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Flying Publisher the word brain Deutsche Ausgabe Nach der Lektüre des Word Brain können Sie entscheiden, dass Sie keine Zeit haben, eine neue Sprache zu lernen. Nie wieder jedoch werden Sie sagen, dass Sie kein Talent dafür haben. the short PDF of Bernd Sebastian Kamps

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Page 1: The Word Brain - Deutsche Kurzausgabe - GigaMartinique · 2010. 7. 3. · kein Analphabet ist, importiert die meisten Wörter über die Augen ins Hirn. Wortschätze sind nicht das

Flying Publisher

thewordbrain Deutsche Ausgabe

Nach der Lektüre des Word Brain können Sie entscheiden, dass Sie

keine Zeit haben, eine neue Sprache zu lernen. Nie wieder

jedoch werden Sie sagen, dass Sie kein Talent dafür haben.

the short PDF of

Bernd Sebastian Kamps

Page 2: The Word Brain - Deutsche Kurzausgabe - GigaMartinique · 2010. 7. 3. · kein Analphabet ist, importiert die meisten Wörter über die Augen ins Hirn. Wortschätze sind nicht das

The Word Brainskizziert, was zu tun ist, um andere Sprachen zu verstehenund zu sprechen. Als Buch für Erwachsene formuliert TheWord Brain die folgenden Ziele:• Essays und Pressepublikationen zu lesen• Fernsehnachrichten und Dokumentarfilme zu verstehen• die korrekte Rechtschreibung zu sehen von dem, was

man hört• Alltagsgespräche zu verstehen

Wie lange dauert es, diese Fähigkeiten zu entwickeln? Wieviele Wörter müssen wir lernen? Sind Fremdsprachenerreichbar für alle? Und schließlich: Gibt es Lehrer, die maneher meiden sollte? Wer Sprachen lernt, stellt diese undandere Fragen. Das Word Brain beantwortet sie.

Vollständige Ausgabe – AudiobuchDie PDF-Dokumente aller Word-Brain-Ausgaben, unteranderem die 76-seitige englisch-sprachige Originalausgabe,sind unter www.TheWordBrain.com frei zugänglich.

Alle Word-Brain-Ausgaben werden als Audiobucherscheinen: http://www.TheWordBrain.com/mp3.php.

Der AutorBernd Sebastian Kamps (BSK, BSK1.com) ist Leiter dermedizinischen Amedeo-Webseite (Amedeo.com) undGründer von Flying Publisher (FlyingPublisher.com); Autorund Herausgeber von „Free Medical Information:Doctor=Publisher“ (2005) und Influenza Report (2006);Verleger von Hepatology – A clinical textbook (2010,HepatologyTextbook.com).

Die wichtigsten BSK-Projekte1983 Mollis & Müslis (Französisch, Italienisch, Spanisch, Englisch, Sardisch)1991 Zwischen den Hügeln der Venus und den Lenden Adonis‘ (Französisch, Italienisch)1994 Decamore1998 Amedeo2000 Free Medical Journals2002 FreeBooks4Doctors2003 SARS Reference2005 Free Medical Information2006 Influenza Report2006 Amedeo Challenge2009 Multidisciplinary Journal Club2010 Hepatology Textbook2010 The Word Coach (www.TheWordBrain.com/WordCoach)2010 The Word Brain

Der GraphikerDie Graphikarbeiten für Flying Publisher werden seit mehrals 10 Jahren von Attilio Baghino entworfen: www.A4W.it.

© 2010 Flying Publisher & KampsBeyenburg, Cagliari, ParisISBN-13: 978-3-924774-75-2

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1Wörter

Übersicht

1.1. 5.000–15.000 Wörter1.2. 500–1.500 Stunden1.3. Tägliches Lernen, do-it-yourself1.4 Messbar und planbar1.5. Wörter: 60–80% des Gesamtaufwandes

Die Zahl der Wörter, die Ihnen vertraut sind, bestimmen IhreSprachfähigkeiten. Je mehr Wörter Sie kennen, desto bessersind Sie. In Zahlen ausgedrückt, liest sich diese Aussage wiefolgt:

15,000 > 10,000 > 5,000 > 2,000 > 1,000 > 500

Mehr als 50.000 deutsche Wörter kennen Sie. Um in eineranderen Sprache heimisch zu werden, brauchen Sie zunächstdie Hälfte, also 25.000. Da etwa 40% dieser Wörter Variantenanderer Wörter sind, müssen Sie rund 15.000 Wörter kennen.

Um zu verstehen, wie viele wirklich neue Wörter Sielernen müssen – also Wörter, die Sie nie zuvor gesehen habenund nicht von anderen Sprachen ableiten können – würde ichIhnen die folgenden Fragen stellen:• Haben Sie andere Sprachen gelernt?• Welches Niveau haben Sie in diesen Sprachen erreicht?• Welche Sprache möchten Sie nun lernen?

Tabelle 1.1: Verwandte Sprachen, Ähnlichkeiten

Englisch Deutsch Spanisch Italienisch Französisch Arabisch

house Haus casa casa maison ت بيbread Brot pan pane pain بز خwater Wasser agua acqua eau ماءmilk Milch leche latte lait ب حليmoon Mond luna luna lune ر قم

Ihre Antworten bestimmen Ihr Lernpensum. Beiverwandten Sprachen, wenn zum Beispiel Spanier Italienisch(Tabelle 1.1), stehen 5.000 wirklich neue Wörter auf demProgramm. Bei entfernten Sprachen – Europäer lernenArabisch – sind es 15.000. Da, konservativ geschätzt,Erwachsene 10 neue Wörter pro Stunde lernen, werden Siesich also auf 500 bis 1.500 Stunden Wortschatztrainingeinstellen. Je nachdem, wie viele Stunden Sie täglich arbeiten,sind Sie nach 6 Monaten bis 6 Jahren fertig (Tabelle 1.2).

Diese Zahlen haben Konsequenzen. Erstens istSprachenlernen tägliches Lernen. Dosierungen von zweiStunden pro Woche sind immer unzureichend. Wer wenigZeit hat – denken Sie an vielbeschäftigte Ärzte – oder esvorzieht, die freie Zeit der Biologie, Archäologie oder derNeurowissenschaft zu widmen, kann keine neue Sprachelernen. Zweitens ist Sprachenlernen in erster Linie ein Do-it-yourself-Job. Tausende von Wörtern sind derzeit außerhalbIhres Hirns und müssen ins Hirn hinein. Niemand außer Ihnenselbst kann diese Arbeit besorgen. Lehrer werden Ihnen nichthelfen.

Tabelle 1.2: Studienzeit (in Monaten)*

Wörter, die gelernt werden müssen

Stunden/Tag5,000 10,000 15,000

1 25 50 75

1.5 17 33 50

2 12 25 37

3 8 16 25

4 6 12 19

* Bei 5 Studientagen pro Woche; Zahlen sind gerundet

Abgesehen von diesen beiden Fällen – keine Zeit, keineLust – ist jeder, der seine eigene Sprache gelernt hat, dafürqualifiziert, weitere Sprachen zu lernen. Die genanntenZahlen sind eine exzellente Nachricht: Sprachenlernen istquantifizierbar und planbar. Es kommt noch besser: die 5.000bis 15.000 Wörter, die Sie lernen werden, werden sich späterals DER Kernbereich des Sprachenlernens herausstellen, derbis zu 80% der Gesamtstudienzeit ausmacht. Kapitel 7 zeigt,wie Sie die Wörter in Ihren Kopf bekommen.

Studienzeit nach Kapitel 1500 – 1,500 Stunden

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2Hören

Übersicht

2.1. Wörter aus Sprachbrei isolieren2.2. MP3-Files, 50–100 Runden2.3. Sport, Kochen und Fahrt zur Arbeit2.4. Deutsch-TV aus, TV in neuer Sprache ein

Haben Sie unlängst Menschen zugehört, die eine andereSprache sprechen? Wenn nicht, justieren Sie IhreSatellitenschüssel so lange, bis Sie Menschen finden, die sichin einer Ihnen unbekannten Sprache aufgeregt unterhalten.Hören Sie aufmerksam zu. Ihnen fällt auf, dass Sprache auseinem Potpourri aneinandergeketteter Laute besteht. EinzelnePotpourris dauern Sekunden, andere Minuten. Ihr Eindruck?Phonologischer Wackelpudding, Polenta, Brei (Abb. 2.1).

Abbildung 2.1 Wackelpudding.

Diese Breiigkeit persistiert meist auch nach langjährigemFremdsprachenunterricht. Zwar entziffern Sie eineRestaurantkarte, doch das Verstehen setzt aus, sobald Kellner,Taxifahrer oder Hotelangestellte den ersten Satz sprechen.Viele Menschen schließen daraus, dass sie kein Talent fürFremdsprachen haben.

Das Verstehen von gesprochener Sprache ist eine harteNuss. Es gilt, 1) den Redeschwall in einzelne Wörteraufzudröseln („Wo beginnt ein Wort? Wo hört es auf?“),2) diese Wörter mit Ihrem Hirn-Wortschatz abzugleichen und,3) dies alles zu tun, ohne viel darüber nachzudenken.

Es gibt nur einen Weg, diese Dreifach-Herausforderungzu meistern: Sich kontinuierlich der neuen Spracheauszusetzen. Glücklicherweise können schwatzendeMenschen mehr als 10.000 Wörter pro Stunde produzieren,aber dennoch: um halbwegs perfekte „Wort-Trenn- undErkennungsfähigkeiten“ zu entwickeln, werden Sie 1.000 bis2.000 Stunden konzentriert zuhören müssen.

Schule oder Sprachkurse reichen nicht. Entweder wandernSie aus oder lernen zu Hause mit Ohrhörern. Beginnen Siemit den MP3-Files Ihrer Sprachlehrbücher. Wie oft Sie sieanhören müssen? 50 Mal, 100 Mal, vielleicht öfter. Das gehtin die Zeit. Da sie die nicht haben, ist es sinnvoll, dieHörstunden in Ihrem Alltag zu „verstecken“. ZweiRatschläge:

1) Schalten Sie Musik aus und Sprach-CDs ein, zumBeispiel bei Sport, Kochen, Gartenarbeit und auf dem Wegzur Arbeit.

2) Ändern Sie Ihre Fernsehgewohnheiten. Das Fernsehenist es nur selten wert, dass man seine Zeit damit verliert. Alsoschalten Sie Ihre gewohnten Kanäle ab und stattdessen dieTV-Kanäle Ihrer neuen Sprache ein. Wer die Sprache derMedien und Wissenschaften lernen möchte, sieht Nachrichtenund Dokumentarsendungen, wer Alltagssprache vorzieht,sieht Seifenopern. Wichtig beim Fernsehen: Ohrhörereinstecken – Sie verstehen deutlich mehr.

Beginnen Sie mit dem TV-Training noch an dem Tag, andem Sie eine neue Sprache in Angriff nehmen. Setzen Sie alstägliche Mindestzeit 30 Minuten fest. Am Anfang werden Siekein Wort verstehen. Hören Sie trotzdem konzentriert zu. IhrHirn verarbeitet mehr als Sie sich vorstellen können.

Ein guter Rat zum Schluss: Beschränken Sie sich währendder ersten Monate aufs Zuhören. Sprechen Sie nicht, seien Sieeinfach still. Linguistisch gesehen sind Sie eine Jungfrau –belassen Sie es einfach dabei. Konzentrieren Sie sich darauf,den Klang der Wörter und der Sätze zu verinnerlichen. Einegute Aussprache gibt’s später als Dreingabe für geduldigesZuhören.

Studienzeit nach Kapitel 2600 to 1,600 Stunden

Das Training zur Spracherkennung, für das eigentlich 1.500 Stundenveranschlagt werden mussten, konnte weitgehend in den Alltag integriertwerden. 100 Stunden waren jedoch für die ersten Hörübungen mit denCDs Ihrer Sprachlehrbücher notwendig.

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3Lesen

Übersicht

3.1. Wort-Bilder3.2 Sprachlehrbücher: 10, 20 und 30 Runden3.3. Text Ihrer Wahl + Wörterbuch3.4 Wörter suchen, markieren und aufschreiben

Ei, Grßemotutr, frgtae Roekäpptchn, was hsat du für goßreHände? – Daß ich dcih besser paekcn knan. – AebrGtßtroeumr, was hsat du für enien etsnitezclh gerßon Mudn?– Daß ich dcih bsseer fsesren knna! Und mit eniem Stazsrpnag der Wlof aus dem Btet und verlanschg das amreRcokppäethn.

Wenn Deutsch Ihre Muttersprache ist, haben Sie diePassage aus Rotkäppchen erkannt. Wenn nicht, ist der letzteAbschnitt eine Herausforderung – bis auf die Anfangs- undEndbuchstaben wurden alle Buchstaben wahllosdurcheinandergewürfelt.

Wie ist es möglich, derart entstellte Prosa zu lesen? DieAntwort: Bildabgleich. Nach Jahrzehnten Lesepraxis hat IhrHirn Wort-Bilder von Zehntausenden von Wörterngespeichert. Wenn Sie einen Text lesen, buchstabieren Sie dieWörter nicht, Sie sehen sie, und geringe Verzerrungen störenkaum. Ein Buch zu lesen, ist wie Kino: Auf IhrerGehirnleinwand laufen die Wort-Bilder – 5 und mehr proSekunde – und schaffen bunte Bilder von Menschen, Dingenund Ereignissen. In einer einzigen Lesestunde fließen etwa20.000 Wörter in Ihr Hirn. Für Menschen mit gehobenerAusbildung ist Lesen die best-trainierte Fähigkeit, ganzgleich, welchen Beruf sie ausüben.

Neue Sprache, neue Wortbilder. Wie beim Zuhörenmüssen Sie wieder Grenzen erkennen. Nehmen Sie zumBeispiel das Wort Parachlorphenylalanin. FürNaturwissenschaftler ist die Aussprache des Wortes soeindeutig wie die von Liebe und Frieden. Andere Menschenhingegen fragen sich, wo einzelne Silben beginnen und wo sieaufhören.

Jede Sprache hat Tausende dieser komplizierten Wörter.Keine Sorge, es stehen nicht noch einmal 1.500 Lernstundenauf dem Programm. Erinnern Sie sich an Kapitel 1, wo Sieerfahren haben, dass Sie 5.000 bis 15.000 Wörter lernenmüssen. Um eine solche Menge zu absorbieren, sindzahlreiche Wiederholungen notwendig – genug, um all dieWort-Bilder zu schaffen, die Sie später für schnelles Lesenbenötigen. Eine Ausnahme: Sprachen, die nicht daslateinische Alphabet benutzen, zum Beispiel Arabisch oderChinesisch. In diesem Fall planen Sie bitte ein bis dreizusätzliche Studienjahre ein.

Beginnen Sie Ihre Leseübungen mit klassischenSprachlehrbüchern. Nur wenige dieser Bücher sindhervorragend – fragen Sie Ihre Lehrer um Rat. Stellen Sie injedem Fall sicher, dass Ihre Lehrbücher Wortlisten haben undeine CD mit den Lehrbuchtexten.(www.TheWordBrain.com/BookRecommendations.php).Lesen Sie die Kapitel, bis Ihnen die Wörter und Sätze vertrautsind, also 10, 20 oder 30 Mal. Immerhin: Lesen ist einfacherals Zuhören, denn Hochgeschwindigkeits-Verarbeitung vonmehreren Wörtern pro Sekunde ist nicht notwendig. BeimLesen haben Sie Zeit, können bei einigen Wörtern längerverweilen und zwischen Sätzen hin- und herspringen. Werkein Analphabet ist, importiert die meisten Wörter über dieAugen ins Hirn. Wortschätze sind nicht das Ergebnis vonSchwatzen, Plaudern, Tratschen oder Palavern, sondern vonregelmäßigem und langjährigem Lesen in der Schule, an derUniversität oder im Berufsleben.

Nach dem zweiten Sprachlehrbuch lesen Sie das, was Sieauch auf Deutsch lesen. Wenn Sie Philosoph sind, lesen SieBücher über Philosophie, sind Sie Wissenschaftler, lesen Siedie Wissenschaft. Sie brauchen nur ein gutes Wörterbuch. Eingutes Wörterbuch wiegt mindestens ein Kilo und hat mehr als1000 Seiten – es wird sich später als das wichtigste BuchIhres Sprachprojekts herausstellen. Nun nehmen Sie einenText und arbeiten ihn durch: neue Wörter unterstreichen,nachschlagen, in ein Heft oder Computerdokument schreibenund schließlich lernen (siehe auch Kapitel 7). Vergessen Sienicht, die Wörter in Ihrem Wörterbuch farbig zu markieren.Sie werden Wörterbücher zwar nicht auswendig lernen, docheines Tages könnte es hilfreich sein, das zu wiederholen, wasSie eigentlich wissen sollten.

Studienzeit nach Kapitel 3700 – 1,700 Stunden

Wegen des intensiven Wortstudiums aus Kapitel 1 und 7 sind keineExtrastunden angefallen, um Ihre Schnelllesefähigkeiten zu fördern. Wirhaben lediglich 100 Stunden notiert, in denen Sie sich mit IhrenSprachlehrbüchern vertraut gemacht haben.

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4Lehrer

Übersicht

4.1. Vermeiden: langweilige und gelangweilte Lehrer4.2. Erkennen: Grammatikstrukturen4.3. Vereinfachen: das Coach-Modell

Die letzten drei Kapitel – Wörter, Hören, Lesen – könntenden Eindruck vermitteln, dass man Sprachen ohne Lehrerlernen kann. In der Tat, auf den zeitintensivsten Baustellenwie Wörter lernen und Sprache verstehen haben Lehrer wenigzu suchen. Wörter allein machen aber keine Sprache. Siebrauchen Regeln, um sie gegebenenfalls zu verändern und inSätzen zu verketten. Grammatik ist die Summe dieser Regeln.Lehrer können helfen, die Regeln zu lernen.

Gute Lehrer zu finden, kann ein Alptraum sein. Wenn Sieeinen Englisch-Sprachkurs in London oder einen Französisch-Sprachkurs in Paris buchen, stehen die Chancen gut, dass Sieauf Lehrer treffen, die nur eine einzige Sprache sprechen –ihre Muttersprache – und nie den mühsamen Weg gegangensind, selbst eine andere Sprache zu lernen. Sofort kommenIhnen einige Fragen in den Sinn: Wissen diese Lehrer, was esheißt, 5.000 bis 15.000 Wörter zu lernen? Wissen sie, wie essich anfühlt, jeden Tag 20 bis 50 neue Wörter ins Hirn zunageln? Haben sie eine nur vage Vorstellung davon, wieanspruchsvoll es ist, gesprochene Sprache in Echtzeit zudekodieren? Mit anderen Worten: Was verstehen diese Lehrerüberhaupt vom Erlernen einer Sprache?

Daher gilt: Sorgen Sie dafür, dass Ihre Lehrer in jedemFall mehrsprachig sind! Und: Vermeiden Sie Langeweiler.Gelangweilte Lehrer sind Gift für Ihre kostbare Motivation.

Traditionellerweise trainierten Lehrer sechsKernkompetenzen: Wortschatz, Verständnis der gesprochenenSprache, Sprechen, Lesen, Schreiben und Grammatik.Kapitel 1 zeigte, dass Wortschatztraining ein Do-it-yourself-Job ist. Das gleiche gilt für das Verständnis der gesprochenenSprache – CDs, Audiobücher und Satellitenfernsehen habenLehrer als exklusive Sprachquelle ersetzt. Die Bedeutung derLehrer für die Aufgaben 3 bis 5 – Sprechen, Lesen, Schreiben– ist ebenfalls beschränkt. Schreiben bekommen Sie alsBonus für’s Lesen, Lesen als Bonus für’s Worttraining und,wie wir später sehen werden, eine gute Aussprache als Bonusfür’s intensive Zuhören über Hunderte und Tausende vonStunden.

Die Grammatik ist daher der einzige Bereich, in demSprachlehrer eine gewisse Rolle spielen. Glücklicherweise istGrammatik ein begrenzter Pool von etwa 30 Problemen, dieSie lösen müssen. Wenn Sie den Vorgaben der ersten beidenKapitel gefolgt sind – 1. jeden Tag mindestens 20 neue

Wörter lernen; 2. jeden Tag mindestens eine Stunde MP3,Radio oder TV hören – dann würde ich Sie nun bitten, sich soschnell wie möglich eine Übersicht über die Grammatik zuverschaffen. Das Ziel: die wichtigsten Grammatik-Phänomenezu erkennen. Erkennen ist 10 Mal weniger aufwendig, alsGrammatik zu produzieren. Achten Sie lediglich darauf, dassSie Ihren Grammatikunterricht auf Deutsch erhalten. LehnenSie alle „Monoglott“-Angebote ab, bei denen zum Beispieldie spanische Grammatik von einem spanischen Lehrer erklärtwird, der selbst nur Spanisch spricht. Machen Sie es sichnicht kompliziert. Auf Deutsch verstehen Sie neue Dinge ambesten. Grammatikunterricht in einer anderen Sprache alsDeutsch ist Unfug.

Die beste Rolle für Sprachlehrer ist vermutlich die einesCoachs. Je nachdem welche Sprachen Sie gelernt haben, wirdIhr Sprachcoach Ihnen einen individuellen Lern- und Zeitplanzusammenstellen; Ihnen Sprachlehrbücher, Podcasts,Audiobücher und TV-Quellen nennen; Ihnen die ersteGrammatikübersicht geben; Ihnen erklären, wie Sie Ihrtägliches Wortpensum erfüllen; Ihnen zeigen, wie Siekontrollieren, dass gelernte Wörter im Langzeitgedächtnisangekommen sind; und Ihnen die Tücken der Aussprachedemonstrieren. Während der ersten Wochen sollten Sie IhrenCoach täglich oder zumindest drei Mal pro Woche sehen.Danach reichen wöchentliche und – ab dem dritten odervierten Monat – monatliche Treffen. Prüfen Sie während IhresKurses die Motivationsfähigkeit Ihres Coachs. Wenn Sie denEindruck bekommen, dass er Sie nicht ausreichend fördertoder, schlimmer noch, Ihnen das Gefühl vermittelt, dass Sieein Esel sind, feuern Sie ihn.

Studienzeit nach Kapitel 4800 – 1,800 Stunden

Für die ersten Grammatikrunden haben wir 100 Stunden veranschlagt.

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5Sprechen

Übersicht

5.1. Sprechen < Hören5.2 Aktiv < Passiv5.3. Echolalie + Papagei

Der Tag, an dem Sie die ersten Wörter in Ihrer neuen Sprachesprechen, ist nicht immer ein glücklicher Tag. Die meistenSprachen haben ungewohnte Laute, und diese exaktwiederzugeben braucht Zeit, mitunter Jahre. Haben Sie ineinem Wort gar mehrere neue Laute, geht dieWahrscheinlichkeit, es richtig zu machen, gegen Null, zumBeispiel in der Ein-Sekunden-Sequenz ير باح الخ – صArabisch für Guten Morgen (sprechen Sie: SabaH el-khair).In einer einzigen Sekunde müssen Deutsche zwei unvertrauteLaute produzieren, Franzosen, Engländer und Italiener gardrei. Sie haben keine Chance.

Von Anfang an hat das Verständnis von Sprache einenVorsprung vor dem Sprechen. Als Sie als Kind die erstenkaum verständlichen Wörter stotterten, hatten Sie bereitseinen passiven Wortschatz von mehreren Hundert Wörtern.Dieser Unterschied zwischen Sprachverständnis undSprachproduktion besteht ein Leben lang. Die meistenMenschen verstehen Thomas Mann, Hemingway oderVoltaire, doch nur wenige können Vergleichbaresproduzieren.

Einer der Gründe für diese Diskrepanz ist ungleicheÜbung. Sofern sie nicht hoffnungslos logorrhoeisch sind, istZuhören der Standardmodus Ihres Hirn. In vielen Situationen,zum Beispiel in der Schule, an der Universität oder inArbeitsgruppen, hören Sie anderen Menschen stundenlang zu,während Sie selbst kaum mehr als ein paar Sätze sagen. Ananderen Orten, zum Beispiel vor dem Fernseher, brauchen Sieüberhaupt nicht zu sprechen.

Der zweite Grund ist die Vielfältigkeit. Die Wörter, die inIhr Hirn eingespeist werden, sind abwechslungsreicher als dieWörter, die aus Ihrem Hirn herauskommen. Sie haben imWesentlichen nur ein Leben zu erzählen – Ihr eigenes –während Ihre Mitmenschen Hunderte verschiedener Leben anverschiedenen Orten und unter verschiedenen Umständenerzählen. Sie kennen Menschen aus verschiedenen Berufen,Städten, Altersgruppen etc. Was Sie von der Welt wissen istmehr als das, was Sie darüber sagen können.

Im Kapitel Hören empfahl ich Ihnen, einige Monate zuschweigen. Ich versprach Ihnen, dass Ihre Aussprache aufdiese Weise runder und weicher würde. Nun ist die Zeitgekommen, ins Licht zu treten. Wenn Sie im Ausland sind,bietet Ihnen jeder Tag Hunderte von Gelegenheiten, mit

Freunden oder Fremden zu sprechen. Sind Sie hingegen zuHause, hören Sie Ihre Lieblings-Sprach-CDs und sprechen dieIhnen nun vertrauten Wörter und Sätze nach. Imitieren Sie dieLaute, vor allem die Länge der Vokale und die Satzmelodie.Später sprechen Sie die Sätze in Echtzeit nach, zeitversetztum eine oder zwei Sekunden. Sie werden staunen, was baldaus Ihrem Mund herauskommt.

Gehen Sie nun einen Schritt weiter: Üben Sie das gleicheVorgehen – zuhören und nachsprechen nach einemSekundenintervall – mit Audiobüchern, Podcasts oderFernsehen. Verzweifeln Sie nicht, wenn Sie den Sätzenhinterherhecheln, denn die Sprache des wirklichen Lebens isterstaunlich schnell – auch auf Deutsch, nur merken Sie es danicht. Zunächst werden Sie nur Satzfragmente reproduzieren.Geben Sie nicht auf. Mit der Zeit werden die Fragmentelänger.

Ist es Ihnen aufgefallen? Ich riet Ihnen, die Sätze vonLehrbüchern, Radio und TV zu wiederholen. Mit anderenWorten: Übersetzen Sie nicht! Für Sprachnovizen sindÜbersetzungen Minenfelder, sie machen Fehler undgewöhnen sich daran. Es ist daher vorteilhafter, Wörter undSätze zu sagen, die Sie bereits von anderen Menschen gehörthaben. Da Sie noch am Anfang Ihres Sprachprojekts sind,dürfen Sie das. Seien Sie einfach Papagei!

Sprechen Sie langsam und deutlich. Mit der Zeit wird Ihrfremdländischer Akzent weicher, auch wenn Sie ihn nievollends ablegen. Keine Sorge: Niemand wird es wagen, Siezu tadeln, wenn Sie die richtigen Wörter in solide Grammatikpacken. Bei fließender Sprache ist ein Akzent nichthinderlich, im Gegenteil. In der heutigen Welt, vor allem inZeiten des Friedens, kann ein Akzent ausgesprochen charmantsein.

Studienzeit nach Kapitel 5850 – 1,850 Stunden

Intensives Hörtraining mit CDs und/oder TV (siehe Kapitel 2) hat Siebestens auf’s Sprechen vorbereitet. Für die initialen Sprechübungenreichen daher 50 Stunden.

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6Gedächtnis

Übersicht

6.1. Wortnetze und Synapsen6.2 Lernintervalle und Lernkurve6.3. Katastrophen und Internet6.4. Hirndoping6.5 Schneller als Kinder

Innerhalb eines Sekundenbruchteils erkennt Ihr Hirn beliebigeWortkonstellationen aus dem Gesamtpool der mehr als 50.000Wörter, die Sie kennen. Jedes einzelne Wort ist mitzahlreichen anderen Wörtern vernetzt und schwimmt in einemMeer von Bedeutung, Erinnerungen und Gefühlen. Sobald Siemorgens aufwachen, gehen alle Wörter in den Stand-by-Modus und warten darauf, ins Bewusstsein zu springen.Dieses Netzwerk von Wörtern ist über Jahrzehnte gewachsen.Es ist der größte Aktivposten in Ihrem Leben.

Verwaltet werden die Wortnetze von 10–100 (1011)Milliarden Neuronen, die über 1000 Billionen (1015)Synapsen verbunden sind. Während Neuronen langlebig sind,sind Synapsen wandelbar. Neue Synapsen entstehen, anderewerden abgebaut, wieder andere ändern ihre Leitfähigkeit.

Abbildung 6.1 Synapsen. Ein Neuron mit Dendriten undzahlreichen Synapsen (orangefarbene Punkte).

Ein Word zu kennen bedeutet müheloses Erkennen,obwohl wir dem Wort wochenlang nicht begegnet sind. Seltenreicht eine einzige Begegnung, um ein neues Wort ins Hirn zubrennen. Die Regel ist, dass wir Wörtern 10 oder 20 Mal odernoch öfter begegnen müssen. Einer der Schlüssel zum Erfolg:zunehmend längere Intervalle zwischen den einzelnenLernrunden. Wenn Sie einem Wort zum ersten Mal an Tag 0

begegnen, wiederholen Sie es an Tag 1, 3, 6, 10, 17 und 31(Abb. 6.2). Die einzelnen Lernepisoden summieren sich aufdurchschnittlich 4 bis 6 Minuten pro Wort.

Wie Sie Wörter lernen, ist eine Frage der persönlichenNeigung. In jedem Fall sind Sie gut beraten, wenn Sie sich andem Netz Ihrer Zehntausenden Deutsch-Wörterentlanghangeln. Dann müssen Sie nur zwei weitereInformationen speichern: 1) wie man das Wort in der neuenSprache schreibt und 2) wie man es ausspricht. Alles andere –das Faktenwissen zu dem Wort und die Erinnerungen, diedamit verbunden sind – sind in Ihrem Hirn bereits verankert.In der Praxis bedeutet das, dass Sie zweispaltige Listenanlegen, die neue Sprache links, Deutsch rechts. Wortlistensind zwar nicht perfekt – deutsches Brot ist anders alsfranzösisches pain, es sieht anders aus, riecht anders undschmeckt besser – doch bei einem Lernprogramm von 5.000bis 15.000 Wörtern haben Sie keine Zeit für Subtilitäten. Diebestehenden Wortnetze in Ihrem Hirn sind eine einzigartigeHilfe, um neue Wörter zu lernen. Nutzen Sie sie. Sollte einLehrer Ihnen sagen, dass Sie Sprachen effizient ohneWortlisten lernen können, feuern Sie ihn.

Abbildung 6.2 Lernkurve (rot). Konstruiert ausabgeschnittenen Vergessenskurven. Dunkelblau: initialer Rückgang derErinnerungsrate; hellblau: Vergessenskurve ohne weitere Wiederholung;grün: 100%-Ergebnis nach neuer Lernrunde.

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* * *

Mit Tausenden von Wörtern in der Warteschleife werdenSie sich fragen, wie Sie Ihre Gedächtnisleistung verbessernkönnen. Ausreichend Schlaf ist sicher hilfreich, vielleichtauch körperliche Aktivität, auf jeden Fall junges Alter. Jejünger man ist, desto schneller fließen Sprachen ins Hirn.Wenn Sie unter 30 sind, tun Sie es jetzt. Nie wieder werdendie Bedingungen so günstig sein.

Meiden Sie Drogen und Alkohol in hoher Dosierung.Akute Alkohol-Intoxikationen („Blackout“) sind fatal fürfrische Gedächtnisspuren, chronische Alkoholabhängigkeitsowieso. Selbst Alkohol in Festtags-Dosierung, z. B. eineFlasche Wein, beeinträchtigt die Gedächtnisleistung in derNachrausch-Zeit.

Ablenkung ist ebenfalls fatal. Wenn Sie unmittelbar nacheinem Worttraining wiederholt einstellige Zahlen von einergrößeren Zahl abziehen, ist Ihr Erinnerungsvermögen für diezuletzt gelernten Wörter vermindert. Manche Lebenslagensind daher schlecht vereinbar mit robustem Lernen: der Todvon Verwandten oder Freunden, Krankheit undHypochondrie, Trennung oder Scheidung, Arbeitsplatzverlustund finanzielle Desaster.

Noch häufiger und daher gefährlicher sind jedochscheinbar harmlose Ablenkungen, zum Beispiel extensiveSurftouren im Internet. In „sozialen“ Netzwerken „aktiv“ zusein, SMS zu schreiben, an Nonsense-Ratespielenteilzunehmen, gleichzeitig Musik zu hören, Videos zuscreenen oder was immer sonst Sie sich vorstellen können –solch akrobatisches Multitasking ist starker Tobak für zarteBaby-Synapsen, die gerade erst wichtige Informationengespeichert haben. Machen Sie es bitte besser. EntspannenSie sich nach intensiven Lernphasen.

Manche Menschen versuchen, ihr Gedächtnis mitpsychostimulierenden Medikamenten aufzubessern. DieBefürworter dieser Substanzen verniedlichen diese Praxis als„Gedächtnis- und Wahrnehmungsfördernd“. Ich bevorzugeden angemesseneren Ausdruck des Hirndopings. Es gibtBestrebungen, Hirndoping gesellschaftsfähig zu machen. DerTatort: seriöse wissenschaftliche Zeitschriften. DieBegründung lautet etwa wie folgt: „Wir setzen Hirndoping-Medikamente bei Erwachsenen mit neuropsychiatrischenErkrankungen und schweren Gedächtnis- undKonzentrationsproblemen ein. Wir – Ärzte undpharmazeutische Industrie – würden diese Medikamente gernauch in einem größeren Rahmen einzusetzen, zum Beispielbei Kindern mit Hyperaktivitätssyndrom. Doch warumeigentlich nur die Hirnleistung anderer Menschen fördern undnicht auch unsere eigene? Trinken wir nicht schonitalienischen Espresso und koffein-haltige Softdrinks? Undüberhaupt: Was ist, wenn die Schulkamaraden Ihrer Kinderpsychostimulierende Drogen von ihren Eltern bekommen?Könnten Sie der Versuchung widerstehen, auch Ihren Kinderndiese Drogen zu geben?“

Ja, wir würden dieser Versuchung widerstehen! Wirbrauchen keine Visionen von Hirndoping, die „derGesellschaft nutzen oder unsere Arbeitsproduktivität

ausdehnen“. Auch sind wir nicht glücklich darüber, dass dieDiskussion über Hirndoping von Menschen gestaltet wird, diemöglicherweise befangen sind. WissenschaftlicheZeitschriften sollten die Autoren für Beiträge zu diesemThema sorgfältig aussuchen. Der potentielle Markt fürHirndoping-Medikamente ist immens – größer als der fürAntidiabetika, Antihypertensiva, Antipsychotika und andereanti-XXL-Medikamente zusammengenommen. Der Einsatz isthoch, die Versuchungen sind groß, und zu viele Ärzte undForscher sind käuflich.

Wenn Ihre Freunde der Versuchung nachgeben, ihr Hirnzu dopen, folgen Sie ihnen nicht, sondern erinnern Sie sich anNobelpreisträger Erich Kandel: „Intensives Lernen fördertIhre Gedächtnisleistungen ohne Zweifel am besten.“ AlleMedikamente haben Nebenwirkungen, erst recht, wenn Sieüber längere Zeiträume eingenommen werden. In einigenJahrzehnten wird sich herausstellen, dass der chronischeMissbrauch von Hirndoping-Drogen verheerendeAuswirkungen hat auf die Gehirne derer, die – imHirndoping-Jargon formuliert – „besser werden und sich anmehr Leistung und Erfolg erfreuen“ wollten.

* * *

Brauchen Erwachsene mehr Zeit als Kinder, um eine neueSprache zu lernen? Die Antwort ist: Nein. Die Leichtigkeit,mit der Kinder Sprachen lernen, ist eine Illusion. Wenn 18-jährige junge Erwachsene 30.000 bis 50.000 Wörter kennen,haben sie diese auf Waldspaziergängen gelernt, den Vögelnlauschend und dem Tanz der Schmetterlinge folgend? Nein,sie haben die Wörter in der Schule gelernt, 5 bis 8 Stundenam Tag, 9 Monate im Jahr, 12 Jahre hintereinander. Sichersind Fakten und Konzepte Eckpfeiler der Schul- undUniversitätsausbildung, doch Worttraining ist ein weitererEckpfeiler. Sie werden weder Arzt noch Philosoph nochIngenieur, ohne zuvor Tausende neuer Wörter zu lernen.Wörter gestalten Karrieren.

Junge Kinder sind Sprachmaschinen, weil sie Zeit haben.Die italienische Sprache ist erheiternd prägnant, wenn siediese Beobachtung mit „Non hanno un cazzo da fare!“umschreibt, was im Kern besagt, dass Kinder sich außerZuhören und Sprechen um wenige Dinge im Leben zu sorgenbrauchen. Wir Erwachsene brauchen uns nur die Zeit zunehmen – und schon haben die Kinder ihren Vorsprungverloren. Wir besitzen phänomenale Hirnnetze von Faktenund Erinnerungen. Wir sind in der Lage, täglich konzentriert6, 8 und mehr Stunden zu arbeiten, und sind erschreckendleistungsfähig, wenn wir es tun. Junge Kinder haben keineChance, mit uns zu konkurrieren. Beginnen Sie heute miteinem 4-Jahres-Programm für eine neue Sprache, und in 4Jahren erwarte ich von Ihnen, dass Ihre Sprachfähigkeitendenen eines 6-jährigen Kindes eindeutig überlegen sind.

Studienzeit nach Kapitel 6850 – 1,850 Stunden

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7Nageln

Übersicht

7.1. Nageln – täglich7.2. Lesen7.3 Wortschätze7.4. Wörterbuch

Da „Wörter lernen“ ein inadäquater Ausdruck ist für das, waswir nun tun – man hat so viel gelernt und, ach, so vielvergessen und kann sich gerade das beim Sprachenlernennicht erlauben! – werden wir künftig den griffigeren Begriff„Wörter nageln“ benutzen. Wenn Sie nur zum Spaß lernenund Ihr tägliches Lernpensum auf eine Stunde beschränken,vermeiden Sie Sprachen, bei denen die Wörter sich zu wahrenWortbergen auftürmen. Für Menschen aus Westeuropa sinddies zum Beispiel Türkisch, Arabisch, Chinesisch oder andereafrikanische und asiatische Sprachen. Wenn Sie eine Sprachean der Universität lernen und erst recht, wenn SieSprachlehrer werden möchten, liegen die Dinge natürlichanders. Nun dürfen Sie jede Sprache lernen, weil Ihr täglichesPensum mindestens 3 Stunden Nageln und zwei StundenHörtraining umfasst.

Legen Sie zunächst Ihr tägliches Nagelpensum fest. 20neue Wörter sind ein machbares und respektablesLangzeitziel. „Neu“ heißt, dass Sie die Bedeutung einesWortes nicht ableiten können. Für Deutsche wären jeopardy,zanahoria, oder sgabuzzino neu, democrazia, economy oderévolution wären es nicht.

Bei 400 neuen Wörtern pro Monat geht es zügig bergauf,Woche für Woche. Das Sammeln von Wörtern ist aus zweiGründen wichtig. Erstens müssen Sie die Wörter kennen, dieIhr Hirn Ihnen demnächst aus dem Redeschwall gesprochenerSprache „herausschneidet“ (siehe Kapitel 2, Hören). Zweitensmüssen Sie rasch die Fähigkeit erlangen, ganz verschiedeneTexte zu lesen, denn... lesen ist das denkbar besteSprachtraining! In einer einzigen Stunde kommen Sie mitbis zu 20.000 Wörtern in Kontakt. Für Wort-Hirne Paradispur!

Achten Sie darauf, dass jedes Wort insLangzeitgedächtnis gelangt. Entwickeln Sie ein System, umden Fortschritt zu überprüfen, zum Beispiel indem SieWortlisten regelmäßig wiederholen und „schwierige“ Wörterfür spätere Runden markieren. Eine Alternative sindKarteikarten, elektronische Worttrainer oder Webseiten wieder Word Coach. Mehr Information finden Sie auf der Seitewww.TheWordBrain.com/NailingSystems.php.

Typische Probleme des Nagelns sind Sättigung undWortverknappung. Bei einem täglichen Nagel-Pensum von

20, 30 oder 50 Wörtern kommt der Tag, an dem Sie sichfühlen wie eine zwangsernährte französische Fettlebergans.Die Lösung: Machen Sie eine Woche Pause.

Das zweite Problem ist ernster: es fehlen Ihnen dieWörter. Gute Sprachlehrbücher präsentieren gewöhnlich etwa2.000 Wörter – also weit weniger als das Mindestpensum von5.000 bis 15.000 Wörtern aus Kapitel 1. Anfängern helfennicht einmal Wörterbücher – Texte zu entziffern, bei denenSie mehr als die Hälfte der Wörter nicht kennen, istzeitraubend und nervtötend. Die Lösung? Das Nageln vonWortschatzlisten, nach Themen gegliedert und getrennt inGrund- und Aufbauwortschatz. Gute Listen wie zum Beispieldie Klett-Reihe (www.hiv.net/link.php?id=16) präsentieren7.000 Wörter und kostenlose Audiofiles mit der Aussprachealler Wörter. Weitere Buchempfehlungen:www.TheWordBrain.com/BookRecommendations.php.

Bestimmen Sie, wie viele Seiten Sie täglich nageln undpflügen Sie die Wortschatzlisten unter. Das Prozedere derWahl sind zwei rasch aufeinander folgende Durchgänge undeine Reaktivierungsrunde nach 6 bis 12 Monaten. Menschen,die diese Bücher nie genutzt haben, geben zu bedenken, dassdas zusammenhanglose Lernen von Tausenden von Wörternnicht sexy ist. Ich kenne diesen Einwand, bezweifleallerdings, dass es erregender ist, 10.000 Wörter ausWörterbüchern zusammenzusuchen.

Um den langweiligen Rhythmus des Wordnagelns zuunterbrechen, lesen Sie zwischendurch Allerweltstexte. Siewerden schnell entdecken, wie spannend es ist, mit Essays,Tageszeitungen und Romanen zu arbeiten. Unterstreichen SieIhre neuen Wörter, schlagen Sie sie im Wörterbuch nach undnotieren Sie sie. Wenn die Umstände es zulassen – Ferien,Sabbatjahr, etc. – schrecken Sie nicht einmal davor zurück, 3,4 oder 5 Stunden pro Tag zu arbeiten. Sie werden staunen,wie rasant Sie eine Sprache erobern können.

Gesamtstudienzeit1,000 – 2,000 Stunden

Sie haben 150 Stunden lang Ihr Wörterbuch erkundet.

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8Epilog

Wir sind am Ende unserer Reise angekommen. Nachdem wirIhr kolossales Langzeitgedächtnis, Ihre atemberaubendenSprachsequenzier-Fähigkeiten, Ihre phänomenaleLesebegabung und Ihre akrobatischen Sprechkünste Revuepassiert haben – jede einzelne dieser Fähigkeiten isteinzigartig auf unserem Planeten! – lassen Sie uns einenAugenblick ausharren.

Wir haben keinen Zaubertrank, aber wir wissen jetzt, dassSprachenlernen vorhersehbar und kalkulierbar ist. Der Erfolgist abhängig von der Zahl der Stunden, die Sie investieren.Zudem sind Sie nicht völlig auf sich allein gestellt, das Lebenwird Ihnen helfen, vielleicht sogar die Liebe. Stellen Sie sichnur eine heftige Affäre vor, bei der Sie Wochen und Monatemit einem Fremdsprachler oder einer Fremdsprachlerin inSymbiose leben, Zeit und Welt diskutierend von mittags bisin die Nacht, Full-Immersion in Gedächtnis-stimulierendeGefühle und Gedächtnis-fördernde körperliche Rastlosigkeitinklusive. Die Fortschritte, die Sie unter diesen Bedingungenmachen können, sind beachtlich, mitunter gefährlichbeachtlich. Einmal enttarnte ich einen untreuen Ehemann.Während wir über Italien und Italienisch sprachen, fiel mirauf, dass seine Sprachkenntnisse in einigen Punktenerstaunlich präzise waren. Also fragte ich ihn:

– Wie lange hast Du eigentlich Italienisch gelernt?– Drei Jahre, während meiner Sommerseminare in

Italien.– Wie lange dauerten diese Seminare?– Jeweils zwei Wochen.– Ich wusste gar nicht, dass Du eine Freundin in Italien

hast.– Wer hat Dir das gesagt?Niemand hatte es mir gesagt. Der gute Freund wusste zu

viel. Bestimmte Wörter und eine subtile Vertrautheit mit derSprache sind weit jenseits dessen, was Sie in 6 Wochentypischer Sommersprachkurse erreichen können. Cherchez lafemme...

Jungen Menschen empfehle ich ausgedehnte Reisen. Einerhöhter Blutspiegel von Sexualhormonen und das Verlangen,einen Partner zu finden, sind mächtige Kommunikations-Katalysatoren. Allein, Liebe und Sex sind nicht immer Mittelder Wahl. Vor allem in späteren Lebensjahren mögen manchezögern, extrakonjugale Sprachkurse mit einer Scheidung zuerkaufen. In diesem Fall gibt es zwar weniger unterhaltsame,aber dennoch wirksame Alternativen, zum BeispielGruppenreisen. Während einer mehrmonatigen Brasilienreisebuchte ich einmal eine 12-tägige Busfahrt bei einem lokalenReiseveranstalter. Die Mitreisenden waren allesamtBrasilianer, und da Brasilien ein großes Land ist, waren wir

5.000 Kilometer lang in den Bus gesperrt. Konsequenz: 12Stunden Sprachkurs pro Tag.

Ich bin mir bewusst, dass einige meiner Ratschlägeanspruchsvoll sind und ich die Latte hoch gehängt habe. Siehängt jedoch nicht höher als wir alle reichen können. Dieerfreulichste Einsicht ist, dass der Erfolg des Sprachenlernensweitgehend davon abhängt, wie viel Zeit wir investieren. Siekönnen entscheiden, dass Sie keine Zeit für Fremdsprachenhaben, aber nie wieder werden Sie sagen müssen, dass Siekein Talent dafür haben. Für den Fall, dass Sie sich die Zeiteines Tages nehmen, wünsche ich Ihnen das Allerbeste.Sprachen sind eindrucksvolle Fenster auf die Schönheiten undGeheimnisse der menschlichen Odyssee. Diese Fenster weitaufzustoßen, gehört zu den größten Augenblicken einesLebens. Tun Sie’s!

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thewordbrain Deutsche Ausgabe

Wie lange dauert es, eine neue Sprache zu lernen? Wie viele Wörter müssen wir lernen? Sind Fremdsprachen erreichbar für alle? Und schließlich: Gibt es Lehrer, die wir meiden sollten?

Wer Sprachen lernt, stellt sich diese und andere Fragen. �e Word Brain von Bernd Sebastian Kamps beantwortet sie.

Alle PDF-Dokumente, unter anderem die 76-seitige englischsprachige Orginalausgabe, sind unter www.thewordbrain.com frei zugänglich.

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Bernd Sebastian Kamps