werbung für haartransplantation

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RECHTSPRECHUNG MedR 2003, Heft 4 223 Werbung für Haartransplantation UWG § 1; BO Bayern 1997 § 27 (i.d.F. v. 14. 10. 2001) Zur Frage, ob eine Anzeige, mit der ein gewerb- liches Unternehmen für sein Angebot von Haar-Trans- plantationen zur optischen Korrektur eines erblich be- dingten Haarausfalls wirbt, eine berufswidrige Wer- bung für eine an diesen Dienstleistungen mitwirkende Ärztin ist. BGH, Urt. v. 28. 3. 2002 – I ZR 283/99 (OLG Nürnberg) Zum Sachverhalt: Die Bekl. betreibt in N. in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine Praxis, in der u. a. in Fällen von erblich bedingtem Haarausfall Transplantationen von Ei- genhaar – als aus ästhetischen Gründen gewünschte optische Korrek- tur – durchgeführt werden. An den Eigenhaartransplantationen wirkt eine Vertragsärztin mit. Deren Aufgabe ist es, die örtliche Betäubung zu verabreichen, die haarwurzeltragenden Hautzylinder aus der Ge- berstelle zu entnehmen, diese zu verschließen und zu nähen, die Wundversorgung vorzunehmen und bei gesundheitlichen Störungen (Kollaps) einzugreifen. Die anderen bei einer Haartransplantation an- fallenden Tätigkeiten führen Angestellte der Bekl., insbesondere dafür ausgebildete Haarästhetiker, aus. Die Ärztin erhält jeweils eine Pau- schalvergütung. Auf Wunsch des Kunden ist auch die Heranziehung eines anderen Arztes möglich. In einer Zeitschriften-Anzeige warb die Bekl. unter der Überschrift „Haartransplantation, die überzeugt“ u. a. wie folgt: „Die Lösung heißt: Haare für immer durch Eigenhaartransplantation Wenn Ihr Haarkranz noch intakt ist, gibt es für Sie eine Lösung. Dann transplantiert ein erfahrenes Team von Ärzten und Haar- ästhetikern sorgsam Haar für Haar aus dem Haarkranz an die kahlen Stellen und verpflanzt damit die genetische Erbinformation: Haare wachsen für immer.“ Im übrigen wird auf die Tätigkeit eines Arztes im Zusammenhang mit der Haartransplantation in besagter Anzeige nicht Bezug genom- men. Die klagende Zentrale zur Bekämpfung Unlauteren Wettbewerbs e. V. beanstandete die Anzeige als wettbewerbswidrig. Sie werbe be- rufswidrig für ärztliche Leistungen, auch wenn die bei den Haartrans- plantationen mitwirkenden Ärzte nicht namentlich genannt würden. Die Bekl. gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, in der sie sich verpflichtete, „es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, insbesondere in einer Wer- bung für Haartransplantationen, zu behaupten, bei ihr transplantiere ein erfahrenes Team von Ärzten, gegebenenfalls im Zusammenwirken mit Haarästhetikern“. Die Kl. erhob daraufhin Klage und beantragte, die Bekl. zu verur- teilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Zeitungsanzeigen oder sonst werblich für ambulant durchgeführte ärztliche Leistungen auf dem Gebiet der Haartransplan- tation zu werben. Das LG gab der Klage statt. Im Berufungsverfahren gab die Bekl. eine weitergehende Unterlassungserklärung ab und ver- pflichtete sich, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wörtlich oder sinngemäß mit der Angabe, ein erfahrenes Team von Ärzten oder ein Arzt oder eine Ärztin ver- pflanze, eventuell mit Haarästhetikern, „sorgsam Haar für Haar“ aus dem Haarkranz an die kahlen Stellen und verpflanze damit die gene- tische Erbinformation „Haare wachsen für immer“, zu werben. Das OLG hat die Berufung der Bekl. im wesentlichen zurückge- wiesen. Die Revision der Bekl. hatte Erfolg. Aus den Gründen: II. […] 1. Die Bekl., die als Gesellschaft mit beschränkter Haf- tung den für Ärzte geltenden Werbebeschränkungen (nach § 27 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns v. 12. 10. 1997 i.d.F. v. 14. 10. 2001) selbst nicht unterliegt (vgl. BGH, Urt. v. 8. 6. 2000 – I ZR 269/97 –, GRUR 2001, 181, 184 = WRP 2001, 28 – dentalästhetika), haftet – ab- weichend von der Ansicht des Berufungsgerichtes – nicht als Störer für einen wettbewerbswidrigen Verstoß ihrer Vertragsärztin gegen diese Bestimmungen. Es fehlt bereits an einer berufswidrigen Werbung der Vertragsärztin, zu der die Bekl. als Störer beigetragen haben könnte (vgl. dazu BGH, Urt. v. 10. 11. 1999 – I ZR 121/97 –, GRUR 2000, 613, 615 f. = WRP 2000, 506 – Klinik Sanssouci). Die beanstandete Anzeige bewirbt, so wie sie nach Ab- gabe der strafbewehrten Unterlassungserklärungen zur Be- urteilung steht, nur die von der Bekl. als einem gewerb- lichen Unternehmen angebotenen Eigenhaar-Transplanta- tionen als solche. Sie beschreibt die Art und Weise der Be- handlung näher und stellt sie als eine sanfte Methode, die bei Ausführung durch Experten hervorragend funktioniere, heraus. Erscheint die Anzeige entsprechend der straf- bewehrt eingegangenen Unterlassungsverpflichtung der Bekl. nur noch ohne die Werbebehauptung, daß die Transplantation durch ein „erfahrenes Team von Ärzten und Haarästhetikern“ vorgenommen werde, kann dem An- zeigentext kein ausdrücklicher Hinweis mehr auf die Mit- wirkung eines Arztes, noch weniger eine Werbung gerade mit der Tätigkeit der Vertragsärztin, die zu Haar-Trans- plantationen jeweils hinzugezogen wird, entnommen wer- den. Die Vertragsärztin wird ebensowenig wie andere Mitar- beiter der Bekl. namentlich benannt. Es wird weder mit ihrer Person noch in besonderer Weise für die von ihr er- brachte Tätigkeit, die im Rahmen der von der Bekl. er- brachten Dienstleistungen ohnehin nur eine eher unterge- ordnete Bedeutung hat, geworben. Der Umstand allein, daß die Werbung auch der Vertragsärztin zugute kommt, weil sie zu Haar-Transplantationen jeweils gegen eine Pau- schalvergütung herangezogen wird, macht die Anzeige nicht zu einer berufswidrigen Werbung für ihre Tätigkeit (vgl. dazu auch BVerfG, NJW 2000, 2734). 2. Die Verurteilung der Bekl. zur Unterlassung kann auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund aufrecht erhal- ten werden. Die Kl. hat die Werbung der Bekl. mit der be- anstandeten Anzeige nur mit dem Vorbringen angegriffen, die Bekl. fördere eine berufswidrige Werbung ihrer Ver- tragsärztin. Unterlassungsansprüche aus anderem Rechts- grund, etwa wegen Irreführung (§ 3 UWG) darüber, daß die angebotenen Transplantationen nur teilweise in der Hand eines Arztes liegen, sind nicht Gegenstand des Klage- antrages. Eine Überprüfung der beanstandeten Anzeige von Amts wegen danach, ob nach den getroffenen Feststellungen der- Problemstellung: Der Deutsche Ärztetag 2002 hat die Möglichkeiten des Arztes, über sein berufliches Lei- stungsspektrum zu informieren, deutlich erweitert. Jeder Arzt kann die Öffentlichkeit über die apparative Ausstat- tung der Praxis und die durch die Praxis angebotenen ärztlichen Leistungen informieren. Das zu besprechende Urteil des BGH befaßt sich demgegenüber mit der Frage, inwieweit ein im Gesundheitswesen tätiger ge- werblicher Dienstleister Leistungen bewerben darf, die (auch) durch einen Arzt erbracht werden. Zwar ist das Urteil des BGH noch zu einer Zeit ergangen, als das alte Berufsrecht galt; dennoch ist es interessant, weil es die Grenze zwischen – marktschreierischer – Werbung und sachlicher Information durch den gewerblichen Dienst- leister markiert. Die Bewerbung einer gewerblichen Dienstleistung im Bereich des Gesundheitswesens ist da- nach nicht allein deshalb wettbewerbswidrig, weil hier- durch mittelbar auch die Leistung des Arztes, der zu- mindest teilweise an der gewerblichen Dienstleistung beteiligt ist, beworben wird.

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R E C H T S P R E C H U N G

MedR 2003, Heft 4 223

Werbung für HaartransplantationUWG § 1; BO Bayern 1997 § 27 (i.d.F. v. 14. 10. 2001)

Zur Frage, ob eine Anzeige, mit der ein gewerb-liches Unternehmen für sein Angebot von Haar-Trans-plantationen zur optischen Korrektur eines erblich be-dingten Haarausfalls wirbt, eine berufswidrige Wer-bung für eine an diesen Dienstleistungen mitwirkendeÄrztin ist.BGH, Urt. v. 28. 3. 2002 – I ZR 283/99 (OLG Nürnberg)

Zum Sachverhalt: Die Bekl. betreibt in N. in der Rechtsformeiner Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine Praxis, in der u. a. inFällen von erblich bedingtem Haarausfall Transplantationen von Ei-genhaar – als aus ästhetischen Gründen gewünschte optische Korrek-tur – durchgeführt werden. An den Eigenhaartransplantationen wirkteine Vertragsärztin mit. Deren Aufgabe ist es, die örtliche Betäubungzu verabreichen, die haarwurzeltragenden Hautzylinder aus der Ge-berstelle zu entnehmen, diese zu verschließen und zu nähen, dieWundversorgung vorzunehmen und bei gesundheitlichen Störungen(Kollaps) einzugreifen. Die anderen bei einer Haartransplantation an-fallenden Tätigkeiten führen Angestellte der Bekl., insbesondere dafürausgebildete Haarästhetiker, aus. Die Ärztin erhält jeweils eine Pau-schalvergütung. Auf Wunsch des Kunden ist auch die Heranziehungeines anderen Arztes möglich. In einer Zeitschriften-Anzeige warb dieBekl. unter der Überschrift „Haartransplantation, die überzeugt“ u. a.wie folgt:

„Die Lösung heißt:Haare für immer durch EigenhaartransplantationWenn Ihr Haarkranz noch intakt ist, gibt es für Sie eine Lösung.Dann transplantiert ein erfahrenes Team von Ärzten und Haar-

ästhetikern sorgsam Haar für Haar aus dem Haarkranz an die kahlenStellen und verpflanzt damit die genetische Erbinformation: Haarewachsen für immer.“

Im übrigen wird auf die Tätigkeit eines Arztes im Zusammenhangmit der Haartransplantation in besagter Anzeige nicht Bezug genom-men.

Die klagende Zentrale zur Bekämpfung Unlauteren Wettbewerbse. V. beanstandete die Anzeige als wettbewerbswidrig. Sie werbe be-rufswidrig für ärztliche Leistungen, auch wenn die bei den Haartrans-plantationen mitwirkenden Ärzte nicht namentlich genannt würden.

Die Bekl. gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärungab, in der sie sich verpflichtete, „es zu unterlassen, im geschäftlichenVerkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, insbesondere in einer Wer-bung für Haartransplantationen, zu behaupten, bei ihr transplantiereein erfahrenes Team von Ärzten, gegebenenfalls im Zusammenwirkenmit Haarästhetikern“.

Die Kl. erhob daraufhin Klage und beantragte, die Bekl. zu verur-teilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des

Wettbewerbs in Zeitungsanzeigen oder sonst werblich für ambulantdurchgeführte ärztliche Leistungen auf dem Gebiet der Haartransplan-tation zu werben. Das LG gab der Klage statt. Im Berufungsverfahrengab die Bekl. eine weitergehende Unterlassungserklärung ab und ver-pflichtete sich, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zuZwecken des Wettbewerbs wörtlich oder sinngemäß mit der Angabe,ein erfahrenes Team von Ärzten oder ein Arzt oder eine Ärztin ver-pflanze, eventuell mit Haarästhetikern, „sorgsam Haar für Haar“ ausdem Haarkranz an die kahlen Stellen und verpflanze damit die gene-tische Erbinformation „Haare wachsen für immer“, zu werben.

Das OLG hat die Berufung der Bekl. im wesentlichen zurückge-wiesen. Die Revision der Bekl. hatte Erfolg.

Aus den Gründen: II. […]1. Die Bekl., die als Gesellschaft mit beschränkter Haf-

tung den für Ärzte geltenden Werbebeschränkungen (nach§ 27 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns v. 12. 10.1997 i.d.F. v. 14. 10. 2001) selbst nicht unterliegt (vgl.BGH, Urt. v. 8. 6. 2000 – I ZR 269/97 –, GRUR 2001,181, 184 = WRP 2001, 28 – dentalästhetika), haftet – ab-weichend von der Ansicht des Berufungsgerichtes – nichtals Störer für einen wettbewerbswidrigen Verstoß ihrerVertragsärztin gegen diese Bestimmungen. Es fehlt bereitsan einer berufswidrigen Werbung der Vertragsärztin, zu derdie Bekl. als Störer beigetragen haben könnte (vgl. dazuBGH, Urt. v. 10. 11. 1999 – I ZR 121/97 –, GRUR2000, 613, 615 f. = WRP 2000, 506 – Klinik Sanssouci).

Die beanstandete Anzeige bewirbt, so wie sie nach Ab-gabe der strafbewehrten Unterlassungserklärungen zur Be-urteilung steht, nur die von der Bekl. als einem gewerb-lichen Unternehmen angebotenen Eigenhaar-Transplanta-tionen als solche. Sie beschreibt die Art und Weise der Be-handlung näher und stellt sie als eine sanfte Methode, diebei Ausführung durch Experten hervorragend funktioniere,heraus. Erscheint die Anzeige entsprechend der straf-bewehrt eingegangenen Unterlassungsverpflichtung der Bekl. nur noch ohne die Werbebehauptung, daß dieTransplantation durch ein „erfahrenes Team von Ärztenund Haarästhetikern“ vorgenommen werde, kann dem An-zeigentext kein ausdrücklicher Hinweis mehr auf die Mit-wirkung eines Arztes, noch weniger eine Werbung gerademit der Tätigkeit der Vertragsärztin, die zu Haar-Trans-plantationen jeweils hinzugezogen wird, entnommen wer-den.

Die Vertragsärztin wird ebensowenig wie andere Mitar-beiter der Bekl. namentlich benannt. Es wird weder mitihrer Person noch in besonderer Weise für die von ihr er-brachte Tätigkeit, die im Rahmen der von der Bekl. er-brachten Dienstleistungen ohnehin nur eine eher unterge-ordnete Bedeutung hat, geworben. Der Umstand allein,daß die Werbung auch der Vertragsärztin zugute kommt,weil sie zu Haar-Transplantationen jeweils gegen eine Pau-schalvergütung herangezogen wird, macht die Anzeigenicht zu einer berufswidrigen Werbung für ihre Tätigkeit(vgl. dazu auch BVerfG, NJW 2000, 2734).

2. Die Verurteilung der Bekl. zur Unterlassung kannauch nicht aus einem anderen Rechtsgrund aufrecht erhal-ten werden. Die Kl. hat die Werbung der Bekl. mit der be-anstandeten Anzeige nur mit dem Vorbringen angegriffen,die Bekl. fördere eine berufswidrige Werbung ihrer Ver-tragsärztin. Unterlassungsansprüche aus anderem Rechts-grund, etwa wegen Irreführung (§ 3 UWG) darüber, daßdie angebotenen Transplantationen nur teilweise in derHand eines Arztes liegen, sind nicht Gegenstand des Klage-antrages.

Eine Überprüfung der beanstandeten Anzeige von Amtswegen danach, ob nach den getroffenen Feststellungen der-

Problemstellung: Der Deutsche Ärztetag 2002 hatdie Möglichkeiten des Arztes, über sein berufliches Lei-stungsspektrum zu informieren, deutlich erweitert. JederArzt kann die Öffentlichkeit über die apparative Ausstat-tung der Praxis und die durch die Praxis angebotenenärztlichen Leistungen informieren. Das zu besprechendeUrteil des BGH befaßt sich demgegenüber mit derFrage, inwieweit ein im Gesundheitswesen tätiger ge-werblicher Dienstleister Leistungen bewerben darf, die(auch) durch einen Arzt erbracht werden. Zwar ist dasUrteil des BGH noch zu einer Zeit ergangen, als das alteBerufsrecht galt; dennoch ist es interessant, weil es dieGrenze zwischen – marktschreierischer – Werbung undsachlicher Information durch den gewerblichen Dienst-leister markiert. Die Bewerbung einer gewerblichenDienstleistung im Bereich des Gesundheitswesens ist da-nach nicht allein deshalb wettbewerbswidrig, weil hier-durch mittelbar auch die Leistung des Arztes, der zu-mindest teilweise an der gewerblichen Dienstleistungbeteiligt ist, beworben wird.

224 MedR 2003, Heft 4 Rechtsprechung

artige Verstöße vorliegen, scheidet schon deshalb aus, weiles sich dabei um gesonderte Streitgegenstände handelnwürde (vgl. dazu BGH, GRUR 2001, 181, 182 – dental-ästhetika; BGH, Urt. v. 7. 12. 2000 – I ZR 146/98 –,GRUR 2001, 755, 757 = WRP 2001, 804 – Telefonkarte,m.w.N.). […]

(Bearbeitet von Rechtsanwalt Dr. iur. Horst Bonvie, Colonnaden 72, D-20354 Hamburg)

Drittmitteleinwerbung und BestechlichkeitStGB §§ 331 a. F., 332 a. F.

1. Zum Sichbereitzeigen im Sinne des § 332 Abs. 3StGB.

2. Zur Abgrenzung der Bestechlichkeit von der Vor-teilsannahme bei der Einwerbung von Drittmitteln(Fortführung des Senatsurteils v. 23. 5. 2002 – 1 StR372/01 – [= MedR 2003, 41]).BGH, Urt. v. 23. 10. 2002 – 1 StR 541/01 (LG Ulm)

Zum Sachverhalt: Der Angekl. ist ordentlicher Professor an derUniversität U. und leitet die Abteilung Herzchirurgie des Univer-sitätsklinikums. Nach der internen Geschäftsverteilung des Univer-

sitätsklinikums war ausschließlich dessen Abteilung Materialwirtschaftfür die Bestellung sämtlicher medizinischer Produkte, Verbrauchsma-terialien und Investitionsgüter zuständig. Mangels Erfahrung der Ab-teilung im Bereich der Herzchirurgie wurde dem Angekl. indes vonBeginn seiner Tätigkeit an – vor allem im Bereich der Herzklappenund Conduits – faktisch gestattet, direkt bei den Firmen die benötig-ten Medizinprodukte zu bestellen oder auf seine Weisung durch seineMitarbeiter bestellen zu lassen. Die Lieferfirma stellte diese bei derAbteilung Materialwirtschaft in Rechnung. Teilweise wurden Bestel-lungen auch von der Abteilung Materialwirtschaft selbst vorgenom-men. Dieser Abteilung kam im Ergebnis lediglich eine ausführendeFunktion zu, weil ihr vom Angekl. ärztlicherseits sowohl die zu be-schaffenden Produkte als auch die Menge vorgegeben wurden. ImBereich der sog. Oxygenatoren schloß die Abteilung Materialwirt-schaft auch sog. Rahmenvereinbarungen über den Bezug größererEinheiten mit den Lieferfirmen, wobei der Angekl. die zu verwen-denden Produkte auswählte. Ihm kam als Ärztlichem Direktor dieletztliche Entscheidungsgewalt darüber zu, welche Produkte von wel-chem Lieferanten bezogen wurden. Insbesondere bei der Beschaffungvon mechanischen Herzklappen, Conduits und Oxygenatorensyste-men einschließlich der zugehörigen Schlauchsets war ihm ein Aus-wahlermessen eingeräumt. Dieses war u. a. als oberstem Gebot amWohl des Patienten, an der Wirtschaftlichkeit der Krankenversor-gung, der Lieferbarkeit, der Handhabung, dem Service und der Pro-duktsicherheit auszurichten. Die Abteilung des Angekl. bezog Herz-klappenprothesen unterschiedlicher Art sowie Oxygenatoren undSchlauchsets von verschiedenen Firmen.

Die Firmen übernahmen Kosten für Kongreßreisen des Angekl.sowie für Betriebs- und Weihnachtsfeiern, zu denen er seine Abtei-lung einlud. In einem Fall wurde seiner Abteilung ein medizinischesGerät zur Verfügung gestellt. Nach den Feststellungen des LG kam esim einzelnen zu folgenden Zuwendungen:

Im Fall A. 1. des LG-Urteils vereinbarte der Angekl. mit dem Ver-triebsleiter der Firma C., die die Abteilung mit Oxygenatoren undSchlauchsets belieferte, daß er von C. in den Jahren von 1994 bis1996 insgesamt 900 Optima-Oxygenatoren, pro Jahr mindestens 300Stück, abnehme und C. ihm im Gegenzug eine sog. duale Antriebs-konsole für ein Thoratec-Kunstherz nebst Zubehör auf Basis eines„Leihvertrages“ zur Verfügung stelle. Diese duale Antriebskonsoleverkaufte C. seinerzeit zu einem Listenpreis von 149.000 DM; derBeschaffungspreis für C. belief sich auf 89.101 DM (jeweils ohneMWSt.). Das angelieferte gebrauchte Gerät wurde zumindest an vierPatienten (darunter ein Privatpatient) im klinischen Bereich einge-setzt. Die Kopplung der Beschaffung der Oxygenatoren mit der Ge-stellung der dualen Antriebskonsole durch C. („Bündelvereinbarung“)hielt der Angekl. vor der Abteilung Materialwirtschaft der Universitätgeheim. Er hatte die Beschaffung des Thoratec-Systems mit einemEinzelantriebsmodul beantragt und dabei wahrheitswidrig angegeben,das Thoratec-System zur Anwendung bei Versuchstieren (Hunden) zubenötigen. Tatsächlich wollte er mittels dieses „taktischen Antrags“seine Transplantationspläne vorantreiben und das Gerät im klinischenEinsatz verwenden. Dafür war indessen im Blick auf die für den Ein-satz am Menschen ausreichende Sicherheit der Erwerb einer dualenAntriebskonsole unabdingbare Voraussetzung, für die dem Klinikumdie Geldmittel fehlten. Aus diesem Grunde hatte sich C. bereit er-klärt, die Konsole als Gebrauchtgerät zur Verfügung zu stellen. DerAngekl. empfahl der Abteilung Materialwirtschaft die Abnahme von300 Oxygenatoren pro Jahr, da dies günstiger sei. Entsprechend dieserEmpfehlung bestellte die Abteilung Materialwirtschaft zunächst 300Stück zum Gesamtpreis von 565.500 DM (zzgl. MWSt.). Im Jahr1994 wurden 302, im Jahr 1995 329 Oxygenatoren und 1996 sogar381 Oxygenatoren von C. geliefert. Die Firma C. verfolgte nach denFeststellungen des LG die Geschäftsstrategie, eine Beziehungsebene zuherzchirurgischen Entscheidungsträgern aufzubauen und über entspre-chende Bündelvereinbarungen den Verkauf ihrer Produkte zu för-dern, wesentlich auszuweiten und langfristig abzusichern.

In den Fällen A. 2., A. 3. und B. der Urteilsgründe wurden Kostenfür Weihnachtsfeiern der Abteilung Herzchirurgie, die am 15. 12.1993 und am 6. 12. 1994 stattfanden und zu denen der Angekl. je-weils persönlich einlud, durch Unternehmen übernommen. DieWeihnachtsfeier am 15. 12. 1993 wurde von einem Partyservice aus-gerichtet, die Kosten – einschließlich der für Showrevue und Mu-sikunterhaltung – beliefen sich auf 8.790,13 DM (inkl. MWSt.). DerAngekl. beglich die Rechnung von seinem Geschäftskonto und batim darauffolgenden Januar die Inhaberin des Partyservice, die Rech-nung in drei Teilrechnungen an die Firmen C., S. und H. aufzusplit-ten, die inhaltlich gleichlautend für Speisen und Getränke aus Anlaßeiner Veranstaltung der Abteilung Herzchirurgie auszustellen waren.

Problemstellung: Fünf Monate nach seinem erstenUrteil zu diesem Fragenkomplex hatte sich der BGH er-neut mit der strafrechtlichen Bewertung von Zuwen-dungen im Zusammenhang mit medizinischen Beschaf-fungsentscheidungen zu befassen. Nachdem im Mittel-punkt des ersten Verfahrens die Abgrenzung zwischenunzulässiger Vorteilsannahme und zulässiger Drittmittel-einwerbung stand, beschäftigte sich das zweite Urteilnicht mehr mit der Abgrenzung zwischen Straflosigkeitund Strafbarkeit, sondern mit der Abgrenzung zwischendem „Grundtatbestand“ der Vorteilsannahme und demQualifikationstatbestand der Bestechlichkeit, der einehöhere Strafdrohung für die Fälle vorsieht, in denen dieDiensthandlung des Amtsträgers pflichtwidrig war. Be-stechlichkeit ist dabei nach § 332 Abs. 3 StGB schondann gegeben, wenn sich der Amtsträger nur bereit ge-zeigt hat, sich bei Ausübung eines ihm zustehenden Er-messens von der Gewährung des Vorteils leiten zu las-sen; eine konkrete Beeinflussung muß nicht nachgewie-sen sein.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat der BGHinsbesondere die Passagen des erstinstanzlichen Urteilsdes LG Ulm einer eingehenden Prüfung unterzogen, diesich auf mögliche „Gegenleistungen“ des Hochschulleh-rers für die erhaltenen Vergünstigungen bezogen. DerSenat kam dabei zu dem Ergebnis, daß zwischen denvon den Wirtschaftsunternehmen gewährten Leistungen(wie z. B. der Bezahlung von Kongreßreisen) und denBeschaffungsentscheidungen das vom Tatbestand derVorteilsannahme geforderte Beziehungsverhältnis (sog.Unrechtsvereinbarung; „do ut des“) bestand. Die Vor-aussetzungen der Bestechlichkeit sah der Senat hingegenin der überwiegenden Zahl der Fälle nicht als gegebenan und hob deshalb das erstinstanzliche Urteil insoweitauf. Zur Begründung verwies er dabei u. a. darauf, daßvon der bloßen Annahme eines Vorteils noch nicht dar-auf geschlossen werde könne, daß der Annehmendeauch bereit sei, seine Dienstpflichten zu verletzen. Dasgelte vor allem dann, wenn der angenommene Vorteilauch einen dienstlichen Bezug aufweise. Bejaht wurdeder Tatbestand des § 332 StGB hingegen in einem Ein-zelfall, in dem eine der Verwaltung nicht offenbarteKoppelungsvereinbarung getroffen wurde.