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MAGAZIN 6. August 2017 20 Mode 21 Badis herausgefunden, dass viele männliche Jugendliche Angst da- vor haben, eine Erektion werde bei ihnen sichtbar. Das erklärt, warum viele unter der Badehose als eine Art Keuschheitsgürtel zusätzlich eine normale Unterhose tragen. Das Zürcher Start-up Rookiro liefert deshalb mit den Badeshorts eine eng anliegende Hose in der Ästhetik von Unterwäsche mit. Der Schriftzug auf dem Gummiband ist leider längst nicht so cool wie der auf einem Calvin-Klein-Slip. Die Suche nach der perfekten Badehose ist für den Mann also noch längst nicht abgeschlossen. l E s sieht nicht gerade lässig aus, wenn sich Männer am Strand ständig zwischen die Beine fassen», sagt Vincent Stadelhofer (25), Mitgründer der an der Zürcher Goldküste beheimateten Marke Andrew & Cole Ocean Wear. Schuld sei «das Netz». In herkömmlichen Badehosen hält es die männlichen Genitalien zusammen und sorgt dafür, dass beim Sitzen nichts herausschaut. «Das Netz zwickt und kratzt», sagt Stadelhofer. «Vor allem, wenn man die Badehose den ganzen Tag trägt oder Sand hineingerät.» Der Jungunternehmer entwirft und verkauft mit seinem Geschäfts- partner Julian Schaffner (24) Badeshorts, die ohne Innenhosen auskommen, dafür mit einem elas- tischen Stoff gefüttert sind, wie er bei Bikini-Oberteilen zum Einsatz kommt. Produziert wird in China und bald in Italien. Die dickstoffigen Teile tragen sich angenehm befreiend, das Fut- ter schmälert den Spalt zwischen Hose und Oberschenkel. Man muss die Beine schon spreizen, bis es Die High-End-Badehose aus schnell trocknendem Polyamid wird von einem kleinen Familienbetrieb in Italien gefertigt. Sie ist absolut blickdicht, aber eben auch sehr kurz und figurbetont. Sicher nicht jedermanns Sache. Eng anliegende Teile tragen heu- te sowieso fast nur noch Sport- Schwimmer. Mit Prüderie hat das nichts zu tun – im Gegenteil. Klei- dungsstücke wirken oft sinnlicher, wenn sie noch etwas der Fantasie überlassen. Vorausgesetzt, man will in der Badi überhaupt sexy rüberkommen. «20 Minuten» hat bei einer Umfrage in Schweizer Wäis Kiani Style Writer Neulich abends, es war eine laue Som- mernacht, verabredete ich mich mit meinem alten Freund Phillip. Er ist die Sorte Freund, die man anrufen kann, wenn man kein Licht im Bad hat, eine neue Matratze braucht oder ohne Ben- zin stehen geblieben ist. Er ist stets zur Stelle, hilft gerne und will nichts da- für. Ein Traum, ich weiss. Wenn man so wie ich keinen Full-Service-Mann mehr in seinem Leben haben möchte, dann muss man sich mit Freelance- Hilfskräften aushelfen. Ich bin zwar Feministin seit Geburt, aber ich kann sehr viele Dinge nicht, wie zum Beispiel eine Matratze in den 4. Stock schleppen. Ich lud also Phillip zum Dinner ein, und als wir danach, satt und glücklich überlegten wohin, fiel mir ein, dass meine Schwester sich mit einer alten Freundin trifft, einem Ex-Model mit dem schönsten Gesicht, und ich dachte, das wäre was für Phil- lip, also fuhren wir zu den beiden in eine Bar. Sie sassen draussen auf der Strasse, es wurden Stühle geholt, und wir fingen sofort an über Sommerklei- der zu sprechen. Dann fragte ich, wie die neue Wohnung der Freundin sei, in der die Einbauküche fehlte, und wir sprachen sehr lange und ausführlich über Einbauküchen im Allgemeinen und Backöfen im Genauen. Sie erzählte von der tollen massange- fertigten Küche einer anderen Freundin, die wir alle kannten. Ich rühmte ihre Kochküns- te, weswegen sie auch so eine Küche verdient hätte, und etwas nei- disch ihr Talent, Esstische schön und perfekt zu decken, und jam- merte, weil ich das nicht draufhabe. Corinna fing dann von einer Hose an, die sie gerne kaufen wollte, aber nicht genau wusste, ob es die richtige sei. Ich beriet sie, riet ihr vom Kauf ab und hielt einen längeren Vortrag über das Ende der Skinny Jeans – und dass ich nicht verstehe, wie man Angst vor Schlaghosen haben kann, ich selbst trüge seit 2014 nichts anderes. Ich sah zwischendurch zu Phillip, und es war nicht zu übersehen, dass er sich unglaublich langweilte. Mädels, sagte ich, wir müssen uns zusammenreissen, andere Themen bitte. Phillip nickte. So cool, sagte ich, dass wir alle keine Kinder haben und jetzt nicht an überfüllten Stränden sit- zen müssen, und was ist eigentlich mit dir?, fragte ich das 38-jährige Model. «Ich habe meine Eier eingefroren!», rief sie laut. «23 Eier! Ha!» Dann erzählte sie in epischer Länge, wie sie zu diversen Gynäkologen ging, wie die Prozedur war und wie froh sie ist, das Geld investiert zu haben. Und immer wieder stolz: «23 Eier! Die anderen haben teilweise nur vier!» Wir nickten alle. Ausser Phillip. Und ich rief: Generation Tiefkühl-Eier! Und traute mich nicht, Phil- lip anzusehen. Wenn ich mich das nächste Mal für seine Hilfe revan- chieren will, sagt er sicher: Danke, ich habe schon gegessen. Mädels, sagte ich, wir müssen uns zusammen- reissen, andere Themen bitte. Phillip nickte. Zu Tisch mit der Generation Tiefkühl-Eier Wäis Kiani, Schriſtstellerin und Stil-Liebhaberin. Ihr letztes Buch «Die Susi-Krise» ist im Piper-Verlag erschienen. mehr zu sehen gibt, als einem recht ist. Ein Restrisiko bleibt. Eng und kurz sind auch nicht jedermanns Sache Anders bei den Modellen ohne Netz von Pater et Filius. Deren Schnitt orientiert sich an Unterhosen, dem Kerngeschäft dieser Slow-Fashion- Marke aus Bassersdorf ZH. De- signerin Nadia Tschammer-Osten hat, wie sie sagt, mehrere Jahre am Schnitt getüftelt. Zwei seitliche vom Gemächt verlaufende Nähte geben vorne «mittigen Halt», er- klärt sie, zwei Nähte unterhalb der Po-Backen betonen den Hintern. Das Netz in der Badehose macht Männern das Leben schwer. Drei Marken aus der Schweiz wollen helfen. Free Willi Andrew & Cole Ocean Wear: Die netzlosen Badeshorts aus Zollikon ZH gibt es ab 109 Franken im Webshop Andrew-cole.com Pater et Filius: Anliegende High- End-Swimwear vom Slow-Fashion-Label aus Bassersdorf ZH. Die netzlosen Modelle kosten 179 Franken. Erhältlich bei Paterfilius.com Rookiro: Der Surfer trägt das Modell Poseidon der Zürcher Marke, erhältlich für 129 Franken mit separater Innenhose (r.) im Webshop oder unter Limeme.ch JONAS DREYFUS Fotos: Rookiro/Georges Gurascier

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MAGAZIN6. August 2017 20 Mode 21

Badis herausgefunden, dass viele männliche Jugendliche Angst da-vor haben, eine Erektion werde bei ihnen sichtbar. Das erklärt, warum viele unter der Badehose als eine Art Keuschheitsgürtel zusätzlich eine normale Unterhose tragen.

Das Zürcher Start-up Rookiro liefert deshalb mit den Badeshorts eine eng anliegende Hose in der Ästhetik von Unterwäsche mit. Der Schriftzug auf dem Gummiband ist leider längst nicht so cool wie der auf einem Calvin-Klein-Slip.

Die Suche nach der perfekten Badehose ist für den Mann also noch längst nicht abgeschlossen. l

Es sieht nicht gerade lässig aus, wenn sich Männer am Strand ständig zwischen die Beine

fassen», sagt Vincent Stadelhofer (25), Mitgründer der an der Zürcher Goldküste beheimateten Marke Andrew & Cole Ocean Wear. Schuld sei «das Netz».

In herkömmlichen Badehosen hält es die männlichen Genitalien zusammen und sorgt dafür, dass beim Sitzen nichts herausschaut. «Das Netz zwickt und kratzt», sagt Stadelhofer. «Vor allem, wenn man die Badehose den ganzen Tag trägt oder Sand hineingerät.»

Der Jungunternehmer entwirft und verkauft mit seinem Geschäfts-partner Julian Schaffner (24) Badeshorts, die ohne Innenhosen auskommen, dafür mit einem elas-tischen Stoff gefüttert sind, wie er bei Bikini-Oberteilen zum Einsatz kommt. Produziert wird in China und bald in Italien.

Die dickstoffigen Teile tragen sich angenehm befreiend, das Fut-ter schmälert den Spalt zwischen Hose und Oberschenkel. Man muss die Beine schon spreizen, bis es

Die High-End-Badehose aus schnell trocknendem Polyamid wird von einem kleinen Familienbetrieb in Italien gefertigt. Sie ist absolut blickdicht, aber eben auch sehr kurz und figurbetont. Sicher nicht jedermanns Sache.

Eng anliegende Teile tragen heu-te sowieso fast nur noch Sport-Schwimmer. Mit Prüderie hat das nichts zu tun – im Gegenteil. Klei-dungsstücke wirken oft sinnlicher, wenn sie noch etwas der Fantasie überlassen. Vorausgesetzt, man will in der Badi überhaupt sexy rüberkommen. «20 Minuten» hat bei einer Umfrage in Schweizer

Wäis KianiStyle Writer

Neulich abends, es war eine laue Som-mernacht, verabredete ich mich mit meinem alten Freund Phillip. Er ist die Sorte Freund, die man anrufen kann, wenn man kein Licht im Bad hat, eine neue Matratze braucht oder ohne Ben-zin stehen geblieben ist. Er ist stets zur Stelle, hilft gerne und will nichts da-für. Ein Traum, ich weiss. Wenn man so wie ich keinen Full-Service-Mann mehr in seinem Leben haben möchte, dann muss man sich mit Freelance-Hilfskräften aushelfen.

Ich bin zwar Feministin seit Geburt, aber ich kann sehr viele Dinge nicht, wie zum Beispiel eine Matratze in den 4. Stock schleppen. Ich lud also Phillip zum Dinner ein, und als wir danach, satt und glücklich überlegten wohin, fiel mir ein, dass meine Schwester sich mit einer alten Freundin trifft, einem Ex-Model mit dem schönsten Gesicht, und ich dachte, das wäre was für Phil-lip, also fuhren wir zu den beiden in eine Bar. Sie sassen draussen auf der Strasse, es wurden Stühle geholt, und wir fingen sofort an über Sommerklei-der zu sprechen. Dann fragte ich, wie die neue Wohnung der Freundin sei, in der die Einbauküche fehlte, und wir sprachen sehr lange und ausführlich über Einbauküchen im Allgemeinen und Backöfen im Genauen. Sie erzählte von der tollen massange-fertigten Küche einer anderen Freundin, die wir alle kannten. Ich rühmte ihre Kochküns-te, weswegen sie auch so eine Küche verdient hätte, und etwas nei-disch ihr Talent, Esstische schön und perfekt zu decken, und jam-merte, weil ich das nicht draufhabe.

Corinna fing dann von einer Hose an, die sie gerne kaufen wollte, aber nicht

genau wusste, ob es die richtige sei. Ich beriet sie, riet ihr vom Kauf ab und hielt einen längeren Vortrag über das Ende der Skinny Jeans – und dass ich nicht verstehe, wie man Angst vor Schlaghosen haben kann, ich selbst trüge seit 2014 nichts anderes.

Ich sah zwischendurch zu Phillip, und es war nicht zu übersehen, dass er sich unglaublich langweilte.

Mädels, sagte ich, wir müssen uns zusammenreissen, andere Themen bitte. Phillip nickte. So cool, sagte ich, dass wir alle keine Kinder haben und jetzt nicht an überfüllten Stränden sit-zen müssen, und was ist eigentlich mit dir?, fragte ich das 38-jährige Model. «Ich habe meine Eier eingefroren!», rief sie laut. «23 Eier! Ha!»

Dann erzählte sie in epischer Länge, wie sie zu diversen Gynäkologen ging,

wie die Prozedur war und wie froh sie ist, das Geld investiert zu haben. Und immer wieder stolz: «23 Eier! Die anderen haben teilweise nur vier!» Wir nickten alle. Ausser Phillip. Und ich rief: Generation Tiefkühl-Eier!

Und traute mich nicht, Phil-lip anzusehen. Wenn ich

mich das nächste Mal für seine Hilfe revan-chieren will, sagt er sicher: Danke, ich habe schon gegessen.

Mädels, sagte ich, wir müssen uns zusammen-reissen, andere Themen bitte. Phillip nickte.

Zu Tisch mit der Generation Tiefkühl-Eier

Wäis Kiani, Schriftstellerin und Stil-Liebhaberin. Ihr letztes

Buch «Die Susi-Krise» ist im Piper-Verlag erschienen.

mehr zu sehen gibt, als einem recht ist. Ein Restrisiko bleibt.

Eng und kurz sind auch nicht jedermanns SacheAnders bei den Modellen ohne Netz von Pater et Filius. Deren Schnitt orientiert sich an Unterhosen, dem Kerngeschäft dieser Slow-Fashion- Marke aus Bassersdorf ZH. De-signerin Nadia Tschammer-Osten hat, wie sie sagt, mehrere Jahre am Schnitt getüftelt. Zwei seitliche vom Gemächt verlaufende Nähte geben vorne «mittigen Halt», er-klärt sie, zwei Nähte unterhalb der Po-Backen betonen den Hintern.

Das Netz in der Badehose macht Männern das Leben

schwer. Drei Marken aus der Schweiz wollen helfen.

Free Willi

Andrew & Cole Ocean Wear: Die netzlosen

Badeshorts aus Zollikon ZH gibt

es ab 109 Franken im Webshop

Andrew-cole.com

Pater et Filius: Anliegende High-

End-Swimwear vom Slow-Fashion-Label aus Bassersdorf ZH.

Die netzlosen Modelle kosten

179 Franken. Erhältlich bei

Paterfilius.com

Rookiro: Der Surfer trägt

das Modell Poseidon der

Zürcher Marke, erhältlich für 129 Franken

mit separater Innenhose (r.) im Webshop oder unter Limeme.ch

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