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PETER LORENZ BLACK AND WHITE ABSTRACTS #11, 2010 ATHANASIUS KIRCHER PHANTASMATISCHE ÄGYPTOLOGIE JOHANNES THUMFART ABB. 1: EIN STICH DER ALS MENSA ISIACA BEKANNTEN BRONZETAFEL Manche Fälschungen sind bedeutender als Originale. So etwa die auch unter dem Namen TABULA BEMBI und TABULA AENEAE bekannte MENSA ISIACA ( ABB. 1) . Bei der 126 cm langen und 75 cm breiten Bronzetafel handelt sich um eine Darstellung ägyptisch aussehender Götter und Hieroglyphen, die wohl um das Jahr 100 in Rom entstand. Zu dieser Zeit war die Fähigkeit, Hiero- glyphen zu schreiben und zu lesen, verloren. Offenbar hatte der anonyme Künstler auch nur eine oberflächliche Kenntnis der ägyptischen Götterwelt: Nichts auf der elaboriert wirkenden Tafel ergibt Sinn. Lediglich die Zentral- figur ist eindeutig als ISIS zu identifi- zieren, einige Szenen scheinen von Tempelhandlungen der ptolemäisch- römischen Epoche inspiriert. -45-

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Page 1: Vorn Kircher

PETER LORENZ BLACK AND WHITE ABSTRACTS #11, 2010

ATHANASIUS KIRCHER PHANTASMATISCHE ÄGYPTOLOGIE

JOHANNES THUMFART

ABB. 1: EIN STICH DER ALS MENSA ISIACA BEKANNTEN BRONZETAFEL

Manche Fälschungen sind bedeutender als Originale. So etwa die auch unter dem Namen TABULA BEMBI und TABULA AENEAE bekannte MENSA

ISIACA (ABB. 1). Bei der 126 cm langen und 75 cm breiten Bronzetafel handelt sich um eine Darstellung ägyptisch aussehender Götter und

Hieroglyphen, die wohl um das Jahr 100 in Rom entstand. Zu dieser Zeit war die Fähigkeit, Hiero-glyphen zu schreiben und zu lesen, verloren. Offenbar hatte der anonyme Künstler auch nur eine oberfl ächliche Kenntnis der ägyptischen Götterwelt: Nichts auf der elaboriert wirkenden

Tafel ergibt Sinn. Lediglich die Zentral-fi gur ist eindeutig als ISIS zu identifi -zieren, einige Szenen scheinen von Tempelhandlungen der ptolemäisch-römischen Epoche inspiriert.

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Page 2: Vorn Kircher

Obwohl Hieroglyphen in Arabien bereits im 10. Jahrhundert von Ibn Wahshiyya teilweise übersetzt wurden, blieb ihre Bedeutung in Europa bis zur 1822 erfolgten Entschlüsselung des Steins von Rosetta im Dunkeln. Über 1500 Jahre lang wusste also niemand, dass die MENSA ISIACA gefälscht war. Sie galt als eines der wenigen authentischen ägyptischen Artefakte und daher als äußerst wertvoll. Die Tafel tauchte erstmals in den Wirren der als Sacco di Roma be-kannten Plünderung Roms und des Vatikans durch deutsche Landsknechte von 1527 auf. Der von Raffael in der Gestalt Zoroasters porträtierte Kardinal Bembo erwarb sie dort aus den Händen eines anonymen bourbonischen Schmiedes, danach ging sie in den Besitz Federico Gonzagas über, dem Fürsten von Mantua. Bei den Gonzagas blieb sie bis

So ist auf der dem ersten Band des OEDIPUS AEGYPTIACUS entnommenen Abb. 2 eine angeblich „samarita-nische“ Götterwelt zu sehen, die Anubis, einen männlich wirken-den Hund mit Äskulapstab (2), eine Eselstute (1) und einen Pfau, Juno, (10) als Hauptgötter anführt, zwischen denen ein fünfzackiger Stern (6) angebracht ist. Der

mythische ägyptische Universal-gelehrte Hermes Trismegistos wird in einer konischen Form dargestellt, was an die Form der „Säulen des Hermes“ erinnern soll, deren Inschrift die Sintfl ut der herme-tischen Tradition nach überlebt haben (7). Auf der untersten Ebene des dreistöckigen Altars fi ndet sich die Arche Noah (9), fl ankiert von

einer Henne (4) und einem Hahn (8). Gegenüber von Hermes ist ein Bock dargestellt, der Pan verkörpert und vor dem ein Spiegel lehnt (3). Der gesamte Altar soll die späte, samaritanische Erinnerung an die Zeit vor der Sintfl ut darstellen, die für Kircher zugleich der Ursprung der ägyptischen Geheimlehre ist. Der Flächeneinteilung nach – der

Altar hat drei Stufen von welchen die mittlere horizontal in drei Teile geteilt ist – scheint der samarita-nische Altar einerseits als ein direktes Echo der MENSA ISIACA kon-zipiert zu sein und andererseits die Kirchenarchitektur des Barock vor-wegzunehmen. Die Zehnzahl der Götter ist pythagoreisch inspiriert.

Ein zentrales Motiv der angeblich aus Hieroglypheninterpretationen entwickelten ägyptischen Lehre ist Plutarchs Allegorese von Isis und Osiris. Kircher unterstreicht beson-ders die Bedeutung des heißblütigen Typhon, der Verkörperung des Bösen (Abb. 3). Dieser ist der Sage nach der Bruder des Osiris, der eifersüchtig auf die Vereinigung zwischen Osiris (Intellectus) und Isis (Anima) ist. Es gelingt Typhon, den weltfrem-den Osiris in einen Hinterhalt zu locken und ihn zu töten. Er zerlegt Osiris in genau 30 Stücke, die späte-ren Gaue des ägyptischen Reiches. Nach langer Suche findet Isis Osiris wieder und baut ihn wie einen Frankenstein aus den ver-streuten Einzelteilen zusammen. Einzig Osiris’ Penis kann sie nicht fi nden, weshalb sie den zusammen-gefl ickten Leichnam mit einem künstlichen Phallus ausstattet, der sich nach Kircher noch in den langenBärten der Pharaonen angedeutet

fi ndet. In der Fetischisierung des toten Osiris liegt der Ursprung der ägyptischen Magie, die durch Statuen, Technik und Illusionen versucht, den toten Gott zum Leben zu erwecken. Aufgelöst wird das düs-tere Szenario erst durch Horus (Spiritus), der als Sohn von Osiris (Intellectus) und Isis (Anima) die Trinität vollkommen macht und Typhon vertreibt. In Horus sieht Kircher den Archetyp für den Messi-as. Typhon wird dagegen nicht aus-schließlich negativ bewertet, sondern er stellt eine Art ehrgeiziger Urener-gie dar, die für das Funktionieren des Kosmos und der menschlichen Welt unerlässlich ist. Die jähr-lichen Nilüberschwemmungen deu-tete Kircher als eine wiederholte Selbstregulierung der Natur durch die Auskühlung der Hitze des Typhon. Wenn dies misslingt, entstehen Stürme etc. Einige Etymologen füh-ren den heutigen Begriff „Taifun“ auf Typhon zurück.

ABB. 3: TYPHON, DER HEISSBLÜTIGE BRUDER DES OSIRIS

1628, als sie schließlich von Carlo Emanuele I. von Savoyen als Kriegsbeute nach Turin ver-schleppt wurde, wo sie noch heute im Museo Egizio ausgestellt ist. Im deutschen Sprachraum wurde die MENSA ISIACA vor allem durch den bayrischen Kanzler und Wissenschaftsmäzen Herwart von Hohenburg (1553-1622) bekannt, dessen Steckenpferd die Ägyptologie war. Dieser ließ die Tafel in seinem 1610 in München erschie-nenen Band THESAURUS HIEROGLYPHICORUM abdru-cken. 1626, vier Jahre nach seinem Tod, erschien das seltene Buch ADMIRANDA ETHNICAE THEOLOGIAE MYSTERIA PROPALATA, in dem von Hohenburg die Tafel als eine Ansammlung uralten magnetischen und kosmologischen Wissens deutete. Eine be-merkenswerte Wirkung auf die Ideengeschichte

hat die Tafel vor allem entwickelt, weil im Jahr 1628 der Linguist und Mathematiker Athanasius Kircher (1602 – 1680) in der Bibliothek des Jesui-tenkollegs in Speyer auf Herwart von Hohenburgs Bücher stieß. Im Anschluss an dieses, von Kircher oft als Erweckungserlebnis mystifi zierte Ereignis widmete sich der Gelehrte verstärkt der MENSA ISIACA und der Interpretation der Hieroglyphen.

Für Kircher ging es dabei um viel mehr als die Ägyptologie. Aus einer Schätzung des Alters der ägyptischen Baudenkmäler schloss er, dass die ägyptische Kultur älter als die biblische

Flut war, die um 2348 v. Chr. datiert wurde. Das bedeutete für ihn nichts Geringeres, als dass Hieroglyphen Wissen aus der Zeit vor der Sintfl ut enthielten. Das vorsintfl utliche

Wissen setzte er mit der LINGUA ADAMICA gleich, der Ur-Sprache, die Adam direkt von JHWH im Garten des Paradieses offenbart worden war. Er ging davon aus, dass Reste dieser

adamitischen Sprache in den Hieroglyphen erhalten waren und die Hieroglyphen daher alle wesentlichen Konzepte der menschlichen Kultur, Politik, Technik und Philosophie

in komprimierter Bildform darstellten. Diese Annahme schien es möglich zu machen, die Hieroglyphenschrift ausgehend von späteren Philosophien zu interpretieren, wie etwa

Platonismus, Pythagoräismus, Konfuzianismus, Judentum und Christentum. Da all diese Systeme nach Kircher auf ägyptische Ideen und die adamitische Sprache zurückgeführt werden konnten,

schien es nur legitim, von den Folgen auf die Ursache zu schließen.

ATHANASIUS KIRCHER SJ (AUCH: ATHANASIUS KIRCHERUS FULDENSIS;

* 2. MAI 1602 IN GEISA (RHÖN); GEST. 27. NOVEMBER 1680 IN ROM) WAR EIN DEUTSCHER JESUIT UND

UNIVERSALGELEHRTER, DER DIE MEISTE ZEIT SEINES LEBENS AM COLLEGIUM ROMANUM

IN ROM LEHRTE UND FORSCHTE.

In einem über zweitausendseitigen und insgesamt vier Folianten umfassenden

Mammutwerk, dem OEDIPUS AEGYPTIACUS, der von 1630 bis 1655 entstand, entwickelte Kircher

seine Deutung der Hieroglyphen aus der Judaistik, dem Neoplatonismus, der Kabbala,

der klassischen Philologie, der Alchemie, aber auch aus Berichten der jesuitischen Missionare

in China, Afrika, Indien und Amerika. Als Höhepunkt entfaltete er im dritten Band des OEDIPUS AEGYPTIACUS seine Deutung der

MENSA ISIACA, die er für eine komprimierte Form aller kosmologischen Vorstellungen

der Ägypter hielt. Es erübrigt sich zu sagen, dass Kircher mit seiner aufwendigen Hiero-

glypheninterpretation in allen Punkten daneben lag. Sein Hauptproblem bestand nicht nur darin, dass er spätantike Fälschungen wie

die MENSA ISIACA als ägyptische Hieroglyphen ABB. 2: SAMARITANISCHER ALTAR MIT TIERGÖTTERN

interpretierte. Gerade auch bei den wenigen echten Hieroglyphen, die ihm vorlagen, führte seine allegorische Interpretation zwangsläufi g ins Leere. Hieroglyphen stellten nicht, wie Kircher es annahm, eine Bilderschrift, sondern eine Silbenschrift dar. Vor allem wegen seiner prächtigen Stiche gilt der OEDIPUS AEGYPTIACUS dennoch als Klassiker barocker Universalwissenschaft und okkulter Literatur. Noch die Theosophen des 19. und 20. Jahrhunderts, wie Rudolf Steiner (1861 – 1925) und Helena Blavatsky (1831 – 1891), nahmen Kirchers eleganten Unsinn für bare Münze. Bemerkenswert ist dessen bildlich-allegorische Kosmologie vor allem wegen ihrer phantasmatischen, surrealen Qualität.

Ein weiteres zentrales Symbol des OEDIPUS AEGYPTIACUS ist die MONAS HIEROGYLPHICA, eine imaginierte Hiero-glyphe, die den kosmologischen Sinn aller anderen Hieroglyphen zusammenfassen soll (Abb. 4). Kircher kann hier auf den Platonübersetzer und Kabbalisten Marsilio Ficino und den englischen Alchemisten John Dee zurückgreifen, die sich bereits mit diesem Symbol auseinandergesetzt hatten. John Dee hatte eine ganze Monographie über das Thema verfasst, die MONAS HIEROGYLPHICA (Antwerpen 1564). Für Dee symbolisierten Linie und Kreis mit Mittelpunkt die drei irreduziblen Urelemente der zweidimensionalen Geometrie. Alle Formen leiteten sich hieraus ab. Kreis und Halbkreis symbolisierten Sonne und Mond, die vier Seiten des Kreuzes die vier Elemente. Es handelt sich bei der wesentlichen Form der MONAS HIEROGLYPHICA darüber hinaus um das Zeichen für den Planeten Merkur, dem wiederum Quecksilber als Element zugeordnet war.

Merkur heißt auf Griechisch Hermes, was einen direkten Hinweis auf den mythischen Hermes Trismegistos beinhaltet. Das ihm entsprechende Element Quecksilber galt lange als die Quintessenz der Alchemie, die auch als hermetische Kunst aufgefasst wurde. Bei Kircher werden im Unterschied zu Dees Abbildung der MONAS zusätzlich die Plane-tensphären im Zirkel dargestellt, sowie die ägyptischen Götter Osiris (links, mit dem Element Aqua gleichgesetzt), Isis (unten, Element Terra) und Horus (rechts, Element Aer). Darüber fi ndet sich eine gehörnte Figur, die mit Feuer (Ignis) gleichgesetzt ist. Es ist nicht abwegig, die Figur am oberen Ende des Kreuzes als Typhon zu interpretieren. Das Kreuz stellt dann eine um einen vierten Punkt – das Böse – erweiterte Trinität von Osiris (Intellectus), Isis (Anima) und Horus (Spiritus) dar. Die Sichelform im Kreis über dem Kreuz ist bei Kircher im Unterschied zu Dee schattiert und daher ebenfalls als Horn erkenntlich. Verschiedene Hörner fi nden sich ebenfalls in drei der vier Felder um das Kreuz herum. Dies kann sowohl auf den gehörnten griechischen Gott Pan als auch auf den Teufel hindeuten. In jedem Fall stellt das Symbol eine Vereinigung christ-licher und heidnischer Kosmologie dar.

Merkur heißt auf Griechisch Hermes, was einen direkten Hinweis auf den mythischen Hermes Trismegistos beinhaltet. Das ihm entsprechende Element Quecksilber galt lange als die Quintessenz der Alchemie, die auch als hermetische Kunst aufgefasst wurde. Bei Kircher werden im Unterschied zu Dees

zusätzlich die Plane-tensphären im Zirkel dargestellt, sowie die ägyptischen Götter Osiris (links, mit dem Element Aqua gleichgesetzt), Isis (unten, Element Terra) und Horus (rechts, Element Aer). Darüber fi ndet sich eine gehörnte Figur, die mit Feuer (Ignis) gleichgesetzt ist. Es ist nicht abwegig, die Figur am oberen

dar. Die Sichelform im Kreis über dem Kreuz ist bei Kircher im Unterschied zu Dee schattiert und daher ebenfalls als Horn erkenntlich. Verschiedene Hörner fi nden sich ebenfalls in drei der vier Felder um das Kreuz herum. Dies kann sowohl auf den gehörnten griechischen Gott Pan als auch auf den Teufel hindeuten. In jedem Fall stellt das Symbol eine Vereinigung christ-licher und heidnischer Kosmologie dar.

DR. JOHN DEE (* 13. JULI 1527 IN LONDON; GEST. 1608 IN MORTLAKE-SURREY) WAR EIN BEKANNTER ENGLISCHER MATHEMATIKER, ASTRONOM, ASTROLOGE, GEOGRAPH, MYSTIKER UND BERATER DER KÖNIGIN ELISABETH I.

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Page 3: Vorn Kircher

PETER LORENZ BLACK AND WHITE ABSTRACTS #3, 2010

Kirchers Kernprojekt blieb jedoch die Entschlüsselung der Hierogly-phen, welche er auf Artefakten vorfand. Um diese zu bewerkstelli-gen, bediente er sich einer beson-ders ausgefeilten oder eben phan-tastischen Strategie. Waren die Hieroglyphen wirklich die Urschrift, so mussten sie die Dinge bei ihrem wirklichen Namen nennen. Dies war zumindest nach der Genesis die Eigenschaft der Ursprache und auch der Grund dafür, weshalb sich die kabbalistische Philosophie für die Ursprache – LINGUA ADAMICA – interessierte. Im Hinblick auf das

Hebräische vertrat Kircher die These, dass eine abstra-hierte Form d e s s e l b e n direkt aus den Ster-n e n k o n -stellatio-nen abge-leitet sei, wie dies in Abb. 5 darge-stellt wird. Er spricht hier von einer „Engelsschrift“.

Weiter machte er eine Analogie zwischen

Ti e r fo r m e n , dem Kopti-

schen und Altgriechi-schen aus (Abb. 6).

Der gebogene Hals eines Vogelswird zum Omikron (V), die Zick-zacklinie einer Schlange zum Zeta (XII). China hielt er für eine ägyp-tische Kolonie, den mythischen ersten chinesischen Kaiser Fuxi setzte er mit dem ägyptischen Hermes Trismegistos gleich. Auch eine Deutung des Chinesischen konnte also Rückschlüsse auf die Hieroglyphen liefern. In Abb. 7 ent-wickelt Kircher chinesische Schrift-zeichen aus Pfl anzen und Samen. In Abb. 8 leitete er chinesische Schriftzeichen aus den Formationen von Tierherden ab.

ABB. 5: PROTO-HEBRÄISCHE STERNENSCHRIFT

ABB. 6: KOPTISCHE UND GRIECHISCHE BUCHSTABEN AUS DER TIERSCHRIFT ENTWICKELT

ABB. 7 UND 8: DIE ENTWICKLUNG CHINESISCHER SCHRIFTZEICHEN AUS PFLANZEN (LINKS UNS MITTE) UND TIERHERDEN (RECHTS)

Gegenüber Kirchers komplexer Herangehensweise nehmen sich seine einzelnen Interpretationen fast schon trivial aus. Im prächtig ausgestatteten dritten Band des OEDIPUS AEGYPTIACUS interpretierte er schließlich mehrere Artefakte wie die MENSA ISIACA sowie alle Obelisken Roms mit seinem System. Die MENSA ISIACA (Abb. 1) ist für ihn das wichtigste ägyptische Zeugnis, die Aegypticae Theologiae summa, in der das dargelegt ist, was er als die Geheimlehre der Ägypter versteht. Die Dreiteilung der Tafel entspreche der Trinität, von Isis in der Mitte ausgehend komme der Same alles Lebendigen. Die beiden abgetrennten Felder rechts und links im Mittelstreifen werden unabhängig interpretiert. Das linke Feld, die Trias Azonica Hecatina (L,M,N), symbolisiere drei geistige Kräfte, die als männlich, weiblich und als Hyle interpretiert und mit unter-schiedlichen Triaden von griechischen, lateini-schen und ägyptischen Götternamen bezeichnet werden, unter anderem Serapis, Bacchus und Osiris. Die Gestalten im rechten Feld bedeuteten in her-

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metischer Terminologie Pater , Mens , Potentia und stellten insgesamt die Quelle der Trias von

Glaube, Hoffnung und Liebe dar. Auch in der Inter-pretation der Obelisken, etwa demjenigen aus dem Besitz Girolami Vecchiettis, verkannte Kircher die Tatsache, dass es sich bei den meisten der in Italien aufgestellten Obelisken um Fälschungen handelte, deren Inschriften ohne Kenntnis von Hieroglyphen angefertigt worden waren. Im unmittelbaren historischen Umfeld wurden die Deutungen den-noch mit Begeisterung aufgenommen. Die Hierogly-phen galten als entziffert. Bedenkt man, dass Kircher echte und falsche Hieroglyphen, sowie chinesische, griechische und sogar aztekische Zeug-nisse nach denselben Mustern interpretierte, dann besteht Kirchers Beitrag zur Wissenschaft eher in einer allgemeinen Formenlehre der Reli-gionswissenschaft. Er blieb zwar besonders wegen seines Interesses für schwarze Magie eine streit-bare Figur, doch viele hielten ihn für einen genialen Ägyptologen.