städtetourismus zwischen geschäftsreisen und...
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108Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Freizeit und Tourismus
Städtetourismus zwischen Geschäftsreisen und EventsEvelyn Jagnow und Helmut Wachowiak
doch sehr dynamisch und erlebt nacheiner Stagnationsphase Mitte der neun-ziger Jahre wieder deutliche Zuwachsra-ten. Diese drücken sich nicht nur inwachsenden Ankunfts- und Übernach-tungszahlen aus, sondern auch in derZahl der geplanten Städtereisen. ImJahr 1983 z.B. planten nur 14,9 % derDeutschen eine Städtereise, 1995 warenes bereits 39,5% B.
Städte vereinen die Hälfte des Über-nachtungsaufkommens ganz Deutsch-lands auf sich, bei den ausländischenGästen waren es 1998 mehr als dreiViertel. Einen wesentlichen Anteilnehmen dabei die Großstädte mit über20% aller in Deutschland getätigtenÜbernachtungen ein. Für diesen Boomim Städtetourismus gibt es verschiedeneUrsachen. Zum einen ist die angestiege-ne Urlaubsdauer zu nennen, verbundenmit einem Einkommen, das dem Groß-teil der Bevölkerung finanziellen Spiel-raum für Reisen gibt. Hinzu kommt dieTendenz zur Zweit- und Drittreise miteinem Trend zu Kurz- und Erlebnisrei-sen (AA Beitrag Flohr).
Teilnehmer an Städtereisen zeichnensich durch eine ausgewogene Alters-struktur aus und haben – gegenüber denTeilnehmern an anderen Urlaubsreisen– meist höhere Einkommen und qualifi-ziertere Bildungsabschlüsse. Sie haltensich nur relativ kurz in den Städten auf,nämlich durchschnittlich zwei Tage.Generell gilt, dass sich ausländischeGäste im Durchschnitt länger in denStädten aufhalten als deutsche.
Aktivitäten der StädteIn den letzten Jahren haben Städte ver-stärkt in Maßnahmen zur Förderung desTourismus investiert. Ein Übriges RRRRR
Der Städtetourismus ist eines der wich-tigsten Marktsegmente im Deutschland-Tourismus. Dabei stellt die Multifunk-tionalität die besondere Attraktivitätvon Städten dar: Städte können aus ge-schäftlichen Anlässen wie auch aus
Freizeitgründen Ziel einer Reise sein.Diese beiden grundsätzlichen Typen desStädtetourismus lassen sich im Allge-meinen auch nach dem Zeitpunkt derReise unterscheiden. Die saisonale Ver-teilung der A Geschäftsreisen konzen-triert sich im Unterschied zum Erho-lungsreiseverkehr auf die Monate Febru-ar bis Juni und September bis Novem-ber. Im Wochenverlauf konzentrierensich die Privatreisen auf das Wochenen-de, während Geschäftsreisen vorrangigan Werktagen stattfinden. Diese zeitli-che Ergänzung ist für das Gastgewerbeund andere touristische Leistungsträgerein wichtiger Faktor bezüglich der Aus-lastung.
Je nach Motiv und Aufenthaltsdauerunterscheidet man privat bedingten Ta-gesausflugs-/Tagesveranstaltungsver-kehr, Städtereiseverkehr und beruflichbedingten Tagesgeschäftsverkehr, Ta-gungs- und Kongresstourismus, Ausstel-lungs- und Messebesuche und sonstigenGeschäftsreiseverkehr. Grundsätzlichkann davon ausgegangen werden, dassStädtereisen zum überwiegenden Teilals Kurzreisen mit einer Dauer von ma-ximal vier Tagen durchgeführt werden.In der Regel spricht man von Städte-tourismus bei Großstädten mit über100.000 Einwohnern. Darüber hinaushaben aber auch zahlreiche kleinereStädte eine große Bedeutung für denDeutschlandtourismus, z.B. Trier, Wei-mar oder Rothenburg o.d.T.
Städte – vom touristischenQuell- zum ZielgebietBis Mitte der 1970er Jahre waren dieStädte hauptsächlich Quellgebiete fürden Erholungstourismus. Seitdem ent-wickelte sich der Städtetourismus je-
mit verschiedenen Schwerpunktenz.B.- Berlin- München- Köln- Hamburg
�Internationale Städte�
Schwerpunkt Kunst-/Kultureinrichtungenz.B.- Bayreuth- Stuttgart- Dresden- Bonn
�Kunst- und Kulturstädte�
z.B.- Kiel- Rostock- Bremerhaven
�Städte mit Schwerpunktregionaler Bezug�
�Musicalstädte�Schwerpunkt Musicalsz.B.- Bochum- Hamburg
Stadt alsTourismus-Destination
�Städte mit SchwerpunktHistorie�z.B.- Heidelberg- Tübingen- Potsdam- Münster- Mainz
Wie vermarkten sich Großstädte ?
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000
Schwerpunkt Messenz.B.- Hannover- Düsseldorf- Leipzig- Frankfurt
�Messestädte�
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000
-5
0
5
10
15
20
25
30
35
40
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998
Prozent
Jahr
Ankünfte in Städten
Übernachtungen in Städten
Ankünfte gesamt
Übernachtungen gesamt
Entwicklung des Städtetourismus1992-1998
A
B
Heidelberg, Neckarbrücke und Schloss
Hildesheim, Marktplatz und Rathaus
Varianten des modernen Geschäfts-reiseverkehrs
Kongresse dienen der Wissensvermitt-lung, dem Erfahrungsaustausch, demTreffen von Verbandsmitgliedern o.ä. Siebehandeln in der Regel innerhalb einesgeschlossenen Sachgebietes eine Viel-zahl von Einzelthemen. Kongresse erfor-dern eine lange Planungs- und Vorberei-tungszeit, die Dauer der Veranstaltungliegt im Allgemeinen bei mehr als einemTag. Die Teilnehmerzahl liegt bei über250 Personen.
Tagungen unterscheiden sich von Kon-gressen weniger inhaltlich als in der Dau-er (i.d. Regel 1-2 Tage) und Teilnehmer-zahl (unter 250 Teilnehmer). Außerdembenötigen sie eine kürzere Planungs-und Vorbereitungszeit sowie einen gerin-geren Organisationsaufwand.
Eine Konferenz dient der Erörterung ei-nes speziellen, kurzfristig zu behandeln-den Themenbereiches und hat dement-sprechend eine allgemeine Dauer von ei-nem Tag oder weniger.
In einem Seminar wird den TeilnehmernWissen zu einem bestimmten Themen-feld vermittelt. Dies erfordert meist eineDauer von mehreren Tagen und eine be-grenzte Teilnehmerzahl.
Messen sind regelmäßig durchgeführteVerkaufs- und Ausstellungsveranstaltun-gen, die meist einen inhaltlichen Schwer-punkt haben. Als Orte für Handel, Infor-mationsaustausch und Marketing erfül-len Messen bedeutende Funktionen fürdie Wirtschaft. Sie stellen zugleich einenwichtigen Wirtschaftsfaktor dar, indemsie zusätzliche Kaufkraft binden und er-hebliche Beschäftigungseffekte für dieRegion erzielen. Die Größe einer Messenach Einzugsgebiet der Messeausstellerund -besucher von lokalen/regionalenMessen bis hin zu bedeutenden interna-tionalen Messen variieren.
Incentive-Reisen sind im weitesten Sin-ne „Belohnungen“ von Unternehmen fürbesonders engagierte Mitarbeiter. DerBegriff – ursprünglich aus dem amerika-nischen Wirtschaftsgeschehen – umfasstalle (Marketing-) Maßnahmen, die dieMitarbeiter zu besonderen Leistungenanspornen sollen. Sie sind ein außerge-wöhnliches Angebot, für dessen Organi-sation sich eine eigene Sparte als Anbie-ter entwickelt hat.
109Städtetourismus zwischen Geschäftsreisen und Events
Oder
Main
Inn
Mosel
Werra
Elbe
Saale
Saale
W
eser
Lausi tzer Neiße
Rhein
Rhein
Rhein
Donau
Weser
Elbe
Main
Fulda
Donau
Bodensee
Nürnberg
Oberhausen
Lübeck
Koblenz
Ludwigshafen
Oldenburg
Wolfsburg
Offenbach
Darmstadt
FRANKFURT/M.
BremerhavenBremerhavenBremerhaven
Regensburg
Ingolstadt
RostockRostockRostock
Leipzig
Chemnitz
Braunschweig
Bielefeld
Halle/Saale
Augsburg
Wuppertal
Bochum
Mannheim
Bonn
Gelsenkirchen
Mönchen-gladbach
Karlsruhe
Cottbus
Zwickau
GeraJena
Würzburg
Erlangen
Fürth
Reutlingen
Freiburg i. Breisgau
Heilbronn
Pforzheim
Heidelberg
AachenSiegen
Göttingen
Kassel
PaderbornHamm
Osnabrück
Hildesheim
Hagen
Leverkusen
Salzgitter
Kaiserslautern
Recklinghausen
Remscheid
Solingen
Bergisch-Gladbach
HANNOVER
Kiel
HAMBURGSchwerinSchwerinSchwerin
BERLINPotsdam
Dresden
Erfurt
MÜNCHEN
STUTTGART
Mainz
Wiesbaden
BremenBremenBremen
Ulm
Moers
Bottrop
Witten
DUISBURG ESSENDORTMUND
KÖLN
Saarbrücken
DÜSSELDORF
Münster
Magdeburg
Neuss
Witten
Herne
Bochum
Hagen
Herne
Mülheim
Neuss
Krefeld
* Die mittlere Aufenthaltsdauer in Städten beträgt 2 Tage.Max: Salzgitter 3,41 TageMin: Heidelberg 1,59 Tage
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000
Städtetourismus 1997
Autoren: E.Jagnow, H.Wachowiack
Maßstab 1: 2750000
0 50 100 km7525
Ankünfte und Übernachtungenin Großstädten mit mehr als100000 Einwohnern*
Anzahl derAnkünfte
Anzahl derÜbernachtungen
Anteil deutscherGästeAnteil ausländischerGäste
2500000
3448996
14318
250000500000
1000000
1mm² = 10000 Ankünfte/Übernachtungen^
AutobahnEuropastraßeEisenbahn (ICE, EC, IC-Strecke)
Anzahl der Übernachtungenje 1000 Einw.
über 7000
5000 bis 7000
4000 bis 5000
3000 bis 4000
2000 bis 3000
unter 2000
Landeshauptstadt
Einwohner (1996)
Rostock
Magdeburg
DORTMUNDMÜNCHEN über 1 000 000
500 000 bis 1 000 000250 000 bis 500 000100 000 bis 250 000
(Berlin)
(Herne)
(Bayern)
(Bremen)
Übernachtungennach Ländern
10942005000000
1000000020000000
40000000
66752500
1mm² = 150000 Übernachtungen^
Übernachtungen in Städten
sonstige
MagdeburgMÜNCHEN
C
110Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Freizeit und Tourismus
sind mit mindestens einer Übernach-tung verbunden. Im bundesdeutschenGeschäftsreiseverkehr in Großstädtendominiert der Tagesgeschäftsreisever-kehr mit ca. 58%.
Zu Geschäftsreisen werden alle beruf-lich motivierten und nicht aus der pri-vaten Kasse bezahlten Reisen gezählt.Aufgeteilt wird der Geschäftsreisever-kehr in die vier Segmente Geschäfts-und Dienstreisen, Messe- und Ausstel-lungsreisen, Tagungs- und Kongressrei-sen sowie Incentive-Reisen. Die Teilnah-me an Tagungen beträgt schätzungswei-se 22%, an Messen und Ausstellungen11% des gesamten Geschäftsreisevolu-mens in Deutschland.
Deutschland ist Messeplatz Nr. 1 inder Welt 4. Jährlich finden in der Bun-
Fulda
Oder
Main
Werra
Elbe
Lausitzer
Saale
MoselSaale
Wes
er
Inn
Neiße
Donau
Donau
Rhein
RRRhhheeeiiinnn
Elbe
Wes
er
Bodensee
Bodensee
Bodensee
Kiel
Schwerin
Potsdam
Magdeburg
DresdenErfurt
Stuttgart
Saarbrücken Saarbrücken Saarbrücken
WiesbadenWiesbadenWiesbaden
MainzMainzMainz
BremenBremenBremen
Messebesucher in den 90er Jahren(Auswahl)
Autor: E.Jagnow, H.Wachowiak
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000
Maßstab 1: 5000000
0 50 100 km25 75
Landeshauptstadt
AutobahnEuropastraße(nicht zum Autobahnnetzgehörend)EisenbahnEC, IC, ICE
Anzahl der Messebesucher
Turnus der Messe
Euro TierFrankfurter BuchmesseGrüne WocheHANNOVER MESSEhansebootIAA-NutzfahrzeugeIAA-PersonenkraftwagenibaIFATI.H.M. Internationale Handwerksmesse
21222324252627282930
bootCARAVAN SALON DüsseldorfCeBITCeBIT HOMEDEUBAU ESSENdrupaEMOEQUITANAESSEN MOTOR-SHOWEUROSHOP
11121314151617181920
aaaACHEMAAGRITECHNICAAmbienteAnugaAutomechanikaBAUBaufachbaumabautec
12345678910
Fachbesucher
Privatbesucher
6 Jahre
5 Jahre
4 Jahre
3 Jahre
2 Jahre
1 Jahr
949
7
32
43
2334
13
35
547
11
27
22
16
1819
24
Friedrichs-Friedrichs-Friedrichs- hafen hafen hafen
Augsburg
LeipzigLeipzigLeipzig
Frankfurt/M.Frankfurt/M.Frankfurt/M.
EssenEssenEssen
KölnKölnKöln
17 2144
4131
1548
45
3820
33
50
46
40
26
2
36
39
2928
ILA Internationale Luft - und RaumfahrtausstellungINTERBOOTInternationale EisenwarenmesseInternationale FunkausstellungInternationale MöbelmesseInternationale SaarmesseINTERNORGAinterpackINTERSCHUTZ
31
3233343536373839
ISH Leitmesse für Haus- und GebäudetechnikITB BerlinKLeipziger Messe AUTO MOBILLIGNAMEDICAMusikmessephotokinaSCHWEISSEN&SCHNEIDENSYSTEMSTendence
40
41424344454647484950
>450 000
<100000
300000 - 450000
250000 - 300000
200000 - 250000
150000 - 200000
100000 - 150000
DüsseldorfDüsseldorfDüsseldorf
MünchenMünchenMünchen
BerlinBerlinBerlin
HannoverHannoverHannover
Hamburg
3
37 25
101
8
14
30
4
6
42
12
desrepublik ca. 130 überregionale Mes-sen und Ausstellungen statt, an denensich über 150.000 Aussteller beteiligen,die rund 10 Mio. Besucher anziehen.Wichtigster Pluspunkt Deutschlands istseine Internationalität, die nicht zuletztauf die Lage in der Mitte Europas sowieden Sitz vieler internationaler Unter-nehmen zurückzuführen ist. Die größtenMesseplätze sind auch Ausrichter derbedeutendsten Messen in der Bundesre-publik.
In der Rangliste der internationalen Ta-gungs- und Kongressdestinationen stehtdie Bundesrepublik auf Rang vier. Insge-samt verfügt Deutschland über 6800 Ta-gungsstätten, davon 6300 in Hotels, ca.350 in Kongresshallen und ca. 160 inUniversitäten.
Der A Tagungs-, Kongress- und Mes-sereiseverkehr hat große Auswirkungenauf die Infrastruktur einer Stadt. DieserBereich ist daher auch ein wichtiges In-strument der Wirtschaftsförderung so-
leistete die städtebauliche Erneuerungnach dem Städtebauförderungsgesetz inden siebziger und achtziger Jahren, diemit Maßnahmen zur Sanierung histori-scher Stadtkerne, zur Durchgrünungund zur Verkehrsberuhigung eine At-traktivitätssteigerung der Städte zur Fol-ge hatte. Auch im Städtetourismus for-dert die Konkurrenz der Städte unter-einander Wege zur Attraktivitätssteige-rung, aber vor allem zur Herausbildungeines Profils, das die jeweilige Stadt vonanderen Städten unverkennbar unter-scheidet. Dies erfolgt in vielen Städtenanhand von Spezialisierungen auf be-stimmte Marktsegmente sowie der Ver-marktung mit Hilfe von prägnantenSlogans und einem Corporate Design(Die Stadt als Marke).
Legt man die Ankunfts- und Über-nachtungszahlen deutscher Großstädtezugrunde, so wird deutlich, dass die fünfgrößten Städte auch die meisten Besu-cher anziehen C. Auch Düsseldorf,Stuttgart, Nürnberg, Dresden und Han-nover weisen hohe Werte auf – Städtemit sehr unterschiedlichen Image- undAngebotsschwerpunkten.
Die wirtschaftliche Bedeutungdes StädtetourismusDie konkreten wirtschaftlichen Auswir-kungen des Tourismus sind schwer zu be-stimmen, da neben den direkten Effek-ten für Tourismusbetriebe auch die Ge-samtwirtschaft einer Stadt durch indi-rekte Leistungen und Einnahmen profi-tiert. Zur Messung der wirtschaftlichenAuswirkungen des Tourismus bedientman sich zum einen der Übernachtungs-zahlen, zum anderen der Tagesausgabender Besucher. Die Ausgaben bei einerStädtereise sind im Vergleich zu anderenReisen höher. Sie liegen bei Tagesausflü-gen in deutsche Großstädten bei imDurchschnitt 47 DM pro Person, dassind über 30% mehr als bei Tagesausflü-gen zu anderen Zielen.
Städte als Ziele von Geschäfts-reisenDie Zahl der Geschäftsreisen inDeutschland wird auf rund 150 Mio. imJahr geschätzt, davon 144 Mio. im In-land. Rund 20,6 Mio. Geschäftsreisen
Themenjahre
Ein Mittel des Marketing im Bereich des Städtetourismus istdie Veranstaltung von Themenjahren, in denen eine Reihevon (Groß-) Veranstaltungen über ein Jahr verteilt zu einemRahmenthema organisiert werden.
Ein europaweites Beispiel für solche Ereignisse ist die Aus-zeichnung als „Kulturstadt Europas“, ein Titel, der seit 1985an jeweils eine europäische Stadt verliehen wird, die dannein entsprechendes kulturelles Programm veranstaltet. NachStockholm im Jahr 1998 ist für 1999 dieser Titel an Weimarverliehen worden, das in seinen Aktivitäten einen Schwer-punkt auf Goethe, zu dessen 250. Geburtstag, gelegt hat.Zum Jahrtausendwechsel tragen im Jahr 2000 neun euro-päische Städte diesen Titel.
Themenjahre werden jedoch auch in verschiedenen Regio-nen oder Städten übergreifend organisiert. Als Beispiel sei-en hier das Jahr des Westfälischen Friedens in Münster/Os-nabrück 1998 oder das Lutherjahr 1996 genannt, zu demsich mehrere Städte aus Thüringen und Sachsen-Anhalt zu-sammengeschlossen haben.
4
111Städtetourismus zwischen Geschäftsreisen und Events
Vorbereitungs-phase
Dauer derVeranstaltung
Folgephase
Aufbau von Kompetenzen zurDurchführung ähnlicher Veranstaltungen
Ausbau von Infrastruktur
Anregung zu Investitionen (z.B Bauwirtschaft)
(Boden-) Spekulation
Schaffung von Überkapazitäten
Steigerung des Bekanntheitsgrades
Erhöhung der Standortqualität/ -attraktivität
Multiplikatoreffekte
Herausbildung eines eigenständigen Profils
Synergieeffekte bei Werbung/Medienkontakte
Förderung und Erhaltung der Kultur
Förderung der Stadt- und Regionalentwicklung
Schaffung (zeitlich befristeter) Arbeitsplätze
ökologische Schädigung nicht befestigterVeranstaltungsflächen (Open-Air)
Ausgleich saisonaler Effekte
maximale Auslastung von Kapazitäten
Lärmbelästigung der Anwohner
Abfallaufkommen
Substitutions-/ Verdrängungs-Effekte
Überlastung der Infrastruktur Zeit
positiv negativ
Auswirkungen kultureller Großveranstaltungen auf die Stadt
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000
wie ein Mittel zur Imagestärkung einerStadt, sowohl im nationalen wie auchim internationalen Rahmen.
Insgesamt entstanden der deutschenWirtschaft aus Geschäftsreisen Reiseko-sten von rund 150 Mrd. DM, wobei derVDR (Verband Deutsches Reisemanage-ment) für eine innerdeutsche Reise imSchnitt 884 DM kalkuliert, bei europäi-schen Zielen 2200 DM und bei Zielenin Übersee 7500 DM. Von den Gesamt-kosten einer Reise entfallen laut VDRrund 40% auf Flugtickets, 20-22% aufHotelübernachtungen, 10-12% aufMietwagen, 5-8% auf Bahnfahrkartenund der Rest auf Verpflegung, Spesenund Kilometergeld.
Zusätzliche Bedeutung haben mitrei-sende Angehörige von Geschäftsreisen-den – jeder siebte Tagungs- und Kon-gressteilnehmer reist in Begleitung ei-nes Familienangehörigen. Die Familien-angehörigen, die im Allgemeinen nichtan der Veranstaltung teilnehmen, stel-len ein weiteres Gästepotenzial für diegastgebende Stadt und damit für derenFreizeit- und Kulturangebot dar.
StandortfaktorenZielorte des Geschäftsreiseverkehrs sindhauptsächlich die Großstädte. Dies hatseine Ursache in den günstigen Stand-ortfaktoren für sämtliche Einrichtungenund Veranstaltungen, die bei einer Ge-schäftsreise von Bedeutung sind. Dieselassen sich in „harte“ und „weiche“Standortfaktoren einteilen. Zu den har-ten Standortfaktoren gehören die Lageund Verkehrsanbindung, Sitze bedeu-tender Institutionen, Wirtschaftsunter-nehmen, Bundesstellen, das Vorhanden-sein moderner Tagungseinrichtungen,ein differenziertes Beherbergungsange-bot etc. Nicht zu unterschätzen sind je-doch auch die weichen Standortfakto-
ren wie das Image einer Stadt, touristi-sche Attraktionen, Kultur- und Unter-haltungsangebote, attraktive Land-schaft, Stadtbild, Einkaufsmöglichkei-ten etc. Dies schafft angenehme Rah-menbedingungen für eine Veranstal-tung. Gerade bei mehrtägigen Veran-staltungen sind meist ein kulturellesRahmenprogramm oder genug zeitlicherSpielraum davor oder danach zur Be-sichtigung der jeweiligen Stadt vorgese-hen.
Events als Attraktivitätsfaktorvon StädtenEinen bedeutenden Faktor im privatenStädtetourismus stellen kulturelleGroßveranstaltungen aus den BereichenMusik, darstellende Kunst, Theater, Re-ligion oder Tradition dar 6. Im Sprach-gebrauch wird dafür auch der BegriffEvent verwendet. Jährlich besuchenrund 40% der Bevölkerung mindestenseine Großveranstaltung. Für den Besuchwerden weite Entfernungen zurückge-legt.
Unter kulturellen Großveranstaltun-gen bzw. Events werden speziell insze-nierte oder herausgestellte Veranstal-tungen von begrenzter Dauer mit touri-stischer Ausstrahlung verstanden, wobeidiese nicht ausschließlich in Städtenstattfinden. Veranstaltungen wie „Rockam Ring“ (am Nürburgring in der Eifel)sind nicht an die Infrastruktur einerGroßstadt gebunden, wenn sie auch dietemporäre, mobile Einrichtung einerumfassenden Infrastruktur mit sichbringen.
Zur Definition von Events gehörenauch hohe Teilnehmerzahlen, hohe In-vestitions- und Veranstaltungskosten,ein großer Organisationsaufwand undeine überlokale Öffentlichkeitswirksam-keit. Diese Merkmale können quantita-
tiv festgelegt werden, wobei es für dieAbgrenzung sehr unterschiedliche Wer-te gibt. Die Dauer einer kulturellenGroßveranstaltung kann zwischen weni-gen Stunden (z.B. Konzerte), mehrerenWochen (z.B. Reichstagsverhüllung inBerlin 1995, Oktoberfest in München)und sogar mehreren Monaten (z.B. Gar-tenschauen, Weltausstellung EXPO) va-riieren. Bei länger andauernden Veran-staltungen wie Festivals oder A The-menjahren finden häufig zusätzlicheEinzelevents statt.
Touristische Bedeutung für dieStädteKulturelle Großveranstaltungen habeneinen großen Einfluss auf den Tourismusin einer Stadt 5. Dies zeigt sich auchin der gestiegenen Zahl der inszeniertenEvents in den letzten Jahren sowie inder immer aufwendigeren und spektaku-läreren Durchführung. Mit Hilfe vonkulturellen Großveranstaltungen sollzunehmend ein eigenständiges Profilder Städte herausgestellt und ihr Imageaufgewertet werden. Die daraus folgen-de Attraktivitätssteigerung basiert u.a.auf Multiplikatoreffekten durch die Ver-anstaltung, auf Synergieeffekten bei derWerbung, der Förderung der Stadt- undRegionalentwicklung und dem Aufbauvon Kompetenzen. Hinzu kommt dieSchaffung von Infrastrukturen im Rah-men der Veranstaltung, die im Nach-hinein auch anderweitig genutzt werdenkönnen. Durch die Veranstaltung wer-den Anreize sowohl für private als auchfür öffentliche Investoren geschaffen,denn die Besucher stellen auch ein Po-tenzial für sämtliche andere Einrichtun-gen in einer Stadt dar.
Auch negative Effekte können durchGroßveranstaltungen verursacht wer-den. Im Bereich der Investitionen be-steht vor allem die Gefahr der Spekula-tion sowie der Schaffung von Überkapa-zitäten. Findet eine kulturelle Großver-anstaltung in regelmäßigen Abständenstatt, verstärkt sich dieser Effekt, daevtl. Kapazitäten für maximale Ausla-stungen geschaffen werden, die in denZeiten zwischen den Veranstaltungennur teilweise genutzt werden können.Weitere Belastungen entstehen auf-grund der begrenzten zeitlichen Dauereiner solchen Veranstaltung durch star-kes kurzfristiges Besucheraufkommen,z.B. Überlastung von Verkehrswegen,Grünflächen. Hinzu kommen möglichenegative ökologische Auswirkungendurch bauliche Maßnahmen, erhöhteVerkehrsdichte während der Veranstal-tung, hohes Abfallaufkommen undLärmbelästigung.
Insgesamt spielen kulturelle Großver-anstaltungen gerade für Städte eine be-sondere Rolle, da auf diese Weise dasKultur- und Freizeitangebot ausgeweitetund abwechslungsreicher gestaltet wer-den kann. Für einige Städte, die sich zugroßen Teilen über Veranstaltungen imMarkt des Städtetourismus definieren,wie z.B. Kassel (documenta) oder Bay-reuth (Festspiele), stellen diese zentraleImagefaktoren dar.?
5
1mm²=25000 Besucher^
München
Nürnberg
Konzert der 3 Tenöreca. 67000 Bes. 1998
Passionsfestspieleca.500000 Bes.alle 10 Jahre
Oberammergau
Christkindlesmarktca. 2,5 Mio. Bes.jährl.
Bayreuth
Tübingen
Speyer
Mannheim
Wagner-Festspieleca. 60000 Bes.jährl.
"Auguste Renoir -Retrospektive"ca. 420000 Bes.1996
"Der Zarenschatz der Romanow"ca. 316000 Bes. 1994"Leonardo da Vinci -Künstler,Erfinder u. Wissenschaftler"ca. 337000 Bes. 1995
"Körperwelten"ca. 750000Bes. 1997/98
"Rhein in Flammen"ca. 500 000Bes. jährl.
Bundesgartenschauca. 1,6 Mio. Bes.1997
Karl-May-Festspieleca. 250000 Bes. jährl.
documentaca. 630000 Bes.1997
Evangelischer Kirchentagca. 102000 Teiln. 1997
Reichstagsverhüllungca. 3 Mio. auswärtigeBes. 1995
Love-Paradeca. 1 Mio.Bes. jährl.
Musik-Festival ca.90000 Bes.
jährl.
Bonn
Lennestadt-Elspe
Gelsenkirchen
Kassel Leipzig
Schleswig-HolsteinKiel
SchwerinHamburg
PotsdamMagdeburg
DresdenErfurt
Stuttgart
Saarbrücken
Wiesbaden
Mainz
Düssel- dorf
Bremen
Hannover
Oktoberfestca. 6,6 Mio.Bes. jährl.
Berlin
Autor: E.Jagnow, H.Wachowiak
Ausgewählte kulturelle Großveranstaltungen1994-1998
© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000
6
Rüdesheim a.Rh. – Kleinstadt mit hohem Besucheraufkommen