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Solvency II und Basel III Die Reform der europäischen Versicherungs-‐ und Bankenregulie-‐rung und deren Auswirkungen auf die Unternehmensfinanzierung
von Prof. Dr. Christoph Kaserer ⏐ Technische Universität München
Juni 2011
Ein Gutachten im Auftrag der Finanzplatz München Initiative
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Die Erstellung dieses Gutachtens wurde durch die Mithilfe zahlreicher Personen und Institutionen
unterstützt. Besonderer Dank gilt Herrn Georg Schmidt vom Bayerischen Staatsministerium für Wirt-‐schaft, Verkehr und Technologie, den Herrn Oliver Trinchera und Sebastian Schatt sowie den Mitglie-‐
dern der Finanzplatz München Initiative.
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Solvency II und Basel III Die Reform der europäischen Versicherungs-‐ und Bankenregulie-‐rung und deren Auswirkungen auf die Unternehmensfinanzierung
Inhaltsverzeichnis
1 Executive Summary ................................................................................................. 4
2 Einleitung ................................................................................................................ 6
3 Solvency II und die Vermögensallokation im Versicherungssektor ........................... 9
3.1 Regulierungstheoretische Überlegungen .......................................................................9
3.1.1 Aufsichtsrechtlicher Planungshorizont und Kapitalanlageentscheidungen .................10
3.1.2 Die Bedeutung der Eigenmittelunterlegung für Kapitalanlageentscheidungen...........13
3.2 Grundzüge von Solvency II ...........................................................................................15
3.2.1 Risikomessung und -‐modelle .......................................................................................15
3.2.2 Das Standardmodell .....................................................................................................18
3.3 Mögliche Verschiebungen in der Kapitalanlage............................................................20
3.3.1 Allgemeine Überlegungen............................................................................................20
3.3.2 Zinsrisiko ......................................................................................................................21
3.3.3 Kreditrisiko ...................................................................................................................23
3.3.4 Zusammenfassende Betrachtung.................................................................................25
4 Versicherungen und Unternehmensfinanzierung ................................................... 30
4.1 Die Rolle der Versicherungen in der Vermögensbildung...............................................30
4.2 Die Rolle der Versicherungen in der Unternehmensfinanzierung .................................34
4.3 Die Rolle der Versicherungen in der Bankenfinanzierung .............................................37
5 Reform der Bankenregulierung und Veränderung der Refinanzierung im
Kreditsektor ................................................................................................................ 42
5.1 Basel III und Anpassungsdruck im Kreditsektor ............................................................42
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5.1.1 Veränderte Eigenkapitalunterlegung ...........................................................................42
5.1.2 Neue Regeln zur Fristentransformation .......................................................................44
5.1.3 Neue Regeln zur Liquiditätshaltung .............................................................................47
5.2 Weitere regulatorische Veränderungen ....................................................................... 49
6 Auswirkungen auf die Unternehmensfinanzierung.................................................52
6.1 Kapitalmarkteffekte .................................................................................................... 52
6.1.1 Marktwerteffekte.........................................................................................................52
6.1.1.1. Methodische Überlegungen............................................................................................... 52
6.1.1.2. Marktwerteffekte von Solvency II ...................................................................................... 53
6.1.1.3. Marktwerteffekte von Basel III........................................................................................... 57
6.1.1.4. Marktwerteffekte des Restrukturierungsgesetzes Bankenabgabe .................................... 59
6.1.2 Zinsstruktureffekte.......................................................................................................60
6.1.3 Kreditrisikoeffekte........................................................................................................62
6.2 Das System der Unternehmensfinanzierung in Deutschland ........................................ 64
6.3 Anpassungsdruck im Bereich der Fremdkapitalfinanzierung ........................................ 67
6.4 Anpassungsdruck im Bereich der Eigenkapitalfinanzierung.......................................... 71
7 Abkürzungsverzeichnis...........................................................................................72
8 Literaturverzeichnis ...............................................................................................74
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1 Executive Summary In diesem Gutachten wird der Frage nachgegangen, welche Implikationen eine zeitgleiche Reform der europäischen Versicherungs-‐ und Bankenregulierung für die Unternehmensfinanzierung in Deutsch-‐land haben könnte. Hierzu wird die Stellung des Versicherungs-‐ und Bankensektors im System der Unternehmensfinanzierung in Verbindung mit der Frage untersucht, welche Auswirkungen Solvency II und Basel III auf das Anlageverhalten von Versicherungen und auf das Refinanzierungsverhalten von Banken haben könnten. Die wichtigsten Ergebnisse lauten wie folgt:
1. Mit Solvency II wird die europäische Versicherungsaufsicht grundlegend modernisiert und un-‐ter anderem am Grundsatz einer risikobasierten Eigenmittelunterlegung ausgerichtet. Ein zen-‐trales Element dabei sind die Vorschriften zur Ermittlung der Solvenzkapitalanforderung (SCR). Diese muss entweder durch ein internes Modell oder durch ein von der Kommission im Detail vorgegebenes Standardmodell ermittelt werden. In beiden Fällen ist davon auszugehen, dass die aufsichtsrechtlich geforderte Eigenmittelunterlegung der Versicherungen deutlich steigen wird. Gemäß der fünften quantitativen Auswirkungsstudie werden die freien Eigenmittel (Sur-‐plus) im europäischen Versicherungssektor durch Solvency II um 120 Mrd. Euro sinken, wobei aber im Durchschnitt die geforderte SCR immer noch um 65% überschritten wird. Dieser Rückgang fällt bei Verwendung interner Modelle weniger stark aus. Ursächlich hierfür sind De-‐fizite in der konzerninternen Aggregation der SCR. Diese Defizite sind dringend zu beseitigen.
2. Bei Lebensversicherungen ist die negative Auswirkung auf die Eigenmittel am stärksten. Ne-‐ben einem Zinsstruktureffekt kommt hier der Umstand zum Tragen, dass die Langfristigkeit dieses Geschäftes nur unzureichend abgebildet wird. Langfristige Marktzyklen werden gar nicht oder nur in engen Grenzen berücksichtigt. Dies gilt insbesondere für die Bewertung des Kredit-‐ bzw. Bonitätsrisikos. Hier sollte Solvency II nachgebessert werden, da anderenfalls langfristige Unternehmensanleihen, insbesondere bei schlechterer Bonität, künftig von den Versicherungen tendenziell gemieden werden könnten.
3. Solvency II verbessert die Eigenmittelunterlegung von Zinsänderungsrisiken. Da Lebensversi-‐cherungen typischerweise einen negativen Durationsmismatch (Zinsänderungsrisiko auf der Passivseite ist größer als auf der Aktivseite) aufweisen, besteht insoweit ein Anreiz zur Um-‐schichtung der Kapitalanlagen in langfristige Anleihen. Dieser gilt insbesondere für Staatsan-‐leihen aus dem EWR, da diese so behandelt werden, als ob sie kein Kreditrisiko hätten. Dies ist vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen deutlich zu hinterfragen.
4. Eine integrierte Betrachtung von Zinsänderungs-‐ und Kreditrisiko im Rahmen des Standard-‐modells führt zu der Vermutung, dass Solvency II im Hinblick auf die Nachfrage nach Pfand-‐briefen und Anleihen bester Bonität eher neutral wirken sollte.
5. Versicherungen (einschl. der Pensionskassen) sind die wichtigsten Kapitalsammelstellen. In Deutschland verwalten sie etwa die Hälfte des langfristig gebundenen Geldvermögens; das entspricht einem Volumen von 1,4 Bill. Euro bzw. 55% des BIP. Eliminiert man das in Staatsan-‐leihen investierte Vermögen, so entsprechen die restlichen Kapitalanlagen schätzungsweise 37% des deutschen Marktes für Unternehmens-‐ und Immobilienfinanzierung. In Frankreich liegt dieser Anteil bei 34%, in Großbritannien bei 32%.
6. Im Unterschied zu diesen beiden Ländern üben die deutschen Versicherungen ihre Finanzie-‐rungsfunktion für den Unternehmenssektor vor allem indirekt aus, nämlich über die Finanzie-‐rung von Banken. Dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass etwa 12% aller Verbindlich-‐keiten des Bankensektors gegenüber Nicht-‐Banken von Versicherungen gehalten werden. Bei ungedeckten Bankschuldverschreibungen wird dieser Anteil auf rund 20% geschätzt mit sinkender Tendenz, bei Pfandbriefen steigt er sogar auf über 40%.
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7. Auch im Bereich des Hybridkapitals (nachrangige Darlehen und Genussrechte) sind Versiche-‐rungen ein wichtiger Investor; ihr Anteil an den umlaufenden Titeln wird auf 20% geschätzt. Zudem sollte die Rolle der Versicherer als direkte Kapitalgeber von Unternehmen nicht völlig außer Acht bleiben. Nach den hier vorgestellten Schätzungen dürften Versicherer immerhin über 11% ihrer Anlagen in Anleihen von Nicht-‐Finanzunternehmen angelegt haben. Dieser Anteil ist größer als der Anteil von Aktien, welcher mittlerweile nur noch bei 6% liegt.
8. Nach derzeitigen Umsetzungsplänen wird im Gleichschritt mit Solvency II auch Basel III in Kraft gesetzt. Vor allem die voraussichtlichen Regelungen zur Fristentransformation und Liquidi-‐tätshaltung werden bei vielen Geschäftsbanken und Landesbanken einen erheblichen Refi-‐nanzierungsbedarf auslösen. Aufgrund der dort vorherrschenden Geschäftsmodelle ist die Deckung über die Emission von ungedeckten Bankschuldverschreibungen zu erwarten. Sollten sich Versicherungen wegen einer neuen Risikobewertung, Solvency II oder Bankenrestruktu-‐rierungsgesetz aber gleichzeitig als Investoren zurückziehen, könnte es hier, ebenso wie im Bereich des Hybridkapitals, zu spürbaren Marktveränderungen kommen. Davon werden auch die Sparkassen und Genossenschaftsbanken nicht verschont bleiben, wenngleich für sie diese Veränderungen geringer ausfallen werden.
9. Aufgrund der großen Bedeutung, die der Banken-‐ und Versicherungssektor für die Unterneh-‐mensfinanzierung in Deutschland hat, müssen die Auswirkungen von Solvency II und Basel III besonders sorgfältig untersucht werden. Dies gilt insbesondere für kleine und mittlere Unter-‐nehmen, da diese nur in sehr begrenztem Maße auf eine kapitalmarktbasierte Finanzierung ausweichen können. Hierin unterscheidet sich die Situation in Deutschland deutlich von jener in Großbritannien oder Frankreich.
10. Solvency II und Basel III haben auf den Kapitalmärkten bereits deutliche Spuren hinterlassen. Die Aktienkurse europäischer Versicherungen haben auf wesentliche Nachrichten zu Solvency II mit einem kumulierten Kursabschlag von rund 15% reagiert. Die Effekte von Basel III sind etwas geringer und im Übrigen statistisch weniger robust. Auch auf den Anleihemärkten scheint es Effekte zu geben, wenngleich diese statistisch nicht klar zu identifizieren sind. Aller-‐dings scheint sich die Zinsstruktur am langen Ende abzuflachen, was durch eine zusätzliche Nachfrage bei langfristigen Staatsanleihen ausgelöst sein könnte. Zudem finden sich deutliche Befunde, dass das Restrukturierungsgesetz die Refinanzierungskosten der Banken um rund 35 Basispunkte erhöht hat.
11. Insgesamt wird gezeigt, dass es zwischen Solvency II und Basel III eine ganze Reihe von unter-‐schiedlichen Wechselwirkungen gibt. In diesem Gutachten konnten häufig nur qualitative Aus-‐sagen zu diesen Wechselwirkungen gemacht werden. Umso wichtiger wäre es, dass die Euro-‐päische Kommission – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der sonstigen Reformvorhaben auf den Finanzmärkten – eine kombinierte quantitative Auswirkungsstudie zu diesen Wechselwir-‐kungen auf den Weg bringt. Deren Ergebnisse sowie die Ergebnisse der Arbeitsgruppen, die sich aktuell mit verschiedenen Aspekten von Solvency II befassen, sollten im Sinne einer Ent-‐zerrung der beschriebenen möglichen Wechselwirkungen zeitnah umgesetzt werden.
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2 Einleitung Mit der Richtlinie 2009/138/EG vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs-‐ und Rückversicherungstätigkeit (Solvency II) hat der europäische Gesetzgeber einen Meilenstein in der Versicherungsregulierung gesetzt. Damit wurde ein Regelwerk in Kraft gesetzt, wel-‐ches – in Analogie zur Bankenregulierung nach den Basel-‐II-‐Grundsätzen – die Aufsicht über in der EU tätige Versicherungsunternehmen auf der Grundlage des in Abbildung 1 dargestellten konzeptionellen Ansatzes modernisieren und vereinheitlichen will. Grundsätzlich soll Solvency II zu einer an den öko-‐nomischen Risiken orientierten Unternehmensführung in den Versicherungen führen.
Schwerpunkt der derzeitigen Diskussion ist dabei die Säule 1, welche die Vorschriften zur Berechnung und zum Umfang des von den Ver-‐sicherungsunternehmen vorzuhal-‐tenden Eigenkapitals umfasst. Die-‐ser Aspekt ist auch Gegenstand des vorliegenden Gutachtens. Daher soll nur der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen werden, dass die Solvency-‐II-‐Richtlinie auch Re-‐gelungen betreffend die interne Unternehmenskontrolle und den aufsichtsrechtlichen Überprüfungs-‐prozess (Säule 2) sowie die Mittei-‐lungs-‐ und Veröffentlichungspflich-‐ten (Säule 3) der Versicherungsun-‐ternehmen enthält.
Hinsichtlich der so genannten Sol-‐venzkapitalanforderung (SCR) be-‐stimmt nun Artikel 101 der Sol-‐vency-‐II-‐Richtlinie, dass diese als Value-‐at-‐Risk des jeweiligen Versi-‐cherungsunternehmens zu einem Konfidenzniveau von 99,5% bezo-‐gen auf einen Einjahreszeitraum zu bestimmen ist. Dies bedeutet mit anderen Worten, dass Versicherun-‐gen Eigenmittel in einem Umfang vorhalten sollen, der sie befähigt, in
199 von 200 Jahren Verluste ohne einen vollständigen Verzehr ihrer Eigenmittel verkraften zu können. Man könnte also vereinfachend auch sagen, dass die einjährige Insolvenzwahrscheinlichkeit dadurch auf (1-‐0,995)x100%=0,5% festgelegt wird.
Von dieser Solvenzkapitalanforderung ist die Mindestkapitalanforderung (MCR) zu unterscheiden, welche in Artikel 128 ff. der Solvency-‐II-‐Richtlinie geregelt wird. Diese bestimmt sich als eine vorgege-‐bene absolute Eigenmitteluntergrenze (z.B. 3,2 Mio. Euro für Lebensversicherungsunternehmen) oder, falls dieser Betrag höher ist, einem Value-‐at-‐Risk zu einem einjährigen Konfidenzniveau von 85%. Zu-‐
ABBILDUNG 1: DAS GRUNDKONZEPT VON SOLVENCY II
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dem darf die Mindesteigenkapitalanforderung nicht niedriger sein als 25% des Solvenzkapitals und nicht höher sein als 45% desselben.
Der Grund für eine solche Unterscheidung zwischen einer Solvenzkapital-‐ und einer Mindestkapital-‐anforderung ist durchaus nachvollziehbar. Es soll nämlich vermieden werden, dass eine Unterschreitung des Solvenzkapitals automatisch zu einer Schließung oder ähnlich weitreichenden aufsichtsrechtlichen Maßnahmen führt. Vielmehr soll einem Unternehmen, welches zwar die Sol-‐venzkapital-‐, nicht aber die Mindestkapitalanfor-‐derung verfehlt, die Möglichkeit gegeben wer-‐den, in Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde einen Sanierungsplan auszuarbeiten. Zudem soll auf diesem Wege auch die Möglichkeit geschaf-‐fen werden, dass die Aufsichtsbehörden den Versicherungsunternehmen bei außerordentli-‐chen Kursverlusten auf den Finanzmärkten eine größere zeitliche Frist einräumen, bis zu welcher sie die Solvenzkapitalanforderung wieder errei-‐chen. Damit soll prozyklisches Verhalten, wie man es in Folge der Kurseinbrüche in den Jahren 2001 und 2002 festgestellt hatte, künftig vermie-‐den werden. Allerdings ist noch abzuwarten, wie diese aufsichtsrechtlichen Spielräume in die Pra-‐xis umgesetzt werden.
Schließlich wird die Solvenzkapitalanforderung noch in eine Basissolvenzkapitalanforderung, eine Kapitalanforderung für das operationelle Risiko und eine Anpassung für die Verlustaus-‐
gleichsfähigkeit aufgeteilt. In diesem Gutachten werden wir uns ausschließlich auf die Basissolvenzka-‐pitalanforderung beziehen und diese häufig einfach nur als Solvenzkapitalanforderung bezeichnen.
Wenige Wochen nach Verabschiedung der Solvency-‐II-‐Richtlinie hat der Basler Ausschuss zwei Konsultativdokumente mit Vorschlägen zu Neureglungen der Bankenregulierung veröffentlicht.1 Es geht dabei um wesentliche Änderungen und Ergänzungen der Basel-‐II-‐Empfehlungen zur Bankenregulierung. Davon sind insbesondere die Regelungen zur Eigenkapitalunterlegung, zu Liquiditätsvorschriften und zum Risikomanagement der Banken betroffen. Diese Vorschläge werden gemeinhin als Basel III bezeichnet. Nach intensiven Diskussionen teilte der Basler Ausschuss am 12. September 2010 mit, dass man eine Einigung hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der vorgeschlagenen Regelungen gefunden habe. Mittlerweile liegen die finalen Dokumente vor, welche die vom Basler Ausschuss empfohlenen Änderungen zu Basel II detailliert beschreiben (vgl. BIS 2010a, 2011). Die Kommission arbeitet bereits an einer Umsetzung dieser Empfehlungen in europäisches Recht.
1 Es geht um die Dokumente „Strenghtening the resilience of the banking sector“ und „International framework for liquidity risk measurement, standards and monitoring“, welche am 17. Dezember 2009 vom Basler Ausschuss veröffent-‐licht wurden; diese Dokumente stehen auf der folgenden Internetseite zum Download zur Verfügung: http://www.bis.org/list/press_releases/said_7/index.htm.
ABBILDUNG 2: SYSTEMATIK DER EIGENMITTELUNTER-‐
LEGUNG NACH SOLVENCY II
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Zu beachten ist, dass sich diese Empfehlungen des Basler Ausschusses in eine breitere Initiative zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Bankensektors einfügen. So hat etwa die EU bereits mit der Errichtung von EU-‐Aufsichtsbehörden im Bereich der Banken-‐ (EBA), Versicherungs-‐ (EIOPA) und Kapi-‐talmarktaufsicht (ESMA) reagiert. Mit dem European Systematic Risk Board (ESRB) wurde zudem eine Institution geschaffen, die sich um die so genannte makroprudentielle Aufsicht kümmern soll. Weiter-‐hin hat die Kommission einen Verordnungsentwurf zur Regulierung des OTC-‐Derivatehandels auf den Weg gebracht. Und schließlich haben auch die USA mit dem Dodd-‐Frank-‐Act eine grundsätzlich in eine ähnliche Richtung laufende Reform des amerikanischen Finanzmarktes auf den Weg gebracht.2
Das Ausmaß dieser Reformvorhaben dürfte in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte der westlichen Welt ohne Beispiel sein. Dabei muss es als historischer Zufall gewertet werden, dass das Solvency-‐II-‐Projekt mit dieser tiefgreifenden Reform der Finanzmärkte zusammenfällt. Jedenfalls wurde dieses Projekt schon in der ersten Hälfte der 2000er Jahre auf den Weg gebracht. Trotzdem muss man sich die Frage stellen, welche Risiken diese tiefgreifenden Reformen, die den Banken-‐ und den Versiche-‐rungssektor mehr oder weniger gleichzeitig ereilen, möglicherweise in sich bergen. Solche Risiken treten insbesondere deshalb auf, weil durch Basel III erhebliche Änderungen auf der Refinanzierungs-‐seite des Bankensektors ausgelöst werden. Gleichzeitig ist aber der Versicherungssektor direkt und indirekt eine wichtige Refinanzierungsquelle für den Bankensektor. Sollte Solvency II das Anlageverhal-‐ten der Versicherungen wesentlich beeinflussen, könnten hier zwei Entwicklungen aufeinanderprallen, die zumindest kurzfristig Friktionen auf den Kapitalmärkten auslösen könnten. Solche Friktionen blie-‐ben aber nicht ohne Folgen für den Unternehmenssektor, weil dessen Finanzierung wiederum sehr stark von den Banken, aber in gewissem Umfang auch von den Versicherungen mitgetragen wird. Inso-‐fern könnte das Zusammenwirken dieser beiden Reformen spürbare Auswirkungen auf die Unterneh-‐mensfinanzierung haben.
Zwar gibt es zu Basel III ebenso wie zu Solvency II zahlreiche Untersuchungen und Studien, jedoch haben sich bisher die wenigsten dieser Untersuchungen mit den kumulierten Wirkungen dieser beiden Regelwerke beschäftigt. Dies ist das zentrale Anliegen des hier vorliegenden Gutachtens.
2 Vgl. zu diesen verschiedenen Initiativen Kaserer (2011, 2010a und 2010b) mit zahlreichen weiteren Quellenverweisen.
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3 Solvency II und die Vermögensallokation im Versicherungs-‐
sektor Die mit Solvency II eingeführte Solvenzkapitalanforderung fordert von den Versicherungen im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung sowohl eine Unterlegung ihrer versicherungstechnischen Risiken als auch ihrer Kapitalanlagerisiken. Welche Rückwirkungen sich dadurch möglicherweise auf die Kapital-‐anlageentscheidung ergeben, soll hier näher betrachtet werden. Bevor aber die Details der Solvenzka-‐pitalanforderung untersucht werden, sollen zunächst einige grundsätzliche regulierungstheoretische Überlegungen erfolgen, die bereits eine Indikation dafür liefern, zu welchen grundsätzlichen Anpas-‐sungseffekten Solvency II führen kann.
3.1 Regulierungstheoretische Überlegungen Hinsichtlich der Zielsetzungen von Solvency II hat die Kommission mehrfach festgehalten, dass es um eine Stärkung des Schutzes der Versicherten, eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von EU-‐Versicherungsunternehmen, eine Harmonisierung des EU-‐Versicherungsmarktes und um eine verbes-‐serte Rechtsetzung geht.3 Während die beiden zuletzt genannten Argumente eher rechtlicher bzw. technischer Natur sind und das zweite Argument für sich genommen kaum eine derart umfassende Änderung des europäischen Aufsichtsrechts rechtfertigen kann, spielt das erste Argument eine zentra-‐le Rolle für die Ausgestaltung von Solvency II. Im Sinne des Schutzes der Versicherten soll die Wahr-‐scheinlichkeit dafür, dass Versicherungen nicht in der Lage sind, ihr finanzielles Leistungsversprechen vollumfänglich zu erfüllen, auf ein gerade noch als akzeptabel geltendes Minimum reduziert werden. Daher ist es ein wesentliches Merkmal von Solvency II, von Versicherungen eine Eigenmittelunterle-‐gung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber den Versicherten dergestalt zu verlangen, dass ihre Insol-‐venzwahrscheinlichkeit bezogen auf ein Jahr nicht größer ist als 0,5%.
Somit wird die Eigenmittelanforderung als ein Value at Risk (VaR) hergeleitet. Nicht nur in dieser Hin-‐sicht gibt es Parallelen zwischen dem Bankenaufsichtsrecht nach Basel II und dem Versicherungsauf-‐sichtsrecht.4 Umso wichtiger ist der Hinweis, dass die ökonomische Begründung für eine staatliche Regulierung des Bankensektors nicht auf den Versicherungssektor übertragen werden kann. Die Beaufsichtigung des Bankensektors liegt nämlich in seiner Liquiditäts-‐ und Fristentransformation be-‐gründet.5 Banken verwenden liquide kurzfristige Einlagen zur Finanzierung von illiquiden langfristigen Krediten. Damit besteht die Gefahr von so genannten Banken-‐Runs, die auch wirtschaftlich gesunde Banken in die Zahlungsunfähigkeit treiben können. Wegen der zentralen Bedeutung des Bankensek-‐tors im Zahlungs-‐ und Kreditverkehr, können solche Zusammenbrüche zu systemischen Krisen mit erheblichen gesamtwirtschaftlichen Kosten führen. Zwar gilt auch für die Bankenregulierung, dass Aspekte des Einleger-‐ und Kundenschutzes in den letzten Jahren eine größere Bedeutung bekommen haben, jedoch bleibt die Bankenaufsicht nach wie vor im Kern durch dieses beschriebene systemische Risiko begründet.6
3 Vgl. z.B. Kommission (2007), S. 4. 4 Vgl. zu diesem Aspekt Schubert/Grießmann (2004). 5 Für einen Überblick zur ökonomischen Theorie der Bankenregulierung vgl. Dewatripoint/Tirole (1994). 6 Vgl. Kaserer (2006).
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Für Versicherungen trifft dieses Argument des systemischen Risikos nicht zu, da ihre ökonomische Funktion weder in der Durchführung einer Liquiditäts-‐ noch einer Fristentransformation (im Sinne einer Umwandlung von kurzfristigen Verbindlichkeiten in langfristige Forderungen) besteht. Daher wird die Versicherungsregulierung in der Regel mit externen Kosten bei fehlendem Verbraucherschutz gerechtfertigt.7 Ob dieser Verbraucherschutz über indirekte Instrumente, wie Preis-‐ und Produktregu-‐lierung, oder direkt durch eine weitgehende Verhinderung von Versicherungsinsolvenzen erreicht wird, ist im Grundsatz offen. Mit Solvency II hat sich die EU allerdings eindeutig für diesen zweiten Weg entschieden, wobei sie damit nur einem Regulierungstrend gefolgt ist, der schon seit vielen Jah-‐ren zu beobachten war.8
Dieser Ansatz führt zu einer Reihe von Implikationen, wobei vor dem Hintergrund der Zielsetzung die-‐ses Gutachtens lediglich ein Aspekt, nämlich die Rückwirkung auf Anlageentscheidungen, diskutiert werden soll. Diese Rückwirkung ist vor allem bei Lebensversicherungen, zu einem geringeren Teil auch bei Krankenversicherungen, relevant. Bei diesen werden durch das zeitliche Auseinanderklaffen von Prämienzahlungen und Versicherungsleistungen Kapitalanlagerisiken zu einem wesentlichen Bestand-‐teil des von der Versicherung zu tragenden Gesamtrisikos. Zudem müssen diese beiden Versicherungs-‐typen ihre Deckungsrückstellung mit einem durch Verordnung vorgegebenen Rechnungszins (Garan-‐tiezins) ermitteln, welcher derzeit in Deutschland in der Lebensversicherung 2,25% (ab 1. Januar 2012 1,75%) und in der Krankenversicherung 3,5% beträgt.9 Im folgenden Abschnitt stehen daher Lebens-‐versicherungen im Vordergrund, wobei die Argumente mit Einschränkungen auch auf Krankenversi-‐cherungen übertragen werden können.
3.1.1 Aufsichtsrechtlicher Planungshorizont und Kapitalanlageentscheidungen Gehen wir vom denkbar einfachsten Fall aus und betrachten eine Versicherung mit in jeder Hinsicht identischen Versicherten. Diese haben eine über mehrere Jahre laufende Lebensversicherung abge-‐schlossen, wobei die Versicherung einen garantierten Mindestzins (Garantiezins) auf die angesparten Beiträge zusichert. Aus Sicht der Versicherten könnte der Lebensversicherungsvertrag dann als eine Kombination aus einer Risikolebensversicherung und einer Kapitalanlage (z.B. in einen Investment-‐fonds) betrachtet werden. Für die Beurteilung der aufsichtsrechtlichen Wirkungen ist die Frage von Bedeutung, ob sich der Versicherte bei individueller Steuerung seiner Kapitalanlagen systematisch anders verhält als es die Versicherung vor dem Hintergrund des aufsichtsrechtlichen Rahmens tut.
Zur Beantwortung dieser Frage ist der Hinweis entscheidend, dass der aufsichtsrechtliche Rahmen unter Solvency II die Versicherung zu einer Steuerung der Kapitalanlagen dergestalt zwingt, dass die Wahrscheinlichkeit für die Unterschreitung der garantierten Mindestverzinsung bezogen auf ein Jahr maximal 0,5% beträgt. Damit kann die Versicherung zwar trotzdem eine langfristige Anlageentschei-‐dung treffen, sie muss aber immer eine einjährige Nebenbedingung einhalten. Kann ein solches Ver-‐halten aus Sicht des einzelnen Versicherten optimal sein? Aus der Entscheidungstheorie unter Unsi-‐cherheit weiß man, dass langfristige risikobehaftete Anlageentscheidungen dann auf eine Abfolge kurzfristiger Entscheidungen reduziert werden können, wenn die Risikopräferenzen des Entschei-‐dungsträgers eine spezifische Form aufweisen (von-‐Neumann-‐Morgenstern-‐Nutzenfunktionen mit konstanter relativer Risikoaversion) und die Renditen der Kapitalanlagen statistisch unabhängig sind.10
7 Vgl. Zweifel/Eisen (2000), S. 345 ff. 8 Zu diesem Paradigmenwechsel in der Versicherungsaufsicht vgl. Knauth/Schubert (2003). 9 Vgl. hierzu die „Verordnung über Rechnungsgrundlagen für die Deckungsrückstellungen“ und die „Verordnung über die versicherungsmathematischen Methoden zur Prämienkalkulation und zur Berechnung der Alterungsrückstellung in der privaten Krankenversicherung“. 10 Diese Einsicht geht zurück auf Samuelson (1969); für einen Überblick zu dieser Literatur vgl. Gollier (2001).
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Das sind sehr strenge Annahmen, die in der Regel allein schon deshalb nicht erfüllt sein werden, da zahlreiche empirische Befunde dafür vorliegen, dass die Risikoaversion von Anlegern nicht unabhängig ist von ihrem Vermögen. Dies wird bei konstanter relativer Risikoaversion allerdings impliziert. Dieses Argument soll hier aber gar nicht in den Vordergrund gestellt werden. Da man über die Risikopräfe-‐renzen von Anlegern relativ wenig weiß, ist unklar, zu welchen systematischen Abweichungen der Anlageentscheidung der Versicherung von der individuell optimalen Anlageentscheidung es aus die-‐sem Grund tatsächlich kommt.
Viel wichtiger ist der Umstand, dass das oben beschriebene, auf einen einjährigen Planungshorizont ausgerichtete Anlageverhalten der Versicherung aus Sicht des Versicherten nur dann optimal ist, wenn die Renditen der riskanten Kapitalanlagen die Eigenschaft der statistischen Unabhängigkeit (Random Walk) aufweisen. Dies bedeutet, dass aus der im letzten Jahr realisierten Rendite keinerlei Rückschluss auf die im nächsten Jahr zu erwartende Rendite gezogen werden kann. Es gibt nun tat-‐sächlich zahlreiche Befunde, dass die Renditen der meisten Kapitalanlagen keinem Random Walk fol-‐gen. Am ehesten lässt sich die Hypothese des Random Walk noch für Aktienmärkte aufrecht erhalten, wenngleich es selbst dort zahlreiche anderslautende Befunde gibt.11 Cum grano salis kommt die ein-‐schlägige Literatur zu dem Ergebnis, dass Aktienkursrenditen auf kurzer Frist zu positiver Abhängigkeit neigen, d.h. ein Kursanstieg an einem Tag erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es auch am folgenden Tag zu einem Kursanstieg kommt. Auf längere Frist, d.h. jenseits einjähriger Zeiträume, findet man zumeinst negative Abhängigkeit, d.h. ein Kursanstieg über einen Zeitraum von z.B. drei Jahren erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es im folgenden Dreijahreszeitraum zu einem Kursrückgang kommt.
Eine Veranschaulichung dieser Befunde liefert Abbildung 3. Dort ist der Autokorrelationskoeffizient als Maß für die zeitliche Abhängigkeit von Aktienkursrenditen für verschiedene Märkte und Anlageperi-‐
oden abgetragen. Ist dieses Maß positiv (negativ), so folgen – grob gesprochen – auf positive Renditen in einer Periode positive (negative) Renditen in der darauffolgenden Periode mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50%. Für die Darstellung in Abbildung 3 wurden exemplarisch der deutsche, der US-‐amerikanische und der weltweite Aktienmarkt untersucht. Die Zeitreihen stammen von Global Financial Data und decken sehr lange Zeiträume ab, die teilweise bis in das Jahr 1869 zurückgehen. Wie man sehen kann, findet man auf allen drei Märkten ein Muster, wonach die
Autokorrelation in der kurzen Frist, also bei Anlageperioden von einem Monat oder sechs Monaten, höher ist als in der langen Frist. Allerdings gibt es auch Märkte, wie etwa Deutschland, wo selbst bei einmonatigen Anlageperioden die Autokorrelation bereits negativ ist. Je nach Markt erreicht das Aus-‐maß der negativen Autokorrelation bei Anlageperioden von 3 bis 7 Jahren ihr Maximum. Zudem sei darauf hingewiesen, dass die Abweichung der in Abbildung 3 dargestellten Autokorrelationskoeffizien-‐ten vom Wert Null in den meisten Fällen nicht auf Zufall beruht. Angesichts der großen Zahl an Beob-‐
11 Vgl. für einen Überblick zu dieser Literatur Campbell et al. (1997).
ABBILDUNG 3: AUTOKORRELATIONSKOEFFIZIENTEN VON AKTIEN-‐
RENDITEN ÜBER VERSCHIEDENE ANLAGEPERIODEN (IN JAHREN)
(Quelle: Global Financial Data, eigene Berechnungen)
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achtungen beträgt die Irrtumswahrscheinlichkeit für alle Werte, die außerhalb des durch die beiden grauen Linien vorgegebenen Intervalls liegen, weniger als 5%.
Bei Renditen festverzinslicher Wertpapiere ist die Tatsache, dass ihre Veränderung über die Zeit nicht statistisch unabhängig ist, ohnehin schon lange bekannt und akzeptiert. Es gibt klare Befunde für einen so genannten Mean-‐Reversion-‐Prozess, d.h. einer Rückkehr zu langfristigen Mittelwerten. Dies scheint auch für Kreditmargen (Credit Spreads) zu gelten; jedenfalls gibt es für diese Hinweise, dass ihr Verlauf einem Mean-‐Reversion-‐Prozess gehorcht.12 Wenn es aber solche zeitlichen Abhängigkeiten gibt, dann macht es für die Anlageentscheidung sehr wohl einen Unterschied, ob der Entscheidungsträger einen kurzen oder langen Anlagehorizont hat. Kurzfristig, also z.B. über ein Jahr betrachtet, können die Risiken groß sein, längerfristig, also z.B. über fünf Jahre, sind sie bei den besprochenen negativen zeitlichen Abhängigkeiten deutlich kleiner. Einem Kurseinbruch in einem Jahr folgt dann nämlich im Jahr darauf eine Kurserholung mit größerer Wahrscheinlichkeit als ein weiterer Kursrückgang.
Ein Aufsichtssystem, das Versicherungen einen einjährigen Planungshorizont aufzwingt, jedenfalls als Nebenbedingung, wird also vor dem Hintergrund dieser empirisch zu beobachtenden Rendite-‐verteilung von riskanten Anlagen Allokationsentscheidungen auslösen, die ein individueller Anleger mit mehrjährigem Anlagehorizont und gleichem Informationsstand so nicht treffen würde. Da bei einjährigem Anlagehorizont die Anlagerisiken überschätzt werden, kommt es insoweit zu einer Ver-‐mögensallokation, in der sichere bzw. weniger riskante Anlageklassen übergewichtet werden. Gerade für Lebensversicherungen könnte dieser Effekt ökonomisch von großer Bedeutung sein, weil erstens die Marktrisiken einen erheblichen Teil der insgesamt zu tragenden Risiken ausmachen und weil zwei-‐tens innerhalb dieser Marktrisiken das Zinsänderungs-‐ und das Kreditrisiko wiederum den größten Anteil ausmacht. Gerade für diese beiden Risiken ist aber negative zeitliche Abhängigkeit empirisch am stärksten untermauert.
Allerdings muss man darauf hinweisen, dass diese Problematik in der bisherigen Versicherungsregu-‐lierung, aber auch im Solvency-‐II-‐Projekt, nicht völlig ignoriert worden ist. So hängt etwa im Stress-‐Test, den die BaFin mit den Versicherungen in der Vergangenheit durchgeführt hat, der Aktienkurs-‐schock vom Kursniveau an den Aktienmärkten ab. Dies gilt auch für Solvency II, wo für den Stressfaktor von Aktienanlagen eine Bandbreite vorgesehen ist, die von den Aufsichtsbehörden je nach Kursniveau an den Märkten angepasst werden kann. Die Idee dabei ist immer, negative zeitliche Abhängigkeit dadurch abzubilden, dass der Stressfaktor größer (kleiner) wird umso höher (niedriger) das Kursniveau an den Märkten ist. Artikel 304 der Solvency-‐II-‐Richtlinie sieht darüber hinaus sogar vor, dass die Sol-‐venzkapitalanforderung bei Altersvorsorgeverträgen über einen längeren als den im Normalfall vorge-‐sehenen einjährigen Zeitraum kalibriert werden kann. Ob diese Ausnahmeregelung tatsächlich auch genutzt werden kann, ist derzeit unklar, da dies an strenge Voraussetzungen geknüpft werden soll. Bei der Modellierung des Zinsänderungsschocks ist diese Problematik hingegen nur äußerst rudimentär berücksichtigt worden. Und beim Kreditrisikoschock ist dieser Aspekt letztlich ausgeblendet worden.13
Dabei haben die zuständigen Behörden diese Problematik keineswegs ignoriert. Im Vorfeld zu Solven-‐cy II hat es auch hierzu ausführliche Diskussionen gegeben. Ein zentrales Problem dabei ist die Frage, wie diese komplizierten statistischen Effekte, die überdies einer nur wenig verstandenen zeitlichen Variation unterliegen, überhaupt in ein aufsichtsrechtliches Modell zu integrieren sind. In einem Stan-‐dardmodell, das auch immer die Nutzerfreundlichkeit im Auge haben muss, ist dies sicherlich nur mit
12 Vgl. z.B. Prigent et al. (2001). 13 Es sind überdies von vielen Seiten Vorschläge gemacht worden, wie diese Effekte in einem Solvenzkapitalanforde-‐rungsmodell berücksichtigt werden könnten; für einen ausführlichen Überblick vgl. Sandström (2011).
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groben Vereinfachungen möglich. Eine genauere Abbildung der Realität könnte allenfalls im Rahmen von internen Modellen geschehen, wobei dort abzuwarten bleibt, wie weit die Aufsichtsbehörde kon-‐zeptionelle Abweichungen vom Standardansatz akzeptiert. Letztlich ist dieses Problem die direkte Folge des oben beschriebenen Wechsels im aufsichtsrechtlichen Ansatz von einem indirekten, über Marktregulierung hergestellten Verbraucherschutz hin zu einem direkten Schutz, der über die Vermei-‐dung von Versicherungsinsolvenzen erreicht werden soll. Damit ist der Eingriff in die Risikomanage-‐mentsysteme der Versicherungen unvermeidlich, was genau zu den beschriebenen Problemen mit ihren teilweise unbefriedigenden Lösungen führt.
3.1.2 Die Bedeutung der Eigenmittelunterlegung für Kapitalanlageentscheidungen Die oben beschriebene negative zeitliche Abhängigkeit der Kapitalmarktrenditen führt, wie gezeigt, dazu, dass kurzfristig gemessene Risiken höher sind als langfristig gemessene. Wenn sich die aufsichts-‐rechtliche Eigenmittelanforderung aber an den kurzfristig gemessenen Risiken orientiert, kann die Versicherung, deren ursprüngliche Eigenmittelausstattung auf die tatsächlichen langfristigen Risiken ausgerichtet war, auf zweierlei Arten reagieren. Sie kann einerseits ihr Anlageportfolio zu Gunsten risikofreier oder weniger riskanter Anlagen umschichten. Im Extremfall würde sie die versicherungs-‐technischen Rückstellungen fristenkongruent mit risikolosen Staatsanleihen unterlegen, so dass die Eigenmittelanforderung sehr klein würde und damit der oben beschriebenen Effekt keine Rolle mehr spielte. Alternativ kann sie natürlich auch mit einer höheren Eigenmittelunterlegung reagieren. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht lässt sich nun nicht sagen, dass höhere Eigenkapitalquoten grundsätzlich negativ zu beurteilen sind, sofern man von den steuerlichen Nachteilen absieht, die damit in der Regel verbunden sind. Dieser Aspekt wird derzeit gerade im Zusammenhang mit der beschlossenen Erhö-‐hung der Eigenmittelunterlegung von Kreditinstituten intensiv diskutiert.14
Für Versicherungen, insbesondere Lebensversicherungen, stellt sich diese Problematik aber anders dar als für Banken oder Industrieunternehmen. Die Fremdkapitalgeber sind bei ihr nämlich die Versicher-‐ten und diese haben auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen (VAG, VVG und Mindestzuführungs-‐verordnung) einen Anspruch auf eine angemessene Beteiligung an den Kapitalanlageerträgen. Eine Erhöhung des Eigenkapitals reduziert für die Versicherten die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Nichterfüllung der Garantieverzinsung kommt. Sie wirkt für die Versicherten (Gläubiger) somit risiko-‐senkend. Im Gegenzug erhalten die Eigenkapitalgeber aber keine Kompensation in Form einer sinken-‐den Überschussbeteiligung für die Versicherten; dies gilt jedenfalls solange wie die genannten gesetz-‐lichen Regelungen nicht angepasst werden. Insofern führt eine Erhöhung des Eigenkapitals zu einer Umverteilung von Risiken zu Gunsten der Versicherten, was zur Folge hat, dass bei Lebensversicherun-‐gen auf risikoadjustierter Basis die Eigenkapitalkosten mit steigendem Eigenkapital zunehmen. Dies erzeugt einen Anreiz eine höhere Eigenmittelunterlegung zu vermeiden, was durch eine Reduktion der Risiken in den Kapitalanlagen erreicht werden kann.
Versicherungen, die ihre Bilanzen nach HGB erstellt haben, konnten diesen Effekt bislang dem Grund-‐satz nach vermeiden, weil sich die aufsichtsrechtliche Eigenmittelunterlegung an den bilanziellen Risi-‐ken orientiert hat. Wegen der nach HGB gegebenen Möglichkeit zur Bildung von Bewertungsreserven, konnte das in der Gewinn-‐ und Verlustrechnung ausgewiesene Ergebnis aus Kapitalanlagen über die Zeit geglättet werden. In diesem Zusammenhang spielt auch § 341b HGB eine wichtige Rolle, da dieser vorsieht, dass für Kapitalanlagen, soweit es sich um Aktien, Investmentanteile oder sonstige Wertpa-‐piere handelt, unter bestimmten Voraussetzungen das strenge Niederstwertprinzip nicht anzuwenden ist. Da der von der BaFin angewandet Stresstest sich an den bilanziellen Wirkungen orientiert, kommt
14 Ein diesbezüglich kontroverses Papier wurde kürzlich von Admati et al. (2011) veröffentlicht.
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es nicht auf die Unterlegung kurzfristiger Risiken an. Dabei ist zu beachten, dass die BaFin hier insoweit eine Ausnahme macht, als bei Aktienbeständen die Regelungen des § 341 HGB im Stresstest keine Berücksichtigung fanden.
Solvency II wird insoweit zu einem grundlegenden Wandel führen, als die Eigenmittelunterlegung nunmehr von den tatsächlichen Risiken und nicht mehr nur von den rein bilanziell gemessenen Risiken abhängt. Damit wird künftig eine Eigenmittelunterlegung gefordert, die auf Risiken beruht, die sich in der Bilanz des Versicherers nur teilweise wiederfinden. Ob deswegen die Eigenmittelunterlegung auch systematisch zu hoch ist, hängt von der Stärke des oben beschriebenen Effektes negativer zeit-‐licher Abhängigkeiten ab. Mit der Bildung und Auflösung von Bewertungsreserven kann die Volatilität des tatsächlichen Kapitalanlageergebnisses über längere Zeiträume dann ohne Schaden für die Versi-‐cherten geglättet werden, wenn es die oben beschriebene negative zeitliche Abhängigkeit in den Kapi-‐talmarktrenditen gibt. Würden die daraus resultierenden Effekte unter Solvency II abgebildet, gäbe es zumindest im langfristigen Mittel gar keine Diskrepanz zwischen der Unterlegung der bilanziellen und der tatsächlichen Risiken. Da dies aber nicht – oder allenfalls nur eingeschränkt – der Fall ist, führt dieser Effekt zu einer in der Tendenz überhöhten Eigenmittelunterlegung bzw. übermäßigen Risiko-‐scheue in der Allokation der Kapitalanlagen.
Für Versicherungsunternehmen, die bereits heute nach IFRS bilanzieren, wird dieser durch Solvency II ausgelöste Effekt nur in abgeschwächter Form auftreten, weil sich dort aufgrund der viel stärkeren Marktwertorientierung bereits heute kurzfristige Marktvolatilität in den Bilanzen wiederfindet. Soweit bei diesen Versicherungen für die Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Eigenmittelanforderungen die HGB-‐Abschlüsse relevant sind, wären auch sie von dieser Umstellung voll betroffen. Allerdings wird man selbst in diesem Fall unterstellen können, dass der Ausweis kurzfristiger Volatilität in der Bilanz auch ohne aufsichtsrechtliche Verknüpfung nicht ohne Rückwirkung auf das Anlageverhalten geblie-‐ben ist. Zwar können Versicherungen über die Rückstellungen für Beitragsrückerstattung (RfB) die den Versicherten gutgeschriebenen Überschussbeteiligungen glätten, jedoch sind dieser Glättung einer-‐seits rechtliche Grenzen gesetzt. Andererseits gibt es möglicherweise auch Einschränkungen, weil in der Bilanz einmal ausgewiesene Ergebnisse Informationswirkungen für den Kapitalmarkt und die Ver-‐sicherten erzeugen.
Zusammenfassend muss man also festhalten, dass die Abbildung von langfristigen Kapitalmarktrisiken ein kompliziertes Problem ist, das in einem aufsichtsrechtlichen Standardmodell kaum zu erfassen ist. In der Vergangenheit haben die Versicherungen nach den jeweils für sie besten Modellen gesucht, die sich dann im Wettbewerb mit den anderen Versicherungen bewähren mussten. Zwar wird es diesen Wettbewerb insoweit auch künftig geben, als die Versicherungen mit internen Modellen operieren können. Allerdings ist zu befürchten, dass sich kleinere Versicherungen wegen der hohen Kosten, die mit der Entwicklung und Implementierung von internen Modellen verbunden
ABBILDUNG 4: MARKTANTEILE DER 3 (CR3) BZW. 5 (CR5) GRÖß-‐TEN LEBENSVERSICHERUNGEN IN VERSCHIEDENEN EUROPÄISCHEN LÄNDERN IM JAHR 2008
(Quelle: EIOPA, eigene Berechnungen)
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sind, an diesem Wettbewerb nicht mehr beteiligen können. Diese Effekte hängen natürlich auch davon ab, wie aufwendig die Aufsichtsbehörde die Genehmigung interner Modelle gestaltet. Es ist nicht aus-‐zuschließen, dass dies zu einem zusätzlichen Treiber für einen Konzentrationsprozess wird, der sich gerade im Lebensversicherungssektor in anderen europäischen Ländern bereits manifestiert hat. Abbildung 4 zeigt, dass dieser Markt in Deutschland derzeit noch einen relativ geringen Konzentrati-‐onsgrad aufweist. Allerdings gab es auch hierzulande im letzten Jahrzehnt einen gewissen Konzentra-‐tionsprozess im Erstversicherungssektor, wie man in Abbildung 5 erkennen kann.
3.2 Grundzüge von Solvency II 3.2.1 Risikomessung und -‐modelle Wie bereits erwähnt, bestimmt sich die Basissolvenzkapitalanforderung nach Solvency II durch eine integrierte finanzwirtschaftliche Betrachtung der versicherungstechnischen Risiken (Passivseite) einer-‐seits und der Kapitalanlagerisiken (Aktivseite) andererseits. Insoweit reflektiert Solvency II moderne portfoliotheoretische Ansätze, in denen die Gesamtrisiken eines Unternehmens durch eine integrierte Betrachtung der aktiv-‐ und passivseitigen Risiken gesteuert werden. Im Kontext der Steuerung von Versicherungsunternehmen (einschließlich Pensionskassen) spricht man auch von einem Asset-‐Liability-‐Management (ALM).
Dieses auf portfoliotheoretischen Modellen beruhende ALM hat in großen Versicherungsunternehmen als Risikosteuerungsansatz schon vor vielen Jahren Einzug gehalten, weshalb diese Unternehmen auch bereits über interne Modelle zur Berechnung des für ihr Geschäft notwendigen ökonomischen Kapitals verfügen. Der europäische Gesetzgeber hat sich insoweit mit Solvency II an der bereits existierenden Praxis orientiert.
Konkret sehen die Richtlinie und die von der Kommission veröffentlichten technischen Spezifikationen zur QIS515 vor, dass bei der Ermittlung der SCR Risikomodelle zu verwenden sind, die die Risiken der Versicherungsunternehmen über mindestens sechs Risikomodule abbilden, von denen die meisten wieder in mehrere Untermodule aufgeteilt werden müssen. Eine etwas vereinfachende Übersicht
15 Vgl. European Commission (2010).
ABBILDUNG 5: MARKTANTEILE DER N GRÖßTEN ERSTVERSICHERUNGSANBIETER IN PROZENT
(Quelle: Farny (2011), Farny/Willems (2001), eigene Berechnungen)
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findet sich in Abbildung 6. Von den fünf Risikomodulen sind drei den versicherungstechnischen Risiken zuzuordnen, nämlich die Module für das lebensversicherungstechnische, das krankenversicherungs-‐technische und das nichtlebensversicherungstechnische Risiko. Diese drei Risikomodule sind in Abbildung 6 zu einer Gruppe zusammengefasst. Weiterhin muss ein Risikomodul die Marktrisiken ab-‐bilden, wobei diese in sieben Untermodule aufzuteilen sind. Abbildung 6 dürfte insoweit selbsterklä-‐rend sein. Anzumerken ist hier allenfalls, dass das Kreditrisiko (spread risk) jenes Risiko abbildet, das sich aus der Veränderung von Credit Spreads, also von Risikoprämien bei festverzinslichen Wertpapie-‐re oder Kreditderivaten ergibt. Die Berücksichtigung des Illiquiditätsrisikos ist vor allem durch die ver-‐sicherungstechnischen Rückstellungen getrieben, da deren Barwert bei einem Rückgang der Illiquidi-‐tätsprämie steigen würde. Da aber Illiquiditätsrisiken auch bei den Kapitalanlagen relevant sein kön-‐nen, muss dieser Effekt auch im Rahmen des Marktrisikos abgebildet werden. Konzentrationsrisiken ergeben sich aufgrund von ungenügender Diversifikation, etwa bei OTC-‐Derivatepositionen gegenüber einer einzelnen Bank. Diese sind allerdings nur insoweit zu berücksichtigen, als sie nicht schon im Risi-‐komodul Gegenparteirisiken Eingang gefunden haben. Dieses letztere Modul ist nämlich jener Teil des Modells, in welchem die Gegenparteirisiken explizit abgebildet werden. Hier spielen etwa Forderun-‐gen aus Rückversicherungsverträgen oder Positionen in strukturierten Wertpapieren eine Rolle, wel-‐che bei Ausfall der Gegenpartei erheblich an Wert verlieren würden. Und schließlich müssen im Mo-‐dell auch noch die Risiken aus der Wertveränderung von immateriellen Vermögensgegenständen ab-‐gebildet werden, sofern dieses Risiko für das jeweilige Versicherungsunternehmen überhaupt relevant ist.
Solvency II lässt den Unternehmen die Wahl, mittels welcher Modelle sie die Risikomessung durch-‐führen. Jene Unternehmen, die bereits in der Vergangenheit interne Modelle entwickelt haben, kön-‐nen also mit diesen weiterarbeiten, vorausgesetzt diese werden von den Aufsichtsbehörden aner-‐
ABBILDUNG 6: RISIKOMODULE ZUR BESTIMMUNG DES BASISSOLVENZKAPITALS NACH SOLVENCY II
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kannt. Allerdings ist bekannt, dass lediglich die großen, international tätigen Versicherungsgruppen über solche Modelle verfügen. Im Rahmen von QIS5 haben rund 10% der Teilnehmer auch eine SCR-‐Berechnung auf der Basis eines internen Modells vorgelegt.16 Allerdings waren viele dieser Unterneh-‐men Teil derselben Unternehmensgruppe, so dass es sich am Ende um 29 unabhängige Versiche-‐rungsgruppen handelt, die bereits mit internen Modellen arbeiten. Solvency II sieht daher auch eine Alternative zu den internen Modellen vor, nämlich das so genannte Standardmodell. Dabei ist es auch zulässig, lediglich einzelne Risikomodule (z.B. das Marktrisiko oder das Gegenparteiausfallrisiko) oder Untermodule (z.B. Aktienrisiko oder Immobilienrisiko) mit einem internen Modell zu bewerten. Man spricht dann von einem Partialmodell im Gegensatz zu einem Vollmodell.
Sollte sich das Unternehmen für ein internes Modell entscheiden, muss dieses eine Reihe von Voraus-‐setzungen erfüllen, damit es von den Aufsichtsbehörden genehmigt wird. So sagt etwa Artikel 121 der Solvency-‐II-‐Richtlinie, dass sich interne Modelle auf angemessene, anwendbare und einschlägige versi-‐cherungsmathematische und statistische Techniken stützen müssen. Weiterhin werden Anforderun-‐gen an die unternehmensinternen Prozesse beim Einsatz dieser Modelle und an die Datenqualität gestellt. Gerade letzteres könnte bei solchen Anlagen, für die keine organisierten und hoch liquiden Sekundärmärkte existieren, durchaus problematisch sein. So gibt es die Befürchtung, dass etwa bei Immobilien-‐ oder auch Private-‐Equity-‐Anlagen die Anerkennung solcher internen Modelle schwierig werden könnte.
Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge (EIOPA) hat bereits im März 2010 ein umfangreiches Dokument erlassen, welches den so genannten Pre-‐Application-‐Prozess bei der Verwendung interner Modelle näher beschreibt (CEIOPS 2010). Wenn-‐gleich es zu diesem Pre-‐Application-‐Process keine näheren Informationen gibt, weiß man, dass mehre-‐re große Versicherungen diesen bereits initiiert haben. Dies sollte allerdings nicht darüber hinwegtäu-‐schen, dass die große Mehrzahl der Versicherungen zunächst voraussichtlich mit dem Standardmodell arbeiten wird. Jedenfalls haben von den 2.520 europäischen Versicherungsunternehmen, die an der QIS5 teilgenommen haben, 289 angegeben, dass sie an der Implementierung eines internen Modells nach Solvency II arbeiten. Soweit diese Unternehmen Teil einer Versicherungsgruppe sind, soll die Anwendung des internen Modells auf Gruppenebene erfolgen.17
Dabei muss man davon ausgehen, dass die große Mehrzahl dieser Unternehmen Teil jener 29 Versi-‐cherungsgruppen ist, die in der QIS5-‐Befragung Ergebnisse aus ihren internen Modellen veröffentlicht haben. Diese Anzahl dürfte die tatsächlichen Verhältnisse hinsichtlich der zu erwartenden anfängli-‐chen Verbreitung interner Modelle recht gut treffen. Diesen Schluss kann man jedenfalls ziehen, wenn man im Bankensektor nach einer Analogie sucht. So haben laut dem Geschäftsbericht 2010 der BaFin Ende 2009 49 Kreditinstitute und Kreditinstitutsgruppen ein internes Modell nach Basel II verwendet. Zwar ist davon auszugehen, dass diese Banken einen erheblichen Teil des Gesamtmarktes repräsentie-‐ren, dennoch darf man nicht vergessen, dass Ende 2009 insgesamt 2.106 Kreditinstitute der Aufsicht durch die BaFin unterlagen.
Hinzu kommt, dass der Anreiz ein internes Modell einzusetzen, bei Versicherungsgruppen offensicht-‐lich deutlich größer ist als bei Einzelunternehmen. Gemäß den Auswertungen zur QIS5 stellte sich für 236 Versicherungsunternehmen, die ihre SCR auf der Basis eines internen Modells berechnet haben, das Verhältnis zwischen diesem und der SCR auf der Basis des Standardmodells gemäß Abbildung 7
16 Vgl. EIOPA (2011), S. 14. 17 Vgl. EIOPA (2011), S. 106.
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dar. Interessant ist dabei, dass das nach Unternehmensgröße gewichtete Mittel bei 99% lag. Im Durch-‐schnitt war also der SCR in beiden Verfahren nahezu identisch.18
Ein völlig anderes Bild zeigt sich aber, wenn man die SCR auf Gruppenebene betrachtet, wie man wie-‐derum in Abbildung 7 erkennen kann. Bei den 29 Versicherungsgruppen, die auf Gruppenebene die SCR mittels eines internen Modells ermittelt haben, stellt sich das Verhältnis im Durchschnitt bei 80%
ein. Die nach der Standardformel ermittelte Gruppen-‐SCR war also um 25% höher als die nach dem internen Modell ermittelte. Dieser Effekt macht sich bei nahezu allen Unternehmen bemerkbar, da in mehr als drei Viertel aller Fälle der Gruppen-‐SCR nach dem internen Modell niedriger ist als nach der Standardformel. Zwar ist der Effekt, dass interne Modelle zu
niedrigeren Eigenmittelanforderungen
führen als das Standardmodell durchaus gewollt, jedoch sollte man nicht vergessen, dass dieser Anreiz unter
Wettbewerbsgesichtspunkten zumindest problematisch ist. Und unabhängig davon bleibt der Effekt, dass es beachtliche Probleme bei der gruppeninternen Aggregation des SCR gibt, unabhängig davon, ob man mit einem internen Modell oder dem Standardmodell arbeitet. Insoweit müssen die derzeitigen Bemühungen, die Dis-‐krepanzen zwischen der SCR-‐Ermittlung auf Einzelunternehmens-‐ und auf Gruppenebene zu beseiti-‐gen, zwingend verstärkt werden.
3.2.2 Das Standardmodell In der Solvency-‐II-‐Richtlinie wurde festgelegt, dass dies Berechnung der Basissolvenzkapitalanforde-‐rung durch eine Aggregation der Solvenzkapitalanforderungen der einzelnen Risikomodule gemäß der so genannten Wurzelformel zu erfolgen hat. Konkret gilt also:
€
SCR = Corrij × SCRi × SCR jj=1
5
∑i=1
5
∑ + SCRIV
18 Vgl. zu diesen Zahlen EIOPA (2011), S. 114.
TABELLE 1: KORRELATIONSKOEFFIZIENTEN DER VERSCHIEDENEN SUBMODULRISIKEN IM MARKTRISIKOMODUL
Zin
sen
Akt
ien
Imm
obili
en
Kre
ditm
arge
n
Klu
mpe
nris
iko
Wec
hsel
kurs
e
Illiq
uidi
tät
Zinsen 1,00 0,50 0,50 0,50 0,00 0,25 0,00Aktien 0,00 1,00 0,75 0,75 0,00 0,25 0,00Immobilien 0,00 0,75 1,00 0,50 0,00 0,25 0,00Kreditmargen 0,00 0,75 0,50 1,00 0,00 0,25 -0,50Klumpenrisiko 0,00 0,00 0,00 0,00 1,00 0,00 0,00Wechselkurse 0,25 0,25 0,25 0,25 0,00 1,00 0,00Illiquidität 0,00 0,00 0,00 -0,50 0,00 0,00 1,00
Korrelation bei Zinsanstieg
Kor
rela
tion
en b
ei Z
insr
ückg
ang
ABBILDUNG 7: VERHÄLTNIS DES SCR AUF DER BASIS EINES INTERNEN MODELLS ZUM SCR AUF DER BASIS DES STANDARDMODELLS FÜR UNTER-‐
SCHIEDLICHE QUANTILE
(Quelle: EIOPA 2010)
!"#
$!"#
%!"#
&!"#
'!"#
(!!"#
($!"#
(%!"#
(!"# $)"# )!"# *+,-#./0+1# 2)"# 3!"#
456#7/89+158:+;8+<=+8>+?+8+# 456#@;5AA+8+?+8+#
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Dabei stehen die Laufindizes i und j für fünf der insgesamt sechs Risikomodule, Corrij steht für den Korrelationskoeffizienten des Modulrisikos i zum Modulrisiko j. Diese Korrelationskoeffizienten sind im Anhang IV der Solvency-‐II-‐Richtlinie festgelegt und hier in Tabelle 1 zusammengefasst. Für jedes die-‐ser Module wird die Solvenzkapitalanforderung (SCRi) auf der Basis des einjährigen Konfidenzniveaus von 99,5% ermittelt. Die Risiken aus immateriellen Vermögenswerten, also das sechste Modul, werden so behandelt, als ob diese einen Korrelationskoeffizienten von 1 gegenüber allen anderen Modulrisi-‐ken hätte.
Zu beachten ist, dass die obige Aggregationsformel nur unter bestimmten Verteilungsannahmen kor-‐rekt ist, etwa wenn für die einzelnen Modulrisiken eine multivariate Normalverteilung unterstellt wird. Bei anderen Verteilungen kann diese Formel zu nicht unerheblichen Fehlern führen, wie unter ande-‐ren Pfeiffer/Strassburger (2008) zeigen.
Für die einzelnen Risikomodule werden wiederum Regeln zur Aggregation der dort jeweils relevanten Subrisiken vorgegeben. Für die hier vorliegenden Zwecke werden wir uns ausschließlich auf das Markt-‐risikomodul konzentrieren. Es wurde in Abbildung 6 schon gezeigt, dass dieses Risikomodul in sieben Untermodule aufgeteilt wird. Die Solvenzkapitalanforderung für das Marktrisikomodul wird dann dem Grundsatz nach folgendermaßen ermittelt: Zuerst werden für jedes Untermodul bestimmte Schocks festgelegt, die in der Regel ein Ereignis repräsentieren, das mit einer Wahrscheinlichkeit von nicht mehr als 0,5% eintritt; bei Aktien ist beispielsweise von einem Kursrückgang von 39% auszugehen, wobei dieser Schock von der Aufsichtsbehörde in Abhängigkeit des aktuellen Bewertungsniveaus am Kapitalmarkt um ±9 Prozentpunkte angepasst werden kann. Die Verbindung dieser Schocks zwischen den verschiedenen Untermodulen erfolgt dann über deren Abhängigkeit von einem gleichzeitig eintre-‐tenden Zinsschock, also einer Aufwärts-‐ oder Abwärtsverschiebung der Zinsstrukturkurve. Hierfür wird eine Korrelation in Abhängigkeit davon unterstellt, ob man in der Zinsstrukturkurve eine Aufwärts-‐ oder Abwärtsverschiebung unterstellt.
Auf dieser Basis wird dann eine Solvenzkapitalanforderung für das Aufwärts-‐ bzw. Abwärtsszenario in der Zinsstrukturkurve ermittelt. Die höhere dieser beiden Kapitalanforderungen ergibt dann das Sol-‐venzkapital für das Marktrisikomodul. Für die Aggregation der Kapitalanforderungen der einzelnen Untermodule wird wieder die oben bereits erwähnte Wurzelformel verwendet einschließlich der be-‐reits erwähnten Verteilungsannahmen. Konkret lautet die Formel zur Ermittlung des Solvenzkapitals im Marktrisikomodul (SCRM) wie folgt:
€
SCRM =max Corri, jup × Mktup,i
j=1
7
∑i=1
7
∑ × Mktup, j ; Corri, jdown × Mktdown,i
j=1
7
∑i=1
7
∑ × Mktdown, j⎡
⎣ ⎢ ⎢
⎤
⎦ ⎥ ⎥
Dabei bezeichnet Mktdown,i bzw. Mktup,i die Kapitalanforderung, die im Untermodul i (z.B. Aktien) durch den für das Abwärts-‐ bzw. Aufwärtsszenario vorgesehenen Schock ausgelöst werden. Die Korrelations-‐koeffizienten (Corrup/downr,i) können Tabelle 1 entnommen werden.
Zu beachten ist schließlich noch, dass die Versicherungen eventuelle Verlustverrechnungsmöglichkei-‐ten mit versicherungstechnischen Rückstellungen in dieser Berechnung berücksichtigen dürfen. Dies ist dann besonders relevant, wenn Überschussbeteiligungen noch nicht unwiderruflich zugesagt wor-‐den sind und daher in gewissen Grenzen zum Verlustausgleich herangezogen werden können.
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3.3 Mögliche Verschiebungen in der Kapitalanlage 3.3.1 Allgemeine Überlegungen In diesem Abschnitt soll diskutiert werden, welche systematischen Verschiebungen in der Kapitalanla-‐ge der Lebensversicherungen durch Solvency II möglicherweise ausgelöst werden. In Anbetracht der diesem Gutachten zugrunde liegenden Fragestellung wird dabei der Status quo als Vergleichsgröße gewählt. Allerdings wird nicht der – sicherlich ebenfalls spannenden – Frage nachgegangen, ob die von der Kommission gewählten Stressszenarien die zu beobachtenden Wahrscheinlichkeitsverteilungen verschiedener Anlageklassen adäquat abbilden. Auf die grundsätzliche Problematik, dass es in Solven-‐cy II möglicherweise eine zu starke Fokussierung auf kurzfristige Risiken gibt, wurde schon in Abschnitt 3.1.1 hingewiesen. Hier soll vielmehr die Frage gestellt werden, inwiefern Solvency II im Vergleich zu den derzeit geltenden aufsichtsrechtlichen Regelungen nach Solvency I Verschiebungen in der Kapital-‐anlage der Versicherungen auslösen könnte.
Dabei konzentrieren wir uns auf die Verhältnisse in Deutschland, so dass hier letztlich ein Vergleich mit den Regelungen der BaFin zu den Stresstests der Versicherungen erfolgt, wie sie in dem Rundschrei-‐ben R 30/2002 sowie mehreren weiteren Rundschreiben zur Ergänzung und Änderung desselben fest-‐gelegt wurden. Der tatsächliche Anpassungsbedarf wird mit einer solchen Vorgehensweise tendenziell überschätzt, weil Versicherungen in der Regel nicht genau an der durch diese Stresstests zulässigen Grenzen operieren. Unabhängig von Solvency I oder Solvency II ist davon auszugehen, dass Versiche-‐rungen bemüht sein werden, hinreichende Sicherheitsabstände zur aufsichtsrechtlichen Solvenzkapi-‐talanforderung aufzuweisen. Hinzu kommt, dass der Vergleich der beiden aufsichtsrechtlichen Rege-‐lungen für jene Versicherungen kaum möglich ist, die bereits heute mit internen Modellen arbeiten und die diese Modelle – allerdings mit einem gewissen Anpassungsbedarf – auf die neuen aufsichts-‐rechtlichen Rahmenbedingungen übertragen werden. Da man weder die derzeitigen internen Modell kennt noch weiß, wie diese künftig aussehen werden, sind Aussagen über einen tatsächliche Anpas-‐sungsbedarf nicht möglich. Letztlich muss man also einschränkend festhalten, dass es im Folgenden um reine Tendenzaussagen geht, die sich in erster Linie auf einen Vergleich von Solvency I mit dem Standardmodell nach Solvency II stützen.
Zum besseren Verständnis der folgenden Ausführungen sei hier kurz der derzeit von der BaFin bei beaufsichtigten Versicherungsunternehmen durchgeführte Stresstest beschrieben, den wir zur Verein-‐fachung als Solvency I bezeichnen.19 Dieser ist im Vergleich zu den Solvenzkapitalanforderungen relativ einfach konstruiert: Die Versicherer müssen ihre Solvabilität unter vier verschiedenen Alternativszena-‐rien überprüfen. Szenario I unterstellt einen isolierten Kursrückgang festverzinslicher Wertpapiere um 10%; Szenario II einen isolierten Aktienkursrückgang zwischen 10 und 45% je nach aktuellem Stand des EuroStoxx50-‐Index; Szenario III unterstellt einen Kursrückgang bei festverzinslichen Wertpapiere um 5% in Verbindung mit einem Aktienrückgang wie unter Szenario II; Szenario IV unterstellt ebenfalls einen Aktienkursverfall wie in Szenario II kombiniert mit einem Verfall der Immobilienpreise um 10%. Anzumerken ist, dass aufgrund der Regelungen des § 341b HGB Wertpapiere und Investmentanteile unter der Voraussetzung, dass sie dem Geschäftsbetrieb einer Versicherung dauerhaft dienen, behan-‐delt werden können wie Anlagevermögen und somit das strenge Niederstwertprinzip nicht anzuwen-‐den ist. Für den BaFin-‐Stresstest wird diese bilanzielle Regelung lediglich in Bezug auf Aktien, nicht aber in Bezug auf Rentenpapiere ausgesetzt. Zudem ist zu beachten, dass bei allen Szenarien Bonitäts-‐risiken bei festverzinslichen Wertpapieren durch einen zusätzlichen Kursabschlag von 10% auf N-‐IG-‐Anleihen sowie auf Schuldverschreibungen ohne Rating berücksichtigt werden. Bei einem Rating von CCC oder schlechter beträgt der Abschlag sogar 30%.
19 Für eine kurze Beschreibung des BaFin Stresstests 2011 vgl. www.bafin.de.
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Im Folgenden werden aus Platzgründen nun einzelne Submodule aus dem Bereich des Marktrisikomo-‐duls näher betracht. Allerdings beschränken wir uns auf die Submodule Zins-‐ und Kreditrisiko, da diese für die Versicherungen von besonderer Bedeutung sind.
3.3.2 Zinsrisiko Betrachtet man zunächst das Zinsrisiko, so sind zwei fundamentale Unterschiede zwischen Solvency I und Solvency II festzustellen. Erstens berücksichtigt Solvency II die Auswirkung einer Veränderung des
Zinsniveaus sowohl bei den Kapitalanlagen (Aktivseite) als auch bei den Verbindlichkeiten und versicherungstechnischen Rückstellungen (Passivseite); Solvency I hingegen berücksichtigt nur die (teilwei-‐sen) Auswirkungen auf der Aktivseite. Zweitens modelliert Solvency II die komplette Verschiebung der Zinsstruktur nach oben und unten, wie es in Abbildung 8 dargestellt ist. Der Zinsschock ist dabei umso höher, je höher das Zinsniveau ist. Damit ist dem typischen Mean-‐Reversion-‐Verhalten von
Zinssätzen allenfalls einseitig Rechnung getragen worden. Hingegen wird unter Solvency I unterstellt, dass es über den gesamten Laufzeitenbereich zu einer gleichmäßigen prozentualen Kursänderung kommt, womit implizit unterstellt wird, dass die absolute Zinsänderung am langen Ende deutlich klei-‐ner ist als am kurzen.
Zur Abrundung des Bildes muss man sich noch überlegen welches Zinsengagement Versicherungen typischerweise eingehen. Bei einer Lebensversicherung etwa kann man unterstellen, dass die durch-‐schnittliche Laufzeit auf der Passivseite wegen der lang laufenden Versicherungsverträge relativ hoch ist. Finanzmathematisch kommt es dabei auf die mit den Barwerten gewichtete durchschnittliche Rest-‐laufzeit an, welche man als modifizierte Duration bezeichnet. Diese ist ein Elastizitätsmaß welches angibt, um wie viel Prozent der Wert eines Zahlungsstroms näherungsweise fällt (steigt), wenn es zu einer Zinserhöhung (-‐senkung) um einen Prozentpunkt kommt. Dieser modifizierten Duration der Passivseite ist jene der Aktivseite, also der Kapitalanlagen, gegenüberzustellen. In dem Maße wie es zwischen diesen beiden Größen eine Differenz gibt, ist das betreffende Versicherungsunternehmen einem Zinsänderungsrisiko ausgesetzt. Da die Duration ein linearisiertes Elastizitätsmaß ist, impliziert eine Duration von Null allerdings nur, dass das Zinsänderungsrisiko nur bei sehr kleinen Zinsänderungen verschwindet. Dieser Effekt wird im Folgenden der Vereinfachung halber vernachlässigt.
Kommt man nun zurück zu der Lebensversicherung, so geht man typischerweise davon aus, dass die modifizierte Duration auf der Aktivseite niedriger ist als auf der Passivseite.20 Man spricht von einem
20 Einen Beleg hierfür findet man im Geschäftsbericht der Münchner Rückversicherung. Demnach weisen die festver-‐zinslichen Kapitalanlagen per Jahresende 2010 eine modifizierte Duration von 6,6 auf, wohingegen die Verbindlichkei-‐ten einen Wert von 8,3 aufweisen (vgl. S. 131 des Konzerngeschäftsberichts der Munich Re 2010). Das Unternehmen selbst weist darauf hin, dass diese Differenz vor allem auf das Lebensversicherungsgeschäft zurückzuführen ist. Tatsäch-‐
ABBILDUNG 8: ZINSSTRUKTURVERSCHIEBUNG NACH SOLVENCY II
(Quelle: European Commission 2010, Bundesbank, eigene Berechnungen)
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negativen Durationsmismatch. Lebensversicherungen weisen also typischerweise eine positive Zinsab-‐hängigkeit auf: ihre Eigenmittel steigen (sinken) wenn das Zinsniveau steigt (sinkt), weil der Rückgang der versicherungstechnischen Rückstellungen höher ist als der Kursrückgang in den Kapitalanlagen. Unter Solvency I wird aber faktisch das Gegenteil unterstellt, weil die Effekte eines Zinsanstiegs nur auf der Aktivseite in Form eines 10%-‐igen Kursrückgangs der festverzinslichen Wertpapiere, sofern sie sich im Umlaufvermögen befinden, berücksichtigt wird.
Allerdings müssen diese Verhältnisse keineswegs übertragbar sein auf das sonstige Versicherungsgeschäft. Gerade im Sachversicherungsgeschäft könnte man sich auch gut eine umgekehrte Situation vorstellen. Obwohl es auch hier keine belastbaren empirischen Befunde gibt, weist doch einiges darauf hin, dass Sachversicherungen grundsätzlich eine eher zinsneutrale Position aufweisen.21 Die Wirkung einer Umstellung von Sol-‐vency I auf Solvency II wäre somit grundsätzlich positiv, weil das mit Ei-‐genmitteln zu unterlegende Zinsrisiko damit sinken würde.
In den Auswertungen zur QIS5 findet sich diese unterschiedliche Zinsabhängigkeit des eher kurzfristi-‐gen Sachversicherungsgeschäfts im Vergleich zum langfristigen Lebensversicherungs-‐ – und mit Ab-‐strichen auch Krankenversicherungsgeschäfts – deutlich wieder. Wie man in Abbildung 9 sehen kann, besteht bei diesen beiden Versicherungstypen nämlich das Marktrisiko überwiegend aus einem Zinsri-‐siko. Hinzu kommt, dass für diese beiden Typen das Marktrisiko einen wesentlichen Teil des zu unter-‐legenden Gesamtrisikos ausmacht. Bei Sachversicherungen liegen die Verhältnisse deutlich anders. Insoweit dürfte auch klar sein, dass Lebens-‐ und Krankenversicherungen sehr sensibel auf die Ver-‐änderung der Unterlegung von Zinsrisiken im Rahmen von Solvency II reagieren werden.
Abschließend sei noch bemerkt, dass man sich nach einer langen und intensiven Diskussion dafür ent-‐schieden hat, im Standardmodell nur bei bestimmten Kapitalanlagen, insbesondere bei festverzinsli-‐chen Wertpapieren und Zinsderivaten, eine Zinssensitivität zu unterstellen. Für Aktien oder Immobili-‐en darf nach derzeitigem Stand keine Zinssensitivität unterstellt werden, d.h. es wird angenommen, dass deren Duration Null ist. Damit wird der Durations-‐Mismatch und somit das Zinsänderungsrisiko bei Lebensversicherungen überschätzt, weil natürlich auch Aktien und Immobilen Barwerte zukünfti-‐
lich wird das Erstversicherungsgeschäft der Münchner-‐Rück-‐Gruppe gemessen am Konzernumsatz zu drei Vierteln vom langfristig orientierten Lebens-‐ und Krankenversicherungsgeschäft dominiert (vgl. S. 71 des Konzerngeschäftsberichts der Munich Re 2010). 21 Auch hier kann wieder der Geschäftsbericht der Münchner Rückversicherung herangezogen werden. Im Rückversi-‐cherungsgeschäft steht nämlich einer modifizierten Duration der festverzinslichen Kapitalanlagen von 5,9 ein Wert von 3,4 bei den Verbindlichkeiten gegenüber (vgl. S. 131 des Konzerngeschäftsberichts der Munich Re 2010). Das Rückversi-‐cherungsgeschäft wird zu zwei Dritteln vom Sachversicherungsgeschäft dominiert (vgl. S. 71 des Konzerngeschäftsbe-‐richts der Munich Re 2010). Interessant ist zudem, dass die Münchner Rückversicherung auf Konzernebene eine neutra-‐le Zinsposition hat, d.h. Verluste aus einem Zinsrückgang im Erstversicherungsgeschäft heben sich mit Gewinnen aus einem Zinsrückgang im Rückversicherungsgeschäft in etwa auf und umgekehrt (vgl. S. 131 des Konzerngeschäftsberichts der Munich Re 2010).
ABBILDUNG 9: BEDEUTUNG VON MARKT-‐ UND ZINSRISIKO BEI VERSCHIEDENEN VERSICHERUNGSTYPEN (VOR DIVERSIFIKATION-‐
SEFFETKEN)
(Quelle: BaFin 2011, eigene Berechnungen)
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ger Zahlungen sind und insoweit auf isolierte Zinsänderungen ebenso reagieren wie festverzinsliche Wertpapiere. Zudem dürfte die Duration dieser Instrumente typischerweise sehr hoch sein, so dass bei ihrer Berücksichtigung die Duration der Kapitalanlagen deutlich länger und damit das Zinsänderungsri-‐siko deutlich niedriger wäre.22 Allerdings kann man sich auch auf den Standpunkt stellen, dass die Zinssensitivität dieser Instrumente indirekt über den Korrelationskoeffizienten, der zumindest bei Aktien im Falle eines Zinsanstiegs höher ist als im Falle eines Zinsrückgangs, grob berücksichtigt wurde.
Im Vergleich zu Solvency I, wo das Zinsänderungsrisiko unabhängig von der Laufzeitenstruktur des Anleihenportfolios war, führt Solvency II dazu, dass eine Versicherung, sofern sie an einer Reduktion ihres Zinsänderungsrisikos interessiert ist, den Anteil lang laufender festverzinslicher Wertpapiere erhöhen wird. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sie einen negativen Durationsmismatch aufweist, wie es typischerweise bei Lebens-‐ und Krankenversicherungen der Fall ist. Allein unter Risikogesichts-‐punkten wird sie dabei lang laufende Staatsanleihen aus dem EWR bevorzugen, weil bei allen ande-‐ren Anleihen das Kreditrisiko gemäß dem Standardmodell ebenfalls mit Eigenmitteln zu unterlegen ist. Dieser Aspekt wird im folgenden Abschnitt beleuchtet.
3.3.3 Kreditrisiko Die Kapitalanlagerisiken, die sich durch eine Ausweitung der Kreditmargen (Credit Spreads) ergeben, werden in Solvency I bei IG-‐Anleihen gar nicht, bei N-‐IG-‐Anleihen durch einen pauschalen Wertab-‐schlag von 10 bzw. 30% berücksichtigt. In Solvency II hingegen werden diese Risiken im Standardmo-‐dell explizit modelliert. Dabei wird im Wesentlichen zwischen drei Kategorien unterschieden, nämlich festverzinslichen Wertpapieren (einschl. Schuldverschreibungen und sonstige Forderungen), struktu-‐rierten Produkten und Kreditderivaten. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich ausschließlich auf festverzinsliche Wertpapiere.
Der Wertverlust durch einen Kreditrisikoschock wird folgendermaßen modelliert. In Abhängigkeit vom Rating der Anleihe bzw. des Schuldners wird eine Erhöhung der Kreditmarge um den Prozentsatz F gemäß Tabelle 2 unterstellt. Die Auswirkung auf den Wert der Forderung wird dann über die Nähe-‐
rungsformel MV x Duration x F ermittelt, wobei die ebenfalls in Tabelle 2 genannten Unter-‐ und Ober-‐grenzen für die Duration zu berücksichtigen sind.
Zu beachten ist bei dieser Vorgehensweise, dass Anleihen von EWR-‐Staaten keiner Kapitalunterlegung bedürfen, wohingegen für Anleihen von Nicht-‐EWR-‐Staaten eine von ihrem Rating abhängige Kapitalanforderung zu berücksichtigen ist. Diese ist allerdings niedriger als die Kapitalanforderung gemäß Tabelle 2. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um die Verschuldung einiger europäischer Staaten ist diese Regelung mehr als bedenklich und mit dem Ziel einer risikoadäquaten Kapitalanforderung nicht zu vereinbaren. Hier besteht ohne jeden Zweifel Nachbesserungsbedarf.
22 Beispielhaft sei erwähnt, dass eine Aktie, bei der eine konstante Dividendenrendite d erwartet wird, eine modifizierte Duration in Höhe von 1/d hat. Bei einer über das letzte Jahrzehnt nicht unüblichen Dividendenrendite von 2%, läge die Duration also bei 50. Allein ein Aktienanteil von 5% an den Kapitalanlagen würde also die Duration derselben schon um 2,5 erhöhen. Für eine Darstellung von Modellen zur Berücksichtigung der Aktienduration vgl. Sandström (2011).
TABELLE 2: ERHÖHUNG DER KREDITMARGE IM STAN-‐DARDMODELL NACH SOLVENCY II
Rating FUnter-grenze
Ober-grenze
AAA 0,9% 1 36AA 1,1% 1 29A 1,4% 1 23BBB 2,5% 1 13BB 4,5% 1 10B oder niedriger 7,5% 1 8kein Rating 3,0% 1 12(öffentliche) Pfandbriefe (AAA) 0,6% 1 53EWR-Staaten 0,0%
Duration
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Ebenso ist auf die Sonderregelung für Pfandbriefe und Kommunalobligationen hinzuweisen, bei denen, sofern sie über ein AAA-‐Rating verfügen und sie die Voraussetzungen des Artikels 22 der OGAW-‐Richtlinie (Richtlinie 85/611/EWG) erfüllen, lediglich ein Stressfaktor von 0,6% unterstellt wird. Bemer-‐kenswert ist schließlich auch noch, dass Anleihen oder Schuldner ohne Rating so behandelt werden, als läge ihr Rating irgendwo zwischen BBB und BB. Hier könnte es zu negativen Selbstselektionseffek-‐ten kommen, in dem Schuldner, die von sich ausgehen, dass ihr Rating auf BB-‐Niveau oder niedriger liegt, auf die Beantragung eines solchen verzichten.
Dabei sind noch zwei weitere Effekte zu beachten. Erstens wird im Standardmodell eine gleichmäßige Erhöhung der Kreditmarge über alle Laufzeiten unterstellt. Nun weiß man aber, dass gerade bei Anlei-‐hen mit hoher Bonität die Kreditmarge mit zunehmender Laufzeit überproportional steigt, wohinge-‐gen bei Anleihen mit sehr schlechter Bonität dieser Effekt eher umgekehrt ist.23 Tendenziell benachtei-‐ligt die Standardformel damit Anleihen mit schlechterer Bonität um so eher, je länger ihre Laufzeit ist. Zweitens gibt es auch bei Credit Spreads Anzeichen für ein Mean-‐Reversion-‐Verhalten, also eine nega-‐tive zeitliche Abhängigkeit.24 Wegen der Tatsache, dass Insolvenzquoten deutlich ausgeprägten Zyklen unterliegen, ist diese Erkenntnis eigentlich auch nicht überraschend. Dieser Aspekt wird im Stan-‐dardmodell aber nicht berücksichtigt, so dass besonders in diesem Untermodul die Gefahr einer Überbetonung kurzfristiger Risiken vorhanden ist.
Zu beachten ist, dass das Kreditrisiko quer über alle Versicherungstypen von nicht unerheblicher Be-‐deutung ist. Es gehört gemeinsam mit dem Zins-‐ und dem Aktienkursrisiko zu den drei wesentlichen Bestandteilen des Marktrisikos. Wie man in Abbildung 10 erkennen kann, macht das Kreditrisiko vor Diversifikationseffekten durchschnittlich einen Anteil von 30 bis 45% am gesamten Marktrisiko aus.
Bemerkenswert dabei ist, dass das Kreditrisiko bei Lebensversicherungen eine wesentlich größere Bedeutung hat als das Aktienkursrisiko, welches lediglich einen Anteil von 13% vor Diversifikationseffekten am gesamten Marktrisiko hat. Bei Kranken-‐ und Schaden-‐ und Unfallversicherungen ist das Aktienkursrisiko mit einem Anteil zwischen 45 und 60% deutlich bedeutender.
Aus diesen Betrachtungen lässt sich zunächst ableiten, dass gemessen an den Regelungen unter Solvency I Versicherungen unter dem Gesichtspunkt der Minimierung ihrer SCR einen Anreiz haben, ihr Portfolio an festverzinslichen Wertpapieren
zugunsten von Anleihen oder Pfandbriefen höchster Bonität umzuschichten. Selbst bei Restlaufzeiten von 10 Jahren ist die geforderte Kapitalunterlegung bei AAA-‐Anleihen oder -‐Pfandbriefen immer noch niedriger als im BaFin-‐Stressszenario. Und bei Anleihen von EWR-‐Staaten gibt es bedenklicherweise überhaupt keine Kapitalanforderung. 23 Vgl. zu dieser Problematik der nicht linearen Abhängigkeit der Insolvenzwahrscheinlichkeit einer Anleihe von ihrer Restlaufzeit Jarrow/Lando/Turnbull (1997). 24 Vgl. z.B. Prigent et al. (2001).
ABBILDUNG 10: ANTEIL DES AKTIEN-‐ UND KREDITRISIKOS AM
MARKTRISIKO VOR DIVERSIFIKATION BEI VERSCHIEDENEN VERSI-‐CHERUNGSTYPEN
(Quelle: BaFin 2011, eigene Berechnungen)
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3.3.4 Zusammenfassende Betrachtung Es wurde bereits einleitend in Abschnitt 3.3.1 erwähnt, dass allgemeingültige Aussagen über die durch Solvency II ausgelösten Anpassungsreaktionen in den Kapitalanlageentscheidungen von Versiche-‐rungsunternehmen nur mit deutlichen Vorbehalten zu treffen sind. Das liegt vor allem daran, dass die regulatorischen Kapitalanforderungen im Regelfall lediglich eine Untergrenze darstellen, die das Un-‐ternehmen nach Möglichkeit nicht unterschreiten wird. Strategische Anlageentscheidungen werden diese regulatorischen Vorschriften daher nur als Randbedingung berücksichtigen, sich aber sonst von langfristigen Erwartungen und vermutlich auch deutlich komplexeren Modellstrukturen leiten lassen. Hinzu kommt, dass jeder Investor seine Anlageentscheidung durch eine Abwägung des damit verbun-‐denen Risiko-‐/Ertragsprofils trifft. Eine präzise Aussage über Anpassungen der Vermögensallokation lässt sich damit immer nur unter der Annahme treffen, dass die Ertragserwartungen unberührt blei-‐ben.
Bei allen diesen Einschränkungen bleibt aber auch richtig, dass eine Diskussion über die im Standard-‐modell gesetzten Anreize für Kapitalanlageentscheidungen für die Beurteilung von Solvency II wichtig ist. Ein erster Versuch wurde diesbezüglich schon in den beiden vorangegangenen Abschnitten ge-‐macht. Hier soll diese Diskussion systematisiert und zusammengefasst werden
Zum Zwecke dieser Systematisierung sei die Kapitalanlageentscheidung eines Versicherers soweit abstrahiert, dass die wesentlichen Zusammenhänge herausgearbeitet werden können. Hierzu bedie-‐
nen wir uns der Veranschaulichung in Abbildung 11. Dort wird unterstellt, dass dem Versicherer drei Anlageklassen zur Verfügung stehen, nämlich Staatsanleihen,
kreditrisikobehaftete Unternehmensanleihen und sonstige riskante Anlagen (z.B. Aktien und Immobilien). Der Versicherer trifft seine
Anlageentscheidung unter der Annahme normalverteilter Rendi-‐ten, wobei deren Erwartungswerte und Standardabweichungen auf Jahresbasis in
Abbildung 11 durch die Punkte B (Staatsanleihen), C (Unternehmensanleihen) und D (Aktien/ Immobi-‐lien) charakterisiert sind. Da die Versicherung in ihrer internen Entscheidung die tatsächlichen Risiken betrachtet, unterstellt sie im Gegensatz zum Standardmodell nicht, dass Staatsanleihen risikolos wä-‐ren. Daher liegt der Punkt B nicht auf der Abszisse. Die risikoeffizienten Rendite-‐/Risikokombinationen, die der Versicherer erreichen könnte, wenn er jeweils nur zwei dieser Anlageklassen kombinieren
ABBILDUNG 11: KAPITALANLAGEENTSCHEIDUNG EINES VERSICHERERS UNTER BE-‐RÜCKSICHTIGUNG AUFSICHTSRECHTLICHER BESCHRÄNKUNGEN
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würde, sind durch die gestrichelten schwarzen Linien beschrieben.25 Die durchgezogene schwarze Linie gibt die risikoeffiziente Rendite-‐/Risikokombinationen an, die er erreichen kann, wenn er alle drei Anlageklassen kombiniert.
Weiterhin ist unterstellt, dass das Portfolio aus Staatsanleihen eine Duration hat, die genau der vorge-‐gebenen Duration der Passivseite entspricht, so dass bei einer 100%-‐igen Anlage der Mittel in dieses Staatsanleiheportfolio der Durations-‐Mismatch Null und damit das Zinsänderungsrisiko auch Null wä-‐re. Der Durations-‐Mismatch ist in Abbildung 11 ebenfalls abgetragen. Der Punkt A gibt den Durations-‐Mismatch bei Anlage aller Mittel in das Staatsanleiheportfolio an. Bei den Unternehmensanleihen wird unterstellt, dass ihre Duration etwas niedriger ist als jene der Staatsanleihen. Eine Berücksichtigung von mehreren Portfolios von Unternehmensanleihen mit unterschiedlicher Duration ist im Rahmen einer solchen einfachen Betrachtung ohne einen Verlust an Anschaulichkeit nicht möglich.
Nehmen wir nun an, eine Versicherung würde sich nach Abwägung des Rendite-‐/Risikoverhältnisses für eine Kombination der drei Anlageklassen entscheiden, die dem Punkt E entspricht. Dieser Punkt entspricht einer bestimmten Insolvenzwahrscheinlichkeit auf Jahresbasis, z.B. 0,8%.26 Wenn diesem Versicherer nun vorgeschrieben wird, seine Insolvenzwahrscheinlichkeit darf maximal 0,5% betragen, so muss er eine Portfoliokombination mit geringerem Risiko wählen. Da weiterhin nur risikoeffiziente Portfoliokombinationen in Frage kommen, wird er sich auf der durchgezogenen schwarzen Linie nach unten bewegen, z.B. bis zu dem Punkt F. Die Gerade 0F repräsentiert somit alle Rendite-‐/Risikokombinationen, die zu einer Insolvenzwahrscheinlichkeit von 0,5% führen. Eine genauere Be-‐trachtung von Abbildung 11 zeigt, dass sich Portfolio F dadurch von Portfolio E unterscheidet, dass der Anteil der Staatsanleihen gestiegen und der Anteil der Aktien/Immobilien gesunken ist. Was mit dem Anteil der Unternehmensanleihen passiert, lässt sich durch diese Betrachtung nicht entscheiden, wobei deren Anteil um so eher sinken wird, je näher der Punkt F an den Punkt B herankommt. Außer-‐dem sieht man auch, dass die Versicherung durch den Wechsel von E nach F ihren Durations-‐Mismatch reduziert.
Weiterhin zeigt dieses grafische Beispiel, dass die Versicherung zu gar keiner Veränderung veranlasst würde, wenn sie im Ausgangspunkt eine Portfoliokombination gewählt hätte, die irgendwo unterhalb des Punktes F gelegen hätte, also z.B. den Punkt H. Eine Auswirkung hätte sich allenfalls dann ergeben, wenn der Versicherer trotzdem noch einen gewissen Sicherheitsabstand gegenüber der aufsichts-‐rechtlichen Kapitalanforderung einhalten möchte. In diesem Fall wären die Auswirkungen analog zu dem oben beschriebenen Fall.
Diese gesamte Betrachtung ging davon aus, dass sowohl die Aufsicht als auch der Versicherer mit den tatsächlichen Wahrscheinlichkeitsverteilungen rechnet. Wie bereits ausgeführt wurde, ist dies vermut-‐lich dann nicht mehr gegeben, wenn die Eigenmittelanforderung – und damit die Insolvenzwahrschein-‐lichkeit – mit dem Standardmodell ermittelt wird. Cum grano salis kann man sagen, dass – übertragen auf des Beispiel in Abbildung 11 – das Standardmodell die Risiken bei Staatsanleihen unterschätzt und bei Unternehmensanleihen und sonstigen riskanten Anlagen überschätzt. Tatsächlich würde die Ei-‐genmittelunterlegung des Marktrisikos Null sein, wenn der Versicherer seine gesamte Kapitalanlagen in laufzeitkongruenten Staatsanleihen halten würde. Qualitativ würde diese bedeuten, dass die Linie BI die Rendite-‐/Risikokombinationen wiedergeben würde, die unter Anwendung des Standardmodells eine konstante Insolvenzwahrscheinlichkeit, also z.B. 0,5%, ergeben würden. Wegen der Überschät-‐
25 Die Krümmung dieser Linien hängt vom Korrelationskoeffizienten ab. Die hier gewählte Krümmung ist nur qualitativ zu interpretieren, sie soll allerdings die Korrelationen des Standardmodells charakterisieren. 26 Diese Insolvenzwahrscheinlichkeit ist entlang der Gerade 0E immer dieselbe, weil alle Punkte auf dieser Geraden ein identisches Verhältnis von Standardabweichung und erwarteter Rendite repräsentieren.
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zung der Risiken bei riskanten Anlagen würde der Punkt I die risikoeffiziente Portfoliokombination ergeben. Dieser Punkt liegt deutlich unterhalb dem Punkt F, was im wesentlichen die Einsicht charak-‐terisiert, dass die SCR unter Anwendung des Standardmodells höher ist als bei Anwendung eines in-‐ternen Modells. Man kann nun sehen, dass auch eine Situation denkbar ist, in der der Versicherer zwar tatsächlich eine Insolvenzwahrscheinlichkeit von weniger als den maximal zulässigen 0,5% hat (bei Punkt H), er aber dennoch unter Anwendung des Standardmodells sein Risiko reduzieren muss (auf Punkt I), da das Standardmodell das Risiko überschätzt. Ist dies der Fall, treten wieder dieselben An-‐passungsreaktionen ein wie weiter oben bereits beschrieben.
Stellt man diese Überlegungen in Relation zu den Ergebnissen der QIS5, so muss man festhalten, dass auch bei Anwendung von Solvency II die meisten Versicherungen noch über signifikante freie Eigenmittel verfügen. Diese betragen für die Versicherungen, die an der QIS5 teilgenommen haben, unter Solvency I 476 Mrd. Euro während sie nach Solvency II voraussichtlich auf 354 Mrd. Euro fallen werden.27 Dabei ist aber nicht zu vergessen, dass erstens bei knapp ei-‐nem Viertel dieser Versicherungen die Eigenmittel die SCR um weniger als 20% überschreiten bzw. sogar unter-‐schreiten. Zweitens ist zu vermuten, dass es vor allem die Lebensversiche-‐rungen sind, die von einer starken
Reduktion ihrer freien Eigenmittel betroffen sind.
Dies hängt mit der Langfristigkeit des Lebensversicherungsgeschäfts und der damit verbundenen Be-‐deutung der Zinsänderungsrisiken zusammen. Zudem könnte hier auch die bereits geäußerte Vermu-‐tung eine Rolle spielen, dass das Standardmodell kurzfristige Risiken überbewertet. Tatsächlich zeigt eine Auswertung von QIS5 durch die BaFin (2011), dass Lebensversicherungsgesellschaften deutliche Einbußen bei den Eigenmitteln zu verzeichnen hatten, wohingegen die Nicht-‐Lebensversicherungen einen Zuwachs registrierten, wie man in Abbildung 12 sehen kann. Neben der Behandlung von Zin-‐sänderungs-‐ und Kreditrisiken spielt hier sicherlich auch die Frage eine große Rolle, mittels welcher Zinsstruktur die versicherungstechnischen Risiken ermittelt werden. Auch dies ist derzeit noch ein wichtiger Diskussionspunkt von Solvency II.
Es steht somit außer Frage, dass Lebensversicherungen einen starken Anreiz haben, diesen Durations-‐Mismatch zu reduzieren. Dies könnte bedeuten, dass man versuchen wird, die mittlere Fristigkeit von Anleiheportfolios zu erhöhen. Wegen des Kreditmargenrisikos wird man sich für diesen Zweck aber vermutlich auf Staatsanleihen oder Anleihen hoher Bonität, wie etwa Pfandbriefe, konzentrieren. In Frage kämen natürlich auch Derivatekonstruktionen, z.B. Swaptions, mit denen die mittleren Rest-‐laufzeiten auf der Aktivseite der Bilanz erhöht werden könnten. Da solche Derivate aber derzeit nicht über Börsen oder zentrale Gegenparteien gehandelt werden können, entstünde ein Gegenparteirisiko, welches den positiven Effekt wieder abschwächen würde. Im übrigen ist mehr als fraglich, ob unter
27 Vgl. zu diesen und den folgenden Zahlen EIOPA (2011), S. 24 f.
ABBILDUNG 12: EIGENMITTEL VERSCHIEDENER TYPEN VON VERSI-‐CHERUNGSUNTERNEHMEN GEMÄß QIS5
(Quelle: BaFin 2011, eigene Berechnungen)
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dem Aspekt einer transparenten Kapitalanlage und der Begrenzung systemischer Risiken solche Kon-‐struktionen erwünscht wären.28
Allerdings ist die Frage, welche Rückwirkungen sich dadurch auf Unternehmensanleihen, einschließlich der Schuldverschreibungen von Banken, ergeben, nicht so eindeutig zu beantworten. Schließlich redu-‐zieren auch diese das Zinsänderungsrisiko, wenngleich man dafür ein Kreditrisiko in Kauf nehmen muss. Tatsächlich waren die Ausführungen in Zusammenhang mit Abbildung 11 diesbezüglich wenig eindeutig. Dies lag auch daran, dass die beiden zentralen Risikodimensionen von Unternehmensanlei-‐hen, nämlich Zinsänderungs-‐ und Kreditrisiko, dort nicht adäquat abgebildet werden konnten. Um dies zu tun müsste man ein repräsentatives Portfoliooptimierungsmodell betrachten, in welchem der Versicherer bei gegebener Insolvenzwahrscheinlichkeit versucht, die Rendite der Kapitalanlagen zu maximieren. Allerdings ist eine solche Betrachtung aus vielerlei Gründen wenig sinnvoll. Erstens weiß man von Modellen dieser Art, dass ihre Ergebnisse sehr stark von den unterstellten erwarteten Rendi-‐ten für die einzelnen Anlageklassen abhängen; da die Versicherer hier durchaus unterschiedliche Mei-‐nungen haben, käme das Modell kaum zu allgemeingültigen Aussagen. Zudem ist davon auszugehen, dass jene Versicherer, die ihre Anlageentscheidung tatsächlich modellgestützt treffen, dies dann auch mit einem internen Modell tun würden und nicht mit dem Standardmodell. Und schließlich träfen auf eine solche Vorgehensweise alle sonstigen Einwände zu, die man richtigerweise gegenüber Markowitz-‐Portofolioptimierungsmodellen hegt.29
Wenn man sich einer Antwort auf diese Frage also überhaupt nähern kann, dann lediglich dadurch, dass man den Effekt untersucht, den die marginale Veränderung eines heute existierenden Portfolios auf die SCR hätte. Damit würde man zumindest für einen Entscheidungsträger, der zunächst die Redu-‐zierung der SCR gemäß Standardformel in den Vordergrund stellt, die Richtung der Portfolioanpassung erkennen. Insoweit dient diese Übung zumindest dazu, eine vorsichtige Aussage über die Tendenz von Portfolioanpassungen zu machen soweit man von damit verbundenen Effekten auf die Portfoliorendi-‐te abstrahiert. Konkret wurden zwei Portfolioallokationen für ein repräsentatives Versicherungsunter-‐nehmen betrachtet, die sich dadurch unterscheiden, dass bei gegebenen versicherungstechnischen Rückstellungen der Durationsmismatch einmal -‐2 und einmal 0 Jahre beträgt. Davon ausgehend wurde durch eine Programmierung der Standardformel untersucht, in welche Richtung sich die SCR bei einer marginalen Erhöhung des Portfolioanteils einer bestimmten Anlageklasse verändert. In Abbildung 13 sind dabei die Veränderungen immer als Vielfaches jener SCR-‐Veränderung dargestellt, die sich ergibt, wenn der Anteil der langfristigen Staatsanleihen marginal (um 0,1 Prozentpunkte) erhöht wird.
28 So gibt es derzeit eine Diskussion darüber, ob die Verwendung von Swaps bei der Konstruktion von Indexfonds (Ex-‐change-‐Trade-‐Funds) zu einem systemischen Risiko führt; vgl. Ramaswamy (2011). 29 Einen guten Überblick zu dieser Problematik findet man in Michaud (1998).
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Ein Blick auf Abbildung 13 zeigt, dass es grundsätzlich zwei interagierende Effekte gibt, nämlich einen Laufzeiten-‐ und einen Bonitätseffekt. Hinsichtlich des Laufzeiteneffektes gilt, dass Versicherungen mit
einem negativen Durationsmismatch die längeren den kürzeren Laufzei-‐ten vorziehen, Versicherungen ohne Durationsmismatch sind hingegen tendenziell indifferent. Dies bestä-‐tigt bzw. erweitert die Ergebnisse aus Abbildung 11. Hinsichtlich des Bonitätseffektes gilt, dass höhere Bonitäten niedrigeren bevorzugt werden, was ebenfalls die dortigen Ausführungen bestätigt. Bringt man nun diese beiden Effekten zusam-‐men, so kann man Folgendes fest-‐halten. Staatsanleihen haben die günstigste Wirkung auf die SCR, wobei Versicherer mit einem nega-‐
tiven Durationsmismatch möglichst lange Laufzeiten bevorzugen. Pfandbriefe sind grundsätzlich über das gesamte Laufzeitenspektrum interessant, wobei bei niedrigem Durationsmismatch kürzere Laufzeiten bevorzugt werden. IG-‐Unternehmensanleihen stehen hinsichtlich ihres marginalen Effek-‐tes auf die SCR an dritter Stelle. Auch bei diesen gilt wie bei Pfandbriefen, dass das gesamte Laufzei-‐tenspektrum eine ähnliche Nettowirkung auf die SCR hat, wobei bei niedrigem Durationsmismatch kurze Laufzeiten tendenziell bevorzugt werden. N-‐IG-‐Anleihen wirken tendenziell erhöhend auf die SCR, bei kurzen Laufzeiten kann der Effekt aber verschwinden. Damit dürften Anleihen niedriger Bonität um so eher gekauft werden, je niedriger ihre Restlaufzeit ist. Dies bestätigt die bereits in Abschnitt 3.3.3 geäußerte Vermutung, dass das Standardmodell lang laufende Unternehmensanleihen tendenziell benachteiligt. Immobilien und Aktien wirken, wie zu erwarten war, SCR-‐erhöhend, was bereits aus der Analyse in Abbildung 11 ersichtlich war.
Abschließend sei aber nochmals darauf hingewiesen, dass hier lediglich der marginale Effekt auf die SCR betrachtet wurde. Da diese Effekte nicht linear sind, kann man nur bedingt Rückschlüsse auf große Veränderungen in der Portfolioallokation ziehen. Zudem muss man immer bedenken, dass Entschei-‐dungsträger diesen SCR-‐Effekt mit dem Renditeeffekt abwägen, der sich ergibt, wenn die Allokation in einem Portfolio verändert wird. Soweit aber eine aufsichtsrechtliche Regelung dazu führt, dass eine bestimmte Anlageklasse mit zusätzlichen Eigenmitteln unterlegt werden muss, wird der Portfolioanteil dieser Anlageklasse in der Tendenz sinken, es sei denn, dass gleichzeitig die Renditeerwartungen stei-‐gen. Dies ist natürlich möglich, allerdings setzt es voraus, dass es auf den Märkten, auf welchen diese Anlageklasse gehandelt wird, zu Preisanpassungen kommt. Ob man solche Preisanpassungen beobach-‐ten kann, wird in Abschnitt 6 untersucht werden.
ABBILDUNG 13: NORMIERTE VERÄNDERUNG DER SCR BEI EINER MARGINALEN VERÄNDERUNG DES PORTFOLIOANTEILS DER JEWEILIGEN
ANLAGEKLASSE UNTER VERSCHIEDENEN SZENARIEN
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4 Versicherungen und Unternehmensfinanzierung
4.1 Die Rolle der Versicherungen in der Vermögensbildung Wenngleich die fundamentale wirtschaftliche Funktion von Versicherungen in der Absicherung von Gesundheits-‐, Todesfall-‐, Einkommens-‐, Haftungs-‐ und Sachschadensrisiken besteht, sind sie auch in ihrer Funktion als Kapitalsammelstellen von großer gesamtwirtschaftlicher Bedeutung. Diese Kapital-‐anlagefunktion resultiert aus dem zeitlichen Auseinanderklaffen von Prämieneinnahmen und Versi-‐cherungsleistungen. Je nach Geschäftsmodell spielt diese zeitliche Transformation eine größere oder kleinere Rolle. Besonders relevant ist sie bei Lebens-‐ und – in etwas geringerem Umfang – auch bei Krankenversicherungen; bei der Versicherung von Naturkatastrophen oder anderen seltenen Ereignis-‐sen tritt dieser Effekt ebenfalls auf. Bei Lebensversicherungen ist diese zeitliche Transformation des-‐halb von äußerst großer Bedeutung, weil ihnen eine wichtige Altersvorsorgefunktion zukommt, die in Deutschland durch steuerliche Anreize über Jahrzehnte hinweg begünstigt wurde.
Als Kapitalsammelstellen nehmen die Versicherungen in Deutschland, aber auch in vielen anderen europäischen Ländern, also eine wichtige Rolle bei der Vermittlung der volkswirtschaftlichen Ersparnis für Zwecke der Sachvermögensbildung, der Unternehmensfinanzierung sowie der Finanzierung der
TABELLE 3: KAPITALANLAGEN (BUCHWERTE) DEUTSCHER RÜCKVERSICHERUNGSUNTERNEHMEN IN MIO. EURO
(Quelle: BaFin, EIOPA; Werte für 2009 sind geschätzt)
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öffentlichen Haushalte ein. Um zunächst einen groben Eindruck über die Höhe und Verteilung der Kapitalanlagen von in Deutschland ansässigen Versicherungsunternehmen zu gewinnen, sei ein Blick auf Tabelle 3 und Tabelle 4 geworfen. Der Aufbau dieser beiden Tabellen orientiert sich an der von der BaFin vorgegebenen Systematik, die leider für Erstversicherungen und Rückversicherungen nicht dec-‐kungsgleich ist. Wie man sehen kann, betrugen zum Jahresende Ende 2010 die Buchwerte deutscher Erstversicherungsunternehmen rund 1,2 Bill. Euro; jene der Rückversicherungsunternehmen lagen zum Jahresende 2009 bei knapp 0,2 Bill. Euro. Dabei wurde diese letzte Zahl unter Zuhilfenahme der Statistiken der EIOPA geschätzt, weil seitens der BaFin für die Rückversicherungen zum Redaktions-‐schluss dieses Gutachtens noch keine offiziellen Zahlen für die Jahre 2009 und 2010 vorlagen.30
30 Konkret wurde hierfür unterstellt, dass die Buchwertveränderung vom Jahr 2008 auf das Jahr 2009 der von der EIOPA ausgewiesenen Marktwertveränderung in diesem Zeitraum entspricht. Die Bundesbank hat nach Redaktionsschluss dieses Gutachtens eine neue Statistik zu den Kapitalanlagen von Versicherungen einschließlich Pensionseinrichtungen vorgelegt. Wegen des unterschiedlichen Berichtskreises sind diese Zahlen mit jenen der BaFin aber nicht vergleichbar und überdies für die hier vorliegenden Zwecke auch nur bedingt geeignet.
TABELLE 4: KAPITALANLAGEN (BUCHWERTE) DEUTSCHER ERSTVERSICHERUNGSUNTERNEHMEN IN MIO. EURO
(Quelle: BaFin, EIOPA)
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Interessant ist weiterhin, dass die Zahlen der BaFin auf Buchwerten beruhen, während die EIOPA in ihren Statistiken Marktwerte veröffentlicht. Wie man sehen kann, ist die Abweichung bei den Erstver-‐sicherungsunternehmen von eher untergeordneter Bedeutung; sie lag im Jahr 2009 bei 3,5%. Anders verhält es sich aber bei den Rückversicherungsunternehmen, bei denen die Abweichung im Jahr 2008 bei knapp 45% lag. Es ist eher unwahrscheinlich, dass dieser Effekt tatsächlich allein durch Abweichun-‐gen von Markt-‐ zu Buchwerten ausgelöst wird. Vermutlich spielt hier die Tatsache eine Rolle, dass die Berichtskreise voneinander abweichen. Während die Zahlen der BaFin aus den Einzelabschlüssen der von ihr beaufsichtigten Versicherungsunternehmen stammen, beruhen die Zahlen der EIOPA auf Kon-‐zernabschlüssen. Nicht zuletzt aus diesem Grund werden sich die folgenden Auswertungen auf die BaFin-‐Zahlen stützen; die Zahlen der EIOPA werden nur hilfsweise herangezogen.
Es sei zudem darauf hingewiesen, dass bei den Auswertungen in diesem Kapital zumeist auch das Jahr 2010 mit herangezogen wurde. Während für die Erstversicherungsunternehmen bereits Zahlen seitens der BaFin vorliegen, gibt es für das Jahr 2010 bei den Rückversicherungen weder Zahlen von der BaFin noch von der EIOPA. Es wurde daher eine Schätzung vorgenommen, die auf der Annahme beruht, dass der Zuwachs in den Buchwerten der Rückversicherungsunternehmen dem Zuwachs in den Buchwerten der Erstversicherungsunternehmen entspricht. Der damit gemachte Fehler dürfte für die hier vorlie-‐genden Zwecke nicht besonders in Gewicht fallen.
ABBILDUNG 14: LANGFRISTIGES NETTOGELDVERMÖGEN DER PRIVATEN HAUSHALTE UND ORGANISATIONEN OHNE
ERWERBSZWECK EINSCHL. ANSPRÜCHE AUS DER BETRIEBLICHEN ALTERSVORSORGE IN PROZENT DES BIP
(Quelle: Bundesbank, eigene Berechnungen)
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86,18%
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52,10%
22,86%
8,92% 0%
20%
40%
60%
80%
100%
120%
2009 1998 1991
langf. Kredite
Aktienanlagen
bAV-Ansprüche
Rentenanlagen
Investmentzertifikate
Langf. Vers.ansprüche
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Die hier ermittelten Kapitalanlagen deutscher Versicherungen in Höhe von rund 1,4 Bill. Euro reprä-‐sentieren zum größten Teil langfristige Vermögensansprüche privater Haushalte. Tatsächlich sieht man, dass das langfristige Geldvermögen privater Haushalte in Deutschland zu einem erheblichen Teil in Form von Versicherungsansprüchen gehalten wird. Ende 2009 summierten sich diese Ansprüche (einschließlich der Ansprüche gegenüber Pensionskassen und –fonds, Sterbekassen sowie berufsstän-‐dischen Versorgungswerken und Zusatzversorgungseinrichtungen) auf 1,3 Bill. Euro , was etwa 55% des BIPs entsprach. Bei einem langfristig angelegten Geldvermögen in Höhe von 112% des BIP folgt daraus, dass die Vermögensbildung über Versicherungsansprüche mehr denn je die dominierende Form der Altersvorsorge ist. Dies wird auch in Abbildung 14 deutlich, in der man erkennen kann, dass der über Versicherungsansprüche gehaltene Anteil am Geldvermögen sogar gestiegen ist. Zwar müs-‐sen gegen diese langfristigen Ansprüchen die langfristigen Kredite der privaten Haushalte gestellt wer-‐den, jedoch dürfte dies die Bedeutung der Versicherungsansprüche kaum schmälern, weil diese lang-‐fristigen Kredite vermutlich zum weit überwiegenden Teil der Sachvermögensbildung (Immobilienfi-‐nanzierung) dienen.
Bemerkenswert an Abbildung 14 ist noch ein zweiter Punkt. Sowohl das langfristige Geldvermögen als auch das langfristige Nettogeldvermögen weisen relativ zum BIP einen positiven Wachstumstrend auf. Relativ zum BIP hat sich das langfristige Geldvermögen seit 1991 ziemlich genau verdoppelt, das lang-‐fristige Nettogeldvermögen hat sich beinahe versechsfacht. Dahinter verbergen sich vielerlei Faktoren, die hier nicht im Einzelnen diskutiert werden können. Zweifellos muss dieser Trend aber im Zusam-‐menhang mit der demographischen Entwicklung und des damit in Verbindung stehenden Bedeutungs-‐zuwachses der privaten Altersvorsorge gesehen werden.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass Versicherungen auch in anderen europäischen Staaten eine wichtige Rolle als Kapitalsammelstellen spielen. Zwar ist ein Vergleich auf Basis der Anteile am Netto-‐geldvermögen wegen mangelnder Daten nur schwer möglich. Nimmt man aber etwa das Kapitalanla-‐gevolumen in Prozent des jeweiligen BIP als Indikator für die Bedeutung von Versicherungen als Kapi-‐talsammelstellen, so sieht man in Abbildung 15, dass Deutschland mit einem Verhältnis von knapp 50% nur knapp unter dem Durchschnitt von 52% der betrachteten europäischen Länder liegt. Von
den großen Flächenstaaten haben lediglich Frankreich und Großbritannien ein deutlich höheres Ver-‐hältnis mit 83 bzw. 86%.
ABBILDUNG 15: KAPITALANLAGEN DER INLÄNDISCHEN VERSICHERUNGEN IN PROZENT DES BIP PER ENDE 2009 FÜR AUSGEWÄHLTE EUROPÄISCHE STAA-‐TEN
(Quelle: CEA; für einige Länder beziehen sich die Relationen auf das Jahr 2008)
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4.2 Die Rolle der Versicherungen in der Unternehmensfinanzierung Leider ist die in Tabelle 3 und Tabelle 4 gelieferte Systematik nicht besonders hilfreich bei der Klärung der Frage, welche Rolle die Versicherungsunternehmen im hiesigen System der Unternehmensfinan-‐zierung spielen. So lässt sich die Frage, welchen Anteil ihrer Anlagen die Versicherer in Unternehmens-‐anleihen anlegen, nicht direkt beantworten. Zum einen, weil solche Anlagen in Investmentfonds lie-‐gen, und die Statistiken der BaFin keinen so genannten „look through“ enthalten, zum anderen aber auch, weil zwischen Unternehmensanleihen und Anleihen von Banken oder sonstigen Emittenten nicht hinreichend unterschieden wird. Eine solche Unterscheidung wäre aber wichtig, weil in dem hier vor-‐liegenden Gutachten die direkte Finanzierungsfunktion des Versicherungssektors für den Unterneh-‐menssektor von seiner indirekten Finanzierungsfunktion getrennt betrachtet werden soll. Eine solche indirekte Finanzierung liegt dann vor, wenn Versicherungen etwa über den Erwerb von Bankschuldver-‐schreibungen dafür sorgen, dass dem Bankensektor die Ausreichung von Krediten ermöglicht wird. Diese indirekte Finanzierungsfunktion wird im nachfolgenden Abschnitt behandelt.
Soweit es um die direkte Anlage in von Unternehmen emittierte Finanztitel geht, ist zunächst zwischen Eigen-‐ und Fremdkapitaltiteln zu unterscheiden. Hinsichtlich der Eigenkapitalanlagen lassen sich zu-‐
nächst die Buchwerte der direkt in Aktien angelegten Gelder aus den Statistiken der BaFin relativ leicht ablesen.31 Allerdings wür-‐de man damit die Aktienquote deutlich unterschätzen, weil man aus Tabelle 3 und Tabelle 4 erstens erkennen kann, dass Versicherungen einen erhebli-‐chen Teil ihrer Kapitalanlagen über Investmentanteile halten, und man zweitens selbstver-‐ständlich davon ausgehen muss, dass die bei diesen Investment-‐fonds investierten Gelder auch in Aktien angelegt werden. Da-‐bei ist zu beachten, dass die Versicherungen den größten Teil ihrer Investmentanteile in Spezi-‐
alfonds halten. Ausweislich der Kapitalmarktstatistik der Bundesbank lag die Aktienquote von in Deutschland ansässigen Spezialfonds im Jahr 2010 bei rund 14%. Überträgt man diesen Prozentsatz auf die von den Versicherungen gehaltenen Investmentanteile, resultieren die in Abbildung 16 darge-‐stellten Aktienquoten. Während der Anteil 2006 noch bei 11% lag, ist er mittlerweile auf 6,3% gesun-‐ken. Dies entspricht 2010 einem Anlagevolumen von rund 86 Mrd. Euro. Bedenkt man, dass allein die Marktkapitalisierung der inländischen börsennotierten Unternehmen Ende 2010 bei 1,1 Bill. Euro lag und berücksichtigt man darüber hinaus, dass die Versicherungen unter Risikostreuungsgesichtspunk-‐ten einen erheblichen Teil dieser Gelder auch in Aktien ausländischer Unternehmen anlegen werden, dann kann man leicht sehen, dass die deutschen Versicherungsunternehmen als Eigenkapitalgeber 31 Die in Tabelle 3 unter den Positionen „Anteile an verbundenen Unternehmen“ und „Beteiligungen“ vermerkten Betei-‐ligungsbuchwerte der Rückversicherungsgesellschaften werden hier nicht als Aktienpositionen berücksichtigt, weil es dabei gemäß § 271 HGB um strategische Beteiligungen geht. Diese Beteiligungen können somit nicht als rein finanzwirt-‐schaftlich motivierte Kapitalanlagen betrachtet werden.
ABBILDUNG 16: GESCHÄTZTER ANTEIL DER AKTIENANLAGEN, ANLAGEN
IN ANLEIHEN VON UNTERNEHMEN (OHNE BANKEN) UND IN EINLAGEN, DARLEHEN ODER SCHULDVERSCHREIBUNGEN VON BANKEN AN DEN GE-‐SAMTEN KAPITALANLAGEN DER VERSICHERUNGEN (ZU BUCHWERTEN)
(Quelle: BaFin, Bundesbank, CEIOPS, eigene Schätzungen)
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in-‐ oder ausländischer Unternehmen nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Für diese Entwick-‐lung spielt nicht zuletzt auch das Phänomen der Auflösung der so genannten „Deutschland AG“ über die letzten 10 bis 15 Jahre eine große Rolle.32 Während Banken und Versicherungen bis Ende der 90er Jahre signifikante Beteiligungen an vielen börsennotierten Unternehmen gehalten haben, sind diese Beteiligungsportfolios heute von untergeordneter Rolle. Nach den hier vorliegenden Zahlen sind die mit der Veräußerung dieser Beteiligungen frei werdenden Mittel auch nur zu einem geringen Teil in breit diversifizierte Aktienportfolios angelegt worden. Im Vergleich dazu sei erwähnt, dass ausweislich der Statistiken des französischen (Association Française de l’Assurance) und des britischen (Association of British Insurers) Versicherungsverbandes die dortigen Aktienquoten 2009 bei 19 bzw. 41% lagen. In diesen Ländern stellt sich dieser Aspekt also ganz anders dar. Da die dortigen Versicherungsunterneh-‐men auch als Investoren auf dem deutschen Aktienmarkt auftreten, würde man eine deutliche Verän-‐derung der Aktienquoten in diesen Ländern möglicherweise auch hierzulande spüren.
Hinsichtlich der Fremdkapitalseite, also der Unternehmensanleihen oder Schuldscheine, bietet sich ein etwas anderes, wenngleich auch unschärferes Bild. Hierzu ist vorauszuschicken, dass aus den Statisti-‐ken der BaFin die buchwertmäßige Quote der Anlagen in von Nicht-‐Finanzunternehmen emittierten Anleihen (Unternehmensanleihen) oder Schuldscheinen nicht ersichtlich ist. Um diesen Anteil abzu-‐schätzen, musste daher auf das nachfolgend beschriebene Subtraktionsverfahren zurückgegriffen werden. Zunächst wurden dafür alle Positionen aufaddiert hinter denen sich von Unternehmen oder öffentlich-‐rechtlichen Einrichtungen oder Gebietskörperschaften emittierte Fremdkapitaltitel verber-‐gen. Soweit es möglich war, wurden Policendarlehen oder grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen an Kunden ausgeklammert, da es sich hierbei mehrheitlich vermutlich nicht um Unternehmensdarlehen handelt. Problematisch sind dabei wiederum die Investmentanteile. Analog zur weiter oben gewählten Vorgehensweise wurde auch hier unterstellt, dass der in der Kapitalmarktstatistik der Bundesbank ausgewiesene Anteil, den inländische Spezialfonds in Schuldverschreibungen anlegen, repräsentativ für die von den Versicherungen gehaltenen Investmentanteile ist. Von dem so ermittelten Betrag wur-‐den dann jene Fremdkapitaltitel abgezogen, die von Banken emittiert wurden (Einlagen, Darlehen und Schuldverschreibungen von Banken). Da auch diese Zahl nur geschätzt werden kann, wurde hierfür eine Obergrenze angenommen. Eine genaue Beschreibung der Ermittlung dieser Obergrenze findet sich im nachfolgenden Abschnitt. Zu beachten ist, dass die mit dieser Zahl durchgeführte Schätzung des Anlagevolumens in Unternehmensanleihen dann eine Untergrenze darstellt. Und schließlich müs-‐sen von dem so verbleibenden Betrag noch die Staatsschuldverschreibungen abgezogen werden. Hier-‐über liegen wiederum keine bzw. nur lückenhafte Informationen vor. Der Autor konnte sich allerdings auf eine ihm von der BaFin zur Verfügung gestellte Schätzung beziehen, wonach zum Ende des ersten Quartals 2011 auf der Grundlage einer Stichprobe bestehend aus den 25 größten deutschen Versiche-‐rungsgruppen der in Staatsanleihen investierte Anteil an den gesamten Kapitalanlagen 20,5% betrug. Übernimmt man diesen Prozentsatz und unterstellt, dass er die beste Schätzung für die tatsächlichen Verhältnisse am Jahresende 2009 und 2010 darstellt, dann ergibt sich die in Abbildung 16 dargestellte Anlagequote für Unternehmensanleihen.33
Somit zeigt sich, dass für deutsche Versicherungen Unternehmensanleihen zwar keine überaus bedeu-‐tende Anlageform darstellen, sie jedoch die Bedeutung der Anlageklasse Aktien vermutlich überschrei-‐ten. Zudem sind die in diesen Anleihen gebundenen Vermögenswerte im Vergleich zur Größe des Marktes für Unternehmensanleihen nicht unbedeutend. Der in Abbildung 16 dargestellte Anteil für das Jahr 2010 entspricht einem Anlagevolumen von rund 150 Mrd. Euro. Immerhin muss man beden-‐
32 Vgl. hierzu Höpner/Krempel (2006). 33 Auf eine Rückschreibung dieser Schätzung auf das Jahr 2006 wurde verzichtet, da es nicht unwahrscheinlich ist, dass sich diese Anteile nicht zuletzt durch die Finanzmarktkrise deutlich verschoben haben.
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ken, dass ausweislich der Kapitalmarktstatistik der Bundesbank der Nominalwert der Ende 2010 um-‐laufenden Anleihen von inländischen Nicht-‐Finanzunternehmen 251 Mrd. Euro betrug. Dieser Ver-‐gleich muss allerdings in zweierlei Hinsicht eingeschränkt werden. Ersten müsste dieses Volumen noch um das Volumen der in Umlauf befindlichen, von Nicht-‐Finanzunternehmen herausgegebenen Schuld-‐scheine erhöht werden. Allerdings liegen dazu keine verlässlichen Zahlen vor. Jedoch hat der Schuld-‐schein gerade nach der Finanzmarktkrise eine deutliche Renaissance erlebt. Emissionsvolumina bei einzelnen Banken im einstelligen Milliarden-‐Euro-‐Bereich waren im Jahr 2009 und 2010 keine Selten-‐heit. Insoweit kann man davon ausgehen, dass der Umlauf an solchen von Nicht-‐Finanzunternehmen emittierten Schuldverschreibungen im zweistelligen Milliardenbereich liegt.
Zweitens liegen keine zuverlässigen Schätzungen vor, in welchem Verhältnis Versicherungen bzw. die in ihrem Auftrag verwalteten Spezialfonds Anlagegelder zwischen in-‐ und ausländischen Unterneh-‐mensanleihen verteilen. Da allein schon aus Losgrößenüberlegungen Anleihen von großen Unterneh-‐men bevorzugt werden dürften, ist in jedem Fall damit zu rechnen, dass Versicherungen in größerem Umfang auch Anleihen von großen ausländischen Industrieunternehmen kaufen. Ob das allerdings den oben getätigten Vergleich in Frage stellt, ist durchaus diskussionswürdig. Möchte man nämlich der Frage nachgehen, welche Rolle Versicherungen in der Unternehmensfinanzierung spielen, kommt es natürlich nicht nur auf die inländischen, sondern auch auf die ausländischen Versicherungen an. Dies gilt umso mehr, als alle Versicherungen, die in der EU tätig sind, von Solvency II betroffen sind. Somit ist es zwar richtig, dass inländische Versicherungen einen Teil ihrer Gelder auch im Ausland anlegen, umgekehrt legen aber ausländische Versicherungen auch einen Teil ihrer Gelder im Inland an. Dieser Aspekt wird im nachfolgenden Abschnitt noch näher diskutiert werden. Es sei nur festgehalten, dass der hier angestellte Vergleich nicht von vornherein abwegig ist, wenngleich er natürlich mit vielerlei Unsicherheiten verbunden ist.
Die Vermutung, dass sich Anlagen ausländischer Versicherer im Inland und jene inländischer Versiche-‐rer im Ausland möglicherweise gegenseitig ausgleichen könnten, wird auch durch eine andere Überle-‐gung bestätigt. So kommt die Deutsche Bank (2011) in einer jüngst veröffentlichten Studie zu dem Ergebnis, dass bei den von ihr untersuchten Platzierungen von Anleihen europäischer Nicht-‐Finanzunternehmen rund 50% durch Investmentfonds gezeichnet wurden und etwa 15% durch Versi-‐cherungen direkt. Würde man diese Verhältnisse auf Deutschland übertragen, könnte man folgende Rechnung aufmachen: Nach den Statistiken der Bundesbank kontrollieren die Spezialfonds der Versi-‐cherungen im Jahr 2010 rund 44% aller von inländischen Rentenfonds verwalteten Mittel. Somit stün-‐de hinter dem von der Deutschen Bank genannten Nachfrageanteil von 50% ein indirekt auf Versiche-‐rungen zurückgehender Anteil von 22%. Zuzüglich des direkten Nachfrageanteils ergäbe sich somit ein Anteil der Versicherungen von rund 37%. Übertragen auf den deutschen Markt hieße dies, dass der Gesamtumlauf an Anleihen von Nicht-‐Finanzunternehmen zuzüglich deren Schuldscheindarlehen knapp 400 Mrd. Euro betragen müsste, damit das von den Versicherungen gehaltene Volumen von 150 Mrd. ebenfalls einem Anteil von 37% entspräche. Dies würde bedeuten, dass der Gesamtumlauf an Schuldscheindarlehen rund 150 Mrd. Euro betragen müsste, was möglicherweise etwas über den tatsächlichen Verhältnissen liegt. Dennoch würde selbst bei einem nur halb so hohen Umlauf an Schuldscheinen der Anteil der Versicherungen mit dann 46% nicht übermäßig von dem Anteil von 37% abweichen, der von der Deutschen Bank für den europäischen Anleihemarkt ermittelt wurde.
Zusammenfassend lässt sich jedenfalls festhalten, dass die deutschen Versicherungen als Käufer von Fremdkapitaltiteln von Industrieunternehmen eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Eine deutliche Reallokation dieser Mittel würde voraussichtlich nicht ohne Rückwirkung auf die Preisfindung auf die-‐sen Märkten bleiben. Möglicherweise bedeutender ist aber der Umstand, dass Versicherungen ein
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wichtiger Kapitalgeber für Banken sind und sie somit dem Unternehmenssektor auch indirekt Finanz-‐mittel in erheblichem Umfang zur Verfügung stellen. Dieser Aspekt wird im Folgenden untersucht.
4.3 Die Rolle der Versicherungen in der Bankenfinanzierung Um die Bedeutung von Versicherungen für die Kapitalbeschaffung des Bankensektors herauszuarbei-‐ten, muss man zuallererst eine Quantifizierung der Kapitalanlagen von Versicherungen bei Banken vornehmen. Dabei ist zwischen der Anlage in Fremd-‐ und in Eigenkapitaltiteln zu unterscheiden. In diesem Gutachten liegt der Fokus auf Fremdkapitaltiteln einschließlich hybriden Instrumenten.
Auch hier ist wieder vorauszuschicken, dass die Datenlage nicht besonders zufriedenstellend ist. Wäh-‐rend die BaFin relativ detaillierte Statistiken zu den Kapitalanlagen von Erstversicherern zur Verfügung stellt, gibt es für Rückversicherungen nur sehr hoch aggregierte Zahlen. Daher ist vorauszuschicken, dass die folgende, in Abbildung 17 veranschaulichte Vorgehensweise zur Ermittlung der von Versiche-‐rungen in Fremdkapitaltiteln von Banken angelegten Gelder, lediglich als eine Näherung betrachtet werden kann. Zunächst wurden jene Positionen identifiziert, bei denen sich der Bankenanteil einiger-‐maßen zuverlässig abschätzen lässt. Die Summe dieser Positionen wurde dann als Untergrenze defi-‐niert. Hierzu gehören die Einlagen bei Kreditinstituten, die in beiden Statistiken gesondert ausgewie-‐sen werden. Ebenso werden bei den Erstversicherern die Namensschuldverschreibungen von und die Schuldschein-‐ und Darlehensforderngen gegenüber Banken gesondert ausgewiesen. Bei den Rückver-‐sicherern werden diese Positionen nur gesamthaft ausgewiesen. Es musste daher eine Abschätzung erfolgen, welchen Bankenanteil diese jeweiligen Positionen enthalten. Hierzu wurde das Portfolio Münchner Rückversicherungs-‐Gesellschaft betrachtet, welches diese Zahlen freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Es wurde unterstellt, dass dieses Portfolio repräsentativ für die gesamte Bran-‐che ist. Weiterhin weisen die Statistiken der Erstversicherer den Anlagebetrag in Pfandbriefen und Kommunalobligationen auf, der ebenfalls dieser Untergrenze zugeschlagen wurde. Bei der Position Inhaberschuldverschreibungen und andere festverzinsliche Wertpapiere ist ebenfalls davon auszuge-‐hen, dass ein bestimmter Prozentsatz in Bankschuldverschreibungen investiert wird. Für die Rückversi-‐cherungen wurde wiederum das bereits beschriebene repräsentative Portfolio der Münchner Rückver-‐sicherungs-‐Gesellschaft zur Bestimmung dieses Anteils verwendet. Bei den Erstversicherern wurde eine ähnliche Vorgehensweise gewählt, wobei hier die von vier in Bayern ansässigen Versicherungsge-‐sellschaften zur Verfügung gestellten Zahlen verwendet und als repräsentativ für die gesamte Branche betrachtet wurden.34 Und schließlich wurden noch die nachrangigen Verbindlichkeiten und Genuss-‐rechte der Erstversicherer hinzuaddiert, da diese für diese Gruppe gesondert ausgewiesen werden. Zwar liegen keine Zahlen vor, wie hoch der Bankenanteil bei dieser Position ist, jedoch dürfte er sehr hoch sein. Für die hier angestellte Rechnung wurde er auf 80% gesetzt. Die Summe dieser Positionen kann als Untergrenze der von Versicherungen gehaltenen Fremdkapitaltitel von und Einlagen bei Ban-‐ken betrachtet werden.
Wie später noch gezeigt wird, erhält man mit dieser Untergrenze bereits eine relativ gute Abschät-‐zung. Was dieser Betrag noch nicht enthält, sind die Bankschuldverschreibungen, die Versicherungen indirekt über ihre Investmentanteile halten. Zur Abschätzung dieses Betrags wurde auf die Kapital-‐marktstatistik der Bundesbank zurückgegriffen. Dort findet sich eine grobe Anlagenaufgliederung für inländische Spezialfonds. Da davon ausgegangen werden kann, dass Versicherungen den größten Teil ihrer Investmentanteile über Spezialfonds halten, konnte diese Aufgliederung als Schätzung für jenen Anteil verwendet werden, den von Versicherungen kontrollierte Spezialfonds in Bankschuldverschrei-‐
34 Es handelte sich um die Allianz AG, die Generali Versicherungen, die Nürnberger Versicherungsgruppe und die Versi-‐cherungskammer Bayern.
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bungen (einschließlich Einlagen und Schuldscheine) investieren. Über den Durchschnitt des betrachte-‐ten Zeitraums ergab sich auf diese Weise ein geschätzter Anteil der Bankschuldverschreibungen am verwalteten Vermögen von Spezialfonds von 22%. Ein Abgleich mit Zahlen, die wiederum von einer der genannten Versicherungen geliefert wurde, lieferte allerdings nur einen durchschnittlichen Anteil von 13%. Daher wurde ein Mittelwert aus diesen beiden Zahlen verwenden, also ein durchschnittlicher Anteil von 17%. Und schließlich sind bei den Rückversicherungsunternehmen auch noch die Auslei-‐hungen an verbundene und assoziierte Unternehmen zu betrachten, soweit es sich hierbei um Banken handelt. Auch hier wurde der Anteil aufgrund des oben erwähnten repräsentativen Portofolios ermit-‐telt. Auf diese Weise wurde ein Zusatzbetrag ermittelt, bei welchem anzunehmen ist, dass er ebenfalls in Fremdkapitaltitel von Banken angelegt ist. Da es sich hierbei naturgemäß um eine etwas grobe Ab-‐schätzung handelt, ist davon auszugehen, dass der durch die Addition dieses so ermittelten Anlagebe-‐trags und der oben erwähnten Untergrenze eine Obergrenze der von Versicherungen gehaltenen Fremdkapitaltitel von und Einlagen bei Banken darstellt. Diese Systematik wird in Abbildung 17 noch-‐mals zusammengefasst.
ABBILDUNG 17: SYSTEMATIK DER KAPITALANLAGEN VON VERSICHERUNGEN BEI BANKEN
Mit dieser beschriebenen Vorgehensweise lässt sich nun die Höhe der von Versicherungen gehalte-‐nen Bankschuldverschreibungen, -‐darlehen (einschließlich Schuldscheine) und -‐einlagen ermitteln. Für das Jahresende 2010 kommt man auf diese Weise auf eine geschätzte Untergrenze von 533 Mrd. Euro bzw. auf eine Obergrenze von 589 Mrd. Euro. Das entspricht einem Anteil von 39 bzw. 43% an den gesamten Kapitalanlagen der Versicherungen.
Zwei Anmerkungen sind hier notwendig. Erstens stellt sich die Frage nach der Zuverlässigkeit dieser Schätzung. Glücklicherweise liegen dazu zwei unabhängige Befunde vor. Erstens hat die BaFin im Zu-‐sammenhang mit der Erstellung dieses Gutachtens freundlicherweise die folgende Alternativrechnung zur Verfügung gestellt. Sie hat nämlich in einem anderen Zusammenhang bei einer Stichprobe der 25 größten deutschen Versicherungsgruppen sowie fünf großen Einzelunternehmen die Kapitalanlagen
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bei Banken sowie die Pfandbriefanlagen bei allen in der EU ansässigen Banken ermittelt. Der so ermit-‐telte Anteil an den Kapitalanlagen der betrachteten Stichprobe beträgt 38%, was ziemlich genau der in der obigen Rechnung geschätzten Untergrenze entspricht. Da in der Berechnung der BaFin die über Investmentanteile gehaltenen Bankdarlehen und -‐schuldverschreibungen nicht berücksichtigt wurden, bestätigt dieses Ergebnis die hier gewählte Vorgehensweise. Dass die Abweichung so gering ist, muss auch als Hinweis darauf verstanden werden, dass Anlagen bei außerhalb der EU ansässigen Banken vernachlässigbar sind.
Zweitens hat freundlicherweise auch die Bundesbank eine Abschätzung für die Höhe der Kapitalanla-‐gen von Versicherungen bei Kreditinstituten für das hier vorliegende Gutachten geliefert. Diese Zahlen beruhen auf den Meldepflichten nach § 14 KWG. Demnach müssen auch Versicherungsunternehmen im Geltungsbereich des KWG vierteljährlich die von ihnen gewährten Millionenkredite melden, wobei sie auch die von ihnen kontrollierten Investmentgesellschaften mit einbeziehen müssen. Aus diesen Meldungen konnte die Bundesbank dann die bilanziellen Forderungen des Versicherungssektors ge-‐genüber Kreditinstituten im Geltungsbereich des KWG ableiten. Der gemäß diesen Berechnungen der Bundesbank ermittelte Anteil der Kapitalanlagen von im Inland ansässigen Versicherungsunternehmen bei Kreditinstituten, die dem Geltungsbereich des KWG unterliegen, beträgt 39% und entspricht damit ebenfalls ziemlich genau der hier abgeleiteten Untergrenze.
Die hier ermittelten Zahlen dürften somit eine sehr zuverlässige Abschätzung des Anteils ihrer Kapital-‐anlagen darstellen, den Versicherer in von Banken emittierten Fremdkapitaltiteln und Bankeinlagen anlegen. Natürlich verteilt sich dieser Anlagebetrag auf in-‐ und ausländische Kreditinstitute. Ein Blick in
die weiter oben erwähnten repräsentativen Portfolios zeigt, dass sich der Anteil von Anlagen bei in-‐ländischen Kreditinstituten zu den gesamten Anlagen bei Kreditinstituten im Bereich zwischen 70 und 85% bewegt. Insoweit wird der weitaus größte Teil dieser Anlagegelder inländischen Banken für Refinanzierungszwecke zur Verfügung gestellt. Unter dem Gesichtspunkt der Bedeutung des Versiche-‐rungssektors für die Refinanzierung der im Inland tätigen Banken muss man zusätzlich bedenken,
dass natürlich auch im Ausland ansässige Versicherungen einen – vermutlich kleineren – Teil ihrer Anlagen bei in Deutschland im Sinne des KWG tätigen Banken anlegen. Eine einigermaßen sinnvolle Abschätzung dieses Betrags würde den Rahmen dieses Gutachtens bei weitem sprengen. Wir gehen daher im Folgenden davon aus, dass die von im Ausland ansässigen Versicherungen bei inländischen Banken angelegten Gelder in etwa jenem Betrag entsprechen, den die im Inland ansässigen Versiche-‐rungen bei im Ausland ansässigen Banken anlegen. Dies ist natürlich eine sehr grobe Annahme, wobei weiter unten noch ein Befund präsentiert wird, der diese Annahme durchaus stützen könnte. Für die
ABBILDUNG 18: OBER-‐ UND UNTERGRENZE DER KAPITALANLAGEN (BUCH-‐WERTE) DEUTSCHER VERSICHERUNGSUNTERNEHMEN BEI BANKEN IN PROZENT DER VERBINDLICHKEITEN DES BANKENSEKTORS GEGENÜBER NICHTBANKEN
(Quelle: Bundesbank, BaFin, EIOPA, eigene Schätzungen)
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Zwecke des hier vorliegenden Gutachtens mag sie aber unter den zur Verfügung stehenden Alternati-‐ven das kleinere Übel sein.
Um nun die Bedeutung des Versicherungssektors für die Refinanzierung der Banken zu quantifizieren, muss das hier ermittelte Anlagevolumen ins Verhältnis zur Marktgröße gesetzt werden. Dabei bietet es sich zunächst an, die gesamten Verbindlichkeiten des Bankensektors gegenüber Nichtbanken als Refi-‐nanzierungsmarkt zu definieren. Wie man in Abbildung 18 sehen kann, halten Versicherungen einen Anteil zwischen 12 und 13% des gesamten von Nichtbanken bereit gestellten Refinanzierungsvolu-‐mens für Banken. Im Übrigen sind in Abbildung 18 auch die Prozentsätze eingetragen, die man unter Verwendung der oben beschriebenen Zahlen der Bundesbank bzw. der BaFin erhielte. Wie man sehen kann, liegen diese Prozentsätze sehr nahe an der hier ermittelten Untergrenze
Weiterhin ist zu beachten, dass Versicherungen ihre Anlagen bei Banken zum überwiegenden Teil in mittel-‐ und langfristigen Darlehen und Schuldverschreibungen halten. Lediglich bei den Bankeinlagen und Termingeldern muss man davon ausgehen, dass diese mit kurzen Fristigkeiten gehalten werden.
Eliminiert man also diese Positionen von dem oben ermittelten Betrag, dann erhält man das Volumen der von Versicherungen gehaltenen mittel-‐ und langfristigen Bankdarlehen und -‐schuldverschreibun-‐gen. In Abbildung 19 wer-‐den diese in Beziehung gesetzt zu den vom Ban-‐kensektor begebenen
Schuldverschreibungen. Betrachtet man zunächst alle Bankschuldverschrei-‐bungen mit Ausnahme der Pfandbriefe (unge-‐deckte Bankschuldver-‐schreibungen) und Darlehen, dann liegt das von den Versicherungen
gehaltene Volumen zwischen 17 und 22% des Gesamtumlaufs an Bankschuldverschreibungen. Diese Rechnung könnte aufgrund von Abgrenzungsproblemen in den Statistiken der BaFin den tatsächlichen Anteil allerdings leicht überschätzen. Bis 2009 scheint es einen rückläufigen Trend gegeben zu haben. Der Anstieg in 2010 könnte zudem auch auf einen statistischen Effekt zurückzuführen sein, weil der Bestand an Bankschuldverschreibungen in den Statistiken der Bundesbank im Jahr 2010 aufgrund einer geänderten Sektorenzuordnung deutlich gesunken ist.
Abbildung 19 zeigt zudem den Anteil der von Versicherungen gehaltenen Nachrangdarlehen, Genuss-‐rechte und stillen Beteiligungen an den nachrangigen Verbindlichkeiten und dem Genussrechtskapital des Kreditsektors. Dieser Prozentsatz ist also ein Maß dafür, welche Bedeutung Versicherungen bei der Beschaffung von Hybridkapital der Banken haben. Dieser Prozentsatz liegt zwischen 21 und 25% mit sinkender Tendenz. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es sich hier insoweit um eine Untergrenze handelt, als diese Zahlen nur für die Erstversicherungen vorliegen.
ABBILDUNG 19: OBER-‐ UND UNTERGRENZE DER KAPITALANLAGEN (BUCHWER-‐
TE) DEUTSCHER VERSICHERUNGSUNTERNEHMEN IN UNGEDECKTEN BANKSCHULD-‐VERSCHREIBUNGEN UND DARLEHEN (OHNE PFANDBRIEFE, EINSCHL. NAMENSPA-‐
PIERE), HYBRIDKAPITAL UND PFANDBRIEFEN IN PROZENT DER KAPITALISIERUNG DES JEWEILIGEN MARKTES
(Quelle: Bundesbank, BaFin, EIOPA, eigene Schätzungen)
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Und schließlich zeigt Abbildung 19 auch das Verhältnis der von deutschen Versicherungsunternehmen gehaltenen Pfandbriefe und Kommunalobligationen im Verhältnis zu den insgesamt umlaufenden Hypothekenpfandbriefen und öffentlichen Pfandbriefen. Diese Prozentsätze liegen im Bereich zwi-‐schen 25 und 41% mit deutlich ansteigender Tendenz. Diese Zahl deutet darauf, dass mehr als 40% des Marktes für Pfandbriefe von Versicherungen kontrolliert werden. Zudem liegen Informationen über die Kapitalanlagen in Pfandbriefen nur für Erstversicherer vor, so dass diese Zahl als Untergrenze zu betrachten ist. Hinzu kommt weiterhin, dass ein kleinerer Teil der von den Versicherungen gehalte-‐nen Pfandbriefe unter den börsennotierten Schuldverschreibungen ausgewiesen ist. Auch dies konnte hier mangels Datenmaterials nicht berücksichtigt werden. Insgesamt kommt den Versicherungen also eine ganz herausragende Rolle in der Bankenfinanzierung zu.
Um die Zuverlässigkeit dieser Zahl noch weiter zu untermauern, seien zwei Punkte erwähnt. Erstens ist der starke Anstieg über die Zeit ein reiner Basiseffekt. Während sich das Anlagevolumen der Erstversi-‐cherungen bei Pfandbriefen im betrachteten Zeitraum lediglich um etwa 12% erhöht hat, ist der Um-‐lauf an Pfandbriefen, einschließlich der Namenspfandbriefe, um über 30% zurückgegangen. Nach dem Ausweis der Bundesbank lag er 2006 noch bei 949 Mrd. Euro, 2010 nur mehr bei 640 Mrd. Euro. Hier spielt die oben bereits erwähnte Änderung der sektoralen Zuordnung in der Statistik der Bundesbank möglicherweise auch Rolle. Unabhängig davon ist aber der Pfandbriefmarkt, insbesondere soweit es um öffentliche Pfandbriefe geht, in den Jahren 2008 und 2009 stark rückläufig gewesen. Zweitens zeigt ein Vergleich mit europäischen Zahlen, dass die hier getroffenen Abschätzungen durchaus repräsenta-‐tiv sind. Eine Studie der BIS kommt nämlich für den europäischen Covered-‐Bond-‐Markt zum Ergebnis, dass im Jahr 2007 37% der Emissionen von Versicherungen gezeichnet wurden.35 Dies ist von dem Anteil von 29%, der aus Abbildung 19 hervorgeht, nicht so weit entfernt, zumal der hier vorgetragene Anteil eine Untergrenze darstellt. Dieser Befund stützt im Übrigen auch die Vermutung, dass sich die Anlagen ausländischer Versicherer im Inland mit jenen inländischer Versicherungen im Ausland zu-‐mindest teilweise ausgleichen.
35 Vgl. Packer et al. (2007), S. 47.
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5 Reform der Bankenregulierung und Veränderung der Refi-‐
nanzierung im Kreditsektor
5.1 Basel III und Anpassungsdruck im Kreditsektor Am 17. Dezember 2009 hat der Basler Ausschuss zwei Konsultativdokumente mit Vorschlägen zu Neu-‐reglungen in der mikroprudentiellen Aufsicht veröffentlicht. Nach intensiven Diskussionen teilte der Basler Ausschuss am 12. September 2010 mit, dass man eine Einigung hinsichtlich der konkreten Aus-‐gestaltung der vorgeschlagenen Regelungen gefunden habe. Mittlerweile liegen die finalen Dokumen-‐te vor, welche die vom Basler Ausschuss empfohlenen Änderungen zu Basel II detailliert beschreiben (vgl. BIS 2010a, 2011). Die Kommission arbeitet bereits an einer Umsetzung dieser Empfehlungen in europäisches Recht. Allerdings lag bei Redaktionsschluss dieses Gutachtens noch kein offizieller Ent-‐wurf einer entsprechenden Verordnung vor, so dass sich die folgenden Ausführungen an den Empfeh-‐lungen des Basler Ausschusses orientieren.
Eine detaillierte Darstellung dieser Vorschläge kann im Rahmen dieses Gutachtens nicht geleistet wer-‐den. Hierzu sei etwa auf Kaserer (2010a) und die dort zitierten Quellen verwiesen. Vielmehr sollen im Folgenden drei zentrale Aspekte von Basel III herausgegriffen und deren Zusammenspiel mit den Rege-‐lungen nach Solvency II betrachtet werden. Bei diesen drei zentralen Aspekten handelt es sich um die geänderten Regelungen zur Eigenkapitalunterlegung, zur Liquiditätsvorhaltung und zur Fristentrans-‐formation. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass Basel III auch erhebliche Auswirkungen auf die Eigen-‐kapitalunterlegung von Handelsbuchgeschäften haben wird. Als Stichwort seien hier die Neuregelun-‐gen zur Unterlegung des Gegenparteirisikos (CCR) genannt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich diese Regelungen auch auf die Finanzierungskosten der Unternehmen auswirken werden. Aus Platz-‐gründen unterbleibt hier eine Betrachtung dieses Teils von Basel III, ebenso wie die Leverage Ratio hier nicht weiter untersucht wird.
5.1.1 Veränderte Eigenkapitalunterlegung Zunächst ist zu beachten, dass sich durch Basel III sowohl die Höhe als auch die Qualität des von den Banken vorzuhaltenden regulatorischen Eigenkapitals verändert. Eine Übersicht der vorzunehmenden
TABELLE 5: ANPASSUNG DER MINDESTEIGENKAPITALAUSSTATTUNG DER BANKEN NACH BASEL III
(Quelle: BIS 2011)
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Anpassungen findet sich in Tabelle 5. Entscheidend ist, dass nicht nur die Mindesteigenkapitalquote von derzeit 8% schrittweise auf 10,5% ab dem Jahr 2019 steigt, sondern sich darüber hinaus auch die Zusammensetzung des Eigenkapitals deutlich verändern wird. Dabei ist zu beachten, dass die Auf-‐sichtsbehörden noch die Möglichkeit bekommen sollen, bei überdurchschnittlichem Kreditwachstum einen zusätzlichen, so genannten antizyklischen Kapitalpuffer einzuführen, der ab dem Jahr 2019 bei maximal 2,5% liegen wird. Dabei ist derzeit noch in der Diskussion, ob dieser ausschließlich aus hartem Kernkapital zu bestreiten ist. Damit ergäbe sich dann sogar eine Mindesteigenkapitalquote von 13%. Zudem hat der Basler Ausschuss gemäß einer Presseerklärung vom 25. Juni 2011 beschlossen, von systemrelevanten Banken einen weiteren Zuschlag auf die Eigenkapitalquote zu verlangen, der zwi-‐schen 1 und 3,5 Prozentpunkten betragen soll. Dieser Zuschlag soll ganz oder teilweise in hartem Kernkapital bereit gestellt werden.
Hinsichtlich der Qualität des Kapitals ist festzuhalten, dass das so genannte harte Kernkapital (Com-‐mon Equity Tier 1 – CET1) ab dem Jahr 2019 mindestens 4,5% – im Vergleich zu aktuell 2% – betragen muss. Nur eingezahltes Kapital und einbehaltende Gewinne werden als solches anerkannt, wobei der Basler Ausschuss einen Katalog von 14 Kriterien festgelegt hat, der über eine rechtsformunabhängige Zuordnung zum CET1 entscheiden soll. Auch für das so genannte Ergänzungskernkapital (Additional Tier 1 Capital) hat der Basler Ausschuss klare Kriterien festgelegt. Hier kommen Hybridkapitalinstru-‐mente in Frage, sofern sie unter anderem über keine feste Fälligkeit verfügen, vom Emittenten frühe-‐stens nach fünf Jahren gekündigt werden dürfen, nachrangig gegenüber allen Gläubigeransprüchen sind und die Bank frei über Dividenden entscheiden kann. Trifft eines dieser Kriterien nicht zu, dann könnte das entsprechende Instrument noch als Ergänzungskapital (Tier 2 Capital) in Frage kommen. Hinsichtlich dieser Kapitalbestandteile gibt es im Kern allerdings noch einige Unklarheiten. So ist der-‐zeit noch nicht geklärt, unter welchen Voraussetzungen etwa so genannte Contingent Convertible Bonds als Ergänzungskernkapital anerkannt werden.36 Bei dem in Deutschland beliebten Instrument der Stillen Einlage wird künftig eine Anerkennung als hartes Kernkapital schwierig sein. Dies gilt jeden-‐
falls für Banken, die in Form von Kapitalgesellschaften geführt werden. Bei anderen Rechtsformen wäre eine Anerkennung denkbar, sofern die Gestaltungselemente so angepasst werden, dass sie dem Katalog des Basler Ausschusses entsprechen. Die Regelung zu den Stillen Einlagen könnte aber im Rahmen der EU-‐Umsetzung noch angepasst werden.
Diese Änderungen werden ohne Zweifel einen erheblichen Kapitalanpassungsbe-‐darf bei den Banken auslösen. So hat die quantitative Auswirkungsstudie zu Basel III gezeigt, dass wegen der strengeren
Kernkapitaldefinitionen und der Veränderungen in den Berechnungen der Risikoaktiva (RWA) die Kernkapitalquoten deutlich fallen. Bei den großen Banken, also jenen mit einem Eigenkapital von mehr als 3 Mrd. Euro, von 11,1% auf 5,7%, bei den kleineren von 10,7% auf 7,8%. Dies kann man auch
36 Über die aufsichtsrechtliche Anerkennung dieser Instrumente ist noch nicht endgültig entschieden. Zudem können mit ihnen auch Anreizprobleme verbunden sein, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden kann; vgl. Berg/Kaserer (2011).
ABBILDUNG 20: VERÄNDERUNG DER CET1-‐QUOTE DURCH DIE
EINFÜHRUNG VON BASEL III
(Quelle: BIS 2010a)
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in Abbildung 20 erkennen. Ähnlich verhält es sich auch mit der Gesamtkapitalquote. Natürlich können die Banken diese neuen Kapitalanforderungen sowohl durch eine Reduzierung ihres Aktivgeschäftes als auch durch eine Erhöhung ihrer Kapitalbasis erfüllen. Und zweifellos werden sie beide Wege gehen. Wie die Anpassungsstrategien aber genau aussehen, lässt sich heute nur schwer sagen. Dies wird da-‐von abhängen, wie hoch die Kapitalkosten für diese Instrumente sein werden. Hier gibt es ein wichti-‐ges Zusammenspiel mit Solvency II, weil – wie im vorangegangenen Kapitel gezeigt wurde – Versi-‐cherungen in der Vergangenheit wichtige Kapitalgeber der Banken waren, jedenfalls im Fremd-‐ und Hybridkapitalbereich. Gerade die Märkte für Hybridkapital werden für die Banken künftig eine noch stärkere Rolle spielen, wenn sie auf eine rasche Umsetzung der Basel-‐III-‐Eigenkapitalvorgaben abzie-‐len.
Immerhin darf man nicht vergessen, dass die Kapitalnachfrage der Banken erheblich wäre, wenn man die gestiegenen Kapitalanforderungen allein über ein erhöhtes Eigenkapital abdecken möchte. Wie Abbildung 21 zeigt, hätten die 87 größten Banken weltweit, die sich an der quantitativen Auswir-‐kungsstudie des Basler Ausschusses beteiligt haben, einen Kapitalbedarf von 165 Mrd. Euro, um die ab 2016 geltende Quote von 4,5% für das harte Kernkapital zu erreichen. Um die Quote von 7,5%, die ab 2019 gilt, zu erreichen, würden sie sogar 577 Mrd. Euro benötigen. Für die Banken in der EU lag dieser Betrag bei 291 Mrd. Euro. Dabei sollte man bedenken, dass der Jahresüberschuss nach Steuern dieser EU-‐Banken im Jahr 2009 bei 96 Mrd. Euro lag.
Eine Deckung dieses Fehlbetrags allein aus thesaurierten Gewinnen ist daher eher unwahrscheinlich. Hinzu kommt, dass es noch einen erheblichen weiteren Fehlbetrag gibt, um die Gesamtkapitalquote von 10,5 oder gar 13% zu erreichen. Leider wird dieser Betrag in der quantitativen Auswirkungsstudie nicht ermittelt. Unabhängig davon kann man aber leicht sehen, dass hier ein durch Basel III erhöhtes Angebot an hybriden Finanzinstrumenten auf eine durch Solvency II möglicherweise reduzierte Nach-‐frage stößt.
5.1.2 Neue Regeln zur Fristentransformation Ab dem Jahr 2018 soll eine Kennzahl zur Steuerung der Fristentransformation eingeführt werden, nämlich die Net Stable Funding Ratio (NSFR). Wie in Formel 1 dargestellt, beschreibt sie das Verhältnis
von langfristig stabilen Refinanzie-‐rungsquellen zu den möglichen Liquidi-‐tätsanforderungen, die sich aus benö-‐tigten Refinanzierungen ergeben kön-‐nen. Dieses Verhältnis muss immer größer 100% sein, d.h. die sich (kurzfri-‐stig) ergebenden Refinanzierungsnot-‐wendigkeiten müssen jederzeit durch vorhandene Refinanzierungsquellen
gedeckt sein.
FORMEL 1: DEFINITION DER NET STABLE FUNDING RATIO
ABBILDUNG 21: KAPITALBEDARF DER BANKEN IN MRD. EURO DURCH BASEL III
(Quelle: BIS 2010a, CEBS 2010)
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Um die verfügbare stabile Refinanzierung zu bestimmen, wird für jede Refinanzierungsquelle ein ASF-‐Faktor („available stable funding“) definiert. Dieser ist umso höher, je langfristiger eine Refinanzie-‐
rungsquelle ist. Beispielsweise beträgt der ASF-‐Faktor für Eigenkapital und für Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr 100%, für Einlagen von Retailkunden und Kleinunternehmen mit Restlaufzeiten von weniger als einem Jahr jedoch nur zwischen 80 und 90%. Einlagen von sonstigen Nicht-‐Finanzunternehmen werden nur zu 50% angerechnet, Interbankeneinlagen dürfen gar nicht angerechnet werden. Eine Übersicht zu den ASF-‐Faktoren findet sich in Tabelle 6.
Um die benötigte stabile Refinanzierung zu berechen wird jeder Aktivposition ein RSF-‐Faktor („required stable funding“) zugeordnet. Dieser gibt für jede Vermögenskategorie einschließlich der außerbilanziellen Geschäfte den Anteil an, der mit einer stabilen Refinanzierung hinterlegt sein muss. Je liquider eine
Vermögenskategorie ist, desto geringer ist folgerichtig der ASF-‐Faktor. Man könnte auch sagen, dass der RSF-‐Faktor den Prozentsatz einer Vermögenskategorie angibt, der in einem Stress-‐Szenario nicht liquidiert oder beliehen werden könnte. Konsequenterweise beträgt der RSF-‐Faktor für Bargeld 0%, für Wertpapiere mit Laufzeiten von mindestens einem Jahr, die von Staaten, Zentralbanken, anderen staatlichen Institutionen oder von bestimmten supranationalen Einrichtungen (z.B. Internationaler Währungsfonds) emittiert wurden, 5%; dieser Faktor wird auch auf gewährte und nicht beanspruchte Kreditfazilitäten angewandt.37 Unternehmensanleihen und verbrieften Wertpapieren mit einem Rating von mindestens AA-‐ (A-‐) und einer Restlaufzeit von mindestens einem Jahr wird ein Faktor von 20% (50%) zugewiesen. Gold, gehandelte Aktien und bestimmte Unternehmenskredite mit einer Restlauf-‐zeit von weniger als einem Jahr haben einen RSF-‐Faktor von 50%. Bei Krediten an Retailkunden und KMUs wird ein RSF-‐Faktor von 65% veranschlagt, sofern diese Kredite nach Basel II ein Risikogewicht von höchstens 35% und eine Restlaufzeit von mehr als einem Jahr haben. In allen anderen Fällen gilt für diese Kredite ein RSF-‐Faktor von 85%. Alle anderen Kredite und Vermögenswerte haben einen RSF-‐Faktor von 100%.
Ökonomisch bedeutet die Einführung des RSF-‐Faktors eine international vereinheitliche Kontrolle der Fristentransformation im Bankensektor. Zwar gab es eine solche Kontrolle auf nationaler Ebene schon lange (hierzulande etwa durch die LiqV), jedoch war diese weder international abgestimmt noch vergleichbar. Tritt diese Regelung so in Kraft, so wird die Möglichkeit der Banken, langfristige Kredite durch kurzfristige Einlagen und Termingelder zu refinanzieren, stark eingeschränkt werden. Damit wird aber eine zentrale ökonomische Funktion des Bankensektors berührt, nämlich die Liquiditätstransfor-‐mation, d.h. die Hereinnahme von liquiden Einlagen zur Finanzierung von illiquiden Unternehmens-‐krediten.
37 Bei anderen außerbilanziellen Geschäften wird der RSF-‐Faktor von den nationalen Aufsichtsbehörden festgelgt.
TABELLE 6: ASF-‐FAKTOREN VERSCHIEDENER REFINANZIE-‐RUNGSQUELLEN
(Quelle: BIS 2010b)
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Zudem sollte man beachten, dass die NSFR das Interbankengeschäft besonders hart bestraft. Zwar ist das unter dem Eindruck der Finanzmarktkrise verständlich, ob es allerdings ökonomisch sinnvoll ist,
kann in Frage gestellt werden. Jedenfalls zeigt eine Analyse der Verhältnisse in Deutschland, dass der Anteil der Interbankeneinlagen an den Gesamteinlagen im Kreditsektor bereits seit Mitte der 90er Jahre stark angestiegen ist und dann bis zur Finanzmarktkrise auf einem relativ hohen Niveau verharrte, wie man in Abbildung 22 erkennen kann.
Ein Beitrag zur Erklärung dieser Entwicklung ist sicherlich darin zu suchen, dass mit dem immer stärker werdenden Rationalisierungsdruck viele Bankgeschäfte auf IT-‐Plattformen verlagert wurden. Dies gilt für das Einlagengeschäft ganz besonders. Damit muss es aber notwendigerweise eine Marktkonzentration geben, d.h. das Einsammeln von Privatkundengeldern erfolgt durch immer weniger spezialisierte Marktteilnehmer. Soweit sich aber im Aktivgeschäft neue Geschäftsmodelle am Markt durchsetzen, muss es zwangsläufig zu einem Transfer dieser Kundengelder zu anderen Wettbewerbern kommen, was letztlich eine Funktion des Interbankenmarktes ist. Insoweit könnte die Verteuerung solcher aktivseitiger Geschäftsmodelle sich negativ auf die Innovationsfreudigkeit und die Wettbewerbsintensität des Bankensektors
auswirken.
Somit muss man festhalten, dass die Folgen dieser geplanten Regelung für die Geschäftsmodelle im Bankensektor noch unabsehbar sind. Vermutlich war diese Unwägbarkeit auch ausschlaggebend dafür, dass der Basler Ausschuss die zwingende Einhaltung dieser Kennzahl erst ab dem Jahr 2018 vorsieht. Bis dahin soll diese Kennzahl von den Aufsichtsbehörden beobachtet werden. Diese Erfahrungen wird man dann sicherlich überprüfen, bevor diese Regelung zwingend eingeführt wird.
Dass es tatsächlich zu weitreichenden
ABBILDUNG 22: ANTEIL DER INTERBANKENEINLAGEN AN DEN GE-‐
SAMTEINLAGEN IM DEUTSCHEN KREDITSEKTOR
(Quelle: Bundesbank)
TABELLE 7: RSF-‐FAKTOREN VERSCHIEDENER REFINANZIE-‐RUNGSQUELLEN
(Quelle: BIS 2010b)
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Änderungen in den Geschäftsmodellen der Banken kommen könnte, kann man erahnen, wenn man sich die Ergebnisse der quantitativen Auswirkungsstudie zu Basel III anschaut (vgl. BIS (2010b) und CEBS (2010)). So hat sich gezeigt, dass gerade die großen Banken aktuell nur auf eine durchschnittliche NSFR von 93% kommen. Dahinter verbirgt sich ein Fehlbetrag an stabiler Refinanzierung in Höhe von 2,9 Bill. Euro bei allen Banken, die an der quantitativen Auswirkungsstudie teilgenommen haben. Bei den Banken in der EU beträgt dieser Fehlbetrag immerhin noch 1,8 Bill. Euro. Allerdings muss man einschränkend dazu sagen, dass die jetzt beschlossene Regelung zur NSFR nicht exakt mit jener übereinstimmt, die für die quantitative Auswirkungsstudie herangezogen wurde.
Unabhängig davon liegt die Vermutung auf der Hand, dass die mangelnde Anerkennung von Interban-‐keneinlagen als stabile Refinanzierung einen erheblichen Refinanzierungsbe-‐darf bei den Banken auslöst. Soweit diese versuchen werden, dieses Pro-‐blem passivseitig zu lösen, müssen sie Interbankeneinlagen in großem Um-‐fang durch Kundeneinlagen und die Ausgabe von mittel-‐ bis langfristigen Bankschuldverschreibungen oder sonstigen Darlehen ersetzen. Insoweit wird Basel III das Angebot von Bank-‐schuldverschreibungen erhöhen. Soll-‐ten gleichzeitig Versicherungen sich in Folge der Wirkungen von Solvency II aus diesem Markt zurückziehen, kann dies nicht ohne Konsequenzen für die Kapitalkosten dieser Instrumente blei-‐
ben.
5.1.3 Neue Regeln zur Liquiditätshaltung Die diesbezüglichen Vorschläge des Basler Ausschusses zielen darauf ab, neben der Fristentransforma-‐tion auch die Liquiditätssteuerung der Banken international zu harmonisieren. Die neuen regulatori-‐
schen Standards sollen sicherstellen, dass die Liquidität der Banken auf kurzfristig eintretende Krisen vorbereitet ist. Um dieses Ziel zu errei-‐chen wurde die Einführung der Liquidity Cover Ratio (LCR) be-‐schlossen, die von den Banken ab 2015
einzuhalten ist. Sie soll aufzeigen, wie gut eine Bank kurzfristige, durch einen kombinierten systemi-‐schen und idiosynkratischen Schock ausgelöste Abflüsse von Zahlungsmitteln durch hochwertige liqui-‐de Vermögenswerte kompensieren kann. Sie ist somit eine Kenngröße für die Liquidität einer Bank. Die Liquiditätskenngröße LCR gibt das Verhältnis von hochqualitativen liquiden Vermögenswerten zum Nettozahlungsmittelabfluss während einer 30-‐Tage-‐Periode an, wie Formel 2 zeigt.
Als hochqualitative liquide Vermögenswerte kommen neben Bargeld und Zentralbankreserven grund-‐sätzlich solche Wertpapiere in Betracht, die von der Zentralbank als beleihungsfähig eingestuft wer-‐den. Explizit erwähnt der Basler Ausschuss hier Wertpapiere, die von Staaten, Zentralbanken, anderen staatlichen Institutionen oder von bestimmten supranationalen Einrichtungen (z.B. Internationaler
ABBILDUNG 23: FINANZIERUNGSDEFIZITE (IN BILL. EURO) IM
KREDITSEKTOR AUFGRUND DER EINFÜHRUNG NEUER LIQUIDITÄTS-‐ UND FRISTENTRANSFORMATIONSREGELN
(Quelle: BIS 2010a, CEBS 2010)
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FORMEL 2: DEFINITION DER LIQUIDITY COVERAGE RATIO FUN-‐DING RATIO
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Währungsfonds) emittiert wurden. Unternehmensanleihen können nur berücksichtigt werden, wenn sie nicht von einem Finanzdienstleistungsunternehmen emittiert wurden und mindestens ein Rating von AA-‐ haben. Diese können dann zu 85% angerechnet werden, was implizit unterstellt, dass sie im Stressszenario einen Wertverlust von 15% erleiden. Dieselbe Behandlung erfahren gedeckte Anleihen, z.B. Pfandbriefe, sofern sie nicht von der Bank selbst emittiert wurden. Im Übrigen dürfen diese Anlei-‐hen auch nur dann berücksichtigt werden, wenn sie auf liquiden Märkten gehandelt werden. Außerdem dürfen Unternehmensanleihen und gedeckte Anleihen nur maximal 40% des Liquiditätsbestandes ausmachen.
Diese liquiden Vermögenswerte müssen dann den Nettozahlungsabflüssen, die in einem Stressszenario über die nächsten 30 Tage eintreten könnten, gegenüber gestellt werden. Dabei sind neben den vertraglich zu erwartenden Zahlungsmittelabflüssen vor allem auch noch jene Abflüsse zu berücksichtigen, die durch dieses Stressszenario ausgelöst werden. So könnten Einlagen abgezogen werden, der Wert von Sicherheiten bei gedeckten Einlagen (Repo-‐Geschäfte) fallen, Nachschuss-‐verpflichtugnen auftreten oder Kreditfazilitäten abgerufen werden. Um ein solches Stressszenario zu simulieren, macht der Basler Ausschuss detaillierte Vorgaben, wie bestimmte bilanzielle und außerbilanzielle Positionen zu behandeln sind. Einen beispielhaften Überblick zu diesen Vorgaben findet man in Tabelle 9.
Ähnlich wie bei der NSFR hat die quantitative Auswirkungsstudie auch bei der LCR gezeigt, dass ein erheblicher Anpassungsbedarf bei den Banken auftritt. Die Gruppe der großen Banken hatte gemäß der quantitativen Auswirkungsstu-‐die nur eine durchschnittliche LCR-‐Quote von 83%, bei den großen europäischen Banken lag die Quote im Durchschnitt sogar nur bei 67%. Um diese Quote auf 100% zu bringen, müssten diese Banken ihre liquiden Vermögenswerte um einen Betrag von 1,8 Bill. Euro bzw. 1,0 Bill. Euro erhöhen. Wobei auch hier gilt, dass die
TABELLE 9: KOMPONENTEN ZUR ERMITTLUNG DES
ZAHLUNGSMITTELABFLUSSES INNERHALB DER NÄCH-‐
STEN 30 TAGE
(Quelle: BIS 2010b)
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TABELLE 8: ANRECHNUNGSFAKTOREN ZUR ERMITT-‐
LUNG DER LIQUIDEN VERMÖGENSWERTE
(Quelle: BIS 2010b)
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finalen Vorschläge des Basler Ausschusses nicht exakt mit den Regelungen übereinstimmen, die der quantitativen Auswirkungsstudie zugrunde gelegt wurden. Dennoch gilt auch für die LCR, dass ohne eine Anpassung der Geschäftsmodelle eine Einhaltung dieser Regelung nur möglich wäre, wenn die Banken in erheblichem Umfang Bankschuldverschreibungen emittieren würden. Gleichzeitig würden diese Gelder dann in liquiden Vermögenswerten, insbesondere Staatsanleihen, angelegt werden. Also wird auch die Einführung der LCR – ebenso wie die Einführung der NSFR – dazu führen, dass es einen Druck zur Erhöhung des Angebots an Bankschuldverschreibungen geben wird. Wenn gleichzeitig aber die Anlagen der Versicherungsunternehmen in solche Anleihen tendenziell rückläufig sind, wird sich diese Entwicklung in den Preisen dieser Anleihen und damit in den Kapitalkosten der Banken bemerk-‐bar machen.
5.2 Weitere regulatorische Veränderungen Als Folge der Finanzmarktkrise haben sich die G20-‐Staaten auf eine umfassende Reform der Finanz-‐märkte verständigt. Basel III ist dabei nur ein Teil dieser Initiative. Beispielsweise sind die Änderungen in der makroprudentiellen Aufsicht sowie eine verbesserte internationale Koordination derselben in diesem Zusammenhang zu nennen. Die EU hat mit der Einrichtung des European Systematic Risk Board (ESRB) sowie den drei neuen Behörden für die mikroprudentielle Aufsicht (European Banking Authority (EBA), European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) und European Securities and Markets Authority (ESMA)) reagiert. Weiterhin ist derzeit eine umfangreiche Reform der Regulierung der OTC-‐Derivatemärkte in Vorbereitung. Diese Reform wird die Unternehmen direkt betreffen, weil es möglicherweise zu einer Verteuerung von Absicherungsgeschäften kommen wird.38 Und schließlich sind die Diskussionen über die Einführung einer neuen Steuer im Finanzsektor, etwa in Form einer Finanztransaktionssteuer oder einer Finanzaktivitätsteuer, noch nicht vom Tisch.
Einige Länder, wie auch Deutschland, haben diesen letzten Punkt insoweit schon vorweggenommen, als sie eine Bankenabgabe eingeführt haben. In Deutschland wurde das Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten (KredReorgG) sowie das Gesetz zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kredit-‐institute (RStrukFG) Ende 2010 beschlossen. Damit wurde in Deutschland erstmals ein bankspezifi-‐sches Insolvenzrechts eingeführt. In Verbindung mit der Einführung eines Restrukturierungsfonds soll der Banksektor gezwungen werden, für den Fall künftiger systemischer Krisen Finanzmittel bereit zu halten, die im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Restrukturierung systemrele-‐vanter Banken eingesetzt werden können. Damit soll nicht nur ein zusätzlicher Puffer eingebaut wer-‐den, der den Steuerzahler vor der vollständigen Übernahme der direkten Kosten einer Finanzmarktkri-‐se schützen soll. Vielmehr soll diese Abgabe auch eine Lenkungswirkung dahingehend entfalten, dass Geschäftsmodelle, die zu einer Erhöhung der systemischen Risiken führen, mit höheren Kapitalkosten verbunden sind.
Auf eine detaillierte Schilderung dieser gesetzlichen Maßnahmen soll hier aus Platzgründen verzichtet werden.39 Im Kern geht es um zwei Punkte. Erstens wird mit dem Kreditinstitute-‐Reorganisationsgesetz (KredReorgG) ein Rahmen geschaffen, der einerseits einen effektiveren Eingriff des Staates bei drohenden Finanzmarktkrisen erlaubt, und damit andererseits auch die Ansteckungs-‐gefahren reduzieren kann. Das Gesetz bietet einen rechtlichen Rahmen für die Reorganisation von Kreditinstituten aller Art. Dafür ist ein zweistufiges Verfahren vorgesehen. So kann die Geschäftsfüh-‐rung eines Kreditinstituts bereits in einem relativ frühen Stadium ein Sanierungsverfahren einleiten, in welchem sich Gläubiger und Anteilseigner auf Sanierungsmaßnahmen einigen können. Nur für den Fall, dass das Sanierungsverfahren nicht greift oder von vornherein aussichtslos ist, kann ein Reorgani-‐
38 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit diesem geplanten Regelwerk findet sich in Kaserer (2011). 39 Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesen beiden Regelwerken vgl. Kaserer (2010b).
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sationsverfahren eröffnet werden. Da im Rahmen dieses Reorganisationsverfahrens Eingriffe in die Rechte der Gläubiger (etwa durch eine Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital) und An-‐teilseigner (etwa durch Kapitalerhöhungsmaßnahmen) möglich sind, darf es erstens nur durch die BaFin eröffnet werden. Und zweitens setzt ein solcher Antrag voraus, dass es sich um ein Kreditinstitut handelt, dessen Zusammenbruch zu einer Systemgefährdung führen würde.
In diesem Zusammenhang ist es auch notwendig, neue hoheitsrechtliche Handlungsinstrumente zu implementieren, damit der Zusammenbruch einer systemrelevanten Bank auch gegen den Willen der Betroffenen verhindert werden kann. Hierfür ist vorgesehen, dass – sofern andere Reorganisations-‐maßnahmen nicht erfolgversprechend sind – das Vermögen einer systemrelevanten Bank ganz oder teilweise auf eine so genannte staatliche Brückenbank übertragen werden kann. Die Rettungsmaß-‐nahmen können sich dann auf diese Brückenbank konzentrieren, wohingegen der verbliebene Teil der „Alt-‐Bank“, welcher als nicht systemrelevant eingestuft wird, abgewickelt werden kann.
Selbstredend braucht die Aufsichtsbehörde für einen solchen Eingriff finanzielle Ressourcen in erhebli-‐chem Umfang. Damit diese nicht ausschließlich vom Steuerzahler zur Verfügung gestellt werden müs-‐sen, wird ein vom Bankensektor gespeister Restrukturierungsfonds eingeführt. Dieser steht unter der Verwaltung der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (SoFFin). Die in diesem Fonds angehäuf-‐ten Mittel können vom SoFFin für Maßnahmen der Finanzmarktstabilisierung, insbesondere natürlich künftig im Zusammenhang mit den oben erwähnten Restrukturierungsmaßnahmen von systemrele-‐vanten Kreditinstituten, genutzt werden. Konkret können mit Mitteln des Restrukturierungsfonds die Gründung und Kapitalausstattung von Brückenbanken, die Abgabe von Garantien zu deren Gunsten sowie sonstige systemstabilisierende Maßnahmen finanziert werden.
Die Erhebungsdetails der Bankenabgabe werden in einer Rechtsverordnung festgelegt, für die es aller-‐dings aufgrund politischer Differenzen bis heute keine rechtskräftige Fassung gibt. Die hier vorliegen-‐
den Ausführungen beziehen sich auf die Restrukturierungsfonds-‐Verordnung, wie sie am 2. März 2011 vom Bundeskabinett verabschiedet wurde. Gemäß diesem Entwurf errechnet sich die beitragsrelevante Passiva eines Kreditinstituts wie folgt: Von der Bilanzsumme dürfen die ausgewiesenen Verbindlichkeiten gegenüber Kunden sowie das haftende Eigenkapital
(einschließlich Genussrechtskapital und Fonds für allgemeine Bankrisiken) in Abzug gebracht werden. Soweit diese beitragsrelevante Passiva den Betrag von 10 Milliarden Euro
nicht überschreitet, beträgt der Beitrag 0,02% der beitragsrelevanten Passiva. Für den Teil der bei-‐tragsrelevanten Passiva, der 10 Milliarden Euro überschreitet, aber 100 Milliarden Euro unterschreitet, ist ein Beitrag von 0,03% zu bezahlen. Für den überschießenden Teil ist schließlich ein Beitrag von 0,04% zu bezahlen. Eine Veranschaulichung dieser Regelung findet sich in Tabelle 10; die blau unter-‐legten Positionen stellen die beitragspflichtige Passiva dar. Vermehrt wird die Bankenabgabe um einen
TABELLE 10: BEMESSUNGSGRUNDLAGE DER BANKENABGABE
(Quelle: Kaserer 2010b)
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Betrag von 0,00015% des Nominalvolumens der Derivategeschäfte, wie sie im Anhang zum Jahresab-‐schluss aufzunehmen sind.
Um zu vermeiden, dass wirtschaftlich schwache Institute durch diese Beitragszahlung zusätzlich ge-‐schwächt werden, ist vorgesehen, dass der Beitrag maximal 15% des zuletzt bilanzierten Jahresüber-‐schusses betragen darf, mindestens aber 5% des auf der Basis der beitragspflichtigen Passiva ermittel-‐ten Betrags. Allerdings gibt es zu diesen Zumutbarkeitsregeln derzeit einen heftigen politischen Streit, so dass sie möglicherweise noch geändert werden. Zudem wird auch darüber diskutiert, nicht system-‐relevante Institute, da sie ja nicht in den Genuss von Restrukturierungsmaßnahmen nach dem Restruk-‐turierungsgesetz kommen werden, ganz oder teilweise von der Abgabe zu befreien. Der oben genann-‐te Entwurf sieht dies zwar noch nicht vor, aber auch hier werden derzeit entsprechende Vorschläge diskutiert. Sollte es dazu kommen, wird man wohl davon ausgehen müssen, dass auch die oben ge-‐nannten Beitragssätze erhöht werden.
Im Hinblick auf die hier vorliegende Fragestellung sei darauf verwiesen, dass die Bankenabgabe ebenfalls einen Anreiz setzt, die Interbankeneinlagen und Schuldverschreibungen zugunsten von Hybridkapital (Genussrechtskapital) zurückzunehmen. Sie verstärkt somit die ohnehin von Basel III ausgehenden Effekte in der Refinanzierungspolitik der Banken. Eine zusammenfassende Diskussion dieser Entwicklungen im Hinblick auf die Unternehmensfinanzierung findet sich im folgenden Kapitel.
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6 Auswirkungen auf die Unternehmensfinanzierung In diesem Abschnitt sollen nun die bisher diskutierten Effekte von Solvency II und Basel III im Hinblick auf ihre möglichen Wirkungen auf die Unternehmensfinanzierung zusammengefasst werden. Eine solche Diskussion muss zwangsläufig spekulativ bleiben, weil sie einen Blick in die Zukunft wagt. Um das Ausmaß dieser Spekulationen so gering wie möglich zu halten, wird eine Analyse bereits spürbarer Effekte auf den Kapitalmärkten vorgeschaltet. Damit soll eine objektive Grundlage für die Diskussion der Frage geschaffen werden, ob, und falls ja, welche Effekte diese beiden Regelwerke auf dem Markt für Unternehmensfinanzierung bereits heute gezeitigt haben. Konkret werden daher im ersten Schritt drei Arten von Kapitalmarktreaktionen untersucht, nämlich Reaktionen in den Börsenbewertungen der betroffenen Unternehmen, mögliche Effekte auf die Zinsstruktur sowie auf die Kreditmargen.
6.1 Kapitalmarkteffekte 6.1.1 Marktwerteffekte
6.1.1.1. Methodische Überlegungen Es gibt eine ausführliche Literatur zu der Frage, wie man Effekte auf die Börsenbewertung von Unter-‐nehmen bei der Ankündigung von regulatorischen Maßnahmen messen kann (vgl. Binder 1985). Grundsätzlich hat man es dabei mit den folgenden drei Problemen zu tun: Erstens kann man die An-‐kündigungszeitpunkte in der Regel nicht genau identifizieren, zweitens sind zumeist viele Unterneh-‐men derselben Branche betroffen und drittens könnte es sein, dass die Richtung dieser Betroffenheit nicht dieselbe bei den betrachteten Unternehmen ist (z.B. weil große Unternehmen von der Regulie-‐rung profitieren, kleine aber dadurch Nachteile erleiden). Dies führt dazu, dass Untersuchungen dieser Art die Effekte möglicherweise nur schwer identifizieren können. In der Literatur werden verschiedene Vorgehensweisen vorgeschlagen, wie man die drei genannten Probleme angehen kann.
Wir orientieren uns hier an einem Vorschlag von Binder (1985), der auch in vielen anderen Studien dieser Art verwendet wurde.40 Die Idee ist, mittels eines multivariaten Regressionsansatzes die Aus-‐wirkungen der Ankündigung einer regulatorischen Maßnahme auf die am Markt beobachtete Rendite der Aktie des betroffenen Unternehmens zu untersuchen. Dies sei am Beispiel von Solvency II kurz erläutert. Zunächst muss man alle Zeitpunkte identifizieren, zu denen vermutlich relevante Nachrich-‐ten über die Ausgestaltung dieses Regelwerks veröffentlicht wurden. Nehmen wir an, es gäbe eine Anzahl A solcher Ankündigungszeitpunkte. Danach wird ein gleichgewichtetes Portfolio von Unter-‐nehmen gebildet, die durch diese Regulierung betroffen sind, also etwa alle börsennotierten Versiche-‐rungsunternehmen in Europa. Der durch die Ankündigung von Regulierungsmaßnahmen gemessene Effekt wird dann wie folgt erklärt:
€
rt = α + βrmt + γ aa=1
A
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Dabei ist rt die um alle abfließenden Rechte bereinigte Rendite des betrachteten Portfolios von Unter-‐nehmen an einem Tag t. Unter Verwendung des so genannten Marktmodells wird unterstellt, dass die Rendite dieses Portfolios von der Rendite des Gesamtmarktes rmt abhängt, welche durch einen breiten Aktienindex gemessen wird. Diese Abhängigkeit wird durch die Parameter α und β gemessen; diese Parameter werden auf der Basis eines dem ersten Ankündigungszeitpunkt vorgelagerten, in der Regel
40 Vgl. z.B. Lamdin (1999).
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einjährigen Zeitraums gemessen. Schließlich wird noch die Dummyvariable Dat definiert, welche den Wert 1 annimmt, sofern der beobachtete Tag t mit einem Ankündigungszeitpunkt a übereinstimmt; anderenfalls wird die Variable auf Null gesetzt. Somit misst der Koeffizient γa den abnormalen, weil gemäß Marktmodell nicht zu erwartenden Renditeeffekt, den die Ankündigung a ausgelöst hat. Dabei sei noch erwähnt, dass der Ankündigungszeitpunkt a in der Regel nicht auf den Tag reduziert wird, an welchem die Information an die Öffentlichkeit kam. Dies ist schon deshalb nicht möglich, weil gerade bei regulatorischen Maßnahmen Informationen häufig über einen längeren Zeitpunkt durchsickern. Zudem stellt sich auch die Frage, ob Märkte neue Informationen wirklich unmittelbar, d.h. noch am selben Tag verarbeiten. Insoweit wird hier der Ankündigungszeitraum a auf ein Intervall von ± einer Woche um den Ankündigungszeitpunkt festgelegt.
Sofern die Regulierung eine Auswirkung hat, wäre zu erwarten, dass γa>0 für alle Ankündigungszeit-‐
räume a und somit auch
€
γ aa∑ > 0 gilt. Entsprechend werden die Nullhypothesen γa=0 und
€
γ aa∑ = 0
getestet. Da γa den durchschnittlichen täglichen Effekt während eines Ankündigungszeitraums misst, beträgt der kumulierte Effekt während des gesamten Ankündigungszeitraums Tγa, sofern T die Anzahl der Tage eines Ankündigungszeitraums ist. Der Ausdruck
€
T γ aa∑ ist somit für die Betrachtung der Er-‐
gebnisse von besonderem Interesse, weil er den kumulierten Effekt über den gesamten Beobach-‐tungszeitraum widerspiegelt.
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die gewählte Vorgehensweise zwar dem Stand der wissenschaftli-‐chen Literatur entspricht, sie aber dennoch nicht frei von Problemen ist. Insbesondere sei darauf ver-‐wiesen, dass die im Folgenden gewählten Beobachtungszeiträume teilweise durch die Finanzmarktkri-‐se, aber auch durch die Schuldenkrise einiger europäischer Staaten, überlagert wird. Dadurch könnten Abhängigkeiten in den beobachten Renditen auftreten. Zwar wird das Problem insofern entschärft, als nur eine relativ kleine Zahl von Tagen verwendet wird, um die Regulierungseffekte zu schätzen, eine Verzerrung ist aber dennoch nicht völlig ausgeschlossen.
6.1.1.2. Marktwerteffekte von Solvency II Wenn man Martkwerteffekte von Solvency II untersucht, geht man implizit davon aus, dass dieses Regelwerk die künftigen Zahlungsüberschüsse für die Eigentümer von Versicherungsunternehmen reduziert und/oder das bewertungsrelevante Marktrisiko dieser Unternehmen erhöht. Letzteres wür-‐de dazu führen, dass die Kapitalkosten aus Sicht der Eigentümer steigen, was zunächst einen dämp-‐fenden Effekt auf die Börsenbewertung hätte.
Es könnte nun eingedenk der in Kapitel 3 vorgetragenen Diskussion verschiedene Gründe für solche Effekte geben. Zunächst ist unbestritten, dass Solvency II die direkten Regulierungskosten bei den überwachten Instituten erhöhen wird. Hinter allen drei Säulen von Solvency II verbergen sich zusätzli-‐che unternehmensinterne Prozesse, die zu einer entsprechenden Bindung von Ressourcen führen. Da diese Kosten kleine Versicherungen vermutlich wesentlich stärker treffen als große, ist es auch un-‐wahrscheinlich, dass hier eine Überwälzung an den Kunden stattfinden kann.41 Weiterhin wurde ge-‐zeigt, dass gerade bei Lebensversicherungsunternehmen Solvency II tendenziell zu einer Erhöhung der Eigenkapitalunterlegung führt. Es wurde bereits in Abschnitt 3.1.2 erläutert, warum dies zu steigenden Kapitalkosten führt. Weiterhin ist auch nicht auszuschließen, dass es wegen Regulierungs-‐unterschieden im Vergleich zu anderen, Solvency II (zunächst) nicht unterworfenen Wettbewerbern zu 41 Dass Regulierungskosten häufig asymmetrisch auf kleine und große Wettbewerber wirken, ist eine regelmäßige Er-‐kenntnis in entsprechenden Studien. Beispielsweise zeigen Kaserer et al. (2011), dass die Einführung des Sarbanes-‐Oxley-‐Act in den USA die direkten Kosten von Börsengängen von kleinen Unternehmen (Marktkapitalisierung von bis zu 100 Mio. US-‐$) um rund 0,5 Mio. US-‐$ verteuert hat; hingegen gibt es bei größeren Unternehmen keinen messbaren Effekt mehr.
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Marktanteilsverschiebungen kommt. Man könnte hier an betriebliche Altersvorsorgeeinrichtungen denken, aber möglicherweise auch an Investmentfonds. Dies könnte auch mit grundsätzlichen Be-‐fürchtungen zusammenhängen, dass Lebensversicherungen, etwa solche mit Garantiezins, durch an-‐dere Kapitalmarktprodukte verdrängt werden.
Und schließlich wäre auch denkbar, dass Solvency II das Marktrisiko von Versicherungsunternehmen erhöht und damit auch deren Eigenkapitalkosten. Für solche Effekte kann es viele Gründe geben. Im Rahmen der in Kapitel 3 vorgetragenen Diskussion könnte ein bedeutender Effekt darin bestehen, dass durch Solvency II kurzfristige Risiken gegenüber langfristigen zu stark betont werden. Dies würde, so-‐fern der Effekt stark genug ist, Versicherungen zu einer prozyklischen Anlage-‐ oder Finanzierungspoli-‐tik verleiten, weil sie während starker Abwärtsbewegungen am Kapitalmarkt entweder die riskante-‐ren, und häufig auch illiquideren, Positionen abstoßen müssen oder genau in diesen Phasen Kapitaler-‐höhungen platzieren müssen.
All diese Argumente sind bis zu diesem Zeitpunkt natürlich nur Spekulation. Eindeutige Aussagen las-‐sen sich unter theoretischen Gesichtspunkten diesbezüglich nicht machen, weil die Reaktion der Versi-‐cherungsbranche auf Solvency II von sehr vielen verschiedenen Faktoren determiniert wird. Umso spannender ist daher die empirische Frage, ob sich Reaktionen in den Aktienkursen feststellen lassen.
In Anwendung der im vorangegangen Abschnitt kurz vorgestellten Methodik soll hier dieser Frage nachgegangen werden. Zu diesem Zweck wurden zunächst die maßgeblichen Ankündigungszeitpunkte für gesetzliche oder aufsichtsrechtliche Vorhaben im Rahmen von Solvency II ermittelt. Ein Problem dabei ist, dass die Diskussion um Solvency II mittlerweile schon ein Jahrzehnt dauert, so dass kaum
ABBILDUNG 24: ANKÜNDIGUNGSZEITPUNKTE BEI SOLVENCY II
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feststellbar ist, ab wann der Markt eine Erwartung darüber hatte, wann und mit welchen konkreten Inhalten Solvency II eingeführt wird.
In Abbildung 24 sind wichtige Ankündigungsereignisse rund um Solvency II zusammengefasst. Man könnte den Juli 2004 als Beginn des Solvency-‐II-‐Prozesses definieren, weil zu diesem Zeitpunkt die Kommission mit der Festlegung des Konsultationsrahmens den Prozess initiiert hat. Gleichzeitig waren zum damaligen Zeitpunkt lediglich konzeptionelle Grundzüge bekannt, die überdies bestenfalls offene Absichtserklärungen seitens der Kommission waren. Zwar haben sich diese Grundzüge im Rahmen von zwei ersten Auswirkungsstudien konkretisiert, jedoch darf man wohl davon ausgehen, dass sich die Inhalte von Solvency II erstmals durch die Veröffentlichung eines Kommissionsentwurfs zur Rahmen-‐richtlinie am 10 Juli 2007 konkretisiert haben. Daher wurde dieses Datum als erstes Ankündigungsda-‐tum gewählt. Die weiteren von insgesamt neun Ankündigungszeitpunkten sind ebenfalls in Abbildung 24 als rot markierte Zeitpunkte dargestellt, wobei die politische Einigung von Europäischem Parla-‐ment, Europäischem Rat und Kommission auf einen Entwurf der Rahmenrichtlinie am 22. April 2009 sowie deren Verabschiedung durch den Europäischen Rat am 10. November 2009 als die zentralen Ankündigungszeitpunkte gelten dürften. Schließlich sollte auch die Veröffentlichung der Ergebnisse der fünften quantitativen Auswirkungsstudie nicht vernachlässigt werden, da mit dieser viele konkrete Implikationen von Solvency II erstmals fassbar wurden.
Auf der Basis dieser Ankündi-‐gungsdaten wurde eine Untersu-‐chung gemäß der im vorangegan-‐genen Abschnitt vorgestellten Methodik durchgeführt. Dabei wurde jeweils eine Stichprobe deutscher, europäischer und US-‐amerikanischer Versicherungsun-‐ternehmen betrachtet. Voraus-‐setzung war in beiden Fällen, dass die Unternehmen börsennotiert sind. Überdies wurden nur Unter-‐nehmen mit einer Marktkapitali-‐sierung von mindestens einer Mrd. Euro betrachtet, da bei klei-‐neren Unternehmen die Kurse aufgrund von fehlender Marktli-‐quidität beeinflusst sein könnten. Für Deutschland wurde der CDAX, für Europa der Datastream Euro-‐pean Market Index und für die USA der S&P500 als breiter Marktindex verwendet. Betrach-‐tet wurde jeweils ein Zeitfenster
von ± vier Tagen um den Ankündigungstermin.
Wie man in Abbildung 25 sehen kann, findet man eine negative Kursreaktion an den Tagen, an denen relevante Informationen zu Solvency II bekannt wurden. Dieser Effekt ist unter statistischen Gesichts-‐punkten signifikant. Insbesondere kann die Nullhypothese, dass die kumulierten abnormalen Renditen nicht von Null verschieden sind, sowohl für die deutsche als auch die europäische Stichprobe mit einer
Deutschland Europa USA
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p γ a = 0;∀a( ) 0,004 0,069 0,024
€
T γ aa∑ -‐17,5% -‐15,1% -‐5,5%
€
p γ aa∑ = 0( ) 0,015 0,041 0,768
ABBILDUNG 25: KURSREAKTIONEN VON SOLVENCY II
(Quelle: Thomson Financial, eigene Berechnungen)
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Irrtumswahrscheinlichkeit von jeweils unter 5% abgelehnt werden. Der geschätzte Kurseffekt von Solvency II beträgt dabei -‐17,5% für die Stichprobe der deutschen Versicherungsunternehmen und -‐15,1% für die Stichprobe der europäischen Versicherungsunternehmen. Zum Vergleich wurde auch eine Stichprobe US-‐amerikanischer Unternehmen betrachtet, die zunächst von Solvency II nicht be-‐troffen sein sollten. Wie man in Abbildung 25 sehen kann, gibt es aber auch bei diesen während des betrachteten Zeitraums einen kumulierten negativen Effekt, der allerdings mit -‐5,5% deutlich niedriger ist als bei der europäischen Stichprobe. Zudem ist dieser Effekt unter statistischen Gesichtspunkten nicht signifikant, d.h. er könnte mit einer nicht unerheblichen Wahrscheinlichkeit auch auf Zufall beru-‐hen. Trotzdem sollte man der Vorsicht halber darauf hinweisen, dass die Finanzmarktkrise die gefun-‐denen Ergebnisse möglicherweise beeinflusst. Nicht zuletzt wegen des Falls der AIG waren zeitweise auch Versicherungsunternehmen in den Fokus dieser Krise geraten. Dies könnte die Ergebnisse für die USA erklären. Gleichzeitig dürfte dieser Kriseneffekt aber nicht permanent sein, da die oben vorge-‐stellte Untersuchung ja nur ganz bestimmte Ereignisse, verteilt über den Zeitraum Juli 2007 bis März 2011, betrachtet. Insoweit passt es ins Bild, dass die Effekte für die USA keine statistische Signifikanz aufweisen.
In Abbildung 25 sind zudem die abnormalen Kursreaktionen der betrachteten neun Ankündigungszeit-‐räume veranschaulicht. D.h. es ist die Wertentwicklung eines Portfolios von Versicherungsunterneh-‐men dargestellt, welches man zu Beginn des jeweiligen Ankündigungszeitraums kauft und an dessen Ende wieder verkauft. Wie man sehen kann, weist das Vorzeichen in dieselbe Richtung wie die bereits geschilderten Ergebnisse, allerdings weicht die Höhe der dargestellten Kurseffekte durchaus von jener ab, die man mit der in Abschnitt 6.1.1.1 vorgestellten Methode erhält. Dies liegt daran, dass der Schät-‐zer γa den durchschnittlichen Kurseffekt während eines Ankündigungszeitraums ermittelt, wohingegen in der Grafik in Abbildung 25 der gesamte abnormale Kurseffekt abgetragen ist.
Interessant ist weiterhin eine Analyse der Betafaktoren der Versicherungsunternehmen, also ihrer Abhängigkeit von der Marktent-‐wicklung. Traditionell hat das Versi-‐cherungsgeschäft, insbesondere das Lebens-‐ und Krankenversicherungs-‐geschäft, eher niedrige Betafaktoren. Dies hängt mit dem vielfach ange-‐sprochenem negativen Durationsmis-‐match zusammen. Für die hier be-‐trachtete Stichprobe europäischer Versicherungsunternehmen liegt der Betafaktor vor Einführung von Sol-‐vency II bei 0,7, jener der deutschen Unternehmen sogar nur bei 0,3. Be-‐trachtet man die Stichprobe als ganze, findet man weder im Ankün-‐digungszeitraum noch im Zeitraum nach den Ankündigungen eine signi-‐fikante Veränderung der Betafaktoren. Daraus könnte man
schließen, dass Solvency II keinen Effekt auf das Marktrisiko von Versicherungen hat.
Allerdings ändert sich der Befund, wenn man große und kleine Versicherungen getrennt betrachtet. Untersucht man die 25% größten und 25% kleinsten Versicherungsunternehmen jeweils für sich,
ABBILDUNG 26: BETAFAKTOREN DES UNTERSTEN UND OBERSTEN QUARTILS EUROPÄISCHER VERSICHERUNGSUNTERNEHMEN UND
DEREN VERÄNDERUNG WÄHREND UND NACH DEM ANKÜNDIGUNGS-‐
ZEITRAUM
(Quelle: Thomson Financial, eigene Berechnungen)
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cy II und
Basel III
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kommt man zu den in Abbildung 26 dargestellten Befunden. Während sich der Betafaktor des Portfo-‐lios der großen Versicherungen sowohl während als auch nach dem Ankündigungszeitraum erhöht (von 0,95 auf 1,36), tritt bei den kleinen Versicherungen genau der gegenteilige Effekt ein (von 0,57 auf 0,25). Dies ist ein sehr interessanter Befund, weil er darauf hindeutet, dass zumindest bei einem Teil der Versicherungen eine Erhöhung des Marktrisikos und damit auch der Eigenkapitalkosten einge-‐treten ist. Dabei sind diese Effekte unter statistischen Gesichtspunkten signifikant. Gleichzeitig muss man aber auch sagen, dass für die Stichprobe der deutschen Versicherungsunternehmen ein solcher Effekt nicht gefunden werden konnte. Insoweit muss man hinsichtlich der Robustheit dieses Effektes vorsichtig sein.
Unabhängig davon zeigen diese Ausführungen aber, dass Solvency II tatsächlich zu messbaren Kapi-‐talmarktreaktionen geführt hat. Der gelegentlich geäußerten Vorstellung, dieses Regelwerk würde nur nachvollziehen was in der Versicherungsbranche ohnehin schon Standard sei, kann demnach nicht gefolgt werden. Allerdings bleibt damit natürlich noch offen, wie man diese Effekte wertet. Bevor man dies tut, ist es sicherlich notwendig, ein noch umfassenderes Bild der verschiedenen Kapitalmarktreak-‐tionen zu bekommen.
6.1.1.3. Marktwerteffekte von Basel III Eine der Vorgehensweise des vorangegangenen Abschnitts analoge Untersuchung soll nun auch für
das Reformwerk Basel III durchgeführt werden. Auch hier wird man unter theoretischen Gesichtspunk-‐ten tendenziell eine negative Kursreaktion bei den betroffenen Banken vermuten. Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist dabei die Tatsache, dass Banken, insbesondere die großen internationalen Banken, aufgrund ihrer systemischen Relevanz von einer impliziten Staatshaftung profitiert haben.42 Wenn
42 Dass diese implizite Staatshaftung sich in den Börsenbewertungen niederschlägt, gilt mittlerweile als gesichert. Vgl. z.B. Kelly et al. (2011) mit weiteren Quellenverweisen.
ABBILDUNG 27: ANKÜNDIGUNGSZEITPUNKTE BEI BASEL III
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man Basel III als ein zielführendes Maßnahmenpaket betrachtet, d.h. das Regelwerk tatsächlich dazu führt, dass die Wahrscheinlichkeit systemischer Krisen sinkt, dann sollte man dementsprechend einen negativen Kurseffekt beobachten. Ein weiteres Argument könnte auch sein, dass Basel III eine zusätzli-‐che Umdrehung in der Regulierungsschraube darstellt, weshalb die Regulierungskosten bei den Unter-‐nehmen steigen. Und schließlich ist in Abschnitt 5.1 auch argumentiert worden, dass insbesondere die Vorschriften zur Fristentransformation und zur Liquiditätshaltung die Refinanzierungskosten des Kre-‐ditgeschäfts erhöhen werden. Zwar kann es durchaus sein, dass ein Teil dieses Effektes auf die Kredit-‐nehmer abgewälzt werden kann, soweit dies aber nicht möglich ist, werden die Bankeigentümer diese Kosten tragen. Und zudem muss man bedenken, dass gestiegene Kreditkosten auch zu Substitutionsef-‐fekten führen werden, also etwa einer vermehrten Kreditaufnahme auf den Kapitalmärkten. Auch dies wird sich tendenziell negativ auf den Wert von Banken auswirken.
Abbildung 27 gibt eine Übersicht zu den wesentlichen Ankündigungszeitpunkten zu Basel III, wobei auch die Veröffentlichung des Entwurfs der Kommission zur Regulierung des OTC-‐Derivatehandels mit
aufgenommen wurde. Zwar gilt dieses Vorhaben nicht als ein Bestandteil von Basel III, den-‐noch gibt es viele Querverbin-‐dungen. Insoweit wäre es falsch, diese Information zu ignorieren. Der Vorteil dieser Betrachtung ist, dass die Ankündigungszeit-‐punkte im Vergleich zu Solvency II relativ nahe beieinander liegen und sie überdies nicht mehr durch die Finanzmarktkrise überlagert werden.
Die Ergebnisse der Untersuchung sind in Abbildung 28 zusammengefasst, wobei hier jeweils ein Zeitfenster von ±5 Tagen um den Ankündigungs-‐termin betrachtet wurde. Wie man sehen kann, scheint auch Basel III den erwarteten negati-‐ven Effekt auf die Börsenbewer-‐tung von Banken gehabt zu ha-‐ben. Allerdings sind die Ergeb-‐
nisse weniger eindeutig als bei Solvency II. Zum einen zeigt sich, dass es nur für die Stichprobe der deutschen Banken einen signifikanten negativen Effekt gibt. Der geschätzte Kurseffekt beträgt dabei -‐11,8%. Für die europäische Stichprobe ist dieser Effekt wesentlich geringer und zudem statistisch nicht mehr von einem Zufallsergebnis zu unterscheiden. Ob es plausible Gründe gibt, warum deutsche Ban-‐ken von Basel III stärker betroffen sein sollten als die Banken in anderen europäischen Ländern ist zumindest a-‐priori unklar. Insoweit ist das Ergebnis nicht besonders robust, zumal man auch für die US-‐amerikanischen Banken, die von Basel III ja auch betroffen sein sollten, keinen signifikanten Effekt feststellen kann.
Deutschland Europa USA
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p γ a = 0;∀a( ) 0,002 0,013 0,044
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T γ aa∑ -‐11,8% -‐3,5% 8,8%
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p γ aa∑ = 0( ) 0,028 0,296 0,546
ABBILDUNG 28: KURSREAKTIONEN VON BASEL III
(Quelle: Thomson Financial, eigene Berechnungen)
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6.1.1.4. Marktwerteffekte des Restrukturierungsgesetzes Bankenabgabe Und schließlich seien noch die Marktwerteffekte des Restrukturierungsgesetzes betrachtet. Da dieses zum einen darauf abzielt, die implizite Staatshaftung durch die Schaffung eines bankspezifischen Insol-‐venzrechts zu reduzieren und zum anderen die Banken über die Einführung der Bankenabgabe zwingt, einen Restrukturierungsfonds zu speisen, der die Kosten solcher Restrukturierungen tragen soll, wird man zweifellos erwarten, dass dieses Gesetz eine negativen Effekt auf die Börsenbewertung von Ban-‐ken haben sollte.
Die verschiedenen Ankündigungszeitpunkte sind in Abbildung 29 zusammengestellt. Dabei sieht man, dass die Diskussion um die Bankenabgabe in Deutschland einerseits überlagert wurde durch eine Dis-‐kussion um eine international koordinierte Einführung derselben. Dies ist für die hier vorliegende Be-‐trachtung kein Problem, allerdings wird noch später darauf zurückzukommen sein. Andererseits wur-‐den diese Diskussionen auch überlagert durch die europäische Staatsverschuldungskrise. Zeiträume, in denen wesentliche Nachrichten zur Hilfe der EU für Griechenland, Portugal oder Irland bekannt wur-‐den, sollten daher ausgeblendet werden. Entsprechend sind nur die rot markierten Ankündigungen in Abbildung 29 in die Untersuchung miteinbezogen worden.
ABBILDUNG 29: ANKÜNDIGUNGSZEITPUNKTE BEIM RESTRUKTURIERUNGSGESETZ
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Die Ergebnisse sind in Abbildung 30 zusammengefasst, wobei hier jeweils ein Zeitfenster von ±3 Tagen um den Ankündigungstermin betrachtet wurde. Zudem wurden die Parameter des Marktmodells aus-‐
nahmsweise nur auf der Basis eines halbjährlichen Zeitraums vor dem ersten Ankündigungstermin geschätzt, so dass die Überschneidungen mit Nachrichten zu Basel III etwas reduziert wurden. Wie man sehen kann, gibt es tatsächlich einen negativen Kurseffekt in der Größenordnung von -‐15,1%. Der Effekt ist mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 4% von Null verschieden.
Insgesamt zeigt sich auch hier, dass dieser regulatorische Ein-‐griff des Staates zu spürbaren Kapitalmarktreaktionen geführt hat. Soweit dieser Effekt auf die reduzierte implizite Staatshaf-‐tung zurückzuführen ist, kann
man ihn durchaus als gewünscht bezeichnen. Ist er jedoch getrieben durch die Erwartung, dass die Banken künftig unter höheren Refinanzierungskosten und damit sinkenden Erträgen aus dem Kredit-‐geschäft leiden, könnte man ihn auch als ein Signal für erhöhte Fremdkapitalkosten der Nicht-‐Finanzunternehmen interpretieren.
6.1.2 Zinsstruktureffekte Im nächsten Schritt soll betrachtet werden, ob sich am Kapitalmarkt Zinsstruktureffekte erkennen lassen, die möglicherweise als eine Vorwegnahme der durch Solvency II erwarteten Effekte ausgelöst worden sind. Wie in Abschnitt 3.3.2 erläutert, kann man zumindest in der Tendenz erwarten, dass Solvency II zu einer stärkeren Nachfrage nach langfristigen Anlagen, insbesondere langfristigen Staats-‐anleihen, führt, weil damit das Zinsänderungsrisiko der Versicherungen verringert und entsprechend auch die Eigenmittelunterlegung dieses Risikos reduziert werden kann. Da, wie ebenfalls bereits aus-‐geführt wurde, das Zinsänderungsrisiko mit großem Abstand das wichtigste Einzelrisiko innerhalb des gesamten Marktrisikos darstellt, könnte dieser Effekt durchaus substantiell sein.
Unter methodischen Gesichtspunkten ist darauf zu verweisen, dass wir in diesem Abschnitt auf stati-‐stische Testverfahren zur Überprüfung der Kausalität der Effekte verzichten müssen. Dies ist im We-‐sentlichen darin begründet, dass Zinssätze nicht stationäre Zeitreihen sind, so dass die üblichen Ereig-‐nisstudienmethoden nicht direkt angewandt werden können. Eine Erweiterung dieser Methode auf nicht stationäre Zeitreihen ist aber jenseits der Zielsetzung eines solchen Gutachtens. Die folgende Argumentation wird sich also im Wesentlichen auf anekdotischer Evidenz stützen und muss insofern mit Vorsicht interpretiert werden.
Wenn es nun den genannten Effekt hin zu längerfristigen Anlagen gibt, müsste man dies in der Zins-‐struktur von risikolosen Staatsanleihen entsprechend beobachten können. Bei der Zinsstruktur von risikobehafteten Anleihen muss man hingegen vorsichtig sein, weil dort der Zinsstruktureffekt durch
Deutschland
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p γ a = 0;∀a( ) 0,058
€
T γ aa∑ -‐7,5%
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p γ aa∑ = 0( ) 0,034
ABBILDUNG 30: KURSREAKTIONEN DES RESTRUKTURIERUNGSGESETZES
(Quelle: Thomson Financial, eigene Berechnungen)
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den Kreditrisikoeffekt überlagert sein könnte. Auf diesen letzteren Aspekt wird im Folgenden Abschnitt eingegangen werden.
Zunächst sieht man in Abbildung 32, dass es etwa seit dem Jahresende 2008 insoweit zu einer systematischen Verschiebung der Zinsstruktur am europäischen Kapitalmarkt gekommen ist, als sich die Zinsdifferenz zwischen 30-‐ und 10-‐jährigen Bundesanleihen im Vergleich zur Zinsdifferenz zwischen 10-‐ und 5-‐jährigen Bundesanleihen deutlich reduziert hat. Während zwischen Anfang 2002 und Ende 2008 der Zinsaufschlag einer 10-‐jährigen Bundesanleihe gegenüber einer 5-‐jährigen um durchschnittlich 7 Basispunkte größer war als der Zinsaufschlag der 30-‐jährigen gegenüber der 10-‐jährigen Bundesanleihe, hat sich dieser Abstand seit 2009 deutlich ausgeweitet und lag im Durchschnitt bei 43 Basispunkten. Das bedeutet mit anderen Worten, dass sich die Zinsstrukturkurve im Bereich jenseits der 10 Jahre deutlich abgeflacht hat. Langlaufende Bundesanleihen sind somit aus der Sicht der Investoren deutlich attraktiver geworden und werden deshalb, relativ gesehen, höher bewertet werden.
Sicherlich kann es viele Gründe für dieses Phänomen geben; nicht zuletzt könnte man vermuten, dass hier die Finanzmarktkrise einschließlich der Maßnahmen der Zentralbanken auch eine Rolle gespielt haben könnte. Die in Krisen festzustellende Flucht in Anlagen höchster Sicherheit würde jedenfalls dafür sprechen, dass die Renditen von Bundesanleihen sinken. Allerdings sollte dieser Effekt sich über die gesamte Zinsstruktur auswirken oder sogar in stärkerem Maße bei kurzfristigen Anleihen, da in Krisenzeiten die Liquiditätsprämien steigen. Richtig ist jedenfalls auch, dass das Solvency-‐II-‐Projekt im Oktober 2008, also auf dem Höhepunkt der Finanzmarktkrise, durch die Einigung im Europäischen Parlament einen deutlichen Schritt vorangekommen ist. Die Vermutung, dass
der beschriebene Zinsstruktureffekt möglicherweise nicht allein durch die Finanzmarktkrise hervorge-‐
ABBILDUNG 32: ZINSDIFFERENZ VON 30-‐ ZU 10-‐JÄHRIGEN UND VON 10-‐ ZU 5-‐JÄHRIGEN BUNDESANLEIHEN
(Quelle: Bundesbank, eigene Berechnungen)
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ABBILDUNG 31: ZINSDIFFERENZ VON LANG-‐ UND MITTEL-‐
FRISTIGEN US TREASURY BONDS
(Quelle: Federal Reserve, eigene Berechnungen)
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ABBILDUNG 33: ZINSDIFFERENZ VON LANG-‐ UND MITTEL-‐
FRISTIGEN UK GILTS
(Quelle: Bank of England, eigene Berechnungen)
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bracht wurde, wird in Abbildung 31 bestätigt, welche dieselben Zinsdifferenzen für US-‐amerikanische Staatsanleihen abbildet. Wie man sehen kann, gibt es zwar auch dort vorübergehend das Phänomen einer sich am langen Ende abflachenden Zinsstruktur, jedoch ist der Effekt erstens deutlich schwächer und zweitens mittlerweile auch schon wieder verschwunden. Hingegen findet man bei Anleihen der britischen Regierung ein durchaus vergleichbares Phänomen, wie man in Abbildung 33 sieht.
6.1.3 Kreditrisikoeffekte Und schließlich gehen wir noch der Frage nach, welche Kreditrisikoeffekte sich am Kapitalmarkt in jüngerer Zeit haben beobachten lassen. Hier gibt es natürlich die besondere Schwierigkeit, dass die Prämien für Adressenausfallrisiken durch die Finanzmarktkrise unter besonders starkem Anpassungs-‐
druck gerieten. Dies wird man, zumindest für den Zeitraum Oktober 2008 bis Ende 2009 als den dominierenden Effekte betrachten, so dass selbst dann, wenn Solvency II einschlä-‐gige Wirkungen erzeugt hätte, sie vermutlich kaum zu identifizieren wären. Insoweit müs-‐sen die folgenden Betrachtungen eher als eine Charakterisierung der derzeitigen Kredit-‐risikobewertung am Kapitalmarkt betrachtet werden, denn als eine kausale Folge von Sol-‐vency II.
Einen ersten Hinweis auf die Veränderung der Kreditrisikobewertung erhält man durch die Betrachtung von Pfandbriefen, also gedeckten Schuldverschreibungen. Wie man in Abbildung 34 erkennen kann, hat sich der Risikoaufschlag gegenüber Bundesanleihen während der Finanzmarktkrise deutlich ausgeweitet, wobei dieser Effekt bei kurzfristigen Anleihen deutlich stärker war als bei langfristigen. Mittlerweile hat sich dieser Krisenzuschlag wieder aus den Kursen verflüchtigt, dennoch fällt bei einem Vergleich des Vor-‐ und Nachkrisenzeitraums zweierlei auf. Erstens sind die durchschnittlichen Risikoaufschläge seit Anfang Januar 2010 mit durchschnittlich 62 bzw. 83 Basispunkten bei den 10-‐ bzw. einjährigen Pfandbriefen deutlich höher als während des Vorkrisenzeitraums von Anfang 2005 bis Ende 2007, wo sie in beiden Laufzeiten bei 27 Basispunkten lagen.
Zweitens liegt der Risikoaufschlag der kurzfristigen Pfandbriefe heute etwas höher als jener der lang-‐fristigen. Ob dies mit einer erhöhten Attraktivität gerade der längerfristigen Pfandbriefe gegenüber
ABBILDUNG 34: ZINSDIFFERENZ VON PFANDBRIEFEN ZU BUNDESANLEIHEN
(Quelle: Bundesbank, eigene Berechnungen)
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ABBILDUNG 35: ZINSDIFFERENZ VON UNGEDECKTEN
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(Quelle: Bundesbank, eigene Berechnungen)
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anderen festverzinslichen Wertpapieren im Rahmen von Solvency II zu tun hat, lässt sich natürlich nicht sagen.43
Interessant ist dabei allerdings ein Blick auf Abbildung 35. Dort ist die Zinsdifferenz zwischen Bank-‐schuldverschreibungen (ohne Pfandbriefe) und Bundesanleihen abgetragen. Wie man sehen kann, hatten während der Krise vor allem kurzfristige Bankschuldverschreibungen unter einem relativ hohen Risikozuschlag zu leiden. Während dieser Risikozuschlag infolge der Krise aber gesunken ist, stieg jener für langfristige Bankschuldverschreibungen. Sicherlich kommen hier die Auswirkungen der europäi-‐schen Staatsverschuldungskrise zum Ausdruck. Der durch Solvency II bedingte Verlust an Attraktivität gegenüber Bundesanleihen, insbesondere im langfristigen Bereich, könnte aber auch eine Rolle spie-‐len.
Und schließlich sei noch kurz auf Kreditrisikoeffekte eingegangen, die durch das Restrukturierungsge-‐setz ausgelöst worden sein könnten. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass dieses Gesetz dazu führt, dass die implizite Staatshaftung für Bankverbindlichkeiten reduziert wird. Insoweit wäre zu er-‐warten, dass es zu einer Erhöhung der Risikoprämien auf Bankschuldverschreibungen geführt hat. Im Sinne einer besseren Operationalisierung soll diese Hypothese hier durch eine Betrachtung von CDS-‐Spreads deutscher Banken untersucht werden. Dabei stellt sich das Problem, dass die Veränderung des CDS-‐Spreads durch die europäische Staatsverschuldungskrise stark beeinflusst sein könnte. Daher
wird hier nur der durchschnittliche
CDS-‐Spread deutscher Banken im Vergleich zu jenem von europäi-‐schen Banken be-‐trachtet. Es handelt sich dabei um einen mit der Bilanz-‐summe der jeweili-‐gen Banken gewich-‐teten Durchschnitt. Auf diese Weise ist zu erwarten, dass die Effekte der eu-‐ropäischen Staats-‐verschuldungskrise
zu einem großen Teil eliminiert
worden sind. Betrachtet man nun die Veränderung dieser CDS-‐Spreaddifferenz über die drei in Abbildung 36 gekennzeichneten Intervalle, so zeigt sich tatsächlich, dass das Restrukturierungsgesetz zu einer Erhöhung der Kreditrisikoprämien deutscher Banken um 34 Basispunkte geführt hat. Zu beachten ist, dass diese Zeitfenster auf Basis der in Abbildung 29 dargestellten Ankündigungszeitpunk-‐te definiert worden sind, wobei jene Zeitfenster, die durch wesentliche Nachrichten betreffend die
43 Wie ein früherer Doktorand von mir zeigen konnte, führen unterstellte negative zeitliche Abhängigkeiten in den Kreditrisikoprämien dazu, dass im Krisenfall die Kreditrisikoprämien bei Anleihen mit kurzer Fälligkeit stärker steigen als bei Anleihen mit langer Fälligkeit; vgl. Berg (2010). Der in Abbildung 34 könnte also auch damit erklärt werden, weshalb die Herstellung eines kausalen Zusammenhangs mit Solvency II nicht möglich ist.
ABBILDUNG 36: DIFFERENZ DER CDS-‐SPREADS DEUTSCHER BANKEN ZU EUROPÄISCHEN BANKEN
(Quelle: Thomson Financial, eigene Berechnungen)
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europäische Staatsverschuldungskrise oder die Pläne zur Einführung einer europäischen Bankenabga-‐be beeinflusst worden sind, eliminiert wurden.
Am Rande sei hier angemerkt, dass die Erhöhung des CDS-‐Spreads durch das Restrukturierungsgesetz auch mit statistischen Methoden nachgewiesen werden kann. Ohne hier auf die Details dieser Analyse näher eingehen zu können, sei erwähnt, dass eine entsprechende Schätzung der Veränderung der CDS-‐Differenz zwischen deutschen und europäischen Banken auf der Basis erster Differenzen zu dem Ergebnis kommt, dass es einen statistisch signifikanten Effekt gibt. Dieser liegt dann bei 52 Basispunk-‐ten. Damit kann man abschließend festhalten, dass unabhängig von Effekten, die sich aus einer Anpas-‐sung der Vermögensallokation bei Versicherungen durch Solvency II ergeben, das Restrukturierungs-‐gesetz für sich genommen schon zu einer spürbaren Erhöhung der Refinanzierungskosten deutscher Banken geführt hat.
6.2 Das System der Unternehmensfinanzierung in Deutschland Mit Solvency II und Basel III werden zwei Regelwerke eingeführt, die die Unternehmensfinanzierung in Deutschland, aber auch in Europa, in vielfältiger Weise betreffen. Wie bereits erwähnt wurde, spielen Versicherungen als direkte Kapitalgeber, d.h. durch den Erwerb von Unternehmensanleihen und Akti-‐en, für Unternehmen eine Rolle; noch wichtiger, jedenfalls in Deutschland, ist ihre indirekte Finanzie-‐rungsfunktion, die sie dadurch wahrnehmen, dass sie ein wichtiger Kapitalgeber des Bankensektors sind.
Um zunächst einen Eindruck hinsichtlich der Abhängigkeit des Unternehmenssektors von diesen bei-‐den Finanzierungsquellen zu gewinnen, sei kurz auf das System der Unternehmensfinanzierung in
Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern eingegangen. Es ist bekannt, dass die Beson-‐derheit des hiesigen Systems der Unternehmensfinanzierung in einer starken Abhängigkeit von der Bankenfinanzierung besteht. Dieser Aspekt ist in den 90er Jahren sehr intensiv diskutiert worden. Eine Zusammenfassung dieser Diskussion muss hier aus Platzgründen unterbleiben.44 Charakterisiert war Deutschland zur damaligen Zeit durch relativ kleine Kapitalmärkte und einem hohen Intermediationsgrad. Wie
man in Abbildung 37 sehen kann, hatte Deutschland in den 90er Jahren gemessen an seiner wirt-‐schaftlichen Größe einen sehr kleinen Aktienmarkt. Der Markt für Anleihen von Nicht-‐Finanzunternehmen war noch nicht entwickelt. Dafür hatte der Bankensektor eine dominierende Stel-‐lung in der Unternehmensfinanzierung. Hierin bestanden die bedeutendsten Unterschiede zum Aus-‐land, vor allem zu den angelsächsischen Ländern, wo einerseits die Aktien-‐ und Anleihemärkte sehr viel größer waren und andererseits der Bankensektor als Kapitalgeber der Unternehmen eine deutlich kleinere Rolle spielte.
44 Einen guten Überblick findet man in Black/Moersch (1998).
ABBILDUNG 37: DURCHSCHNITTLICHE BÖRSENKAPITALISIERUNG INLÄNDI-‐SCHER UNTERNEHMEN IN PROZENT DES BIP
(Quelle: WFE, DAI, OECD, eigene Berechnungen)
1990-99 2000-08
0% 25% 50% 75%
100% 125% 150%
Lond
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Diese Verhältnisse haben sich in den 2000er Jahren verändert, wofür es sehr viele verschiedene Grün-‐de gibt. Diese können hier nicht im Einzelnen diskutiert werden. Es sei lediglich erwähnt, dass sicher-‐lich die demographische Entwicklung, aber auch die Änderung der steuerlichen und kapitalmarktrecht-‐lichen Rahmenbedingungen eine Rolle gespielt hat. Fakt ist jedenfalls, dass es in Deutschland einen Trend zur Disintermediation gab und immer noch gibt, der in wachsenden Kapitalmärkten zum Aus-‐druck kommt. Dies sieht man auch in Abbildung 37, die zeigt, dass der hiesige Aktienmarkt von durch-‐schnittlich 32% des BIP in den 90er Jahren auf durchschnittlich 50% des BIP in den 2000er Jahren ge-‐wachsen ist. Auch hat sich der Markt für Anleihen von Nicht-‐Finanzunternehmen rasant entwickelt. Der Umlauf von Anleihen von Nicht-‐MFIs lag in Deutschland im Jahr 1999 bei 6 Mrd. Euro, Ende 2010 lag er bei 251 Mrd. Euro.
Zwei Anmerkungen sind an dieser Stelle wichtig. Erstens haben natürlich nicht alle Unternehmen an dieser Entwicklung partizipiert. Die Verschiebung zu einer stärkeren Kapitalmarktorientierung dürfte vor allem bei großen Unternehmen und – in gewissen Grenzen – auch bei mittleren Unternehmen stattgefunden haben. Zwar gibt es mittlerweile auch Plattformen, die sich auf den Handel von Anlei-‐hen und Aktien kleinerer Unternehmen spezialisiert haben, dennoch ändert dies nichts an der Tatsa-‐che, dass die überwiegende Mehrzahl der KMU auch heute noch keinen Kapitalmarktbezug hat.45 Auf-‐grund der Losgrößenproblematik, also der Tatsache, dass die Emission von Anleihen und Aktien einen hohen Fixkostenanteil enthält, kann man auch nicht davon ausgehen, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern wird. Allenfalls ist die Frage, ob über Verbriefungskonstruktionen diesen Unternehmen zukünf-‐tig auch ein indirekter Kapitalmarktzugang gewährt werden kann.
Zweitens muss man festhalten, dass trotz aller Veränderungen der letzten Jahre, die Unternehmens-‐finanzierung in Deutschland nach wie vor stark bankenab-‐hängig ist und sich insoweit nicht nur von den USA, son-‐dern auch von den europäi-‐schen Nachbarländern unter-‐scheidet. Um dies zu veran-‐schaulichen, wurde der Ver-‐such unternommen, die Größe des Marktes für Unterneh-‐mensfinanzierung grob abzu-‐schätzen. Im Fremdkapitalbe-‐reich wird dieser durch Bank-‐kredite und Unternehmens-‐anleihen abgebildet, im Eigen-‐kapitalbereich durch Aktien und ähnliche Instrumente. Nimmt man nun den Bestand
der von den Banken ausgegebenen Kredite an Nicht-‐Finanzunternehmen als Maß für die Größe des Kreditmarktes, den Umlauf von Anleihen von Nicht-‐Finanzunternehmen als Maß für die Größe des Anleihemarktes, jeweils für Nicht-‐Finanzunternehmen, und nimmt man die Börsenkapitalisierung in-‐ländischer Unternehmen als Maß für die Größe des Marktes für Eigenkapitaltitel, dann erhält man die
45 Beispiele für solche Börsensegmente sind der Entry Standard der Deutschen Börse AG, der sich auf den Handel von Aktien kleinerer und mittlerer Unternehmen spezialisiert hat, oder Bondm, ein Handelssegment der Börse Stuttgart, das sich auf den Handel von Anleihen mittelständischer Unternehmen fokussiert hat.
ABBILDUNG 38: ANTEIL VERSCHIEDENER FINANZIERUNGSQUELLEN AM GE-‐
SAMTEN MARKT FÜR UNTERNEHMENSFINANZIERUNG
(Quelle: EZB, eigene Berechnungen)
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in Abbildung 38 dargestellten Relationen. Natürlich ist dies nur ein grober Indikator, weil bei dieser Vorgehensweise eine Reihe von vereinfachenden Annahmen getroffen werden musste und nicht alle Finanzierungsinstrumente berücksichtigt werden konnten. Dies ändert aber nichts am wesentlichen Ergebnis, nämlich dass Deutschland nach wie vor ein Land ist, das sich in der Unternehmensfinanzie-‐rung in weit überdurchschnittlichem Maße auf Bankkredite stützt. Der Anteil dieser Bankkredite am gesamten Markt für Unternehmensfinanzierung beträgt 44% und ist damit mehr als doppelt so hoch wie in Großbritannien, wo er nur 18% beträgt. Auch Frankreich liegt mit 35% deutlich hinter Deutschland zurück. Entsprechend haben Frankreich und Großbritannien einen wesentlich größeren Markt für Unternehmensanleihen. Aktienbörsen haben in Frankreich eine ähnliche Bedeutung wie in Deutschland, in Großbritannien sind sie aber als Finanzierungsquelle wesentlich wichtiger.
Vor diesem Hintergrund kann für Deutschland eine regulatorische Veränderung im Bankensektor, welche möglicherweise die Kreditvergabebereitschaft beeinflusst, potentiell wesentlich größere Aus-‐wirkungen haben als dies beispielsweise für Großbritannien der Fall ist. Dies gilt jedenfalls soweit man sich auf die Unternehmensfinanzierung beschränkt und anderweitige wirtschaftliche Verflechtungen des Bankensektors außer Acht lässt. Hinzu kommt, dass mit Solvency II auch der Versicherungssektor betroffen ist. Daher stellt sich die Frage, welche Rolle der Versicherungssektor in diesem System der Unternehmensfinanzierung spielt. Es war ein zentraler Bestandteil dieses Gutachtens, diese Verflech-‐tungen aufzuzeigen. In Kapitel 4 wurde dargelegt, welche Bedeutung der Versicherungssektor für den hiesigen Banken-‐ und Unternehmenssektor hat. Ein detaillierter Vergleich dieser Zahlen mit anderen Ländern ist vor dem Hintergrund der erwähnten Schwierigkeiten in der Datenbeschaffung nicht mög-‐lich. Daher ist ein Vergleich der Bedeutung des Versicherungssektors im System der Unternehmensfi-‐nanzierung nur auf sehr aggregierter Basis möglich.
Um einen solchen hoch aggregierten Vergleich anzustellen, wurde zunächst von den Kapitalanlagen der inländischen Versicherer gemäß der Statistik der EIOPA jener Betrag abgezogen, der in Staatsan-‐
leihen angelegt wird. Für letztere liegen für Frankreich und Großbri-‐tannien veröffentlichte Zahlen sei-‐tens des französischen (Association Française de l’Assurance) und des britischen (Association of British Insurers) Versicherungsverbandes vor. Die Quoten liegen bei 34 bzw. 18%. Für Deutschland wird die be-‐reits in Kapitel 4 angesprochene Schätzung der BaFin von 20% ver-‐wendet. Die verbleibenden Kapital-‐anlagen werden dann in Relation gesetzt zu der Größe des gemäß Abbildung 38 dargestellten Marktes für Unternehmensfinanzierung zu-‐züglich des Marktes für Immobilien-‐finanzierung. Letzteres ist deshalb notwendig, weil Versicherungen,
wenn sie etwa Pfandbriefe kaufen, damit die Kreditausreichungen der Banken für Zwecke des Immobi-‐lienerwerbs refinanzieren. Gemessen wird die Größe des Markts für Immobilienfinanzierungen als Bestand der vom Bankensektor ausgegebenen Kredite zur Immobilienfinanzierung.
ABBILDUNG 39: KAPITALANLAGEN (OHNE STAATSANLEIHEN) DES VERSICHERUNGSSEKTORS IN PROZENT DER VON NICHT-‐FINANZUNTERNEHMEN AUSGEGEBENEN KREDITE, ANLEIHEN UND
AKTIEN ZUZÜGLICH DER IMMOBILIENKREDITE
(Quelle: EIOPA, EZB, eigene Schätzungen, Zahlen beziehen sich auf 2009 und 2010)
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Mit dieser Vorgehensweise erhält man die in Abbildung 39 dargestellten Relationen. Demnach könnte man etwas vereinfachend sagen, dass der direkte und indirekte Anteil der Versicherungen an der Unternehmens-‐ und Immobilienfinanzierung in Deutschland bei 38% liegt. In Frankreich ist dieser Anteil bei 34%, in Großbritannien gar nur bei 32%. Somit muss man festhalten, dass die Unterneh-‐mensfinanzierung in Deutschland durch die Reform der Banken-‐ und Versicherungsregulierung nicht nur in zweifacher Weise betroffen ist, sondern dass die Bedeutung dieser beiden Typen von Finanzin-‐termediären für die Unternehmensfinanzierung hierzulande deutlich größer ist als bei den europäi-‐schen Nachbarländern. Jedenfalls gilt dies im Vergleich zu Frankreich und Großbritannien.
6.3 Anpassungsdruck im Bereich der Fremdkapitalfinanzierung Beginnen wir diese Diskussion zunächst damit, die isolierten Auswirkungen von Basel III auf die Unter-‐nehmensfinanzierung zu skizzieren. Dahinter steckt eine komplexe Fragestellung, weil es um eine Pro-‐gnose darüber geht, wie die Banken ihre Kreditausreichungen durch die Verabschiedung von Basel III ändern werden. Zu der Frage, inwieweit sich die erhöhten Eigenkapitalanforderungen auf die Kredit-‐vergabe auswirken werden, sind mehrere Untersuchungen mit uneinheitlichen Ergebnissen veröffent-‐licht worden. Ein Problem dabei ist, dass die Implikationen einer erhöhten Eigenkapitalquote auf die Refinanzierungskosten der Banken noch nicht wirklich verstanden worden sind. In der Tendenz kann man die Ergebnisse dieser Studien so zusammenfassen, dass sie einen leichten Rückgang der Kredit-‐vergabeaktivität prognostizieren. Eine jüngst veröffentlichte Studie des IMF kommt zu dem Ergebnis, dass die Eigenkapitalvorschriften von Basel III zu einer Erhöhung der Kreditkosten von 16 Basispunkten und damit in Verbindung zu einem um 1,3 Prozentpunkt verminderten Kreditwachstum führen könn-‐ten.46
Dieser Effekt hängt sehr stark davon ab, inwieweit die Banken das fehlende Eigenkapital über die Kapi-‐talmärkte oder aus einbehaltenen Gewinnen beschaffen können. Soweit dies nicht möglich ist bzw. die
dabei entstehenden Kapitalkosten zu hoch sind, wird es zu einer Reduzierung der Kreditaktivität kommen. Deutschland ist dabei insofern in einer besonderen Situation, als aufgrund des 3-‐Säulensystems aus öffentlich-‐rechtlichen, genossenschaftlichen und privaten Banken überhaupt nur ein kleinerer Teil des Bankensektors Zugang zu einer direkten Eigenkapitalfinanzierung über die Kapitalmärkte hat. Als Alternative blieben dann lediglich hybride Kapitalinstrumente. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Versicherungen mit einem Anteil von etwa 21% am Markt für
nachrangige Verbindlichkeiten und Genussrechte von Banken ein wichtiger Investor in diesem Bereich sind. Nach den weiter oben gemachten Ausführungen, muss man davon ausgehen, dass die Bereit-‐
46 Vgl. Cosimano/Hakura (2011).
ABBILDUNG 40: SCHÄTZUNG DES MAXIMALEN EIGENKAPITALBEDARFS DURCH BASEL III UND DER KUMULIERTEN GEWINNE
(Quelle: Bundesbank, eigene Berechnungen)
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schaft der Versicherungen, in solche Titel zu investieren, mit Solvency II tendenziell sinken wird. Dies gilt insbesondere für nachrangige Anleihen mit langer Laufzeit.
Wie groß dieser Bedarf seitens der Banken ist kann man heute nicht sagen. Sofern die von Basel III vorgegebenen Übergangsfristen tatsächlich ausgeschöpft werden, haben viele Banken ausreichend Zeit, ihre Eigenkapitalquoten über eine Anpassung ihrer Thesaurierungspolitik zu erreichen. Hierzu wurde in Abbildung 40 folgender überschlägige Vergleich entwickelt. Unterstellt man, dass der Eigen-‐kapitalbedarf durch Basel III um jenen Faktor steigt, der sich durch das Verhältnis der derzeitigen zu der zukünftigen Eigenkapitalquote, also 10,5/8=1,31, ergibt, so würde für die verschiedenen Banken-‐gruppen der in Abbildung 40 dargestellte Eigenkapitalbedarf resultieren. Dieser ist vermutlich zu hoch angesetzt, weil es kaum Banken gibt, die genau an der aufsichtsrechtlich zulässigen Untergrenze ope-‐rieren. Dieser fiktive Kapitalbedarf wurde dann verglichen mit den Gewinnen der Jahre 2000 bis 2008. Unterstellt man, dass diese Gewinne eine Schätzung für die Gewinne sind, die die Banken in den näch-‐sten 9 Jahren erwirtschaften können, dann gibt dieser Vergleich eine Abschätzung dafür, ob die Ban-‐ken überhaupt in der Lage wären, aus einbehaltenen Mitteln die Basel-‐III-‐Kriterien zu erfüllen. Wie man sieht, deutet dieser Vergleich darauf hin, dass vor allem die Landesbanken, möglicherweise aber auch die Großbanken, gezwungen sein könnten, sich in stärkerem Maße Kapital an den Kapitalmärkten zu beschaffen.
Als wesentlich problematischer könnten sich die Anpassungen herausstellten, die die Banken aufgrund der neuen Liquiditäts-‐ und Fristentransformationsregeln angehen müssen. Es wurde schon darauf
hingewiesen, dass der dadurch ausgelöste Refinanzierungsbe-‐darf wesentlich größer ist als jener, der durch die Eigenkapi-‐talvorschriften ausgelöst wird. Vor allem die NSFR wird bei jenen Banken, die sich in er-‐heblichem Umfang über kurzfristige Interbankeneinla-‐gen refinanziert haben, einen großen Anpassungsbedarf aus-‐lösen.
Abbildung 41 zeigt, dass es bei den verschiedenen Bankengrup-‐pen in Deutschland diesbezüg-‐lich große Unterschiede gibt. Während bei den Sparkassen und Kreditgenossenschaften
davon auszugehen ist, dass die Beschränkung der Refinanzierung auf dem Interbankenmarkt zunächst keine großen Wirkungen entfalten wird, sieht das bei den privaten Banken und den Landesbanken ganz anders aus. Zwar kontrollieren die Sparkassen und Kreditgenossenschaften 30% des Marktes für Kredite an Unternehmen und Selbständige, dem steht aber ein Marktanteil von 53% gegenüber, der von den Landesbanken, Großbanken, Kreditbanken und Auslandsbanken kontrolliert wird. Diese Gruppen werden erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, um die neuen Liquiditätsvorschrif-‐ten zu erfüllen.
Verschärft wird diese Situation dadurch, dass bei Banken die Frage der Art ihrer Refinanzierung eng mit ihrem Geschäftsmodell verknüpft ist. Betriebswirtschaftlich steht es keineswegs jeder Bank offen,
ABBILDUNG 41: ANTEIL DER KURZFRISTIGEN INTERBANKENREFINANZIE-‐RUNG AN DER BILANZSUMME UND MARKTANTEILE BEI KREDITEN AN UNTERNEHMEN UND SELBSTÄNDIGE
(Quelle: Bundesbank, eigene Berechnungen)
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den Anteil der Kundeneinlagen zu erhöhen, ohne damit gleichzeitig ihr Geschäftsmodell zu verändern. Tatsächlich zeigt eine Analyse der in Abbildung 41 betrachteten Bankengruppen, dass es einen kla-‐ren positiven Zusammenhang zwischen einer kurzfristigen Refinanzierung über Interbankeneinlagen
und der Ausgabe von Namens-‐ oder Inha-‐berschuldverschreibungen gibt. Dieser Zusammenhang wird in Abbildung 42 dargestellt. Tendenziell liegen die Punkt ent-‐lang einer gedachten Trendlinie mit positiver Steigung, was genau dieser Behauptung entspricht.47 Die beiden Instrumente sind also nicht so sehr als Substitute, son-‐dern eher als Komplemente zu verstehen.
Es ist daher absehbar, dass vor allem Landesbanken, private Banken und Auslandsbanken versuchen werden, die durch
Basel III geforderte Refinanzierung über die Ausgabe von Bankschuldverschreibungen zu decken. Wie in Abschnitt 4.3 gezeigt wurde, sind Versicherungen eine bedeutende Investorengruppe auf dem Markt für Bankschuldverschreibungen. Sie kontrollieren bis zu zwei Drittel des Pfandbriefmarktes und knapp ein Viertel des Marktes für ungedeckte Bankschuldverschreibungen. Zur Erfüllung der Basel-‐III-‐Vorgaben werden Banken vor allem die Ausgabe von ungedeckten Bankschuldverschreibungen ins Auge fassen, da die Ausgabe von Pfandbriefen, ebenso wie die Hereinnahme von Einlagen, stark ge-‐schäftsmodellabhängig ist. Zudem muss man davon ausgehen, dass der Bankensektor insgesamt die Ausgabe von Pfandbriefen nur in dem Maße steigern kann, wie auch das Volumen an Hypothekarkre-‐diten und Krediten an die öffentliche Hand steigt. Hinsichtlich ungedeckter Bankschuldverschreibun-‐gen ist aber anzunehmen, dass Versicherungen aufgrund von Solvency II eher an einem Abbau dieser Bestände interessiert sind als an einem weiteren Aufbau. Somit könnte es durchaus dazu kommen, dass sich ungedeckte Bankschuldverschreibungen, insbesondere im längeren Laufzeitenbereich, ver-‐teuern. Die Banken werden darauf mit dem Versuch, diese höheren Refinanzierungkosten an die Kre-‐ditnehmer weiterzugeben, reagieren. Gleichzeitig wird damit die Kreditnachfrage sinken.
Zu beachten ist weiterhin, dass über Zweitrundeneffekte auch die Genossenschaftsbanken und Spar-‐kassen diese Entwicklung spüren werden. Zwar werden viele dieser Institute, wie bereits geschildert, von den neuen Liquiditäts-‐ und Fristentransformationsregeln nicht direkt betroffen sein, jedoch erge-‐ben sich indirekte Rückwirkungen auf ihr Geschäft aufgrund der vermuteten Veränderungen bei den Refinanzierungskosten der anderen Banken. Wenn nämlich ungedeckte Bankschuldverschreibungen mit höheren Kupons ausgestattet werden müssen, wird sich das über den Wettbewerb auch bei Einla-‐gen und Schuldscheindarlehen der Banken bemerkbar machen. Schließlich sind diese Instrumente zumindest teilweise als Substitute zu Bankschuldverschreibungen zu betrachten. Wenn aber die priva-‐ten Geschäftsbanken die Habenzinsen auf Einlagen erhöhen, werden die Sparkassen und Genossen-‐
47 Anzumerken ist, dass die Höhe der von einzelnen Bankengruppen emittierten Namensschuldverschreibungen nicht vorliegt. Sie werden unter der Rubrik „Einlagen“ subsumiert. Daher wurden als Schätzung für diese Größe die Einlagen von Unternehmen genommen.
ABBILDUNG 42: ZUSAMMENHANG ZWISCHEN KURZFRISTIGER REFI-‐NANZIERUNG UND AUSGABE VON SCHULDVERSCHREIBUNGEN
(Quelle: Bundesbank, eigene Berechnungen)
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schaftsbanken nachziehen müssen. Hinzu kommt, dass Versicherungen auch für die Verbundbanken in gewissen Grenzen als direkte Finanziers eine Rolle spielen und sie somit bei der Ausgabe von Schuld-‐verschreibungen direkt mit den privaten Geschäftsbanken konkurrieren. Letztlich wird sich damit auch die Refinanzierung der Sparkassen und Genossenschaftsbanken verteuern, mit entsprechenden Kon-‐sequenzen für die Kreditkonditionen, die sie dann ihren Kunden bieten können.
Schließlich sollte noch daran erinnert werden, dass die beschriebenen Effekte durch das Restrukturie-‐rungsgesetz und die damit eingeführte Bankenabgabe verstärkt werden. Auch dieser Effekt wird nicht völlig symmetrisch auf alle Banken wirken, sondern bei den privaten Banken und Landesbanken tendenziell stärker sein. Dabei wirkt die Bankenabgabe unter zwei Aspekten. Erstens setzt sie einen Anreiz, die Interbankeneinlagen und Schuldverschreibungen zugunsten von Hybridkapital (Genuss-‐rechtskapital) zurückzufahren. Somit stellt sich auch hier die Frage, inwieweit die Märkte für solche Finanztitel – auch wegen Solvency II – noch aufnahmefähig sein werden. Zweitens ist es durch das Restrukturierungsgesetz gewollt, dass Banken künftig einem Reorganisationsverfahren unterworfen werden können. Die bisher zumindest bei großen Banken geltende implizite Haftung des Steuerzahlers soll damit außer Kraft gesetzt werden. Dieser unter Allokationsgesichtspunkten völlig richtige Schritt wird allerdings dazu führen, dass aus Sicht von Versicherungen die Vorteilhaftigkeit von ungedeckten Bankschuldverschreibungen gegenüber anderen Unternehmensanleihen weiter reduziert wird. Damit könnte es also einen zusätzlichen Hebel geben, der die Renditen für ungedeckte Bankschuldverschrei-‐bungen tendenziell steigen lässt.
Schließlich sollte man nicht vergessen, dass den Unternehmen, sofern sich durch die beschriebene Entwicklung spürbare Veränderungen in den Kreditkonditionen ergeben, Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Am wichtigsten ist die Möglichkeit einer kapitalmarktorientierten Fremdfinanzie-‐rung einschließlich der Aufnahme von Schuldscheindarlehen. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass Versicherungen mittlerweile auch ein wichtiger Investor auf dem Markt für Unternehmensanlei-‐hen und Schuldscheindarlehen sind. Solvency II könnte hier tendenziell dazu führen, dass Versicherun-‐gen ihre Anlagen in langfristige Anleihen, insbesondere soweit sie schlechterer Bonität sind, zurückfah-‐ren. Auch dies könnte sich auf die Fremdkapitalkosten der Unternehmen auswirken. Zudem steht die-‐se Alternative wegen der bereits besprochenen Losgrößenproblematik in der Tendenz nur den großen und mittleren Unternehmen zur Verfügung. Insoweit muss man davon ausgehen, dass Solvency II und Basel III nicht nur die Banken ungleichmäßig treffen wird, sondern auch die Unternehmen. Ein Szenario, in welchem vor allem die KMUs unter steigenden Kreditkosten leiden werden ist ange-‐sichts der hier vorgestellten Überlegungen nicht völlig unwahrscheinlich.
Zusammenfassend kann man also festhalten, dass das Zusammenwirken von Basel III, Solvency II und Restrukturierungsgesetz tendenziell zu einer Verteuerung der Fremdkapitalkosten der Unternehmen führen wird. Eine quantitative Abschätzung dieses Effektes ist aber nicht möglich. Dies hängt mit vie-‐lerlei Unsicherheiten zusammen, die mit einer solchen Analyse verbunden ist. Erstens lassen sich keine quantifzierbaren Prognosen darüber machen, wie Versicherungen ihre Vermögensallokation nach Solvency II anpassen werden. Zweitens wirken diese beschriebenen Effekte ungleichmäßig auf die einzelnen Bankengruppen, so dass man abwarten muss, welches neue Marktgleichgewicht sich nach Verarbeitung dieser Effekte einstellen wird. Und drittens wird es Ausweichreaktionen der Unterneh-‐men geben, wie etwa eine stärkere kapitalmarktorientierte Fremdfinanzierung, wobei auch diese wie-‐der asymmetrische über den Unternehmenssektor verteilt sein werden. Da aber Solvency II und Basel III grundsätzlich in die gleiche Richtung wirken und sich daher die Effekte gegenseitig verstärken kön-‐nen, wäre zumindest eine Entkoppelung der zeitlichen Implementierung ratsam.
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6.4 Anpassungsdruck im Bereich der Eigenkapitalfinanzierung Im Bereich der Eigenkapitalfinanzierung der Unternehmen werden die Effekte von Solvency II und Basel III deutlich weniger spürbar sein. Banken spielen als Eigenkapitalgeber heute kaum mehr eine Rolle in Deutschland und die Versicherungen haben ihre Aktienanlagen über die letzten Jahre deutlich reduziert. Dies wurde bereits in Abschnitt 4.2 gezeigt. Es ist unwahrscheinlich, dass Solvency II in sei-‐ner derzeitigen Ausgestaltung diesen Trend umkehren wird. Wegen der zumindest in Deutschland geringen Bedeutung von Versicherungen als Investoren auf den Aktienmärkten ist also nicht davon auszugehen, dass es zu spürbaren Effekten kommt. Allenfalls könnten sich die Effekte im Bereich der Unternehmensbeteiligungen (Private Equity) zeigen, weil diese gegenüber Aktienanlagen mit höheren Eigenmittelanforderungen belegt werden. Damit würden sich die Effekte auf das Segment der KMUs konzentrieren.
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7 Abkürzungsverzeichnis
AIG American International Group
ALM Asset Liability Management
BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
BIP Bruttoinlandsprodukt
BIS Bank for International Settlments
CCR Counterparty Credit Risk
CDAX Composite DAX
CDS Credit Default Swap
CEA European insurance reinsurance federation
CEBS Committee of European Banking Supervisors
CET1 Common Equity Tier 1
Corr Korrelationskoeffizient
DAI Deutsches Aktieninstitut
EBA European Banking Authority
EIOPA European Insurance and Occupational Pensions Authority
ESMA European Securities and Markets Authority
ESRB European Systematic Risk Board
EU Europäische Union
EWR Europäischer Wirtschaftsraum
EZB Europäische Zentralbank
GDV Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e.V.
IFRS International Financial Reporting Standards
IG Investment Grade
IMF International Monetary Fund (Internationaler Währungsfonds)
KMU Kleine und mittlere Unternehmen
LCR Liquidity Coverage Ratio
LiqV Liquiditätsverordnung
MCR Minimum Capital Requirement
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MFI Monetäres Finanzinstitut
Mkt Kapitalanforderung eines Untermoduls
NSFR Net Stable Funding Ratio
OECD Organisation of Economic Co-‐operation and Development
OGAW Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren
OTC Over the Counter
QIS5 Fünfte quantitative Auswirkungsstudie
RfB Rückstellungen für Beitragsrückerstattung
RWA Risk Weighted Assets
SCR Solcency Capital Requirement
SoFFin Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung
VAG Gesetz über die Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen
VaR Value at Risk
VVG Gesetz über den Versicherungsvertrag
WFE World Federation of Exchanges
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