Zudem fällt in der vorliegenden Stichprobe derrelativ hohe Sportleranteil auf. Dieser ist unter Um-ständen zum einen teilweise auf soziale Erwünscht-heitseffekte zurückzuführen, zum anderen muss be-rücksichtigt werden, dass es sich hier um subjektiveSelbstauskünfte der Probanden handelt. Wie schonfrühere Untersuchungen zeigten, ist bei Verhaltens-weisen wie der Sportausübung, die als sozial er-wünscht anzusehen sind, üblicherweise mit Verzer-rungen in Richtung des erwünschten Verhaltens, d.h.

sportlicher Aktivität, zu rechnen. Zudem besteht dieMöglichkeit, dass nicht alle Befragten zwischen spa-zieren gehen und Laufen um Dinge zu Erledigen(z.B. Einkaufen, Post wegbringen) differenzieren.Diese Gefahr ist jedoch auf Grund der relativ präzi-sen Frageformulierung als sehr gering einzuschätzen.Dem Problem der Verzerrungen in Richtung derwahrgenommenen sozialen Erwünschtheit im All-gemeinen stehen, jedoch eine Reihe von Vorteilendes Telefoninterviews gegenüber. Diese liegen zu-nächst in der Repräsentativität der Angaben für dieuntersuchte Grundgesamtheit. So wurde im Gegen-satz zu vielen anderen Untersuchungen zur Auswir-kung körperlicher Aktivität auf die Sportaktivitätund Übergewicht eben nicht auf ein Patientenkollek-tiv zurückgegriffen. Ein weiterer Vorteil der Heran-gehensweise der Studie liegt darin, dass Zusammen-hänge zwischen Sport, Übergewicht und körperli-chen Aktivitäten anhand großer Fallzahlen analysiertwerden konnten.

Sind Bewegungsmuffel auch Sportmuffel?

Körperliche Mobilität (Fahrrad fahren zur Fortbewe-gung, spazieren gehen) geht mit vermehrter Sport-aktivität einher. Personen, die dagegen nicht dasFahrrad regelmäßig zur Fortbewegung verwendenund nicht regelmäßig spazieren gehen, treiben sig-nifikant seltener wöchentlich Sport. Somit liegt derSchluss nahe, dass Bewegungsmuffel auch Sportmuf-fel sind; wobei hier auf Grund der vorliegenden Da-ten nicht von dem Vorliegen einer Kausalbeziehungausgegangen werden kann.

Bedenkt man die volkswirtschaftliche Bedeutungvon Herz-Kreislauf-Erkrankungen und orthopädi-schen Erkrankungen wie Rückenschmerzen einer-seits und die geringe Bereitschaft vieler Menschenim mittleren und späteren Lebensalter, regelmäßigSport zu treiben, andererseits, ist die gezielte Förde-rung körperlicher Alltagsaktivitäten aus gesundheits-politischer Sicht ein wichtiges Ziel. Zudem kannkörperliche Mobilität als Einstieg in die Sportaktivi-tät gesehen werden. Kampagnen, welche körperlicheAktivität als Symbol für einen gesundheitsbewusstenLebensstil darstellen, könnten hier ebenso eine Rollespielen wie der Ausbau von Fahrradwegen in denStädten und von Naherholungsgebieten, wobei hiernatürlich die landschaftlichen Gegebenheiten, dieinsbesondere in Baden-Württemberg sehr unter-schiedlich sind, nicht unberücksichtigt bleiben dür-fen. Vor dem Hintergrund der herausragenden Rolleeiner expliziten Empfehlung des Hausarztes für dieregelmäßige Aufnahme einer körperlichen Aktivität[5, 23], wird der ärztlichen Beratung eine besondereBedeutung zukommen, will man den Anteil der Per-sonen, die ihre alltäglichen Strecken mit dem Fahr-

25Sind Sportmuffel auch Bewegungsmuffel?

Z Gerontol Geriat 1 2009

Tab. 3 Zusammenhang von Fahrrad fahren/spazieren gehen im Alltag undÜbergewicht unter Kontrolle Alter, Geschlecht, Bildung, Tabakkonsum, subjekti-vem Gesundheitszustand und aktueller Sportaktivität (Logistische Regression)

Übergewicht

Fahrrad fahren spazieren gehen

Modell 1 2 3 4 5 6

Fahrradfahren a

0,764** 0,853 0,808*

spazierengehen a

1,659*** 1,624 *** 1,780***

95%-KI [0,631;0,926]

[0,704;1,033]

[0,662;0,987]

[1,337;2,060]

[1,315;2,006]

[1,425;2,224]

p-Wert 0,0062 0,1028 0,0372 ��0,0001 0,0010 ��0,0001

R2 00,1119 0,0398 0,1387 0,1210 0,0522 0,1527

N 1.863 1.863 1.863 1.863 1.863 1.863

a: Dichotome Variable, die bei Vorliegen des Merkmals mit 1, ansonsten mit0 codiert ist.

N: Anzahl der Probanden.KI: Konfidenzintervall.Modell 1+3: Alter, Geschlecht, Bildung kontrolliert.Modell 2+4: aktuelle Sportaktivität, Tabakkonsum, subj. Gesundheitszustand,kontrolliert.Modell 3+6: Alter, Geschlecht, Bildung, Tabakkonsum, subj. Gesundheitszu-stand, aktuelle Sportaktivität kontrolliert.*** p≤0,001; ** p≤0,01; * p≤0,05Quelle: Ein aktives Leben leben, 2006, eigene Berechnungen

rad oder zu Fuß zurücklegen, mit dem Argumentder Gesundheitsförderung erhöhen. In früheren Stu-dien konnte ein bedeutsamer Zusammenhang zwi-schen der Fortbewegung im Alltag und dem Auftre-ten von Risikofaktoren berichtet werden [13].

Prävention des medizinischen RisikofaktorsÜbergewicht durch körperliche Aktivität?

Personen, die regelmäßig das Fahrrad zur Fortbewe-gung verwenden, leiden unter Kontrolle sozio-demo-graphischer Variablen, des Tabakkonsums, des Ge-sundheitszustands, medizinischer Risikofaktoren undder aktuellen Sportaktivität signifikant seltener unterÜbergewicht wie Personen, die das Fahrrad nicht re-gelmäßig zur Fortbewegung verwenden. AlltäglichesFahrrad fahren zur Fortbewegung stellt somit einewichtige Maßnahme zur Prävention und ggf. auchReduktion von Übergewicht dar.

Jedoch sind Personen, die regelmäßig spazierengehen, signifikant häufiger von Übergewicht betrof-fen als Personen, die sich nicht als regelmäßige Spa-ziergänger bezeichnen. Eine mögliche Erklärunghierfür könnte sein, dass Übergewichtige einen ge-mütlichen Spaziergang als Sportersatz sehen. Aller-dings wird, wenn der regelmäßige Sonntagsspazier-gang immer mit Kaffee und Kuchen endet, dieskaum zu einer Gewichtsreduktion führen.

Fazit

Zusammenfassend kann Fahrrad fahren zur Fortbe-wegung sowohl als Möglichkeit des kostengünstigenEinstiegs in die Sportaktivität als auch als Maßnah-me zur Gewichtsreduktion bzw. zur Prävention vonÜbergewicht angesehen werden. Spazieren gehenallein scheint jedoch kein geeigneter Weg zur Ge-wichtsreduktion zu sein.

Kernaussagen

1. In den Medien wird der positive Einfluss derSportaktivität auf verschiedenste Gesundheits-aspekte immer wieder thematisiert und in ver-schiedenen empirischen Studien ist eine abneh-

mende Sportbetätigung mit zunehmendem Alterbestätigt. Allerdings wurde bisher nur unzurei-chend untersucht, ob körperliche Aktivitäten wiespazieren gehen oder Fahrrad fahren bevorzugtvon ohnehin sportaktiven Personen ausgeübtwird. Zudem stellt sich die Frage, ob körperlicheAktivitäten (ebenso wie die sportliche Aktivität)in einer negativen Beziehung zum Übergewichtstehen.

2. Personen, die angeben, regelmäßig zur Fortbewe-gung Fahrrad zu fahren, sowie Personen, die re-gelmäßig spazieren gehen, treiben auch unterKontrolle sozio-demographischer und lebensstils-relevanter Variablen signifikant mehr Sport alsPersonen, die nicht regelmäßig spazieren gehenbzw. regelmäßig das Fahrrad zur Fortbewegungnutzen. „Sportmuffel“ sind also auch im Alltag„Bewegungsmuffel“.

3. Bedenkt man die volkswirtschaftliche Bedeutungvon Herz-Kreislauf-Erkrankungen und orthopädi-schen Erkrankungen wie Rückenschmerzen einer-seits und die geringe Bereitschaft vieler Menschenim mittleren und späteren Lebensalter, regelmäßigSport zu treiben, andererseits, ist die gezielte För-derung körperlicher Alltagsaktivitäten insbeson-dere des Fahrradfahrens zur Fortbewegung ausgesundheitspolitischer Sicht ein wichtiges Ziel.

� Danksagung Im Mittelpunkt des Projektes „Ein aktives Lebenleben – Alter und Altern in Baden-Württemberg“ stehen dieSport- und Gesundheitsbiographie, das Gesundheitsverhalten so-wie der Lebensstil dieser Altersgruppe. Die Studie wird im Auf-trag der Landesstiftung Baden-Württemberg durchgeführt und imZeitraum 09/2005 bis 08/2007 finanziell gefördert.

Projektbeteiligte sind: Prof. Dr. Klaus-Peter Brinkhoff, Univer-sität Stuttgart; Prof. Dr. Ansgar Thiel, Universität Tübingen; Prof.Dr. Thomas Klein, Universität Heidelberg; Dr. Uwe Gomolinsky,Universität Stuttgart; Dr. Monique Zimmermann-Stenzel, Univer-sität Heidelberg; Christina Huy, Universität Stuttgart; Simone Be-cker, Universität Heidelberg.

Für die Erstellung des Literaturverzeichnisses sowie der Hilfebei der formalen Gestaltung des Textes und der Überarbeitungdes englischen Abstracts danken wir Anne Keller (Universität Hei-delberg) und Julia Mannuss (Universität Heidelberg).

� Interessenkonflikt Es besteht kein Interessenskonflikt. Die kor-respondierende Autorin versichert, dass keine Verbindung mit ei-ner Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einerFirma, die Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen. Die Präsenta-tion des Themas ist unabhängig und die Darstellung der Inhalteproduktneutral.

26 S. Becker und M. Zimmermann-Stenzel

Z Gerontol Geriat 1 2009

27Sind Sportmuffel auch Bewegungsmuffel?

Z Gerontol Geriat 1 2009

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