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Wissenschaftliche HausarbeitErste Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen
nach RPO I vom 16. Dezember 1999
Soziale und Personale Kompetenzsteigerung durch
Yoga in der Schule
vorgelegt von
Helena Feldmeier
eingereicht bei der
Pädagogischen Hochschule Heidelberg
Referent: Prof. Dr. Alfred Klaus
Korreferent: Dr. Helmut Wehr
Heidelberg, den 13.02.2007
1
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 7-8
I. Yoga- ein Überblick 9-17
1.1. Yoga- eine Definition 9
1.2. Ziele des Yoga 9-10
1.3. Geschichte und Tradition des Yoga 10-11
1.4. Grundprinzipien des Yoga 11-12
1 .5. Der klassische Übungsweg des Yoga- der achtgliedrige Pfad des 12-15
Patanjali
1.6. Die Yoga Philosophie- Vedanta 15-17
2. Hatha Yoga- der körperorientierte Weg des Yoga
2.1. Die Geschichte des Hatha Yoga 17-18
2.2. Definition des Hatha Yoga 18-19
3. Asana- eine Definition 19-20
3.1. Die Qualitäten einer asana 20
3.2. Körperliche und psychische Zusammenhänge beim Praktizieren 20-21
der asana
3.3 Körperliche Wirkung der asana 21-22
3.4. Die Enspannungswirkung der asana 23-24
2
4. Pranayama- Atemübungen 23-24
5. Weitere Formen des Yoga 24-26
II. Was hat Yoga mit uns zu tun? 26-41
6. Yoga und der Westen
6.1. Die Entwicklung des Yoga im Westen (1930er Jahre bis heute) 26-28
6.2. "Was hat Yoga eigentlich mit uns zu tun?" 28-29
- Das höchste Ziel des Menschen: Glücklich sein! 29-32
Prinzipien des Yoga in der modernen Psychologie (Das Flow-Erlebnis
von Mihalyi Csikszentmihalyi)
7. Veränderte Kindheit- Anforderungen, Probleme und
Bedingungen der Kinder und Jugendlichen von heute 32-37
8. Erziehungsaspekte und ethische Prinzipien des Yoga
8.1. Ethische Prinzipien des Yoga-das Faustlos Programm 37-39
8.2. Yoga und Konzepte der westlichen Pädagogik- 39-41
Montessoris Normalisierungsprozeß: Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung
durch Konzentration
3
III. Yoga als Bewältigungsstrategie
für Kinder und Jugendliche 41-57
9. Yoga mit Kinder und Jugendlichen
– Physische und psychische Voraussetzungen der Kinder und Jugendliche 41-42
– verschiedene methodische und didaktische Merkmale von Yoga 42-44
10. Probleme und Anforderungen an Schüler 44-45
Yoga als Bewältigungsstrategie 45
11. Welche sozialen und personalen Kompetenzen werden
heute von Schülern erwartet?
Beispiele aus dem Bildungsplan:
- Was bedeutet sozial kompetent sein? 46
- Soziale Kompetenzen 46-48
- Personale Kompetenzen 48-49
12. Wie kann Yoga Schülern konkret helfen ihre personalen
und sozialen Kompetenzen zu steigern? 49
13. Stress als Beanspruchungsfolge und Möglichkeiten zur
Stressbewältigung 50-53
14. Störungen bei Schülern durch unangemessene Bewältigung von Belastung
und Stress
- Emotionale Störungen (Angst-und Minderwertigkeitsgefühle) 53-54
- Verhaltensauffälligkeiten (aggressives Verhalten) 54-55
4
- Aufmerksamkeits-und Konzentrationsstörungen 55-56
- psychosomatische Störungen 56-57
IV. Praxisteil – Übungsprogramme 57-80
15. Yoga-Programme
(bestehend aus asanas, Atemübungen und geführter Meditation)
für den Schulalltag zur Verbesserung von emotionalen und psychosomatischen
Störungen, Verhaltensauffälligkeiten und Aufmerksamkeits-und Konzentrations-
störungen
15.1. Übungsprogramm gegen Emotionale Störungen 58-63
15.2. Übungsprogramm gegen Verhaltensauffälligkeiten 63-69
15.3. Übungsprogramm gegen Aufmerksamkeits- und
Konzentrationsschwierigkeiten 69-75
15.4. Übungsprogramm gegen psychsomatische Störungen und körper- 75-80
liche Beschwerden
16. Wie kann man Yoga in der Schule integrieren? 81-83
17. Bisher erprobte Erfahrungen mit Yoga in der Schule 83-85
5
18. Literaturverzeichnis 86-87
Anlagen
19. Übungsprogramme zur Aktivierung - Wacher Körper, 88
wacher Geist
19.1. Übungen zur Aktivierung im Klassenzimmer 88-93
19.2. Übungsprogramm zur Aktivierung im Gymnastikraum
bzw. in der Turnhalle 94-101
20. Übungsprogramme zur Entspannung und Beruhigung 102
20.1. Übungen zur Entspannung im Klassenzimmer 102-106
20.2. Übungsprogramm zur Entspannung im Gymnastikraum
bzw. in der Turnhalle 107-112
21. “Ägyptischer Adler” - Atemübung 113
22. Erklärung als Anlage 114
22. Traumreisen
6
Einleitung
Mit dieser Arbeit möchte ich einige Vorschläge und Anregungen geben, wie man
Yoga in der Schule einsetzen kann, um personalen und soziale Kompetenzen der
Schüler zu steigern.
Durch die oft ungünstigen Lebensumstände und Bedingungen der Schüler heute ent-
stehen vermehrt Fehlbelastungen der Psyche (z.B. Depressionen, Angstzustände,
Stress, etc.) und des Körpers (z.B. Haltungsschäden, Rückenschmerzen, Übergewicht,
Kopfschmerzen etc.), die sich in diversen sichtbaren und spürbaren Anzeichen (z.B.
aggressives oder sozial schwieriges Verhalten) manifestieren. Es ist unbedingt
notwendig, die Schüler nicht mit ihren Problemen alleine zu lassen oder passiv
abzuwarten, ob sich das Problem nicht von alleine löst oder die Belastungsquelle (z.B.
Schule) versiegt.
Yoga bietet den Schülern Methoden an, wie sich sich selbst regulieren können, d.h.
wie sie sich beispielsweise in stressigen Situationen selbst beruhigen können. Wichtige
Fähigkeiten wie Achtsamkeit und Konzentration werden durch Yoga trainiert. Auch
der körperliche Aspekt ist beim Yoga nicht zu verachten. Durch regelmäßiges Üben
wird der Körper gestärkt, gedehnt und gekräftigt, so dass sich viele körperlichen Pro-
bleme von alleine auflösen werden. Die Schüler werden durch Yoga einen Zugang zu
ihren eigenen Gefühlen finden und auch die Anderen und ihre Bedürfnisse erkennen
und respektieren lernen.
Die Schüler sind weniger hilflos und bekommen durch Yoga Handwerkszeug, um ihr
Leben zu gestalten und um mit sich selbst, mit ihren Körper und Geist, in Einklang
und Harmonie zu leben. Diese Qualitäten werden sich automatisch auf den Umgang
mit den Mitmenschen übertragen. Außerdem stellt Yoga und sein Prinzip der Gewalt-
losigkeit eine wertvolle Methode dar, Gewalt in der Schule einzudämmen und einen
liebevollen und achtsamen Umgang miteinander zu üben.
Yoga stammt zwar aus jahrtausendalter indischer Tradition, wurde aber stetig den
Bedürnfnissen der modernen Menschen angepasst ohne jedoch seine innere Essenz zu
verlieren. Es geht nach wie vor darum, den Geist in die Stille zu führen und zu be-
ruhigen, um das wahre Selbst erfahren zu können. Mit dieser Arbeit möchte ich auf-
zeigen, dass der Weg dorthin viele Etappen beinhaltet, die auch für uns westliche
7
Menschen hilfreiche Ideen zur Lebensführung beeinhalten. Yoga ist aktueller den je
und kann uns helfen, viele unserer Probleme und Sorgen, seien sie körperlicher oder
seelischer Natur, aufzulösen oder zu mindern. Yoga lehrt uns ganz bewusst im Mo-
ment, konzentriert und achtsam zu sein.
Durch Übungsvorschläge und Anregungen im Praxisteil möchte ich zeigen, wie man
gezielt mit ausgewählten Yogastellungen (asanas), Atemübungen (pranayama) und
Meditationsübungen bestimmte Fähigkeiten und Qualitäten trainieren kann (z.B. Kon-
zentration, Hingabe, Demut, Toleranz) und vorhandene Probleme gezielt abbauen
kann (z.B. Angstzustände, soziale Kontaktschwierigkeiten). Außerdem möchte ich
deutlich machen, dass jeder Yoga üben kann und dass man Yoga auch in den Alltag
bzw. ins Klassenzimmer integrieren kann. Kleine, stetige Übungen können schon
große Veränderungen im Körper und im Geist der Schüler bewirken, was zwangsweise
eine Bereicherung für jeden Schüler als Individuum, aber auch immer ein Gewinn für
die ganze Gruppe sein wird.
8
I. Yoga -Ein Überblick
1.1. Yoga-eine Definition
Yoga gehört zu den sechs orthodoxen1 Philosophiesystemen des Hinduismus und ist als
ganzheitliches Übungssystem geistlicher und körperlicher Übungen zu verstehen.
Dazu gehören die Körperstellungen (asanas), die Atemübungen (pranayama), Medita-
tion, Regeln zum Umgang mit sich selbst und seinen Mitmenschen (yamas und niya-
mas) und Reinigungsübungen (kriyas).
Yoga ist nicht-religiöse, universale Spiritualität und steht allen Glaubensrichtungen
offen und tolerant gegenüber.
Das Wort Yoga geht auf die indogermanische Wurzel „yui“ (deutsch: Joch) zurück,
was soviel wie anschirren oder zusammenführen bedeutet. Zuerst denkt man daran,
Pferde oder Ochsen vor einem Wagen mit Hilfe eines Jochs zusammenzubinden, doch
im übertragenen Sinne geht es um die Zügelung der Sinne. Die Gedanken und Sinne
des Menschen werden mit wilden Pferden verglichen, die man zur Ruhe bringen
möchte. Der Wagen symbolisiert den Körper und der Wagenlenker, der bestimmt,
wohin es gehen soll bzw. die Sinne zügelt, ist der Geist.2
1.2. Ziele des Yoga
Yoga bedeutet auch Einheit und Harmonie.
Es geht im Yoga darum, Körper,Geist und Seele miteinander in Einklang und Harmo-
nie zu bringen. Um ein zufriedenes Leben führen zu können, müssen drei Bedürfnisse
des Menschen erfüllt sein: Gesundheit als physisches Bedürfnis, Wissen als psycholo-
gisches Bedürfnis und innerer Frieden als spirituelles Bedürfnis.3
Körperliche Gesundheit erreicht man im Yoga vor allem durch Körperübungen (asa-
nas) und eine vernünftige, vegetarische Ernährung. Wissen erlangt man durch das Stu-
dium des Selbst, Meditation und durch Beschäftigung mit der Yogaphilosophie (vedan-
1Bedeutet hier: übereinstimmend2Vgl.Trökes, Das Grosse Yogabuch, 2005, S.14-153Vgl. Mehta, Yoga Gymnastik, 2004, S.8
9
ta). Hingabe ist eine weitere Komponente, die dem Mensch zu innerem Frieden ver-
hilft.
Es geht im Yoga jedoch nicht nur um die Harmonisierung des Lebens, sondern auch
um die Erweckung schlafender Fähigkeiten. Yogaübungen können beispielsweise
Kreativität und Intuition aktivieren. Außerdem verhelfen sie zu mehr Energie, Klar-
heit, einer gesteigerten Konzentrationsfähigkeit und mehr Selbstvertrauen.
Das allerhöchste Ziel des Yoga ist jedoch die Verwirklichung unseres wahren Selbst.
Haben wir das erreicht, erfahren wir einen Zustand völliger Glückseligkeit und befin-
den uns in einem Gefühl der Einheit mit allem.4
1.3. Die Geschichte und die Tradition des Yoga
Die Entstehung des Yoga lässt sich nicht ganz genau festlegen. Es gibt jedoch ver-
schiedene Hinweise und Quellen. Bereits 3000 v.Chr. wurden in der Mojendra-
Harappa-Kultur im Industal Statuen und Siegel im Lotussitz gefunden.5 Die westliche
Orientalistik hält fest, dass indogermanische Arier aus der südrussischen Steppe etwa
1500-800 v.Chr. in Indien einwanderten und durch die Vermischung ihrer Spiritualität
mit der Spiritualität der bereits ansässigen Kultur das Yoga System entstand.
Die klassische indische Theorie behauptet, dass Yoga den Rishis (Sehern) in tiefer
Meditation enthüllt wurde. Sie gaben ihre Weisheit so lange mündlich an ihre Schüler
weiter, bis sie dann später, meist von Vyasa, aufgezeichnet wurde.6
Etwa 1500-800 v.Chr. enstand eine der wichtigsten Schriften des Yoga: die Veden-
indische heilige Schrift und gleichzeitig älteste Textsammlung der Menschheit. Ein be-
sonders wichtiger Teil dieser Schriften sind die Upanishaden, die die philosophische
Essenz der Veden zusammenfassen.
Eine weitere bedeutende Yogaschrift ist die Bhagavad Gita (wörtlich übersetzt: der
Gesang Gottes/ des Erhabenen), die aus 700 Versen innerhalb des indischen Helden-
epos Mahabharata besteht. Sie besteht aus Gesprächen zwischen dem Lehrer, der
Gottesinkarnation Krishna und seinem Schüler Arjuna. Krishna gibt Arjuna An-
4Vgl. Swami Vishnu-Devananda, Das grosse illustrierte Yogabuch, 2005, S.13-215Vgl. Waterstone, Indien, 2006, S.10-116Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S. 29
10
leitungen und Richtlinien für richtiges Handeln in der Welt und für ein ethisches und
spirituelles Leben. In der Bhagavad Gita sind die drei Grundprinzipien des Yoga
beschrieben:
Karma Yoga (Yoga der Tat)
Jnana Yoga (Yoga des Wissens)
Bhakti Yoga (Yoga der Hingabe)7
1.4. Die Grundprinzipien des Yoga
Die drei Grundprinzipien des Yoga sind mögliche Wege für den Menschen, um das
wichtigste Ziel des Yoga zu erreichen: die Verwirklichung des wahren Selbst und das
Einssein mit Gott.
Karma Yoga bedeutet selbstloses Dienen mit Hingabe und Konzentration. Es geht da-
rum, richtige Entscheidungen zu treffen und danach zu handeln.
Jnana Yoga ist der intellektuelle Weg der Erkenntnis. Philosophische Fragen wie
„Wer bin ich?, Woher komme ich?, Was ist der Sinn des Lebens?“ stehen hier im Vor-
dergrund. Jnana Yoga vollzieht sich in vier Stufen: zuerst hört man die Weisheit, dann
denkt man darüber nach, als nächsten Schritt meditiert man darüber, um über das In-
tellektuelle hinaus einen intuitiven Zugang zum Thema zu erhalten und zum Schluss
soll das Erfahrene in die Praxis umgesetzt werden.
Bhakti Yoga ist völlige Hingabe an ein Objekt durch Liebe. Man soll den Geist auf
Gott heften und allen Wünschen entsagen. Durch Beten, Mantra-Singen, Rituale und
durch das Erzählen von Mythen und Heiligengeschichten öffnet sich das Herz und man
kommt dann in Kontakt mit dem Göttlichen.8
Die spirituelle Entwicklung wird durch diese drei Prinzipien bestimmt: Durch eine
Tat/Handlung (karma) ensteht Wissen. Durch dieses Wissen (jnana) ensteht Hingabe
7Vgl. Waterstone, Indien, 2006, S.60-618Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.8
11
(bhakti) und durch Hingabe ensteht Wahrheit und Liebe. Ausserdem wird auch die
Motivation, noch mehr für die spirituelle Entwicklung zu tun, angeregt (erneutes kar-
ma).
Später entstand eine weiterere Yogarichtung, die vor allem die Meisterung und Beherr-
schung des Geistes als Ziel verfolgt: das Raja Yoga. Durch Selbstbeobachtung, Acht-
samkeit und Meditation lernt der Mensch wie sein Geist funktioniert und wie er ihn
beherrschen kann.9
1.5. Der klassische Übungsweg des Yoga- der achtgliedrige Pfad des Patanjali
Der Weise Patanjali gilt als Verfasser eines der wichtigsten Grundlagenwerke des
Yoga, den Yoga Sutras10. Er lebte etwa zwischen 200 v.Chr und 200 n.Chr. und fasste
das bis zu dieser Zeit gesammelte Wissen über Yoga zusammen. Er erklärt in den
Sutras jedoch nicht nur den achtgliedrigen Pfad (ashtanga marga) als System von
Übungs-und Verhaltensregeln, der den Mensch zum richtigen Handeln anleiten soll,
sondern er analysiert auch den menschlichen Geist und stellt die Ursachen des Leids
dar.
Das übergeordnete Ziel der Sutras ist die Entwicklung und die Konzentration des Geistes
mit dem Ergebnis, dass der Mensch innere Zufriedenheit, Ruhe, Klarheit und höchstes
Glück erlangt.
Die erste wichtige Feststellung Patanjalis ist, dass alles menschliche Handeln durch den
Geist bestimmt ist. Ein Mensch mit unkonzentriertem Geist wird auch zerstreut und
unkonzentriert handeln.
Als Ursachen für jegliches Leid des Menschen, nennt Patanjali die fünf Kleshas.
Das erste Klesha ist "falsches Verstehen der Welt und falsches Wissen (avidya)", was
sich mit dem uns heute bekannten Begriff des Konstruktivismus vergleichen lässt. Der
Mensch kann immer nur subjektiv denken, urteilen und handeln, da sein Wissen immer
von seinen persönlichen Erfahrungen, Wünschen, Erwartungen und Ängsten geprägt
und beeinflusst ist. Das zweite Klesha ist die falsche Einschätzung der eigenen Person
(asmita). Wir identifizieren uns mit den Aussagen anderer Personen über uns und ver-
9Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.4310Sutra= Leitfaden
12
mischen unser eigenes Bild von uns zu einer Identität.
Das dritte Klesha ist das drängende Verlangen, etwas haben zu wollen- sei es etwas
Materielles oder auch Werte wie Liebe, Anerkennung und Aufmerksamkeit.
Das vierte Klesha ist die Abwehr, Abneigung oder das Vermeiden (dvesha) von Tat-
sachen. Wir schauen oft weg, um uns nicht mit der Realität zu konfrontieren und um
Unangenehmes zu vermeiden.
Das letzte der fünf Kleshas ist die Angst (abhinivesha). Am stärksten ist die Angst vor
dem Tod und die Angst, nicht geliebt zu werden.11
Um dieses Reiz-Reaktions-Schema zu verlassen, rät Patajali eine ständige Achtsamkeit
zu entwickeln und hält zum bewussten und reflektierten Umgang mit den verschie-
denen Hindernissen an. Der Mensch soll Unterscheidungskraft (viveka) entwickeln,
um unterscheiden zu lernen und um zukünftiges Leid frühzeitig zu erkennen und zu
vermeiden. Der achtgliedrige Pfad soll uns durch Handlungsanweisungen helfen un-
sere Leiden zu transzendieren. Jedes der acht Glieder ist gleichwertig und ist auf die
anderen Glieder angewiesen.
Das erste Glied "yama" (Vgl. Yoga Sutra II.30. -II.31.) beinhaltet Ratschläge zum
Handeln in der Welt bzw. Verhaltensempfehlungen gegenüber den Mitmenschen. Dazu
gehört ein rücksichtsvoller gewaltloser Umgang mit allen Lebewesen (ahimsa); Wahr-
haftigkeit und Offenheit (satya); der bewusste Umgang mit unserem Begehren und
Verlangen (asteya); das richtige Maß im Handeln (brahmacharya) und nur so viel
besitzen zu wollen, wie wir wirklich brauchen (apaigraha).12 Wir sollen lernen, tiefer
wahrzunehmen und somit andere in Tiefe zu erkennen.
Das zweite Glied "niyama" (Vgl. Yoga Sutra II.32.) gibt Ratschläge, wie wir uns uns
selbst gegenüber verhalten sollen. Wir sollen darauf achten, unseren Körper und Geist
und unsere Umgebung nicht zu verunreinigen (shauca). Um tiefe Zufriedenheit erlang-
en zu können, müssen wir auch lernen, uns so anzunehmen, wie wir sind und mit dem
zufrieden zu sein, was wir haben (Vgl. Yoga Sutra II.42.). Disziplin und stetiges Be-
mühen (tapas) sind auch nötig, um auf dem Weg der Selbsterfahrung und Entfaltung
voranzukommen. Der Mensch soll selbstreflexiv sein und sein eigenes Verhalten immer
11 Vgl. Patanjali, Yoga Sutras I.5. bis I.11.12Vgl. Desikachar, Über Freiheit und Meditation: Das Yoga Sutra des Patanjali; S. 79-80
13
achtsam beobachten (svadhyaya). Hilfreich ist es, auf eine höhere Kraft, etwas Gött-
liches,zu vertrauen (ishvara pranidhana), was im übertragenen Sinn auch bedeutet dem
Übungsweg des Yoga zu vertrauen (Vgl. Yoga Sutra II.45). Wir sollen Geduld, Acht-
samkeit und Aufmerksamkeit entwickeln.
Das dritte Glied sind die Körperübungen (asanas). Heute gibt es über 300 Stellung-
en mit Abwandlungen, wobei der klassische Yoga nur den Lotussitz zur Meditation
kennt. Patajali beschreibt die Eigenschaften und Qualität der asana mit stabil (fest) und
leicht (bequem) (Vgl. Yoga Sutra II.46.). Unser Körper soll jede asana stabil und be-
quem halten, damit wir in Stille darin verweilen können. Die Stille und Regungslosig-
keit des Körpers kann sich so auf den Geist übertragen und hilft uns, uns zu sammeln
und unsere Mitte zu finden. Asanas beseitigen energetische Blockaden und bereiten
auf den Meditationssitz vor. Sie dehnen und kräftigen den Körper, damit wir lange
beschwerdefrei und aufrecht sitzen können.
Das vierte Glied des Yogapfades sind die Atemübungen (pranayama- Vgl. Yoga
Sutra II.49.-II.53.). Die Atmung und der Geisteszustand des Menschen hängen
unweigerlich zusammen. Regulieren wir bewusst die Ein-und Ausatmung durch
Atemübungen, wird nicht nur unser Atem ruhig und gleichmäßig, sondern auch unser
Geist und unsere Gedanken werden beruhigt und klären sich.
Prana heißt übersetzt soviel wie Lebensenergie,d.h. ich verlängere durch Atemübungen
nicht nur den Atem an sich, sondern ich nehme auch mehr Lebensenergie in mich auf.
Genauso wie die asanas beseitigt pranayama Energieblockaden.
Das fünfte Glied ist das Zurückziehen der Sinne (pratyahara – Vgl. Yoga Sutra
II.54. Und II.55.). Der Mensch soll seine Sinne von äußeren Objekten zurückziehen
und somit sein Denken beruhigen und sich in seine Mitte zurückziehen. Zurückziehen
der Sinne bedeutet auch loslassen lernen.
Das sechste Glied ist die Konzentration (dharana- Vgl. Yoga Sutra III.1.).
Patanjali erklärt hier, wie man tiefe Konzentration lernen kann: durch achtsame Aus-
richtung des Geistes auf eine einzige Sache! So wird der von Natur aus unruhige und
ständig bewegte Geist immer unbewegter und stiller. Eine gute Methode um Konzen-
14
tration zu schulen ist die Meditation.
Das siebte Glied ist die Meditation (dhyana- Vgl. Yoga Sutra III.2.). Im Zustand der
Meditation ist es uns möglich, einen Sachverhalt selbstvergessen und frei von unseren
üblichen Denkmustern zu betrachten und zu analysieren. Unsere volle Aufmerksam-
keit kann sich direkt auf das Objekt richten, das wir betrachten möchten. Nur so ist das
Erkennen und Verstehen der wahren Natur eines Gegenstandes möglich. Die Medita-
tion stärkt auch die Entwicklung positiver Eigenschaften in uns (Vgl. Yoga Sutra
III.24.).
Das letzte und achte Glied des Pfades ist das Erlangen des höchsten Bewußtseins-
die Verschmelzung , das eins werden mit uns und der Welt (samadhi- Vgl. Yoga
Sutra III.3.). Hat man diesen Zustand erreicht, nimmt man alles vollkommen offen
und voller Hingabe an. Die Aufmerksamkeit ist auf das gerichtet, was uns verbindet,
d.h. die Dualität wird aufgehoben.
1.6. Die Yoga-Philosophie-Vedanta
Um Yoga mit seinen Übungswegen und Zielen besser verstehen zu können, ist es not-
wendig, die dahinter stehende Philosophie des Vedanta kennenzulernen, die sich doch
grundlegend von unseren westlichen Idealen und Vorstellungen unterscheidet.
Die Vedanta Philosophie ist die Philosophie hinter dem Yoga und gleichzeitig die natür-
liche Philosophie Indiens. Vedanta wird auch als grundlegende Kultur Indiens bezeich-
net und bedeutet wörtlich übersetzt "das Ende des Wissens". Sie ist kein Glaube, son-
dern die Wissenschaft vom richtigen Leben. Wie jede Philosophie beschäftigt sich
auch die Vedanta Philosophie mit Fragen wie "Wer bin ich?" oder "Was ist mein
wahres Selbst?". Die Basis der Vedanta Philosophie sind die 108 Upanishaden13.
Man geht in der Vedanta Philosophie davon aus, dass alles im Universum aus dem
13 Upanishad: Indische heilige Schrift, letzter und philosophischer Teil der Veden
15
gleichen Stoff bzw. aus der gleichen Energie entstanden ist. In jedem Lebewesen
wohnt etwas Göttliches inne. Dieses Göttliche im Individuum nennt sich atman14 und ist
identisch mit dem universellen Göttlichen (brahman)15. Jedes Lebewesen trägt bereits
alles in sich und ist von Natur aus perfekt. Einzig und allein die Identifikation der
Lebewesen mit der Natur und mit der Welt lässt sie das vergessen und somit entstehen
Verblendung und Leid.
Alles, was existiert ist demnach eins und nichts wird ausgeschlossen. In allen Wesen
ist ein gemeinsames Selbst und ein gemeinsames Bewusstsein: das wahre, unsterbliche
und alles durchdringende Selbst (atman). Wir sind nicht unser Körper und unsere
Gedanken, denn diese sind vergänglich- das einzige, das immer da war, ist und sein
wird, ist unsere Seele, unser unsterbliches Selbst (atman).16
Der Mensch soll "Ich und Mein" aufgeben und keinen Anderen mehr hassen, denn der
Andere ist sein Selbst. Das bedeutet: Füge ich anderen Schaden zu, schade ich mir
selbst! Brahman ist die unendliche, höchste und ewige Wirklichkeit der Vedanta Philo-
sophie und ist die Quelle von Sein, Glückseligkeit und Weisheit.
Die Vedanta Philosphie stellt fest, dass atman und brahman das einzig Wirkliche sind
und die Welt aus Schein und Illusion besteht. Ihre universelle Kraft heißt maya und
findet sich im Individuum als Unwissen (avidya) wieder, das uns vergessen lässt, dass
wir das Selbst (atman) sind.
Körper und Geist (upadhis17) verhüllen das Bewusstsein, täuschen und trennen uns von
unserem Selbst. Identifiziert sich das Selbst mit den upadhis, wird es jiva genannt.
Dieser begrenzte und gebundene jiva leidet und wird solange wiedergeboren, bis er sei-
nen atman, seine wahre Natur, wiedererkennt.
Deshalb fordert die Vedanta Philosophie den Menschen auf, sich über seinen Geist und
seinen Körper zu erheben und unterscheiden zu lernen zwischen Wahrem und Unwah-
rem. Der Mensch soll sich mit seinem Selbst identifizieren und es in allem sehen.
Er muss spüren, dass es nichts gibt, außer dem Selbst.
Alles in diesem Universum Existierende enthält die drei gunas (Eigenschaften): sattwa
(Reinheit und Weisheit), rajas (Aktivität und Bewegung) und tamas (Faulheit und
14 die Seele15 Wörtlich: das Große; die Ursubstanz, der alles entspringt. Bezeichnung absolute, attributlose Bewusstsein.16 Vgl. Waterstone, Indien, 2006, S.22-2317 Begrenzte Hüllen
16
Trägheit). Diese drei Eigenschaften der Natur existieren immer gemeinsam, lediglich die
Gewichtung ist unterschiedlich. Ideal ist es, wenn möglichst wenig rajas und tamas
vorliegen und sattwa überwiegt. Yoga ist als wissenschaftliche Methode zu verstehen,
diese drei gunas zu überschreiten,d.h. sich nicht mehr in ihnen zu verhaften, um so der
Wahrheit näher zu kommen.18
Das Ziel von Vedanta ist, Glück und Frieden zu bringen, Freiheit zu schenken und
Ängste, Sorgen und Bedenken des weltlichen Lebens zu beseitigen. Hierfür bedarf es
nicht nur ständiger Praxis im Handeln, sondern auch eine Veränderung der geistigen
Einstellung. Die Welt darf nicht mehr alles für uns bedeuten, sondern die Wirklichkeit
muss an höchste Stelle treten.19
2. Hatha Yoga- der körperbezogene Übungsweg
2.1. Die Geschichte des Hatha-Yoga
Hatha Yoga entwickelte sich als körperbezogener Übungsweg als Einstieg zum klas-
sischen Yoga etwa im 8. Jahrhundert n. Chr. in Nordindien. Die Nath-Yogis20, seine
Begründer, verehrten besonders den Gott Shiva und erklärten, dass er ihnen den Hatha-
Yoga offenbart habe. Sie sollten dadurch einen methodischen Übungsweg bekommen,
der sie zum Ursprung ihres Seins zurückführt.21
Dem Übenden sollte ursprünglich die Begegnung mit Gott ermöglicht werden, indem er
beim Üben seinen Körper mit Lebensenergie (prana) durchströmt erfährt. Der Atem
soll als von Gott kommend wahrgenommen werden und somit die Verbindung von
Mensch zu Gott herstellen. Der Mensch erfährt also durch das bewusste Wahrnehmen
seiner Lebensenergie und seines Atems Gott in sich.22
In einer der wichtigsten traditionellen Schriften des Hatha-Yoga, der Hatha-Yoga
Pradipika, heißt es, dass der Hauptzweck des Yoga die Befähigung zur Herrschaft über
18 Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.1819 Vgl. Swami Sivananda, Die göttliche Erkenntnis, 2001, S.337-34220begründet vom tantrischen Asketen Goraknath21 Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.1822 Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.29-30
17
den Geist (raja yoga23) ist. Sie sagt, dass Hatha-Yoga die Grundlage aller anderen
Yoga Pfade ist. Hatha-Yoga stand im Zeitalter des Mittelalters allen Menschen unein-
geschränkt offen, bis etwa 1500 n. Chr. durch strenge religiöse Strömungen Frauen
und niedere Kasten ausgeschlossen wurden. Yoga geriet sogar aufgrund seiner Tech-
niken der Körperhaltung und Reinigung in Verruf, so dass er bis von etwa 1600 bis
etwa 1900 in der Versenkung verschwand und nur wenige Traditionslinien in dieser
Zeit weiterexistierten und das alte traditionelle Wissen bewahrten. Im 20. Jahrhundert
wurde der Yoga durch die Rückbesinnung der Inder auf ihre eigene Kultur, vermutlich
ausgelöst durch die Kolonialisierung, wiederbelebt. Man passte lediglich die alten
Techniken den menschlichen Bedürfnissen an und machte die wichtigsten Grundlagen-
texte zugänglich.24
2.2. Definition Hatha-Yoga
Die erste Silbe des Wortes "Ha" bedeutet Sonne, die zweite Silbe "Tha" wird mit
Mond übersetzt.
Die Vereinigung der beiden Polaritäten Sonne und Mond ist auf den Mensch übertra-
gen als Harmonisierung der beiden Grundenergien, der wärmenden, aktivierenden und
der aufbauenden, kühlenden Energie, zu verstehen. Hatha als ganzes Wort bedeutet auch
Anstrengung.25
Der menschliche Körper wird im Hatha Yoga als Freund und göttliches Geschenk ge-
sehen, denn allein durch ihn sind wir in der Lage, Erfahrungen zu machen. Der Körper
wird als Tempel der Seele gesehen und muss dementsprechend gepflegt werden, jedoch
soll er nicht den Stellenwert des Allerwichtigsten einnehmen. Jeder Mensch muss
selbst die Verantwortung für sich und seinen Körper übernehmen. Man geht davon
aus, dass nur ein starker Körper Gott erfahren kann.
Hatha-Yoga ist zwar ein Weg des Körpers, der nicht nur beim Körperlichen bleibt,
sondern den Menschen immer als Ganzes sieht. Neben den körperlichen Ansätzen
werden ebenso die geistigen und emotionalen Bedürfnisse des Menschen
angesprochen.
23s. Kapitel 1.4. Die Grundprinzipien des Yoga24 Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.1925 Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.99
18
Die Einheit von Körper und Geist wird im Hatha-Yoga durch asanas, pranayama,
Entspannung, richtige Ernährung und positives Denken erreicht.26
3. Die Asana27- eine Definition
Ursprünglich gab es nur eine asana- den Lotussitz zur Meditation. Später entwickelten
sich dann immer mehr Stellungen, angefangen bei 15 Stellungen in der Hatha-Yoga
Pradipika bis hin zu über 300 Stellungen heute28. Das Üben der asanas dient (wie be-
reits in Punkt 1.5. "Der achtgliedrige Pfad- im dritten Glied" erwähnt) zur Vorbereitung
einer ungestörten Meditation und zum besseren Verständnis des Atems. Somit bildet
die asana die Grundlage für pranayama (Atemübungen)(Yoga Sutra II.49). Der
Mensch lernt durch das Praktizieren von asanas, dass sich seine Atmung, je nach
geistiger und körperlicher Verfassung, verändert.29 Es ist besonders wichtig, während
der asana immer weiterzuatmen und niemals den Atem anzuhalten, wie wir es
normalerweise bei ungewohnten Anstrengungen oder bei Anspannung gerne tun. Im
Yoga schickt man den Atem, im Gegenteil, ganz bewußt in die Körperteile, die gerade
belastet und angestrengt werden.
Durch regelmäßiges Praktizieren der asanas werden wir stabiler in unserem Geist und
können nicht mehr so leicht aus dem Gleichgewicht gebracht werden (Vgl. Yoga Sutra
II.48.). Wir werden nicht nur körperlich flexibler und klarer, sondern auch unser Geist
wird flexibler und klarer auf die Herausforderungen des täglichen Lebens reagieren.
Auch die Ursachen des menschlichen Leids, die fünf kleshas (Verlangen, Ablehnung,
Angst, falsches Verstehen und falsche Einschätzung der eigenen Person), werden
durch regelmässiges Üben verringert. Das gilt vor allem auch für körperliche Be-
schwerden.
Ein Kind, das Rückenschmerzen hat, wird sich, solange es diese Schmerzen hat, nicht
auf den Unterricht konzentrieren können, sondern seine Gedanken werden nur vom
Schmerz erfüllt sein. Werden die Schmerzen jedoch durch asanas gelindert oder ver-
schwinden sogar ganz, ist der Geist dieses Kindes endlich frei, sich mit anderen Din-
26 Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2000, S.18 und S. 29ff27 (Körper-)stellung28beispielsweise bei Iyengar, Licht auf Yoga29Vgl. Desikachar, Über Freiheit und Yoga-Das Yoga Sutra des Patanjali, 1997, S. 91
19
gen zu beschäftigen30
3.1. Die Qualitäten einer asana
Patanjali definiert die Qualität der asana in den Yoga Sutras II.46. bis II.49. sehr
genau. Die asana sollte in ihrer Ausführung gleichermaßen leicht und stabil sein
(Vgl.Yoga Sutra II.46.), was bedeutet, dass wir uns auf keinen Fall in eine Stellung
zwingen oder kämpfen sollen, aber trotzdem konzentriert, aufmerksam und fest üben
sollen. Die Konzentration soll nach innen gerichtet sein, d.h. der Übende soll voll-
ständig aufmerksam bei der Ausführung der asana sein. Das bewusste aber gleichzeitig
entspannte Ausführen der asanas trägt zu einer Sensibilisierung und besseren Wahr-
nehmung bei. Der Übende wird nicht nur die Funktionen seines Körpers bewusster
wahrnehmen, vor allem die Zustände von Anspannung und Entspannung und die At-
mung. Er wird auch im Alltag bewußter und konzentrierter Handeln können.31 Die
Atmung nimmt hierbei eine wichtige Rolle ein, da sich der Übende vor allem auf
seinen Atem konzentrieren soll und die asana in seinem Atemrhythmus ausführen soll
(z.B. einatmend hebt sich das Bein, ausatmend senkt sich das Bein). Der Atem soll
möglichst immer fließen,d.h. er sollte ruhig und entspannt sein.
3.2. Körperliche und psychische Zusammenhänge beim Praktizieren der asanas
Es wird davon ausgegangen, dass körperliche Spannungszustände und psychische Zu-
stände eng miteinander verbunden sind und einander wiederspiegeln. Menschen die
beispielsweise unter Angst und Streß leiden, sind in der Regel auch körperlich, vor
allem in der Rumpfmuskulatur, verspannt. Die asana kann durch Dehn-, Lockerungs-
und Entspannungsübungen die körperliche(n) Verspannung(en) lösen, wodurch es oft
auch zu einer Verbesserung oder Auflösung des psychisch-en Syndroms bzw. Pro-
blems kommt. Außerdem gibt es asanas zur Weitung des Brust-und Schulterbereichs
z.B. die Kobra (bhujangasana) und der Fisch (matsyasana). Es gibt asanas speziell zur
Aufrichtung der Wirbelsäule, was eine innere Aufrichtung auf emotionaler Ebene mit
30Vgl. Desikachar, Meditation und Freiheit-Die Yoga Sutras des Patanjali, 1997, S. 9031Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.65
20
sich bringt.32
3.3. Körperliche Wirkungen der asana
Yogaübungen kräftigen den Körper, optimieren die Funktion der inneren Organe und
halten uns geistig wach und aufmerksam.
Sie regen den Kreislauf an und erhöhen die Aufnahme von Sauerstoff. Wird der Orga-
nismus nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt, werden wir müde. Durch das Üben
von asanas werden die Muskelfasern des Herzens gestreckt, wodurch sie stärker kon-
trahieren und somit mehr Blut in den Kreislauf gepumpt werden kann.33 Yogaübungen
helfen den gesamten Organismus gleichmäßig mit Blut zu versorgen.34
Fast alle asanas fördern den Gleichgewichtssinn und die Balancefähigkeit des Übenden.
Durch konzentriertes Üben lernt man, die asana mit immer weniger Kraft und Anstren-
gung und immer präziser ausgerichteter zu halten35.
Im Alltag wird unser Körper meistens nur einseitig belastet und besonders durch
sitzende Tätigkeiten verkümmern viele Muskeln. Durch Yogaübungen wird der ganze
Bewegungsapparat beansprucht und durch exaktes Strecken und Gegenstrecken wer-
den Haut, Muskeln und Gewebe nach dem Skelett ausgerichtet. Während der asanas
dehnen, strecken und belasten wir Körperteile (Gelenke, Sehnen, Muskeln), die wir im
Alltag nie gebrauchen. Das Üben von asanas 36 schult die Wahrnehmung und das Em-
pfinden des eigenen Körpers, da wir uns in dem Moment der Ausführung der asana
vollständig auf die aktiven Körperteile konzentrieren. Die gespürten Informationen
gehen an unser Gehirn und somit können wir die subjektive Abbildung unseres Kör-
perschemas verfeinern.37
Viele asanas haben auch die Funktion einer Reflexzonenmassage und können so die
Funktion der inneren Organe positiv beeinflussen und harmonisieren.
Asanas wirken sich positiv auf den Kreislauf aus, da sie statische Druckveränderungen
32Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.6633Starlingsches Herzgesetz benannt nach dem Entdecker, dem Physiologen Starling34Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S. 14835 Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule,1998, S. 69-7036Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.72
21
im Körper bewirken, die den Blutdruck ansteigen lassen. Vor allem Vorbeugen und
Umkehrhaltungen erzeugen einen Druck im Rumpf, so dass wir durch die ungewohnte
Belastung automatisch unsere Ausatmung trainieren Die Einatmung wird so unweiger-
lich mitverbessert, denn die meisten Menschen atmen nicht vollständig aus und behal-
ten immer einen Rest verbrauchte Luft in ihren Lungen zurück.38 Deshalb können sie
beim erneuten Einatmen nie ihre volle Lungenkapazität ausschöpfen und ein Maxi-
mum an Frischluft aufnehmen. Durch Yogaübungen lernen sie vollständig auszuatmen
und langsam und bewusst vollständig einzuatmen.
Bei verschiedenen asanas wird kurzfristig die Durchblutung an einzelnen Körper-
stellen unterbrochen, was bei der Auflösung der asana zu einer verbesserten Durch-
blutung an den betroffenen Stellen führt. Wir fühlen an diesen Stellen beim Nachspüren
der Übungen dann oft ein Gefühl von Wärme und Aktivierung.39
3.4. Die Entspannungswirkung der asana
Während der Ausführung einer asana spannen wir bestimmte Körperteile an, wobei es
zur Anspannung bestimmter Muskeln oder Muskelgruppen kommt. Lösen wir die Stel-
lung dann auf und spüren nach, (d.h. wir spüren bewußt noch einmal in die Körper-
stellen hinein, die wir zuvor angespannt haben) wird der Muskeltonus herabgesetzt und
somit Entspannung hervorgerufen. An dieser Stelle möchte ich auf die Muskelent-
spannungsgesetzte hinweisen, die besagen, dass ein Muskel, der mindestens 5 Sekun-
den lang bewusst angespannt wird, anschließend besonders gut entspannen kann. Auch
die passive Konzentration und Dehnung ist wichtig, denn ein Muskel, der mindestens
10 Sekunden bewusst passiv gedehnt wird, kann danach gründlich entspannen.40
Die, in die Yogaübungen integrierte, Atmung (d.h. es wird auch bei körperlicher An-
strengung tief und ruhig weitergeatmet und nicht die Luft angehalten) hilft dem Üben-
den, auch im Alltag bei Stress und Anspannung ruhig weiterzuatmen und insgesamt
stressresistenter zu werden. Viele Yogaübungen sehen auch vor, während der Einat-
37 Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule,1998, S. 7138 Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.7239 Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.7240 Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S. 163
22
mung die betreffenden Körperteile anzuspannen und diese dann während der Ausat-
mung wieder zu entspannen. Durch regelmäßiges Praktizieren der asanas und prana-
yama , wird genauso wie bei Ausdauertraining, das Gleichgewicht zwischen Sympa-
thikus und Parasympathikus in Richtung Parasympathikus verschoben. Der Parasym-
pathikus fördert Ruhe und Entspannung, aktiviert die Verdauung und entlastet das Herz.
Der vegetative Ruhetonus eines Yogaübenden wird sich auf Dauer in diese, von Ruhe
und Entspannung dominierte, Richtung verändern, was sich anhand der Beobachtung
von Herz-und Atemfrequenz und Blutdruck feststellen lässt.41
Eine wichtige Stellung im Yoga nimmt die Tiefenentspannung ein, die jede Stunde
abschließen sollte. Während der Tiefenentspannung wird die Milchsäure, die sich
während dem Üben der asanas im Körper entwickelt hat, abtransportiert. Alle Teile des
Körpers werden nach der klassischen Yogaentspannungstechnik 42 zuerst nocheinmal
alle nacheinander angespannt und danach bewusst entspannt gefühlt. Auch der Geist
soll sich während dieser Tiefenentspannung entspannen, damit Stresshormone abge-
baut werden können und somit das Immunsystem gestärkt werden kann.43
4. Pranayama-Atemübungen
Bereits Patanjali stellte in seinen Yoga Sutras fest (Yoga Sutra I.34.), dass Atem-
übungen unseren Geist durch eine Betonung und Verlängerung des Ausatems be-
ruhigen können. Während der Atemübungen wird der Geist konzentriert auf den Pro-
zess des Atmens ausgerichtet, wodurch wir einen langen und gleichförmigen Atem
erreichen (Vgl.Yoga Sutra II.50).
Unser Entspannungs- sowie unser Erregungszustand hängen eng mit dem Atem zu-
sammen: durch tiefes Einatmen versetzen wir unseren Körper in eine leistungsaktive
Spannung, wobei Blutdruck, Puls und Muskeltonus ansteigen. Unser Körper ist aktiviert
und wacher als vorher. Durch eine tiefe Ausatmung erreichen wir genau das Gegenteil.
Der Puls, der Blutdruck und der Muskeltonus werden gesenkt, d.h. der Körper ent-
spannt sich und wechselt über in eine Erholungsphase.
41Vgl. Stück, Entspannungtraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.6842 nach Jacobsen43Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.8-9
23
Mit Hilfe von pranayama bekommt der Übende leichter Zugang zu seinen Gefühlen und
lernt sie zu kontrollieren.44
5. Weitere Formen des Yoga
Iyengar -Yoga
Iyengar-Yoga wurde vom Inder B.K.S. Iyengar begründet. Er entwickelte ein Übungs-
system, das als Grundlage besonderen Wert auf exakt und präzise ausgeführte Kör-
perhaltungen legt und dafür auch gerne Hilfsmittel (Platten, Klötze, Gurte etc.) ein-
setzt, um die Wirkung der asanas noch zu verstärken bzw. deutlicher zu machen. In der
Tradition von Iyengar wird sehr sorgfältig und konzentriert geübt und die Positionen
der einzelnen Körperteile in den verschiedenen Stellungen werden besonders detailliert
angesagt. Iyengar hat die Anwendung von Yogastellungen im Therapiebereich nach-
haltig beeinflusst, indem er Übungen abwandelte, um einen größtmöglichen Nutzen für
Patienten mit körperlichen Leiden zu erzielen. Meditation in Bewegung ist ein von ihm
geprägter Ansatz, was bedeutet, dass der Übende vollständig in den Yogastellungen
aufgeht und bei vollem Bewusstsein ist. Körper und Geist befinden sich so in har-
monischem Einklang.45
Kundalini Yoga
Kundalini-Yoga beruht auf der Shiva-Shakti-Philosophie (Tantra46) und wird auch
Yoga des Bewusstseins genannt. Shiva stellt das Unveränderliche und Absolute
(brahman47) dar, wobei Shakti die schöpferische Energie repräsentiert, die das Uni-
versum geschaffen hat. Ursprünglich sind Shiva und Shakti eins, doch durch die
Schöpfung werden sie getrennt. Shiva und Shakti sind in jedem Teil des Universums,
auch im Menschen und solange die beiden getrennt sind, werden wir unzufrieden sein.
Kundalini-Yoga soll uns helfen, diese Wiedervereinigung zu beschleunigen.
Hierfür gibt es verschiedene Techniken, beispielsweise die Benutzung von Klangener-
gien, bestimmte Meditationstechniken und Techniken des Hatha-Yoga.
44 Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S. 112-11445 Mehta, Yoga Gymanstik, 2004, S.946Kundalini-Yoga ist ein Teil des von Tantra, und wird auch weisser Tantra genannt.47 s. Vedanta
24
Im Kundalini-Yoga geht man davon aus, dass Shakti im Menschen als Kundalini48, am
unteren Ende der Wirbelsäule ruhend, manifestiert ist und man möchte ihre schlafen-
den Energien erwecken. Diese Energie möchte man dann (durch o.g. Techniken) die
Wirbelsäule, die als feinstofflicher Energiekanal gesehen wird, hinauf lenken.49
Sivananda Yoga
Der Begründer Swami Sivananda praktizierte erst mehrere Jahre als Arzt bis er 1932
seinen ersten Ashram50 in Nordindien gründete. Er entwickelte die berühmte Rishi-
kesh-Reihe, eine Übungsabfolge von zwölf Yoga-Stellungen, die in ihrer Gesamtheit
eine besonders grosse energetische Wirkung haben. Im Sivanada Yoga wird viel Wert
auf spirituelle Entwicklung gelegt, weshalb oft Mantras51 gesungen werden und medi-
tiert wird. In seiner Tradition stehen viele bekannte Schüler wie z.B. Swami Vishnu-
Devananda.52
Vini Yoga
Vini Yoga ist therapeutisches Yoga aus dem südindischen "Krishnamacharya- Yoga-
zentrum" und orientiert sich besonders an den Bedürfnissen und Möglichkeiten seiner
Schüler. Vini Yoga ist eine sehr vorsichtige Technik, die besonders langsam und be-
hutsam vorgeht, um die Übenden nicht zu überfordern.53
Ashtanga54-Vinyasa-Yoga
Diese Form des Yoga ist eine sehr dynamische, fordernde Variante des Hatha-Yoga, in
der besonders vorgegebene Übungsreihen, die oft mit Sprüngen verbunden sind, geübt
werden. Charakteristisch ist hier das fließende Üben der Stellungen. Der Begründer ist
der Inder K. Pattabhi Jois.55
Bikram Yoga56
Bikram-Yoga ist nach seinem Erfinder Bikram Choudhury benannt. Es wird in einem
38 Grad aufgeheizten Raum geübt, wobei 26 Übungen aus dem Hatha Yoga (je zwei-
mal hintereinander) ausgeführt werden. Durch die Wärme im Übungsraum lassen sich
48 Bild einer eingerollten, schlafenden Schlange49 Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S. 89ff50 Ashrama= Ort, an dem sich Schüler um einen Meister versammeln, um gemeinsam Yoga zu üben51 Klangenergien, mystische Formeln52 Vgl. Betz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.9ff53 Vgl. www.yoga-info.de/diskussion/index.php
25
Muskeln und Sehnen besonders schonend trainieren.
Jivamukti57 Yoga
Die Tänzerin Sharon Gannon und der Künstler David Life entwickelten in New York
diese Yoga Methode. Typisch sind vor allem fließende und tänzerische Elemente, die
zu Musik immer wieder neu variiert werden.58
II. Was hat Yoga mit uns zu tun?
6. Yoga und der Westen
6.1. Entwicklung des Yoga im Westen (seit den 1930er Jahren bis heute)
Richtig populär wurde der Yoga im Westen in den 1960er Jahren, wobei sich bereits
schon seit den 1930er Jahren vereinzelt Menschen mit Yoga beschäftigten.59 Ein pro-
minentes Beispiel ist der Schweizer Psychologe C.G. Jung, der selbst Yoga praktizierte
und die Ideen des Yoga und des Buddhismus auch in seinen Seminaren an der Univer-
sität behandelte.60 Allerdings wandelte sich der Yoga schnell von einem ganzheitlichen
und spirituellen Übungsweg zu einem reinen Gesundheits- und Fitnessprogramm, das
die Menschen schlank und gesund machen sollte.61
Heute verbindet man auch andere Techniken (z.B. Pilates, Feldenkrais, Thai-Chi etc.)
mit dem traditionellen Yoga, um somit gleich mehrere Bedürnisse des modernen Men-
schen zu befriedigen.62 Auf der einen Seite wollen wir heute etwas für unseren Körper
und unsere Fitness tun, auf der anderen Seite wollen wir auch Entspannung und Er-
holung. Je nach Bedarf kann dann die Gewichtung der beiden Ansprüche variieren.
Verbindet man beispielsweise die Funktionsgymanstik Pilates mit Yoga, wird der
Fitnessaspekt mehr betont als der spirituelle Teil und die Entspannungskomponente.
54 achtgliedrig55 Vgl. de.ashtangayoga.info56 Vgl. www.bikram-yoga.de 57 jivanmukti= Befreiung; jivanmukta= Lebend Befreiter58 Vgl. www.jivamuktiyoga.de
26
Vor allem der therapeutische Aspekt des Yoga tritt immer mehr in den Vordergrund.
Die asanas (Yogastellungen), Atemübungen (pranayama) und die Meditation haben
viele verschiedene positive Auswirkungen auf Körper, Geist und Seele, die man mit
gezielt zusammengestellen Übungsprogrammen hervorragend zur Heilung und
Besserung von körperlichen und seelischen Problemen bzw. Krankheitsbildern anwen-
den kann. Unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Evaluationen und unter
Einbeziehung von Behandlungserfahrungen wurden bereits Elemente aus dem
klassischen Yoga (dazu gehören immer auch Atemübungen und Meditation!)
Therapie-und Behandlungspläne für verschiede Krankheitsbilder (z.B. Angstzustände,
Depressionen, Kopfschmerzen, Nervosität etc.) zusammengefasst.63
Seit es den Yoga gibt, hat er sich ständig verändert und die Menschen haben ihn immer
wieder ihren Bedürfnissen angepasst (s. 5. Weitere Formen des Yoga), wobei sich die
grundlegende Essenz des Yoga, nämlich die Harmonisierung von Körper, Geist und
Seele und die Verwirklichung des Selbst, nie verändert hat. 6 4
Eine schöne, seit den 1990er Jahren zu beobachtende Entwicklung, ist, dass die indi-
viduelle Spiritualität und die Aspekte der Selbstverwirklichung im Westen wieder
mehr Beachtung finden65 und der Yoga für viele Menschen im Westen mehr geworden
ist, als bloßer Körperkult. Das erkennt man auch daran, dass Spiritualität und Selbst-
verwirklichung immer mehr thematisiert werden- wir können uns mittlerweile kaum
noch retten vor Büchern, Reportagen und Berichten, die uns eine Flut von Ratschläge
und Erfahrungen zum Thema liefern.
Immer mehr Menschen erkennen, dass sie nur durch eine tiefe innere Zufriedenheit
glücklich werden können. Äußere Umstände beeinflussen uns immer nur kurzfristig,
d.h. sie können uns auch immer nur kurze, glückliche Momente schenken, die aber
nicht anhalten und uns auch nicht wirklich zufrieden stellen. Auf die innere Haltung
und Einstellung kommt es an, daran müssen wir arbeiten, wenn wir etwas an unserer
Situation ändern wollen.66
59 Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005,S.19-2060Vgl. www.yoga-journal.ch/yoga ,61 Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.1962 Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch , 2005,S.2063 Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.7664Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2000, S.20
27
Ein weiterer wunderbarer Aspekt des Yoga in der heutigen Zeit ist, dass ihn jeder
praktizieren kann, da für jede Zielgruppe (z.B. Schwangere, Senioren, Kinder, Men-
schen mit Rückenbeschwerden, Gestresste etc.) spezielle Kurse und Übungspro-
gramme angeboten werden. Yogaübungen lassen sich grundsätzlich immer den indivi-
duellen Bedürfnissen des Übenden anpassen, d.h. so verändern bzw. reduzieren, dass
sie (fast) jeder ausüben kann. 67
Jeder kann im Yoga etwas Positives für sich mitnehmen, wobei es keine guten oder
schlechten Ergebnisse geben kann- jede Empfindung und Erfahrung ist willkommen
und gut.
6.2. Yoga und die moderne westliche Psychologie - Was hat Yoga eigentlich mit uns
zu tun?
Aufgrund unserer westlichen Erziehung, mit doch sich klar vom Yoga unterscheiden-
den Werten, Normen und Ansichtsweisen, werden wir nicht immer sofort auf Anhieb
verstehen, was die Philosophie und der Übungsweg des Yoga eigentlich mit uns zu tun
haben.
Eine, für uns westliche Kulturen schwer nachzuvollziehende, Vorstellung im Yoga ist
die Vedanta Philosophie. Sie geht davon aus, dass das ganze Universum aus einer
Kraft geschaffen ist, die in allem (in Lebewesen und auch in toter Materie wie z.B.
Steine) in Form einer gleichen und unvergänglichen Seele vorhanden ist. 68 Diese
Seele wird immer wieder in einen anderen Körper geboren, wodurch sich ein zirkuläres
Weltbild ergibt. Im Westen glauben wir nicht an Reinkarnation. Jeder Mensch existiert
für uns ab dem Tag, an dem er geboren wird und er hört vollständig auf zu existieren,
so bald er gestorben ist. Wir würden auch niemals Tiere oder gar tote Materie mit uns
auf eine Stufe stellen.
Man könnte sich auch aus westlicher Sicht daran stören, dass Yoga als höchstes Ziel
anstrebt, das Selbst aufzulösen, da es eher unserer Vorstellung entspricht, das Selbst zu
65 dazu gibt es mehrere repräsentative Umfragen z.B.: www.wilantis.de/seite und www.sensonet..org66 Vgl. Swami Vishnu Devananda, Das grosse illustrierte Yogabuch, 2005, S.32867 Vgl. Mehta, Yoga Gymnastik, 2004, S.8-968 Vgl. Vishnu-Devananda, Das grosse illustrierte Yoga-Buch, 2005, S.18-19
28
stärken. Allerdings sollte man beachten, das die völlige Auflösung des Selbst die höch-
ste und letzte der acht Stufe des Yogapfades nach Patanjali darstellt: die Erlösung
"samadhi". Es gibt nur sehr wenige Menschen, die überhaupt diese Stufe erreichen und
erleuchtet werden- alle anderen werden während ihres ganzen Lebens die sieben an-
deren Pfade beschreiten, die darauf ausgelegt sind, immer höhere Fähigkeiten zur
Kontrolle des Bewußtseins zu entwickeln.69 Samadhi, die Erlösung, ist zwar das aller-
höchste Ziel am Ende des Yogapfades, doch es gibt viele Etappen und Zwischenziele
auf dem Weg dorthin. Es geht darum, diesen Weg bewusst und aufmerksam zu gehen,
wobei es nicht die Hauptsache ist, auch wirklich am Ende erleuchtet zu werden. Auch
im Westen kennen wir diese Idee: "der Weg ist das Ziel", d.h. man konzentriert sich
auf die Gegenwart und ist immer nur im Moment gegenwärtig und hängt nicht ständig
mit seinen Gedanken in der Zukunft. Denkt man immer nur an das zu erreichende Ziel,
kann man sich nicht auf den Weg dorthin konzentrieren, der in der Gegenwart viel
wichtiger ist als das Ziel. Ohne den Weg würde man niemals an seinem Ziel ankom-
men. Deshalb ist es so wichtig dem Weg soviel Aufmerksamkeit und Achtsamkeit wie
möglich zu schenken und ihn bewusst zu gehen.
Das höchste Ziel des Menschen- Glücklich sein
Der wichtigste Punkt der unser westliches Gedankengut und Yoga zusammenbringt, ist
meiner Meinung nach die Suche jedes Menschen nach seinem persönlichen Glück.
Jeder Mensch möchte eigentlich im tiefsten Inneren nur glücklich sein, was schon
Aristoteles vor über zweitausend Jahren feststellte. Glück scheint auch das einzige Ziel
zu sein, das der Mensch um seiner selbst Willen anstrebt- alles andere wie z.B. Geld,
Macht und Gesundheit wird von den Menschen verfolgt, weil sie denken, es mache sie
glücklich.70
Im Yoga geht man davon aus, dass die Voraussetzung für Glück unsere innere Har-
monie, der Einklang von Körper, Geist und Seele, ist. Der Mensch ist schon von Natur
aus perfekt (s. Kapitel 1.6.: Vedanta Philosophie) und trägt alles in sich selbst, was er
zum Glücklichsein braucht. Deshalb geht es darum, sich immer wieder bewusst zu
69Vgl. Csikszentmihalyi, Flow- Das Geheimnis des Glücks, 1993, S. 14570Vgl. Csikszentmihalyi, Flow-Das Geheimnis des Glücks, 1993, S. 13
29
machen, dass das wirkliche Glück nur in einem selbst zu finden ist und nicht in anderen
oder materiellen Dingen.Unser Bewusstsein spielt uns den Streich, unsere Glücksanla-
gen in uns selbst einfach nicht mehr wahrzunehmen oder sie zu verschleiern. Demnach
müssen wir einfach nur die Kontrolle über unseren Geist wiedererlangen und schon
könnten wir glücklich sein.71
Auch in der westlichen Philosophie macht man sich, wie bereits erwähnt, seit Jahr-
tausenden Gedanken, wie der Mensch Glück finden kann. In der Psychologie gibt es
die Theorie des Flow, die sich damit beschäftigt, wann sich der Mensch am glück-
lichsten fühlt. Befindet sich ein Mensch im Zustand des Flow ist er vollkommen erfüllt
und glücklich, er fühlt sich innerlich geordnet und gesammelt, er hat kein Gefühl mehr
für Zeit und auch sich selbst nimmt er nicht mehr getrennt von der Tätigkeit war, die
dieser höchste Motivationszustand in ihm auslöste.
Im Moment des Flow ist der Mensch völlig auf sein Tun konzentriert und eins mit der
Sache, mit der er sich identifiziert.72
Genau wie im Yoga ist Aufmerksamkeit, Konzentration und Verschmelzen mit dem,
was wir gerade im Moment tun, Bedingung, überhaupt Glück empfinden zu können.
Der Entdecker des Flow-Zustandes, Mihaly Csikszentmihalyi, entdeckte außerdem,
dass Glück kein zufälliges Phänomen ist, das einen eben trifft oder nicht, sondern dass
wir aktiv etwas für unser Glück tun können. Glück ist ein Zustand, für den man, laut
Csikszentmihalyi, bereit sein muss und den man kultivieren kann, d.h. man kann lernen
wie man sein Glück bzw. seine Lebensqualität steuert.73 Genau wie im Yoga geht es
hier darum, Glück durch die Kontrolle über das eigene Innenleben, das was im Kopf
abläuft, zu erreichen. Alles, was wir erleben speichern wir als Information im Be-
wusstsein, wo dann unser "Ich" entscheidet und urteilt welche Qualität das Erlebte für
uns hat und ob es uns glücklich macht. Sind wir in der Lage zu kontrollieren, wie unser
Bewusstsein unsere Erlebnisse aufnimmt, können wir dadurch bestimmen und beein-
flussen, wie unser Leben aussieht.
Nach dem Prinzip des Flow sowie auch im Yoga ist es also unbedingt notwendig,
unseren Geist bzw. unser Bewusstsein zu kontrollieren, um glücklich sein zu können.
71 Vgl. Vishnu-Devananda, Das grosse illustrierte Yoga-Buch, 2005, S.13-2372 Vgl. Csikszentmihalyi, Flow- Das Geheimnis des Glücks, 1993, S.1573 Vgl. Csikszentmihalyi, Flow- Das Geheimnis des Glücks, 1993, S. 14
30
Allerdings haben auch viele andere erkannt, dass die Kontrolle des eigenen Bewusst-
seins der Schlüssel zum Glück sein muss wie z.B. Christliche Mönchsorden, Zen, Tao-
ismus und auch die Psychoanalyse nach Freud, die den Mensch auf der einen Seite von
der Herrschaft der Impulse (Es) und auf der anderen Seite von den sozialen Zwängen
(Über-Ich) befreien möchte.74 Eine weitere unbedingt notwendige Voraussetzung, um
Glück zu empfinden, ist die absolute Konzentration und das uneingeschränkte Richten
der Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand. Dies stellt Csikszentmihalyi bei der Be-
schreibung des Flow-Erlebnisses fest 75. Auch im Yoga ist die Konzentration der Sinne
und die aufmerksame Ausrichtung des Geistes auf einen Gegenstand76 (dharana) ein
zentraler Punkt zur Verwirklichung des Selbst.
Dem Mensch kommt im Yoga ein aktiver Part bei seiner Lebensgestaltung zu, sowie
auch Csikszentmihalyi feststellte, dass der Mensch sein Schicksal selbst in der Hand
hat.77.
Ein sicheres und gefestigtes Selbst ist ein wichtiges Kriterium für ein zufriedenes
Leben. Das bedeutet, dass der Mensch sich seiner eigenen Fähigkeiten zwar bewusst
ist, aber trotzdem akzeptiert, dass er seine eigenen Ziele einer größeren Einheit unter-
ordnen muss. In der Forschung wurde herausgefunden, dass besonders die Menschen
fähig waren, Außergewöhnliches zu bewältigen, die sich nicht getrennt von ihrer
Umwelt wahrnahmen oder versuchten sie zu beherrschen, sondern die sich als Teil
ihrer Umwelt wahrnahmen und versuchten, in diesem System ihr Bestes zu geben.78
Auch im Yoga geht man davon aus, dass der Mensch nicht getrennt von seiner Umwelt
existiert, sondern alles einem Kreislauf von Ursache und Wirkung unterliegt. Der
Yoga sagt, wenn wir uns getrennt von unserer Umwelt wahrnehmen (Vorstellung der
Dualität) entstehen Leid und Verblendung und der Mensch wird zwangsweise immer
unglücklich bleiben, da er das Glück, das eigentlich in ihm selbst vorhanden ist, immer
außerhalb seiner Selbst sucht.
Beim Erleben des Flow liegt das Glück ebenfalls nicht in der Sache (die man tut), son-
dern das Glück kommt vom eigenen Selbst, wenn es auf etwas konzentriert bzw. in
etwas vertieft ist-das Selbst spiegelt sozusagen das Glück. 79
74Vgl. Csikszentmihalyi, Flow- Das Geheimnis des Glücks, 1993, S. 3775 Vgl.Csikszentmihalyi, Flow- Das Geheimnis des Glücks, 1993, S. 50-52, S. 63, S. 85-8776Vgl. Yoga Sutras des Patanjali, Sutra III.1.77Vgl. Csikszentmihalyi, Flow- Das Geheimnis des Glücks, 1993, S. 26778Vgl. Csikszentmihalyi, Flow-Das Geheimnis des Glücks, 1993, S. 267-26879Vgl. www.gluecksarchiv.de/inhalt/flow.htm
31
Weitere Parallelen zwischen Flow und Yoga sind die Lösungs- und Bewältigungs-
strategien von Problemen. Beide fordern ein aufmerksames "In-Kontakt-Bleiben" mit
der Umwelt um andere bzw. mehrere Handlungsmöglichkeiten für das Individuum zu
entdecken. Es geht dabei darum, das Problem zunächst genau zu betrachten und zu
analysieren und erst dann zu handeln. 808 1
Es sind also viele Aspekte des Yoga in der modernen westlichen Psychologie wieder-
zufinden. Vor allem wenn es darum geht, das Ziel jedes Menschen, nämlich Glück und
Zufriedenheit zu erlangen, zu verwirklichen, scheinen die traditionellen Prinzipien des
Yoga auch noch heute aktuell und nützlich zu sein.
7. Veränderte Kindheit- Probleme und Anforderungen an Kinder und Jugendliche heute
Kinder und Jugendliche sind heute aufgrund ihrer Lebensbedingungen mit vielen Pro-
blemen und Anforderungen konfrontiert.
Die veränderte Familie- Trennung, Patchworkfamilien, Alleinerziehende
Viele Kinder müssen mit erschwerten Bedingungen in der Familie zurechtkommen. Es
gibt immer mehr getrennte Elternpaare und Patchworkfamilien, d.h. die Kinder erleb-
ten irgendwann einmal eine Trennungsphase, was in ihnen häufig Ängste auslöst.82
Vor allem die Angst vor Liebesverlust trifft die Kinder am stärksten, was teilweise dra-
matische Folgen haben kann- angefangen bei Protestaktionen bis hin zu einem völligen
Rückzug. Viele der betroffenen Kinder weisen eine verzögerte geistige und körper-
liche Entwicklung auf, wodurch die Regulation wichtiger Hirnfunktionen sogar lebens-
lang beeinträchtigt werden kann. Diese Kinder neigen nachweislich häufiger zu
psychosomatischen Erkrankungen und sind generell stressanfälliger. 83 Haben Kinder
einmal das so wichtige Urvertrauen verloren, wird es für sie schwierig sein, zwischen-
80Vgl. Csikszentmihalyi, Flow- Das Geheimnis des Glücks, 1993, S.267-27281Vgl. Yoga Sutras III.2.82 Vgl. Köster, Veränderte Kindheit, 2005, S.1283Vgl. Zeitschrift Gehirn und Geist, Ausgabe 6/2003, S.17
32
menschliche Beziehungen aufzubauen und anderen Menschen nach dieser herben Ent-
täuschung (in der Kindheit) wieder ihr Vertrauen zu schenken. Die Angst vor (Liebes-)
Verlust wird sie dominieren und ständig beeinflussen.
Verlust der Primärerfahrungen
Viele Lebenserfahrungen machen Kinder heute nicht mehr direkt (z.B. in der Natur),
sondern sie erleben sie durch die Medien und übernehmen sie. Vor allem die
haptischen Erfahrungen kommen dadurch viel zu kurz.84
Das überorganisierte Kind- keine Zeit mehr zur Ruhe zu kommen
Ein weiteres Problem ist der vollgestopfte Terminplan vieler Kinder. Neben den
schulischen Verpflichtungen ist die freie Zeit am Nachmittag und am Abend verplant
mit Sport, Musikunterricht und anderen Kursen, die die Weiterentwicklung und Ent-
faltung der Kinder fördern sollen. Kindern fehlt dann oft der freie Raum zum Spielen
und zur Entspannung, da sie nie zur Ruhe kommen können. Sie befinden sich in einer
anhaltenden Flucht- und Kampfreaktion, was eine vermehrte Ausschüttung von Stress-
hormonen bewirkt und so Hirnstrukturen schädigen kann, die für das Erinnern unent-
behrlich sind.85 Diese Kinder leiden an einer ständigen Anspannung, was wiederum
körperliche und geistige Beschwerden hervorrufen kann wie z.B. psychosomatische
Störungen, Konzentrationsstörungen, Erschöpfungs- und Energiemangelzustände und
emotionale Unausgeglichenheit wie z.B. ständige Gereiztheit, Aggressivität und Ner-
vosität.
Der Gemeinschaftsverlust
Es gibt neben der zunehmenden Zahl der Alleinerziehenden immer mehr Kinder, die
keine Geschwister haben und als Einzelkinder aufwachsen. Diese Kinder werden dann
meist erstmals im Kindergarten damit konfrontiert, dass sich nicht alles um sie und
ihre Bedürfnisse dreht, sondern dass andere Menschen oft auch andere Ansichten und
Wünsche haben als sie selbst.
84 Vgl. www.ghs-forbach.de/bildungsplan85Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.6
33
Erschwerdend hinzu kommt die Verinselung der Lebensräume, was für die Kinder von
heute bedeutet, dass sie nicht einfach nach draußen zum Spielen gehen können und
dann automatisch auf andere Spielkameraden treffen. Besonders in größeren Städten
ist es aufgrund der Verkehrssituation zu gefährlich geworden, Kinder alleine auf die
Strasse zu lassen und vor allem gibt es durch den starken Geburtenrückgang auch im-
mer weniger Kinder.86 Das bedeutet, dass es unter Umständen Viertel und Stadtteile
gibt, in denen es einfach kaum Kinder im gleichen Alter gibt. Es liegt also heute stark
an den Eltern dieser betroffenen Kinder, zu organisieren, dass ihre Kinder in der Freizeit
Kontakt zu Gleichaltrigen haben können, da sie sie dorthin begleiten müssen.87
Viele Kinder sind außerhalb der Schule, aufgrund der Berufstätigkeit der Eltern und der
zunehmenden Ein-Kind-Haushalte, alleine auf sich gestellt.88
All diese Umstände erschweren oder verhindern gänzlich, dass Kinder heute wichtige
gemeinschaftsspezifische Erfahrungen machen. Dazu gehört Rücksicht auf andere zu
nehmen, Mitgefühl für andere zu empfinden, anderen zu helfen, zusammenzuhalten,
gemeinsam Freude zu empfinden. Dazu gehört aber auch gemeinsam Konflikte
auszutragen und zu bewältigen und sich anschließend wieder zu versöhnen.
Fehlen all diese Qualitäten des zwischenmenschlichen Zusammenlebens in der Erfah-
renswelt eines Menschen, wird sich zwangsläufig eine Sprachlosigkeit einstellen, die
es immer schwieriger macht, mit andere Menschen in Kommunikation zu treten. Diese
Hilflosigkeit fördert automatisch Aggression und Gewalt.89
Übersteigerter Medienkonsum
Das immer größer werdende Angebot an Fernseh- und Videospiele- Unterhaltungs-
medien trägt nicht immer positiv zur Entwicklung bei, da die Kinder meist mit dem
Angebot und dessen Inhalt vollkommen überfordert sind. Problematisch sehe ich vor
allem die vielen Gewaltszenen, die in Kindern durch Stresshormonausschüttung den
sogenannten Flucht- und Kampfmechanisimus auslösen, den sie nicht ausagieren kön-
nen. Das bedeutet, der Körper spannt sich zwar an und stellt alle für die Flucht/den
Kampf nicht notwendigen Funktionen (z.B. die Verdauung) auf Sparbetrieb, um seine
Reserven und Energien zu konzentrieren, doch die Kinder bauen diese Spannung kör-
perlich nicht durch einen Kampf oder schnelles Weglaufen/ Flüchten ab. Sie bleiben
86 Vgl. Köster, Veränderte Kindheit, 2005, S.1387Vgl. Köster, Veränderte Kindheit, 2005, S.13-1488Vgl. Köster, Veränderte Kindheit, 2005, S.1 1-1289Vgl. www.ghs-forbach.de/bildungsplan
34
mit der Aggression und Anspannung passiv und hilflos (im Sessel) zurück, was zur
Folge hat, dass sich schwerlich wieder ein gesunder, entspannter Normalzustand des
Körpers und des Geistes herstellen kann. Es ist zunehmend zu beobachten, dass Kinder
aufgrund der permanenten Reizüberflutung ihrer Sinne durch die Medien, unfähig wer-
den, ihre Wahrnehmungsorgane differenziert und sensibel einzusetzen. Sie stumpfen
sozusagen immer mehr ab.90
Die Medien konfrontieren Kinder sehr oft mit Dingen, die eigentlich für Erwachsene
bestimmt sind, das können Produkte in der Werbung sein oder Szenen in Filmen,
Nachrichten etc.. Daraus resultiert, dass viele Kinder sich Dinge wünschen oder als
normal bewerten, die ihrem Alter eigentlich gar nicht angemessen sind.
Medien können zudem auch die Wertorientierung der Kinder negativ beeinflussen, da
sie in vielen Fällen Extreme darstellen. Kinder können diese Extreme nicht einordnen,
d.h. sie können noch nicht zwischen Fiktion und Wirklichkeit oder Gut und Böse un-
terscheiden.
So entsteht eine Entfremdung der Kinder von ihrer Alltagswelt, die mit den Dar-
stellungen in den Medien meistens nicht mehr viel gemeinsam hat.91
Unausgeglichenheit durch Bewegungsmangel
Allgemein ist mangelnde Bewegung in der heutigen Gesellschaft, nicht nur bezogen
auf Kinder, ein großes Problem. Der Großteil der Bevölkerung geht einer sitzenden
Tätigkeit nach und beansprucht viele Muskeln und Körperteile gar nicht, so dass diese
verkümmern. So kommt es nicht nur zu körperlichen Beschwerden (mangelnde Be-
weglichkeit, Haltungsschäden, Übergewicht, Rückenschmerzen, Kreislaufstörungen
etc.), sondern auch zu einer Unausgeglichenheit durch Bewegungsmangel. Diese Un-
ausgeglichenheit äußert sich meistens in aggressivem Verhalten oder mangelnder Kon-
zentration.
Leistungsdruck
Die Erwartungshaltung der Eltern bezüglich der Schulleistung stellt einen weiteren
Stressfaktor für Kinder dar, da sie befürchten, diese nicht erfüllen zu können. Dieser
90Vgl. www.ghs-forbach.de/bildungsplan 91 Vgl. www.ghs-forbach.de/bildungsplan
35
Druck erzeugt in den Kinder Ängste, die besonders das Lern-und Konzentrations-
vermögen schwächen. Bei Jungen manifestiert sich dieses Problem häufig in
aggressivem Verhalten gegenüber der Umwelt, Mädchen richten die Aggression eher
gegen sich selbst und reagieren mit Niedergeschlagenheit und depressiven Verstim-
mungen.92
Pubertät- Entwicklung
Nicht zu vergessen sind zusätzlich die Probleme, die Jugendliche in der Pubertät bei
der persönlichen Identitätsfindung haben. Sie müssen nicht nur mit ihren Eltern neue
Grenzen ausloten, sondern auch sich selbst in einem langen und oft schwierigen Prozess
neu definieren. Hinzu kommen dann Probleme und Auseinandersetzungen mit Gleich-
altrigen (Peergroups), die vor allem in der Entwicklungsphase der Pubertät wichtiger
für die Jugendlichen sind, als die Familie.
Schule
Die Institution Schule spielt auch keine unbedeutende Rolle für die problematischen
Entwicklungsbedingungen der heutigen Kinder und Jugendlichen, da sie immerhin einen
großen Teil ihrer Zeit dort verbringen. Besonders ungünstig für die Entwicklung der
Schüler ist das undifferenzierte und strikte Schulsystem, das wenig auf deren Indivi-
dualität und Differenzierung eingeht.
Auch äußere Bedingungen wie zu große Klassen, zu kleine Räume und mangelndes
Material bzw. mangelnde Ausstattung der Schule wirken sich negativ auf die Kinder
aus. Durch die ständige Leistungsbewertung in der Schule sind die Schüler einem per-
manenten Druck ausgesetzt, der vor allem schwächere Schüler stark belastet.
In den meisten Fächern ist der Unterricht stark kopflastig, was überhaupt nicht dem
Zusammenhang von Körper und Psyche gerecht wird. Yoga könnte hier ein Gegenge-
wicht darstellen.93
92 Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.893 Vgl. Kragh, Yoga in der Schule, 2003, S. 9
36
Zusammenfassend möchte ich noch einmal hervorheben, dass sich die vielen ungün-
stigen Lebensumständen der heutigen Kinder und Jugendlichen in einer stolzen Sam-
mlung von sichtbaren Störungen und Problemen manifestieren.
Angefangen bei emotionalen Störungen (z.B. Ängste, Minderwertigkeitskomplexe
etc.), über Motivationsprobleme, Aggressivität und soziale Schwierigkeiten, Aufmerk-
samkeits- und Konzentrationsschwierigkeiten sowie psychosomatische Probleme (z.B.
Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Übelkeit etc.).
All diese Störungen behindern Kinder und Jugendliche nachhaltig bei der Entfaltung
und Entwicklung ihrer Persönlichkeit.
Es ist also unbedingt notwendig etwas gegen diese negativen Tendenzen zu unter-
nehmen, um den Kindern und Jugendlichen eine optimale Entwicklung garantieren zu
können. Es erscheint mir sinnvoll, den Schülern Lösungsstrategien an die Hand zu ge-
ben, wie sie auf Dauer mit den an sie gestellten Anforderungen zurecht kommen können
und wie sie mit ihren eigenen Emotionen umgehen können, d.h. sie selbstständig beein-
flussen bzw. regulieren können.
Yoga ist besonders geeignet, Stress und Belastungen des Alltags zu bewältigen und
wieder mit sich selbst in Einklang zu kommen. Menschen, die mit sich selbst im Rei-
nen und ausgeglichen sind, werden diese Qualitäten auch im Umgang mit ihren Mit-
menschen ausstrahlen und das Miteinander so zwangsweise bereichern.
8. Erziehungsaspekte und ethische Prinzipien des Yoga
8.1. Ethische Prinzipien des Yoga- das Faustlos-Programm
Ein wichtiges Prinzip des Yoga ist die absolute Gewaltslosigkeit (ahimsa) anderen
Menschen und auch sich selbst gegenüber. Es geht hierbei nicht nur um das Vermeiden
körperlicher Gewalt, sondern Konfliktpotential soll generell abgebaut und friedliches
Verhalten soll gestärkt werden. Eigenschaften wie Höflichkeit, Hilfsbereitschaft und
Achtsamkeit müssen gestärkt werden, um Gewalt jeglichen Nährboden zu entziehen.
Egoismus, Ellenbogenverhalten und emotionale Unausgeglichenheit sollen so gut es
geht abgebaut werden. Soziale Fähigkeiten können durch den Einsatz durch Yoga in
37
der Schule wunderbar gestärkt werden, da Yoga nicht zu trennen ist von ethischen
Verhaltensregeln.
Schon in den Yoga Sutras beschreibt Patanjali sie in den yamas94 ,den Verhaltensre-
geln gegenüber anderen z.B. Wahrhaftigkeit, Nicht-Stehlen, Beherrschung der Triebe,
Gewaltlosigkeit und den niyamas95,, - Verhaltensregeln gegenüber sich selbst; z.B:
Zufriedenheit, positives Denken, Geduld, Ausdauer, Demut, Hingabe, Vermeidung
von Ärger, Gier und Neid.
Das Faustlos-Programm – Impulskontrolle, Empathiefähigkeit und Umgang mit Wut
und Ärger
Nicht nur in yogischen Kulturen wird Gewaltlosigkeit und ein von Nächstenliebe
geprägter Umgang mit den Mitmenschen als Idealzustand angestrebt. Auch bei uns
wird bereits viel für ein entspannteres und vor allem gewaltfreies Miteinander getan,
das vor allem an Schulen besonders unterstützenswert ist. Die Schüler brauchen eine
entspannte Athmosphäre, in der sie sich wohlfühlen, um optimal lernen und um sich
selbst entfalten zu können. Leider birgt heute kaum ein Ort so viel Konfliktpotential
wie die Schule, z.B. Leistungsdruck, Zusammenprall verschiedener Kulturen, ungün-
stige (Lern-)Bedingungen, unzufriedene Lehrer, gestresste und unausgeglichene Kin-
der etc..
Die Universität Heidelberg entwickelte ein Programm zur Gewaltprävention an Schu-
len, das sich "Faustlos" nennt. Wie der Name schon vermuten lässt geht es bei diesem
Programm darum, den Schülern soziale Kompetenzen zu vermitteln und die bereits
vor-handenen Kompetenzen zu stärken. Die Schüler erlernen und üben in speziell für
die Schule entwickelten Programmen, wie man beispielsweise kooperative
Problemlöse-strategien entwickelt, wie man Konflikte gewaltfrei löst, wie man seine
eigenen Impul-se kontrollieren kann, d.h. der Umgang mit Wut und Ärger wird geübt.
Gegenseitige Wertschätzung sowie Respekt vor den unterschiedlichen Bedürfnissen
und Gefühlen der anderen werden trainiert.80
94 s.Kapitel 1.5.95 s. Kapitel 1.5.
38
Vor allem der bewusstere Umgang mit den eigenen Gefühlen und die Impulskontrolle
stellen in diesem Programm Fähigkeiten dar, die es auch im Yoga zu entwickelt gilt.
Ersteinmal durchatmen, die Sinne beruhigen, genau hinschauen (1. Bezüglich der
Wahrnehmung der Außenwelt: z.B.: Passierte etwas versehentlich oder mit Absicht?
Und 2. natürlich bezogen auf die Wahrnehmung meiner eigenen Person: z.B.: Wie
reagiere ich und warum?, Was ist das für ein Gefühl in mir? etc.). Dann erst kann ich
handeln- meistens wohlüberlegter als vorher. Auch die Kompetenz, mehrere Hand-
lungsmöglichkeiten für sich zu entdecken und zu entwickeln findet sich im Yoga
wieder. Durch das genaue Betrachten und die Konzentration auf einen Gegenstand
ohne das Miteinbeziehen der gewohnten Denkstrukturen und Vorurteile können wir
eine Situation aus einem neuen und anderen Blickwinkel betrachten und so unseren
Handlungsspielraum vergrößern (Vgl. Yoga Sutras III.1. und III.2.).
Empathiefähigkeit spielt ebenfalls eine große Rolle bei der Gewaltprävention. Ein
Mensch, der sein Gegenüber als Wesen erkennt und respektiert, das im tiefsten Inneren
genauso ist, wie er selbst und auch nur das gleiche Ziel verfolgt, nämlich glücklich zu
sein, wird viel weniger gewaltbereit sein. Außerdem wird man, wenn man unter-
schiedliche Bedürfnisse und Gefühle anderer Menschen anerkennt, weniger anfällig
für Konflikte und vermeintliche Provokationen sein. Es ist kein Problem mehr unter-
schiedliche Meinungen, Werte und Ideen nebeneinander zu respektieren ohne sich in
seiner eigenen Person angegriffen zu fühlen. Ziel ist es, zu erkennen, dass es nicht nur
eine Wahrheit gibt, sondern viele gute Möglichkeiten.
8.2. Yoga und Konzepte der westlichen Pädagogik-
Montessoris Normalisierungsprozess: Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung
durch Konzentration
Es gibt auch westliche Theorien zur Entwicklungsförderung und Erziehung von Kin-
dern, die mit den Yogaprinzipien ähnliche Ideen als Basis verwenden. Beispielsweise
lassen sich mehrere Parallelen von Maria Montessoris Theorie der Normalisierung
zum Yoga ziehen, die vor allem die Idee der Selbstverwirklichung durch Konzentration
und die Beschäftigung bzw. Beherrschung des Geistes betreffen.
Um eine gesunde und normale Entwicklung und Selbstverwirklichung von Kindern zu
gewährleisten, stellt Maria Montessori fest, dass dies vor allem einer Qualität bedarf:
39
einer meditativen Konzentration96. Diese Konzentration erlangen Kinder durch eine
von ihnen selbst frei gewählte Beschäftigung-vorzugsweise eine Tätikeit mit den
Händen, in die sie sich vertiefen können. Diese Tätigkeit setzt sich laut Montessori aus
zwei Komponenten zusammen: zum Einen entsteht eine Koordination der Bewegung-
en durch genaues Benutzen von Gegenständen und zum Anderen geht es um eine gei-
stige Ordnung, die die Kinder durch zweckgemäßes Benutzen eines Gegenstandes ent-
wickeln. Maria Montessori beobachtete, dass Arbeiten mit diesen Qualitäten dazu
führten, dass jegliche Charaktermerkmale der Kinder, ob positiv oder negativ, ver-
schwanden. Die Kinder waren ausgeglichen und empfanden eine tiefe Freude wäh-
rend ihrem konzentrierten Tun und trotz der zwanglosen freien Arbeitsathmosphäre
konnte Montessori eine beständige Disziplin in der Arbeit der Kinder erkennen.97
Montessori beobachtete eine weitere positive Entwicklung durch den Prozess des
vertieften, konzentrierten Arbeitens: sie stellte eine Entwicklung des sozialen Bewusst-
seins fest98. Kinder, die bereits selbst, durch vertieftes und ausdauerndes Beschäftigen
mit einem Gegenstand, Konzentration erlangten, können laut Montessori, mit Geduld
auf Gegenstände warten, die gerade andere Kinder zum Spielen verwendeten. Diese
Kinder respektieren andere Menschen und ihre Bedürfnisse mit Geduld , da sie ver-
standen haben, dass das die Realität der Gesellschaft ist und es nicht um Bevorzugung
geht. Sie sind in der Lage, die eigenen Impulse zu kontrollieren und verstehen das
Leben in der Gesellschaft als eine Kombination von Tätigkeiten, die in Harmonie
gebracht werden müssen.99 (Der Gedanke des Harmonisierens ist auch im Yoga von
zentraler Bedeutung, wobei es im Yoga primär immer um die Harmonisierung des
eigenen Körpers, Geistes und der Seele geht.)
Konzentration begünstigt also nicht nur die Weiterentwicklung und Stärkung des Indi
viduums, sondern trägt auch positiv zur Verbesserung des Lebens in der Gemeinschaft
bei. Es ist besonders wichtig, dass die Arbeit, die unseren Geist beschäftigt auch die
Interessen unserer Personalität miteinbezieht, d.h. ich muss mich persönlich angespro-
chen fühlen und interessiert sein.
96Vgl. Montessori, Das kreative Kind, 1991, S.VIII97Vgl. Montessori, Das kreative Kind, 1991, S.180-18598Vgl. Montessori, Das kreative Kind, 1991, S.IX99Vgl. Montessori, Das kreative Kind, 1991, S.200-201
40
Genauso wie der Yoga stützt Montessori sich auf Aussagen der Gita, die sagen, dass
unser Geist eine ständigen Beschäftigung braucht, um gesund zu bleiben. Ein
untätiger, ruhender Geist sei eine Werkstatt des Teufels.100
Es geht Montessori beim Prozess der Normalisierung also nicht primär um das Tätig-
sein mit den Händen, sondern sie richtet ihren Schwerpunkt speziell auf die daraus re-
sultierende Beschäftigung des Geistes und die so entstehende Konzentration, die so
wichtig zur Verwirklichung und Entfaltung des eigenen Selbst ist.
III. Yoga als Bewältigungsstrategi für Kinder und Jugendliche
9. Yoga mit Kindern und Jugendlichen
Es gibt viele Gründe bereits mit Kindern Yoga zu üben und nicht erst im Erwach-
senenalter damit zu beginnen. Allerdings sollte man beim Üben mit Kindern das Pro-
gramm ihren individuellen Bedürfnissen und Voraussetzungen anpassen, damit das
Yoga Üben für Kinder zu einem positiven, bewussten Erleben und Spüren ihres
eigenen Körpers werden kann.
Psychische und physische Voraussetzungen
Wichtig ist, sich bereits im Vorfeld über einige physische und psychische Voraus-
setzungen von Kindern bewusst zu werden. Wir sollten uns im Klaren sein, dass Kin-
der ab Schulbeginn einer erhöhten psychischen Belastung ausgesetzt sind, da sich der
Charakter ihrer Tätigkeiten vom Spielen zu Pflicht und Arbeit verändert. 101
Es gibt auch einige physische Besonderheiten, die Kinder von Erwachsenen unter-
100Vgl. Montessori, Das kreative Kind, 1991, S.185101Vgl. Swami Maheshwarananda, Yoga mit Kindern, 1998, S. 20
41
scheiden, die gerade in Bezug auf das Yoga Üben von Bedeutung sind. Die Knochen
von Kindern sind bis zum Alter von etwa 10 Jahren noch sehr biegsam und die Mus-
kulatur entwickelt sich im Schulalter besonders fort. Meistens atmen Kinder in diesem
Alter sehr oberflächlich, was sich im Yoga mit Atemübungen sehr leicht verbessern
lässt.
Allgemein wirkt Bewegung auf die proportionale Ausbildung des Körpers und die Ent-
wicklung des Bewegungsapparates von Kindern ein. Durch Bewegung lassen sich alle
Funktionen des Organismus verbessern102. Da beim Yoga Üben alle Körperteile glei-
chermaßen beansprucht und auch viele Bewegungen eingeschlossen werden, die wir in
unserem Alltag nicht (mehr) ausführen, ist es ideal, um den Bewegungsapparat von
Kindern in der Entwicklung günstig zu fordern103 und Fehlbildungen vorzubeugen.
Methodische und didaktische Merkmale des Yoga
Bewegungsdrang der Kinder und Jugendlichen
Kinder im vorpubertären Alter haben einen besonders hohes Bewegungsbedürfnis,
dem sie beim Yoga Üben ideal nachkommen können. Besonders flüssige
Bewegungsabfolgen (z.B. der Sonnengruß) bieten im Yoga hier optimale Befriedigung
für den Bewegungsdrang von Kindern.
Natürlich haben auch andere bereits erkannt, dass der normale Schulalltag dem Bewe-
gungsdrang der Schüler überhaupt nicht gerecht wird.
Es gibt bereits mehrere Programme zum Thema "Bewegte (Grund-)Schule", die alle
versuchen, mehr körperliche Aktivität und Bewegung in den Schulalltag zu inte-
grieren. Die Vereinigung "Mehr-Bewegung-in-die-Schule" hat ein Programm zusam-
mengestellt104, dass sich aus mehreren Komponenten zusammensetzt.
Erstens sollen während des Unterrichts Bewegungspausen, in Form von kleinen Spie-
len oder Phantasiereisen, eingebaut werden. Die Organisation gibt mehrere Anre-
gungen und Beispiele für ruhige, mittelmäßig aktive und aktive Bewegungsspiele bzw.
Phantasiereisen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das themenbezogene Bewegen im
Unterricht. Das bedeutet, dass die Unterrichtsinhalte, so weit möglich, gemäß dem
102 Vgl. Swami Maheshwarananda, Yoga mit Kindern, 1998, S.20103s. Kapitel 3.3. Körperliche Wirkung der asana
104 Einzusehen im Internet:Vgl. www.mehr-bewegung-in-der-schule.de
42
Prinzip "Lernen mit Kopf, Herz und Hand" von Pestalozzi, durch einen handelnden
Umgang erschloßen werden. Die Bewegungsaktivität wird hier sogar zur adäquaten
Lernweise.
Weiterhin plädieren die Vertreter der Organisation "Mehr-Bewegung-in-der-Schule"
für die Gestaltung bewegungsfreundlicher Klassenräume und Pausenhöfe.
Außerdem sollen auch Angebote, die den außerschulischen Bereich betreffen gestärkt
werden, wie z.B. Arbeitsgemeinschaften und Ausflüge.
Die Anziehungskraft der fremden Kultur
Yoga übt auf Kinder meist eine besonders hohe Anziehungskraft aus, aufgrund deren
Interesse an der fremden Kultur.105 Im Kinderyoga kann man diesem Interesse beson-
ders schön durch Geschichten aus der indischen Mythologie und aus den Schriften
nachkommen.
Kein Wettbewerb-kein Leistungsdruck
Der wichtigste Aspekt im Kinderyoga ist, vor allem in Hinblick auf den Leistungs-
druck der sonst den Schulalltag der Kinder beherrscht, dass die Kinder Spass und Freu-
de am Üben haben und Yoga niemals einen Wettbewerb darstellt. Jeder macht die
Übungen so wie er es in dem Moment kann. Die Kinder sollen ohne Erfolgsdruck, un-
gezwungen und aus freier, eigener Entscheidung Yoga praktizieren. Der Unterricht
sollte vor allem erlebnisorientiert und abwechslungsreich gestaltet sein. Das Programm
sollte ausgewogen sein und zwischen statischen Stellungen, dynamischen Bewe-
gungsfolgen und Entspannungs-bzw. Nachspürphasen abwechseln.
Die asanas sollten nicht allzu lange gehalten werden, so dass sich das Kind in jeder
Stellung wohl fühlt. Die Gesamtdauer des Übens sollte erst allmählich gesteigert wer-
den, eine Stunde jedoch nicht übersteigen, da sonst die Konzentration und Freude der
Kinder nachlassen könnte.106
Während dem Yoga Üben kann man sehr gut das Selbstbewusstsein von Kindern
stärken, durch beispielsweise anerkennendes Lob und die Zuwendung und das einfühl-
sames Verhalten des Lehrers, z.B. durch unterstützendes Handauflegen in verschieden-
105Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.57106Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.87
43
en Stellungen.107
Außerdem lässt sich Yoga überall praktizieren und somit sehr gut in den Alltag inte-
grieren.
10. Probleme und Anforderungen an Schüler
Wie bereits in Kapitel 7. "Veränderte Kindheit" angesprochen, sind Kinder und
Jugendliche heute mit vielen Problemen und Anforderungen konfrontiert, denen sie
nicht immer ohne weiteres gewachsen sind.
Diese Probleme und Anforderungen finden sich in den verschiedensten Bereichen
wieder, die man grob in zwei Bereiche teilen kann: 1. die Probleme und Anforderungen,
die an die Kinder und Jugendlichen von außen herangetragen werden, d.h. von ihren
Mitmenschen oder ihrem sozialen Umfeld und 2. die Probleme, die die Jugendlichen
mit sich selbst haben.
Zur ersten Gruppe gehören beispielsweise Konflikte in der Familie mit den Eltern oder
Geschwistern. Über die üblichen Familienkonflikte hinaus können die Schüler auch
durch existentielle Sorgen der Eltern aufgrund deren Beschäftigungssituation o.ä. be-
lastet werden. Viele Schüler leiden enorm unter Leistungsdruck, sei es durch Klassen-
arbeiten in der Schule oder durch die Erwartungshaltung der Eltern.
Schüler identifizieren sich gerade in der Pubertät besonders mit Gleichaltrigen und
orientieren sich sehr stark an ihrer Peergroup. Deshalb ist es besonders schwer für
diese Jugendlichen, wenn sie Konflikte mit Gleichaltrigen haben, von denen sie doch
so dringend die Anerkennung und Bestätigung erhalten möchten, die sie brauchen. Die
meisten Jugendlichen sind noch sehr unsicher und auf der Suche nach ihrer eigenen
Identität, was besonders in der persönlichen Entwicklungsphase der Pubertät zum Tra-
gen kommt. Diese Probleme, die die Schüler mit sich selbst und ihrer eigenen Identität
haben, gehören also zur zweiten Gruppe.
Ein weiteres Problemfeld, das von außen auf die Schüler einwirkt, sind Mängel, die die
Institution Schule aufweist. Dazu gehören beispielsweise zu große Klassen, zu kleine
107Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.88
44
Räume, keine oder ungenügende Differenzierungsmöglichkeiten der Schüler gemäß
ihrer persönlichen Leistungen und Möglichkeiten etc..108
In verschiedenen statistischen Erhebungen109 wurden Schulstress und Probleme mit
Zensuren als häufigste und schwerwiegendste Probleme der Schüler genannt. Weit
danach wurden erst weitere Punkte genannt wie Probleme im Elternhaus, Geldsorgen
und Streit mit Lehrern.
Da es schwierig sein wird, diese Anforderungen und Probleme des Alltags anzugehen
und soweit zu beseitigen, dass die Schüler nur noch im erträglichen und verkraftbaren
Bereich belastet sind, ist es meiner Meinung nach sinnvoller, den Kindern und Jugend-
lichen Strategien zu vermitteln, mit deren Hilfe sie Ihre täglichen Anforderungen
besser bewältigen können und die ihnen helfen, vor allem in Stresssituationen besser
zu bestehen.
Yoga als Bewältigungsstrategie
Yoga hilft, Krisen und auch die alltäglichen Herausforderungen des Lebens besser zu
bewältigen, da wir beim Yoga Üben die Selbstwahrnehmung immer genauer und
differenzierter wird. Durch Yoga lernen wir unseren Geist und unseren Körper immer
besser kennen und können so sinnvoller und bewusster auf seine Signale reagieren.
Diese Art von Selbstregulation ist besonders dann wichtig, wenn wir stärker bean-
sprucht und belastet sind.110
Da vor allem Kinder und Jugendliche noch nicht besonders vertraut sind mit ihren
Gefühlen und ihrem Körper, ist es für sie sehr hilfreich, durch Yoga mehr über sich
selbst zu erfahren. In Zukunft werden sie Konflikten weniger hilflos gegenüber stehen,
denn Yoga sensibilisiert sie nicht nur für ihre eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeit,
sondern auch für die der anderen.
108Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S. 11109Vgl. Reißig und Petermann (1996) und Roßbach (1995)110 Vgl. Kragh, Yoga in der Schule, 2003, S.35
45
11. Welche sozialen und personalen Kompetenzen sind heute von Schülern
gefragt? – Beispiele aus dem Bildungsplan111
In der Handreichung zum Bildungsplan mit dem speziellen Thema "Soziale Kompe-
tenzen" wird genau definiert, was "sozial kompetent sein" bedeutet und welche Fähig-
keiten die Schüler erlernen müssen, um sozial kompetent zu sein.
Was bedeutet "sozial kompetent sein"?
Sozial kompetent ist laut Bildungsplan der, der sich selbst in seiner Einzigartigkeit mit
seinen individuellen Bedürfnissen wahrnehmen kann und akzeptable Kompromisse
finden kann, um sich in ein aktives Verhältnis zu seiner sozialen Umgebung zu
setzen.112
Soziale Kompetenzen
Basis, um überhaupt sozial kompetent sein zu können, ist also die Fähigkeit, sich selbst
vollständig wahrzunehmen. Diese Fähigkeit kann man durch kaum eine Methode bes-
ser lernen als durch Yoga. Durch das bewusste Ausführen der Übungen, Stellungen
(asanas) und Atemübungen (pranayama), und das anschließende bewusste Nach-
spüren, in die gerade belasteten bzw. angespannten Körperteile, bilden wir mit der Zeit
eine grosse Sensibilität und Aufmerksamkeit aus. Durch die ständige Konzentration auf
einzelne Teile unseres Körpers und die spürbaren Veränderungen, die durch das Yoga
Üben darin stattfinden, wird die Kompetenz der Selbstwahrnehmung sehr differenziert
geschult.113
Der Bildungsplan zählt einige Sozialkompetenzen auf, die die Schüler üben sollen, um
das Miteinander zu verbessern. Als Basis für diese Kompetenzen sollten wir uns
immer wieder die Frage stellen: "Wie gehen wir miteinander um und wie wollen wir,
das mit uns umgegangen wird? ".114
Diese Frage entspricht, bezogen auf den Yoga, den Ratschlägen des Patanjali (Vgl. Yoga
111Vgl. www.schule-bw.de/handreichung.pdf
112Vgl. www.schule-bw.de/handreichung.pdf, S. 6113Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, S.29-30114Vgl. www.schule-bw.de/handreichung.pdf,, S.9
46
Sutras II.30-II.31.) zum Umgang mit den Mitmenschen (yamas115).
Die Schüler sollen durch Kommunikationstraining Kommunikationsfähigkeit(en) aus-
bilden, um Gespräche führen, leiten oder einfach daran teilhaben zu können.
Ein wichtiger Punkt ist die Ausbildung der Konfliktfähigkeit der Schüler, was durch
Konfliktlösestrategien erreicht werden kann. Die Schüler sollen lernen, wie man Kon-
flikte vermeiden kann und wie man bereits vorhandene Konflikte angemessen und ei-
genverantwortlich lösen kann. Außerdem sollen sie Konflikte erkennen und deren
Ausgänge akzeptieren lernen. Diese Kompetenz ist beson-ders wichtig in Verbindung
mit der Impulskontrolle in der Gewaltprävention (s. Faustlos-Programm), bei der es
darum geht, Probleme zu erkennen und Problemlösestrategien zu erlernen.116
Teamfähigkeit, d.h. Aufgaben im Team bearbeiten zu können, ist eine weitere wichtige
Kompetenz, die zu den sozialen Fähigkeiten gehört.
Empathiefähigkeit ist eine besonders wichtige Qualität in Bezug auf die Verbesserung
der sozialen Kompetenzen. Die Schüler sollen nicht nur lernen, ihre eigenen Gefühle
zu erkennen und wahrzunehmen, sie sollen diese Fähigkeit auch auf ihre Mitmenschen
übertragen und sich in sie hineinversetzen können. Indem ich andere und ihre Situation
wahrnehmen kann, ergibt sich ein Perspektivenwechsel und ich kann empathisch re-
agieren.117
Dazu gehört auch die Entwicklung von Toleranz im Umgang mit anderen Menschen,
was sich besonders gut in der Auseinandersetzung mit anderen Kulturen, Religionen
o.ä. erzielen lässt. Auch Yoga könnte durch seine Andersartigkeit, verglichen mit der
westlichen Kultur, zur Entwicklung von Toleranz beitragen.
Weitere wünschenswerte Fähigkeiten im Umgang mit seinen Mitmenschen sind bei-
spielsweise Verantwortungsbereitschaft, Hilfsbereitschaft und Höflichkeit.118
Wie auch im Faustlos-Programm als Ziel definiert, möchte auch der Bildungsplan mit
115 s. Kapitel 1.5. ; Der achtgliedrige Yogapfad- Yoga Sutras des Patanjali
116Vgl. www.schule-bw.de/handreichung.pdf S. 12, S.29
117Vgl. www.schule-bw.de/handreichung.pdf S. 12, S.18, S.29
118Vgl. www.schule-bw.de/handreichung.pdf S.19
47
den Schülern den Umgang mit Angst, Wut, Ärger und Stress trainieren. Die Schüler
sollen sich den Auslösern von Wut bewusst werden, Beruhigungstechniken erlernen
und den Umgang mit Stresssituationen üben.119
Yoga bietet vor allem ganzheitlich greifende Techniken und Strategien an, die unseren
Geist und unseren Körper beruhigen. Durch das bewusste Betrachten und Analysieren,
weg von gewohnten Mustern bietet Yoga eine sehr gute Möglichkeit (beispielsweise in
der Meditation) zum Bewusstwerden von negativen Gefühlen (Angst, Wut, Ärger) in
uns (s. Kapitel1.5. ).
Personale Kompetenzen
Nicht zu verachten sind in Verbindung mit der Entwicklung von sozialen
Kompetenzen die personalen Kompetenzen, d.h. die Fähigkeiten, die jeder Schüler für
sich selbst kultivieren sollte, um überhaupt in der Gemeinschaft bestehen zu können.
Ziel ist es, die Persönlichkeit jedes Schülers zu stärken.
Personale Kompetenzen sind als Baustein des sozialen Lernens zu sehen120 und somit
unverzichtbar für die Verbesserung des sozialen Miteinanders. Schule soll den Schü-
lern Raum zur Selbstfindung geben und sie zur Reflexion des eigenen Lebens anleiten
bzw. anhalten. Die Schüler sollen Gelegenheit erhalten, sich mit anderen Kulturen
auseinanderzusetzen und andere Haltungen kennnenzulernen. So können die Schüler
Toleranz und Verantwortungsbereitschaft entwickeln.121 Yoga gehört mit seinen asia-
tischen, teils hinduistisch geprägten Wurzeln für uns zu einem anderen Kulturkreis und
kann folglich dazu beitragen aus unseren Schülern tolerante Menschen zu machen.
Konkret sieht der Bildungsplan vor, dass die Schüler sich und ihre Arbeit präsentieren
lernen sollen, z.B. freies Sprechen vor der Gruppe. In schwierigen Situationen sollen
sie sich behaupten können und lernen, mit Kritik konstruktiv umzugehen. Durch solche
Methoden werden Konfliktfähigkeit und Konfiktverarbeitung trainiert.
Eine weitere wichtige persönliche Kompetenz zur Verbesserung des sozialen Miteinan-
119Vgl. www.schule.bw.de/handreichung.pdf S.19, S.29
120Vgl. www.schule-bw.de/handreichung.pdf, S.17
121Vgl. www.schule-bw.de/handreichung.pdf, S. 39
48
ders ist, dass Schüler lernen, sich zu konzentrieren und anderen zuzuhören.122
Konzentration ist eine wichtige Grundlage für alle anderen Kompetenzen. Damit ich
überhaupt richtig wahrnehmen kann (mich selbst, andere, Konflikte, Gefühle etc.),
muss ich meine Aufmerksamkeit erst einmal uneingeschränkt auf das Objekt richten,
das ich wahrnehmen möchte.
Yoga ist, wie bereits an mehreren Stellen erwähnt, eine sehr gute Technik, um seine
Konzentration zu schulen.
Patanjali sagt im ersten Yoga Sutra (I.2.): “yogas citta vrtti nirodhah”
was übersetzt soviel bedeutet wie:
"Yoga ist die Fähigkeit, sich ausschließlich auf einen Gegenstand, eine Frage oder
einen anderen Inhalt auszurichten und in dieser Ausrichtung ohne Ablenkung zu
verweilen." 1 2 3
.12. Wie kann Yoga Schülern konkret helfen ihre soziale und personale Kompetenz
zu steigern?
Im nachfolgenden Teil möchte ich anhand von exemplarisch gewählten Problemen, die
häufig bei Schülern als Folge von unangemessener Bewältigung von Belastungen und
Stressaspekten auftreten124, zeigen, wie der Einsatz von Yogaelementen in der Schule
die Symptome bzw. das Problem der Schüler verbessern vielleicht sogar lösen kann.
Viele Störungen beeinflussen die personalen und sozialen Kompetenzen der Schüler
negativ. Um ein angenehmeres Miteinander in der Gemeinschaft Schule zu ermög-
lichen ist es also unbedingt notwendig, diese Störungen weitgehendst zu minimieren
oder nach Möglichkeit ganz aufzulösen.
Vorher möchte ich jedoch kurz darstellen, wie Stress als Beanspruchungsfolge über-
haupt definiert wird und welche Möglichkeiten es zur Stressbewältigung gibt.
122Vgl. www.schule-bw.de/handreichung.pdf,, S.36-37 123 Patanjali, Yoga Sutras, I.2124Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.27
49
13. Stress als Beanspruchungsfolge und Möglichkeiten zur Stressbewältigung
Stress als Beanspruchungsfolge
Stress wird als eine zweckmäßige (Alarm-)Reaktion und Anpassung bei Belastungen,
die der Rezipient als Bedrohung empfindet, definiert125 Der Mensch steht unter Druck,
sich an veränderte Bedingungen anzupassen und versucht die neue Situation zu be-
wältigen. Dabei können sich positive Beanspruchungsfolgen entwickeln, wie z.B. eine
erhöhte Anpassungsfähigkeit und Handlungskompetenz, eine verbesserte Stabilität der
Psyche und eine allgemeine Weiterentwicklung der Persönlichkeit. Diesen positiven
und durchaus notwendigen Stress nennt man Eustress. Bewältigt der Mensch die an
ihn gestellten Anforderungen und Belastungen jedoch auf unangemessene Art und
Weise, stellen sich negative Beanspruchungsfolgen ein (Disstress). Wir reagieren dann
mit verschiedenen physischen und psychischen Störungen wie beispielsweise Ermü-
dung, Muskelverspannungen, Kopfschmerzen, Magenschmerzen, Frustration, Resig-
nation, Hyperaktivität etc..126 Je nach Empfinden des Stress-Syndroms steigern sich
auch die Belastungsfolgen. Leide ich anfangs nur unter Verspannungen der Muskeln,
kann sich das bei andauerndem Stress bis hin zu Muskelschmerzen und und or-
ganischen Problemen steigern.127
Es gibt mehrere Modelle, die in verschiedenen Stufen beschreiben, wie der Mensch auf
ungewohnte Belastungen und Anforderungen reagiert. Das Modell des allgemeinen
Anpassungsprinzips beschreibt ein Vier-Stufen-Schema, das mit mit der Ausschüttung
von Stresshormonen beginnt. Stress bringt die Systeme des Körpers in Alarmbereit-
schaft und aktiviert den Flucht-Kampf-Mechanismus. Das bedeutet erhöhte Wachsam-
keit bis hin zum Empfinden von Angst und Ärger. Die zweite Stufe beschreibt den
Widerstand, den Körper und Geist dem empfundenen Stress entgegensetzen. Auf den
Widerstand folgt die Phase der Anpassung, in der sich der Organismus den
veränderten Bedingungen anpasst. Diese Phase wird auch Hyperkompensationsphase
genannt- der Geist lernt dazu und der Körper wird stärker und flexibler. Die letze
Phase des Anpassungsmodells beschreibt die negative Reaktion des Zusammenbruchs
bei Überanstrengung des Organismus. Er ist dann nicht mehr in der Lage sich anzupas-
125Vgl. Schröder, Optimistisch den Stress meistern-Kursleiter Handbuch des Stressbewältigungsprogramms, 1996, 126Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.15127Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.108
50
sen und bricht zusammen.128
Biologisch gesehen bewirkt Stress eine vermehrte Ausschüttung des Hormons Adre-
nalin, was den Blutkreislauf beschleunigt. Die Durchblutung wird somit verbessert,
die Atemfrequenz wird erhöht und die Schweißaussonderung vermehrt. Der Körper ist
bereit für Flucht und Kampf (Fluch-Kampf-Mechanismus).129 Stress bewirkt außerdem
durch die hormonelle Veränderung eine Verschiebung des vegetativen Tonus, so dass
das sympathische Nervensystem erregt wird.130
Möglichkeiten zur Stressbewältigung
Um wieder einen Normalzustand herstellen zu können und um den Flucht-Kampf-
Mechanismus zu deaktivieren, braucht der Körper ein Signal zur Entwarnung.
Bekommt er dieses Signal nicht, bleibt er im aktivierten und angespannten Zustand. Es
ist also unbedingt notwendig einen Rhythmus zwischen Anspannung und Entspannung
herzustellen, damit man Stress besser bewältigen kann. Es gibt mehrere Strategien, um
Stress besser bewältigen zu können, die sich grob in drei Gruppen einteilen lassen.
Erstens gibt es Möglichkeiten zur Stressbewältigung, die eine Veränderung der
Lebensbedingungen des Betroffenen verlangen. Der Betroffene wird angehalten sich
einen Ausgleich insbesondere in seiner Freizeit zu suchen, der ihm Spass macht und
keinen Leistungsdruck ausübt. Vor allem körperliche und sportliche Betätigungen stel-
len einen optimalen Ausgleich zu Stress dar und können helfen Verspannungen zu lö-
sen. Yoga Stellungen (asanas) zu üben ist eine optimale Methode um körperliche Ver-
spannungen abzubauen, da beim Üben alle Muskeln gleichmäßig gedehnt und ge-
stärkt werden. Körper und Geist werden harmonisiert und miteinander in Einklang ge-
bracht. Das Körperbewusstsein des Übenden erhöht sich durch die Konzentration auf
die Übungen und die damit verbundenen Veränderungen im Körper. Ein wichtiger As-
pekt ist, dass Yoga keinen Leistungsdruck ausübt.
Auch die Ernährung spielt keine unwesentliche Rolle, denn es gibt viele Nahrungs-
mittel, die Unruhe und Unausgeglichenheit auch noch begünstigen wie z.B. Alkohol,
128Vgl. Bretz, Das Yogalehrer Handbuch, 2003, S.109129Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.108130Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.17
51
Zucker, Koffein, Fleisch, etc.. Es gibt aber auch viele Nahrungsmittel, die eine geistige
und körperliche Entspannung und Ausgeglichenheit begünstigen (wie z.B. Kräuter-
tees, Obst und Gemüse, Milchprodukte) und zudem die Stressresistenz erhöhen. Eine
wichtige Rolle spielt auch das soziale Umfeld, das einem Kraft und Unterstützung in
schwierigen Situationen geben kann. Unsicherheiten in Beziehungen mit Familie und
Freunden, sowie Leistungsdruck erhöhen nachweisbar das Stresspotential.131
Auch die Veränderung der geistigen Einstellung in Bezug auf Stress ist nicht uner-
heblich. Konzentriertes Arbeiten und absorbiert Sein in der Tätigkeit, die man gerade
ausführt, bringt auch eine ungemein positive Veränderung mit sich. Man hat Spass an
dem, was man tut (s.Flow Kapitel 6.2.). Sind wir außerdem in der Lage, Handlungs-
alternativen zu erkennen und Selbstvertrauen in unsere eigenen Fähigkeiten zu haben,
gibt uns das auch ein gutes Gefühl. Wir haben das Gefühl, die Situation aktiv beein-
flussen zu können und unter Kontrolle zu haben und fühlen uns nicht hilflos ausge-
liefert. Meditation ist eine gute Möglichkeit um eine tiefe Konzentration zu entwickeln
und um neue Handlungsmöglichkeiten zu entdecken (s. Kapitel 1.5.: Yoga Sutra III.2.
dhyana-Meditation).
Eine allgemein positive Einstellung zum Leben und positives Denken zu entwickeln
ist ein ebenfalls sehr gutes Mittel, um Stress zu bewältigen. Wir sollten an den Sinn im
Leben glauben und das Leben als Lernprozess ansehen, d.h. kleinere Misserfolge hin-
nehmen und darauf vertrauen, dass alles was geschieht zum Besten ist.
Atemübungen (pranayama) helfen uns dabei, mehr Selbstvertrauen aufzubauen und die
Lebensenergie zu erhöhen, was allgemein zu einer erhöhten Stressresistenz führt
(s.Kapitel 4. : pranayama-Atemübungen).132
Drittens gibt es verschiedenen Entspannungstechniken, die man erlernen kann, um
dem Körper selbstgesteuert ein Entspannungssignal senden zu können. Der Körper
kann dann die Anspannung auflösen und seinen Normalzustand herstellen (körperlich
bedeutet das: Parasympatikus aktivieren, Muskeln entspannen, Verdauung aktivieren
und innere Ruhe erreichen). Eine einfache Technik ist sich auf seine Bauchatmung zu
konzentrieren. Man kann sich aber auch auf bestimme Körperteile konzentrieren.
131Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.108132Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.109
52
Hilfreich ist die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen, die zuerst auffordert
bewusst alle Körperteile anzuspannen und anschließend bewusst zu entspannen (s.
Kapitel 15.3.). Eine weitere schöne Methode der bewussten Entspannung ist die medi-
tative Konzentration auf die Vorstellung einer Landschaft oder eine Traumreise im
Geist zu vollziehen.
14.Störungen und Beanspruchungsfolgen bei Schülern durch unangemessene
Bewältigung von Belastungen und Stress
Die zu beobachtenden Störungen bei Schülern lassen sich grob in vier Gruppen unter-
teilen.
Emotionale Störungen: z.B. Angst-und Minderwertigkeitsgefühle
Viele Schüler reagieren auf Fehlbeanspruchungen infolge von Stress oder Belastungen
mit negativen Emotionen wie z.B. Angst oder Minderwertigkeitsgefühlen.
Minderwertigkeitsgefühle und Angst stehen oft miteinander in Verbindung, denn Schü-
ler die unter Angstzuständen leiden, schätzen sich selbst oft auch als leistungs-
schwächer ein als sie tatsächlich sind.
Minderwertigkeitsgefühle sind bei vielen Betroffenen zudem häufig mit sozialer Un-
sicherheit gekoppelt, was sich in einer Zurückhaltung im Sozialkontakt mit den Mit-
menschen bzw. Mitschülern äußert.133 Einige Schüler leiden auch unter Schulangst134,
was sich beispielsweise als Leistungsangst und Angst vor Prüfungen zeigt. Die be-
troffenen Schüler machen sich Sorgen über ein mögliches Versagen in Prüfungs-
situationen und leiden währenddessen unter einer erhöhten Erregung bzw. Aufgeregt-
heit. Diese Schulangst kann sich in verschiedenen Symptomen und Verhaltensauf-
fälligkeiten wie z.B. Leistungsabfall, Schlafstörungen, Schulverweigerung, Ner-
vosität, Schweißausbrüche und Herzklopfen ausdrücken.135
Es besteht, laut diversen Forschungsergebnissen136, ein Zusammenhang zwischen der
133Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.28134Sammelbezeichnung für das Erleben von Ängsten vor und während des Schulbesuchs135Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.29136Vgl. z.B. Filip, Coping with life events: When the self comes into play, 1986, S.87-109
53
Selbstaufmerksamkeit und der Angstintensität. Bei der Selbstaufmerksamkeit geht es
in diesem Fall um die bewußte Selbstreflexion und das differenzierte Wahrnehmen des
eigenen physischen und psychischen Zustandes, d.h. die bewusste Wahrnehmung von
Körperempfindungen, Gedanken, Einstellungen und Voreingenommenheiten.137
Durch aufmerksames Yoga Üben mit einem Schwerpunkt auf der meditativen Konzen-
tration in den einzelnen Stellungen,d.h. bewusstes Hineinspüren in die Anstrengung
der einzelnen Muskeln und Körperteile und die anschließende bewusste Wahrnehmung
der Entspannung (auch bewusstes Nachspüren genannt) kann die differenzierte Wahr-
nehmung des eigenen Zustands (physisch und psychisch) und somit die bewusste
Selbstreflexion optimal trainiert werden.
Konzentrieren die Schüler (oder allg. der Übende) ihre Wahrnehmung beim Yoga
Üben auf ihre individuellen Verbesserungen und Fortschritte, kann das auch Einfluß auf
ihre gewohnten Gedanken und Bewertungsmuster haben und damit ihre Minder-
wertigkeitsgefühle auflösen oder minimieren. Durch diese Art von Yoga Üben wird
das gewohnte, in der Schule erlernte, Vergleichen mit den Leistungen der Anderen in
den Hintergrund gedrängt und der Fokus wird auf die Leistungsverbesserungen durch
eigene Anstrengung gelenkt.138
Verhaltensauffälligkeiten
Soziale Kontaktschwierigkeiten
Zur Bewältigung von Stress sind soziale Fähigkeiten (z.B. Fähigkeit zu sozialen
Kontakten) und Kompetenzen zur Mobilisierung von Hilfe(n) bei Problemen uner-
lässliche Ressourcen. Soziale Unsicherheit behindert außerdem erfolgreiches Lernen ,
da das scheue und unsichere Verhalten eines sozial inkompetenten Schülers durch den
Lehrer als Nichtkönnen und Desinteresse gedeutet und beurteilt werden kann. Diese
Schüler werden häufiger übersehen und automatisch weniger am Unterrichtsgeschehen
beteiligt. Die Mitmenschen nehmen die betroffenen Kinder und Jugendlichen oft als
weniger sympatisch wahr. Meistens haben diese Schüler auch ein negatives Selbstbild
von sich.139
137 Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.30138 Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.31139 Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.32
54
Aggressives Verhalten
Aggressives Verhalten bei Schülern ist meist situativ bedingt, impulsiv und wenig ge-
steuert.
Minimale Schlüsselreize bzw. Anlässe lösen dieses Verhalten aus, meist wenn sich der
Betroffene in seiner Macht bedroht fühlt oder frustriert ist. Aggressives Verhalten kann
sich in verschiedenen Reaktionen äußern- von primitivem Verhalten wie schlagen und
treten bis hin zu subtilen Handlungen wie andere zu entwerten oder herabzusetzen.
Manche Schüler fallen auch durch ein aggressives Dominanzstreben auf,d.h. sie über-
schreiten bewusst Normen, um die eigenen Wünsche und Bedürfnisse durchzusetzen.
Oft stecken hinter aggressiven Übergriffen viele verschiedene Motivationen wie bei-
spielsweise die Angst vor Missachtung und Ausgeschlossensein, das Bedürfnis nach
Anerkennung und Zuwendung, der Wunsch nach Berührung und Kontakt mit anderen
und die Sehnsucht nach Freunden.140
Eine Möglichkeit aggressives Verhalten zu minimieren ist, die betroffenen Schüler in
der Impulskontrolle anzuleiten. Die Schüler sollen lernen, in den Situationen, in denen
sie normalerweise aggressiv reagieren würden, sich selbst zu beruhigen und zu ent-
spannen. Yoga ist eine hervorragende Möglichkeit Entspannungstechniken zu erlernen,
die auf Kommando wieder abrufbar sind, um so spontane Impulse selbstständig kon-
trollieren zu können.141
Yoga bietet den Schülern eine vielfältige Möglichkeiten zur sanften Kontaktaufnahme
wie beispielsweise die Ausführung von Partnerübungen.142
Außerdem ist im Yoga der Gedanke der Gewaltlosigkeit (ahimsa) die Basis im Umgang
mit sich selbst und seinen Mitmenschen, der stets ganzheitlich,d.h. in Gedanken, Taten
und Worten, umgesetzt wird.143
Aufmerksamkeits-und Konzentrationsschwierigkeiten
Treten bei Schülern Aufmerksamkeits-und Konzentrationsschwierigkeiten in der
Schule auf, bedeutet das, dass sie dem Unterricht nicht folgen und die damit ver-
bundenen Aufgaben und Informationen nicht weiter verarbeiten können. Die betrof-
fenen Schüler arbeiten ungenau, flüchtig oder fehlerhaft, sie fallen durch Vergessen
oder nicht-Beachten von Anweisungen auf und zeigen einen deutlichen Leistungsabfall,
140Vgl. Kragh, Yoga in der Schule, 2003,S.37141Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.33142Vgl. Kragh, Yoga in der Schule,2004,,S.37143 Vgl. Patanjali, Yoga Sutras, II.30-31
55
wenn sie über einen längeren Zeitraum beansprucht werden. Auch ihr Verhalten ist
zunehmend geprägt von Konzentrationsschwierigkeiten: sie arbeiten unregelmäßig
mit, sind unruhig und abgelenkt, haben Disziplinschwierigkeiten und gehen oft sogar
einer Nebenbeschäftigung nach.
In diesem Fall kann Yoga zur psychomotorischen, vegetativen und affektiven Harmon-
isierung beitragen144 (s.3.2.-3.3. Physische und psychische Zusammenhänge beim
Praktizieren einer asana und Entspannungswirkung der asana). Während des Yoga
Übens wird immer die Konzentrationsfähigkeit geübt, da der Übende sich nur auf die,
an der jeweiligen asana beteilgten, Körperteile konzentriert und/oder auf seinen Atem.
Durch die körperliche Belastung im Yoga ist es für Ungeübte einfacher sich zu kon-
zentrieren, da sie ihre komplette Aufmerksamkeit zu den belasteten Muskeln und
Körperteilen senden, wo sie auch am meisten Reaktion bzw. Impulse wahrnehmen
werden. Sie spüren beispielsweise eine Dehnung, Wärme oder einfach eine (unge-
wohnte) Belastung und Anstrengung. Sie müssen sich außerdem darauf konzentrieren,
die jeweilige Stellung korrekt auszuführen und diese eventuell bewegungslos zu hal-
ten. Für Anfänger ist das meist schon so anspruchsvoll, dass sie dafür automatisch ihre
ganze Konzentration und Aufmerksamkeit gebrauchen.
Psychosomatische Störungen/ Körperliche Beschwerden
Nicht zu unterschätzen sind auch psychosomatische Auffälligkeiten und Beschwerden,
deren Ursachen meist in negativen Spannungs-und Gefühlszuständen oder psychischen
Konflikten (z.B. Ängste, Schulstress, verdrängte Konflikte, Depressionen etc.) liegen.
Auf der einen Seite können psychische Anspannungen Spannungen im Körper und
eine Überlastung von Organen hervorrufen. Zum anderen kann es aber auch umge-
kehrt passieren- zu Beginn rein körperliche Beschwerden können auch eine psychische
Auswirkung erzielen. Die zu beobachtenden Beschwerden bei Schülern sind vielfältig:
beginnend bei Kopfschmerzen, Nervosität, Übelkeit, Magen-Darm-Beschwerden,
Atemprobleme, Rückenschmerzen, bis hin zu Schlafstörungen.
Yoga eignet sich ebenfalls hervorragend, um rein körperliche Beschwerden wie z.B.
Haltungsschäden und Rückenschmerzen durch falsches Sitzen und unterentwickelte
Rückenmuskulatur zu behandeln. Es gibt Übungen, die spezielle Muskeln und Muskel-
144Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.33
56
gruppen kräftigen, gegen Rückenbeschwerden, zur Harmonisierung bestimmter Organe
und der Verdauung etc..145
IV. Praxisteil-Übungsprogramme
15. Yoga-Programme
(bestehend aus asanas, Atemübungen (pranayama) und geführter Meditation) für den
Schulalltag zur Verbesserung von emotionalen und psychosomatischen Störungen,
Verhaltensauffälligkeiten und Aufmerksamkeits-und Konzentrationsstörungen
Im nachfolgenden Teil möchte ich verschiedene Programme aus geeigneten Yoga-
übungen (asanas, Atemübungen und geführte Meditation) zusammenstellen, die die im
vorigen Kapitel genannten Störungen bei Schülern verbessern, bestenfalls auflösen
können. Auf jede Störung bzw. Auffälligkeit möchte ich individuell eingehen, da je-
des Problembild andere Symptome aufweist, die man durch gezielte Yogaübungen
angehen kann.
Jede einzelne asana hat, wie ich bereits in Kapitel 3. ("Die asana" ) meiner Arbeit aus-
führlich beschrieben habe, bestimmte physische und psychische Wirkungen auf den
Übenden. Genauso kann man durch verschiedene Atemübungen bestimmte Qualitäten
fördern oder verbessern (s. Punkt 4. Pranayama-Atemübungen).
Auch meditative Übungen gehören untrennbar zum Yoga dazu und tragen vor allem
dazu bei, Konzentration, Achtsamkeit und Aufmerksamkeit zu üben. Bei der Medi-
tation kommt der Körper zur Ruhe und Äußerlichkeiten verlieren an Gewicht. Durch die
Ruhe und Enstpannung in der Meditation entsteht Ausgeglichenheit und der Prakti-
zierende findet Zugang zu sich selbst und seinen Gefühlen. Auch die eigenen inneren
Stärken werden durch die Meditation besser wahrgenommen und geben Selbstbe-
wusstsein und vermehren das Selbstvertrauen. Automatisch werden Angstgefühle redu-
ziert . Durch regelmässige Meditation wird die Konzentrationsfähigkeit nachweislich
gesteigert.146
In den meisten Schulen ist es leider nicht möglich richtige Yogastunden in den Stun-
145 Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.34-35146Vgl. Gruber/Rieger, Entspannung und Konzentration -Meditieren mit Kindern, 2002, S.20
57
denplan der Schüler zu integrieren, da das Stundenkontingent bereits völlig erschöpft
ist und die Fachkräfte fehlen. Allerdings kann man auch in den normalen Unterricht
Yogastellungen (asanas), Atemübungen (pranayama) und geführte Meditations-
sequenzen (z.B. Traumreisen) einbauen, die ohne großen Aufwand in normaler Klei-
dung und im Klassenzimmer durchführbar sind.
15.1. Emotionale Störungen
Wie bereits im vorigen Kapitel angeschnitten, ist das Trainieren und Ausbilden der
Selbstaufmerksamkeit und der Selbstwahrnehmung ein wichtiger Schritt, um Schülern
zu helfen mit ihren Angstgefühlen umzugehen und sie schließlich völlig auflösen zu
können. Die Angstintensität nimmt durch eine differenzierte Selbstwahrnehmung und
Selbstreflexion nachweislich ab147. Außerdem gehören die Reflexion über das eigene
Leben und die bewusste Wahrnehmung der eigenen Person auch zu den personalen
Kompetenzen, die jeder Schüler laut aktuellem Bildungsplan entwickeln und trainieren
soll (s. Kapitel 11.). 1 4 8
Übungen im Klassenzimmer
Nachfolgend habe ich einige Übungen zur Schulung der Selbstwahrnehmung zu-
sammengestellt, die sehr einfach während des normalen Unterrichts im Klassenzimmer
durchgeführt werden können. Beginnen möchte ich mit einigen einfachen asanas, die
vor allem die Konzentration auf die bewusste Wahrnehmung des eigenen Körpers len-
ken. Die Übungen sollten nicht zu kompliziert sein, so dass die Schüler sie auch zu
Hause selbstständig üben können. Um bessere Fortschritte zu erzielen zu ist es hilfreich,
wenn die Schüler regelmäßig üben und nicht nur in der Schule mit Yoga konfrontiert
werden.
147 Vgl. Filip, Coping with life events: When the self comes into play, 1986, S.87-109
148 Vgl. www.schule-bw.de/handreichung.pdf, S.39
58
I. Bewusstes Stehen – die Bergstellung (Tadasana)
Diese Stellung entwickelt Standfestigkeit und Stabilität- auch im übertragenen Sinn.149
Die Schüler sollen sich ohne Schuhe, am besten barfuß, aufrecht hinstellen, die Füße
stehen etwa hüftbreit auseinander und sind parallel zueinander. Die Schüler sollen die
Schultern zunächst hoch an die Ohren ziehen und dann nach hinten unten fallen lassen.
So ist auch der Rumpf optimal geöffnet und aufgerichtet. Dann sollen die Schüler den
rechten Fuß anheben (die Ferse bleibt dabei am Boden!) und ihn ganz langsam, Zenti-
meter für Zentimeter abrollen. Jede Zehe soll zum Schluss ganz bewusst und langsam
abgelegt werden, so dass sie alle abgespreizt voneinander liegen. Mit dem linken Fuß
wird die gleiche Ansage wiederholt. Die Schüler sollen bewusst ihre Standfläche und
Standfestigkeit erhöhen, indem sie die Füße nacheinander so bewusst und langsam wie
möglich abrollen. Um genau spüren zu können, sollten die Schüler die Übung deshalb
am besten barfuß ausüben (auf keinen Fall mit Schuhen). Sie werden spüren, dass sie
viel fester und sicherer nach dem bewussten Abrollen der Füße auf der Erde stehen,
was ihnen sicherlich ein gutes und sicheres Gefühl geben wird.150
Die Bergstellung (tadasana)
149Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.70150 Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch. 2003, S.163
59
II. Bewusstes Anspannen und Entspannen von Körperteilen (z.B.
Schulterübungen)
Die Schüler sollen die Schultern zu den Ohren hochziehen und etwa 5 Sekunden an-
spannen, danach wieder locker lassen. Die Übung basiert auf den Entspannungsge-
setzen die besagen, dass ein Muskel, der mindestens 5 Sekunden lang bewusst ange-
spannt wird, danach besonders gut entspannen kann.
Diese Übung sollen die Schüler etwa zwei bis drei Mal wiederholen. Es ist wichtig, dass
der Lehrer sie auch darauf hinweist, was bei dieser Übung passiert und dass sie sich
nur auf die Veränderung in ihren Schultern konzentrieren sollen. Z.B.: "Was fühlt sich
nach dem Anspannen anders an?"
Anschließend können die Schüler die Schulterblätter nach hinten zusammenziehen.
Hilfreich ist bei der Ansage mit einem Bild zu arbeiten. Der Lehrer könnte sagen, dass
sich die Schüler vorstellen sollen, zwischen ihren Schulterblättern sei eine Nuss, die
sie knacken sollen. Auch diese Übung wird gemäß den Entspannungsgesetzen 5
Sekunden gehalten und danach bewusst entspannt151
III. Bewusstes Sitzen- Bewusstseinslenkung im Körper
Diese Übung kann man auch im Liegen oder Stehen durchführen, je nach Platzangebot
und Situation. Im Klassenzimmer erscheint mir die Übung im Sitzen durchzuführen als
gut durchführbar.
Die Schüler sollen sich aufrecht auf einen Stuhl setzen, die Füsse parallel zueinander
auf den Boden aufstellen, die Schulter zu den Ohren hochziehen und dann nach hinten
unten fallen lassen. Der Lehrer wird mit den Schülern eine Reise durch ihren Körper
machen, indem er sie auffordert nach und nach in alle Körperteile zu spüren, die er
ihnen ansagt. Beginnen sollte er mit den Körperteilen die Berührung mit einem ander-
en Gegenstand wie z.B. dem Stuhl oder dem Boden haben. So konzentrieren sich die
Schüler nach und nach bewusst auf die angesagten Körperteile und nehmen deren Zu-
stand, deren Existenz wahr.
151Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.163
60
IV. Bewusstes Atmen
Die Schüler sollen, am besten im Stehen oder im Liegen, bewusst ein- und ausatmen.
Der Lehrer kann den Rhythmus vorgeben, wichtig ist jedoch, dass die Schüler
gleichmäßig atmen, d.h. genauso lange einatmen wie sie ausatmen. Bei geübten
Schülern kann man dazu übergehen die Ausatmung bewusst zu verlängern, um so die
alte und verbrauchte Luft aus den Lungen vollständig herauszupressen. So können die
Übenden eine otimale Kontrolle über ihre Lungen erlangen152. Trotzdem sollte kein
Zwang auf die Schüler ausgeübt werden und sie sollen wissen, dass sie immer im
eigenen Rhythmus weiteratmen dürfen, falls sie mit der Ansage des Lehrers nicht mehr
mitkommen sollten. Hilfreich ist es die Schüler anzuleiten, die Hand dabei auf den
Bauch zu legen, um so die rhythmische Bewegung der Bauchdecke mitzuverfolgen153
(Einatmend hebt sich der Bauch, ausatmend senkt sich der Bauch). Es ist auch schön
an dieser Stelle mit Bildern zu arbeiten. z.B. "Stellt Euch vor mit jeder Einatmung
nehmt ihr neue Lebensenergie (prana) in Euch auf und mit jeder Ausatmung gebt Ihr
alles Schlechte und Verbrauchte wieder ab."
Übungen speziell zur Stärkung von Selbstvertrauen bei
Minderwertigkeitsgefühlen:
Um Minderwertigkeitsgefühle zu minimieren oder aufzulösen ist es allgemein wichtig,
die Konzentration der Schüler auf die eigenen Fortschritte zu lenken.154 Das ist beim
Yoga Üben immer der Fall, da der Übende dazu angehalten wird, aufmerksam in die,
an der Übung beteiligten, Körperteile zu spüren. Bei vielen Übungen ist es auch mög-
lich, je nach eigenem Belieben, die Augen zu schließen. Grundsätzlich ist jeder Yoga-
übende immer bei sich selbst mit seiner Aufmerksamkeit und es gibt keinen Wettbe-
werb. Dabei ist es wichtig anzusagen, dass es bei den Übungen nicht darum geht, beson-
ders gelenkig, flexibel oder stark zu sein, sondern dass alle Ergebnisse gut sind.
Komme ich bei einer Vorwärtsbeuge mit den Händen nicht an die Füße, ist das kein
Problem, da das nicht Ziel der Übung ist. Ziel der Übung ist es, sich mit geradem Rü-
152Vgl. Vishnu-Devananda, Das grosse illustrierte Yogabuch, 2004, S.260-261153 Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.25154Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S. 31
61
cken einfach so weit zu strecken, wie es angenehm ist und die rückwärtige Beinmus-
kulatur zu dehnen.
Geübt wird immer maßvoll und mit einem Lächeln, d.h. die Übenden sollen freundlich
zu sich selbst sein und nichts forcieren. Mit der Zeit werden die Schüler bzw. der
Übende bemerken, dass sich Flexibilität und Muskelkraft mit stetigem Üben verbes-
sern werden und sie Fortschritte machen werden. Dafür bedarf es allerdings einer Be-
ständigkeit und Regelmäßigkeit im Üben.155
Es gibt jedoch asanas, die speziell Mut, Kraft und Selbstvertrauen entwickeln.
I.Die Tapferkeitshaltung (birwadrasana)
Die Schüler sollen sich im Stand ganz aufrichten und einen mutigen Schritt mit dem
rechten Bein nach vorne machen (je größer der Schritt, desto intensiver die Dehnung
in der rückwärtigen Beinmuskulatur). Die Schüler sollen das Becken nach vorne schie-
ben, bis das rechte Bein gebeugt ist und das linke Bein gestreckt ist. Beide Füße stehen
ganz auf dem Boden. Mit der Einatmung sollen die Schüler beide Arme in einem wei-
ten Bogen nach oben führen, um sich dann auch nach oben zu dehnen. Die Oberarme
sollten neben den Ohren sein, die Fingerspitzen gestreckt. Wenn die Schüler sicher und
fest stehen, sollen sie sich mit dem Oberkörper minimal nach hinten beugen. Um den
unteren Rücken zu schützen ist es wichtig, die Bauchmuskeln anzuspannen und sich
nicht zu weit nach hinten zu beugen! Die Übung sollte mindestens 10 Sekunden gehal-
ten werden. Anschließend wird die Übung mit dem linken Bein als vorderes Standbein
durchgeführt.
Das Gefühl des Kraftzuwachses in dieser Übung durch die Verbesserung der körper-
lichenKonstitution bei regelmäßigem Üben wird sich auch positiv auf die Psyche der
Schüler ausüben.
Sie werden sich stärker und mutiger fühlen.156
155Vgl. Vishnu-Devananda, Das grosse illustrierte Yoga-Buch, 2004, S.67156Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.39
62
Die Tapferkeitshaltung (birwadrasana)
15.2.Verhaltensauffälligkeiten
Bei Verhaltensauffälligkeiten muss klar unterschieden werden, ob es darum geht,
einem Schüler, der zu aggressiven Reaktionen neigt, zu vermitteln, wie er seine Im-
pulse kontrollieren kann oder ob ich Schülern, die Schwierigkeiten mit sozialen
Kontakten haben, helfen möchte.
Schüler, die zu aggressivem Verhalten neigen, sind oft emotional unausgeglichen und
wenig stresstolerant. Durch Yoga können diese Schüler lernen sich in Situationen, in
denen sie normalerweise aggressiv reagieren würden, selbst zu beruhigen und zu ent
spannen. Außerdem ist nachgewiesen, dass durch das regelmäßige Üben von Yoga die
Stresstoleranz steigt.157 Schüler, die ein erhöhtes Aggressionspotential aufweisen, sind
meistens auch körperlich permanent angespannt. Durch Yoga können sie lernen ihre
Muskeln und Körperteile bewusst anzuspannen und dann bewusst loszulassen und zu
entspannen158 . Vor allem Atemübungen sind geeignet, um Zugang zu den eigenen Ge-
157Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.13158Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.13
63
fühlen zu finden und sie kontrollieren zu lernen.159
Für Schüler, die Schwierigkeiten bei sozialen Kontakten haben, eignen sich Partner
übungen besonders gut, da sie so Vertrauen zu ihren Mitschülern aufbauen können und
sich als einen Teil des Ganzen (der Yogaübung in diesem Fall) erkennen, ohne den die
Übung gar nicht möglich wäre. Da hinter aggressivem Verhalten oft nur der Wunsch
nach Kontakt mit anderen und das Bedürfnis von Anerkennung und Zuneigung steckt,
sind Partnerübungen auch an dieser Stelle besonders gut geeignet160. Das soziale Mit-
einander wird durch Partnerübungen besonders gestärkt und positiv beeinflusst.
Übungen im Klassenzimmer
I. Partnerübung: Die Bootsstellung (Navasana)
Bei dieser Übung sollen sich die Schüler gegenseitig ergänzen und nicht gegenein-
ander arbeiten. Um ein Gleichgewicht in der Übung zu erlangen , müssen die Schüler
ihre Kräfte ausgleichen.
Die Schüler sollen sich einander gegenüber setzen und sich auf den Rücken legen.
Dann sollen sie die Beine anheben und gegeneinander bringen, so dass sich ihre
Fußsohlen berühren. Der Oberkörper ist dabei etwas angehoben und wird durch die
abgewinkelten Ellbogen unterstützt. Die Schüler können sich jetzt also durch ihre an-
gehobenen Beine hindurch ansehen. Gemeinsam können sie jetzt die Beine grätschen
und wieder schließen, heben und senken. Dafür müssen sie sich auf einen Rhythmus
einigen und auf die Verteilung der Kräfte achten. Dann sollen sich die Schüler wieder
aufsetzen und die Beine anziehen. Anschließend sollen sie die Knie öffnen und sich
dazwischen an den Händen fassen. Als nächsten Schritt sollen die Schüler die Beine
seitlich anheben und wieder absenken. Zuletzt sollen sich die Schüler an den Händen
abwechselnd vor- und zurückziehen.
Abschließend sollen die Schüler die Beine anwinkeln, die Fußsohlen aufsetzen und wäh-
rend sie sich an den Händen halten, gemeinsam aufstehen.161
159Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.112-11160Vgl. Kragh, Yoga in der Schule, 2003, S.37161Vgl. Kragh, Yoga in der Schule, 2003, S.67
64
Das Boot als Partnerübung (navasana)
II. Gemeinsame Atemübung
Bei der gemeinsamen Atemübung sollen die Schüler lernen, den Atemrhythmus ihres
Partners zu erspüren und zu übernehmen.
Der eine Partner geht in den Fersensitz, legt die Stirn auf den Boden ab und legt die
Arme hinter den Körper neben die Füße ab. Die Handflächen sind nach oben geöffnet.
Das andere Kind kniet neben seinem Partner und legt eine Hand auf dessen Nacken, die
andere auf das Steißbein. So sollen die Schüler den Atemrhythmus des Partners er-
spüren und versuchen den eigenen Atemrhythmus anzupassen. Erspüren die Kinder
den Ausatem des anderen, sollen sie einen leichten Druck mit den Händen auf den
Rücken ausüben, beim Einatem sollen sie den Druck wieder vollständig lösen.162
III. Übung zum inneren Gleichgewicht: Krokodilsübung im Stand (makarasana)
Krokodilsübungen können im Liegen und im Stehen ausgeführt werden. Sie vertiefen
die Atmung, machen beweglich, geduldig (physisch: die Wirbelsäule wird gedehnt und
psychisch: ich bleibe flexibel und tolerant im Umgang mit meinen Mitmenschen) und
entwickeln inneres Gleichgewicht.163
Die Rückenmuskulatur und das Kreislaufsystem werden gestärkt.
Die stehende Krokodilsübung wird auf einem Bein durchgeführt und ist eine Gleichge
wichtsübung. Gleichgewichtsübungen wirken auf das körperliche (äußere) Gleichge-
162Vgl. Kragh, Yoga in der Schule, 2003, S.85163Vgl. Bretz, Yoga Vidya Asana-Buch, 2004, S.32
65
wicht, aber immer auch auf das innere (psychische) Gleichgewicht, da eine Wechsel-
wirkung zwischen Körper und Geist bzw. Seele besteht. Durch äußeres Üben der Kör-
perstellung (asana) entsteht also automatisch auch innere Harmonie und Ausgeglichen-
heit. Außerdem regt das Stehen auf dem linken Bein die rechte Hirnhälfte an, sowie
das Stehen auf dem rechten Bein die linke Hirnhälfte anregt, d.h. die beiden Hirn-
hälften werden harmonisiert.
Die Schüler sollen aufgerichtet stehen, die Beine überkreuzen (zuerst das rechte Bein
über das linke Bein), wobei die Fußspitzen eine Linie bilden. Mit der Einatmung sollen
die Schüler die Arme nach oben dehnen und die Handgelenke überkreuzen, so dass die
linke Hand vorne liegt und die Handflächen aneinander liegen. Mit der Ausatmung
sollen die Schüler den Oberkörper so weit wie es ihnen möglich ist nach rechts drehen.
Die Stellung soll so lange gehalten werden wie es den Schülern angenehm ist.164
Wichtig ist besonders bei anstrengenden Übungen, dass die Schüler lernen, normal
weiterzuatmen und nicht den Atem anzuhalten wie wir es normalerweise bei ungewohn-
ten Anstrengungen tun. Atme ich bei Anstrengungen trotzdem normal weiter, kann ich
diese Qualität auch in den Alltag übertragen und bei Stress oder Ärger gelassen(er)
bleiben.165
Krokodilsübung im Stand (makarasana)
164Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S. 47165Vgl. Mehta, Yoga-Gymnastik, 2004, S.13
66
IV. Dehnübung- Vorwärtsbeuge (uttanasana)
Diese Übung lässt die Schüler die Grenzen der eigenen Dehnfähigkeit ausloten.
Können die Schüler ihre eigenen Grenzen besser erkennen, können sie diese auch bes-
ser in Verbindung mit den Grenzen der anderen setzen. Die Übung entwickelt außerdem
Demut und Hingabe.166 Die Schüler sollen sich etwa 30 cm vor einen Stuhl stellen, die
Füße etwa hüftweit auseinander und fest verwurzelt (s. Bewusstes Stehen). Mit der
Einatmung sollen die Schüler die Arme heben, so dass die Oberarme neben den Ohren
sind. Mit der Ausatmung sollen sich die Schüler mit geradem Rücken aus der Hüfte
vornüber beugen und dann die Hände auf die Stuhllehne oder die Sitzfläche ablegen167.
Man kann die Übung auch ohne einen Stuhl als Hilfsmittel durchführen. Die Schüler
berühren dann mit den Händen falls möglich den Boden, wenn nicht umfassen sie ihre
Ellbögen. Wichtig ist, dass die Beine fest angespannt sind und das Hauptgewicht auf
den Fußballen lastet. Der Oberkörper hängt ganz locker und entspannt nach unten.168
Um rückenschonend aus der Stellung zu kommen, sollen die Schüler die Beine beu-
gen und mit geradem Rücken nach oben kommen.
Die Stehende Vorwärtsbeuge (uttanasana)
166Vgl. Bretz, Yoga Vidya Asana-Buch, 2004, S.126167Vgl. Kragh, Yoga in der Schule, 2003, S.44168Vgl. Mehta, Yoga-Gymnastik, 2004, S.44-45
67
IV. Atemübung: Wechselatmung (nadi shodhana)
Bei der Wechselatmung lernen die Schüler ihre Atemzufuhr so weit zu reduzieren, dass
sie nicht in Bedrängnis geraten und ihre Atmung zu beruhigen und zu verfeinern.
Die Wechselatmung harmonisiert die Energien der Übenden, verlängert den Atem und
dehnt ihn aus.169 Der Geist ist nach der Atemübung ruhig und gelassen- man fühlt sich
absolut enspannt und ausgeglichen.
Die Schüler sollen eine entspannte Sitzhaltung einnehmen, am besten einen kreuzbeini-
gen Sitz (z.B. sukhasana-eine Art Schneidersitz). Wichtig ist das sie etwas erhöht
sitzen,z.B. auf einem Kissen oder einer gefalteten Decke, so dass die Knie Kontakt mit
dem Boden haben und der Rumpf optimal aufgerichtet werden kann. Berühren die
Knie den Boden nicht, sollten sie mit Decken, Kissen oder einem gerollten Kleidungs-
stück unterfüttert werden.
Wechselatmung (nadhi sodhana)
Die Schüler sollen mit der rechten Hand eine Faust machen und davon den Daumen,
den kleinen Finger und den Ringfinger wieder ausstrecken.
Dann soll die Hand mit der Handfläche zum Gesicht angehoben werden, so dass die
Schüler mit dem Daumen bequem das rechte Nasenloch verschließen können und
gleichzeitig mit den beiden anderen Fingern das linke Nasenloch. Der Arm und die
Schultern sollen dabei ganz entspannt bleiben. Die Schüler sollen nun mit dem Dau-
men das rechte Nasenloch verschließen und durch das linke Nasenloch einatmen,
169Vgl. Mehta, Yoga-Gymnastik, 2004, S.155
68
während der Lehrer laut bis vier zählt. Dann sollen sie das linke Nasenloch mit kleinem
Finger und Ringfinger verschließen und während der Lehrer bis vier zählt ganz lang-
sam und ruhig durch das rechte Nasenloch ausatmen. Diese Übung wird noch einige
Runden wiederholt bis der Lehrer die Anweisung gibt, den Arm zu senken und im
eigenen Rhythmus weiterzuatmen.170
Wichtig ist dabei, dass die Schüler wissen, jederzeit im eigenen Rhythmus weiteratmen
zu dürfen, falls sie in Atemnot oder Bedrängnis geraten!
Durch die Übung ist der Atem ganz ruhig und fein geworden, was sich auch auf den
Geist auswirkt- wir fühlen uns ausgeglichener und gelassener als zuvor.
15.3. Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen
Yoga ist eine besonders gute Methode um die Aufmerksamkeit und Konzentration zu
schulen, da die Konzentration immer nur auf die Körperteile und Muskeln gelenkt
wird, die gerade an der Übung beteiligt sind. (s.Kapitel 12.1.) Im Yoga richtet man all
sein Denken und Handeln konzentriert und ohne Ablenkung mit Hingabe auf ein
Ziel171 . Die mentale Kraft und Anstrengung, die der Geist bei der Konzentration auf ein
bestimmtes Körperteil während einer Yogastellung leistet, wird verinnerlicht und kann
jederzeit wieder abgerufen werden.172
Gleichgewichts-und Koordinationsübungen fordern jedoch eine besondere Konzentra-
tion des Übenden.
170Vgl. Kragh, Yoga in der Schule,2003,S71171Vgl. Mehta, Yoga-Gymnastik, 2004, S.12 172Vgl. Mehta, Yoga-Gymnastik, 2004, S.16
69
Übungen im Klassenzimmer
I. Gleichgewichtsübung "Der Baum" ( vrikshasana)
Diese Stellung ist unbedingt ohne Schuhe, am besten barfuß, auszuführen, um so, wie
beim bewussten Stehen (s. 13.1.), die Füße durch Anheben und langsames Abrollen zu
verwurzeln. Die Schüler sollen sich zuerst gerade und aufrecht hinstellen, die Schultern
zu den Ohren ziehen und dann nach hinten unten fallen lassen. Nach dieser Aufrich-
tung sollen sie den rechten Fuß verwurzeln und den linken Fuß auf den Spann des
rechten Fußes stellen. Als Gleichgewichtshilfe sollen sie sich einen Punkt an der Wand
suchen, den sie mit den Augen fixieren. Mit der nächsten Einatmung sollen sie die
Arme anheben, so dass die Oberarme neben den Ohren sind. Die Arme sind bis in die
Fingerspitzen nach oben V-förmig gestreckt, die Schultern und das Gesicht bleiben
unbedingt entspannt.
Die Schüler sollen die Stellung mindestens 30 Sekunden halten bevor sie aus der
Stellung kommen. Anschließend sollen sie die Übung mit dem linken Bein als Stand-
bein wiederholen.
Diese Übung stärkt die Ausdauer und die Standfestigkeit und beruhigt den Geist durch
die Konzentration, die man zum Gleichgewicht Halten braucht.173
Je länger die Stellung des Baumes gehalten werden kann, desto besser kann sich die
Kraft der Konzentrationsfähigkeit ausprägen174 Das körperliche Gleichgewicht wird
sich auch auf den Geist übertragen, der ebenfalls an Stabilität und Festigkeit gewinnen
wird.175
173Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.92174 Vgl.Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.48175Vgl. Bretz, Yoga-Vidya-Asana-Buch, 2004, S.197
70
Der Baum (vrikshasana)
II. Atemübung "Ägyptischer Adler"
Die Atemübung "Ägyptischer Adler verbessert die Konzentration direkt und schult sie
auf Dauer176. Durch das Vertiefen des Atems wirkt die Übung kraftaufladend und
bewirkt eine sofortige Konzentrationsverbesserung -der Kopf wird klar.177
Die Schüler üben die Stellung im Stand aus und führen etwa 5 Runden in Folge durch.
(s. Skizze im Anhang)178
176Vgl. Gratza, Ägyptisches Yoga, 1998, S.134ff177 Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer,2004, S.43178Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.48
71
III. Koordinationsübung – Diagonalbewegung "Gedrehtes Dreieck" (parivritta
trikonasasna)
Diagonalbewegungen regen die Zusammenarbeit der beiden Gehirnhälften an und ver-
bessern somit die Koordination zwischen Gehirn und Körper179.
Außerdem ist die Übung gleichzeitig eine Gleichgewichtsübung, was zusätzlicher
Aufmerksamkeit und Konzentration bedarf.
Die Schüler sollen sich in eine Grätsche stellen und beide Beine fest anspannen (bzw.
die Kniescheiben nach oben ziehen). Dann sollen sie den rechten Fuß um 90 Grad
nach außen drehen und den linken Fuß etwa 30 Grad nach innen. Die Schüler sollen die
Arme seitlich bis auf Schulterhöhe heben und bis in die Fingerspitzen strecken, die
Schultern bleiben jedoch entspannt. Indem sie die rechte Hüfte nach hinten ziehen und
die linke nach vorne schieben, sollen die Schüler sich nach rechts drehen. Mit der
Ausatmung beugen sie ihren Rumpf aus dem Hüftgelenk nach vorne und drehen so
lange nach rechts bis sie ihre linke Hand außen neben die rechte Unterschenkel-
außenseite geben können.180 Der rechte Arm ist nach oben gestreckt. Wenn es den
Schülern angenehm ist, können sie in die rechte Hand nach oben schauen.
Das gedrehte Dreieck (parivritta trikonasana)
179Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.48180Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.90-91
72
Die Übung wird mindestens 30 Sekunden gehalten. Wichtig ist auch hier, dass die
Schüler ganz normal weiteratmen und nicht aufgrund ungewohnter Anstrengung oder
Konzentration den Atem anhalten. Selbstverständlich wird die Übung anschließend zur
anderen Seite wiederholt.
IV. Die Heldenhaltung (virabhadrasana)
Die Heldenhaltung verbessert genauso wie die Baumstellung, den Gleichgewichtssinn.
Um die Stellung längere Zeit bewegungslos zu halten, benötigen die Schüler vor allem
Durchhaltevermögen, Kraft und Konzentration, um nicht aus dem Gleichgewicht zu
kommen.
Die Schüler beginnen die Stellung aus der Grätsche. Sie sollen den rechten Fuß um 90
Grad nach außen drehen und den Oberkörper in die gleiche Richtung mitdrehen. Der lin-
ke Fuß soll ebenfalls ein wenig nach rechts (innen) gedreht werden. Dann sollen die
Schüler das rechte Knie beugen, so dass ein rechter Winkel zwischen Oberschenkel
und Wadenbein entsteht. Das Gesicht, die Brust und der Bauch zeigen also in die
gleiche Richtung wie der rechte Fuß181
Die Schüler sollen die Arme auf Schulterhöhe anheben und bis in die Fingerspitzen
strecken. Die Oberarme sind stark, die Schultern bleiben entspannt. Der rechte Arm
zeigt in die gleiche Richtung wie das rechte Bein (nach vorne) und der linke Arm zeigt
nach hinten. Die Schüler sollen diese Stellung mindestens 20 Sekunden möglichst
bewegungslos halten und während der Übung normal weiteratmen.
Danach wiederholen die Schüler die Stellung zur anderen Seite.
181Vgl. Kragh, Yoga in der Schule, 2003, S.78
73
Die Heldenhaltung (virabhadrasana)
V. Bewusstes Nachspüren und Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen
Gerade zur Schulung der eigenen Körperwahrnehmung brauchen wir Konzentration.
Besonders beim bewussten Nachspüren einer Stellung können wir Veränderungen in
unserem Körper feststellen, z.B. ein Bein fühlt sich länger oder wärmer an als das
andere; wir fühlen dass unsere Energie freier fließt oder dass sich eine Verspannung
bzw. Blockade gelöst hat etc.. Um die Konzentration zu trainieren, sollten wir die
Schüler verstärkt dazu anleiten, bewusst in die einzelnen Körperteile hineinzuspüren
und sie genau zu beobachten und zu vergleichen.
Die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen ist auch gut geeignet um die
eigene Körperwahrnehmung und die Konzentration zu schulen. Durch bewusstes An-
spannen bestimmter Muskelpartien können diese Muskeln anschließend besonders gut
loslassen und entspannen. Ziel der progressiven Muskelentspannung ist es, eine tiefe,
74
fortschreitende Entspannung der gesamten Muskulkatur zu erreichen. Diese Übung hilft,
die verschiedenen Zustände der Muskeln besser wahrnehmen zu können.182
Die Schüler sollen sich in entspannter Körperhaltung, am Besten auf dem Rücken lie-
gend (Beine hüftweit auseinander, Arme etwas seitlich ab vom Körper, Handflächen
zeigen nach oben, Finger sanft eingerollt und Kopf in einer Linie mit dem restlichen
Körper) einfinden. Man kann die Übung aber auch in aufrechter Haltung auf einem
Stuhl sitzend durchführen.
Der Lehrer sagt nach und nach, bei den Füßen (danach Gesäß, Schultern Arme, Hände)
beginnend, verschiedene Körperteile an, die die Schüler für jeweils 5 Sekunden anhe-
ben und ganz fest anspannen sollen. Nach jedem Anspannen sollen sie das gerade an-
gespannte Körperteil wieder fallen lassen. Die letzte Station ist das Gesicht, dessen
Muskeln die Schüler alle zur Nasenspitze hin zusammenziehen sollen. Zum Schluß
sollen die Schüler noch einmal alle Körperteile gleichzeitig anheben und so fest an-
spannen wie sie können und wieder locker lassen.
Anschließend macht der Lehrer eine Reise durch den Körper mit den Schülern, indem
er sie auffordert, nocheinmal in alle Körperteile nacheinander hineinzuspüren, um dort
die sich ausbreitende Entspannung (Entspannung nach der Anspannung) zu spüren.183
Wichtig ist, dass der Lehrer die Instruktionen mit seiner Stimme unterstützt. Fordert er
die Schüler zum Anspannen und Halten auf, darf er mit der Stimme ruhig lauter und
energischer werden. Sollen die Schüler allerdings eine Entspannung und sich ausbrei-
tende Ruhe erfühlen, sollte auch der Lehrer mit seiner Sprache und Tonlage der Stim-
me den einfühlsamen Prozess unterstützen.
15.4. Psychosomatische Störungen und körperliche Beschwerden (z.B.
Rückenschmerzen und Haltungsschäden)
Rückenschmerzen und Haltungsschäden sind heute weit verbreitet und können schon
fast als Volksleiden deklariert werden. Durch zu wenig Bewegung und zu vieles Sitzen
wird unser Bewegungsapparat nicht gleichmäßig belastet und viele Muskeln sind ver-
kümmert. Oft sind Rückenschmerzen oder Kopfschmerzen auch Folgen psychischer
182 Vgl. www.dr-gumpert.de/html/progressive_muskelentspannung..html183 Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.157
75
Belastungen und/oder Stress, was uns dazu veranlasst, unsere Rücken-und Nacken-
muskulatur ständig zu verkrampfen und anzuspannen.184 Rückenschmerzen und
Haltungsschäden sind jedoch nicht nur als körperliche Beschwerden zu sehen, sondern
sie verhindern auch einen freien Fluss der Energien und Nerven im Körper.185
Es gibt verschiedene Übungen im Yoga, die speziell für den Rücken zu empfehlen
sind. Es gibt Übungen die besonders die wichtigsten Rückenmuskeln stärken, die die
Muskeln in den Beinen dehnen (vor allem die rückwärtige Beinmuskulatur) und kräf-
tigen, die Nackenmuskulatur dehnen und aufbauen und die die Bauchmuskeln kräf-
tigen.186
Übungen im Klassenzimmer
I. Stärkung der Nackenmuskulatur: Isometrische Nackenmuskelübung
Die Schüler können diese Übung ganz einfach im Stehen durchführen. Sie sollen den
rechten Handballen an die rechte Schläfe nehmen und mit mittlerer Kraft gegen die
Schläfe drücken. Mit dem Kopf sollen sie einen Gegendruck aufbauen, so dass sich die
Position des Kopfes nicht merklich verändert. Die Übung soll danach zur anderen Sei-
te wiederholt werden.
Die Übung sollte mindestens 10 Sekunden gehalten werden.187
184Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.186185Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.32186Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.186187Vgl. Bretz, Yoga Vidya Asana-Buch, 2004, S.29-30
76
II. Drehsitz (ardha matsyendrasana) auf dem Stuhl
Der Drehsitz hält die Wirbelsäule seiltlich flexibel und massiert die Rückenmusku-
latur. Verschiedene Muskeln im Rücken-, Gesäß- und Bauchbereich werden gedehnt
und gestärkt. Zu den geistigen Wirkungen des Drehsitzes gehören unter anderem, dass
er Stress abbaut, Nerven stärkt, Kraft gibt und allgemein beruhigend und harmoni-
sierend wirkt.188
Die Schüler sollen sich quer zur Sitzfläche auf einen Stuhl setzen, mit der linken Außen-
seite ihres Körpers dicht ander Rückenlehne. Dann sollen sie mit den Sitzbeinhöckern
kräftig gegen die Sitzfläche drücken, so dass sich der Rumpf aufrichtet.
Dann sollen sie nach links drehen, ohne jedoch die Stellung ihrer Beine und der Hüfte
zu verändern. Mit beiden Händen sollen die Schüler die Rückenlehne umfassen. Um
die Drehung zu verstärken können die Schüler jetzt mit dem linken Arm die Stuhllehne
zu sich heranziehen und mit dem rechten Arm von sich weg drücken. Die Schultern
sollten entspannt auf einer Höhe bleiben und die Atmung sollte unbedingt normal
weiterfließen.189 Dann wird die Übung zur anderen Seite wiederholt.
Der Drehsitz (ardha matsyendrasana)
188Vgl. Bretz, Das Yoga Vidya Asana-Buch, 2004, S.119189Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005 , S.80
77
III. Aufrichtung der Körperhaltung: Beinhebeübung
Die Beinhebeübung dehnt die Brust- Nacken- und Schultermuskulatur, löst Ver-
spannungen im Rücken und wirkt gegen das Hohlkreuz. Die Körperhaltung wird allge-
mein verbessert und aufgerichtet. Auf geistiger und energetischer Ebene verbessert sich
der Fluss der Energien und Nerven im Körper und die innere Haltung des Übenden
wird aufgerichtet.
Die Schüler sollen sich aufrecht hinstellen und das Körpergewicht auf den linken Fuß
verlagern. Dann sollen sie das rechte Bein beugen und den Fuß mit der rechten Hand
fassen. Sie sollen die Ferse gegen das Gesäß drücken und mit der Einatmung den linken
Arm intensiv nach oben dehnen. Als nächsten Schritt sollen sie das Becken leicht nach
vorne schieben und sich minimal zurückbeugen. Um den unteren Rücken zu schützen,
sollen die Schüler den unteren Rücken anspannen und die Schultern nach hinten und
unten nehmen. Die Stellung soll mindestens 10 Sekunden gehalten werden. Wenn die
Schüler Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht haben, können sie sich einen Punkt an
der Wand suchen, den sie mit den Augen fixieren.190
Die Übung wird auch mit dem rechten Bein als Standbein wiederholt.
IV. Hund mit dem Gesicht nach unten (adho mukha shvanasana)
Der Hund ist eine gute Übung um die rückwärtige Beinmuskulatur zu kräftigen und
um die Körperrückseite besser wahrzunehmen. Die Lendenwirbelsäule wird gleichzeitig
entstaucht und entlastet. Der Arm-und Schulterbereich wird gefordert und gestärkt.
Im Klassenzimmer ist der "Hund mit den Pfoten auf dem Stuhl" eine gut durchführ-
bare Variante der asana . Der Stuhl sollte so stehen, dass er nicht wegrutschen kann. Die
Schüler sollen sich vor den Stuhl stellen und sich vorbeugen bis sie die Unterarme an
190Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.32
78
den Außenkanten der Sitzfläche ablegen können. Dann sollen sie an den Übergang von
der Sitzfläche zur Stuhllehne fassen, um dann mit beiden Beinen nacheinander einen
großen Schritt nach hinten zu machen. Die Füße sollen hüftbreit und parallel zuein-
ander stehen. Die Fersen sollen sie Richtung Boden drücken. Die Schüler sollen ihre
Arme strecken und sich aus den Gelenken der Arme heraus nach hinten oben schieben.
Die Schüler sollen ihre Beine so weit wie möglich strecken. Mit der Ausatmung sollen
die Schüler gezielt in die Rückseite der Beine entspannen. Die Stellung soll mindes-
tens 30 Sekunden gehalten werden. Um die Stellung aufzulösen machen die Schüler
einen Schritt nach vorne und richten sich mit geradem Rücken wieder auf.191
Hund mit dem den Pfoten auf dem Stuhl (adho mukha shvanasana)
V. Brustdehnungsübung (parsvottanasana)
Die Brustdehnungsübung dient auch zur Aufrichtung der Körperhaltung sowie zur
Kräftigung der Muskulatur des Bauch-und Brustbereichs.
Die Schüler sollen sich aufrecht hinstellen, die Beine etwa hüftweit auseinander. Mit
der Einatmung sollen die Schüler die Arme gestreckt seitlich neben dem Körper nach
oben heben. Mit der nächsten Ausatmung sollen sie die Arme nach hinten geben und
die Hände falten. Sie sollen das Becken nach vorne schieben, die Schultern so weit
191 Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.96-98
79
zurücknehmen wie es ihnen möglich ist und den Oberkörper zurückbeugen. Um den
unteren Rücken zu schützen, müssen die Schüler die Bauchmuskeln anspannen. Wenn
es ihnen angenehm ist, können die Schüler den Kopf in den Nacken nehmen. Sind die
Schüler in der Position, sollen sie die gestreckten Arme nach unten ziehen und den
Nacken lang machen. Die Stellung soll mindestens 10 Sekunden gehalten werden192
Brustdehnungsübung (parsvottanasana)
192 Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.33
80
16. Wie kann man Yoga in der Schule integrieren?
Wieviel Zeit steht zur Verfügung?
Zuerst einmal muss geklärt werden, wieviel Zeit für Yoga in der Schule verwendet
werden kann. Man muss sich bei der Planung des Übungsprogramms im Klaren sein,
ob nur wenige Minuten während des normalen Unterrichts zur Verfügung stehen oder
ob man eine ganze Unterrichtsstunde im Stil einer klassischen Yogastunde mit An-
fangsentspannung, Übungsteil, Atemübungen und Endentspannung gestalten kann.
Es ist sehr empfehlenswert täglich einige kurze Yogaübungen in den normalen Schul-
alltag und Unterricht der Schüler zu integrieren, um die Schüler mit den Methoden und
der Vorgehensweise des Yoga Übens vertraut zu machen193. Auch wenn es aus Zeit-
gründen nicht realisierbar ist, regelmäßig eine ganze Yogastunde für die Schüler ein-
zuplanen, müssen auf jeden Fall während des normalen Unterrichts hin und wieder
einige Minuten dafür übrig bleiben. Es gibt kein Argument dafür, dass für Yoga in der
Schule kein Platz und keine Zeit vorhanden sei. Im Gegenteil:der neue Bildungsplan
verlangt sogar danach.
Im Bildungsplan wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Lehr-und Lernan-
forderungen so bemessen sind, dass ausreichend Zeit und Freiraum für verschiedene
Aspekte der erzieherischen Tätigkeit, der Schülerinteressen und der Gestaltung des
Schullebens verbleibt. 194
Der Bildungsplan verlangt, dass Schüler nicht nur fachliche Kompetenzen und Kennt-
nisse erwerben. Schüler sollen in der Schule auch die Gelegenheit erhalten, genießen
zu lernen. Sie sollen einen massvollen und verfeinerten Genuss von Bewegung, Kunst,
Ruhe, Spiel und Natur in der Schule erfahren und erlernen.195 Yoga ist besonders ge-
eignet, bewusst Bewegung und Ruhe zu erfahren und genießen zu lernen.
Eine weitere Forderung des Bildungsplan, die sehr gut durch Yoga umgesetzt werden
kann, ist die sinnvolle Rhythmisierung des Lernens und Arbeitens. Durch einen Wech-
sel von Gelassenheit und Konzentration, Aufnahme und Wiedergabe oder körper-
lichem-sinnlichen Anspruch und geistiger Beanspruchung kann, laut Bildungsplan,
der Erfolg des Lernens begünstigt und gefördert werden196. Beim Yoga Üben findet ein
193Vgl. Kragh, Yoga in der Schule, 2003, S.14194Vgl. Bildungsplan für Realschulen S. 17, www.schule-bw.de195Bildungsplan für Realschulen, S.11, www.schule-bw.de196Bildungsplan für Realschulen, S.17, www.schule-bw.de
81
stetiger Wechsel von einer bewusst angespannten Phase zu einer bewusst ent-spannten
Phase statt, was den Prozess des Lernens so auf jeden Fall unterstützt.197
Ort
Desweiteren sind der Ort bzw. die Räumlichkeiten entscheidend, in denen Yoga geübt
werden soll. Kann in einer Turnhalle oder einem Gymnastikraum mit Matten geübt
werden, können auch dynamische Bewegungsabläufe wie z.B. der Sonnengruß oder
Übungen im Liegen eingeplant werden. Steht nur ein enges, möbliertes Klassen-
zimmer zur Verfügung, muss der Lehrer die Übungen anpassen. Man kann viele Yoga-
stellungen auch mit wenig Platz, dafür in abgewandelter Form, beispielsweise im
Sitzen oder im Stehen, ausführen. Tische und Stühle müssen dabei kein Hindernis
sein, sondern können sogar als Hilfsmittel verwendet werden.198
Kleidung
Viele Übungen können ohne Probleme von den Schülern mit normaler Kleidung
ausgeführt werden. Bei eingen Standstellungen ist es jedoch unbedingt notwendig,
dass die Schüler die Schuhe ausziehen, am besten auch die Strümpfe, damit sie einen
bewussten Stand erspüren können. Für solche Übungen ist es wichtig einen direkten
Bodenkontakt zuhaben und ggf. auch jede Zehe einzeln bewegen zu können.
Übungen passend zu den Tageszeiten
Es gibt Tageszeiten, die geradezu prädesziniert sind, um bestimmte Qualitäten und
Fähigkeiten bei den Schülern zu fördern.
Früh morgens, wenn der Tag bzw. der Unterricht beginnt, sind Übungen, die Klarheit,
Wachheit und Konzentration fördern, sehr wirkungsvoll.
Während des Vormittags sind kraftvolle Übungen zum Aufbau von Energie, Mut,
Selbstvertrauen und Vertrauen zu anderen gut geeignet. Treten speziell Unruhe oder
andere Störungen im Verlauf des Unterrichts ein, sind Übung zur Selbstreflexion und
197Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.67-69, S.71198Vgl. Kragh, Yoga in der Schule, 2003, S.21
82
Neuorientierung ein gute Lösung, um wieder Ruhe in die Klasse zu bringen.
Gegen Ende des Schultags sind die Schüler besonders empfänglich für meditative
Übungen zur Rückbesinnung und zum Loslassen. Schön sind hier auch Übungen, die
Zuversicht und Hoffnung anbahnen oder die das Gemeinschaftsgefühl der Schüler
fördern.199
Man kann also durch Yoga die verschiedenen Phasen des Unterrichts und der Tages-
zeit optimal unterstützen. Möchte ich einen Prozess ausklingen lassen, wähle ich ein-
fach Übungen, die die Schüler beruhigen und entspannen, vielleicht sogar mit selbst-
reflexiver Komponente (Traumreisen, Muskelentspannung, Atemübungen). Möchte
ich jedoch etwas mit den Schülern erarbeiten, sollte ich eher aktivierende und konzen-
trationsfördernde Übungen (z.B. Standstellung, Gleichgewichtsstellungen) mit den
Schülern einplanen.200
17. Bisher erprobte Erfahrungen mit Yoga in der Schule
Yoga erfährt seit ca. 20 Jahren eine Integration in der Schule mit einem deutlichen
Schwerpunkt auf dem Einsatzgebiet Vor-und Grundschule.201
Es gibt bereits mehrere Lehrer und ausgebildete Yogalehrer, die über einen längeren
Zeitraum mit Schülern regelmäßig Yoga in der Schule praktiziert haben und ihre Er-
gebnisse auch festgehalten haben. Suzanne Augenstein hat eine zweite Klasse längere
Zeit mit Yogaübungen begleitet und bestätigt in ihrem Buch "Yoga und Konzentra-
tion", dass man Yoga durchaus effektiv und anwendbar als Bewältigungshilfe bei Be-
lastungen im Schulalltag einsetzen kann. Sie beobachtete, dass die Schüler Yoga als
Mittel zur Selbstregulierung einsetzten. Mit psychologischen Messmethoden und sub-
jektiven Schätzskalen hat sie nachgewiesen, dass Yoga zu einer unmittelbaren Ent-
spannungswirkung und zu einer Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens führt.
Abschließend stellt Suzanne Augenstein fest, dass Yogaübungen bei den Schülern
verschiedene personelle Bedingungen stabilsieren oder positiv verändern konnten.202
199Vgl. Kragh, Yoga in der Schule, 2003, S.13200 Übungsprogramme dazu im Anhang201Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.66202Vgl. Dr. Augenstein, Yoga und Konzentration, 2003, S.35ff
83
Gabriele Truckenmüller erprobte fast vier Jahre lang mit Fünftklässlern ihrer Schule
Yoga-Übungsprogramme und äußert in ihrem Erfahrungsbericht, dass sie und auch
andere Kollegen feststellen konnten, dass das Yogaüben vielerlei lernhemmende Un-
ausgeglichenheiten (z.B. äußerliche Unruhe, Anspannungen, psychosomatische
Befindlichkeitsstörungen, Energiemangel, Nervosität, Ängst, depressive Verstim-
mungen und Aggressionen) der Schüler hemmen oder sogar abbauen konnte. Die
Eltern gaben positive Rückmeldungen und auch die Schüler brachten selbst zum Aus-
druck, dass sie sich ruhiger, konzentrierter, besser gelaunt oder einfach allgemein
besser fühlten. Frau Truckenmüller führt objektive Beweise für die lern-und konzen-
trationsfördernde Wirkung des Yogaübens in der Schule auf. Klassenarbeiten, denen
direkt vorher Yogaübungen vorangegangen sind, fielen deutlich besser aus, als ge-
wöhnlich (die Durchschnittsnote war um ca. 0,5 verbessert).203
Durch eine Schülerbefragung und Auswertung konnte Frau Truckenmüller beweisen,
dass Yogaübungen die Atmung der Schüler verbessern konnte (54% der Schüler gaben
an, nach dem Yoga Üben besser atmen zu können, auch bei Schnupfen). Die Schüler
gaben außerdem an, nach dem Üben nicht mehr unter Rückenschmerzen zu leiden.
Allgemein beobachtete Frau Truckenmüller ein großes Interesse der Schüler am Yoga
und verzeichnet eine große Begeisterung und Freude am Üben.204
Die Schüler, die am Yogaübungsprogramm teilnahmen, zeigten weniger aggressives
Verhalten und entwickelten eine gegenseitige Akzeptanz, Achtung und Anerkennung.
Das Vertrauensverhältnis der Schüler untereinander und der Schüler zu ihr ist merklich
besser geworden.205
Marcus Stück begleitet seine Schüler ebenfalls über einen längeren Zeitraum beim
Yoga Üben. Er konnte eine enorme Verbesserung der Selbstregulation und Emotions-
kontrolle der Schüler feststellen, die auch nach Aussagen der Eltern nach dem Yoga
Üben deutlich weniger oder gar kein aggressives Verhalten mehr zeigten.
Die Schüler fühlten sich nach dem Training besser in der Lage, Problemsituationen in
der Schule zu bewältigen und sie fühlten sich, nach eigenen Angaben, in schulischen
Belastungssituationen weniger hilflos.206
203Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.67204Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S. 68205Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.69206Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.132-133
84
Stück konnte eine Verbesserung der körperlichen Beschwerden und der allgemeinen
Befindlichkeit der beteiligten Schüler nach dem Yoga Üben verzeichnen. Desweiteren
stellte er eine verbesserte Stressbelastbarkeit der Schüler fest, sowie verbesserte Ba-
lance- und Konzentrationsfähigkeiten.
Die Schüler gaben an, dass sie sich weniger minderwertig, unterlegen und ängstlich
nach dem Yoga Üben fühlten. Durch die Gruppenerfahrung beim Yoga Üben konnten
außerdem viele Schüler langfristig ihre Scheu und Zurückhaltung im Umgang mit an-
deren Menschen ablegen bzw. verbessern.207
Bei vielen Schülern beobachtete er sichtbar eine erhöhte emotionale Ausgeglichenheit,
was er vor allem daran beweisen konnte, dass die betroffenen Schüler weniger (ängst-
lich oder erregt) auf äußere Stimuli reagierten. Auch nach Aussagen der Eltern wirkten
viele Kinder ausgeglichener, ruhiger, konzentrierter, weniger nervös und zappelig. Die
Schüler konnten durch Yogaübungen mehr Ruhe und Besinnung vor dem Handeln ent-
wickeln und zeigten eine gesteigerte Motivation im Schulalltag.208
207Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.135-137208Vgl. Stück, Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1998, S.138-139
85
18. Literaturverzeichnis
Augenstein, Suzanne: Yoga und Konzentration, Prolog-Verlag, Immenhausen, 2003
Bretz, Sukadev Volker:Yogalehrer Handbuch, 7.Auflage, Yoga Vidya Verlag, Horn-Bad- Meinberg, 2003
Bretz, Sukadev Volker: Das Yoga Vidya Asana-Buch, 2. Auflage, Yoga Vidya Verlag, Horn-Bad -Meinberg, 2004
Csikszentmihalyi, Mihaly: FLOW Das Geheimnis des Glücks, 3. Auflage, Klett-Cotta-Verlag, Stuttgart, 1993
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Gratza, Dieter: Ägyptische Yoga, jahrtausendaltes Wissen zur modernen Entspannung, Haug Verlag, Heidelberg, 1998
Gruber, Christina und Rieger, Christiane: Entspannung und Konzentration- Meditation mit Kindern, 1. Auflage, Kösel-Verlag, München, 2002
Isbert, O.A.: Konzentration und schöpferisches Denken, Erich Hoffmann Verlag, Heidenheim, 1962
Köster, Claudia: Veränderte Kindheit-Qualitative und strukturelle Veränderungen in der Gesellschaft, Paulo Freire Verlag, Oldenburg, 2005
Kragh, Elke: Yoga in der Schule, 6.Auflage, AOL Verlag, Lichtenau, 2003
Maheshwarananda, Swami: Yoga mit Kindern, 3.Auflage, Heinrich Hugendubel Verlag, München, 1998
Mehta, Silva, Mira und Shyam: Yoga Gymnastik, 9.Auflage, Christian Verlag, München, 2004
Montessori, Maria: Das kreative Kind, 8.Auflage, Herder Verlag, Freiburg, 1991
Ostrander und Schröder: Leichter lernen ohne Stress, Goldmann, 1986
Reißig, B. und Petermann H.: Belastungserleben und Intention zum
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Suchtmittelgebrauch bei Schülerinnen und Schülern, aus: Gesundheit Regional 5 (2), S.21-22
Schröder,H. und Reschke, K.: Optimistisch den Stress meistern-Kursleiter-Handbuch des Stressbewältigungsprogramms, TKK und Institut für Angewandte Psychologie der Universität Leipzig, Leipzig, 1996
Sivananda, Swami: Die Göttliche Erkenntnis, Schang Verlag,2001
Stück, Marcus: Entspannungstraining mit Yogaelementen in der Schule, 1.Auflage, Auer Verlag, Donauwörth,1998
Trökes, Anna: Das grosse Yogabuch, 6.Auflage, Gräfe und Unzer Verlag, München, 2005
Truckenmüller, Gabriele: Yoga im Klassenzimmer, Selbstverlag, 2004
Vishnu-Devananda, Swami: Das grosse illustrierte Yogabuch, 9.Auflage, Aurum Verlag, 2005
Waterstone, Richard: Indien, Taschen Verlag, Köln, 2006
de.ashtangayoga.info eingesehen am: 26.10.2006
www.bikram-yoga.de eingesehen am 26.10.2006
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www.yoga-info.de/diskussion/index.php eingesehen am 26.10.2006
87
Anlagen
19. Yogaübungen zur Aktivierung- Wacher Körper, wacher Geist!
Den Schülern fällt es morgens oft besonders schwer sich zu konzentrieren, da sie noch
gar nicht richtig wach sind. Die nachfolgenden Übungen regen den Kreislauf und die
Atmung an und geben dem Körper Energie. Diese Energie und Lebenskraft wird im
Yoga prana genannt und ist besonders wichtig, da sie den Schülern Energie für das
Lernen und die eigene Konzentrationsfähigkeit gibt.209
19.1.Übungen zur Aktivierung im Klassenzimmer
Jede der nachfolgenden Übungen steht für sich und kann einzeln geübt werden. Je
nachdem wieviel Zeit zur Verfügung steht, kann die Lehrkraft die Übungen frei zu-
sammenstellen.
1. Atemübung "Gorilla"
Die Schüler sollen vollständig einatmen und dann den Atem anhalten und den Brust-
korb ausdehnen. Dann sollen sie mit den Fingern auf den Brustkorb trommeln und
stoßweise ausatmen bis ihre Lungen leer sind.
Dann sollen die Schüler einige Male in ihrem normalen Rhythmus weiteratmen bis der
Lehrer wieder ansagt, dass sie vollständig einatmen und den Atem anhalten sollen. Bei
dieser zweiten Runde sollen die Schüler mit den Handflächen auf den Brustkorb trom-
meln und stoßweise ausatmen. Bei der dritten und letzten Runde sollen die Schüler mit
den Fäusten auf dem Brustkorb trommeln.210
2. Das Dreieck (trikonasana)
Bei dieser Übung werden der Kreislauf und der Stoffwechsel angeregt. Die Atmung
wird durch das intensive Dehnen der Flanken angeregt. Verschiedene Muskeln werden
gedehnt und gekräftigt (Beinmuskulatur, Schulter-und Nackenmuskeln, Füße), wo-
durch die untere Wirbelsäule entlastet wird. Außerdem wird der Gleichgewichtssinn
209Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.40210Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.114-115
88
geschult.
Die Schüler sollen sich in eine weite Grätsche stellen und die Beine fest machen. Das
rechte Bein sollen sie zuerst um 90 Grad nach außen drehen und das linke Bein etwa
30 Grad nach innen eindrehen. (Die Ferse des vorderen Fußes zeigt zum Fußgewölbe
des hinteren Fußes.) Die Schüler sollen die Arme seitwärts auf Schulterhöhe anheben
und die Arme bis in die Fingerspitzen strecken. Die Schultern und das Gesicht bleiben
entspannt. Dann sollen sich die Schüler über die rechte Seite neigen und mit der Hand
ihr Schienbein umfassen. Wenn sie sicher stehen, sollen sie den linken Arm nach oben
nehmen und in die linke Hand schauen.211 (Die Beine sollen fest bleiben, die Schultern
zeigen nach hinten unten und das Brustbein nach oben. Die Schüler sollen darauf ach-
ten, trotz der Anstrengung normal weiterzuatmen!)
Dann wird die Stellung zur anderen Seite wiederholt.
Das Dreieck (trikonasana)
211Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.90-91
89
3. Auf einem unsichtbaren Stuhl sitzen (utkatasana an der Wand)
Diese Übung vermittelt uns den Eindruck, wir säßen auf einem unsichtbaren Stuhl. Die
Stellung ist eine kraftvolle Standstellung, die die gesamte Beinmuskulatur und die
rumpfaufrichtende Muskulatur kräftigt. Der Kreislauf wird angeregt und Qualitäten
wie Stabilität und Standfestigkeit können sich entwickeln. Müdigkeit und Trägheit
lösen sich auf.
Die Schüler sollen sich dicht an eine Wand stellen und dabei die Füße etwa hüftge-
lenkbreit auseinander und parallel zueinander ausrichten. Dann sollen sie ihr Becken
an der Wand herunterrutschen lassen bis die Oberschenkel parallel zum Boden stehen.
(Dafür evtl. mit den Füßen entsprechend weit nach vorne laufen.) Damit die Füße und
Beine parallel bleiben, sollen die Schüler die Außenkanten der Fersen an den Boden
pressen und den Rücken flach und fest an die Wand schmiegen. Die Arme können sie
entspannt hängen lassen oder in den Schoß legen.
Anschließend sollen die Schüler im Stand bewusst nachspüren und die neue Kraft und
Stabilität in ihren Beinen wahrnehmen.212
4. Seitstütz gegen die Wand (vasishtasana)
Diese Haltung schult das Gleichgewicht und wirkt gleichzeitig sehr anregend auf die
Atmung und den Kreislauf. Die Rumpfmuskulatur wird gestärkt und gekräftigt, vor
allem Handgelenke, die Arme und die Muskeln des Schultergürtels. Kraft und Aus-
dauer werden gefördert.
Die Schüler sollen sich etwa mit einem Meter Abstand mit ihrer linken Körperseite zur
Wand aufstellen und beide Füße dicht nebeneinander positionieren. Dann sollen sie
den linken Arm seitlich in Schulterhöhe ausstrecken und ihre linke Hand an die Wand
legen. Sie sollen die Füße so weit von der Wand entfernen, bis sie sich in der Seitlage
befinden. Die Schüler sollen den Körper wie ein Brett halten und sich einatmend etwas
mit dem Brustbein von der Wand weg drehen. Der Blick ist nach oben gerichtet.
Ausatmend sollen die Schüler wieder zurückkehren. Diese Drehung sollte mehrere
212Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.132-133
90
Male im eigenen Atemrhythmus wiederholt werden. Auch nach dieser Stellung sollen
die Schüler im Stand bewusst die Veränderung in ihrem Körper erspüren, bevor sie sie
zur anderen (rechten) Seite wiederholen.213
5. Die Heldenstellung (virabhadrasana)
Diese Stellung stärkt Mut und Selbstbewusstsein und entwickelt geistige Festigkeit.
Sie stärkt die Bein- und Gesäßmuskulatur und fördert so körperliche Kraft und Durch-
haltevermögen. Die Atmung wird vertieft und das Atemvolumen wird erweitert.
Die Schüler sollen in eine weite Grätsche kommen und das rechte Bein 90 Grad nach
außen drehen, den linken Fuß etwas nach innen drehen. Die Arme sollen sie auf Höhe
der Schultern, parallel zu Boden, anheben und bis in die Fingerspitzen strecken. Dann
sollen sie das rechte Bein 90 Grad beugen, so dass das Knie genau über dem Fußge-
lenk steht. Die Außenkante des linken Fußes sollte auf dem Boden bleiben.214
Die Stellung sollte nach einer bewussten Nachspürphase im Stand zur linken Seite
wiederholt werden.
Der Held ( virabhadrasana)
213Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.134-135214Vgl. Bretz, Yoga Vidya Asana-Buch, 2004, S.134-135
91
6. Shivas Tanzhaltung, Variation: horizontaler Tänzer (natarajasana)
Diese Gleichgewichtsstellung auf einem Bein verbessert die Konzentrationsfähigkeit,
da die ganze Aufmerksamkeit auf einen Punkt zentriert werden muss, um das Gleich-
gewicht zu halten. Der Kreislauf wird angeregt und Die Muskeln der Füße, Beine und
des Rumpfes werden gekräftigt.215
Die Schüler sollen ihren rechten Fuß verwurzeln ( Fuß anheben und bewusst langsam
und gedehnt wieder abrollen, Zehen weit auseinander ablegen). Wenn sie einen sicher-
en Stand haben, sollen sie mit der linken Hand an das linke Fußgelenk fassen und den
Fuß nach hinten oben bringen vom Gesäß wegstrecken. Der Oberkörper ist nach vorne
gebeugt und der rechte Arm ist nach vorne ausgestreckt.216
Anschließend sollte die Übung zur anderen Seite wiederholt werden.
Shivas Tanzhaltung (natarajasana)
7. Der Seitliche Halbmond ( parscha-ardha-tschandrasana)
Der Halbmond aktiviert und belebt den ganzen Organismus. Er entwickelt die
Rumpfmuskulatur , dehnt den Brustkorb und fördert die Beweglichkeit der Wirbel-
säule. Die Atemräume werden geöffnet, so dass der ganze Organismus besser mit
Sauerstoff versorgt werden kann.
215Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.113216Vgl. Bretz, Yoga Vidya Asana-Buch, 2004, S.199
92
Die Schüler sollen sich aufrecht hinstellen, die Hände falten und sie mit den Hand-flächen nach
oben auf den Kopf legen. Dann sollen sie tief einatmen und die Arme nach oben strecken. Mit der
Ausatmung sollen sich die Schüler nach links beugen. Dann sollen sie die Stellung möglichst
bewegungslos halten und den Atem anhalten. Mit der nächsten Einatmung sollen die Schüler
langsam nach oben kommen und die Arme absenken. Zum Abschluss sollen die Schüler mit
geschlossenen Augen der Wirkung der Stellung im Stand nachspüren.
Der seitliche Halbmond (parscha-ardha-tschandrasana)
Die Übung wird anschließend zur anderen Seite wiederholt.217
217Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.40
93
19.2. Übungsprogramm zur Aktivierung im Gymnastikraum bzw. in der
Turnhalle (ca. 60 Minuten)
Das nachfolgende Übungsprogramm ist als feste Übungsabfolge konzipiert und kann
in einem entsprechendem Raum, vorausgesetzt mit genügend Zeit (mindestens 60 Mi-
nuten), geübt werden.
Eine richtige Yogastunde (Schema einer Grundstunde) sollte immer aus einer An-
fangsentspannung, einer Atemübung, einer Umkehrstellung, einer Vorwärtsbeuge und
einer Rückwärtsbeuge bestehen.218 Diese Vorgaben habe ich versucht, so weit wie
möglich bei der Auswahl der Übungen zu berücksichtigen.
Nach jeder Übung sollen die Schüler bewusst nachspüren und ihre Aufmerksamkeit zu
den gerade angespannten bzw. gedehnten Körperteilen schicken.
1. Anfangsentspannung- bewusste Bauchatmung
Die Schüler sollen in der Anfangsentspannung auf dem Rücken in der Totenstellung
(savasana) liegen, d.h. die Beine sind etwa hüftbreit auseinander die Füße fallen locker
nach außen und die Arme liegen seitlich etwas ab vom Körper, so dass in der Achsel-
höhle ein rohes Ei Platz hätte. Die Handflächen zeigen nach oben, die Finger sind sanft
eingerollt. Die Schüler sollen bewusst ihren Körper spüren und im Raum ankommen.
Dafür können sie sich auf die Stellen ihres Körpers konzentrieren, die Kontakt mit
dem Boden haben. Dann sollen sie ihre Atmung ganz bewusst wahrnehmen, indem sie
die Hand auf den Bauch legen. Sie sollen tief und vollständig in den Bauch atmen und
vollständig und langsam ausatmen. Die Schüler sollen beobachten, wie sich ihr Bauch
hebt, wenn sie einatmen und wie er sich mit jeder Ausatmung wieder senkt.
Diese Übung lässt die Schüler bewusst im Raum ankommen und aktiviert die Durch-
blutung im Bauch.219
218Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.199219Vgl. Bretz, Yogalehrer Handbuch, 2003, S.114
94
2. Schultergelenke kreisen
Genau wie die beiden nachfolgenden Übungen (3. und 4.) aktivieren die Bewegungen
die Arme und die Schultern.
Die Schüler sollen sich in einem kreuzbeinigen Sitz einfinden, in dem sie eine längere
Zeit bequem und aufrecht sitzen können. Sie sollten etwas erhöht, vielleicht auf einem
Kissen o.ä., sitzen und die Knie sollten wenn möglich den Boden berühren (evtl. die
Knie mit Decken oder zusammengerollten Kleidungsstücken unterfüttern).
Dann sollen die Schüler die Hände auf die Schultern legen und die Arme in den Schul-
tergelenken kreisen lassen. Die Bewegungen sollten bewusst und in großen Kreisen (so
gross wie möglich und angenehm) ausgeführt werden. Zuerst in die eine, dann in die
andere Richtung.220
3. Eine große Schale halten
Die Schüler sollen zuerst das linke auf das rechte Handgelenk und dann die Ellbogen
nach vorne und oben anheben, so dass sie sich fast auf Schulterhöhe befinden. Dann
sollen die Schüler mit dem linken Arm kraftvoll gegen den rechten Arm drücken und
mit dem rechten Arm dagegen halten.
Die Übung wird wiederholt, allerdings liegt jetzt das rechte Handgelenk auf dem lin-
ken.221
4. Der Kuhkopf
Bei dieser Übung sollen die Schüler ihren rechten Arm nach oben heben und ihn weit
nach hinten hinter den Kopf führen. Der Arm soll dann gebeugt werden, die Hand liegt
etwa zwischen den Schulterblättern. Dann sollen die Schüler mit der linken Hand den
rechten Ellbogen umfassen und ihn so weit wie es angenehm ist, nach hinten unten
und dann zur Mitte führen. Die Dehnung einige Sekunden halten und bewusst ge-
nießen. Danach wird die Übung zur anderen Seite wiederholt.222
220Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.62221Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.52222Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.52
95
5. Der Bogen (dhanurasana)
Der Bogen ist eine Rückbeuge und stärkt den ganzen Rücken und die Wirbelsäule. Die
Bauchorgane werden massiert und die Verdauung wird angeregt. Der Bogen ent-
wickelt Selbstvertrauen und Mut.
Die Schüler sollen sich in die Bauchentspannungslage begeben, d.h. die Hände formen
ein Kissen, auf dem der Kopf abgelegt wird und die Fersen fallen locker nach aussen.
Dann sollen die Schüler die Knie beugen und mit den Händen die Fußknöchel umgrei-
fen. Als nächsten Schritt sollen sie die Füße und den Kopf anheben und die Stellung
einige Atemzüge halten, bevor sie wieder in die Bauchentspannungslage kommen.223
Der Bogen (dhanurasana)
6. Dynamische Bewegungsabfolge: Brett-Seitstütz-Hund-Brett Seitstütz-Hund
Bewegungsabfolgen trainieren die Koordination und aktivieren den Kreislauf durch
die ständige Bewegung, das Anspannen und Dehnen der einzelnen Körperteile und
Muskeln.
Die nachfolgenden Stellung sollten nacheinander, drei Runden, im fließenden Wechsel
ausgeführt werden.
Die Bretthaltung (caturanga dandasana):
Die Bretthaltung regt den Kreislauf an, vertieft die Atmung und kräftigt vor allem die
Rumpf-muskulatur. Kraft und Durchhaltevermögen werden so gestärkt.
223Vgl. Bretz, Yoga Vidya Asana-Buch, 2004, S.114
96
Die Schüler sollen zunächst in den Vierfüßlerstand kommen (Knie etwa unter den
Hüften und Handgelenke etwa unter den Schultern aufgestellt). Dann sollen sie die
Finger spreizen, wobei die beiden Mittelfinger parallel zueinander stehen sollten. Um
die Arme zu stabilisieren sollten die Schüler die Ellbogen nach vorne drehen. Die
Muskeln des Beckenbodens sollten angespannt sein. Als nächsten Schritt sollen die
Schüler zuerst das eine, dann das andere bein nach hinten strecken und jeweils die
Zehen aufstellen. Wichtig ist eine gerade Haltung, d.h. das Becken sollte weder durch-
hängen, noch sollte das Gesäß zu weit oben sein.224
Der Seitstütz (vasishtasana):
Der Seitstütz ist eine gute Gleichgewichtsübung, regt Atmung und Kreislauf an und
fördert Kraft und Ausdauer.
Die Schüler sollen sich auf die linke Seite ihres Körpers legen, der sich von Kopf bis
Fuß in einer Linie befinden muss. Dann sollen sie die Füße übereinander legen und sie
Richtung Körper im rechten Winkel zu den Unterschenkeln ziehen. Den Oberkörper
sollen sie heben und zur Unterstützung sollen sie die linke Hand unter die linke Schul-
ter stellen. Mit der rechten Hand können sich die Schüler vor dem Körper anstützen,
um sich so weit vom Boden wegzudrücken, bis der Körper sich in einer Linie befindet.
Die Schüler stehen jetzt also auf der linken Hand und auf der Aussenkante des linken
Fußes. Wer sich sicher fühlt, kann den rechten Arm nach oben heben.
Natürlich wird auch diese Stellung zur anderen Seite wiederholt.225
Der Hund (adho mukha shvanasana)
Der Hund kräftigt die Arme und Schultern, verbessert durch die Weitung des Brust-
raumes die Atmung und dehnt die rückwärtige Beinmuskulatur. Allgemein verbessert
sich die Wahrnehmung der Körperrückseite und die Wirbelsäule wird entlastet bzw.
entstaucht.
Die Schüler sollen sich zunächst im Vierfüßlerstand einfinden (Knie unter den Hüften,
224Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.102225Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch,2005, S.1134-135
97
Handgelenke unter den Schultern). Sie sollen die Finger spreizen,die Mittelfinger gera-
de nach vorne ausrichten und die Handwurzeln und Daumenballen fest in den Boden
drücken. Die Schüler sollen die Zehen aufstellen und kräftig mit den Händen gegen
den Boden drücken. Gleichzeitig sollen sie das Gewicht auf die Fußballen verlagern.
Das Gesäß sollte nach oben streben und die Arme sollten gestreckt bleiben. Der Kopf
sollte in der Verlängerung der Wirbelsäule sein.226
Der Hund (adho mukha shvanasana)
7. Der Adler (garudasana)
Der Adler ist eine Standstellung, die das Gleichgewicht trainiert. Sie entspannt und
dehnt den Rücken und entwickelt Flexibilität in den Beinen, im Hüftgelenk und in den
Schultern.
Die Ausgangsstellung des Adlers ist ein fester Stand mit verwurzelten Füßen. Dann
sollen die Schüler zuerst das rechte Knie leicht beugen, um dann das linke Bein um das
rechte zu winden. Der rechte Ellbogen wird gebeugt, so dass sich der linke Arm um
den rechten Arm winden kann.227
Die Wirbelsäule sollte gerade sein und die Arme dehnen sich leicht nach oben.
Anschließend sollen die Schüler die Stellung zur anderen Seite wiederholen.
226Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.96-97227Vgl. Bretz, Yoga Vidya Asana-Buch, 2004, S.202
98
Der Adler (garudasana)
8. Die Heldenstellung (virabhadrasana)
s.Kapitel 19.1. Punkt 5
9. Der Drehsitz (ardha matsyendrasana)
Der Drehsitz entwickelt Flexibilität in der Wibelsäule und im Geist. Er stärkt das Ner-
vensystem, beruhigt und wirkt harmonisierend. Er dehnt die schrägen Rücken-und
Bauchmuskeln und die Brustmuskeln.
Die Schüler sollen sich auf die Fersen setzen und den Rumpf aufrichten. Dann sollen
sie sich zuerst links neben die Fersen setzen und den rechten Fuß neben das linke Knie
aufstellen. Die rechte Hand sollen sie hinter dem Rücken aufstellen und der linke
Arm umfasst das rechte Knie. Langsam mit jeder Ausatmung sollen die Schüler sich
etwas weiter in die Stellung drehen. Bei jeder Einatmung sollen sie überprüfen, ob der
Oberkörper noch aufgerichtet ist. Wichtig ist besonders ruhig und tief weiterzuatmen.
Anschließend sollen die Schüler die Stellung zur anderen Seite aufbauen. 228
(Wer möchte kann nach jeder Drehung eine kleine Gegendrehung mit dem Rumpf in
228Vgl. Bretz, Yoga Vidya Asana-Buch, 2004, S.117-119
99
die andere Richtung machen.)
Der Drehsitz (ardha matsyendrasana)
10. Die Stehende Vorwärtsbeuge (uttanasana)
Die stehende Vorwärtsbeuge erhält die Elastizität der Wirbelsäule und dehnt die Beine.
Die Blutzufuhr ins Gehirn wird unterstützt und wirkt so belebend auf den Kreislauf.
Die Stellung ist aber auch eine angenehme Ruhe-und Entspannungshaltung (um den
Effekt noch zu verstärken, kann man mit angebeugten Beinen üben!).
Die Schüler sollen sich in einem bewussten und aufrechten Stand einfinden (Berg-
stellung). Einatmend sollen sie die Arme heben um sich dann mit geradem Rücken
nach vorne zu beugen. Die flexiblen Schüler sollen die Hände neben den Füßen auf-
setzen, die anderen umfassen ihre Ellbogen. Wichtig ist, dass die Beine gestreckt, fest
und stark bleiben. Das Gewicht lastet vor allem auf den Fußballen, der Oberkörper ist
jedoch entspannt.229
Die Schüler sollen mit geradem Rücken aus der Stellung kommen.
229Vgl. Bretz, Yoga Vidya Asana-Buch, 2004, S.125-126
100
Die Stehende Vorwärtsbeuge (uttanasana)
11. Endentspannung- Traumreise
Zum Abschluss sollen sich die Schüler dicht neben einer Wand auf den Rücken legen.
Die Beine sollen sie senkrecht an der Wand hochlegen, die Arme liegen neben dem
Körper. Die Schüler sollen so entspannt liegen und in die Dehnung der Beinrückseiten
hineinspüren. 230
Diese Stellung ist eine Umkehrhaltung (eine Variation des Schulterstands-viparita
karani) und regt die Atmung an. Durch die Umkehrung werden der gesamte Blutkreis-
lauf und das Herz entlastet, sowie die Beine und der Beckenboden werden entstaut.
Der Geist wird beruhigt, da die Stellung Nervosität und Erregung abklingen lässt.231
Wenn die Schüler einige Atemzüge bewusst in der Stellung verweilt haben, beginnt
der Lehrer eine Traumreise vorzulesen (s. Anhang), besser ist es jedoch, wenn möglich
frei zu sprechen.
230Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.85231Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.86
101
20. Yogaübungen zur Entspannung
Es ist für Schüler sehr wichtig, zu lernen, wie sie sich im im Stress und in der Hektik
des Alltags entspannen können. Sie können so einen größeren Energieverlust
vermeiden und sind auf Dauer leistungsfähiger und können bessere Arbeit leisten.232
Körperliche Entspannung ist ein besonders wichtiger Aspekt, um effektiv lernen zu
können, wie verschiedene Wissenschaftler bereits herausgefunden haben.233 Kommt
der Körper zur Ruhe, kann auch der Geist zur Ruhe kommen und ein allgemein ausge-
glichener Zustand und eine Harmonie zwischen Körper und Geist können sich ent-
wickeln. In einem entspannten Zustand ist der Mensch außerdem zu viel kreativerer
und schöpferischer Leistung fähig, da der Verstand klarer und schärfer ist.234
20.1. Yogaübungen zur Entspannung im Klassenzimmer
Die nachfolgenden Übungen helfen, die Schüler zur Ruhe zu bringen und den Körper
und den Geist zu entspannen. Jede Übung kann für sich angewandt werden oder sie
können auch frei kombiniert werden- je nach Zeit- und Raumangebot.
1. Atemübung- Die Strohhalmatmung
Die Atemübung wirkt beruhigend, lindert Anspannung und Nervosität und bringt den
Schülern Gelassenheit. Sie fördert die geistige Klarheit und steigert die Konzentra-
tionsfähigkeit.
Die Schüler sollen tief durch die Nase einatmen und durch die Lippen tief ausatmen.
Die Lippen sollten dabei gespitzt sein als wollten die Schüler pfeifen!
Die Schüler sollen diese Übung so lange wiederholen, bis sie selbst merken, dass sie
ruhiger werden. Eine schöne Verdeutlichung der Übung ist die Ansage, dass sich die
Schüler vorstellen sollen, dass sie mit jeder Ausatmung alles was sie stört und was sie
gerade belastet in Form von kleinen Wolken aus sich heraus und weg atmen. Sie sollen
232Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.10233Vgl. Ostrander/ Schroeder, Leichter lernen ohne Stress, 1986, S.67234Vgl. Isbert, Konzentration und schöpferisches Denken, 1962, S.112f
102
sich vorstellen, dass sie mit jeder Einatmung neue Energie, Kraft und Ruhe einat-
men.235
2. Die Bergstellung (tadasana)
Diese Stellung entwickelt Stabilität und Standfestigkeit und lässt uns bewusst wahr-
nehmen, wie wir eigentlich auf unseren Füßen stehen.
Die Schüler sollen die Füße etwa hüftbreit auseinander und parallel zueinander auf-
stellen. Dann sollen sie die Füße verwurzeln (Vorderfuß anheben, Ferse bleibt am
Boden und ganz langsam und bewusst abrollen, dabei jede Zehe einzeln ablegen). Das
Gewicht sollte gleichmäßig auf den Fußballen und den Fersen verteilt sein. Die Schü-
ler sollen die Muskeln des Beckenbodens stark machen und sich bewusst aufrichten.
Dann sollen sie das Brustbein heben und die Schultern entspannt nach hinten unten
fallen lassen. Die Arme hängen neben dem Körper, die Handflächen zeigen zum Kör-
per hin. 236
3. Der Baum (vrikshasana)
Der Baum verbessert den Gleichgewichtssinn und sorgt somit auch für inneres Gleich-
gewicht und Stabilität. Die Übung wirkt harmonisierend und beruhigend.
Die Ausgangsstellung ist die Bergstellung (s.2. Bergstellung-tadasana). Die Schüler
sollen zuerst den linken Fuß auf den Rücken des rechten Fußes stellen. Wenn sie
sicher stehen, sollen sie die Arme heben und so weit nach oben strecken, dass die
Oberarme neben den Ohren sind.237 (Die Arme bilden ein V.) Die Schüler können mit
den Augen einen Punkt fixieren, um das Gleichgewicht besser halten zu können.
235Vgl. Truckenmüller, Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.22236Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.71-72237Vgl. Bretz, Yoga Vidya Asana-Buch, 2004, S.196-197
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Dann wird die Stellung zur anderen Seite mit dem linken Bein als Standbein
wiederholt. Die Schüler können nach der Übung vergleichen, welche Seite ihnen
leichter gefallen ist.
Der Baum (vrikshasana)
4. Die Vorbeuge im Grätschstand (prasarita padottasana)
Diese Stellung entspannt die inneren Organe und dehnt verschiedene Muskeln im
Bereich der Oberschenkel, des Gesäßes, des Beckenbodens und des Kreuzbeins.
Die Schüler sollen in eine Grätsche kommen, wobei die Füße parallel zueinander
stehen sollten. Die Außenkanten der Fersen und die Großzehballen sollten am Boden
bleiben. Die Schüler sollen die Muskeln des Beckenbodens anspannen, um dann mit
geradem Rücken mit dem Rumpf in eine Vorwärtsbeuge zu kommen. Wer mit den
Fingern zum Boden kommt, stellt die Fingerkuppen auf, die anderen stellen die Hände
auf ein Kissen o.ä. . Das Körpergewicht sollte sich gleichmäßig auf Hände und Beine
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verteilen. Mit jeder Einatmung sollen die Schüler den Rücken strecken und das Brust-
bein leicht anheben. Mit jeder Ausatmung sollen sie den Rumpf weiter sinken
lassen.238
6. Die Schildkröte auf dem Stuhl (kurmasana)
Diese Stellung entspannt den Schulter-und Nackenbereich, dehnt die Rückseite des
Rumpfes und Außenseiten der Beine. Die Atmung und die Verdauung werden
angeregt und die Durchblutung der inneren Organe wird verbessert. Die Schildkröte
wirkt beruhigend und harmonisierend auf das Nervensystem.
Die Schüler sollen sich auf den vorderen Rand ihres Stuhles setzen und die Füße
parallel zueinander und schulterweit aufstellen. Mit den Händen sollen sie die Knie
umfassen. Mit der nächsten Einatmung sollen sie den Brustkorb etwas anheben. Mit
der nächsten Ausatmung sollen sie sich nach vorne beugen und die Arme zwischen die
Beine sinken lassen. Dann sollen die Schüler um die Unterschenkel herumgreifen und
die Knöchel umfassen. Mit jeder Ausatmung sollen die Schüler weiter nach vorne sin-
ken, wobei der Kopf entspannt hängen sollte. Diese Stellung sollte betont langsam
geübt werden. Der Lehrer kann die Schüler ruhig darauf hinweisen, dass sie sich die
Qualitäten einer Schildkröte aneignen und deshalb besonders langsam und geduldig
üben.239
Die Schildkröte auf dem Stuhl (kurmasana)
238Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.140-141239Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.144-145
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7. Die Stehende Vorwärtsbeuge (pada hastasana)
Beschreibung s. Kapitel19.2., Übung 10.
8.Die Standwaage (utthita satyeshikasana)
Die Standwaage beruhigt das Nervensystem und den Geist und fördert das Gleich-
gewicht. Besonders die rumpfaufrichtende Muskulatur wird gestärkt, sowie die Mus-
kulatur der Beine.
Die Schüler sollen die Füße etwa hüftbreit und parallel zueinander aufstellen. Dann
sollen sie zuerst den linken Fuß verwurzeln, um dann das Gewicht auf dieses Bein zu
verlagern. Die Schüler sollen darauf achten, dass ihre Hüfte vorne bleibt und dass sie
ihre Beckenmuskulatur anspannen.
Einatmend sollen sie die Arme über die Seite nach vorne und oben heben. Ausatmend
sollen sie den Rumpf wie ein Brett aus dem Hüftgelenk nach vorne neigen. Das rechte
Bein sollen sie, im gleichen Verhältnis wie sie den Rumpf absenken, anheben, so dass
beide in der Waagerechten sind. Das Standbein sollte gestreckt bleiben240
Die Stellung wird auch zur anderen Seite geübt.
Die Standwaage (utthita satyeshikasana)
9. Traumreise
Nach der Erfahrung von Gabriele Truckenmüller haben Traumreisen eine besonders
entspannende Wirkung auf Schüler, die gleichzeitig positive Gefühle zur Folge haben.
(Vorschläge für Traumreisen im Anhang.)
240Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.116-117
106
20.2. Zur Ruhe kommen im Gymnastikraum bzw. in der Turnhalle (mind. 60
min. Zeit)
1. Atemübung -Wechselatmung (nadi sodhana)
(Beschreibung s. 15.2. Verhaltensauffälligkeitn, Übung IV)
2. Krokodilsübung im Liegen (makarasana)
Krokodilsübungen sind spiralige Drehungen der Wirbelsäule in der Rückenlage, die
vor allem den unteren Rücken entspannen. Dier Brustraum wird gedehnt und mobi-
lisiert, wodurch sich die Atmung automatisch vertieft. Die Muskulatur im Lenden
bereich wird gedehnt und die Wirbel-(gelenke) werden sanft korrigiert.241
Die Schüler sollen sich in der Rückenlage einfinden und beide Arme in Höhe der
Schultern ausbreiten. Die Handflächen zeigen zum Boden. Die Schüler sollen das
Becken anheben und etwas nach links versetzt wieder ablegen. Dann sollen sie das
rechte Bein ausstrecken und mit dem linken angewinkelten Bein voran über die rechte
Seite nach rechts kippen. Das linke Bein bildet einen rechten Winkel. Die Schultern
sollten am Boden bleiben und der Blick geht zur linken Hand.
Anschließend wird die Übung zur anderen Seite wiederholt.
Krokodilsübung im Liegen (makarasana)
241Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.128
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3. Die Schulterbrücke (setu bandhasana)
Die Schulterbrücke ist eine sanfte Umkehrhaltung und entstaucht den Nacken, was
unverzüglich zur Entspannung führt. Verschiedene Muskeln im Breich des Beckens,
des Rückens und der Beine werden gekräftigt. Die Wirbelsäule wird beweglicher und
die Vorderseite des Körpers wird gedehnt. Die Stellung bewirkt eine Vertiefung der
Bauchatmung und bringt so eine Harmonisierung und Entspannung mit sich.242
Die Schüler sollen in der Rückenlage beide Füße parallel zueinander und hüftbreit
aufstellen. Der untere Rücken sollte fest auf der Matte liegen. Mit der nächsten Ein-
atmung sollen die Schüler langsam die Wirbelsäule Stück für Stück vom Boden lösen,
begonnen beim Steißbein, über das Kreuzbein zum Becken. Dabei sollen sie den
Beckenboden anspannen. Zwischen Knien und Schultern solle eine schiefe Ebene ent-
stehen. Die Schüler sollen darauf achten, dass ihre Füße und Beine parallel bleiben
(evtl. Position der Knie korrigieren). Die Arme liegen neben dem Körper und Nacken
und Schultern sind entspannt. Der Beckenboden sollte die ganze Zeit angespannt blei-
ben, da sonst die Gefahr eines Hohlkreuzes besteht. Um aus der Stellung zu kommen
sollen die Schüler ganz bewusst Wirbel für Wirbel wieder ablegen.
Die Schulterbrücke (setu bandhasana)
4. Der Schulterstand (sarvangasana)
Der Schulterstand ist eine Umkehrstellung und beruhigt und harmonisiert das Ner-
vensystem. Die Wirbelsäule wird durch regelmässiges Üben flexibel gehalten bzw.
242Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.81
108
gemacht. Außerdem normalisiert der Schulterstand die Funktion der Schilddrüse.243
Die Schüler sollen sich auf den Rücken legen, die Arme neben dem Körper legen mit
zum Boden zeigenden Handflächen. Langsam und bewusst sollen sie Beine und Be-
cken heben. Mit den Händen können sie den Rücken unterstützen, um dann ganz nach
oben zu kommen (ähnlich wie in der Gymnastikübung der Kerze). Die Schüler sollen
sich so weit wie möglich aufrichten und ruhig weiteratmen. Wichtig ist, dass sie in der
Stellung den Kopf nicht drehen oder nach links und rechts schauen. Sollten Decken zur
Verfügung stehen, ist es auf jeden Fall ratsam und angenehm für die Halswirbel, wenn
ein oder zwei gefaltete Decken unter dem oberen Teil des Rumpfes liegen (der dicke
Halswirbel sollte als oberster Punkt auf der Decke liegen, der unterste Punkt liegt etwa
unterhalb der Schulterblätter).
Die Schüler sollen unbedingt langsam und kontrolliert aus der Stellung kommen.
Der Schulterstand (sarvangasana)
5. Die Rückenrolle
Eine schöne Übung im Anschluss an den Schulterstand ist die Rückenrolle, da sie
eventuelle Spannungen im unteren Rücken beseitigt und die Wirbelsäule angenehm
243Vgl. Bretz, Yoga Vidya Asana-Buch, 2004, S.83
109
massiert.
Die Schüler liegen auf dem Rücken und sollen indem sie ihre Beine anziehen und die
Knie umfassen ein möglichst kleines Päckchen machen. Dann sollen sie erst einige
Male von rechts nach links schaukeln, um dann zu wechseln und von vorne nach hin-
ten zu schaukeln.
6. Öffnen und Schließen im Vierfüßlerstand
Die nachfolgend beschriebene Übung bewahrt die Elastizität des Brustkorbs und der
Wirbelsäule und macht sie beweglicher. Beschwerden, die Versteifungen des Rückens
und Verdrehungen der Wirbelsäule betreffen, werden gelindert.
Die Schüler sollen in den Vierfüßlerstand kommen, allerdings sollen die Schüler die
Ellbogen beugen, so dass die Unterarme mit den Außenseiten, den Ellen, aufliegen
(Unterarmstand).
Die Schüler sollen zuerst den linken Unterarm fest in den Boden drücken, bis sich ihr
Brustkorb nach rechts dreht. Erst dann sollen sie mit der Einatmung den rechten, leicht
angebeugten Arm bis auf Höhe der Schulter anheben. Mit der nächsten Ausatmung
sollen die Schüler zurück zur Mitte drehen. Die Übung wird dann zunächst zur anderen
Seite wiederholt. Jeder Schüler soll noch einige Male in seinem eigenen Rhythmus zu
beiden Seiten drehen.244
7. Die Vorwärtsbeuge (paschimotthanasana)
Diese Stellung entwickelt Geduld, Hingabe, Demut und die Fähigkeit loszulassen. Sie
wirkt harmonisierend auf Körper und Geist, vor allem auf die Verdauung und Abwehr-
kräfte. Die Bauchorgane werden angeregt.245
Die Schüler sollen sich auf die Matte setzen mit aufrechtem Rücken und nach vorne
ausgestreckten Beinen. Die Hände ruhen zunächst auf den Oberschenkeln. (Die Schü-
244Vgl. Trökes, Das grosse Yogabuch, 2005, S.54245Vgl. Bretz, Yoga Vidya Asana -Buch, 2004, S.97-99
110
ler, die nicht aufrecht sitzen können, setzen sich etwas erhöht auf eine gefaltete Decke
o.ä..) Dann sollen die Schüler mit den Händen an den Schienbeinen entlang nach vorne
gleiten und wenn möglich die Füße umfassen. Dabei geht es jedoch nicht darum, so
weit wie möglich nach vorne zu kommen, sondern es geht vor allem darum, dass die
Beine (Rückseite) gestreckt sind und der Rücken gerade bleibt (das Brustbein strebt
nach vorne und oben). Der Kopf sollte in der Verlängerung der Wirbelsäule stehen und
nicht abgeknickt sein. Die Schüler sollten sich auf keinen Fall in die Stellung hinein
forcieren, sondern in einer angenehmen gedehnten Position (mit geradem Rücken und
gestreckten Beinen) so lange wie angenehm halten.
Die Vorwärtsbeuge (paschimotthanasana)
8. Die Schiefe Ebene (purvotthasana)
Die Schiefe Ebene kann als Gegenstellung zur Vorwärtsbeuge geübt werden. Sie stärkt
die Arme, Beine und den unteren Rücken. Verspannungen im unteren Rücken werden
aufgelöst und verschiedene Muskeln im Bein-, Gesäß- und Rückenbereich werden
effektiv gedehnt.
Nachdem die Schüler sich aus der Vorwärtsbeuge aufgerichtet haben, sollen sie die
Hände hinter dem Rücken aufstützen. Die Finger können, je nach eigenem Empfinden,
zum Körper hin oder vom Körper weg zeigen. Dann sollen die Schüler das Becken und
den Brustkorb anheben. Der Körper bildet so eine schiefe Ebene. Die Beckenmuskeln
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sollten angespannt sein, so dass der Körper nicht durchhängt.246
Die schiefe Ebene (purvotthasana)
9. Der Baum (vrikshasana)
(s. 20.1. Übung 3.)
10. Endentspannung -Traumreise
(s.20.1. Übung 11)
246Vgl. Bretz, Yoga Vidya Asana-Buch, 2004, S.103
112
Aus: Gabriele Truckenmüller: Yoga im Klassenzimmer, 2004, S.44
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Anlage für die Wissenschaftliche Hausarbeit
Ich versichere, dass ich die Arbeit selbstständig und nur mit den angegebenen Quellen undHilfsmitteln angefertigt habe. An Stellen der Arbeit, die ich aus anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen habe, sind kenntlich gemacht.
Heidelberg, den 13.02.2007
Unterschrift...................................................
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