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1 Strategisches Management in Nonprofit-Organisationen: Grundlagen und das Bsp. des Deutschen Roten Kreuzes Prof. Dr. Günter Roth www.sozial-politik-seminar.de 2 Übersicht Hintergrund u. Managementprobleme von NPO Was ist und wie geht strategisches Management? Begriffe, Funktion, Abläufe, Instrumente Strategisches Management am Bsp. des DRK 3 Managementprobleme von NPO Kaum operationale Ziele (soziale, politische u. kulturelle), Wertorientierung ‚Wir sind eine Familie‘ u. keine ‚normale‘ Org. (‚Mission‘) ‚Ideologie als Leistung‘ <-> Grenzen der Zweckrationalität <-|-> Gefahr ‚motivation crowding out‘ ‚Funktionaler Dilettantismus‘ (Seibel): NPO bearbeiten unlösbare soziale Probleme als ‚Placebo-Org.‘ Unklare Organisationsgrenzen (Ehrenamt, Mitglieder als Unterstützer/Kunden) Vielfalt von Anspruchsgruppen Demokratische / polit. Struktur Staatliche Einbindung u. Abhängigkeit Einfußinteressen vs. Mitgliederinteressen Institutionalisierung, Bürokratie, Oligarchie Defizite von Wettbewerb u. staatl. Kontrolle <-> Vertrauen/Ideologie Eingeschränkte Qualitätsbeurteilung <–>Dilettantismus/Bürokratie/Ethos ‚Third Party-Payment‘ bei staatl. Leistungsentgelten 4 Management u. Anspruchsgruppen Management Mitarbeiter Anteils - eigner Führungs - kräfte Mitarbeiter - vertretung Kunden Wett - bewerber Kooperations - partner Zulieferer Arbeitgeber - verbände Gewerk- schaften Politik Medien Mitglieder

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1

Strategisches Management inNonprofit-Organisationen:

Grundlagen und das Bsp. desDeutschen Roten Kreuzes

Prof. Dr. Günter Roth

www.sozial-politik-seminar.de

2

Übersicht Hintergrund u. Managementprobleme von NPO

Was ist und wie geht strategisches Management?

Begriffe, Funktion, Abläufe, Instrumente

Strategisches Management am Bsp. des DRK

3

Managementprobleme von NPO Kaum operationale Ziele (soziale, politische

u. kulturelle), Wertorientierung

‚Wir sind eine Familie‘ u. keine ‚normale‘Org. (‚Mission‘)

‚Ideologie als Leistung‘ <-> Grenzen derZweckrationalität <-|-> Gefahr ‚motivationcrowding out‘

‚Funktionaler Dilettantismus‘ (Seibel): NPObearbeiten unlösbare soziale Probleme als‚Placebo-Org.‘

Unklare Organisationsgrenzen (Ehrenamt,Mitglieder als Unterstützer/Kunden)

Vielfalt von Anspruchsgruppen

Demokratische / polit. Struktur

Staatliche Einbindung u. Abhängigkeit

Einfußinteressen vs. Mitgliederinteressen

Institutionalisierung, Bürokratie, Oligarchie

Defizite von Wettbewerb u. staatl. Kontrolle<-> Vertrauen/Ideologie

Eingeschränkte Qualitätsbeurteilung<–>Dilettantismus/Bürokratie/Ethos

‚Third Party-Payment‘ bei staatl.Leistungsentgelten

4

Management u. Anspruchsgruppen

Management

Mitarbeiter

Anteils -

eigner

Führungs -

kräfte

Mitarbeiter -

vertretung

Kunden

Wett-

bewerber

Kooperations -

partner

Zulieferer

Arbeitgeber -

verbände

Gewerk-

schaften Politik

Medien

Mitglieder

2

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Allg. Probleme der Managementpraxis Historische Eigendynamik u. strukturelle Beharrungskraft v. Systemen

Umweltbezug, Komplexität, Emergenz (unvorhersehbare neue Phänomene)

Reduktion von Komplexität u. Entscheidung unter Ungewissheit und Zeitdruck

Interdependenz, mangelnde Abgrenzung von Aufgaben u. Funktionen

Offene Zyklen, Nichtlinearität u. Fragmentierung der Arbeit

Dominanz verbaler Kommunikation

Mehr Fragen und Zuhören als Anweisen

Dezentralisation und Teambildung <-> ‚Selbstkontrolle /-mangement‘

6

Strategisches Management ‚strategos = griechisch für Heerführer

Traditionelles Verständnis:

Auswahl geeigneter Mittel zur Erreichung gegebener Ziele(Organisation als Maschine, Dominanz des operativen Management)

Modernes Verständnis:

Strategie zur Planung u. Auswahl von Zielen u. zur Umsetzung als politischerProzess in interner und externer Verflechtung

Bestandteile

Zielentwicklung

Analyse der Situation (intern / extern, Entwicklungen)

Planung von Maßnahmen, Implementierung, Kontrolle <-> Umsetzung in Struktur

7

Funktionen u. Probleme der Strategie Funktionen

Orientierung

Selektion

Motivation

Integration

Koordination

Reflexion

Kontrolle

Probleme

Routinen, Widerstand

Durchwursteln

Umgehen, ‚Kleinarbeitung‘

Mehrfacharbeit, Verzetteln

Zustimmung <-> Überzeugung

Intern <-> Extern

Macht / Missbrauch

persönl. Beziehungen / Motive

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Ablauf Strateg. Management Diskussion u. Klärung der Ziele

Ziele der Organisation <-> Ziele der Beteiligten

Strategische Analyse

Situation, Umfeld, Stärken/Schwächen, Chancen/Risiken, Markt

Strategieentwicklung

Alternativen: Expansion/Diversifikation, Rückzug, Kooperation, Marketing

Global- u. Detailplanung <-> Teilaufgaben u. Zuständigkeiten

Kurz-, Langfriststrategie

Implementation <-> Organisationsentwicklung

Evaluation (Controlling/Kennzahlen) u. Weiterentwicklung

3

9

Ziele Grundsätze, Charta, Leitbild, Mission <-> Problem der Fokussierung

Umsetzung in Leistungsziele, Ressourcenziele/Operative Ziele

Zustandsverbesserung v. Klienten, Spendeneinnahmen + x% in x Jahren

Berücksichtigung von Zielkonflikten

Finanz- / Sachziele, Demokratie/Effizienz, Freiheit/Gleichheit

Berücksichtigung divergenter Ziele von Interessengruppen

z.B. Leitung, Beschäftigte, aktive/passive Mitglieder, Sponsoren

z.B. professionelle Reorganisation bei Greanpeace <-> Mitgliederschwund

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Strategische Analyse Umwelt u. Rahmenbedingungen

ökon., rechtlich-politische, soziale, kulturelle und technische Umwelt

Zielgruppen, Feldstrukturen, Organisationsmodelle, Finanzierung,Marktanalyse, Wettbewerb

Markt- und Konkurrenzposition (Marktanteil, Wert von ‚Marken‘)

Chancen, Risiken und kritische Erfolgsfaktoren

Interne Analyse (vergleichend)

Stärken und Schwächen sowie Erfolgsfaktoren (vgl. kritisch: Kieser)

finanzielle, organisatorische, physische, technol. Ress. u. Personal

Konsistenztest: Vergleich von externen und internen Bedingungen

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Strategische Analysemethoden Klassische empirische Methoden u. statistische Analysen

Korrelation, Regression, Faktorenanalyse, Extrapolation / Szenarien ...

Portfolio-Methode

Annahme: Gewinne <-> Marktwachstum und relative Marktposition

Optimierung / Balance von:

Chancen/Risiken (Marktwachstum) und Stärken/Schwächen (Marktanteil)

Je höher die Chancen sind, desto höher sind auch die Risiken

Je größer die eigenen Stärken sind, desto eher können Positionen genutztund ausgebaut werden

Anwendbar auf NPO?

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Portfolio-Analyse

Quelle: Dunst 1979, n. Staehle 1999: 647

4

13

Analyse u.Profile vonStärken u.Schwächen

Quelle: Hinterhuber1984, n. Staehle 1999:632

14

Strategische Positionierung

Quelle: Horak et al. 2002: 213

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Fragen an strategische Analysen Ist eine klare Strategie erkennbar und explizit?

Werden Marktbedingungen / Möglichkeiten berücksichtigt?

Ist die Strategie konsistent mit den aktuellen u. zukünftigenRessourcen der Organisation?

Sind die Teilstrategien und Politiken untereinander konsistent?

Entspricht die Strategie dem Wertsystem der Organisation?

Entspricht die Strategie den Anforderungen der Stakeholder

Entspricht die Strategie der gesellschaftlichen Verantwortung?

Stellt die Strategie einen deutlichen Anreiz zur Mitarbeit aller dar?

Gibt es Frühindikatoren über den Erfolg der Strategie?

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Strategien: Umsetzung und Kontrolle Jährliche Strategieklausuren der Leitungen <-> hohe Anforderungen an

Partizipation u. Transparenz bei NPO

Entwicklung von Maßnahmen-, Aufgaben- und Zeitplänen (lang-, mittel-,kurzfristig) mit Zuständigkeiten

Vermittlung und Verankerung der Strategien in der Organisationskulturund im Arbeitsalltag

‚Structure follows Strategy‘ (Chandler)

Berücksichtigung v. Organisationspolitik (Machtspiele, Stakeholder)

Entwicklung und Anwendung von Kennzahlensystemen u. Controlling

Management by Exception, Balanced Scorecard ...

Überprüfung der Zielerreichung und Modifikation von Strategien

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Strateg. Management: Bsp. DRK „The mission of the International Federation of Red Cross

and Red Crescent Societies is to improve the situation of themost vulnerable people“

„Wir vom Roten Kreuz sind Teil einer weltweitenGemeinschaft von Menschen in der Internationalen Rotkreuz-und Rothalbmondbewegung, die Opfern von Konflikten undKatastrophen sowie anderen hilfebedürftigen Menschenunterschiedslos Hilfe gewährt, allein nach dem Maß ihrer Not.

Im Zeichen der Menschlichkeit setzen wir uns für das Leben,die Gesundheit, das Wohlergehen, den Schutz, das friedlicheZusammenleben und die Würde aller Menschen ein.“ (DRK2004)

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Grundsätze des RK1. Menschlichkeit – wir dienen Menschen, keinem System.

2. Unparteilichkeit – wir versorgen Opfer und Täter.

3. Neutralität – wir ergreifen die Initiative aber niemals Partei.

4. Unabhängigkeit – wir gehorchen der Not, nicht dem König.

5. Freiwilligkeit – wir arbeiten rund um die Uhr, aber nie in die eigene Tasche.

6. Einheit – wir haben viele Talente aber nur eine Idee.

7. Universalität – wir achten Nationen aber keine Grenzen.

20

Bekanntheit von Wohlfahrtsverbänden in D

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21

Einstellungen der Bev. bzgl. DRK

22

Kritik am DRK

23

Die Unterstützer des DRK ca. 11 Mio. allg. Unterstützer

3 Mio. Geldspender

3,5 Mio. Blutspender

ca. 400 Tsd. Ehrenamtliche mit 30 Mio. Std.

im Mittel ca. 75 Std. / Jahr / Person

ca. 4,5 Mio. Mitglieder

ca. 300 Tsd. aktive Mitglieder

jeweils Mio. Std.

ca. 85 Tsd. hauptberufliche MA(davon 45 Tsd. i.d. Altenhilfe)

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Erwartungen u. Verwirklichung im Ehrenamt I

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001:

113

7

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Organisation des DRK

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Aufgaben / ‘Marktanteile’ des DRK Das DRK ist auf ca. 180 Aufgabenfelder aktiv, Ø ca. 35 / Kreisverband

Leistungsanteile oder ‚Marktanteile‘

100 % der Suchdienstaufgaben

99 % der Bergrettungsdienste

80 % der Blutversorgung

65 % der Erste-Hilfe-Ausbildung

55 % der Rettungsdienste

40 % der Fahrdienste für Behinderte

40 % der Mobilen Sozialen Dienste

35 % der Wasserrettungsdienste

20 % der Flüchtlingsbetreuung

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Ausgaben des DRK (2003)

Alle Angabenin Millionen Euro

Aufwendungenges.

geschätzt4,3 Milliarden Euro

28

Einnahmen des DRK (2003)Finanzierung ges.

geschätzt4,3 Milliarden Euro

Alle Angabenin Millionen Euro

400 Millionen Euro private Zuwendungensetzen sich zusammen aus:

MitgliedsbeiträgenFreien u. zweckgebundenen GeldspendenLotterien, Sachspenden etc.Bundesweiten SpendenbriefaktionenHaus- und Straßensammlungen

8

29

Einige Probleme des DRK Ca. 30-50% der Gliederungen sind in der Krise (Liquidität, Erfolg oder

strategisch)

Unwirtschaftlichkeit u. Schwächen im operativen Management beiehrenamtlicher Führung (oft überaltert)

Qualitätsmängel u. sinkende Marktanteile

Krise, Abkopplung u. Marginalisierung des Ehrenamtes

Fehlende Strategien u. Profilbildung (180 Aufgabenfelder, regionaleDisparität)

Dezentralität, Koordinationsmängel, interne Konkurrenz

Jahrelange Strategiediskussion, diverse Konzepte, geringe Umsetzung

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DRK ‘Zukunftsprogramm’

arbeitet seit Januar1995 schwerpunktmäßigan folgenden Aufgaben:SelbstverständnisFührungsverhaltenStrategische PlanungÖffentlichkeitsarbeitErscheinungsbild

31

Aufgabenportfolio DRK bisher

Quelle: DRK, Strategieprozess 2010 plus

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Künftig avisierte “Geschäftsfelder” DRK

Quelle: DRK, Strategieprozess 2010 plus

Ist-Position

Soll-Position

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Operationalisierung ‘ideelle Bedeutung’ lt. DRK

Im Aufgabenfeld können viele Ehrenamtliche tätig werden.

Gemessen nach der Anzahl der in diesem Feld aktiven Ehrenamtlichen

Im Aufgabenfeld kann viel geholfen werden.

Gemessen an der Zahl der Menschen, denen geholfen wird.

Das Maß der Not bei besonders hilfebedürftigen Menschen

Existenzbedrohung

Keiner hilft sonst

Mandat durch die RK/RH-Bewegung

Aufgabe dient der Prävention

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Stimmungsbild DRK-Strategiekonferenz 2004Strategiekonfe renz Berlin23. / 24. Juni 2004

Organisati onsbe ratung DRK PR Strat.Ko nf. 04-06-24.ppt 47

Stimmungsbild zum Abschluss des ersten Konferenztages

Thesen zum Einstieg in den zweiten Konferenztag:• Der Umfang der Resignation ist für einen oberen Führungskreis ungewöhnlich hoch.

• Das kann man sich nur dadurch erklären, dass die Kommunikations- undEntscheidungswege von oben nach unten, von unten nach oben und auch querungenügend funktionieren und zentrale Priorisierungen nicht angemessenberücksichtige (selbst vier Jahre nach ihrem Entstehen ist es z.B. für dieUntergliederungen „nicht nötig“ die Strategie „des Ganzen“ – die Strategie 2010 derFöderation - zu kennen).

• Man kennt diese Situation als hervorstechendes Merkmal „reicher Organisationen“: aufder lokalen Ebene kann jeder machen was er will, Konflikte werden „additiv“ gelöstund es gibt keine Streitkultur um den richtigen Weg, weil niemand sich über Prioritätenstreiten mag oder muß.

• Für eine Organisation, die nicht wirklich reich ist, kommt an dieser Stelle Führung insSpiel. Will die Organisation ihr Profil halten und in schwieriger Umwelt bestehen,braucht sie Führungskräfte die „nein“ sagen und schwierige (Prioritäts-)Entscheidungen durchhalten können.

• Man neigt gerne dazu, das Problem den Führungskräften persönlich anzulasten(mangelnde Führungskompetenz). Wir glauben, das ist nur die halbe Wahrheit: Es mussauch Strukturen geben, die es erlauben, dass man schwierige Entscheidungendurchhalten kann und es muss Instrumente geben, die transparente Information über dieKernfragen der Organisation ermöglichen - oder erzwingen.

• An den Formen von Führung und Entscheidung – so scheint uns – muss dieser Verbandvordringlich arbeiten.

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Literatur Deutsches Rotes Kreuz (div. downloads s. www.drk.de) und: International Committee

of the Red Cross http://www.icrc.org/

Gmür, M. (1999): Strategisches Management für Nonprofit-Organisationen(Arbeitspapier Lehrstuhl für Management, Fak. für Verwaltungswiss. Univ. Konstanz).

Horak, Ch./Matul, Ch./Scheuch, F. (2002): Ziele und Strategien von NPOs, in: Badelt,Ch. (Hg.), Handbuch der Nonprofit Organisation, Stuttgart, Schaeffer-Poeschel, S. 197-224.

Maelicke, Arnold, U./Maelicke, B. (Hg.) (2003): Lehrbuch der Sozialwirtschaft, Baden-Baden.

Staehle, Wolfgang H./Conrad, Peter/Sydow, Jörg (Hg.) (1999): Management (8. Aufl.),München, Vahlen.

Theuvsen, L. (2001): Stakeholder-Management - Möglichkeiten des Umgangs mitAnspruchsgruppen, Münsteraner Diskussionspapier zum Nonprofit-Sektor Nr. 16,Institut für Politikwissenschaft Univ. Münster.