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SOPHIE KINSELLA Die Schnäppchenjägerin

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Page 1: SOPHIE KINSELLA Die Schnäppchenjäge

SOPHIE KINSELLA

Die Schnäppchenjägerin

Page 2: SOPHIE KINSELLA Die Schnäppchenjäge

Buch

Eigentlich sollte Rebecca Bloomwood keinen Grund zur Klage ha-ben. Sie ist selbstbewusst, Single und hat einen ordentlichen Job alsFinanzexpertin bei einem Wirtschaftsmagazin. Doch der schöneSchein trügt. In Rebeccas Leben geht es drunter und drüber, denn sieist eine Frau mit einer gefährlichen Leidenschaft: Sie kann einfachkeinem Schnäppchen widerstehen. Ihre Kontoauszüge und Kredit-kartenabrechnungen sind Rebeccas Ansicht nach trotzdem nur durchein Missverständnis oder einen Fehler im System zu erklären – nie imLeben hätte sie soviel Geld ausgegeben. Trotzdem wächst ihr Schul-denberg täglich und damit der Druck, einen Ausweg aus der Miserezu finden. Rebecca versucht es zunächst mit Sparen, dann mit Neben-jobs, aber der erhoffte Erfolg will sich nicht einstellen. Doch endlichzeigt sich ein Licht am Ende desTunnels. Rebecca kommt einem hin-terhältigen Betrug auf die Spur und entdeckt plötzlich ihren journalis-tischen Ehrgeiz. Dass sie sich dabei mit dem millionenschweren undobendrein höchst attraktiven Luke Brandon anlegen muss, verleihtder Geschichte noch zusätzlichen Reiz – und ist ein Grund mehr, sich

zur Entspannung eine Kleinigkeit zu gönnen …

Autorin

Sophie Kinsella ist Schriftstellerin und ehemalige Wirtschaftsjourna-listin. Sie geht sehr, sehr vorsichtig mit ihrem Geld um und wird nurganz selten dabei erwischt, wie sie auf der Jagd nach Schnäppchenihre Heimatstadt London durchstreift. Das Verhältnis zu dem Mana-ger ihrer Bank ist durch keinerlei Probleme getrübt. Mittlerweile hatsie bereits drei weitere Romane mit Rebecca Bloomwood im Mittel-punkt vorgelegt, die ebenfalls bei Goldmann erschienen sind. Ein

fünfterTeil ist inVorbereitung.

Von Sophie Kinsella außerdem bei Goldmann lieferbar:

Die Schnäppchenjägerin-Romane in chronologischer ReihenfolgeDie Schnäppchenjägerin (45286) . Fast geschenkt (45403) . Hochzeit

zu verschenken (45507) . Vom Umtausch ausgeschlossen (45690)

Außerdem lieferbar:Sag’s nicht weiter, Liebling. Roman (45632) . Göttin in Gummi-

stiefeln. Roman (46087)

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Sophie KinsellaDie

Schnäppchen-jägerin

Roman

Aus dem Englischenvon Marieke Heimburger

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Die Originalausgabe erschien 2000 unter dem Titel»The Secret Dreamworld of a Shopaholic«

bei Black Swan, London

Einmalige SonderausgabeTaschenbuchausgabe Februar 2008

Copyright © der Originalausgabe 2000 by Sophie KinsellaCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2001

by Wilhelm Goldmann Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbHUmschlaggestaltung: Design Team München

Umschlagmotiv: Agentur Die Kleinert, Natascha RömerDruck und Einband: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in GermanyISBN: 978-3-442-46726-6

www.goldmann-verlag.de

Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100Das für dieses Buch verwendete FSC-zertifizierte Papier

Holmen Book Cream liefert Holmen Paper, Hallstavik, Schweden.

SGS-COC-1940

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Meiner Freundinund Agentin

AramintaWhitleygewidmet

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Endwich Bank1 Stallion Square

London W 1 3 HW

Ms. Rebecca BloomwoodFlat 463 Jarvis RoadBristol BS1 0DN 06. Juli 1997

Sehr geehrte Ms. Bloomwood,

wir gratulieren Ihnen zu Ihrem kürzlich an der Universität Bristolerworbenen Hochschulabschluss. Sicherlich sind Sie sehr stolz aufIhre Leistung.

Auch wir, die Endwich Bank, sind stolz auf unsere Leistungen alsflexibles Geldinstitut mit exzellentem Service und individuellen,auf Sie zugeschnittenen Finanzdienstleistungsangeboten. Ganzbesonders können wir unsere weitblickenden Vermögenspläne füranspruchsvolle Kundinnen wie Sie hervorheben.

Aus diesem Grund bieten wir Ihnen, sehr geehrte Ms. Bloomwood,hiermit völlig gebührenfrei einen erweiterten Dispositionskredit inHöhe von £ 2000 für die ersten beiden Jahre Ihrer Erwerbstätigkeitan.Wenn Sie sich für ein Konto bei der Endwich Bank entscheiden,steht Ihnen dieser Überziehungskredit mit sofortiger Wirkung zurVerfügung.* Wir hoffen, Sie werden sich dieses einmalige Angebotnicht entgehen lassen, und sehen der Rücksendung des beiliegen-den und von Ihnen ausgefüllten Formulars gerne entgegen.

Nochmals unsere Glückwünsche aussprechend verbleiben wirmit freundlichen GrüßenEndwich Bank

Nigel FairsMarketingreferent Hochschulabsolventen

* Vorbehaltlich einer Bonitätsprüfung

Endwich – Wir sind für Sie da!

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Endwich BankZweigstelle Fulham

3 Fulham RoadLondon SW6 9JH

Ms. Rebecca BloomwoodFlat 24 Burney Rd.London SW6 8FD 10. September 1999

Sehr geehrte Ms. Bloomwood,

ich nehme Bezug auf unsere Schreiben vom 03. Mai, 29. Juli und14. August 1999, in denen wir Sie darauf hinweisen, dass Ihr ge-bührenfreier Dispositionskredit für Hochschulabsolventen am 19.September 1999 ausläuft. Darüber hinaus machten wir Sie daraufaufmerksam, dass Sie den vereinbarten Kreditrahmen von £ 2000deutlich überschritten haben.

Gegenwärtig verzeichnen wir auf Ihrem Konto einen Schuldsaldovon £ 3.794,56.

Wir möchten Sie daher bitten, sich mit meiner Assistentin EricaParnell unter oben aufgeführterTelefonnummer inVerbindung zusetzen, um einen persönlichen Gesprächstermin zu vereinbaren.

Mit freundlichen GrüßenEndwich BankZweigstelle Fulham

Derek SmeathZweigstellenleiter

Endwich – Wir sind für Sie da!

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Endwich BankZweigstelle Fulham

3 Fulham Road

London SW6 9JH

Ms. Rebecca BloomwoodFlat 24 Burney Rd.London SW6 8FD 22. September 1999

Sehr geehrte Ms. Bloomwood,

wir bedauern den Umstand, dass Sie sich ein Bein gebrochen ha-ben.

Dennoch möchten wir Sie bitten, sich nach Ihrer Genesung tele-fonisch mit meiner Assistentin Erica Parnell inVerbindung zu set-zen, um einen Gesprächstermin zu vereinbaren, bei dem wir Ihrenfortdauernden, erhöhten Überziehungskreditbedarf erörtern kön-nen.

Mit freundlichen GrüßenEndwich BankZweigstelle Fulham

Derek SmeathZweigstellenleiter

Endwich – Wir sind für Sie da!

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Endwich BankZweigstelle Fulham

3 Fulham RoadLondon SW6 9JH

Ms. Rebecca BloomwoodFlat 24 Burney Rd.London SW6 8FD 17. November 1999

Sehr geehrte Ms. Bloomwood,

wir bedauern sehr, dass Sie an Pfeifferschem Drüsenfieber er-krankt sind.

Dennoch möchten wir Sie bitten, sich nach Ihrer Genesung tele-fonisch mit meiner Assistentin Erica Parnell inVerbindung zu set-zen, um einen Gesprächstermin zu vereinbaren, bei dem wir Ihrederzeitige finanzielle Situation besprechen können.

Mit freundlichen GrüßenEndwich BankZweigstelle Fulham

Derek SmeathZweigstellenleiter

Endwich – Wir sind für Sie da!

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Okay. Keine Panik. Keine Panik. Das ist bloß eine VISA-Rechnung. Ein Stück Papier; ein paar Zahlen. Ich meine –ein paar lächerliche Zahlen. Nichts, wovor man Angst ha-ben müsste.

Ich blicke starr aus dem Bürofenster, beobachte einenBus, der die Oxford Street hinunterfährt, und zwinge mich,den weißen Umschlag zu öffnen, der auf meinem chaoti-schen Schreibtisch liegt. Nichts weiter als ein Stück Papier,sage ich mir schon zum tausendsten Mal. Und ich binschließlich nicht blöd, oder? Ich weiß genau, wie hoch dieseVISA-Rechnung ausfällt.

Ziemlich genau. Also, so ungefähr.Ungefähr… zweihundert Pfund. Dreihundert vielleicht.

Ja, vielleicht dreihundert. Allerhöchstens dreihundertfünf-zig.

Ich schließe die Augen und fange an zu rechnen. DasKostüm von Jigsaw. Abendessen mit Suze bei Quaglino’s.Und dann dieser geniale rot-gelbe Teppich. Der hat aller-dings zweihundert Pfund gekostet, jetzt, wo ich drübernachdenke. Aber die war er auch wert. Ist von allen bewun-dert worden. Na ja, zumindest von Suze.

Und das Jigsaw-Kostüm war im Angebot – 30% redu-ziert. Da habe ich also im Grunde Geld gespart.

Ich mache die Augen auf und greife nach der Rechnung.In dem Moment, in dem ich das Papier berühre, fallen mirdie neuen Kontaktlinsen ein. Fünfundneunzig Pfund. Stol-

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zes Sümmchen. Aber die musste ich nun wirklich kaufen.Oder sollte ich blind wie ein Maulwurf durch die Gegendlaufen?

Natürlich musste ich dafür aber auch neue Reinigungslö-sungen kaufen und ein hübsches Döschen und einen anti-allergischen Eye-Liner. Alles in allem war ich damit bei…vierhundert?

Am Nachbarschreibtisch sieht Clare Edwards von ihrerPost auf. Jeden Morgen sortiert sie alle ihre Briefe auf or-dentliche Stapel, hält diese mit Gummibändern zusammenund steckt Zettelchen dran, auf denen steht »Sofort beant-worten« oder »Nicht dringend, aber beantworten« oderÄhnliches. Ich kann Clare Edwards nicht ausstehen.

»Alles in Ordnung, Becky?«, fragt sie.»Ja, ja«, sage ich fröhlich. »Ich lese nur gerade einen Brief.«Beschwingt fasse ich in den Umschlag, doch ich ziehe die

Rechnung nicht ganz heraus. Meine Finger erstarren förm-lich, während ich mir – wie jeden Monat – nur noch einssehnlichst wünsche.

Soll ich Ihnen verraten, wovon ich heimlich träume? Dashat mit einerVerwechslungsgeschichte zu tun, die ich mal inder Zeitung gelesen habe. Ich fand die Geschichte so toll,dass ich den Bericht ausgeschnitten und mir an die Kleider-schranktür gehängt habe. Zwei Kreditkartenabrechnungenwurden jeweils dem falschen Empfänger zugeschickt, und –man stelle sich das mal vor! – beide haben die verkehrteRechnung bezahlt, ohne dieVerwechslung überhaupt zu be-merken! Sie haben die Rechnung des jeweils anderen be-zahlt, ohne sie zu überprüfen.

Seit ich diese Geschichte gelesen habe, habe ich diesengeheimen Traum, dass mir genau das Gleiche passiert. Ir-gendeine klapprige alte Dame in Cornwall bekommt meine

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enorme Rechnung zugeschickt und bezahlt sie, ohne sie sichgenauer anzusehen. Und ich bekomme ihre Rechnung fürdrei Dosen Katzenfutter á £ 1,99 zugeschickt. Die ich selbst-verständlich sofort bezahle. Da muss man schon fair bleiben.

Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht sehe ich ausdem Fenster. Ich bin davon überzeugt, dass es diesen Mo-nat so weit ist – mein Traum wird wahr. Aber als ich dannendlich unter Clares neugierigem Blick die Rechnung ausdem Umschlag ziehe, reduziert sich das Grinsen zu einemLächeln und verschwindet schließlich ganz. Irgendetwasschnürt mir die Kehle zu. Könnte Panik sein.

Das Blatt Papier ist von oben bis unten schwarz bedruckt.Diverse bekannte Namen tanzen vor meinen Augen wie ineiner Shopping Mall. Ich versuche, sie zu lesen, aber siebewegen sich zu schnell. Thorntons, erhascht mein Blick.Thorntons Chocolates? Was zum Teufel hatte ich denn beiThorntons Chocolates verloren? Ich war doch auf Diät.Diese Rechnung konnte einfach nicht stimmen. Das konntenicht meine sein. Ich konnte nie und nimmer so viel Geldausgegeben haben.

Keine Panik!, ermahne ich mich innerlich. Panik bringtüberhaupt nichts. Jetzt lies ganz langsam jeden einzelnenPosten durch, einen nach dem anderen. Ich atme tief einund zwinge mich, die Rechnung ganz ruhig von oben nachunten durchzulesen.

WH Smith (Genehmigt. Schreibwaren braucht schließ-lich jeder mal.)

Boots (dito)Specsavers (lebensnotwendig)Oddbins (eine Flasche Wein – lebensnotwendig)Our Price (Our Price? Ach, ja. Das neue Album von den

Charlatans. Na, das musste ich nun wirklich haben.)

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Bella Pasta (Abendessen mit Caitlin)Oddbins (Flasche Wein – lebensnotwendig)Esso (Benzin zählt nicht)Quaglino’s (teuer, aber eine Ausnahme)Prêt à Manger (da war mir das Bargeld ausgegangen)Oddbins (Flasche Wein – lebensnotwendig)Rugs to Riches (was? Ach, ja, der Teppich. Blöder Tep-

pich)La Senza (sexy Unterwäsche fürVerabredung mit James)Agent Provocateur (noch sexiere Unterwäsche fürVerab-

redung mit James. Hm. Hat auch nichts genützt.)Body Shop (dieses Hautrubbelteil, das ich unbedingt

brauche)Next (eher langweiliges weißes Hemd – war aber im An-

gebot)Millets…Halt, Stopp, Moment! Millets? Ich setze niemals auch

nur einen Fuß in den Millets-Laden.Was zum Teufel sollteich denn bei Millets wollen? Ratlos starre ich auf die Rech-nung, runzle die Stirn und versuche, nachzudenken – undda dämmert es mir. Ganz klar. Irgendjemand anders hattemeine Karte benutzt.

Oh, Gott. Ich, Rebecca Bloomwood, bin das Opfer einesVerbrechens geworden.

Jetzt bekam das alles einen Sinn. Irgendeiner hatte meineKreditkarte geklaut und meine Unterschrift gefälscht. Werweiß, wo er die Karte sonst noch benutzt hat? KeinWunder,dass so viele Posten auf meiner Abrechnung sind! Irgend-jemand war mit meiner Karte in London auf Einkaufstourgewesen – und dachte, er würde ungeschoren davon kom-men.

Aber wie hatte derjenige das angestellt? Ich krame mein

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Portemonnaie aus der Handtasche, klappe es auf – und sehemeineVISA-Karte. Ich nehme sie heraus und betrachte sie.Irgendjemand musste sie mir aus dem Portemonnaie ge-klaut, sie benutzt und dann wieder zurück ins Portemonnaiegesteckt haben. Es muss jemand gewesen sein, den ich kenne.Oh, Gott.Wer?

Misstrauisch sehe ich mich im Büro um.Wer auch immerdas war, konnte nicht besonders helle sein. Meine Karte beiMillets zu benutzen! Das war ja lachhaft. Wo ich doch niebei Millets einkaufte!

»Bin doch noch nie bei Millets gewesen!«, sage ich laut.»Natürlich«, sagt Clare.»Was?« Wenig erfreut über diese Unterbrechung, drehe

ich mich zu ihr um. »Wann?«»Du hast doch Michaels Abschiedsgeschenk bei Millets

gekauft, oder nicht?«Ich starrte sie an und merke, wie mein Lächeln erstirbt.

Mist. Klar. Der blaue Anorak für Michael. Der blöde blaueAnorak von Millets.

Als Michael, unser stellvertretender Chefredakteur, vordrei Wochen bei uns aufhörte, habe ich mich freiwillig be-reit erklärt, das Geschenk für ihn zu besorgen. Ich nahmden braunen Umschlag mit den Münzen und den Scheinenmit in den Laden und suchte einen Anorak aus. Und imletzten Moment – jetzt fiel es mir wieder ein – beschloss ich,mit Kreditkarte zu zahlen und das überaus praktische Bar-geld für mich zu behalten.

Ich kann mich lebhaft daran erinnern, wie ich die Fünf-Pfund-Scheine aus dem Umschlag gefischt und sorgfältig inmein Portemonnaie gesteckt habe, wie ich die Pfundstückein das Münzfach und das restliche Kleingeld lose in meineHandtasche habe fallen lassen. Oh, gut, dachte ich. Dann

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muss ich ja gar nicht zum Geldautomaten. Ich dachte, daswürde Wochen reichen.

Aber wo war das Geld bloß abgeblieben? Ich konnte dochnicht einfach so sechzig Pfund ausgegeben haben, ohne eszu merken, oder?

»Wie kommst du überhaupt darauf?«, fragt Clare undbeugt sich nach vorne. Hinter den Gläsern ihrer Brille fun-keln zwei kleine, runde Röntgenaugen. Sie weiß genau, dassich mit meiner VISA-Rechnung beschäftigt bin. »Nur so«,sage ich und wende mich ohne ein weiteres Wort der zwei-ten Seite meiner Rechnung zu.

Aber ich bin irgendwie aus dem Konzept. Statt das zutun, was ich sonst immer tue – nämlich mich auf den erfor-derlichen Mindestbetrag zu konzentrieren und den Ge-samtbetrag zu ignorieren –, starre ich ungläubig auf die al-lerletzte Zahl.

Neunhundertneunundvierzig Pfund und dreiundsechzigPence. Schwarz auf Weiß.

Schweigend glotze ich die Zahl etwa ein halbe Minute an,dann stopfe ich die Rechnung wieder in den Umschlag. Indiesem Moment habe ich das Gefühl, dass dieses StückPapier überhaupt nichts mit mir zu tun hat. Ehrlich. Wennich es einfach unachtsamerweise hinter meinem Computerauf den Boden fallen lassen würde, würde es vielleicht ver-schwinden. Die Putzkolonne würde es aufsammeln undentsorgen, und ich könnte behaupten, die Rechnung nie be-kommen zu haben. Schließlich kann man mich nicht füreine Rechnung verantwortlich machen, die ich nie erhaltenhabe, oder?

Ich reime mir schon einen entsprechenden Brief an dieGeschäftsleitung von VISA zusammen. »Sehr geehrte Da-men und Herren! Ihr Schreiben befremdet mich. Von wel-

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cher Rechnung reden Sie eigentlich? Ich habe nie eineRechnung von Ihrem Unternehmen erhalten. IhrTon gefälltmir gar nicht, und ich hätte gute Lust, den Fall publik zumachen und mich an die Sendung Watchdog zu wenden.«

Notfalls könnte ich auch auswandern.»Becky?« Ich reiße den Kopf hoch und sehe, dass Clare

mit mir spricht. »Hast du den Bericht über Lloyds fertig?«»So gut wie«, lüge ich. Da sie mich beobachtet, fühle ich

mich genötigt, guten Willen zu zeigen und die entspre-chende Datei auf meinem Computer zu öffnen. Aber sie be-obachtet mich immer noch.

»Die Sparer können, als weiteren Vorteil, jederzeit überihr Geld verfügen«, tippe ich und schreibe damit nur die vormir liegende Pressemitteilung ab. »Außerdem bietet dasKonto denen, die mehr als £ 5000 einlegen, einen stufen-weise gekoppelten Zinssatz.«

Nach dem Punkt trinke ich einen Schluck Kaffee und be-fasse mich mit der zweiten Seite der Pressemitteilung.

Das ist übrigens mein Job. Ich bin Journalistin bei einerFinanzzeitschrift. Ich werde dafür bezahlt, dass ich anderenLeuten sage, wie sie mit ihrem Geld umgehen sollen.

Natürlich ist das nicht der Job, von dem ich immer geträumthabe. Niemand, der über privateVermögensanlage schreibt,tut das aus freien Stücken. Die Leute sagen dann immer, siesind da »so reingerutscht«. Alles Lüge.Was sie eigentlich da-mit sagen wollen, ist, dass sie für interessantereThemen ein-fach niemand haben wollte. Dass sie sich bei der Times undbeim Express und bei Marie Claire und Vogue und GQ be-worben und immer nur ein »Nein danke« zur Antwort be-kommen haben.

Also haben sie angefangen, sich bei Metalwork Monthly,

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Cheesemakers Gazette und What Investment Plan? zu bewer-ben. Und da haben sie dann eine Stelle als besserer Volon-tär bekommen, bei der sie so gut wie nichts verdienten – undwaren dankbar dafür. Und von da an haben sie eben immerweiter über Metall, Käse oder Sparpläne geschrieben, weildas das Einzige ist, von dem sie überhaupt etwas verstehen.Ich für meinen Teil habe bei einer Zeitschrift mit dem ein-gängigenTitel Personal Investment Periodical angefangen. Ichhabe gelernt, wie man an eine Pressemitteilung heran-kommt, wie man bei Pressekonferenzen nickt und Fragenstellt, die den Eindruck vermitteln, dass man genau weiß,wovon man redet. Nach eineinhalb Jahren – ob Sie’s mirglauben oder nicht – wurde ich durch einen Headhunter fürSuccessful Saving abgeworben.

Natürlich habe ich immer noch keine Ahnung von Finan-zen. Die Leute an der Bushaltestelle wissen besser über Fi-nanzen Bescheid als ich. Selbst Schulkinder wissen mehrals ich. Ich mache diesen Job jetzt schon seit drei Jahren,und ich warte immer noch darauf, dass mich jemand er-tappt.

An jenem Nachmittag höre ich, wie Philip, der Chefredak-teur, mich ruft, und fahre vor Schreck zusammen.

»Rebecca?«, sagt er. »Auf ein Wort.« Und damit winkt ermich zu seinem Schreibtisch herüber. Auf einmal senkt erdie Stimme und klingt fast schon verschwörerisch, und seinLächeln deutet darauf hin, dass er gute Neuigkeiten fürmich hat.

Oh, Gott, denke ich. Ich werde befördert. Ganz be-stimmt. Er weiß, wie ungerecht es ist, dass ich weniger ver-diene als Clare, und darum wird er jetzt für Gerechtigkeitsorgen.Vielleicht will er mir sogar mehr zahlen als ihr. Und

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das möchte er mir möglichst diskret mitteilen, damit Clarenicht neidisch wird.

Ein breites Lächeln überzieht mein Gesicht, als ich auf-stehe und die drei Meter zu seinem Schreibtisch hinüber-gehe. Ich bemühe mich, ruhig zu bleiben, plane aber insge-heim schon, was ich mir von dem Geldsegen alles kaufenwerde. Den Swinger bei Whistles. Und ein Paar hochha-ckige schwarze Stiefel von Pied à Terre.Vielleicht fahre ichin Urlaub. Und ich werde endlich die bescheuerte VISA-Rechnung bezahlen. Ich lebe auf vor Erleichterung. Ich wuss-te doch, dass sich alles einrenken würde…

»Rebecca?« Er schiebt mir eine Karte zu. »Ich schaffe esnicht zu dieser Pressekonferenz«, sagt er. »Könnte aber ganzinteressant werden. Gehen Sie hin? Ist bei Brandon Com-munications.«

Ich merke, wie meine freudig erregten Gesichtszüge ent-gleisen. Keine Beförderung. Keine Gehaltserhöhung. Ver-rat! Warum hat er mich denn dann so angelächelt??? Er mussdoch gewusst haben, dass er mir damit Hoffnungen ge-macht hat! So ein Mistkerl.

»Stimmt was nicht?«, erkundigt Philip sich.»Nein«, brumme ich.Aber ich kriege einfach kein Lächeln

mehr hin. Vor meinem inneren Auge lösen sich der neueSwinger und die hochhackigen Stiefel in Luft auf. KeineBeförderung. Nur eine Pressekonferenz über… Ich werfeeinen Blick auf die Karte. Über einen neuen Investment-fonds.Wie konnte man das nur als interessant bezeichnen?

»Sie können dann einen positiven Bericht darüber schrei-ben«, sagt Philip.

»Okay«, sage ich schulterzuckend und ziehe mich zurück.

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Auf demWeg zur Pressekonferenz muss ich nur eine lebens-notwendige Besorgung machen: nämlich die FinancialTimeskaufen. Die FT ist mit Abstand das beste Accessoire fürFrauen wie mich. Die drei wichtigsten Vorteile lauten:

1. Hübsche Farbe.2. Kostet nur 85 Pence.3. Wenn man mit einer FT unter dem Arm einen Raum

betritt, nehmen die Leute einen ernst. Wenn man eine FTunter dem Arm hat, kann man über die dämlichsten The-men reden, ohne dass die Leute einen für beschränkt hal-ten. Sie glauben dann vielmehr, man sei unglaublich intel-lektuell und vielseitig interessiert.

Zu meinem Vorstellungsgespräch bei Successful Savingnahm ich gut sichtbar je ein Exemplar der Financial Timesund des Investor’s Chronicle mit. Man hat mir keine einzigeFinanzfrage gestellt. Wenn ich mich recht entsinne, habenwir die ganze Zeit nur über Ferienhäuser geredet und überandere Redakteure gelästert.

Ich mache also an einem Zeitungskiosk Halt, kaufe mireine FT, klemme sie mir professionell unter den Arm undbewundere mein Spiegelbild im Schaufenster von Dennyand George.

Ich sehe nicht schlecht aus, denke ich. Ich habe meinenschwarzen Rock von French Connection an, ein schlichtesweißes T-Shirt von Knickerbox und eine kurze Angora-strickjacke von Marks & Spencer, von der man aber glatt

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glauben könnte, sie sei von Agnès B. Und meine neuenSchuhe mit den eckigenVorderkappen von Hobbs. Und wasnoch viel besser ist – auch, wenn das niemand sehen kann:darunter trage ich meine heiß geliebte neue BH-Garniturmit den aufgestickten gelben Rosenknospen. Die ist eigent-lich das Beste an meinem ganzen Outfit. Ich wünschte fast,ich würde überfahren, damit alle Welt sie sehen kann.

Das ist so eine Angewohnheit von mir, jedes einzelneKleidungsstück, das ich am Leib trage, ganz genau benen-nen zu können, wie in einer Modezeitschrift. Das mache ichnun schon seit Jahren – nämlich seit ich regelmäßige Just Se-venteen-Leserin war. In jeder Ausgabe wurde ein Mädchenvorgestellt, dass auf der Straße angehalten worden war,mit Foto und einer detaillierten Auflistung ihrer Klamotten.»T-Shirt: Chelsea Girl. Jeans: Top Shop. Schuhe: von einerFreundin geliehen.« Ich habe diese Auflistungen leiden-schaftlich gern gelesen – und noch heute trenne ich aus denKleidungsstücken, die ich in etwas uncoolen Läden gekaufthabe, grundsätzlich das Etikett heraus.Auf dieseWeise kannich – sollte ich einmal auf der Straße angehalten werden –so tun, als wüsste ich nicht, wo ich das Teil her habe.

Wie dem auch sei. Da stehe ich nun also und betrachtemich im Schaufenster, finde, dass ich eigentlich ganz gutaussehe und wünsche mir förmlich, dass jemand von JustSeventeen mit einer Kamera auftaucht – als meine Augenneu fokussieren, sich erstaunt weiten, und mir fast das Herzstehen bleibt. In Denny and Georges Schaufenster hängtganz diskret ein Schild. Dunkelgrün mit cremefarbenenLettern: REDUZIERT.

Hämmernden Herzens starre ich darauf. Das kann nichtsein. Denny and George haben doch nicht reduziert. Nie.Denny und Georges Tücher und Pashminaschals sind so

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begehrt, dass sie sie wahrscheinlich sogar für den doppeltenPreis verkaufen könnten. Jeder, den ich kenne, ist scharf aufein Tuch von Denny and George. (Na gut, außer meinerMum und meinem Dad. Meine Mum meint nämlich, wasman nicht bei Bentalls of Kingston bekommt, braucht manauch nicht.)

Ich schlucke, gehe zwei Schritte vorwärts und drücke dieTür von diesem winzigen Laden auf. Die Türglocke macht»Ping«, und die nette blonde Frau hinter dem Tresen siehtauf. Ich weiß zwar nicht, wie sie heißt, aber ich habe sieschon immer gemocht. Ganz im Gegensatz zu all den ande-ren arroganten Verkäuferinnen in Klamottengeschäften hatsie nämlich überhaupt nichts dagegen, dass man stunden-lang im Laden herumsteht und sich Sachen ansieht, dieman sich eigentlich gar nicht leisten kann. Normalerweisehalte ich mich etwa eine halbe Stunde bei Denny and Ge-orge auf und lechze nach denTüchern, dann gehe ich zu Ac-cessorize und kaufe mir etwas, um mich aufzuheitern. Ichhabe eine ganze Schublade voll von Denny-and-George-Er-satzbefriedigungen.

»Hi«, sage ich und versuche, ruhig zu bleiben. »Sie ha-ben… Sie haben ja reduziert.«

»Ja.« Die blonde Frau lächelt. »Ziemlich ungewöhnlich füruns.«

Ich lasse meinen Blick durch den Laden schweifen. Ichsehe stapelweise ordentlich gefaltete Tücher, über denendunkelgrüne »-50%«-Schilder hängen. Bedruckter Samt,perlenverzierte Seide, bestickter Kaschmir – und alle ziertdezent der Denny-and-George-Schriftzug. Der ganze La-den ist voll davon. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.Oh, Gott, ich glaube, ich bekomme eine Panikattacke.

»Ich glaube, Ihnen hat das hier immer besonders gut ge-

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fallen«, sagt die nette blonde Frau und zieht ein grau-blauschimmerndes Tuch aus dem Stapel vor sich.

Oh, Gott, ja. Ich erinnere mich. Seidenähnlicher Samt, inzartem Blau bedruckt und mit irisierenden Perlen bestickt.Ich starre das Tuch an und spüre, wie ich an unsichtbarenFäden fast unmerklich zu ihm hingezogen werde. Ich musses berühren. Ich muss es umlegen. Ich habe noch nie so et-was Schönes gesehen. Die Verkäuferin wirft einen Blick aufdas Preisschild. »Von £ 340 auf £120 reduziert.« Sie kommtauf mich zu und drapiert das Tuch um meinen Hals. Ichstarre auf mein Spiegelbild.

Gar keine Frage. Ich muss diesesTuch haben. Ich muss eshaben. Mit diesemTuch wirken meine Augen größer, meineFrisur teurer – ich sehe aus wie ein neuer Mensch. Und espasst einfach zu allem. Man wird mich »Die Frau mit demDenny-and-George-Tuch« nennen.

»An Ihrer Stelle würde ich nicht lange überlegen.« DieVerkäuferin lächelt mich an. »Das ist das Letzte.«

Unwillkürlich kralle ich mich an ihm fest.»Ich nehme es«, keuche ich. »Ich nehme es.«Während sie das Tuch auf Seidenpapier ausbreitet, hole

ich mein Portemonnaie heraus, klappe es auf und greifeautomatisch nach meiner VISA-Karte – aber ich fasse insLeere. Überrascht und verwirrt durchwühle ich sämtlicheFächer in meinem Portemonnaie und überlege, ob ich dieKarte vielleicht zusammen mit einem Kassenbon irgendwohingesteckt hatte oder ob sie sich hinter einer Visitenkarteversteckt… Und dann fällt es mir siedend heiß ein. Sie liegtauf meinem Schreibtisch. Mir wird schlecht.

Wie konnte ich nur so blöd sein? Wie konnte ich nurmeine VISA-Karte auf meinem Schreibtisch liegen lassen?Wo hatte ich denn meine Gedanken?

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Sophie Kinsella

Die SchnäppchenjägerinRoman

Taschenbuch, Broschur, 416 Seiten, 11,8 x 18,7 cmISBN: 978-3-442-46726-6

Goldmann

Erscheinungstermin: Januar 2008

Eine hinreißende romantische Komödie Rebecca Bloomwood verdient ihren Lebensunterhalt damit, anderen Leuten gute Tipps inGeldfragen zu geben. Ihre Freizeit verbringt sie mit Einkaufen. Kein Wunder, dass sie sichständig gezwungen sieht, sich durch ausgiebiges Shoppen zu entspannen – ein Teufelskreis.Schließlich droht sie in ihrem selbst geschaffenen Chaos unterzugehen, da sie sich gleichzeitigdie Bank vom Leib halten, den attraktiven Luke Brandon beeindrucken und ihrer täglichen Arbeitnachgehen soll ...