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(SB) 23. Juni 2017 Kolonialherren vergessen nicht ... (SB) ... (Seite 10) Draufgänger Mohammed Bin Salman soll König SaudiAra biens werden (SB) ... (S. 2) (SB) ... (S. 4)

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MA-Verlag Elektronische Zeitung Schattenblick

Neueste tagesaktuelle Berichte . . . Interviews .. . Kommentare . . . Meinungen .. . . Textbeiträge .. . Dokumente . . .

Samstag, 24. Juni 2017

(SB) 23. Juni 2017 ­ Wenn es umdie Sicherung deutscher Interes-sen geht, haben Berlins Diploma-ten ein Elefantengedächtnis. Sosagte der deutsche Botschafter inSimbabwe, Thorsten Hutter, daßdie Entschädigung deutscherFarmbesitzer für die Enteignungim Rahmen einer Landreform inSimbabwe ein "dringendes undwichtiges" Thema sei. Das müssebeim Dialog zur Wiederannähe-rung zwischen Simbabwe und derEuropäischen Union aufgegriffenwerden, zitiert die in London er-scheinende Zeitung "New Zim-babwe" im Mai dieses Jahres denDiplomaten. [1 ]

Die im Jahr 2000 von der simbab-wischen Regierung gewaltsamdurchgeführte Landreform hätteeigentlich lange zuvor stattfindensollen. Genau dafür hatten in den1970er Jahren viele Menschen imBefreiungskampf gegen dieApartheidregierung der weißenMinderheit in dem damals nochRhodesien genannten Land ihrLeben gegeben. Doch 1980 hat-ten die Anführer des erfolgrei-chen Befreiungskampfs vertrag-lich im Lancaster-House-Abkom-men in London zugestimmt, kei-ne Landreform zu erzwingen,sondern diese zunächst zehn Jah-re lang auf freiwilliger Basis (wil-

ling seller/willing buyer) durch-zuführen. Während dieses Zeit-raums wurden mit finanziellerUnterstützung Großbritanniensund der USA einige große Farmenaufgekauft, um das Land an Bau-ern zu verteilen.

Weitere zehn Jahre verstrichen,ohne daß sich an der Lage vonrund einer Million landloser Bau-ern wesentliches geändert hätte.Der Unmut in der Bevölkerungwuchs, die Opposition wurde stär-ker, so daß Präsident Robert Mu-gabe, der einstige Anführer einesZweigs der Befreiungskämpfer,und seine Regierungspartei ZA-NU-PF, die Flucht nach vorn an-traten. Im Jahr 2000 wurde dielängst überfällige Landreform vor-angetrieben und erzwungen. Da-mals verfügten rund 4.000 "Wei-ße" über 70 Prozent der landwirt-schaftlichen Fläche (hauptsächlichfür den Anbau von Zuckerrohr,Kaffee, Baumwolle und Tabak),vor allem jedoch saßen sie auf denfruchtbarsten Böden.

Der Pauschalbegriff "Weiße" um-faßt abgesehen von Farmern, diein Simbabwe gelebt haben, Lordsim britischen Oberhaus, die kaumoder noch nie einen Fuß auf sim-babwischen Boden gesetzt hatten,sowie transnationale Unterneh-

Landreform -Deutschland fordert von Simbabwe Entschädigung

Kolonialherren vergessen nicht ...

Da kann der Kaktus nichts dafür

(SB) ­ Monokulturplantage fürAloe Vera ... (Seite 10)

POLITIK / REDAKTION

NATURWISSENSCHAFTEN

Neuregelung der Thronfolgein Riad kündigt Unheil anDraufgänger Mohammed BinSalman soll König Saudi­Ara­biens werden

(SB) ­ Mit der plötzlichen Ernen-nung seines 31 jährigen Sohns Mo-hammed zum Thronfolger bei zeit-gleicher Entlassung des bisherigenAmtsinhabers, des 58jährigen, po-litisch höchst erfahrenen Innenmi-nisters Mohammed Bin Nayef, hatSaudi-Arabiens ... (S. 2)

POLITIK / KOMMENTAR

Tiergefangenendiplomatie

(SB) ­ Bundeskanzlerin AngelaMerkel höchstpersönlich hat imHerbst 2015 dafür gesorgt, daßzwei Pandabären aus China in dieBundesrepublik überführt wer-den, um dort für "tiergerechte"Unterhaltung zu sorgen. Sie wirdauch dabei sein ... (S. 4)

Elektronische Zeitung Schattenblick

Seite 2 www.schattenblick.de Sa, 24. Juni 2017

men und Investoren vor allem ausder anglo-amerikanischen Wirt-schaftswelt, aber auch ausDeutschland und anderen ehema-ligen Kolonialmächten Afrikas.

Wenn nun der deutsche Botschaf-ter Hutter in Harare daran erin-nert, daß eine Reihe von Deut-schen in Simbabwe nach der Un-abhängigkeit investiert hätten,"die jetzt nicht mehr hier sind",dann deutet er damit an, daßDeutschland im Rahmen des Dia-logs zwischen Simbabwe und derEU die Landfrage auftischenwird. Welche konkreten Forde-rungen erhoben werden, geht ausden Aussagen des Botschaftersnicht hervor.

Ob eine Entschädigung rechtlichzulässig ist, werden die Verhand-lungen oder gegebenenfalls Ge-richte entscheiden. Ob sie jedochlegitim ist, steht auf einem ganzanderen Blatt. Sieht man einmalvon persönlichen Verlusten derEnteigneten ab, so erscheint derStandpunkt der simbabwischenRegierung nachvollziehbar, daßsich eine Entschädigung grund-sätzlich nur auf den Wert der Ver-besserungen beziehen kann, dievon den Besitzern des Lands vorder Landreform gemacht wordenwaren, nicht aber auf den Wertdes Landes selbst.

Das war geraubt worden und kannsomit nicht Teil einer Entschädi-gungsverhandlung sein. Verein-facht gesagt wäre das so, als müß-te man einen Dieb dafür entschä-digen, weil man ihm die Beute, dievorübergehend in seinem Besitzwar, wieder abnimmt. Die Verhält-nisse sind in Simbabwe sicherlichetwas komplexer, zumal es sichwomöglich um die Nachfahren je-ner "Diebe" (Begünstigten der

Apartheid-Regierung) handelt, dieVerluste verzeichnet haben, aberdas Bild verdeutlicht den Stand-punkt der simbabwischen Regie-rung: die Enteignung war Fortset-zung des Befreiungskampfs.

Aus verschiedenen Gründen hatdie erzwungene Landreform nichtden Erfolg gebracht, den sie hättehaben können, wenn sich nichtMitglieder der simbabwischen Re-gierung einen Teil des enteignetenLands unter den Nagel gerissen,die USA und EU nicht Sanktionengegen die simbabwische Regie-rung verhängt und die globalenKreditgeber Simbabwe nicht mit-tels Zinserhöhungen den Geldhahnfaktisch zugedreht hätten.

Nur einmal angenommen, Ende dersiebziger Jahre hätten es die Be-freiungskämpfer um Robert Muga-be und Joseph Nkomo geschafft,die Kolonialherren aus dem Landzu werfen, und es anschließend garnicht nötig gehabt, sich an den Ver-handlungstisch zu setzen, dann wä-ren Entschädigungszahlungen anDeutschland heute kein Thema.Wenn überhaupt, so könnten sichdiese allein auf die 20 Jahre bezie-hen, in denen die Landreform auffreiwilliger Basis durchgeführtworden war. Doch selbst dannstellte sich die Frage, ob nicht dassimbabwische Volk dafür entschä-digt werden müßte, daß sein Landvon den deutschen Farmern zurMaximierung ihrer Profite benutztworden war.

Anmerkung:[1 ] http://allafrica.com/sto-ries/201705170380.html

http://www.schattenblick.de/infopool/politik/redakt/

afka2148.html

POLITIK / REDAKTION

Neuregelung der Thronfolgein Riad kündigt Unheil an

DraufgängerMohammed Bin Salman soll

König Saudi­Arabiens werden

(SB) ­ Mit der plötzlichen Ernen-nung seines 31 jährigen SohnsMohammed zum Thronfolger beizeitgleicher Entlassung des bis-herigen Amtsinhabers, des 58jäh-rigen, politisch höchst erfahrenenInnenministers Mohammed BinNayef, hat Saudi-Arabiens KönigSalman am 21 . Juni für ein politi-sches Erdbeben im Nahen Ostengesorgt. Der 82jährige Salmangilt als gebrechlich und dürfteseinem Land nicht mehr allzulan-ge als Monarch dienen. Dafür sollder junge Mohammed Saudi-Ara-bien modernisieren und es für dieHerausforderungen des 21 . Jahr-hunderts wappnen. Leider dürftendie in den neuen Kronprinzen ge-setzten Hoffnungen, die saudi-sche Wirtschaft und Gesellschaftzu reformieren, nicht aufgehen.Vom Verhalten und Charakter herweist Mohammed alle Zeicheneines Hasardeurs auf, der allesbesser als seine Berater zu wissenmeint. Bereits jetzt ist der künfti-ge König Saudi-Arabiens dabei,die Nahost-Region in ein ähnli-ches Chaos zu stürzen, wie es1914 der geltungssüchtige KaiserWilhelm II. mit dem DeutschenReich und Europa getan hat.

Als Salman nach dem Tod seinesHalbbruders Abdullah im Januar2015 König wurde und Moham-med zum neuen Verteidigungsmi-nister ernannte, dauerte es nurwenige Wochen, bis der neueStellvertretende Kronprinz einenKrieg angezettelt hatte - nämlich

Elektronische Zeitung Schattenblick

Sa. 24. Juni 2017 Seite 3www.schattenblick.de

im Jemen unter dem Vorwand ira-nischer Umtriebe dort. Zwei Jah-re und mehr als 10.000 Tote spä-ter steckt die Interventionstruppeder Saudis und ihrer sunnitischenVerbündeten im Jemen fest undschafft es nicht, die schiitischenHuthi-Rebellen zu besiegen. Da-für haben sie mittels Luftangriffeweite Teile der jemenitischen In-frastruktur zerstört, zahlreiche Zi-vilisten umgebracht und Millio-nen von Menschen in eine schwe-re Hungersnot gebracht. Ur-sprünglich wollten die Saudis undihre Verbündeten, allen voran dieVereinigten Arabischen Emirate(VAE), den 2014 von den Huthisverjagten InterimspräsidentenAbd Rabbu Mansur Hadi wiederzur Macht verhelfen. JüngstenMedienberichten zufolge ist manin Riad jedoch des ausländischenDauergastes überdrüssig und willauf den 2015 von Hadi als Pre-mierminister entlassenen KhaladBahah setzen, der angeblich mitden Emiratern besser kann.

Noch im Mai hatte Mohammed ineinem Fernsehinterview, das imganzen Nahen Osten für Aufse-hen gesorgt hatte, einem Ende derKonfrontation zwischen Saudi-Arabien und dem Iran eine kate-gorische Absage erteilt. Er warfder schiitischen Geistlichkeit inTeheran vor, nach der Weltherr-schaft zu streben und stellte fest,Riad und seine Partner müßten"den Krieg" in den Iran tragen,statt lediglich auf die Interventio-nen der Iraner im Irak und Syrienzu reagieren. Am 7. Juni, nur we-nige Wochen nach Aussprachedieser Drohung, kam es in Teher-an zum spektakulären Doppelan-schlag auf das iranische Parla-ment und das Mausoleum, in demsich das Grab des Gründers derIslamischen Republik, Großaja-

tollah Ruhollah Khomeini, befin-det. Bei der Aktion starben 23Menschen, darunter fünfTatbetei-ligte. Zu dem Anschlag bekanntesich die sunnitische "Terrormiliz"Islamischer Staat (IS). Die Regie-rung Irans machte ihrerseits Sau-di-Arabien für die Greueltat ver-antwortlich. Zur Vergeltung ha-ben die iranischen Revolutions-garden am 18. Juni vom eigenenTerritorium aus einen Stützpunktdes IS im Osten Syriens mit sechsballistischen Raketen angegriffen- was mit Sicherheit auch als War-nung an die Adresse Riads, Wa-shingtons und Tel Avivs gedachtgewesen ist.

Die Saudis und die Emirater ha-ben eine weitere Krisenfront imNahen Osten eröffnet, als sie am4. Juni gegen Katar eine diploma-tische und wirtschaftlicheBlockade verhängt haben. Riadund Abu Dhabi werfen Doha vor,den "Terrorismus" zu unterstüt-zen, nur weil Katar mehrere Exil-politiker der palästinensischenHamas-Bewegung Aufenthalt ge-währt, den Nachrichtensender AlJazeera finanziert und gelegent-lich Vertreter der afghanischenTaliban zu Gesprächen empfängt- letzteres in Absprache mit denUSA wohlgemerkt. Die Vorwürfesind natürlich an den Haaren her-beigezogen. Katars militärischeund finanzielle Unterstützung fürdie islamfundamentalistischenRebellengruppen in Syrien ist mi-nimal verglichen mit derjenigenSaudi-Arabiens. Riad stört vor al-lem, daß Doha nach wie vor in derMoslembruderschaft eine wichti-ge reformfähige, politische Kraftder islamischen Welt sieht unddaß Al Jazeera ununterbrochenkritisch über die brutale Diktaturberichtet, welche 2013 die Mili-tärs in Ägypten mit Hilfe Saudi-

Arabiens und der VAE errichtethaben.

Seit 2011 sind die absolutisti-schen Herrscherhäuser in Riadund Abu Dhabi bestrebt, den de-mokratischen Aufbruch in derarabischen Welt in sein Gegenteilzu verkehren, sei es in Bahrain,Ägypten, im Jemen und nicht zu-letzt in Libyen durch die waffen-technologische Unterstützungvon "Feldmarschall" KhalifahHifter. Mitten bei einem Treffenvon König Salman und BarackObama 2015 in der Türkei sollMohammed, kaum im Amt alsVerteidigungsminister, aufgestan-den sein und dem US-Präsidenteneinen Vortrag gehalten haben, wasWashington alles im Nahen Ostenangeblich falsch mache. ÄhnlichIsrael läuft Saudi-Arabien gegendas Abkommen Sturm, das dieObama-Regierung, die übrigenvier UN-Vetomächte undDeutschland 2015 mit Teheranzur Beilegung des Streits um dasiranische Atomprogramm be-schlossen haben. Nach dem über-raschenden Sieg Donald Trumpsbei der US-Präsidentenwahl imvergangenen November haben dieSaudis Himmel und Hölle in Be-wegung gesetzt, um den NewYorker Baulöwen, dessen außen-politischer Horizont begrenzt ist,um es milde auszudrücken, aufihre Seite zu ziehen.

Beim Werben um die Gunst desFührers der "freien Welt" warendie Saudis extrem erfolgreich. AlsZiel für seinen ersten Auslands-besuch als US-Präsident hatTrump nicht traditionell Kanadaoder Mexiko, sondern Saudi-Ara-bien ausgesucht. Vor den versam-melten Staatschefs der arabischenWelt Mitte Mai in Riad hat derehemalige Reality-TV-Moderator

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Seite 4 www.schattenblick.de Sa, 24. Juni 2017

den Iran als "Hauptsponsor" desinternationalen Terrorismus ge-geißelt. Anschließend hat er mitKönig Salman Rüstungsdeals inHöhe von 100 Milliarden Dollarauf den Weg gebracht. Jene Waf-fen werden die laufenden Kriegein Syrien und im Jemen speisenbzw. bei einem eventuellenShowdown zwischen Saudi-Ara-bien und dem Iran zum Einsatzkommen. Wie man aus einem er-hellenden Bericht der New YorkTimes vom 22. Juni - "Trump'sPreferred Candidate Wins Again,This Time in Saudi Arabia" - ent-nehmen kann, war der Staatsbe-such des neuen US-Präsidenten inSaudi-Arabien von Prinz Moham-med und Trumps SchwiegersohnJared Kushner minutiös geplantund bis ins letzte Detail, Stich-wort Schwerttanz, choreogra-phiert worden. Offenbar schickensich Mohammed und Kushner,der selbst nur 36 Jahre alt ist, an,die Verhältnisse im Nahen Ostengrundlegend zu verändern.

Als Sonderbeauftragter des Wei-ßen Hauses für den Nahen Ostenwill der zionistische Ehemannvon Trump-Tochter Ivanka undpersönliche Freund von BenjaminNetanjahu für einen "Frieden"zwischen Israelis und Palästinen-sern sorgen, bei dem letztere mitAbstand die meisten Zugeständ-nisse machen. Um die palästinen-sische Führung in Ramallah zumEinlenken zu zwingen, soll diesevon den arabischen Staaten unterenormen Druck gesetzt werden.Deswegen ist das Thema Hamaszum Streitpunkt zwischen Saudi-Arabien und Katar geworden. Be-richten zufolge fungiert Kushnerinzwischen quasi als Vermitt-lungsstelle zwischen Israel undSaudi-Arabien. Um seinen Auf-stieg zum Kronprinzen und später

zum König geschmeidiger zu ma-chen, soll Mohammed den Ame-rikanern die erstmalige Anerken-nung Israels durch Saudi-Arabienzugesprochen haben.

Doch die steile Karriere Moham-meds läßt großes Unheil befürch-ten. Den von ihm unter dem Titel"Vision 2030" angestoßenen Um-bau der saudischen Wirtschaft wegvon der Abhängigkeit vom Ölge-schäft hin zur Dienstleistungsin-dustrie gibt es bisher lediglich inbunten Broschüren und Videoani-mationen. Seine Bemühungen umeine Lockerung der Sittengesetze- etwa die Eröffnung von Kinosoder die Fahrerlaubnis für Frauen- dürften den fundamentalistischenKlerus auf den Plan rufen. Katarweigert sich im Streit mit Saudi-Arabien klein beizugeben, hat sich

erfolgreich um militärischen Bei-stand an die Türkei gewandt undsogar erste Lebensmittelimporteaus dem Iran eingeführt. In Syriensind die Truppen Baschar Al As-sads auf dem Vormarsch und dieDschihadisten auf dem Rückzug.Und wie bereits erwähnt, habensich Mohammeds Soldaten im Je-men bis auf die Knochen blamiert.Vor diesem Hintergrund würde esnicht überraschen, wenn Moham-med den Streit mit dem Iran wei-ter eskalieren läßt und einen Kriegprovoziert. Schließlich wäre nichtsbesser geeignet als ein Waffen-gang am Persischen Golf, um füreinen Anstieg der Ölpreise zu sor-gen.

http://www.schattenblick.de/infopool/politik/redakt/

nhst1529.html

POLITIK / KOMMENTAR / RAUB

Tiergefangenendiplomatie

(SB) 23. Juni 2017 ­ Bundeskanz-lerin Angela Merkel höchstper-sönlich hat im Herbst 2015 dafürgesorgt, daß zwei Pandabären ausChina in die Bundesrepubliküberführt werden, um dort für"tiergerechte" Unterhaltung zusorgen. Sie wird auch dabei sein,wenn Chinas Präsident Xi Jinpingein Pandapaar, das sogenannteWeibchen Meng Meng und dassogenannte Männchen Jiao Qing,bei einem Staatsbesuch in Berlinam 5. Juli offiziell übergibt. Dannwerden sie auch in der neuen,rund 10 Millionen Euro teuren,mit eigener Klinik ausgestattetenPanda-Anlage im Berliner Zoofür das Publikum zu sehen sein.

Daß diese Attraktion mit einerMillion Dollar Gebühr im Jahr zuBuche schlägt, kann angesichtsdes Medienrummels um das"Panda-Fieber" schon jetzt alsPetitesse betrachtet werden.

Nachdem der im Berliner Zoo ge-boren Eisbär Knut im März 2011im Alter von etwas über vier Jah-ren plötzlich starb und nurmehrals ausgestopftes Exponat be-guckt werden kann, sollen nunzwei Pandas für Stimmung vorden Gitterstäben sorgen. Das gan-ze Manöver firmiert in den Medi-en unter dem Titel "Panda-Diplo-matie", haben chinesische Regie-rungen doch immer wieder ein-

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Sa. 24. Juni 2017 Seite 5www.schattenblick.de

zelne Mitglieder dieser vom Aus-sterben bedrohten Bärenart imRahmen von bilateralen Kontak-ten an Zoos in aller Welt geliefert.Bis 1982 wurden 23 Pandas alsStaatsgeschenke übergeben, soauch an die Bundesrepublik. Seit-dem gibt es sie nur noch als ko-stenpflichtige und befristete Leih-gaben, und das auch nur für denFall, daß die Regierung in Beij ingden Einsatz dieser Sympathieträ-ger für sinnvoll hält wie jetzt imFall der Bundesrepublik.

Zweifellos könnte die Bundesre-gierung die Panda-Miete auch di-rekt für den Zweck des Schutzesder natürlichen Lebensräume derverbliebenen rund 1800 Bärinnenund Bären nach China überwei-sen, doch darum geht es bei allerTierliebe nicht. Die Bärin und derBär sollen leisten, was ansonstenals deutsche Kritik am Stand derMenschenrechte und politischenFreiheiten in China regelmäßigdie Ernte verhagelt. Um der allge-meinen Ausrichtung EU-europäi-scher Hegemonial- und Handels-politik in Richtung Ostasien denWeg zu ebnen, werden MengMeng und Jiao Qing als Sonder-botschafter eingesetzt, was insbe-sondere in Deutschland, wie dieVerknutung der Gesellschaft be-wiesen hat, gut ankommt.

Der World Wide Fund For Nature(WWF), der den Panda als Wap-pentier für seine Aktivitäten ein-setzt, legt zumindest mittelbar na-he, daß die ZoogefangenenschaftTeil der Prävention gegen dasAussterben dieser Bärenart sei:"Alle Pandas, die nicht in Auf-zuchtstationen oder Zoos leben,müssen immer noch um ihren Le-bensraum fürchten." [1 ] Daß un-ter anderem Industrie und Wirt-schaft der Bundesrepublik an der

Expansion des chinesischenWachstums und der daraus resul-tierenden Vernichtung letzterRückzugsräume für Tiere allerArt beteiligt sind, wird nicht ei-gens erwähnt. Auch die völlig un-genügende Klimaschutzpolitikder Bundesrepublik, die wesent-lich Anteil an der Vernichtungletzter Naturgebiete hat, geht inder "Panda-Mania" (WWFDeutschland) völlig unter.

Wer wollte sich schon damit un-beliebt machen, die affektiveDienstleistung dieser als beson-ders possierlich geltenden Bärenin Zweck- und Nutzenzusammen-hänge zu stellen, die nichts vonden guten Gefühlen übriglassen,die das Vorführen zweier Lebe-wesen auslösen soll? Insbesonde-re Kindern wird im Zoo klarge-macht, daß Tiere dem MenschenaufGedeih und Verderb ausgelie-fert sind, ob als Objekte mensch-licher Neugier und Unterhaltungoder zur Befriedigung von Gau-menfreuden [2] . Eingeübt wirdmit dem Blick auf das gefangeneTier - schon rein sprachlich zurSache degradiert - die Höherstel-lung des Menschen im allgemei-nen und der Bürger neokoloniali-stischer Staaten, die sich Floraund Fauna der Länder des Südensaneignen, im besonderen.

Heute dürfte sich ein Großteil derBerliner einig darin sein, daß "an-thropologische Völkerschauen",bei denen Zoos im 19. Jahrhun-dert indigene Menschen zurHauptattraktion ihres Unterhal-tungangebotes machten, einenVerstoß gegen die Menschenrech-te darstellen. Doch der rassisti-sche, diskriminierende und aus-grenzende Blick ist alles andereals verschwunden. Er verstecktsich in kollektiven Zuschreibun-

gen angeblich ethnischer oder na-tionaler Charaktereigenschaften,in der Abwehr des Anblicks alsbehindert geltender Menschenoder der zur Belustigung produ-zierten Zurschaustellung mensch-licher Schwächen und Unzuläng-lichkeiten. Nicht nur dort, wo derBlick auf das andere Wesen vonDominanz-, Selbstbehauptungs-oder Aneignungsimpulsen ge-lenkt, sondern auch dann, wennsich an "süßen" und "lustigen"Bären erfreut wird, herrscht voll-ständige Ignoranz gegenüber denInteressen, Wünschen und Hoff-nungen des Objekts der Betrach-tung. Es geht um das eigene Emp-finden, den Genuß einer Empa-thie, die im Kern aus der Ohn-macht der Tiergefangenen unddem Wissen, daß sie vor den eige-nen Vereinnahmungsabsichtennicht davonlaufen können, er-steht.

Wer gefangen ist und dabei auchnoch angeglotzt wird, über denwird aufdoppelte Weise verfügt,ohne jemals danach gefragt zuwerden, ob er oder sie dies über-haupt akzeptieren will. Auchwenn die Berliner Pandas Rück-zugsräume zugestanden bekom-men, in denen sie der Präsenz desPublikums ausweichen können,sind sie doch schon durch die An-lage des Zoos darauf zugerichtet,zur Schau gestellt zu werden, undsei es beim nächsten Verlassen ih-rer Deckung. So drückt die soge-nannte Panda-Diplomatie nichtsals Herrschaftsinteressen aus.

Die in Sonderproduktionszonenkasernierten chinesischen Arbei-terinnen und Arbeiter mögendemgegenüber unsichtbar sein,doch auch ihr von materiellerNotwendigkeit bestimmtes Los,unter zeitlich eng getakteten Fa-

Elektronische Zeitung Schattenblick

Seite 6 www.schattenblick.de Sa, 24. Juni 2017

brikbedingungen körperlich wiegeistig verschleißende stumpfsin-nige Lohnarbeit verrichten zumüssen, gleicht dem gefangenerTiere. Niemand wird gerne aus-gebeutet und unterdrückt, vorge-führt und erniedrigt. Zoos sindOrte, an denen all dies stattfindet,und sei es noch so sehr bemänteltvon besten Absichten. Kein Men-schenschinder verzichtet darauf,seine Absichten ins beste Licht zurücken, daher sollte auch Tieraus-beutung an der Praxis des Um-gangs mit materiell, rechtlich undkulturell unterworfenen Lebewe-sen beurteilt werden.

Anmerkungen:

[1 ] http://www.wwf.de/aktu-ell/panda-ma-nia/?ppc=1&gclid=CjwKEAjw-LLKBRCdhqmwtYmX93kS-JAAORDM6n7LY4V2tRsT-lyH67sv_wYuPsXOJmBkh5Pnf-fID2_vBoCg3Xw_wcB

[2] BERICHT/062:21 . Linke Literaturmesse -Triumph der Verkennung (SB)http://www.schattenblick.de/inf-opool/d-brille/report/dbr-b0062.html

http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/

raub1119.html

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REDAKTION / WOCHENDRUCKAUSGABE / EDITORIAL

SB­Wochendruckausgabe Nr. 48 zum 24. Juni 2017

Zum DFG Sonderforschungsbereich Muße ...

In seiner denkbar kürzestenDeutung wird der Begriff"Muße" lt. Duden mit denWorten "Untätigkeit", "Ru­he" oder "freie Zeit" um­schrieben. Der Sonderfor­schungsbereich 1015 "Muße,Grenzen, Raumzeitlichkeit,Praktiken" der DeutschenForschungsgemeinschaft(DFG) kann mit dem Vortrag"Digital technologies and the

imperative of speed" am 22, Juni 2017 vor geladenen Gästen imRahmen der Eröffnungsfeierlichkeiten zum Beginn der DFG­fi­nanzierten, wissenschaftlichen Erforschung der Muße als offizi­ell in Angriff genommen gelten.

Nicht nur bei einer ersten oberflächlichen Betrachtung fällt indiesem Zusammenhang die genuin ökonomische Sicht auf dieMuße als ein bislang unerschlossenes Feld notwendiger undweitreichend brachliegender Zweckmäßigkeit, Funktionalität undNutzung auf, das noch als ein in seiner Wechselwirkung zu Ar­beit, Produktivität und Gebrauch gebundenes Phänomenmenschlich biologischer Überlebensaussteuerung zu entdeckenwäre.

Wenn es denn eine derzeit vorstellbare Qualifikation wirtschaft­licher Optimierung der gesellschaftlichen Produktivität über diebis heute unzureichend reflektierten und wissenschaftlich er­forschten Möglichkeiten gibt, dann wäre diese wohl in den Be­reichen der Freizeit, des Ruhebedarfs, der Entspannung, des Dö­sens und Träumens und gar des Lustwandelns und schlußendlichder Muße am ehesten zu suchen.

Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Redaktion Schattenblick

Foto: © by Schattenblick

Elektronische Zeitung Schattenblick

Sa. 24. Juni 2017 Seite 7www.schattenblick.de

(Lima, 14. Juni 2017, noticiasaliadas) ­ 1992 lebten in Chile100.000 Migrant*innen. Im Jahr2013 zählte man schon gute400.000; heute sind es fast einehalbe Million. Die meisten lebenin der Hauptstadtregion, in Valpa-raíso und im Norden des Landes.Der größte Teil ist im Dienstlei-stungssektor, im Bergbau, in derIndustrie, in der Landwirtschaftsowie im Bildungs- und im Ge-sundheitssektor tätig.

Laut einer "Umfrage zur Erhe-bung sozioökonomischer Datenauf Landesebene" (CASEN) ausdem Jahr 2009 sind 54 Prozent derMigrant*innen Frauen. Nach An-gaben der MigrationsbehördeDEM (Departamento de Extran-jería y Migración) aus dem ver-gangenen Jahr stellen Migrant*in-nen etwa 2,08 Prozent der 18 Mil-lionen Einwohner*innen Chiles.Davon stammen 78 Prozent ausverschiedenen lateinamerikani-schen Ländern: Peru (31 ,7 Pro-zent), Argentinien (16,3 Prozent),Bolivien (8,8 Prozent), Kolumbi-en (6,1 Prozent), Ecuador (4,7Prozent), Brasilien (drei Prozent)und Venezuela (1 ,9 Prozent).

Kinder werden zu Staatenlosengemacht

Im Jahr 2005 unterzeichnete diechilenische Regierung das inter-

nationale Übereinkommen zumSchutz der Rechte aller Wander-arbeiter*innen und ihrer Angehö-rigen, das auf einen Beschluss derUNO aus dem Jahr 1990 zurück-geht. Jedoch weicht die chileni-sche Gesetzgebung weiterhin vonden internationalen Standards ab.Das in Artikel 44 des internatio-nalen Übereinkommens garan-tierte Prinzip der Familienzusam-menführung wird im chilenischenRecht nicht berücksichtigt. Au-ßerdem werden Kinder von Per-sonen mit ungeklärtem Aufent-haltsstatus als "Nachkommen vonAusländer*innen ohne Bleibeab-sicht" eingestuft. Das wider-spricht den Grundsätzen der In-ternationalen Kinderrechtskon-vention: So werden Kinder zuStaatenlosen gemacht und erhal-ten keinen Zugang zu den öffent-lichen Initiativen zum Kinder-schutz.

Rassismus gegenüberZugewanderten in allenGesellschaftsschichten

In den letzten Jahren hat der Zu-lauf von Migrant*innen aus Ko-lumbien und Haiti zugenom-men. Soziale und kulturelle Vor-urteile, Klassismus und Rassis-mus gegenüber den Zugewan-derten ziehen sich durch alleGesellschaftsschichten - bis hinzu Menschen mit niedrigstemEinkommen - und sind auch bei

den Mapuche und in anderen in-digenen Bevölkerungsgruppenanzutreffen. Besonders betroffenvon rassistisch und klassistischmotivierten Diskriminierungensind Kolumbianer*innen, Do-minikaner*innen und Haitia-ner*innen mit afrikanischenWurzeln. Der Bildungsstand derZugewanderten liegt mit durch-schnittlich 12,6 Jahren höher alsder der Chilen*innen im er-werbsfähigen Alter, die imSchnitt 1 0,3 Jahre mit Schuleund beruflicher Bildung ver-bringen.

Laut der CASEN-Umfrage ausdem Jahr 2013 stellen Mi-grant*innen etwa fünf Prozentder Erwerbstätigen. 65 Prozentarbeiten als Arbeiter*innen oderAngestellte; davon 62 Prozentim Privatsektor und 8,4 Prozentals Haushaltshilfen. Bei denFrauen gehen 34 Prozent allerMigrantinnen einer Beschäfti-gung als Haushaltshilfe nach, inder Regel im informellen Sek-tor; das heißt, zu ungünstigstenArbeitsbedingungen, gegen mi-nimale Bezahlung und unterUmgehung der arbeitsrechtli-chen Bestimmungen. Erhebun-gen der MigrationsbehördeDEM zufolge sind 70 Prozentder Männer Lohnarbeiter, dage-gen haben nur 48 Prozent dererwerbstätigen Frauen einenArbeitsvertrag.

POLITIK / SOZIALES / INTERNATIONAL

poonal ­ Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

ChileDas Leid der Migrant*innen

von Arnaldo Pérez Guerra

Elektronische Zeitung Schattenblick

Seite 8 www.schattenblick.de Sa, 24. Juni 2017

Misstrauen trotz hohemBildungsniveau

Nach Ansicht von Manuel Hidal-go, peruanischer Volkswirt undLeiter des LateinamerikanischenIntegrationsverbands APILA(Asociación de Inmigrantes por laIntegración Latinoamericana ydel Caribe) stellt in Chile das An-erkennungsverfahren ausländi-scher Bildungsabschlüsse einebesondere bürokratische Hürdedar.

"Besonders schwierig ist es gera-de mit Haiti", so Hidalgo gegen-über Noticias Aliadas. "Chile hatüberhaupt nur mit zwölfLändernAnerkennungsabkommen, undHaiti ist nicht darunter. Eine wei-tere Barriere ist die Einstellungs-politik im öffentlichen Sektor.Um in diesem Bereich tätig zuwerden, muss man häufig ersteinmal die chilenische Staatsbür-gerschaft erwerben. Dazu kom-men soziokulturelle Barrieren:Eine ungute Mischung aus Natio-nalismus und Rassismus erzeugtMisstrauen und soziale und kultu-relle Vorurteile seitens der Arbeit-geber*innen, und das wiederumführt dazu, dass die Fertigkeitenund Qualifikationen, das Bil-dungsniveau und die fachlicheErfahrung der Migrant*innennicht angemessen gewürdigt wer-den."

Spezielle Haftanstalten fürMigrant*innen

Der Anwalt und Präsident des Ko-mitees geflüchteter Peruaner*in-nen in Chile, Rodolfo Noriega,kritisierte gegenüber NoticiasAliadas die "im Rahmen des neu-en Migrationsgesetzes geplanteEinführung eines Geheimregi-

sters mit Namen von Migrant*in-nen, das dem Innenministeriumunterstellt werden soll. Wozu einSpezialregister? Wenn die Poli-zeibehörden die einzigen sind, diedazu Zugang haben, dann heißtdas doch, dass die Anwesenheitvon Migrant*innen prinzipiell alsSicherheitsrisiko betrachtetwird."

Das Erschreckendste sei jedoch,dass es inzwischen spezielle Ge-wahrsamseinrichtungen gebe:"Wir haben eines in der Calle Se-minario in Santiago de Chile ent-deckt. Die Polizei musste es vorder Menschenrechtskommissiondes Senats zugeben. Der landes-weite Chef der internationalenPolizei musste zugeben, dass sichdort ein Gewahrsamszentrum fürAusländer*innen befindet."

Angekündigter Gesetzesent-wurf liegt bis heute nicht vor

Der neue Gesetzesentwurf zu Mi-gration, den Frau Bachelet in ih-rem Regierungsprogramm ange-kündigt hat und der den Vorschlagihres Vorgängers Sebastián Piñe-ra [2010-2014] ersetzen soll, lie-ge bis heute nicht vor, kritisiertHidalgo. Der 2013 vorgelegteEntwurf Piñeras sei auf Ableh-nung bei christlichen Verbändengestoßen, die mit Migrant*innenarbeiten - Servicio Jesuita a Mi-grantes und Red Scalabriniana -,sowie sämtlicher Organisationender Migrant*innen-Community,so dass das Projekt bis aufweite-res stagniere.

Hidalgo weiter: "Im Jahr 2014 [zuBeginn der Bachelet-Regierung]initiierte Rodrigo Sandoval, derneue Chef der Migrationsbehörde,einen neuen Konsultationspro-

zess, in den auch Migrant*innen-verbände und Initiativen zumSchutz der Rechte von Mi-grant*innen mit einbezogen wa-ren und der zum Ziel hatte, einenneuen Gesetzesentwurf zu ent-wickeln. Ende 2014 hieß es, imersten Halbjahr 2015 werde derEntwurf vorgelegt. Seither sindzwei Jahre vergangen, und es istimmer noch nichts passiert."

Die Rechte hat derweil begonnen,den fremdenfeindlichen Diskursin ihren Wahlkampf im Hinblickauf die Präsidentschaftswahlen imNovember einzubauen. Wie diejüngste Umfrage des regierungsu-nabhängigen Zentrums für Öf-fentlichkeitsforschung CEP (Cen-tro de Estudios Públicos) vom Mai2017 ergab, sind die Chilen*innenheutzutage eher bereit, den vonMigrant*innen geleisteten wirt-schaftlichen und kulturellen Bei-trag zur chilenischen Gesellschaftanzuerkennen. Die Ansicht, Mi-grant*innen sollten gleichen Zu-gang zu Bildungsmöglichkeitenbekommen, "gewinnt in der chile-nischen Gesellschaft zunehmendan Boden, während der Mythos,die Migrant*innen nähmen denChilen*innen die Arbeitsplätzeweg, mehr und mehr verblasst.Andererseits ist die Zahl derer, dieder Meinung sind, Migrant*innenseien schuld an der steigendenKriminalitätsrate, auf 41 Prozentgestiegen. Hier spiegelt sich derErfolg der nationalistisch ausge-richteten rechten Propaganda wi-der, die dieses Thema in ihremWahlkampf ausschlachten möch-te", so Hidalgo.

Menschenrechte werden nichtrespektiert

In der Zeitschrift Revista Sur be-richtet die Journalistin Bárbara

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Sa. 24. Juni 2017 Seite 9www.schattenblick.de

Barrera über etwa 100 Mi-grant*innen im HauptstadtviertelQuilicura, die in der Calle SanLuis "auf engstem Raum mit ei-ner Gemeinschaftsküche undzwei Badezimmern zusammenge-pfercht leben. Für fünf Quadrat-meter zahlen sie monatlich130.000 Pesos [ca. 1 75 Euro] . DieHaitianerin Guedelin Orzil mus-ste ihr Kind im Krankenhaus SanJosé in einem Rollstuhl zur Weltbringen, weil das Personal ihr dieBehandlung verweigerte. Das Ba-by fiel auf den Boden, und trotz-dem wurden keinerlei Untersu-chungen vorgenommen. Damitsich die Lebensumstände dieserMenschen verbessern, ist einfachstaatliches Eingreifen gefragt."

Wie Rodolfo Noriega berichtet,bestätigt der am 11 . Mai erschie-nene Report "Arbeitsmarkt in La-teinamerika und der Karibik("Coyuntura Laboral en AméricaLatina y el Caribe"), ein gemein-samer Bericht der Wirtschafts-kommission für Lateinamerikaund die Karibik CEPAL (Comi-sión Económica para América La-tina y el Caribe) und der Interna-tionalen Arbeitsorganisation ILO(Organización Internacional delTrabajo) das hohe durchschnittli-che Bildungsniveau der Mi-grant*innen: Obwohl die Men-schen zum größten Teil im Haus-halt und tätig sind oder anderekörperliche Arbeit verrichten, ha-ben 79 Prozent mindestens zehnSchuljahre absolviert.

Überqualifiziert und trotzdembenachteiligt

"Es gibt eine ganze Reihe vonHindernissen, die die Beschäfti-gung von Migrant*innen in ihrenerlernten Berufen erschweren",

erzählt Noriega. "Zunächst ein-mal braucht man eine feste An-schrift und einen Identitätsnach-weis. Die Anerkennung der Bil-dungsnachweise und Abschlüssestellt eine weitere Hürde dar. Da-mit sind die Leute einerseits über-qualifiziert und andererseits be-nachteiligt durch Illegalisierungund die fehlende Anerkennung ih-rer Abschlüsse. Das betrifft alleMigrant*innen, insbesondereMenschen aus Peru, Kolumbienund Bolivien. Bei Leuten ausnicht-spanischsprachigen Län-dern, also für Menschen aus Hai-ti, Nepal, aus den Philippinen undaus afrikanischen Ländern,kommt dann noch die Sprache alsein weiteres Problem dazu."

Das Einwanderungsgesetz oderGesetz 1 .094 folge einem Selek-tionsprinzip, das bestimmte Mi-grant*innen aufgrund ihrer Qua-lifikationen und ihrem Beitrag zuden "nationalen Interessen" be-vorzuge, erklärt Noriega. DiesesPrinzip könne man, mit leichtenAbwandlungen, sowohl inPiñeras als auch in BacheletsKonzept finden. Beide Entwürfe"folgen dem ökonomischen An-satz und stellen marktwirtschaft-liche Interessen in den Vorder-grund. Den rechtlichen Schwer-punkt lassen sie außer Acht,wahrscheinlich absichtlich."

Die große Mehrheit der Mi-grant*innen übe Tätigkeiten miteinem sehr geringen Stellenwertaus, so Hidalgo: "In der Regelsind es Arbeiten, die die Chi-len*innen nicht machen möchtenoder bei denen es einen ausge-prägten Mangel an Angebotengibt, so wie Kindermädchen oderJobs im Gesundheitssektor. Ange-sichts der bürokratischen und so-ziokulturellen Hindernisse ist es

sehr schwer für sie, an Jobs zukommen, die ihren Qualifikatio-nen und beruflichen Erfahrungenentsprechen."

Viele Migrant*innen schickenGeld in ihre Herkunftsländer, ob-wohl ihre eigene Lebenssituationdas kaum zulässt: Sie leben aufengstem Raum, zusammenge-pfercht und mit unzureichendensanitären Anlagen. Seit Jahrenfordern Migrant*innenverbändedie Legalisierung der Einwande-rung. Eine Amnestie für alle Ille-galisierten hatte die chilenischeRegierung bereits 1 997 und2007/2008 beschlossen.

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*Quelle:poonal - Pressedienst lateiname-rikanischer NachrichtenagenturenHerausgeber: NachrichtenpoolLateinamerika e.V.Köpenicker Straße 187/1 88,1 0997 BerlinTelefon: 030/789 913 61E-Mail: [email protected]: http://www.npla.de

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psi00219.html

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Maskottchen für gute Geschäfteund Symbol für Armut und Aus­beutung in ihren AnbaugebietenAloe Vera macht Werbung fürFrische und SelbstheilungFoto: 15. Januar 2013, by Niko­dem Nijaki als CC BY­SA 3.0[http://creativecommons.org/li­censes/by­sa/3.0], via WikimediaCommons

Aloe -Königin der Heilpflanzen oderberühmt für ihre Bitterkeit?

Aloe Vera ist so etwas wie die"Gut-Pflanze" im Reich der Bo-tanik. Über die unmittelbareHeilkraft der anspruchslosenWüstenlilie werden in sozialenNetzwerken derzeit wahre Wun-derdinge ausgetauscht. [1 ] GegenBesenreißer, Cellulite und Aknewird ihre innerliche wie äußerli-che Anwendung als Geheimtipweitergegeben und das Ausblei-

ben zahlreicher Wehwehchenwie Migräne oder Verdauungs-beschwerden im Gegenzug ver-kündet. Noch dazu werben dieProduzenten mit ökologischemund nachhaltigen Anbau, Ver-packungs- und Vertriebsmetho-den für die Güte und die Qualitätihrer Mittelchen.

Dabei läßt der Name "Aloe",wörtlich übersetzt "berühmt fürihre Bitterkeit", nicht unbedingtnur "Gutes" vermuten. Die kak-tusähnliche Lilie ist aber bereitsein Maskottchen für gute Ge-schäfte und Handelsbilanzen ei-nes ganz neuen Industriezweigs,dem Aloe-Vera-Barbensis Mil-ler"-Business, der nur die "wah-re Aloe" von 400 Aloe Artenkomplett und vertikal vermark-tet. Zielgruppe sind meist wohl-betuchte Wellness-Kunden, diefür den möglichst zertifiziertenQualitätsglibber gern auch einbißchen mehr ausgeben.

Wirklich gut?

Gepriesen wird der hohe Gehaltan Vitaminen, Mineralien undNährstoffen, der die Pflanze auchfür den möglichst frischen Ver-zehr als Gemüse, Smoothie oderSaft ebenso wie ihre Extrakte alsNahrungsergänzung ins Gesprächund in die Regale von Gemüse-händlern, Drogerien, Wellness-oder Gesundheitsshops, Body-builder-Zubehör, Health- & Be-auty-Vertrieben im Internet undganz gewöhnlichen Supermärktengebracht hat. Laut Hersteller kannAloe den Stoffwechsel in allenOrganen positiv beeinflussen,Umweltgifte unschädlich ma-chen, schädliche Radikale fangen,sogar Strahlenschäden und Krebsverhindern, aber vor allem anti-oxidativ der Zellalterung, alsodemAltern an sich vorbeugen undvieles mehr.

Als praktische Anwendungsbe-reiche für das natürliche Markoder Gel der fleischigen Blätterbieten sich akute Schnitt- oderBrandverletzungen einschließlichSonnenbrand an. Außerdem wer-den Aloe Vera-haltige Mittel beiPrellungen, Zerrungen, Verstau-chungen, Sehnenentzündungen,Fußpilz, Insektenstichen, Akne,Neurodermitis, Gürtelrose,Schuppen und Schuppenflechtesowie schlecht heilenden Narbenempfohlen. Neben entzündungs-hemmenden und wundheilendenEigenschaften für den äußerenGebrauch soll Aloe aber auch beiArthritis-, Rheuma-, Gicht-, Mi-

Da kann der Kaktus nichts dafür . . .

NATURWISSENSCHAFTEN / CHEMIE / PHARMAZIE

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gräne-, Rücken- und anderenSchmerzen oder bei Problemendes Magens, der Niere, derBauchspeicheldrüse, bei Darm-trägheit, Diabetes und Zwölffin-gerdarmgeschwüren oder einfachals eine Art Allgemeinzustands-verbesserer dienen. Neben demeigenen Vitamingehalt soll das inAloe vertretene Inhaltsstoffge-misch auch die Bioverfügbarkeitder Vitamine B12, C und E um einVielfaches verstärken. [2] Ace-mannan, ein Mucopolysaccharid(ein gallertartiger, schleimigerZucker), der einen Bestandteil desBlattgels bildet, werden immun-stimulierende, aber auch antivira-le, antibakterielle und antimyko-tische (pilzhemmende) Eigen-schaften nachgesagt. Insgesamtwurden bisher 270 wirksame In-haltstoffe im Preßsaft der Pflanzeunterschieden, deren Wirkungnoch lange nicht vollständig er-forscht ist, von denen man sichaber ein großes Heilungsreservoirsowohl in dem natürlichen Ge-samtkomplex als auch von deneinzelnen Wirksubstanzen er-hofft.

Schließlich soll Aloe, als Zim-merpflanze aufgestellt und zurmöglichen Nahrungsergänzungdurchaus für die spätere eigene"Wohnzimmer-Ernte" gedacht,effektiv das toxische und krebser-regende Formaldehyd aus derRaumluft filtern, das z.B. ausneuen Möbeln ausdünsten kann.Ob die Blätter der Pflanze dannallerdings noch in klassischerWin-Win-Manier für den Verzehrals Gemüse geeignet sind, istwohl eine Geschmacksfrage.Kurzum, das Potential der ge-sundheitlichen Bedeutung und so-mit wirtschaftlichen Ausbeutungder Pflanze scheint nach oben hinoffen.

Darüber, inwieweit vor allem dieinnere Wirksamkeit auch ausrei-chend wissenschaftlich belegt ist,herrschen durchaus geteilte Auf-fassungen. Die Gesundheitsexper-ten von Stiftung Warentest, diedem Gesundheits-Hype mal nach-spüren wollten, kritisierten un-längst fehlende klinische Studien.[3] Trotz zahlreicher Untersuchun-gen sei nur für wenige Anwen-dungsgebiete überhaupt ein positi-ver Nutzen tatsächlich wissen-schaftlich erkennbar. Warentest hatdabei nur die beiden Rohstoffe,d.h. Aloe-Latex und -Gel, unter-sucht, nicht die einzelnen Inhalt-stoffe und bestätigt damit aber Un-tersuchungsergebnisse, die vorJahren bereits in der pharmazeuti-schen Fachpresse veröffentlichtwurden. Die erklärten überhauptnur die Anwendung des Latex-Safts als Abführmittel für wissen-schaftlich abgesichert, auch wennsie nicht empfehlenswert sei undbei Daueranwendung sogar dasGegenteil bewirkt. [4] In anderenStudien deuteten sich bestenfallsHinweise einer möglichen Indika-tion für Psoriasis (Schuppenflech-te), seborrhoischer Dermatitis (ex-trem fettige Haut) und Herpes ge-nitalis an, die jedoch in weiterenStudien noch validiert werdenmüßten. Andere Wirkzusammen-hänge wie die Vorbeugung vonStrahlungsschäden wurden durchwissenschaftliche Überprüfungenbislang eher widerlegt. Die reineSalbengrundlage wies oftmals dengleichen oder besseren Effekt aufals das Aloe-Gel. Die Gutachtervon Stiftung Warentest stellen nun,ein paar Jahre und vielleicht aucheinige Untersuchungen später, denEinsatz der Pflanze bei Schuppen-flechte vehementer in Frage.

All das wird von Webseiten imHeil- und Gesundheitsmittel-Ver-

trieb als Auswuchs monopolisti-scher Bestrebungen des Pharma-marktes gewertet, der ihrer Aus-legung nach den Konkurrenz-kampf auf dem Heilmittelsektoram liebsten durch gesetzlicheVerbote geregelt sehe. Im Gegen-zug nutzt das Aloe-Marketing je-de Lücke im gültigen Heilmittel-werbegesetz, um mit jedem klei-nen Studienergebnis die Heilwir-kung der Produkte als "wissen-schaftlich untersucht" hervorzu-heben. Manche kokettieren damit,daß sie bei Produkten wie Kos-metika, Joghurts, Kapseln oderSäften zwar rechtlich gesehennicht mit einem gesundheitlichenNutzen werben dürften, gebenaber gerne Links zu privaten, wis-senschaftlichen Instituten an, diediese Lücke dann schließen. Da-zu kommt der Wettkampf der ein-zelnen Wellness-Unternehmenuntereinander, die ihre Kundenmit Biosiegeln und Zertifizierun-gen bzw. durch bessere, reinere,ökologischer angebaute oder ebenwirksamere oder verträglichereQualität an sich binden müssen.

So versichert die unabhängigeAloe Medical Group International(AMGI) [5] die Heilwirkungenund Qualitätsnachweise aus-schließlich von Aloe Vera-Pflan-zen und -Produkten eines dergrößten Aloe-Konzerne undmacht zudem auf neu erschiene-ne Forschungsprojekte aufmerk-sam. Foren wie Pro Vita worldwi-de [6] erwecken mit Newsletternüber neue Studien oder wissen-schaftliche Symposien den Ein-druck, als gäbe es einen immen-sen Forschungsbereich, der sichausschließlich mit Grundlagen,Gewinnung und technologischerVerarbeitung der gesundheitlichnutzbaren Bestandteile von AloeVera befaßt. Bei genauerem Hin-

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sehen wurde das bislang einzigeSymposium der Interessengruppezum Beispiel vom Bundesver-band der Industrie- und Handels-unternehmen und der LR Health& Beauty Systems GmbH veran-staltet und fand im Rahmen einerKosmetikmesse statt. Gesponsortwurde es von einem Internationa-len Aloe Science Council (IASC),hinter dem sich ein Zusam-menschluß von Gesundheitskon-zernen verbirgt, die alle mehroder weniger große Mengen vonunterschiedlichsten Aloe-Produk-ten vermarkten. [7]

Allen Anstrengungen zum Trotzkonnten den 270 oder 300 (hierdifferieren die Angaben ein we-nig) angeblich isolierten Wirk-stoffen bislang keine eindeutigeWirkung zugeordnet werden, sodaß wohl der kombinierte Wirk-stoffcocktail letztlich für die Wir-kung verantwortlich gemachtwerden muß, welche die Blätterfür einige Menschen seit Altersher offensichtlich haben. Warumalso die Aufregung um Studienund Forschung, zählt nicht docham Ende: "Wer heilt, hat recht"?

Bittere Erkenntnis ...

An überteuerten Placebo-Effek-ten oder auch komplett nutzlosenmit Pseudostudien gestütztenWellness-Hypes, die sich der Ho-mo sapiens luxuriae gönnt, umdie Unternehmer seiner Speziesnoch reicher zu machen, wäreweiter nichts auszusetzen, wennnicht der unkontrollierte Verzehrdes Aloe-Blattes als Gemüse oderSmoothie, wie der bekannte Le-bensmittel-Kritiker Uwe Pollmerim Deutschlandfunk berichtete[8] , durchaus schaden könnte.Denn auch die negativen Be-

gleiterscheinungen, toxischen Ef-fekte oder Nebenwirkungen, diezum Prüfprogramm der klini-schen Untersuchungen gehören,sind durch das wissenschaftlicheMißverhältnis nicht ausreichenderkundet.

Pollmer macht zu Recht daraufaufmerksam, daß gerade die ein-zige, tatsächlich auch in Arznei-buchmonographien aufgeführteund wissenschaftlich verifizierte,abführende Wirkung wegen desstarken Kaliumverlusts und derdrastischen, krampferzeugendenDarmwirkung, die man den laxie-renden Wirkstoffen der Aloe an-lasten muß, umstritten ist. Diesegeht ausschließlich auf die bitte-ren Antrachinone bzw. laut Euro-päischemArzneibuch Anthranoi-de (Hydroxyanthracen-Derivate =Anthrachinone), hauptsächlichauf die Aloine A und B, außerdem2-Alkylchromone zurück, die ausdem gelblichen Latexsaft derBlattrinde gewonnen werden.Wegen gravierender Nebenwir-kungen und der Gefahr, bei miß-bräuchlicher Daueranwendungdas krasse Gegenteil (Darmträg-heit) zu provozieren, sind AloeVera Extrakte wie auch andereAnthranoid-haltige Naturheilmit-tel (Sennesblätter) aus pharma-zeutischen Abführmittel-Zuberei-tungen in der Regel zu Gunstenvon kontrollierbareren Stoffenoder harmloseren Schleimdrogenverschwunden. [9] Anthranoideoder Anthrachinone sind bereitsseit 20 Jahren als toxische Schad-stoffe bekannt und dürfen nach ei-ner Empfehlung vom Bundesin-stitut für Risikobewertung (BfR)beispielsweise in Lebensmittel-verpackungen nicht mehr vor-kommen. [10] Bei der Zellstoffund Papierherstellung werdenAnthrachinone als Hilfsstoffe ein-

gesetzt, die anschließend im fer-tigen Produkt bleiben und so indie Lebensmittel übergehenkönnten. In einem Gutachten derEuropäischen Behörde für Le-bensmittelsicherheit (EFSA) wer-den Anthrachinone als potentiellcancerogen (krebserregend) ein-gestuft.

Die Sendung "Mahlzeit" desDeutschlandfunks [8] wies daraufhin, daß zwar der giftige Anthra-chinon-haltige Latex vor allem imRandbereich des Blattes lokali-siert ist und durch Abschälen undWaschen des ebenfalls verwend-baren Aloe-Gels von diesem ge-trennt werden könnte. Doch vorSelbstzubereitungen - nach Erntedes Wohnzimmer-Aloes etwa -wird gewarnt:

Ein Versuch des Chemischen undVeterinäruntersuchungsamtesStuttgart zeigt: Selbst bei peinlichgenauer Einhaltung der Zuberei­tungshinweise besteht das Risi­ko,"dass hohe Mengen an toxiko­logisch bedenklichen Stoffen ausder Klasse der Anthrachinone indas verzehrfertige Blattgel gelan­gen können". Auch bei korrekterVorgehensweise kam es zu einerÜberschreitung des Grenzwertes,der für Arzneimittel gilt. Die Be­hörde warnt deshalb ausdrücklichvor der Selbstzubereitung. Bessersieht die Lage bei industriell ge­fertigten Produkten aus. Nach denErgebnissen der Stuttgarter Le­bensmittelüberwachung liegenderen Giftgehalte um den Faktor300 niedriger als bei Selbstzube­reitung. Es sei dahingestellt, obdies im Einzelfall der sparsamenVerwendung des Rohstoffes zuzu­schreiben ist oder einer peinlichgenauen Kontrolle der Anthra­chinon­Gehalte im fertigen Pro­dukt. [8]

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Die hier implizierte "homöopathi-sche" Dosierung von Aloe-Wirk-stoffen nur um mit der "Königinder Heilpflanzen" irgendeinDurchschnittsprodukt aufzuwer-ten, ist ein weiterer Kritikpunkt,an den wir hier nur der Vollstän-digkeit halber erinnern. [11 ]

Das ist leider noch nicht alles. Ineiner jüngeren Meta-Studie einesamerikanischen toxikologischenForschungsinstitut in Jefferson,Arkansas, die 2016 im englisch-sprachigen Fachblatt "Journal ofEnvironmental Science and He-alth, Part C" (Environmental Car-cinogenesis and EcotoxicologyReviews) mit dem Titel "Aloevera: A review of toxicity and ad-verse clinical effects" schreibendie Toxikologen Xiaoqing Guound Nan Mei dem Gesamtauszugder vermeintlichen Wunderpflan-ze außer einer erwiesenen Cance-rogenität auch nachweislich cy-totoxische und genotoxische Ei-genschaften zu, sowie zahlreicheschädliche Nebenwirkungen, wiedie Schädigung von Leber undNieren, phototoxische Effekte,Juckreiz, Krämpfe, Verfärbungender Darmhaut u.a.m. Dabei kon-zentrieren sich die toxischen Re-sultate vor allem in den Untersu-chungsergebnissen von Aloe-La-tex, Genotoxizität und Cytoxizi-tät wurden aber in einigen Studi-en auch durch Anwendung bzw.Fütterung des Gels nachgewie-sen. Die Zusammenstellung vonEinzelergebnissen wirft schon fürsich gesehen die Frage auf, wieunbedenklich der unkontrollierteund oftmals sogar unfreiwilligeKonsum von Aloe tatsächlich ist.[1 2] Kaum ein Haushalt, dernicht in Bad oder Küche zumin-dest ein Mittelchen aufweisenkann, das, ob gewollt oder nicht,ein bißchen Aloe enthält, und

wenn es nur die Zahncreme ge-gen Parodontitis ist . . .

Selbst wenn die Stiftung Warentestim April 2017 nur die langfristigeAnwendung des Latexsafts mit ei-ner Erhöhung des Krebsrisikosgleichsetzte [1 3] , ist das Interesseeher gering, den Aufstieg der "Kö-nigin der Heilpflanzen" von einerantiken Arznei gegen Verstopfungzum vielseitig verwendbaren Li-festyleprodukt aufzuhalten.

Denn das Geschäft mit Aloe-Pro-dukten boomt weltweit. Zwar gibtes keine wirklich gesicherten Zah-len, aber insgesamt sollen sich diejährlichen Umsätze mit Aloe-Ve-ra-Gel, Direktsäften, Konzentra-ten, Nahrungsergänzungen undKosmetikprodukten, die Aloe-Ex-trakte enthalten, auf rund 13 Mil-liarden Dollar weltweit belaufen.Davon gehen allein 100 Millionenauf den deutschsprachigen Raum.[14] Von den rund 60.000 TonnenAloe Vera, die jährlich geerntet

werden sollen, finden rund 45 Pro-zent des Rohstoffs in kosmeti-schen Produkten Verwendung,schätzt ein amerikanisches Rese-arch Institut. Andere Quellen ta-xieren den Rohstoffmarkt aufHunderttausende Tonnen pro Jahr,die auf einer zwischen 24.000 und36.000 Hektar großen Agrarflächeweltweit über fünf Kontinenteverteilt angebaut werden. Das mil-liardenschwere Aloe-Vera-Busi-ness beschäftigt weltweit mehrereHundertausend Menschen in derLandwirtschaft, der Verarbeitung,Herstellung und Produktion, Mar-keting und Vertrieb, von den haus-eigenen Forschungslaboren, dieein günstiges wissenschaftlichesBild erzeugen sollen oder die not-wendigen Zertifizierungen vor-nehmen, einmal abgesehen.

Ökologische Gut-Pflanze?

Wäre der überschaubare gesund-heitliche Schaden und enttäusch-

Fuerteventura ist die einzige Region, in der Aloe vera angeblich nichtin Monokultur angebaut wird.Das Feld in Pájara an der Straße FV­617 tritt den Gegenbeweis an.Foto: März 2012 by Frank Vincentz als CC BY­SA 3.0 [http://creati­vecommons.org/licenses/by­sa/3.0], via Wikimedia Commons

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te Erwartungen durch den Genußdes Aloe-Vera Blattgels noch ak-zeptabel, da er ohnehin eine aus-gesiebte Klientel betrifft, die sichmehr davon leisten, als derDurchschnitt, so sollte aber nichtunerwähnt bleiben, daß durch dieKultivierung eines größtenteilsnutzlosen Luxusartikles gewalti-ge Anbauflächen vor allem in Re-gionen wie Mexiko, Australien,Indien, Spanien, auf den Kanarenund in der Dominikanischen Re-publik besetzt und zugepflanztwerden, die neben großen Was-sermengen und Nährstoffen die-sen Ländern über Jahre nichtmehr der Nahrungsmittelproduk-tion zur Verfügung stehen. Der"geraubte" Boden wird durch Mo-nokulturanbau "nachhaltig" zer-stört. [1 5] Fünf Jahre muß eineKultur gewässert und regelmäßiggedüngt werden, um Blätter inausreichender und marktfähigerQualität zu ernten. Da stellt sichdie Frage, ob der ohnehin schonnährstoffarme Boden in diesenheißen Regionen tatsächlich fürdie Menschen vor Ort "ent-wickelt" wird, oder was von ihmnoch übrig bleibt, sollte der Hypeeinmal vorüber sein.

Was dieser Landraub und die in-dustrielle Erschließung des Lan-des an vermeintlichen Vorteilenfür die Bevölkerung zum Beispielin Form von Arbeitsplätzen tat-sächlich bringt, mit denen einerder führenden Hersteller auchnoch wirbt, kann man am Beispielder traditionellen Zuckerrohr-In-dustrie ablesen. Der Aloe-Kon-zern betreibt mit 3.000 Hektar,auf denen allein 30 MillionenAloe-Vera-Pflanzen wachsen, dieweltweit größte Plantage der Weltin der Dominikanischen Repu-blik. Die Arbeiter auf seiner Plan-tage schöpfen nur hier jährlich

24.000 Tonnen gewachsene Alo-eblätter bzw. "Biomasse" aus demBoden ab. Viele Hände sind dafürgefragt, die nicht viel kosten dür-fen. So übertrieb ein Artikel dertaz sicher nicht, als er die aktuel-le Situation der Land- und Planta-genarbeiter in der Dominikani-schen Republik mit einer Formmoderner Sklaverei verglich. Ta-gelöhner verdingen sich auf do-minikanischen Plantagen für 6Dollar pro Tag. Es sind oftmalsFremdarbeiter aus Haiti, die auchnach Jahrzehnten harter Arbeitnur beschränkte Aufenthaltsge-nehmigung haben und sich nurauf dem Plantagengelände bewe-gen dürfen. Ansprüche aufRenteoder andere Leistungen der Repu-blik besitzen sie nicht. [1 6]

So wie in der DominikanischenRepublik Parallelwelten, die derArmen mit Hütten, undichten Dä-chern, ohne sanitäre Anlagen unddie der Reichen mit Villen undPools, Hotels und Touristenattrak-tionen nebeneinander existieren,scheint das Aloe Vera-Symboloder -Label vor allem diese kras-sen Widersprüche zu vereinen.

Anmerkungen:

[1 ] Eine Zusammenfassung derwichtigsten Pluspunkte finden Siehier:https://www.aloevera-land.at/de/aloe-vera-pflanze

[2] http://provita-world.com/fi-leadmin/medien/Deutsch/Down-loads/ProVita_Aloe_Vera.pdf

[3] Stiftung Warentest:https://www.test.de/Aloe-Vera-1107149-0/

[4] http://www.pharmazeutische-

zeitung.de/in-dex.php?id=pharm1_04_2004

[5] Die Aloe Medical Group In-ternational (AMGI) ist ein inter-nationales Netzwerk aus Ärzten,Therapeuten, Ernährungs- undGesundheitsberatern, die sich aufInitiative Ihrer Gründerin Dr.med. Susanne Schwemmlein da-mit befaßt, Informationen undwissenschaftliche Studien zu Ein-satz und Wirkung von Aloe-Pro-dukten zu bündeln und verfügbarzu machen. Allerdings werden aufden Seiten der Gruppe nur Pro-dukte eines bestimmten Herstel-lers empfohlen. Umgekehrt ver-weist dieser Hersteller auf wis-senschaftliche Nachweise überdie Wirkung seiner Produkte vorallem auf diese Quelle.https://www.aloe-medical-group.com/

[6] http://provita-world.com/de/

[7]http://www.iasc.org/About/Mem-berDirectory.aspx

[8] http://www.deutschlandfunk-kultur.de/aloeveragiftaufdemtel-ler.993.de.html?dram%3Aartic-le_id=386970

[9] http://www.arzneipflanzenle-xikon.info/aloe.php

[10]http://www.bfr.bund.de/cm/343/bfr-streicht-anthrachinon-aus-den-bfr-empfehlungen-fuer-lebens-mittelverpackungen.pdf

[11 ] http://www.focus.de/finan-zen/news/21 -produkte-von-ross-mann-und-dm-getestet-test-zeigt-sie-sollten-im-drogeriemarkt-kei-ne-aloe-vera-produkte-kaufen_i-d_7039716.html

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Sa. 24. Juni 2017 Seite 1 5www.schattenblick.de

[1 2] https://www.researchga-te.net/publication/298795803_A-loe_Vera_-_A_Review_of_Toxi-city_and_Adverse_Clinical_Ef-fects?enrichId=rgreq-0be1924edd58e078ca83db678f18a52f-XXX&enrichSour-ce=Y292ZXJQYWdlO-zI5ODc5NTgwMztBU-zo0MDA0NDIwNDQ1MDI-wMTZAMTQ3MjQ4NDIzM-TA3MQ%3D%3D&el=1_x_2&_esc=publicationCoverPdfabgeru-fen am 19.6.2017

[1 3] https://www.test.de/Aloe-Vera-1107149-2107149/

[14] http://www.mlm-worldwi-de.de/das-geschaeft-mit-aloe-ve-ra-produkten-ist-ein-multi-milli-ardenmark

[1 5] Ebenso wie Nahrung istWasser in den bevorzugten An-baugebieten für einen Großteilder Bevölkerung knapp. In Indienleben zwei Drittel der Menschenin Armut, 49 Millionen Mexika-ner und Mexikanerinnen (46 Pro-zent der Bevölkerung) sind man-gelernährt. In der Dominikani-schen Republik leiden laut Anga-ben der Welthungerhilfe immer-hin noch 24 Prozent an Unterer-nährung, der Schweregrad desHungers wird nach dem Welthun-gerindex von 10,2 noch als ernsteingestuft.

[1 6] http://www.taz.de/! 5229178/siehe auchhttps://monde-diplomati-que.de/artikel/! 853627 1 /

http://www.schattenblick.de/infopool/natur/chemie/

ncph0088.html

Kreuzvergleich -Floyd Mayweather gegen Conor McGregor

Umstrittenes Spektakel geht Ende August über die Bühne

SPORT / BOXEN / MELDUNG

(SB) 23. Juni 2017 ­ Floyd May-weather und Conor McGregortreten am 26. August im MGMGrand in Las Vegas gegeneinan-der an, das auch 2015 Schauplatzdes "Kampfs des Jahrhunderts"zwischen Mayweather und Man-ny Pacquiao war. Das damaligeSpektakel enttäuschte zwar insportlicher Hinsicht auf ganzerLinie, fuhr aber mit 4,6 MillionenBuchungen bei HBO/Showtimeim Pay-TV einen sagenhaften fi-nanziellen Rekord ein. Nun kur-sieren Spekulationen, der Crosso-ver zwischen Boxen und MixedMartial Arts könnte ungeachtetseiner fragwürdigen Qualitätnoch mehr Geld als beim sagen-haften Rekorderlös vor zwei Jah-ren in die Taschen der beteiligtenAkteure schaufeln. Das ist zwareher unwahrscheinlich, da sich sogut wie alle Experten in der Ein-schätzung einig sind, daß der Ireungeachtet überragender Fähig-keiten in seinem Metier chancen-los in einem Duell nach Boxre-geln ist. Andererseits sind beideAkteure nicht nur Meister ihrerZunft, sondern zugleich Vermark-tungstalente par excellence, dienüchternen Prognosen zum Trotzdem potentiellen Publikum verba-lakrobatisch einheizen können.

Der 28 Jahre alte McGregorbrachte die Meldung des fest ver-einbarten Kräftemessens untersVolk, obgleich sich MayweathersBerater Al Haymon und UFC-

Boß Dana White noch nicht überdie beiderseitigen Börsen und an-dere maßgebliche Details han-delseinig geworden waren. Daßdie Wahl auf das MGM Grand alsVeranstaltungsort fiel, obgleichandere Sportstätten wie etwa dieT-Mobile Arena erheblich mehrZuschauern Platz bieten würden,ist darauf zurückzuführen, daßMayweather auf diese Weise dievolle Kontrolle über die Eintritts-preise behält. Es würde kaumüberraschen, müßten die Schau-lustigen ähnlich astronomischeSummen auf den Tisch legen wieseinerzeit beim Kampf gegenManny Pacquiao.

Beide Akteure haben bereits dasTraining aufgenommen, was ins-besondere für den mittlerweile40jährigen Mayweather unver-zichtbar ist. Er hat seit dem Siegüber Andre Berto im September2015 keinen Kampfmehr bestrit-ten und die Boxhandschuhe ei-gentlich längst an den Nagel ge-hängt. Die beiden Lager habensich auf das Halbmittelgewichtgeeinigt und dem Vernehmennach die Sportkommission vonNevada mit ins Boot geholt. Derungeschlagene Mayweather willgegen den UFC-Champion inzwei Gewichtsklassen den 50.Sieg seiner Karriere einfahrenund damit alleiniger Rekordhalterim professionellen Boxsport wer-den. Hingegen ist McGregor, dernoch nie einen regulären Box-

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kampf bestritten hat, gewisserma-ßen ein Novize auf diesem Gebiet,wenn er mit dem nach wie alsweltbestem Boxer gehandeltenUS-Amerikaner in den Ring steigt.

Viele Kritiker sprechen daher voneiner Farce, die ausschließlich ausfinanziellen Erwägungen insze-niert werde und im Falle eines all-zu einseitigen Verlaufs dem Box-geschäft schweren Schaden zufü-gen würde. Das Pay-TV hat sichgerade erst von dem Rückschlaginfolge des enttäuschendenKampfs zwischen Mayweatherund dem verletzt angetretenenPhilippiner erholt, für das die Fern-sehkunden bis zu 100 Dollar be-zahlen mußten. Bei den Buchma-chern ist McGregor derzeit alskrasser 25:1 -Außenseiter notiert,so daß er noch gewaltigen Ge-brauch von seinem Mundwerk ma-chen muß, um der Kundschaft ein-zureden, er habe sich inzwischenboxerisch enorm verbessert undausgezeichnete Chancen, May-weather das Handwerk zu legen.

Vermutlich werden die MMA-Fans in hellen Scharen aufkreu-zen oder die Übertragung bu-chen, um den populärsten UFC-Star zu sehen. Die große Fragebleibt jedoch, ob das auch für dasboxinteressierte Publikum gilt,das für die erhofften Verkaufs-zahlen unabdingbar ist. Die Zu-schauer wollten MayweathersAuftritte gegen Saul "Canelo"Alvarez und Manny Pacquiaomiterleben, da sie in beiden Fäl-len eine Niederlage des Super-stars für möglich hielten. Dasdürfte jedoch im Falle McGre-gors kaum funktionieren, daMayweather schon von allen gu-ten Geistern und seinem Talentverlassen sein müßte, um denkürzeren zu ziehen.

Der Termin am 26. August ist zu-gleich eine Kampfansage an SaulAlvarez und Gennadi Golowkin,die nur drei Wochen später eben-falls in Las Vegas ihr unter Hoch-spannung erwartetes Duell um dieVorherrschaft in der Branche aus-tragen werden. "Canelos" Promo-ter Oscar de la Hoya hatte extra dasWochenende des mexikanischenFeiertags Mitte September ge-wählt, um Mayweather auszuboo-ten, der früher traditionell an die-sem Termin aufgetreten ist. DessenKonter, vorher mit McGregor inden Ring zu steigen, wird sichzweifellos negativ auf die Konkur-renten auswirken. Die wenigstenFans werden willens und zahlungs-kräftig genug sein, um zwei teureKämpfe binnen weniger Wochenzu buchen. Das dürfte auch May-weathers Marge beeinträchtigen,doch sehr viel weniger als die derRivalen, da er ihnen zuvorkommtund zuerst abgreifen kann. Wenn-gleich kaum jemand daran zwei-felt, daß der Septemberkampfweitaus hochwertiger einzuschät-zen ist, könnte gerade eine neuer-liche Enttäuschung beim vorange-henden Spektakel abschreckendwirken. [1 ]

Conor McGregor hat am 5. März2016 in der zweiten Runde gegenNate Diaz verloren, an dem er am20. August umstritten nach Punk-ten Revanche nahm. Wesentlichüberzeugender fiel dann sein ra-scher Sieg über Eddie Alvarezaus, dem er bei seinem bislangletzten Auftritt am 12. Novemberden Titel im Leichtgewicht ab-nahm. Mayweather hat im Laufeder Jahre mit Oscar de la Hoya,Miguel Cotto, Jose Luis Castillo,Diego Corrales, Marcos Maidana,Saul "Canelo" Alvarez und Man-ny Pacquiao eine ganze Reihehochklassiger Gegner besiegt. Er

war Weltmeister in fünf verschie-denen Gewichtsklassen und jah-relang die unumstrittene Nummereins der Branche. Dabei verstander es immer wieder, allseits gefor-derte Duelle solange reifen zu las-sen, bis sie sich bestmöglich ver-markten ließen, so daß er schließ-lich zur Geldmaschine des Box-geschäfts und zum bestverdie-nenden Sportler weltweit auf-stieg, obgleich er nur zwei Kämp-fe pro Jahr bestritt.

McGregor hatte bereits vor zweiJahren einen Kampfgegen May-weather ins Gespräch gebracht,was dieser zunächst als lächerli-che Vorstellung zurückwies. Dader Ire nie geboxt und der US-Amerikaner seine Karriere offizi-ell beendet hatte, mochte man dasanschließende Hin und Her für ei-ne fadenscheinige Imagekampa-gne ohne ernsthafte Konsequen-zen halten. Dana White war ur-sprünglich dagegen, machte aberschließlich eine Kehrtwende, weileinfach zuviel Geld im Spiel ist,um es liegenzulassen. Er einigtesich UFC-intern mit McGregor,was zwar noch nicht die halbeMiete, aber schon ein gewaltigerSchritt voran war. Von dem ein-flußreichen Berater Al Haymon,die nie persönlich, sondern stetsüber Mittelsmänner mit den Me-dien kommuniziert, war wie üb-lich kein einziges Wort zu hören,doch dafür um so mehr von FloydMayweather, der im Duett mitMcGregor Zug um Zug eine Feh-de aufzog, die Experten, Gazettenund Publikum zunehmend in ih-ren Bann schlug. Wenngleich sichdie abfälligen Kommentare häuf-ten und Oscar de la Hoya gar ineinem offenen Brief zum Boykottaufrief, blieb das sich anbahnen-de Spektakel um so mehr in allerMunde.

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Kein Außenstehender wird je er-fahren, was von langer Hand ge-plant, einvernehmlich abgespro-chen oder im Gegenteil im Pro-zeßverlauf frei improvisiert war.Man denke nur an Ronda Rousey,der zeitweise populärsten MMA-Kämpferin, die Floyd Maywea-ther ebenfalls herausgeforderthatte. Auch dabei bahnte sich ei-ne Art Fehde an, die über Monateimmer wieder neue Nahrung er-hielt, bis Rousey zwei herbe Nie-derlagen in Folge bezog und ausdem Rennen war. Wenngleich dieRealisierung dieses Kampfs wohlnie ernsthaft zur Debatte stand,mutet diese Inszenierung imRückblick doch wie ein Mosaik-stein zur Verwirklichung des Du-ells mit McGregor an, für dessenAkzeptanz die Öffentlichkeit erstbeharrlich weichgeklopft werdenmußte.

Floyd Mayweather, der im Kampfgegen Manny Pacquiao alles inallem rund 250 Millionen Dollareingestrichen haben soll, war inseiner aktiven Laufbahn zwangs-läufig der absolute Magnet, danichts so lukrativ wie eine Nie-derlage gegen ihn war, wenn manihn schon nicht bezwingen konn-te. Wenngleich von seinen Geg-nern lediglich der Philippiner ei-ne dreistellige Millionensummeabgreifen konnte, erhielten seineKontrahenten doch in aller Regeldie weitaus höchsten Börsen ihrergesamten Karriere. Als Maywea-ther schließlich verkündete, erwürde einzig und allein für diesenKampf noch einmal aus demsportlichen Ruhestand zurück-kehren, wurde das fast schon alsgrünes Licht wahrgenommen.

Conor McGregor, der bislang erstdreimal über eine Million Dollarund nie mehr als drei Millionen

für einen Kampfbekommen hat,ist als sportlicher Großverdienerverglichen mit Mayweather dochnur ein kleines Licht. Das hieltihn jedoch nie von der vollmun-digen Forderung ab, er werde nurfür garantierte 100 Millionen an-treten. Er hat die Rolle übernom-men, als aggressiv in Erscheinungtretender Widerpart die Stim-mung anzuheizen und den Medi-en etwas zu beißen zu geben. Solieferte er sich beispielsweisebeim Profidebüt seines KumpelsMichael Conlan ein kurzes, aberlautstarkes Wortgefecht mit denanwesenden Pressevertretern, de-nen er ankündigte, er werde inden Ring steigen und die ganzegottverdammte Welt schockieren,indem er Floyd auf die Bretterschicke: "Ich werde euch allendas Maul stopfen! " [2]

Anmerkungen:

[1 ] http://www.boxing-news24.com/2017/06/floyd-may-weather-vs-conor-mcgregor/#more-236783[2] http://www.espn.com/boxing/-story/_/id/19637155/floyd-maywea-ther-conor-mcgregor-megafight-finalized-aug-26

http://www.schattenblick.de/infopool/sport/boxen/

sbxm2150.html

SCHACH - SPHINX

Überheblichkeit rächt sich

(SB) ­ Es hat wohl keine größereDiskrepanz in den Spielauffas-sungen gegeben wie zwischendemWeltmeister José Capablan-ca und seinem Nachfolger auf

dem Thron Alexander Aljechin.Der Kubaner Capablanca war einAusbund an Überheblichkeit.Schon in jungen Jahren glaubte er,daß er keine einzige Partie verlie-ren könnte. Er war so von sichüberzeugt, daß er später die 30stärksten Schachspieler der USAzum Simultanmatch herausforder-te. Er kann von Glück reden, daßihm diese Schmach erspart geblie-ben ist. Zur eigenen Selbstüber-schätzung gehörte auch derSpruch: "Ich weiß aufden erstenBlick, was in einer Stellung steckt,was aus ihr zu machen ist. Andereschätzen es ab, ich weiß es." Die-ser Wahn kostete ihn gegen Alje-chin schließlich den Thron. WoCapablanca sich nie lange mit aus-führlichen Analysen beschäftigte,bestenfalls im Endspiel Ge-schmack an gründlichen For-schungen fand, da war Aljechinfast schon so etwas wie ein Maul-wurf und damit beschäftigt, einenganzen Schachhügel zu untergra-ben, bis er die Stellung nicht nuraufden ersten Blick, sondern bisin die Eingeweide hinein unter-sucht hatte. Max Euwe schriebeinmal über die grundverschiede-nen Charaktere beider: "Ein Alje-chin würde an Capablancas Stellevor lauter Grimm über jedes Re-mis eine schlaflose Nacht ver-bracht haben. Capablanca war esnur wichtig, wie er ein Turnier oh-ne Kräftevergeudung gewinnenkonnte." In Buenos Aires 1927sollte sich diese Selbstgefälligkeiträchen. Im heutigen Rätsel derSphinx besiegte ihn Aljechin nachnur 32 Zügen. In der Diagramm-stellung war die weiße Stellungvöllig überspielt worden. Dienächsten drei Züge von Aljechinbewiesen aufs eklatanteste, daßder "erste Blick", auf den der Ku-baner immer so stolz gewesen war,sich auch irren kann, Wanderer.

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Capablanca - AljechinBuenos Aires 1927

Auflösung des letztenSphinx­Rätsels:

Nach 1 .. .Tc8-c4! nahm der Druckder schwarzen Offiziere in derMitte bedenklich zu. Stohlbergbesaß nichts weiter als seine Da-menflügelbauern, die er mit 2.a4-a5 Ld4-c5 3.b5-b6 vorschickte.Aber nach 3.. .a7-a6 4.Sd1 -b2Tc4-c3 5.Lc1 -d2 Tc3-b3 6.Db1 -c2 Dd7-b5 7.Tf1 - c1 Lc5-f88.Tc1 -d1 Te4-e2 9.Dc2-c1 fiel dieweiße Stellung durch denKraftakt 9.. .Tb3xh3+! 10.g2xh3d5-d4 auseinander, und Weiß gabwegen unabwendbarer Drohun-gen augenblicklich auf.

http://www.schattenblick.de/infopool/schach/schach/

sph06240.html

(SB) 22. Juni 2017 ­ Von seinerersten persönlichen Begegnungmit Christian Klar, den er im Ge-fängnis besucht, erzählt RolfBecker im neunten Teil des Ge-sprächs. Wenige Wochen nachdiesem Besuch stimmt der Ge-werkschaftstag der IG Medienüber den Antrag ab, einen Aufrufzur Freilassung der letzten RAF-Gefangenen zu unterstützen.

Rolf Becker: Christian Klar [1 ] .Er war im fernen Bruchsal inhaf-tiert - für uns, von Hamburg aus,eine lange und kostspielige Reise.Zudem war unser Interesse, IGMedien-Mitglieder aus anderenBereichen einzubeziehen. Alsohaben wir Jutta Ditfurth in Frank-furt angeschrieben, die bis 1995zum Vorstand unserer Gewerk-schaft gehört hatte, sie ersuchtsich zusammen mit Kolleginnenund Kollegen aus Mittel- und

Süddeutschland um Kontakt zuihm zu bemühen. Unsere Anfrageblieb unbeantwortet - Anzeichendafür, dass die medialen Angriffe,besonders gegen Christian ge-richtet, auch in den Organisatio-nen der Arbeiterschaft zuneh-mend Wirkung entfalteten. Alsoblieb uns nur, es von Hamburgaus zu versuchen, wie immer aufgewerkschaftlichen Beschluss.

Wir fühlten uns bestärkt in unse-rem Entschluss durch Kollegin-nen und Kollegen der BerlinerVolksbühne, die zum 9. Novem-ber ` 99, dem 25. Todestag vonHolger Meins [2] , mit dem "Auf-ruf zur Freilassung der letztenRAF-Gefangenen" an die Öffent-lichkeit traten, in dem es hieß, dieFreilassung sei ein "Gebot desResthumanismus, ohne den auchdiese Gesellschaft nicht existierenkann". Vorausgegangen war .. .

Treu geblieben - heißes Eisen, linker Rand ...Rolf Becker im Gespräch

Gespräch mit Rolf Becker am 18. Oktober 2016in Hamburg­St. Georg ­ Teil 9

Hinweis: REDAKTION / REPORT

http://www.schattenblick.de/infopool/redaktio/report/rrzl0018.html

Täglich Umweltdatenaus den einzelnen

Bundesländern unter:

http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/ip_umwelt_umweltd_

luft­ba.shtmlbis ... luft­th.shtml

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Hartze - Trau dich ...

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Diensteanbieter: MA-Verlag Helmut Barthel, e.K.Verantwortlicher Ansprechpartner: Helmut Barthel, Dorfstraße 41 , 25795 Stelle-WittenwurthElektronische Postadresse: [email protected]: 04837/90 26 98Registergericht: Amtsgericht Pinneberg / HRA 1221 MEJournalistisch-redaktionelle Verantwortung (V.i.S.d.P.): Helmut Barthel, Dorfstraße 41 , 25795 Stelle-WittenwurthInhaltlich Verantwortlicher gemäß § 10 Absatz 3 MDStV: Helmut Barthel, Dorfstraße 41 , 25795 Stelle-WittenwurthISSN 2190-6963Urheberschutz und Nutzung: Der Urheber räumt Ihnen ganz konkret das Nutzungsrecht ein, sich eine private Kopie für persönlicheZwecke anzufertigen. Nicht berechtigt sind Sie dagegen, die Materialien zu verändern und / oder weiter zu geben oder gar selbst zuveröffentlichen. Nachdruck und Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Wenn nichtausdrücklich anders vermerkt, liegen die Urheberrechte für Bild und Text bei: Helmut BarthelHaftung: Die Inhalte dieses Newsletters wurden sorgfältig geprüft und nach bestemWissen erstellt. Bei der Wiedergabe und Verarbeitungder publizierten Informationen können jedoch Fehler nie mit hundertprozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden.

Erfrischend kühl bei 19 Gradund starke Wolkenmächte,Jean-Luc ist auf dem Froschkriegspfad,verstrickt in Sturmgefechte.

Und morgen, den 24. Juni 2017

+++ Vorhersage für den 24.06.2017 bis zum 25.06.2017 +++

DIENSTE / WETTER / AUSSICHTEN

______I n h a l t_____________________________________Ausgabe 2230 / Samstag, den 24. Juni 2017____

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