trash talk irina beller

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74 MANNSCHAFT TRASH TALK LIEBE IRINA BELLER Text: Frank Richter, [email protected] Illustration: Melanie Carrera, sarrera.ch Lass mich dich dem Leser zuerst kurz vorstellen. Du bist seit 13 Jahren die Ehefrau von Immobilienmillionär Walter Beller. Walti und du gelten als DAS Schweizer Society-Paar (Patty Boser und ihr Aktueller dürfen an dieser Stelle eine Träne vergiessen). Man trifft euch auf Opernbällen oder Casinoeröffnungen. Du hast russische Wurzeln, giltst als exzentrisch und bist 50 40 Jahre alt. Müssen einige harte Winter gewesen sein, damals, in Russland. Jedenfalls stand das Eheglück von Familie Beller kürzlich auf Messers Schneide. Während eines Urlaubs kam es zwischen dir und Walti in einem Restaurant zum Streit. Wie der Blick berich- tete, soll das Wort Schlampe gefallen sein. In der Folge flog dein Steak in Richtung Ehemann. Weil dieser um sein Leben fürch- tete, wehrte er das Stück Fleisch mit einem Handkantenschlag ab und traf dich dabei über dem Auge. Zu Walters Verteidigung muss ich sagen, dass auch schon mir beim Essen die Hand ausgerutscht ist. Ein Mal war es wegen einer Fliege auf der Backe des Gegenübers, ein anderes Mal brannte der Bart. Zugute halten muss man deinem Mann al- lerdings, dass er sich bei dir mit einem Swarovski-Kleid für den Ausrutscher entschuldigt hat. Der Glitzerfummel aus der Bar- bie-ü40-Kollektion war bestimmt nicht so billig, wie er aussieht. Trotzdem stimmt der Vorfall nachdenklich und wirft die Frage auf, wie ihr eine weitere Ehekrise dieses Ausmasses verhindern könnt. Gemäss Blick sollt ihr vor dem Essen einige Drinks an der Bar konsumiert haben. Es wäre jetzt ein Leichtes, dem Alkohol die Schuld für den Streit in die Schuhe zu schieben. Der kann aber nichts dafür! Die alleinige Schuld am Debakel trägt das ver- dammte Restaurant. Nobelrestaurants schicken einen vor dem Essen nämlich immer an die Bar. Als Ausrede wird gerne ange- geben, der Tisch sei noch nicht frei. Und während man an der Bar unterzuckert den leeren Magen mit Alkohol füllt, steigt der Frustrationspegel. Wird der Tisch dann endlich frei, ist man oft schon so besoffen, dass einem der Kellner die Karte vorlesen muss. Damit euch das nie wieder passiert, rate ich Folgendes: Esst in Zukunft nur noch in Fast-Food-Restaurants. Bei McDo- nalds und Burger King musste ich nämlich noch nie auf einen Tisch warten und mir wurden auch keine Martinis für 18 Fran- ken aufgeschwatzt. Da du wahrscheinlich noch nie in einem McDonalds warst, liebe Irina, möchte ich dir das Prinzip rasch erklären. Die Läden sind mit einem grossen gelben M markiert. Nachdem du eine Filliale betreten hast, warte nicht darauf, dass dir jemand den Pelz abnimmt. Halte Ausschau nach einem freien Platz und leg deinen Nerzmantel drauf. Vorher unbedingt das Portemonnaie rausnehmen. Dann ab zum Tresen. In diesem Restaurant gibt es keine Speisekarte. Stattdessen hängen an der Wand Bilder vom Essen. Falls du das Steak suchst, bei McDonalds heisst es Big Mac und liegt zwischen zwei Brothälften. So kann man es ohne Besteck essen. Besser werfen lässt es sich übrigens auch. Sobald dich einer der Angestellten mit den freundlichen Worten: «Was wottsch?!» begrüsst, gib deine Bestellung auf. Falls die Fra- ge: «Medium?!» folgt, dann geht es dabei nicht um die Kerntemperatur des «Steaks», sondern um die Grösse des Menüs. Sobald das Essen vor dir steht, trägst du es selbstständig an dei- nen Platz. Nach dem Essen solltest du den Tisch wieder saubermachen. In Societykreisen nimmt man dafür ja gerne die Kredit- karte und einen Strohhalm. Bei Mc- Donalds reicht es jedoch, wenn du dein Tablett selber wegträgst. Vergiss das Trinkgeld nicht. Und falls du den Laden in deinem Swarovski-Kleid verlässt, dann lächle. Die Leute hin- ter dir werden es nämlich garantiert. Grüsslichst Frank

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Die alleinige Schuld an der Ehekrise der Bellers trägt das verdammte Restaurant!

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Page 1: Trash Talk Irina Beller

74 MANNSCH AFT

T R A S H TA L K

LIEBE IRINA BELLERText: Frank Richter, [email protected]: Melanie Carrera, sarrera.ch

Lass mich dich dem Leser zuerst kurz vorstellen. Du bist seit 13 Jahren die Ehefrau von Immobilienmillionär Walter Beller. Walti und du gelten als DAS Schweizer Society-Paar (Patty Boser und ihr Aktueller dürfen an dieser Stelle eine Träne vergiessen). Man trifft euch auf Opernbällen oder Casinoeröffnungen. Du hast russische Wurzeln, giltst als exzentrisch und bist 50 40 Jahre alt. Müssen einige harte Winter gewesen sein, damals, in Russland. Jedenfalls stand das Eheglück von Familie Beller kürzlich auf Messers Schneide. Während eines Urlaubs kam es zwischen dir und Walti in einem Restaurant zum Streit. Wie der Blick berich-tete, soll das Wort Schlampe gefallen sein. In der Folge flog dein Steak in Richtung Ehemann. Weil dieser um sein Leben fürch-tete, wehrte er das Stück Fleisch mit einem Handkantenschlag ab und traf dich dabei über dem Auge.

Zu Walters Verteidigung muss ich sagen, dass auch schon mir beim Essen die Hand ausgerutscht ist. Ein Mal war es wegen einer Fliege auf der Backe des Gegenübers, ein anderes Mal brannte der Bart. Zugute halten muss man deinem Mann al-lerdings, dass er sich bei dir mit einem Swarovski-Kleid für den Ausrutscher entschuldigt hat. Der Glitzerfummel aus der Bar-bie-ü40-Kollektion war bestimmt nicht so billig, wie er aussieht. Trotzdem stimmt der Vorfall nachdenklich und wirft die Frage auf, wie ihr eine weitere Ehekrise dieses Ausmasses verhindern könnt.

Gemäss Blick sollt ihr vor dem Essen einige Drinks an der Bar konsumiert haben. Es wäre jetzt ein Leichtes, dem Alkohol die Schuld für den Streit in die Schuhe zu schieben. Der kann aber nichts dafür! Die alleinige Schuld am Debakel trägt das ver-dammte Restaurant. Nobelrestaurants schicken einen vor dem Essen nämlich immer an die Bar. Als Ausrede wird gerne ange-geben, der Tisch sei noch nicht frei. Und während man an der Bar unterzuckert den leeren Magen mit Alkohol füllt, steigt der Frustrationspegel. Wird der Tisch dann endlich frei, ist man oft schon so besoffen, dass einem der Kellner die Karte vorlesen muss. Damit euch das nie wieder passiert, rate ich Folgendes: Esst in Zukunft nur noch in Fast-Food-Restaurants. Bei McDo-nalds und Burger King musste ich nämlich noch nie auf einen Tisch warten und mir wurden auch keine Martinis für 18 Fran-ken aufgeschwatzt.

Da du wahrscheinlich noch nie in einem McDonalds warst, liebe Irina, möchte ich dir das Prinzip rasch erklären. Die Läden sind mit einem grossen gelben M markiert. Nachdem du eine Filliale betreten hast, warte nicht darauf, dass dir jemand den Pelz abnimmt. Halte Ausschau nach einem freien Platz und leg deinen Nerzmantel drauf. Vorher unbedingt das Portemonnaie rausnehmen. Dann ab zum Tresen. In diesem Restaurant gibt es keine Speisekarte. Stattdessen hängen an der Wand Bilder vom Essen. Falls du das Steak suchst, bei McDonalds heisst

es Big Mac und liegt zwischen zwei Brothälften. So kann man es ohne Besteck essen. Besser werfen lässt es sich

übrigens auch. Sobald dich einer der Angestellten mit den freundlichen Worten: «Was wottsch?!» begrüsst, gib deine Bestellung auf. Falls die Fra-ge: «Medium?!» folgt, dann geht es dabei nicht um die Kerntemperatur des «Steaks», sondern um die Grösse des Menüs. Sobald das Essen vor dir steht, trägst du es selbstständig an dei-

nen Platz.

Nach dem Essen solltest du den Tisch wieder saubermachen. In Societykreisen nimmt man dafür ja gerne die Kredit-karte und einen Strohhalm. Bei Mc-Donalds reicht es jedoch, wenn du dein Tablett selber wegträgst. Vergiss das Trinkgeld nicht. Und falls du den Laden in deinem Swarovski-Kleid verlässt, dann lächle. Die Leute hin-ter dir werden es nämlich garantiert.

Grüsslichst

Frank