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Formelle Fusionskontrolle (§§ 35, 37 GWB, Art. 1 und 3 FKVO) Würzburg, den 21. Januar 2015 Dr. Stefan Meßmer, Rechtsanwalt

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Formelle Fusionskontrolle(§§ 35, 37 GWB, Art. 1 und 3 FKVO)

Würzburg, den 21. Januar 2015

Dr. Stefan Meßmer, Rechtsanwalt

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AGENDA

I. Grundlagen

II. Europäische Fusionskontrolle

III. Deutsche Fusionskontrolle

IV. Ablauf des Fusionskontrollverfahrens

V. Rechtsfolgen bei Unterbleiben der Fusionskontrollanmeldung

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I. Grundlagen

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− Kartellverbot (§ 1 GWB / Art. 101 AEUV) - repressiv

• Verbot horizontaler und vertikaler wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen

• Verbot wettbewerbsbeschränkender Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen

− Missbrauchsverbot (§ 19 GWB / Art. 102 AEUV) - repressiv

• Verbot des missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung

• Ausbeutungsmissbrauch und Verdrängungsmissbrauch

− Fusionskontrolle (§§ 35 ff. GWB / EU-FKVO) – präventiv und repressiv

• Vermeidung zukünftiger Wettbewerbsbehinderungen

• Entflechtung unangemeldeter, bereits vollzogener Zusammenschlüsse

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I. Grundlagen

Fusionskontrolle als „dritte Säule“ des Kartellrechts

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− FKVO = Europäische Fusionskontrollverordnung

=> Regelungen zum Europäischen Fusionskontrollrecht

− GWB = Deutsches Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

=> Regelungen über das deutsche Fusionskontrollrecht

Fusionskontrolle = Recht der behördlichen Präventivkontrolle von geplanten

Unternehmenszusammenschlüssen

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I. Grundlagen

Gesetzestexte

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− Art. 2 FKVO: Untersagung nach Europarecht

„Zusammenschlüsse, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung, sind für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar zu erklären.“

− § 36 GWB: Untersagung nach deutschem Recht

„Ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung, ist vom Bundeskartellamt zu untersagen.“

− Art. 8 FKVO / § 40 GWB: Freigabe durch EU-Kommission / Bundeskartellamt

„Stellt [die Wettbewerbsbehörde] fest, dass ein angemeldeter Zusammenschluss zu keiner Wettbewerbsbeschränkung [nach den Voraussetzungen des Art. 2 FKVO / § 36 GWB] führt, wird der Zusammenschluss […] freigegeben.“

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I. Grundlagen

Gesetzliche Grundlagen der Untersagung und Freigabe

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Sinn und Zweck der Fusionskontrolle

− Kontrolle des externen Wachstums von Unternehmen, um eine wettbewerbsbeschränkende

Marktkonzentration zu verhindern

− Internes Wachstum von Unternehmen (aus eigener Kraft) wird dagegen nicht erfasst

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I. Grundlagen

Bedeutung für Unternehmen

− Konzept der präventiven Zusammenschlusskontrolle, d.h. Anmeldepflicht und Vollzugsverbot (Art.

4 Abs. 1, 7 Abs. 1 FKVO; §§ 39 Abs. 1, 41 Abs. 1 GWB)

− Bedeutung für die Praxis:

• Unternehmenskaufverträge müssen Fusionskontrolle berücksichtigen

• Beachtung der vorgegebenen Fristen der Fusionskontrolle bei der Ablaufplanung des Zusammenschlusses

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− Art. 4 FKVO / § 39 GWB: Anmeldepflicht

„Zusammenschlüsse […] sind bei der Kommission anzumelden.“

„Zusammenschlüsse sind vor dem Vollzug beim Bundeskartellamt […] anzumelden.“

− Das Eingreifen der fusionskontrollrechtlichen Vorschriften hat sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene zwei Voraussetzungen (Grundsatz):

• Anwendbarkeit: Überschreiten der maßgeblichen Schwellenwerte

• Vorliegen eines Zusammenschlusses/Zusammenschlusstatbestands

− Bei Zweifeln über die Anmeldepflicht (etwa bei fehlender kartellbehördlicher Spruchpraxis über Umsatzzurechnung): Möglichkeit einer vorsorglichen Anmeldung

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I. Grundlagen

Voraussetzungen einer kartellbehördlichen Anmeldepflicht

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I. Grundlagen

„One-stop-shop-Prinzip“ (Art. 21 Abs. 2 und 3 FKVO, § 35 Abs. 3 GWB)

− Anwendungsvorrang der EU-Fusionskontrolle

• „Einer für alle“: Ausschließliche Zuständigkeit der Europäische Kommission für alle Mitgliedstaaten bei Erreichen der Schwellenwerte nach der FKVO

• Bei Nichterreichen der Schwellenwerte: Prüfung der Anmeldepflicht in den einzelnen Mitgliedstaaten und in Drittstaaten (ggf. parallele Zuständigkeit mehrere Kartellbehörden)

− Besonderheit: Verweisungsmöglichkeiten von der Europäischen Kommission an mitgliedstaatliche

Kartellbehörden und umgekehrt

• Art. 4 Abs. 4 und 5 FKVO: Verweisung von Europ. Kommission an nationale Kartellbehörde bei mitgliedstaatl. Schwerpunkt des Falls (Antrag durch Zusammenschlussbeteiligte vor Anmeldung)

• Art. 9 FKVO: Verweisung von Europ. Kommission an nationale Kartellbehörde bei mitgliedstaatl. Schwerpunkt des Falls (Antrag durch nationale Kartellbehörde nach Anmeldung)

• Art. 22 FKVO: Verweisung von nationaler Kartellbehörde an Europ. Kommission (europ. Dimension)

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Die P-AG beabsichtigt, 24,8 % des Stammkapitals der H-GmbH zu erwerben. Neben der P-AG sind an der

H-GmbH noch die I-GmbH mit 50,4 % und die Investorengruppe S mit 24,8 % beteiligt.

Die H-GmbH hat einen zwölfköpfigen Aufsichtsrat, wovon sechs Aufsichtsräte von den Anteilseignern

entsendet werden. Die Parteien vereinbaren, dass die P-AG zwei dieser sechs Aufsichtsratsmitglieder

benennen darf.

Die P-AG hat im letzten Geschäftsjahr vor dem Erwerb einen weltweiten Umsatz in Höhe von EUR 2,7

Mrd. erwirtschaftet, davon in Deutschland EUR 1,65 Mrd. Die H-GmbH hat nur in Deutschland einen

Umsatz in Höhe von EUR 150 Mio. erwirtschaftet.

Ist der Erwerb bei der Europäische Kommission oder dem Bundeskartellamt anmeldepflichtig?

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I. Grundlagen

Fall 1:

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II. Europäische Fusionskontrolle

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Anmeldepflicht zur Europäischen Kommission (Art. 1 Abs. 2 FKVO), wenn

− Weltweiter gemeinsamer Vorjahresumsatz der Zusammenschlussbeteiligten EUR 5 Mrd. UND

− EU-weiter Vorjahresumsatz von mindestens zwei Zusammenschlussbeteiligten jeweils EUR 250 Mio.

Ausnahme: Alle beteiligten Unternehmen erzielen jeweils mehr als 2/3 ihres EU-weiten Umsatzes in

ein und demselben Mitgliedstaat (dann Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Kartellbehörden)

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II. Europäische Fusionskontrolle

Schwellenwerte der europäischen Fusionskontrolle

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Ebenfalls Anmeldepflicht zur Europäischen Kommission (Art. 1 Abs. 3 FKVO), wenn

− Weltweiter gemeinsamer Vorjahresumsatz der Zusammenschlussbeteiligten: EUR 2,5 Mrd. UND

− EU-weiter Vorjahresumsatz von mindestens zwei Zusammenschlussbeteiligten jeweils EUR 100 Mio.

UND

− Nationaler gemeinsamer Vorjahresumsatz der Zusammenschlussbeteiligten in mind. 3 Mitgliedstaaten

jeweils EUR 100 Mio. UND

− Nationaler gemeinsamer Vorjahresumsatz von mindestens 2 Zusammenschlussbeteiligten in jedem

von mind. 3 Mitgliedstaaten jeweils mehr als EUR 25 Mio.

Ausnahme: Alle beteiligten Unternehmen erzielen jeweils mehr als 2/3 ihres EU-weiten

Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat (dann Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen

Kartellbehörden)

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II. Europäische Fusionskontrolle

Schwellenwerte der europäischen Fusionskontrolle

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1. Fusion (Art. 3 Abs. 1 lit. a FKVO)

− Aus mehreren bisher voneinander unabhängigen Unternehmen entsteht ein Unternehmen

• Verschmelzung durch Neugründung

• Verschmelzung durch Aufnahme eines Unternehmens in ein anderes Unternehmen

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II. Europäische Fusionskontrolle

Beispiele für einen „Zusammenschluss“ nach Art. 3 FKVO

2. Kontrollerwerb (Art. 3 Abs. 1 lit. b, Abs. 2, 3 FKVO)

− Möglichkeit, einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ausüben

zu können

− Verschiedene Einflussnahmen denkbar: Eigentum, Verträge, Rechte, Nutzungsrechte etc.

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a) Erwerb alleiniger Kontrolle (Art. 3 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 und 3 FKVO)

− Möglichkeit, strategische Entscheidungen durchzusetzen (Geschäftsplan, Besetzung der Geschäftsleitung, Budget, wesentliche Investitionen)

• Bei Mehrheitserwerb: Stimmrechtsmehrheit

• Bei Minderheitserwerb + zusätzlichen Rechten:

� besondere Rechte wie bspw. Besetzung von Organen (Vorstand, Aufsichtsrat)

� faktische Kontrolle bspw. durch Sperrminorität, HV-Präsenz (3 Hauptverhandlungen werden

betrachtet)

• Bei Erwerb wesentlicher Vermögensbestandteile

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II. Europäische Fusionskontrolle

Beispiel Kontrollerwerb – Mögliche Ausgestaltungen

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b) Gemeinsame Kontrolle (Art. 3 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 und 3 FKVO)

− Möglichkeit, strategische Entscheidungen zu verhindern

• paritätische Beteiligungen (50/50)

• gemeinsame Stimmrechtsausübung mehrerer Minderheitsgesellschafter => Wichtig: gemeinsame

Kontrolle liegt nur bei dauerhafter Koalition zwischen Minderheitsgesellschaftern vor

• Vetorechte bei strategischen, geschäftspolitischen Entscheidungen (Geschäftsplan, Besetzung der

Geschäftsleitung, Budget, wesentlichen Investitionen)

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II. Europäische Fusionskontrolle

Beispiel Kontrollerwerb – Mögliche Ausgestaltungen

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c) Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen (Art. 3 Abs. 4 FKVO)

− Gemeinschaftsunternehmen (= Joint Venture mehrerer eigenständiger Unternehmen), das auf Dauer alle Funktionen einer selbstständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt

• Zugang zum Markt, eigenständige Marktpräsenz

• nicht nur Hilfsfunktionen bei der Geschäftstätigkeit der Mutterunternehmen

• dauerhaft angelegte Wirtschaftstätigkeit

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II. Europäische Fusionskontrolle

Beispiel Kontrollerwerb – Mögliche Ausgestaltungsformen

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III. Deutsche Fusionskontrolle

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Anmeldepflicht zum Bundeskartellamt (§ 35 Abs. 1 GWB), wenn

− Weltweiter gemeinsamer Vorjahresumsatz der Zusammenschlussbeteiligten EUR 500 Mio. UND

− Nationaler Vorjahresumsatz von mindestens einem Zusammenschlussbeteiligten mehr als EUR 25

Mio. UND eines anderer Zusammenschlussbeteiligten mehr als EUR 5 Mio.

⇒ Ausnahme: De-minimis-Klausel iSv § 35 Abs. 2 GWB:

Keine Zusammenschlusskontrolle, wenn Zusammenschluss eines unabhängigen Unternehmens mit

weltweitem Umsatz von < EUR 10 Mio. mit einem anderen Unternehmen

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III. Deutsche Fusionskontrolle

Schwellenwerte der deutschen Fusionskontrolle

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ACHTUNG: Sonderregelungen bei der Umsatzerlösberechnung nach deutschem Recht

− Handel mit Waren: lediglich ¾ der erzielten Umsatzerlöse (§ 38 Abs. 2 GWB)

− Herstellung und Vertrieb von Zeitungen: das Achtfache der Umsatzerlöse ist in Ansatz zu bringen (§ 38

Abs. 3 GWB)

− Herstellung, Vertrieb und Veranstaltung von Rundfunkprogrammen, Absatz von

Rundfunkwerbezeiten: das Zwanzigfache der Umsatzerlöse ist in Ansatz zu bringen (§ 38 Abs. 2 GWB)

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III. Deutsche Fusionskontrolle

Schwellenwerte der deutschen Fusionskontrolle

Beachte auch die Verbundklausel nach § 36 Abs. 2 GWB (gruppenbezogene Betrachtung der

Umsätze) und die Flick-Klausel nach § 36 Abs. 3 GWB (Umsatzzurechnung aufgrund

Mehrheitsbeteiligung einer natürlichen Person)

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1. Vermögenserwerb (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB) = Asset Deal

− alle geldwerten Güter und Rechte

− Erwerb des Vermögens ganz oder zu einem „wesentlichen Teil“

• Quantitativ: wesentlich im Verhältnis zum Gesamtvermögen des Veräußerers

• Qualitativ: eigenständige wirtschaftliche Bedeutung des Vermögensgegenstands, Grundlage des

der bestehenden Marktstellung etc.

� Beispiel: Der Erwerb eines eingetragenen Warenzeichens kann einen wesentlichen Teil des Vermögens darstellen, wenn der Erwerb die Stellung des Erwerbers auf dem Markt verändern kann (BGH, Beschl. v. 7.7.1992, KVR 14/91; BGH, Beschl. v. 10.10.2006, Az. KVR 32/05 für Lizenzen)

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III. Deutsche Fusionskontrolle

Beispiele für einen „Zusammenschluss“ nach § 37 GWB

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III. Deutsche Fusionskontrolle

Beispiele für einen „Zusammenschluss“ nach § 37 GWB

2. Kontrollerwerb (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB)

− Möglichkeit, einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ausüben

zu können

− Verschiedene Einflussnahmen denkbar: Eigentum, Verträge, Rechte, Nutzungsrechte, Einflussnahme

auf die Zusammensetzung, die Beratungen oder Beschlüsse der Organe des Unternehmens etc.

− vgl. auch Kontrollerwerb iSv Art. 3 Abs. 1 lit. b FKVO

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3. Anteilserwerb (§ 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB)

− Erreichen der Anteilsschwellen von mindestens 25 % oder 50 % des Kapitals oder der Stimmrechte

eines Unternehmens

− Gemeinschaftsunternehmen => beachte § 37 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 GWB

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III. Deutsche Fusionskontrolle

Beispiele für einen „Zusammenschluss“ nach § 37 GWB

4. Erwerb wettbewerblich erheblichen Einflusses (§ 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB)

− Auffangtatbestand

− Minderheitsbeteiligung (weniger als 25 %), aber es bestehen darüber hinaus Mitsprache- und

Kontrollmöglichkeiten, Informationsrechte, überlegene Markt- und Branchenkenntnis

− Gesellschaftsrechtlicher Einfluss erforderlich

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− Ein „Zusammenschluss“ liegt in Form des wettbewerblich erheblichen Einflusses (§ 37 Abs. 1 Nr. 4

GWB) vor

• Minderheitenerwerb des Stammkapitals (< 25 %) plus zusätzliche Faktoren: gesellschaftsrechtlich

vermittelte Einflussnahme durch die Möglichkeit, zwei der sechs von den Anteilseignern zu

entsendenden Aufsichtsratsmitgliedern zu benennen

− Der Zusammenschluss ist aufgrund Überschreitens der deutschen Schwellenwerte anmeldepflichtig

− Zuständig ist das Bundeskartellamt (und nicht die EU-Kommission)

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III. Beispielsfälle

Lösung zu Fall 1:

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IV. Ablauf des Fusionskontrollverfahrens

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IV. Ablauf des Fusionskontrollverfahrens

Was sind die wesentlichen Schritte eines Fusionskontrollverfahrens?

I. Vorabprüfung durch Rechtsanwalt oder Rechtsabteilung: Liegt ein „Zusammenschluss“ i.S.d. Kartellrechts vor?

II. Weitere Vorabprüfung: Ist eine Anmeldung bei Wettbewerbsbehörden erforderlich?

III. Weitere Vorabprüfung: Falls ja - welche Wettbewerbsbehörde ist zuständig?

IV. Vorbereitung der erforderlichen Unterlagen (insb. Umsätze, Marktanteile etc.), ggf. informelle Abstimmung der Fusionskontrollanmeldung mit Kartellbehörde(n)

V. Einreichung der erforderlichen Unterlagen bei der/den zuständigen Kartellbehörde(n)

VI. Kartellbehördliche Prüfung, ob keine ernsthaften Bedenken bestehen (Phase 1/Vorprüfverfahren)

VII. Ggf. ausführliche behördliche Prüfung, ob Wettbewerb behindert wird (Phase 2/Hauptprüfverfahren)

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IV. Ablauf des Fusionskontrollverfahrens

Einflussmöglichkeiten Dritter auf das Fusionskontrollverfahren

− Antrag auf Beiladung zu behördlichem Verfahren

• Beiladung im Ermessen der Kartellbehörden

• Beigeladene können behördliche Entscheidung durch Daten, Gutachten, Prognosen etc. beeinflussen (eingeschränkter Amtsermittlungsgrundsatz)

• Beigeladene erhalten Akteneinsicht in Unternehmensdaten!

• Anfechtung der Beiladung ist nicht möglich

− Gerichtliche Anfechtung kartellbehördlicher Entscheidungen

• Beschwerde nach § 63 GWB / Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV

• Klagebefugnis nur bei potentieller Beeinträchtigung der subjektiven Wettbewerbsposition (auch für Nicht-Beigeladene)

• KEINE Beschwerdemöglichkeit gegen informelle Entscheidung im Vorprüfverfahren nach deutschem Recht

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V. Rechtsfolgen bei Unterbleiben einer

Fusionskontrollanmeldung

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Der deutsche Süßwarenhersteller S (Jahresumsatz 2014: EUR 497,6 Mio., davon 122 Mio. in Deutschland) erwirbt 42 % der im Streubesitz befindlichen Gesellschaftsanteile des auf ökologische Produkte orientierten österreichischen Konfitürenherstellers K (Jahresumsatz 2014: EUR 12,7 Mio., davon 5,2 Mio. in Deutschland). Ursprünglich einigen sich die Geschäftsführer beider Unternehmen, dies nicht öffentlich zu machen, um keine Unruhe bei der Belegschaft von K zu erzeugen. Auf Anraten der Rechtsabteilung soll der Anteilserwerb nach Vertragsschluss nun doch bei der EU-Kommission angemeldet werden. S versendet daher am Tag der Vertragsunterzeichnung folgende Pressemitteilung:

„S und K arbeiten ab heute noch enger zusammen. Die bislang bestehende

informelle Kooperation wird nun auch durch den Erwerb eines Anteilspakets durch

S verfestigt. Die Beschäftigten beider Unternehmen werden von dieser erheblichen

Stärkung der Marktposition profitieren, zumal S nun auch zum europaweiten Marktführer

im Bereich der gentechnikfreien Konfitüren aufsteigt. Mit einer baldigen Genehmigung

durch die europäische Kartellbehörde wird gerechnet.“

Ist das Verhalten des S korrekt oder droht eine Geldbuße?

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V. Rechtsfolgen bei Unterbleiben der Fusionskontrollanmeldung

Fall 2:

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− Art. 7 FKVO / § 41 GWB: Vollzugsverbot

„Ein Zusammenschluss […], der von der Kommission geprüft werden soll, darf nicht vollzogen

werden, bis er […] für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt worden ist.“

„Die Unternehmen dürfen einen Zusammenschluss, der vom Bundeskartellamt nicht freigegeben ist,

nicht […] vollziehen.“

− Umsetzung des Zusammenschlusses vor Freigabe oder Fristablauf durch die zuständige Behörde ist

verboten

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V. Rechtsfolgen bei Unterbleiben der Fusionskontrollanmeldung

Vollzugsverbot vor Freigabe oder Fristablauf

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− Entscheidungsfristen der Behörden:

• § 40 Abs. 1 GWB: im Vorprüfverfahren innerhalb eines Monats ab Anmeldung beim BKartA

• § 40 Abs. 2 GWB: im Hauptprüfverfahren innerhalb von vier Monaten

• Art. 10 Abs. 1 FKVO: idR innerhalb von 25 Arbeitstagen

− „Umsetzung“ = tatsächliches oder rechtliches Herbeiführen der Wirkungen des Zusammenschlusses

− Auch Teilakte des Vollzugs erfasst, aber keine reinen Vorbereitungshandlungen (Abgrenzung im

Einzelfall schwierig)

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V. Rechtsfolgen bei Unterbleiben der Fusionskontrollanmeldung

Vollzugsverbot vor Freigabe oder Fristablauf

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− Art. 7 FKVO / § 41 GWB: Nichtigkeitsfolge

„Rechtsgeschäfte, die gegen das Vollzugsverbot verstoßen, sind unwirksam.“

− Art. 7 und 8 FKVO / § 41 GWB: Entflechtungsmöglichkeiten

„Die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts ist von der Entscheidung der Kommission abhängig. […] Bei

Verstoß gegen das Vollzugsverbot kann […] die Kommission geeignete Maßnahmen treffen, um

wirksamen Wettbewerb wiederherzustellen.“

„Das Bundeskartellamt ordnet […] die Auflösung des Zusammenschlusses […] an.“

− Art. 14 FKVO / § 81 GWB: Geldbuße

„Die Ordnungswidrigkeit kann […] mit einer Geldbuße […] geahndet werden. Die Geldbuße darf 10

vom Hundert des im […] vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes des

Unternehmens nicht überschreiten.“

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V. Rechtsfolgen bei Unterbleiben der Fusionskontrollanmeldung

Rechtsfolgen

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− Ein „Zusammenschluss“ liegt aufgrund des voraussichtlichen Kontrollerwerbs und des Anteilserwerbs (> 25 %) vor

− Der Zusammenschluss ist aufgrund Überschreitens der nationalen Schwellenwerte anmeldepflichtig

− Zuständig für die Prüfung des Sachverhalts sind die deutsche und ggf. die österreichische Kartellbehörde (und nicht die EU-Kommission)

− Aufgrund Vollzugs vor Anmeldung wurde gegen das Vollzugsverbot verstoßen. Es droht die Verhängung eines Bußgelds

− Eine Untersagung des Zusammenschlusses ist nicht ausgeschlossen, da S nach eigener Aussage in der Pressemitteilung „auch zum europaweiten Marktführer im Bereich der gentechnikfreien Konfitüren aufsteigt“

− Die Pressemitteilung lässt vermuten, dass vor dem Vollzug durch die „informelle Kooperation“ gegen das Kartellverbot verstoßen wurde. Es droht ein weiteres Bußgeld

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V. Rechtsfolgen bei Unterbleiben der Fusionskontrollanmeldung

Lösung zu Fall 2:

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Dr. Stefan Meßmer

E-Mail: [email protected]

Telefon: +49 711/86040-610

− Kartellrecht

− Compliance

− Vertriebsrecht

− Europäisches Beihilfenrecht

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