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Vorwort Wolfgang H. Müller, Ferdinand Ferber Technische Mechanik für Ingenieure ISBN: 978-3-446-41423-5 Weitere Informationen oder Bestellungen unter http://www.hanser.de/978-3-446-41423-5 sowie im Buchhandel. © Carl Hanser Verlag, München

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Page 1: Vorwort Wolfgang H. Müller, Ferdinand Ferber Technische ......der einsemestrigen Veranstaltungen Mechanik A (Statik) und Mechanik B (elementare Festig keitslehre), wie sie an der

Vorwort

Wolfgang H. Müller, Ferdinand Ferber

Technische Mechanik für Ingenieure

ISBN: 978-3-446-41423-5

Weitere Informationen oder Bestellungen unter

http://www.hanser.de/978-3-446-41423-5

sowie im Buchhandel.

© Carl Hanser Verlag, München

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Vorwort

Why, anybody can have a brain. That's a very mediocre commodity. Everypusillanimous creature that crawls on the Earth or slinks through slimyseas has a brain. Back where I come from, we have universities, seats ofgreat learning, where men go to become great thinkers. And when theycome out, they think deep thoughts and with no more brains than you have.But they have one thing you haven’t got: a diploma.Frank Morgan in ‘The Wizard of Oz’, 1939

Unser Buch zu den Grundlagen der Technischen Mechanik ist das Resultat von Vorlesungenüber viele Jahre, die wir an der Universität Paderborn, der Heriot-Watt University in Edinburghund seit neuestem auch an der Technischen Universität Berlin gehalten haben. Letztendlichjedoch geht der Text auf Ideen und Anregungen zurück, die aus den Notizen und Vorlesungenvon Herrn Professor Helmut Wild, Paderborn, stammen. Ihm sei an dieser Stelle besondersherzlich gedankt. Der hier präsentierte Stoff bietet Material für das Ingenieurgrundstudium andeutschsprachigen Universitäten und Technischen Hochschulen und deckt sich mit dem Inhaltder einsemestrigen Veranstaltungen Mechanik A (Statik) und Mechanik B (elementare Festig-keitslehre), wie sie an der Universität Paderborn Studenten des Maschinenbaus hören, sowieder einsemestrigen Vorlesungen Mechanik 1 (Einführung in die Statik und Festigkeitslehre),Mechanik 2 (Reibung, Stabilität, elementarer Energiesatz, Massenpunkt- und 2D-Starrkörper-dynamik, Schwingungen) und schließlich Mechanik 3 (Kontinuumsmechanik, insbesondereGrundlagen der Elastizitätstheorie, Kontinuumsschwingungen und Hydromechanik sowieEnergieprinzipe und höhere Dynamik), wie sie für Studenten des Maschinenbaus, des Ver-kehrswesens und der Physikalischen Ingenieurwissenschaft an der Technischen Universität inBerlin derzeit vorgeschrieben sind.

Viele waren an der Entstehung dieses Buches sowie der begleitenden Software aktiv beteiligt,Studenten, Assistenten, technisches und nicht-technisches Personal. Ohne sie wäre diese Arbeitnicht vollendet worden. Ein besonderes Dankeschön gilt den Helfern aus jüngster Zeit, KarinBethke, Dipl.-Ing. (FH) Guido Harneit, Berrit Krahl, cand. ing. Manuela Krüger sowie Ingeni-eur Hadi Sawan, cand. ing. Torsten Schneider und Ingenieur Firas Seifaldeen. Die Erstellungder CD erfolgte durch die cand. Wirt.-Ing. Isabel Koke, Volker Huneke sowie Herrn LudgerMerkens. Aufgaben zum Dynamikteil sind auf der CD im Moment nur rudimentär vorhanden.Dass hierzu überhaupt Material existiert, ist Herrn Dipl.-Math. Stefan Neumann von der Uni-versität Paderborn zu verdanken. Herrn Kollegen Prof. Dr.-Ing. Albert Duda ist für die kriti-sche Durchsicht des Manuskripts und viele Verbesserungsvorschläge zu danken.

Unter den angehenden Ingenieuren ist die Technische Mechanik ein notorisch unbeliebtesStudienfach. Nicht zuletzt aufgrund der ihr eigenen mathematisch-formalen Struktur gilt sieals „theoretisch“ und „unpraktisch“, ja, bei nicht wenigen ist sie sogar als „altmodischer“,den Erfordernissen modernen Ingenieurwesens nicht länger gerecht werdender Ballast ver-schrien. Dies ist jedoch ein Irrtum, denn die tägliche Ingenieurpraxis zeigt, dass neue Kon-struktionen, im Mikro- wie im Makrobereich, zur Bestimmung ihrer Zuverlässigkeit die klassi-

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VorwortVI

schen Konzepte der Mechanik benötigen und sich die Totgesagte somit bester Gesundheiterfreut und bei der Herstellung besserer technischer Produkte hilft. Die Konzepte der Techni-schen Mechanik zu kennen, zu beherrschen und anzuwenden ist leider nur durch Übung mög-lich. Dies erfordert Geduld und Ausdauer und zwar von beiden Seiten, den Lernenden und denLehrenden. Zum Trost sollten die Studenten bedenken, dass am Ende der geistigen Anabasisauch ihnen als Lohn ein Diplom winkt, dessen Bedeutung für unser Leben schon der Wizard ofOz richtig einzuschätzen wusste.

Überhaupt, dass der angehende Ingenieur es nicht immer leicht hat, wurde bereits von ThomasMann in seinem Roman „Der Zauberberg“ bemerkt. So erwähnt eine der Hauptfiguren desRomans, Hans Castorp, zu seinem behandelnden Arzt, Dr. Krokowski, beiläufig, dass er geradesein Examen bestanden hätte: „Was für ein Examen haben Sie abgelegt, wenn die Frageerlaubt ist?“ „Ich bin Ingenieur, Herr Doktor“, antwortete Hans Castorp mit bescheidenerWürde. „Ah, Ingenieur“! Und Dr. Krokowskis Lächeln zog sich gleichsam zurück, büßte anKraft und Herzlichkeit für den Augenblick etwas ein. „Das ist wacker. Und Sie werden hieralso keinerlei ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen, weder in körperlicher noch inpsychischer Hinsicht?“ „Nein, ich danke tausendmal!“ sagte Hans Castorp und wäre fasteinen Schritt zurückgewichen.

Eines darf abschließend ohne zu zaudern festgestellt werden: Das rechtzeitige Studium diesesBuches inklusive Bearbeitung der auf der CD angebotenen Übungen vor der Klausur, bewahrtvor dem Zauberberg und der Inanspruchnahme ärztlicher, insbesondere psychiatrischer Hilfe.

Sommer 2003 Wolfgang H. MüllerFerdinand Ferber

Vorwort zur 2. Auflage

Always acknowledge a fault. This will throw those in authority off theirguard and give you an opportunity to commit more.Mark Twain

Unser Buch zu den Grundlagen der Technischen Mechanik erscheint in der zweiten Auflage,und dies gibt uns Gelegenheit zahlreiche Irrtümer zu beseitigen (und höchstwahrscheinlichneue zu begehen). In jedem Fall wollen wir allen Kollegen und Studenten danken, die uns aufdiverse Druckfehler und Unzulänglichkeiten aufmerksam gemacht haben. Besonderer Dankgilt den Emeriti Professor Erich Wolf von der Technischen Universität Berlin und ProfessorHelmut Wild von der Universität Paderborn, wobei letzterer grundlegend bis einschließlichKapitel 10 mitgewirkt hat.

Manche Fragen wurden uns öfter gestellt, so zum Beispiel die nach dem Sinn, in einem Anfän-gerlehrbuch Grundzüge der Kontinuumsmechanik sowie die Prinzipe der Mechanik vorzustel-

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Vorwort VII

len. Dies hätte mitten im Lehrbuch einen deutlichen Sprung im Schwierigkeitsgrad zur Folgeund gehöre eigentlich auch gar nicht zur Ingenieurmechanik. Unsere Antwort darauf ist, dassmit Beginn des dritten Semesters die Ingenieursstudenten mathematisch genügend vorgebildetsein müssen, um anspruchsvollerem Stoff zu folgen. Außerdem ist beides die Grundlage für eintiefergehendes Verständnis moderner finite Elementprogramme, mit denen sich heutzutagejeder Ingenieur früher oder später auseinander zu setzen hat. Weiteres Lob und auch Kritik galtden Minibiographien der im Text vorkommenden Wissenschaftler. Selbstverständlich ging esuns nicht darum, einen vollständigen Einblick in das Leben und Schaffen dieser Persönlichkei-ten zu geben. Die Intention war vielmehr zu zeigen, dass es sich bei ihnen letztendlich umMenschen handelt, bzw., um mit Eugen Roth zu sprechen, oft sogar um Unmenschen. Diesesrechtzeitig zu erkennen, sollte gerade der jungen Generation ermöglicht und nicht verheimlichtwerden. Schließlich wurden „mehr Übungsaufgaben“ gewünscht. Um das vorliegende Buchnicht unnötig aufzublasen, haben wir uns entschlossen, ein separates Übungsbuch zu verfassen.Darin wird man auch die vielvermisste Koppeltabelle zur Berechnung von Verschiebungen undReaktionen in statisch bestimmten und unbestimmten Systemen nach dem Prinzip der virtuel-len Kräfte finden.

Abschließend gilt unser Dank noch allen Helfern, insbesondere Herrn Dipl.-Ing. Guido Harneitsowie Herrn Dipl.-Phys. Jochen Horn vom Carl Hanser Verlag.

Sommer 2004 Wolfgang H. MüllerFerdinand Ferber

Vorwort zur 3. Auflage

Neue Studienabschlüsse geben Gelegenheit zur Revision und Neuordnung von Lehrinhaltenund – darauf aufbauend – zur Umgestaltung von Lehrbüchern. Dies gilt insbesondere für dieTechnische Mechanik: Seit zwei Semestern haben Bachelor- und Masterstudiengänge an denmeisten Technischen Universitäten Einzug gehalten und den Stundenanteil der Lehre in denTeilgebieten Statik, elementare Festigkeitslehre, Dynamik, Kontinuumsmechanik (Grundlagen)und Energieprinzipe (statisch unbestimmte Systeme, Vorbereitung der Methode der finitenElemente) nicht gerade weiter erhöht. Gleichzeitig stellen die verschiedenen Disziplinen in denIngenieurwissenschaften teilweise einander widersprechende Anforderungen an die Mechani-ker. So wäre es den Bauingenieuren beispielsweise lieb, dass weiterhin die graphischen Ver-fahren der Statik gelehrt würden, die Umformtechniker hätten dagegen eher die Betonung aufder Festigkeitslehre, etc.

Mit der vorliegenden Neuauflage haben wir versucht, diesen divergenten Strömungen gerechtzu werden. Dabei sind wir zunächst einmal von den Verhältnissen an der TU Berlin wie folgtausgegangen: Die oben genannten fünf Teilgebiete werden als vier Module (Statik und elemen-tare Festigkeitslehre werden als ein Modul behandelt) für das Bachelorstudium in jedem Se-

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VorwortVIII

mester angeboten und von insgesamt vier Mechanikprofessuren im Wechsel betreut. Sie habenim Falle der Statik, elementaren Festigkeitslehre sowie Dynamik einen Umfang von vier Vor-lesungs- und zwei Übungsstunden. Für die Module Kontinuumsmechanik und Energieprinzipesind jeweils zwei Vorlesungs- und 2 Übungsstunden angesetzt. Im Wintersemester stehen etwa16 und im Sommersemester 15 Wochen für die Lehre zur Verfügung (Feiertage berücksichti-gend).

An anderen Hochschulen wird die Statik, Festigkeitslehre und Dynamik auf mehr als zweiSemester verteilt, bei insgesamt etwa gleichem Stundenumfang. Kontinuumsmechanik sowieEnergieprinzipe findet man dort auch oft unter dem Titel „Höhere Festigkeitslehre“, so dass diein diesem Buch präsentierten Inhalte auch anderswo direkt verwendet werden können.Unsere Erfahrung in der Lehre hat gezeigt, dass dann auch noch Zeit bleibt, um einige der imBuch grau umrandeten Themen zu behandeln, welche unserer Meinung nach zusätzliche,durchaus wünschenswerte Informationen für die Studierenden bereitstellen und den Anforde-rungen anderer Disziplinen gerecht werden.

Wir trauern um unseren Kollegen und engen Freund Prof. Dr. rer. nat. Thorsten Hampel, derwährend der Arbeiten zur Fertigstellung der dritten Auflage dieses Buches plötzlich und un-erwartet verstorben ist. Thorsten Hampel ist uns seit vielen Jahren eng verbunden gewesen. Erhat nicht nur den Begriff, sondern auch die Philosophie mechANIma – Mechanik und Anima-tion – entscheidend geprägt und seit Beginn der multimedialen Aufarbeitung der Themen derTechnischen Mechanik maßgebend mitgewirkt. Er war Ideengeber und Motor mit einer beson-deren Begabung, junge Menschen zu motivieren und zu kreativer Arbeit anzuleiten. Er wirduns sehr fehlen.

Abschließend gilt unser Dank noch allen unseren studentischen Helfern, nämlich den Damenund Herren cand.-Ing. Matti Blume, Claudia Gertheinrich, Anna Japs, Anja Klinnert, VolkerMarholt, Matthias Markgraf, Christoph Menzel, Frau Dipl.-Wirt.-Ing. Isabel Koke und HerrnDipl.-Ing. Guido Harneit (für die Rechneradministration und Softwareunterstützung) sowie –last but not least – Herrn Dipl.-Phys. Jochen Horn vom Carl Hanser Verlag.

Sommer 2008 Wolfgang H. MüllerFerdinand Ferber

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Leseprobe

Wolfgang H. Müller, Ferdinand Ferber

Technische Mechanik für Ingenieure

ISBN: 978-3-446-41423-5

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1 Statik

1.1 Grundbegriffe

1.1.1 Zum Kraftbegriff

Die Kraft ist eine sogenannte primitive, d. h. keiner weiteren

Erklärung bedürfende Größe. Sie ist das Resultat geistiger Abs-

traktion, basierend auf unserer täglichen Erfahrung, wobei wir

Kräfte nicht direkt beobachten können, sondern lediglich aus ih-

rer Wirkung auf ihre Existenz schließen. Man denke hierbei et-

wa an die Verformung einer Feder, an die Dehnung eines Stabes

oder auch an die Muskelspannung, die wir fühlen, wenn wir

Kräfte ausüben.

Eine Kraft ist durch drei Eigenschaften bestimmt, durch ihren

Betrag, ihre Richtung und ihren Angriffspunkt.

Der Betrag ist ein Maß für die Größe der wirkenden Kraft. Ein

qualitatives Gefühl hierfür vermittelt die unterschiedliche Mus-

kelspannung, die wir empfinden, wenn wir zum Beispiel ver-

schiedene Körper heben. Wir bezeichnen den Betrag der Kraft

mit dem Symbol F (von englisch force). Gemessen werden kann

der Betrag F einer Kraft, indem man ihn mit der Schwerkraft,

etwa mit geeichten Gewichten, vergleicht. Als Maßeinheit für

den Betrag der Kraft verwendet man das Newton mit dem

Kurzzeichen N. In der Technik benutzt man gern auch Vielfache

der Einheit, wie beispielsweise das Kilonewton kN, was 1000 N

entspricht.

Dass eine Kraft eine Richtung hat, ist auch intuitiv klar.

Schließlich wirkt z. B. das Gewicht eines Körpers immer lot-

recht nach unten, und es macht sicher einen Unterschied, mit

welchem Winkel man bei betragsmäßig gleich bleibender Kraft

auf einen Körper drückt oder an ihm zieht (siehe Abbildung

1.1.1).

Außerdem ist der Angriffspunkt der Kraft von Bedeutung, wie

exemplarisch in Abbildung 1.1.1 zu sehen ist: Abhängig davon,

wo sich der Angriffspunkt A der Kraft an der Kiste befindet,

wird, trotz betragsmäßig gleich bleibender Kraft, eine unter-

schiedliche Wirkung auf die Kiste erzeugt.

Wir fassen diese intuitiv klaren Aussagen in folgendem Satz zu-

sammen:

Die Kraft ist ein gebundener Vektor.

Abb. 1.1.1: Richtung

und Angriffspunkt einer

Kraft.

F

A

F

A

F

A

FA

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2 1.1 Grundbegriffe

Das Adjektiv gebunden bedarf einer näheren Erklärung: Einen

freien Vektor kann man im Raum zu sich selbst beliebig parallel

verschieben. Dieses ist bei einem Kraftvektor nicht erlaubt. Die

Kraft ist an ihre Wirkungslinie gebunden und besitzt darüber

hinaus einen klar zu spezifizierenden Angriffspunkt.

Entsprechend der in der Vektorrechnung üblichen Symbolik

wollen wir für den Kraftvektor das Symbol F verwenden. Der

Betrag der Kraft ist durch das Symbol F (ohne Unterstrich) ge-

kennzeichnet.

In Abbildung 1.1.2 ist ein Kraftvektor F zu sehen, der in einem

Punkt A eines Körpers im Raum angreift. Außerdem ist ein

rechtwinkliges kartesisches Koordinatensystem eingezeich-

net, das durch Einheitsvektorenx

e ,y

e undz

e aufgespannt

wird. Die Indizes x , y und z kennzeichnen dabei die drei

Raumrichtungen. Man sieht, dass der Kraftvektor gegen die drei

Koordinatenachsen unter den Winkeln α , β und γ geneigt ist.

Aus rechentechnischen Gründen ist es sehr oft günstig, den

Kraftvektor hinsichtlich eines Koordinatensystems darzustellen,

also aufzuspannen. Dazu projiziert man den Kraftvektor F auf

die drei aufeinander senkrecht stehenden Achsenrichtungen und

erhält so die drei Vektorenx

F ,y

F undz

F . Hierfür kann man

mit den zuvor erwähnten Einheitsvektorenx

e ,y

e undz

e

schreiben:

( )zyxzzyyxxzyx

FFFeFeFeFFFFF ,,=++=++= . (1.1.1)

y

F

x

F

z

F

z

y

x

α

γ

β

x

e

y

e

z

e

F

A

Abb. 1.1.2: Kraftvektor, im Raum aufgespannt

im kartesischen Dreibein.

PYTHAGORAS VON SAMOS

(580 – 500 v.u.Z.) war vor-

nehmlich Philosoph und

Mystiker mit einer starken

Neigung zu Mathematik,

Astronomie, Musik, Heil-

kunde, Ringkampf und der

Politik. Durch Letzteres er-

eilt ihn im Jahre 532 vor

Christus das Schicksal eines

politischen Flüchtlings. Er

verlässt Samos, um der dor-

tigen Tyrannei zu entgehen,

und zieht nach Süditalien.

In Croton gründet er seine

berühmte philosophische

und religiöse Schule, und er

schart Anhänger um sich,

die sogenannten Pythago-

reer. Der nach ihm benann-

te Satz war tausend Jahre

zuvor bereits den Babylo-

niern bekannt gewesen und

diente diesen praktischen

Leuten zur Feldvermes-

sung. PYTHAGORAS jedoch

war vielleicht einer der Ers-

ten, die sich auch für einen

Beweis „seines“ Satzes in-

teressierten. Über Details

seiner eigenen wissen-

schaftlichen Arbeiten ist

nicht allzu viel bekannt,

denn die pythagoreische

Schule gab sich erstens

nach außen hin verschlos-

sen und zweitens ist es bei

Teams ja ohnehin nicht

immer einfach, den konkre-

ten Beitrag des Einzelnen

auszumachen. Überhaupt

glaubten die Pythagoreer

zunächst einmal an die

„Kraft der ganzen Zahl“

und hofften, Naturvorgänge

durch harmonische Zahlen-

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1.1.2 Einteilung der Kräfte, das Schnitt- und das Wechselwirkungsprinzip 3

Dabei befolgen wir eine Grundregel der Vektoraddition, wo-

nach gilt, dass Vektoren (hierx

F ,y

F undz

F ) dadurch addiert

werden, dass man bei der Addition das Ende des Vektors an den

Kopf desjenigen Vektors hängt, zu dem er addiert werden soll.

Man nennt die Größenx

F ,y

F undz

F auch die kartesischen

Komponenten des Vektors F . Es ist üblich, sie in einer Zeile

( )zyx

FFF ,, (manchmal auch als Spalte geschrieben) zusam-

menzufassen. Merke, dass es sich dabei lediglich um alternative

Schreibweisen ein- und desselben Objekts F handelt. Man be-

achte, dass die Reihenfolge, in der das Aneinanderketten der

Teilvektorenx

F ,y

F undz

F erfolgt, beliebig ist und immer

zum gleichen Endresultat führt. Dies entspricht dem Kommuta-

tiv-(=Vertauschbarkeits-) Gesetz der Vektoraddition.

Nach dem Satz des PYTHAGORAS im Raum lässt sich der Betrag

F des Vektors F wie folgt durch die kartesischen Komponen-

ten ausdrücken:

222

zyx

FFFF ++= . (1.1.2)

Schließlich kann man die Richtungswinkel α , β und γ mit den

Komponenten und dem Betrag des Kraftvektors F in Verbin-

dung bringen:

( ) ( ) ( )

F

F

F

F

F

Fz

yx

=== γβα cos,cos,cos . (1.1.3)

Beide Gleichungen lassen sich mithilfe der Abbildung 1.1.2 be-

weisen.

1.1.2 Einteilung der Kräfte, das Schnitt-

und das Wechselwirkungsprinzip

In der Mechanik ist es üblich, Kräfte nach verschiedenen Ge-

sichtspunkten einzuteilen. Entsprechend haben sich diverse Be-

griffe eingebürgert, die man kennen sollte, um die einschlägige

Literatur zu verstehen, und die im Folgenden erläutert werden

(vgl. auch Abbildung 1.1.3).

Die Einzellast: Hierunter versteht man das idealisierte Konzept

einer punktförmig angreifenden Kraft. Man könnte sie dadurch

näherungsweise erzeugen, dass man den Körper mit einer Na-

delspitze oder über einen dünnen Draht belastet.

verhältnisse darstellen zu

können, gleichgültig ob es

sich dabei um astronomi-

sche oder musikalische

Probleme handelte. Leider

entdeckten sie bei ihren

Forschungen, dass die Dia-

gonale eines Quadrates

nicht als rationales Vielfa-

ches darstellbar ist, d. h., sie

wurden plötzlich mit dem

Phänomen der irrationalen

Zahl konfrontiert. Dies gab

bei ihnen und anderen grie-

chischen Mathematikern zu

größerer Unruhe Anlass,

wie es bei Menschen, die

mit Neuem konfrontiert

werden, auch heute noch

durchaus geschieht. Bemer-

kenswert scheint, dass die

Ideen oder besser gesagt die

Wunschvorstellungen der

Pythagoreer bis zum Be-

ginn der modernen Natur-

wissenschaften ihre Kraft

behielten. So versuchte

noch KEPLER in seinem

Werk „Harmonices Mundi“

der Natur zunächst mensch-

liche Harmonievorstellun-

gen zu oktroyieren, ver-

schrieb sich aber schließlich

dann doch einer mehr ratio-

nal geprägten Weltsicht,

wie seine Auswertung ex-

perimenteller Daten Tycho

DE BRAHES bezeugt, was

ihn schließlich auf die Be-

wegungsgesetze der Plane-

ten brachte.

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4 1.1 Grundbegriffe

FEinzellast:

Die Linienkraft oder Streckenlast: Hierbei handelt es sich um

Kräfte, die entlang einer Linie kontinuierlich verteilt sind. Nähe-

rungsweise erzeugen lassen sie sich dadurch, dass man etwa mit

einer dünnen Schneide oder einem Draht gegen einen Körper

drückt.

Die Volumenkraft: Hierunter versteht man Kräfte, die über das

Volumen eines Körpers angreifen, wie zum Beispiel das Ge-

wicht oder elektromagnetische Kräfte.

Die Oberflächenkraft: Diese tritt in der Berührungsfläche

zweier Körper auf. Beispiele sind der Wasserdruck auf eine

Staumauer oder der Druck einer Panzerkette auf den Boden.

Eingeprägte Kräfte: Diese greifen in vorgegebener Weise an

einem physikalischen System an, wie etwa das Gewicht oder der

Druck einer Nadel auf die Oberfläche eines Körpers bzw. eine

Schneelast auf einem Dach usw.

Reaktions- oder Zwangskräfte: Diese entstehen, wenn man ei-

nem durch eingeprägte Kräfte beeinflussten System seine Be-

wegungsfreiheit nimmt. Man denke an einen fallenden Stein, auf

den nur sein eigenes Gewicht wirkt. Hält man den Stein in der

Hand, so ist seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt, indem man

durch die Hand eine dem Gewicht entgegengesetzte Reaktions-

bzw. Zwangskraft ausübt.

Reaktionskräfte lassen sich dadurch sichtbar machen, dass man

den Körper von seinen geometrischen Bindungen löst, ihn sozu-

sagen freimacht bzw. freischneidet. Diese in der Mechanik

überaus wichtige Technik des Freischnitts soll im Folgenden an

einem Beispiel erläutert werden.

Betrachte den in Abbildung 1.1.4 dargestellten Balken, der

durch eine eingeprägte Kraft F belastet ist und auf zwei Stüt-

zen, den sogenannten Auflagern, ruht. Diese sind offensichtlich

Bindungen, die den Balken an der Bewegung hindern, und wir

befreien uns von ihnen, indem wir an ihrer Stelle zwei Reakti-

ons- bzw. Freischnittskräfte, genannt ( )AyAxA

FFF ,= und

( )BB

FF ,0= , anbringen. Dieses führt auf das Freikörperbild

Linienkraft:

Abb. 1.1.3: Zum Begriff

der Einzellast oder

Linienkraft.

Streckenlast:

F

0

q

0

q

Abb. 1.1.4: Zum Begriff des Freischnitts.

A B

F

Ax

F

AyF

B

F

F

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1.1.2 Einteilung der Kräfte, das Schnitt- und das Wechselwirkungsprinzip 5

oder auch kurz den Freischnitt, der rechts in Abbildung 1.1.4 zu

sehen ist.

Äußere und innere Kräfte: Wie der Name sagt, wirkt eine äuße-

re Kraft von außen auf ein mechanisches System. Sowohl ein-

geprägte als auch Reaktionskräfte sind Beispiele äußerer Kräfte.

Innere Kräfte erhält man durch gedankliches Zerteilen bzw.

Schneiden des Körpers. Dieses ist in Abbildung 1.1.5 erläutert:

Führt man durch den belasteten Körper einen Schnitt, so ist es,

um das Gleichgewicht zu wahren, nötig, an Stelle der inneren

Bindung durch das Material geeignete, flächenförmig verteilte,

eben innere Schnittkräfte aufzuprägen.

Man beachte, dass die Einteilung in innere und äußere Kräfte

davon abhängt, welches System untersucht wird. Fassen wir et-

wa den Gesamtkörper in Abbildung 1.1.5 als ein System auf, so

sind die durch den Schnitt freigelegten Kräfte innere Kräfte. Be-

trachten wir dagegen die gezeichneten Teilkörper 1 oder 2 je-

weils als ein System, so sind alle dargestellten Kräfte äußere

Kräfte.

F

Im Zusammenhang mit dem Freischnitt von Kräften bzw. mit

dem Schnittprinzip ist das sogenannte Wechselwirkungsgesetz,

auch actio = reactio-Prinzip, von entscheidender Bedeutung.

Es besagt, dass zu jeder Kraft immer eine gleich große, aber

Abb. 1.1.6: Zum Wechselwirkungsgesetz, actio = reactio-Prinzip.

A

F

F

1 2

B

FA

F

F

Schnitt

B

F

Abb. 1.1.5: Zum Begriff der inneren Kraft und des Schnittprinzips.

Schnitt

FFF

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6 1.2 Kräfte in einem Angriffspunkt

entgegengesetzte Gegen- bzw. Reaktionskraft gehört. Dieses

aus der Erfahrung begründete Prinzip ist in Abbildung 1.1.6 il-

lustriert: Der gezeigte Drucklufthammer übt auf eine Wand eine

Kraft F aus. Eine gleich große, aber entgegengesetzte Kraft

wird aber auch von der Wand auf den Hammer ausgeübt. Beide

Kräfte kann man dadurch sichtbar machen, dass man, wie ge-

zeigt, an der Kontaktstelle freischneidet. Ein anderes Beispiel

für das actio= reactio-Prinzip ist in Abbildung 1.1.7 gezeigt:

Aufgrund der Gravitation hat ein Körper auf der Erde ein Ge-

wicht G . Dieses ist die Anziehungskraft, welche die Erde auf

ihn ausübt. Umgekehrt wirkt auch der Körper mit einer gleich

großen, aber entgegengerichteten Kraft auf die Erde, beide Kör-

per ziehen einander an.

actio = reactio: Die Kräfte, die zwei Körper aufeinander aus-

üben, sind gleich groß, entgegengesetzt gerichtet und liegen

auf der gleichen Wirkungslinie.

Wir fassen zusammen: Im Folgenden stellen wir uns die Aufga-

be, Reaktions- und Schnittkräfte für mechanische Systeme zu

berechnen, um danach die ihnen unterworfenen Körper entspre-

chend ihrer Materialfestigkeit korrekt dimensionieren zu kön-

nen.

1.2 Kräfte in einem Angriffspunkt

1.2.1 Zusammensetzen von Kräften

Betrachte Abbildung 1.2.1. Zwei Kraftvektoren, genannt1

F

und2

F , greifen in einem Punkt A eines Körpers an. Die Erfah-

rung zeigt, dass diese Kräfte durch einen einzigen Kraftvektor

R , die sogenannte Resultierende, ersetzt werden können. Die-

selbe ermittelt man dadurch, dass man, wie in Abbildung 1.2.1

zu sehen, die Kräfte zu einem Parallelogramm ergänzt. Die Dia-

gonale des Parallelogramms ist dann die erwähnte Ersatzkraft

R . Alternativ zur Parallelogrammkonstruktion ist die Vektor-

addition der Kräfte1

F und2

F zu sehen. Diese ist rechts in Ab-

bildung 1.2.1 dargestellt. Wie zuvor erwähnt, gilt die Grundre-

gel, Vektoren bei der Addition aneinanderzuketten, indem man

den Fuß des einen Vektors an den Kopf des anderen hängt. Da-

bei ist es gleichgültig, welche Reihenfolge man wählt. Auch das

ist aus Abbildung 1.2.1 ersichtlich.

Abb. 1.1.7: Zum Wech-

selwirkungsgesetz,

actio = reactio-Prinzip.

G

G

Schnitt

G

G