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200
Juristische Reihe TENEA/ Bd. 106 ERWIN SALAMON Das Schicksal von Gesamtbetriebsvereinbarungen bei Betriebs- und Betriebsteilveräußerungen 106 E. Salamon Gesamtbetriebsvereinbarungen bei Betriebs- und Betriebsteilveräußerungen Juristische Reihe TENEA/

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Juristische Reihe TENEA/ Bd. 106

ERWIN SALAMON

Das Schicksal von Gesamtbetriebsvereinbarungenbei Betriebs- und Betriebsteilveräußerungen

ISBN 3-86504-156-6 30 €

106

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Die kollektivrechtliche Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen knüpft nach ge-festigter Rechtsprechung und herrschender Lehre an eine fortbestehende Identitätdes Betriebs an. Das Bundesarbeitsgericht hat zwischenzeitlich auch für die Fort-geltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen an eine Identitätswahrung auf betrieb-licher Ebene abgestellt. Die überwiegende Lehre hatte bis zu diesem Zeitpunkt dieGesamtbetriebsvereinbarung auf Unternehmens-, nicht aber betrieblicher Ebeneangesiedelt.

Die vorliegende Arbeit analysiert die Anknüpfungspunkte der Geltung vonGesamtbetriebsvereinbarungen im Bereich der originären wie der delegierten Zu-ständigkeit des Gesamtbetriebsrats. Ausgehend vom Normencharakter wird zu-nächst die Geltungsweise von Gesamtbetriebsvereinbarungen, eine Anknüpfungan originäre Angelegenheiten des Unternehmens, eine Rechtsetzung auf Unter-nehmensebene sowie generell das Verhältnis der Mitbestimmung durch Gesamt-betriebsrat und Betriebsrat untersucht.

Im Rahmen einer anschließenden Darstellung der Voraussetzungen der kollek-tivrechtlichen Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen werden zunächstdie denkbaren Sachverhaltskonstellationen der Betriebsveräußerung beleuchtet.Danach wendet sich die Arbeit der Frage zu, ob als innerbetriebliche Vorausset-zung eine Wahrung der Identität des Betriebs maßgebend ist, anhand welcher Kri-terien eine Beurteilung der Identität des Betriebs überhaupt möglich sein soll undwelche Wertungen das Betriebsverfassungsrecht selbst für die Beurteilung auf-stellt, ob »derselbe« Betrieb als Geltungsbereich einer Norm fortexistiert. Im Ergeb-nis wird anhand dieser Wertungen ein Modell entwickelt, das der Normsetzungfür den Betrieb als betriebsverfassungsrechtlich relevante Einheit Rechnung trägt,einheitliche Maßstäbe für die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen wieGesamtbetriebsvereinbarungen ermöglicht und für die Praxis die mit dem Begriffder »Identität« des Betriebs verbundenen Rechtsunsicherheiten weitgehend ver-meidet.

Abschließend behandelt die Arbeit Auswirkungen von Veränderungen derNormsituation, die Auflösung von Konkurrenzen und die Frage der Übertragbar-keit der Ergebnisse auf Konzernbetriebsvereinbarungen.

Erwin Salamon wurde 1974 in Elmshorn geboren. Er studierte Rechtswissenschaf-ten in Hamburg, wo er auch seine juristischen Staatsprüfungen absolvierte. SeitAnfang 2003 ist er als Rechtsanwalt in Hamburg tätig, wo er neben der anwaltli-chen Tätigkeit promovierte.

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UmschlagJuraweltSalamon 09.02.2006 10:49 Uhr Seite 1

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Juristische Reihe TENEA/ Bd. 106

TENEA

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Tenea (‘η Τενεα), Dorf im Gebiet von Korinthan einem der Wege in die → Argolis, etwas s. desh. Chiliomodi. Sehr geringe Reste. Kult des Apol-lon Teneates. T. galt im Alt. sprichwörtl. als glück-lich, wohl wegen der Kleinheit […]Aus: K. Ziegler, W. Sontheimer u. H. Gärtner(eds.): Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike.Bd. 5, Sp. 585. München (Deutscher Taschen-buch Verlag), 1979.

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ERWIN SALAMON

Das Schicksal von Gesamtbetriebsvereinbarungenbei Betriebs- und Betriebsteilveräußerungen

BRISTOL BERLIN

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Erwin Salamon

Das Schicksal von Gesamtbetriebsvereinbarungenbei Betriebs- und Betriebsteilveräußerungen

(Juristische Reihe TENEA/www.jurawelt.com; Bd. 106)

Zugleich Universität HamburgDissertation 2006

© TENEA Verlag Ltd., Bristol, Niederlassung DeutschlandBerlin 2006

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved.Digitaldruck und Bindung:DDZ GmbH · 12103 Berlin

TENEA-Graphik: Walter Raabe, BerlinPrinted in Germany 2006

ISBN 3-86504-156-6

Gedruckt auf holzfreiem, säurefreiem,alterungsbeständigem Papier

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I

Inhalt

A. Einleitung - Die Entscheidung des BAG vom 18. September 2002

(BAG NZA 2003, 670) ..................................................................................1

I. Einleitung..................................................................................................1

II. Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ....................................................2

1. Anknüpfung der Gesamtbetriebsvereinbarung an Betriebe................2

2. Anknüpfung an Gesamtbetriebsratsfähigkeit......................................2

3. Transformation zur Betriebsvereinbarung ..........................................3

4. Anknüpfung an Betriebsteile ..............................................................3

B. Meinungsstand..............................................................................................5

I. Gesamtbetriebsvereinbarungen im originären

Zuständigkeitsbereich des Gesamtbetriebsrats.......................................5

1. Fortgeltung als Gesamtbetriebsvereinbarung ....................................5

a) Parallele zum Fortbestehen des Amts des

Gesamtbetriebsrats.......................................................................6

b) Fortbestand der Unternehmensidentität........................................7

c) Fortbestand der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ...............7

d) Übergang des Geltungsbereichs der

Gesamtbetriebsvereinbarung........................................................7

e) Auslegung und Wegfall der Geschäftsgrundlage..........................8

2. Fortgeltung als Betriebsvereinbarung.................................................8

3. Transformation gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ............................9

II. Gesamtbetriebsvereinbarungen im Zuständigkeitsbereich des

Gesamtbetriebsrats kraft Delegation .......................................................9

C. Übergangsfähigkeit von Gesamtbetriebsvereinbarungen ...........................10

I. Ausschluss der kollektivrechtlichen Fortgeltung gemäß § 613a

Abs. 1 Satz 2 BGB.................................................................................10

1. Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ..........................................10

2. Teleologische Reduktion des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB................10

a) Historische Entwicklung, Meinungsstand....................................11

b) Systematik, historische Auslegung und Normzweck...................12

3. Zwischenergebnis ............................................................................16

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II

II. Geltungsweise der Gesamtbetriebsvereinbarung .................................. 16

1. Rechtscharakter von Gesamtbetriebsvereinbarungen..................... 16

a) Begriff und Rechtswirkung.......................................................... 17

aa) Begriff ................................................................................. 17

bb) Rechtswirkung.................................................................... 17

b) Rechtscharakter ......................................................................... 18

aa) Der Betrieb als Verband im Rechtssinne............................ 19

bb) Zustandekommen und Beendigung.................................... 20

(1) Wortlaut des § 77 BetrVG ............................................. 21

(2) Zustandekommen durch Spruch der

Einigungsstelle.............................................................. 22

(3) Beendigung durch Kündigung....................................... 22

(4) Zweck der Entscheidung durch Beschluss.................... 23

(5) Vertrag als Ausdruck der Privat-

/Betriebsautonomie ....................................................... 23

cc) Normative Wirkung............................................................. 24

c) Zwischenergebnis ...................................................................... 25

2. Anknüpfungspunkte der normativen Wirkung .................................. 26

a) Regelungsobjekt und Geltungsbereich....................................... 26

aa) Personeller Geltungsbereich (Normadressaten) ................ 26

(1) Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen.............. 27

(a) Arbeitnehmer im räumlichen Geltungsbereich 27

(b) Arbeitgeber 28

(2) Betriebsnormen............................................................. 29

(3) Betriebsverfassungsrechtliche Normen ........................ 30

(4) Zwischenergebnis ......................................................... 31

bb) Räumlicher Geltungsbereich .............................................. 32

(1) Räumlicher Geltungsbereich als Bezugspunkt der

normativen Wirkung ...................................................... 32

(2) Zeitliche Dimension der Rechtsfolgenverknüpfung ....... 33

cc) Zwischenergebnis .............................................................. 35

b) Regelungssubjekte..................................................................... 35

aa) Grundsatz bei Normen ....................................................... 36

bb) Einschränkung aufgrund Normenvertragscharakter ........... 37

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III

(1) Eigenarten des Normenvertrages..................................37

(2) Keine Rechtfertigung abweichender

Geltungsverknüpfung durch

Normenvertragscharakter..............................................38

(a) Normenwirkung der

Gesamtbetriebsvereinbarung 38

(b) Rechtsetzung und Rechtsaufhebung 39

3. Zwischenergebnis ............................................................................41

D. Räumlicher Geltungsbereich von Gesamtbetriebsvereinbarungen ............42

I. Begriff des Unternehmens als betriebsverfassungsrechtliche

Repräsentationsstufe.............................................................................42

1. Organisatorische Einheit....................................................................42

2. Das Unternehmen als Mitbestimmungsebene zwischen

Betrieb und Konzern.........................................................................43

3. Zwischenergebnis ............................................................................46

II. Mitbestimmungsgegenstände der Repräsentationsstufe des

Gesamtbetriebsrats ...............................................................................46

1. Mitbestimmungszuständigkeit kraft Delegation gemäß § 50

Abs. 2 BetrVG ..................................................................................47

2. Mitbestimmung des Betriebsrats für Regelungsgegenstände

der Repräsentationsstufe des Gesamtbetriebsrats gemäß §

50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ..................................................................48

a) Verhältnis der Zuständigkeit von Betriebsrat und

Gesamtbetriebsrat ......................................................................49

aa) Konkurrierende Zuständigkeiten von Betriebsrat und

Gesamtbetriebsrat ..............................................................49

bb) Alternative Zuständigkeit von Betriebsrat und

Gesamtbetriebsrat ..............................................................50

cc) Zwischenergebnis ...............................................................52

b) Einfluss der Gesamtbetriebsratsfähigkeit auf die

Mitbestimmungsgegenstände der Repräsentationsstufe

des Betriebsrats ..........................................................................52

aa) Zuständigkeit des einzigen Betriebsrats im

Unternehmen ......................................................................52

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IV

bb) Zuständigkeit des unternehmenseinheitlichen

Betriebsrats gemäß § 3 BetrVG ......................................... 55

cc) Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats auf „fiktiver

Unternehmensebene“ im Falle des § 4 Abs. 1

BetrVG ............................................................................... 57

dd) Zwischenergebnis .............................................................. 59

3. Unternehmensbezug der Mitbestimmungsgegenstände auf

der Repräsentationsstufe des Gesamtbetriebsrats gemäß §

50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kraft gesetzlicher Anordnung ................... 60

a) Konkrete Aufgabenzuweisungen................................................ 60

b) Allgemeine Aufgabenzuweisung, §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 5

BetrVG ....................................................................................... 61

aa) „Gesamtunternehmen“, mehrere Betriebe.......................... 62

bb) Fehlende Regelungsmöglichkeit der Betriebsräte .............. 64

cc) Reichweite der Mitbestimmung des

Gesamtbetriebsrats ............................................................ 66

dd) Zwischenergebnis .............................................................. 68

4. Zwischenergebnis............................................................................ 68

III. Kein Widerspruch zur Repräsentationsstufe des Amts ......................... 68

1. Ansiedelung des Amts auf Unternehmensebene?........................... 68

a) Voraussetzungen der Errichtung des Gesamtbetriebsrats ......... 69

b) Legitimation über die Betriebsebene .......................................... 69

c) Stimmengewichtung innerhalb des Gesamtbetriebsrats ............ 71

2. Möglichkeit der Mitbestimmung auf Betriebs- auch bei Amt

auf Unternehmensebene ................................................................. 72

IV. Unternehmensbezug in Abgrenzung zur Willensbildung in den

Betriebsräten......................................................................................... 73

V. Zwischenergebnis .................................................................................. 77

E. Voraussetzungen der Fortgeltung einer

Gesamtbetriebsvereinbarung ..................................................................... 78

I. Außerbetriebliche Voraussetzungen ...................................................... 78

1. Fortbestand der Gesamtbetriebsratsfähigkeit .................................. 78

2. Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ............................................ 81

a) Gleichzeitiges Entfallen der Zuständigkeit sämtlicher

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V

Arbeitnehmervertretungen ..........................................................81

b) Übergang der Zuständigkeit auf den Betriebsrat.........................82

c) Zwischenergebnis .......................................................................84

3. Veränderungen der organisatorischen Zusammensetzung der

Betriebe und des bisherigen räumlichen Geltungsbereichs .............85

a) Sämtliche Betriebe eines Unternehmens werden auf

einen anderen Rechtsträger übertragen .....................................85

aa) Veräußerung der Betriebe an ein bislang

betriebsloses Unternehmen ................................................85

(1) Organisatorische Zusammensetzung der Betriebe........86

(2) Quantitative Veränderungen des räumlichen

Geltungsbereichs beim Erwerber ..................................87

(3) Zwischenergebnis..........................................................88

bb) Veräußerung der Betriebe an ein Unternehmen mit

bestehenden Betrieben.......................................................88

(1) Organisatorische Zusammensetzung der Betriebe........89

(2) Quantitative Veränderungen des räumlichen

Geltungsbereichs beim Erwerber ..................................90

(3) Amtierender Gesamtbetriebsrat beim Erwerber ............90

(4) Zwischenergebnis..........................................................94

cc) Zwischenergebnis ...............................................................94

b) Ein Teil der Betriebe eines Unternehmens wird auf einen

oder mehrere andere Rechtsträger übertragen...........................94

aa) Aufteilung des Geltungsbereiches ......................................94

bb) Fortgeltung beim Erwerber .................................................96

cc) Zwischenergebnis ...............................................................96

4. Zwischenergebnis ............................................................................96

II. Innerbetriebliche Voraussetzungen ........................................................97

1. Fehlende Relevanz der Veräußerung für innerbetriebliche

Umstände.........................................................................................97

2. Auswirkungen unternehmensinterner Umstrukturierungen auf

die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen........................99

a) Die Identität des Betriebs............................................................99

aa) Betriebsbegriffsbezogene Kriterien der Identität des

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VI

Betriebs ............................................................................ 100

(1) Betriebszweck............................................................. 100

(2) Belegschaft ................................................................. 101

(3) Betriebsorganisation ................................................... 103

(a) Betriebsmittel- und -abläufe 103

(b) Betriebsleitung in mitbestimmungspflichtigen

Angelegenheiten 104

(c) Arbeitstechnische Betriebsorganisation 105

(4) Räumliche Verlegung des Betriebs............................. 107

(5) Typologische Betrachtung........................................... 108

bb) Betriebsvereinbarungsbezogene Betrachtung der

Identität des Betriebs........................................................ 110

cc) Zwischenergebnis ............................................................ 111

b) Geltungsbeendigung bei Gegenstandslosigkeit ....................... 112

c) Parallelen zur Normgeltung außerhalb der

Betriebsverfassung................................................................... 115

aa) Untergang des Staats oder eines Verwaltungsträgers ..... 116

(1) Untergang des Staats ................................................. 116

(2) Untergang von Verwaltungsträgern ............................ 118

bb) Änderung der Normsituation............................................. 121

cc) Zwischenergebnis ............................................................ 122

d) Betriebsverfassungsrechtliche Wertungen in Anknüpfung

an den allgemeinen Rechtsnormencharakter ........................... 123

aa) Weitergeltung nach Untergang des Betriebs.................... 123

bb) Fortführung von Betriebsteilen als eigenständige

Betriebe............................................................................ 126

cc) Eingliederung oder Zusammenfassung von

Betrieben oder Betriebsteilen ........................................... 130

(1) Begriff ......................................................................... 130

(2) Der Betrieb als betriebsverfassungsrechtliche

Repräsentationseinheit ............................................... 132

(3) Der Betrieb als räumlicher Geltungsbereich................ 134

(a) Betriebsverfassungsrechtliche

Repräsentations-strukturen in einem

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VII

Betriebsteil gemäß § 21a BetrVG 134

(b) Normsetzungsermächtigung für die

Repräsentationseinheit 136

(c) Normative Fortgeltung als Überschreitung des

Repräsentationsbereichs 136

(4) Zwischenergebnis........................................................137

dd) Zwischenergebnis .............................................................138

e) Zwischenergebnis .....................................................................138

3. Vereinbarkeit des Ergebnisses mit § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ......139

a) Verbleibender Anwendungsbereich ..........................................139

b) Wertungswidersprüche bei Wortlautlösung...............................140

III. Zwischenergebnis.................................................................................141

F. Umfang der Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen beim

Erwerber ...................................................................................................142

I. Veränderte Umstände im Erwerberunternehmen .................................142

1. Auslegung ......................................................................................143

a) Auslegungsgrundsätze für Normen...........................................143

b) Auslegung bei Unzumutbarkeit und Unmöglichkeit der

inhaltlichen Erfüllung des Normbefehls.....................................144

c) Veränderungen des räumlichen Geltungsbereichs ...................145

2. Wegfall der Geschäftsgrundlage ....................................................148

3. Gegenstandslosigkeit bei Unmöglichkeit der Anpassung...............150

4. Zwischenergebnis ..........................................................................153

II. Konkurrenzen mit geltenden Normen beim Erwerber...........................153

III. Zwischenergebnis.................................................................................155

G. Exkurs: Konzernbetriebsvereinbarungen ..................................................156

I. Begriff und Rechtscharakter der Konzernbetriebsvereinbarung ...........156

II. Geltungsbereich von Konzernbetriebsvereinbarungen.........................156

1. Konzernbegriff gemäß § 54 Abs. 1 BetrVG ....................................157

2. Mitbestimmungsgegenstände der Repräsentationsstufe des

Konzernbetriebsrats .......................................................................158

a) Verhältnis der Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats

zur Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats und des

Betriebsrats...............................................................................158

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VIII

b) Einfluss der Zuständigkeit eines Konzernbetriebsrats auf

Mitbestimmungsgegenstände der Repräsentationsstufe

des Gesamtbetriebsrats ........................................................... 160

c) Konzernbezug der Mitbestimmungsgegenstände der

Repräsentationsstufe des Konzernbetriebsrats kraft

gesetzlicher Anordnung............................................................ 161

d) Zwischenergebnis .................................................................... 162

3. Kein Widerspruch zur Repräsentationsstufe des Amts.................. 162

4. Zwischenergebnis.......................................................................... 164

III. Voraussetzungen des Fortbestands des räumlichen

Geltungsbereichs von Konzernbetriebsvereinbarungen...................... 164

1. Fortbestand der Konzernbetriebsratsfähigkeit oder -

zuständigkeit.................................................................................. 164

a) Konzernbetriebsratsfähigkeit .................................................... 165

b) Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats .................................... 165

2. Fortbestand der organisatorischen Zusammensetzung der

Betriebe und des bisherigen räumlichen Geltungsbereichs........... 166

3. Zwischenergebnis.......................................................................... 167

IV. Umfang der Fortgeltung von Konzernbetriebsvereinbarungen

beim Erwerber..................................................................................... 167

1. Veränderte Umstände im Erwerberunternehmen .......................... 167

2. Konkurrenzen mit geltenden Normen beim Erwerber .................... 168

V. Zwischenergebnis ................................................................................ 168

H. Ergebnisse ............................................................................................... 170

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IX

Abkürzungsverzeichnis

a.A. anderer Ansicht

Abs. Absatz

Abschn. Abschnitt

a.E. am Ende

a.F. alte Fassung

AktG Aktiengesetz

Alt. Alternative

AP Arbeitsrechtliche Praxis

ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz

Art. Artikel

AuA Arbeit und Arbeitsrecht

Aufl. Auflage

BAG Bundesarbeitsgericht

BAGE Amtliche Sammlung des Bundesarbeitsge-

richts

BB Betriebsberater

Bd. Band

BetrVG Betriebsverfassungsgesetz 1972

BGB Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl. I Bundesgesetzblatt, Teil 1

BGH Bundesgerichtshof

BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtsholfs in

Zivilsachen

BT-Drucks. Drucksache des Deutschen Bundestags

BVerfG Bundesverfassungsgericht

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X

BVerfGE Amtliche Sammlung des Bundesverfas-

sungsgerichts

BVerwG Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE Amtliche Sammlung des Bundesverwal-

tungsgerichts

bzw. beziehungsweise

DB Der Betrieb

EG Europäische Gemeinschaft

EU Europäische Union

EuGH Europäischer Gerichtshof

f., ff. folgende

Fn. Fußnote

ggf. gegebenenfalls

GG Grundgesetz

GS Großer Senat

HGB Handelsgesetzbuch

h.M. herrschende Meinung

KSchG Kündigungsschutzgesetz

LAG Landesarbeitsgericht

m.w.N. mit weiteren Nachweisen

n.F. neue Fassung

NJW Neue Juristische Wochenschrift

Nr. Nummer

NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR NVwZ-Rechtsprechungs-Report Verwal-

tungsrecht

NZA Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht

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XI

NZA-RR NZA-Rechtsprechungs-Report

RdA Recht der Arbeit

Rn. Randnummer

Rspr. Rechtsprechung

S. Satz, Seite

sog. so genannt

TVG Tarifvertragsgesetz

u.a. unter anderem

UmwG Umwandlungsgesetz

usw. und so weiter

u.U. unter Umständen

v. von

vgl. vergleiche

Vorb. Vorbemerkung

z.B. zum Beispiel

Ziff. Ziffer

ZIP Zeitschrift für Gesellschaftsrecht und Insol-

venzpraxis

ZPO Zivilprozessordnung

z.T. zum Teil

zust. zustimmend

z.Z. zur Zeit

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XII

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Annuß, Georg: Grundfragen des gemeinsamen Betriebs. in: NZA Sonderheft 2001, S. 12ff

Bachner, Michael:

Auswirkungen unternehmensinterner Be-triebsumstrukturierungen auf die Wirksamkeit

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Bachner, Michael:

Fortgeltung von Gesamt- und Einzelbetriebs-vereinbarungen nach Betriebsübergang, in:

NJW 2003, S. 2861ff

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Individualarbeits- und kollektivrechtliche Aus-wirkungen des neuen Umwandlungsgesetzes,

in: NZA 1995, S. 2881ff

Badura, Peter/Burgi, Martin; Eh-lers, Dirk/Erichsen, Hans-Uwe/Ossenbühl, Fritz/Papier, Hans-Jürgen/Rüfner, Wolfgang: Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., 2002

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Das Schicksal freiwilliger Betriebsvereinba-rungen beim Betriebsübergang, in: NZA 2000,

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XIII

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Däubler, Wolfgang/Kittner, Mi-chael/Klebe, Thomas: Betriebsverfassungsgesetz, 8. Aufl., 2002

Dieterich, Thomas/Müller-Glöge, Rudi/Preis, Ulrich/Schaub, Gün-ter:

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Enneccerus, Ludwig/Nipperdey, Hans Carl:

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Fabricius, Fritz/Kraft, Al-fons/Wiese, Günther/Kreutz, Pe-ter/Oetker, Hartmut/Raab, Tho-mas/Weber, Christoph:

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1

A. Einleitung - Die Entscheidung des BAG vom 18. September 2002 (BAG NZA 2003, 670)

I. Einleitung

Zweifelsfragen des Betriebsübergangs gehören zu den Dauerthemen in arbeitsrecht-licher Rechtsprechung und Literatur. Der Gesetzgeber hat die Rechtsfolgen des Be-triebsübergangs in § 613a BGB kodifiziert. Insbesondere die Regelungen in § 613a Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BGB über die kollektivrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs führten zu einer Vielzahl von Fragen. Der Gesetzgeber sieht vor, dass kollektivrecht-liche Arbeitsbedingungen individualrechtlich fortgelten. Eine eindeutige Aussage, ob im Umkehrschluss zur individualrechtlichen eine kollektivrechtliche Fortgeltung stets ausgeschlossen sein soll, hat der Gesetzgeber dagegen nicht getroffen.

Die Erörterung von Rechtsfragen zur Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen bei Betriebsübergängen ist vor diesem Hintergrund gefestigter Bestandteil der Literatur zu § 613a BGB und zum Betriebsverfassungsgesetz und regelmäßig Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung.

Rechtsprechung zum Schicksal von Gesamtbetriebsvereinbarungen bei Betriebs-übergängen ist demgegenüber erst in jüngerer Zeit und nur vereinzelt ergangen. Die Literatur behandelt das Schicksal von Gesamtbetriebsvereinbarungen bei Betriebs-übergängen ebenfalls überwiegend stiefmütterlich. Dies ist alles andere als nahe lie-gend. In der Praxis beinhalten gerade Gesamtbetriebsvereinbarungen bedeutende Regelungen. Insbesondere Zusagen auf betriebliche Altersversorgung sind vielfach unternehmenseinheitlich in Gesamtbetriebsvereinbarungen geregelt. Solche Rege-lungen über die betriebliche Altersversorgung sind von immenser wirtschaftlicher Be-deutung für die Parteien des Arbeitsverhältnisses und einer Betriebsveräußerung.

Um so erstaunlicher ist es, dass das Bundesarbeitsgericht erstmals in einer Ent-scheidung vom 18. September 20021 zur Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinba-rungen nach einem Betriebsübergang Stellung nahm. In dieser Entscheidung erach-tet das Bundesarbeitsgericht die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen für möglich, und zwar bereits bei einem Übergang nur eines Teils der Betriebe eines Unternehmens. Das Bundesarbeitsgericht vertritt eine Mehrzahl brisanter Rechtsauf-fassungen, deren dogmatische Herleitung eine Vielzahl von Fragen offen lässt. Die Rechtsauffassungen des Bundesarbeitsgerichts zur Fortgeltung von Gesamtbe-triebsvereinbarungen nach einem Betriebsübergang werden im Folgenden darge-stellt, abweichenden Lösungsansätzen gegenüber gestellt und einer kritischen Wür-digung unterzogen.

1 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 670ff.

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2

II. Auffassung des Bundesarbeitsgerichts

1. Anknüpfung der Gesamtbetriebsvereinbarung an Betriebe

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18. September 2002 soll ei-ner Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen bei Betriebsübergängen ein Ver-lust der Unternehmensidentität nicht entgegenstehen.2 Das Bundesarbeitsgericht begründet diesen Standpunkt mit der These, nicht eine einheitliche Rechtsträger-schaft für die ursprüngliche Gesamtheit der Betriebe sei Anknüpfungspunkt einer Gesamtbetriebsvereinbarung. Eine Gesamtbetriebsvereinbarung gelte zwar unter-nehmensweit, aber jeweils für Betriebe als Bezugsobjekt und Regelungssubstrat. Die Ebene der Betriebe, nicht aber die des Unternehmens, sei maßgebend für die Beur-teilung der Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung.

Das Bundesarbeitsgericht begründet seinen Ausgangspunkt nicht, Bezugsobjekt und Regelungssubstrat der Gesamtbetriebsvereinbarung sei nicht das Unternehmen, sondern die betriebliche Ebene. Das Gesetz selbst hätte hierzu allerdings hinrei-chenden Anlass geboten. In zentralen Vorschriften über den Gesamtbetriebsrat (z. B. §§ 47, 48, 50 BetrVG) findet sich der Begriff des Unternehmens. Die gesetzlichen Regelungen werfen damit die Frage auf, ob diese Anknüpfung an das Unternehmen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts entgegensteht.

2. Anknüpfung an Gesamtbetriebsratsfähigkeit

Die Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung ist nach der Auffassung des Bun-desarbeitsgerichts nicht vom Fortbestand des Amts des Gesamtbetriebsrats abhän-gig.3 Für die Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung sei vielmehr entschei-dend, dass eine gesamtbetriebsratsfähige Zahl von Betrieben ihre Identität wahre. Dieses begründe einen fortbestehenden Bedarf an einer betriebsübergreifenden Ko-ordination, der Wesensmerkmal einer Regelung durch Gesamtbetriebsvereinbarung sei.

Es stellt sich die Frage, ob die durch Gesamtbetriebsvereinbarung geregelte Materie, jedenfalls bei § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB unterfallenden Inhaltsnormen, nicht ebenso im Wege der Transformation hinreichend koordiniert wird und eine weitergehende Fortgeltung einer Rechtsgrundlage bedürfte. Es mag ein Interesse daran bestehen, dass die durch Gesamtbetriebsvereinbarung getroffene Regelung weiterhin normativ für sämtliche, das heißt auch nach dem Betriebsübergang begründete und damit nicht von der Transformation gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB erfasste, Arbeitsver-hältnisse gilt. Es ist aber die Frage aufzuwerfen, ob allein die Gesamtbetriebsratsfä-higkeit und eine Identitätswahrung einzelner Betriebe eine taugliche Rechtsgrundla-ge für das Fortbestehen einer normativen Wirkung einer Vereinbarung mit dem Ge-samtbetriebsrat sein kann.

2 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 675. 3 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 675.

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3

3. Transformation zur Betriebsvereinbarung

Das Bundesarbeitsgericht stellt in seiner Entscheidung die weitere These auf, im Fal-le der Übertragung einer nicht-gesamtbetriebsratsfähigen Zahl von Betrieben gelte die Gesamtbetriebsvereinbarung kollektivrechtlich fort, allerdings in Gestalt einer Be-triebsvereinbarung.4 Dem stehe nicht entgegen, dass der Gesamtbetriebsrat nicht fortbestehe. Vielmehr habe der Fortbestand des Gesamtbetriebsrats auf die normati-ve Wirkung von Gesamtbetriebsvereinbarungen keinen Einfluss. Entfielen das Amt des Gesamtbetriebsrats und die Gesamtbetriebsratsfähigkeit, bestehe eine Gesamt-betriebsvereinbarung als Betriebsvereinbarung fort. Änderungen dieser Betriebsver-einbarung seien mit dem Betriebsrat zu vereinbaren bzw. eine Kündigung ihm ge-genüber zu erklären. Bestehe kein Betriebsrat, hindere auch dies eine Fortgeltung nicht. Die Betriebsvereinbarung könne gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern anstelle des Betriebsrats gekündigt werden.

Bei dieser Argumentation bleibt eine zentrale Frage unbeantwortet. Wird die Ge-samtbetriebsvereinbarung zur Betriebsvereinbarung und kann an die Stelle des Be-triebsrats die Belegschaft treten, fragt es sich, in welchem Verhältnis Gesamtbe-triebsrat, Betriebsrat und Belegschaft stehen, so dass (betriebsverfassungsrechtlich) eine Austauschbarkeit gegeben sein kann.

4. Anknüpfung an Betriebsteile

Das Bundesarbeitsgericht stellt schließlich darauf ab, die kollektivrechtliche Fortgel-tung einer Gesamtbetriebsvereinbarung sei bereits bei Übertragung eines Betriebs-teils möglich. Könne die Gesamtbetriebsvereinbarung bei fehlender Gesamtbetriebs-ratsfähigkeit beim Erwerber als Betriebsvereinbarung fortgelten, sei dies bereits dann möglich, wenn ein Betriebsteil beim Erwerber als Betrieb fortgeführt werde.5 Solange dieser Betriebsteil nicht in einer anderen Organisation durch Eingliederung aufgehe, behielten Betriebsvereinbarungen ihre demokratische Legitimation. Dem Über-gangsmandat des Betriebsrats für Betriebsteile (§ 21a BetrVG) müsse ein Fortbeste-hen der Betriebsvereinbarungen korrespondieren. Nichts anderes könne für Ge-samtbetriebsvereinbarungen gelten, die zu einer Betriebsvereinbarung transformiert wurden.

Bislang war es in Rechtsprechung und Literatur nahezu einhellige Auffassung, dass eine Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen nur bei Wahrung der Identität des Be-triebs in Betracht kam.6 Das Bundesarbeitsgericht stellt in derselben Entscheidung vom 18. September 2002 für die Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung als solcher neben der Gesamtbetriebsratsfähigkeit auf eine identitätswahrende Übertra-gung mehrerer Betriebe ab. Ob dies einen Widerspruch darstellt oder ob das Bun-

4 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674. 5 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674. 6 Hierzu im Einzelnen Abschnitt B.

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4

desarbeitsgericht bei Gesamtbetriebsvereinbarungen an seiner Identitätsthese fest-hält, bleibt offen.

Offen bleibt ebenfalls, ob das Bundesarbeitsgericht bei seiner Entscheidung bedacht hat, dass es den Anwendungsbereich des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB bei Betriebs-übergängen massiv eingeschränkt hat. Die Voraussetzungen des § 613a BGB sind erst bei Übertragung einer Einheit erfüllt, die zumindest unter den Begriff des Be-triebsteils zu subsumieren ist. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts soll es bei Fortführung eines Betriebsteils jedoch nicht zu einer Transformation in den Indi-vidualarbeitsvertrag kommen. Raum für eine Transformation in den Individualarbeits-vertrag bliebe nur bei einer Übertragung unter Eingliederung des Betriebsteils in ei-nen Betrieb des Erwerbers.

All diese Fragen hat das Bundesarbeitsgericht nicht aufgegriffen. Angesichts der Re-gelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB, die ausdrücklich eine Transformation in den Individualarbeitsvertrag nicht aber eine kollektive Fortgeltung vorsieht, bedarf es nä-herer Untersuchung, ob die Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts mit der gesetzlichen Regelung vereinbar ist.

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5

B. Meinungsstand

In Literatur und bisheriger Rechtsprechung besteht ein vielfältiges Meinungsspekt-rum zum Schicksal von Gesamtbetriebsvereinbarungen bei Betriebsübergängen. Ein Teil der Literatur7 hat sich den Thesen des Bundesarbeitsgerichts zur Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen angeschlossen. Im Übrigen wird das Schicksal von Gesamtbetriebsvereinbarungen bei Betriebsveräußerungen8 in Literatur und bis-heriger Rechtsprechung kontrovers behandelt. Keine Einigkeit besteht, ob und unter welchen Voraussetzungen eine kollektivrechtliche Fortgeltung als Gesamtbetriebs-vereinbarung oder als Betriebsvereinbarung erfolgt oder ob stets eine Transformation gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB stattfindet.

I. Gesamtbetriebsvereinbarungen im originären Zuständigkeitsbereich des Gesamtbetriebsrats

Der Gesamtbetriebsrat kann Gesamtbetriebsvereinbarungen im Rahmen seiner ori-ginären Zuständigkeit (§ 50 Abs. 1 BetrVG) oder einer ihm von den Einzelbetriebsrä-ten kraft Delegation verliehenen Zuständigkeit (§ 50 Abs. 2 BetrVG) schließen. Daran anknüpfend erfolgt die erste Weichenstellung für die Beurteilung des Schicksals von Gesamtbetriebsvereinbarungen. Besonders kontrovers ist der Meinungsstand zur Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen, die der Gesamtbetriebsrat in Aus-übung seiner originären Zuständigkeit gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG abgeschlossen hat.

1. Fortgeltung als Gesamtbetriebsvereinbarung

Eine verbreitete Auffassung in der Literatur9 schließt eine kollektivrechtliche Fortgel-tung als Gesamtbetriebsvereinbarung zwar nicht generell aus. Dabei werden indes-sen ganz verschiedenartige Voraussetzungen an eine solche Fortgeltung aufgestellt, die zum Teil eine Fortgeltung als Gesamtbetriebsvereinbarung im Ergebnis regelmä-ßig ausschließen. 7 Bachner, NJW 2003, 2861, 2862f; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 169;

Kania in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 77 BetrVG, Rn. 135ff; Lindemann/Simon, BB 2003, 2510, 2513; Wahlig/Witteler, AuA, 2004, 14, 15ff; im Ergebnis ebenso Richardi/Kortstock, RdA 2004, 173, 174.

8 Der dargestellte Meinungsstand beinhaltet die Literatur zu den Umwandlungstatbeständen, bei denen die Problematik einer kollektiven Fortgeltung in Abgrenzung zur Transformation gemäß §§ 324 UmwG, 613a Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend auftritt, vgl. zur Anwendbarkeit des § 613a BGB auf Umwandlungstatbestände Gaul, NZA 1995, 717, 721.

9 Bachner, NZA 1995, 2881, 2883; Bauer/v. Steinau-Steinrück, NZA 2000, 505, 507; Berscheid, S. 15, 31f; Boecken, Rn. 160; Brinkmann, S. 184f; Däubler, RdA 1995, 136, 140; Gaul, Das Arbeits-recht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 210, 218ff; Gaul, NZA 1995, 717, 725; Grobys, BB 2003, 1391, 1392; Gussen, S. 25; Gussen/Dauck, Rn. 81; Hohenstatt in: Willem-sen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 48; Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 770f; Müller, RdA 1996, 287, 292; Müller-Ehlen, S. 136f; Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 937f; Mül-ler-Glöge in: Münchener Kommentar zum BGB, § 613a BGB, Rn. 151; Picot/Schnitker, Rn. 256f; Röder/Haußmann, DB 1999, 1754, 1756; Schiefer, NJW 1998, 1817, 1820; Steffan in: A-scheid/Preis/Schmidt, § 613a BGB, Rn. 115.

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6

a) Parallele zum Fortbestehen des Amts des Gesamtbetriebsrats

Eine Auffassung10 stellt eine Parallele zum Amt des Gesamtbetriebsrats auf. Nur wenn dieses nach einer Betriebsveräußerung für den Zuständigkeitsbereich beim Erwerber fortbestehe, könnten die vom Gesamtbetriebsrat abgeschlossenen Ge-samtbetriebsvereinbarungen nach einer Betriebsveräußerung beim Erwerber als Ge-samtbetriebsvereinbarungen fortgelten. Eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsverein-barungen ohne Fortbestand des Vertrags- und Verhandlungspartners komme nicht in Betracht.11 Insoweit wird auf die Parallele zur kollektivrechtlichen Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen abgestellt. Diese knüpft nach ganz herrschender Meinung an eine Wahrung der Identität des Betriebs an.12 Dabei wird teilweise darauf abge-stellt, dass in diesen Fällen auch der Betriebsrat im Amt bleibe13, im Übrigen ergebe sich der Fortbestand des Amts des Betriebsrats bereits aus der Wahrung der Identi-tät des Betriebs.14 Der Fortbestand des Amts ist nach dieser Auffassung notwendig, da Betriebsvereinbarungen als Normenverträge nur bei Fortbestand der Vertragspar-teien fortgelten könnten, anderenfalls untergingen.15

10 Grobys, BB 2003, 1391, 1392; Gussen, S. 16, 22; Gussen/Dauck, Rn. 81; Hohenstatt in: Willem-

sen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 48; Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 770f; Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 937f; Steffan in: Ascheid/Preis/Schmidt, § 613a BGB, Rn. 115; Trittin in Däubler/Kittner/Klebe, § 50 Rn. 11d; wohl auch Bauer/v. Steinau-Steinrück, NZA 2000, 505, 507 (Fn. 32); Gaul, NZA 1995, 717, 724.

11 Grobys, BB 2003, 1391, 1392; Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 48; wohl auch Steffan in: Ascheid/Preis/Schmidt, § 613a BGB, Rn. 115.

12 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674, bisher st. Rspr.: BAG vom 05.06.2002 – 7 ABR 17/01 - NZA 2003, 336, 336; BAG vom 27.07.1994 – 7 ABR 37/93 - AP Nr. 118 zu § 613a BGB; BAG vom 05.02.1991 – 1 ABR 32/90 - AP Nr. 89 zu § 613a BGB; Bachner, NZA 1995, 2881, 2882f; Bachner, NJW 2003, 2861, 2862; Bauer/von Steinau-Steinrück, NZA 2000, 505, 506; Boecken, Rn. 156 (für Gesamtrechtsnachfolgetatbestände); Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 170; Gussen, S. 16f; Hohenstatt in: Willem-sen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 4, 10; Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 770; Joost in: Lutter, § 324 Rn. 24; Kreßel, BB 1995, 925, 929; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77 Rn. 394; Mues, DB 2003, 1273, 1274; Müller, RdA 1996, 287, 289; Müller-Ehlen, S. 131f; Picot/Schnitker, Rn. 248; Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 613a BGB, Rn. 110; Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 928; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 212; Richardi/Annuß in: Staudinger, § 613a BGB, Rn. 176; Müller-Glöge in: Münchener Kommentar zum BGB, § 613a BGB, Rn. 149; Röder/Haußmann, DB 1999, 1754, 1754; Schiefer, NJW 1998, 1817, 1820; Steffan in: Ascheid/Preis/Schmidt, § 613a BGB, Rn. 114; Trittin in: Däub-ler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 50; Worzalla in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 227; Zwanziger in: Kittner/Däubler/Zwanziger, § 613a BGB, Rn. 74.

13 Gussen, S. 16, 22; Gussen/Dauck, Rn. 81; Steffan in: Ascheid/Preis/Schmidt, § 613a BGB, Rn. 114f.

14 Vgl. die Nachweise bei Fn. 12. 15 Gussen, S. 16, 22; Gussen/Dauck, Rn. 81; Steffan in: Ascheid/Preis/Schmidt, § 613a BGB, Rn.

114f.

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b) Fortbestand der Unternehmensidentität

Ein Großteil der Literatur16 stellt auf die Identität des Unternehmens ab, ohne an das Amt des Gesamtbetriebsrats (ausdrücklich) anzuknüpfen. Maßgebend für die Fort-geltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung sei der Fortbestand ihres Geltungsbe-reichs. Dieser knüpfe aufgrund der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe an das Unternehmen an, nicht aber an die betriebliche Ebene. Eine Unternehmensidentität sei bei Betriebsveräußerungen auf ein anderes Unternehmen regelmäßig nicht gewahrt.

c) Fortbestand der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats

Zum Teil wird die Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung davon abhängig gemacht, ob ein Gesamtbetriebsrat im erwerbenden Unternehmen im Rahmen sei-ner Zuständigkeit die in der Gesamtbetriebsvereinbarung geregelte Materie ebenfalls abschließen könnte.17 Innerhalb dieser Auffassung wird es nicht einheitlich beurteilt, ob ein Fortbestand der Zuständigkeit für den konkreten Zuständigkeitsbereich erfor-derlich ist, für den die Gesamtbetriebsvereinbarung beim Veräußerer abgeschlossen wurde. Galt die Gesamtbetriebsvereinbarung beim Veräußerer unternehmensweit, besteht aber beim Erwerber eine Notwendigkeit einheitlicher Regelung (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) nur für einzelne Betriebe und umgekehrt, wird bezweifelt, ob eine kollektivrechtliche Fortgeltung als Gesamtbetriebsvereinbarung in Betracht komme.18 Eine Ausdehnung des Geltungsbereichs über die übertragenen Betriebe hinaus auf solche des Erwerbers sei nicht möglich, weil die Gesamtbetriebsvereinba-rung im Zweifel an bestehende betriebliche Strukturen anknüpfe und allein für diese gelte.19

d) Übergang des Geltungsbereichs der Gesamtbetriebsvereinbarung

Eine weitere Auffassung stellt auf den Geltungsbereich der Gesamtbetriebsvereinba-rung ab, der nicht ausgeweitet werden dürfe.20 Bei vollständigem Übergang der in den Geltungsbereich der Gesamtbetriebsvereinbarung fallenden Betriebe des Ve-räußerers soll eine Fortgeltung beim Erwerber möglich sein. Eine kollektivrechtliche Fortgeltung einer unternehmensweit geltenden Gesamtbetriebsvereinbarung scheide dagegen aus, wenn zwar sämtliche Betriebe eines Unternehmens auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden, der aufnehmende Rechtsträger jedoch bereits über mindestens einen eigenen Betrieb verfüge, weil sich der Geltungsbereich der Ge-samtbetriebsvereinbarung automatisch auf diesen weiteren Betrieb erstrecke.21 16 Bachner, NZA 1995, 2881, 2883; Bauer/v. Steinau-Steinrück, NZA 2000, 505, 507; Berscheid, S.

15, 31f; Joost in: Lutter, § 324 Rn. 28; Müller-Ehlen, S. 136f; Picot/Schnitker, Rn. 256f; Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 613a BGB, Rn. 110; Schiefer, NJW 1998, 1817, 1820.

17 Bachner, NJW 2003, 2861, 2864; Brinkmann, S. 184f; Röder/Haußmann, DB 1999, 1754, 1756; Müller, RdA 1996, 287, 292.

18 Röder/Haußmann, DB 1999, 1754, 1756. 19 Röder/Haußmann, DB 1999, 1754, 1757. 20 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 210. 21 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 210.

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Gingen nicht sämtliche Betriebe des übertragenden Unternehmens auf ein anderes Unternehmen über, komme es maßgebend darauf an, ob die Gesamtbetriebsverein-barung nach ihrem Regelungsgehalt auf die übertragenen Betriebe beschränkt ge-wesen sei.22

e) Auslegung und Wegfall der Geschäftsgrundlage

Von den Befürwortern einer Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen wird als einschränkendes Korrektiv die Frage aufgeworfen, ob nach der Betriebsveräußerung der Regelungsgegenstand der Gesamtbetriebsvereinbarung fortbestehe. Die Ge-samtbetriebsvereinbarung sei auszulegen, ob sie an den individuellen Rechtsträger, besondere betriebliche Strukturen oder sonstige spezifische Umstände beim Veräu-ßerer anknüpfe, die beim Erwerber gegebenenfalls nicht vorzufinden seien.23 Unter Umständen scheide eine Fortgeltung beim Erwerber aus, weil die Gesamtbetriebs-vereinbarung gegenstandslos werde.

2. Fortgeltung als Betriebsvereinbarung

Ein Teil der Literatur nimmt an, eine Gesamtbetriebsvereinbarung könne nach einem Betriebsübergang als Betriebsvereinbarung fortgelten, wenn die Identität des Be-triebs gewahrt sei. Vereinzelt wird stets eine Fortgeltung der Gesamtbetriebsverein-barung als Betriebsvereinbarung zugrunde gelegt24, im Übrigen nur dann, wenn eine Fortgeltung als Gesamtbetriebsvereinbarung ausscheide.25

Diese Auffassung beruht auf der Überlegung, bei einer Gesamtbetriebsvereinbarung handele es sich um eine Betriebsvereinbarung26, jedoch mit erweitertem Geltungsbe-reich.27 Komme es nach einem Übergang des Betriebs zu einer Fortgeltung als Be-triebsvereinbarung aufgrund einer Wahrung der Identität des Betriebs, bestehe auf-grund der fortbestehenden Identität des Betriebs eine Arbeitnehmervertretung fort. Bereits dies reiche aus, um eine Fortgeltung unter dem Gesichtspunkt der fortbeste-henden Betriebsverfassung zu rechtfertigen.28 Maßgebend sei, dass der Betriebsrat die Aufgabe der Arbeitnehmervertretung wahrnehme.29 Zudem bestehe eine Teil-

22 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 211. 23 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 47, Rn. 19; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs-

und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 212; Gussen, S. 17; Röder/Haußmann, DB 1999, 1754, 1757; Sowka/Weiss, DB 1991, 1518,1521.

24 Kreßel, BB 1995, 925, 929; Meyer, DB 2000, 1174, 1176f. 25 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 169; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs-

und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 210, 218ff; Kania in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 77 BetrVG, Rn. 136; Müller, RdA 1996, 287, 292; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 11d; a.A. noch Gaul, NZA 1995, 717, 724

26 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 216; Trittin in: Däub-ler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 11, anders dagegen Rn. 11k.

27 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 216; Trittin in: Däub-ler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 11d.

28 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 218. 29 Meyer, DB 2000, 1174, 1176.

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identität des fortbestehenden Betriebs mit dem bisherigen Unternehmen.30 Vereinzelt wird zudem auf den fortbestehenden Geltungsbereich abgestellt und eine Fortgel-tung in Gestalt einer Betriebsvereinbarung auch bei betriebsratslosen Betrieben zu-gelassen, obgleich nach dem Betriebsübergang keine Arbeitnehmervertretung be-steht.31

3. Transformation gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB

Nach einer vereinzelten Literaturauffassung findet stets die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Anwendung.32 Diese Auffassung stützt sich auf den Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB, der eine Transformation anordne und dabei keinerlei Ausnahmen zulasse, also weder auf den Fortbestand einer Arbeitnehmervertretung noch auf die Wahrung der Identität des Geltungsbereichs der Kollektivvereinbarung abstelle.33

II. Gesamtbetriebsvereinbarungen im Zuständigkeitsbereich des Gesamtbe-triebsrats kraft Delegation

Das Schicksal von „Gesamtbetriebsvereinbarungen“, die der Gesamtbetriebsrat im Rahmen einer Zuständigkeit aufgrund Delegation gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG abge-schlossen hat, wird gleichfalls unterschiedlich beurteilt. Nach ganz herrschender Mei-nung ist es anders zu beurteilen als das von Gesamtbetriebsvereinbarungen in Ausübung der originären Zuständigkeit gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG. Diejenigen „Ge-samtbetriebsvereinbarungen“, die der Gesamtbetriebsrat in Ausübung der delegier-ten Zuständigkeit des Betriebsrats abschließt, sind nach ganz überwiegender Auffas-sung eigentlich Betriebsvereinbarungen und teilten deren Schicksal.34 Sie gelten nach ganz überwiegender Auffassung bei Wahrung der Betriebsidentität fort.35 Auf betriebsübergreifende Gremien oder Strukturen sei demgegenüber nicht abzustellen.

Eine Minderauffassung36 betrachtet dagegen auch diese „Gesamtbetriebsvereinba-rungen“ als echte Gesamtbetriebsvereinbarungen, so dass für deren Schicksal Sel-biges gelten soll wie für Gesamtbetriebsvereinbarungen, die der Gesamtbetriebsrat im Rahmen seiner originären Zuständigkeit abschließt.

30 Kreßel, BB 1995, 925, 929. 31 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 222. 32 Wank, NZA 1987, 505, 508. 33 Wank, NZA 1987, 505, 507f. 34 Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 69; Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 50

BetrVG, Rn. 11; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 73; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 55, 68; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 236; Steffan in: Ascheid/Preis/Schmidt, § 613a BGB, Rn. 115; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 11c.

35 Vgl. Fn. 12. 36 Gussen/Dauck, Rn. 84f.

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C. Übergangsfähigkeit von Gesamtbetriebsvereinbarungen

Eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen beim Erwerber nach Betriebs-veräußerungen ist nur denkbar, wenn Gesamtbetriebsvereinbarungen übergangsfä-hig, insbesondere nicht an den Veräußerer gebunden sind.

I. Ausschluss der kollektivrechtlichen Fortgeltung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB

Die Frage der kollektivrechtlichen Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen bei Betriebsveräußerungen stellte sicht nicht, wenn sie bereits kraft Gesetzes ausge-schlossen wäre. Der Rechtsanwender wäre aufgrund seiner Bindung an Gesetz und Recht daran gehindert, contra legem eine kollektivrechtliche Fortgeltung anzuneh-men. Es stellte sich alleine die Frage, ob de lege ferenda eine kollektivrechtliche Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen zugelassen werden sollte. Eine Re-gelung, die einer kollektivrechtlichen Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen entgegenzustehen scheint, findet sich in § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB.

1. Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB

Die Vorschrift des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB regelt, dass Rechte und Pflichten aus Arbeitsverhältnissen, die durch Betriebsvereinbarungen geregelt sind, bei Betriebs-übergängen und Betriebsteilübergängen Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen neuem Betriebsinhaber und Arbeitnehmer werden. Die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ordnet nach ihrem Wortlaut ohne Rücksicht auf eine mögliche kollektiv-rechtliche Fortgeltung an, dass der Inhalt einer Betriebsvereinbarung Inhalt des Ar-beitsverhältnisses wird. Eine kollektivrechtliche Fortgeltung geht damit über die in § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB angeordneten Rechtsfolgen hinaus.

2. Teleologische Reduktion des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB

Eine individualrechtliche Fortgeltung wird überwiegend als unbefriedigend empfun-den.37 Dies gilt umso mehr, als bei einer Betriebsveräußerung ohne Veränderung der innerbetrieblichen Strukturen kein Grund ersichtlich ist, aus dem der amtierende Be-triebsrat sein Amt verlieren könnte.38 Bleibt sogar der Betriebsrat im Amt, stellte es einen Widerspruch dar, die durch ihn getroffene Mitbestimmungsordnung untergehen zu lassen.

37 BAG vom 27.07.1994 – 7 ABR 37/93 - AP Nr. 118 zu § 613a BGB; Bachner, NZA 1995, 2881,

2882; Bachner NJW 2003, 2861, 2862; Bauer/von Steinau-Steinrück, NZA 2000, 505, 507; Bo-ecken, Rn. 157; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 8; Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 6; Preis in: Erfurter Kom-mentar zum Arbeitsrecht, § 613a BGB, Rn. 109; Kreßel, BB 1995, 925, 928; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 390; Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 333; Picot/Schnitker, Rn. 248; Richardi/Annuß in: Staudinger, § 613a, Rn. 175; Richardi in: Ri-chardi, § 77, Rn. 209; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234; Schiefer, NJW 1998, 1817, 1821.

38 Haas, S. 55; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 1, Rn. 135.

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Damit stellt sich die Frage, ob die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB teleolo-gisch derart reduziert werden kann, dass entgegen dem Wortlaut des Gesetzes eine kollektivrechtliche Fortgeltung stattfindet. Dies setzt voraus, dass die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB eine verdeckte Gesetzeslücke aufweist. Eine verdeckte Ge-setzeslücke besteht, wenn die gesetzliche Regelung zwar auf alle Fälle dieser Art anwendbar ist, jedoch zu Ergebnissen führt, die aufgrund der Besonderheiten der Fallgruppe mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht zu vereinbaren sind.39 Eine zu schließende Lücke müsste bei der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB darin bestehen, dass nur dann eine individualrechtliche Fortgeltung von Gesamtbetriebs-vereinbarungen stattfinden soll, wenn nach dem Betriebsübergang nicht bereits aus anderen Rechtsgründen eine kollektivrechtliche Fortgeltung eintritt. Hierfür können europarechtliche Vorgaben, die der Gesetzgeber in der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB umsetzen wollte, ebenso eine Rolle spielen wie betriebsverfassungs-rechtliche Wertungen.

a) Historische Entwicklung, Meinungsstand

Die Regelungen der § 613a Abs. 1 Satz 2 bis Satz 4 BGB wurden durch Abs. 1 Nr. 5 des Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes vom 13.08.1980 zur Umsetzung der EG-Richtlinie 77/197/EWG vom 14.02.1977 über den Betriebsübergang eingefügt. Vor Umsetzung dieser EG-Richtlinie stimmten Rechtsprechung und Schrifttum darin überein, dass ein Betriebsinhaberwechsel keine Auswirkungen auf bestehende Be-triebsvereinbarungen hat.40 Die Begründung wurde in der Funktion der Betriebsver-einbarung gesehen, die ein Gesetz für den Betrieb schaffe und im Betrieb normativ gelte, nicht aber schuldrechtlich wirke. Eine Bindung an die Person des Betriebsin-habers bestehe vor diesem Hintergrund nicht.

Seit Inkrafttreten der Regelungen in § 613a Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BGB geht eine ver-einzelte Auffassung in der Literatur stets von einer individualrechtlichen Fortgeltung aus, weil der Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB eindeutig sei und der Gesetz-geber angesichts der zuvor vorherrschenden Auffassung über eine kollektivrechtliche Fortgeltung eine Wahl zugunsten der individualrechtlichen Fortgeltung getroffen ha-be.41 Die Bindung des Rechtsanwenders an Gesetz und Recht lasse die Annahme einer kollektivrechtlichen Fortgeltung nicht zu.

Die Rechtsprechung und herrschende Lehre, die eine kollektivrechtliche Fortgeltung

39 Vgl. Larenz/Canaris, S. 210ff. 40 Galperin, RdA 1959, 321, 325; Seiter DB 1980, 877, 879 m.w.N. 41 Wank, NZA 1987, 505, 508.

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weiterhin zulassen42, betrachten die Vorschriften der § 613a Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BGB dagegen als Auffang- und Kollisionsnormen für solche Fälle, in denen eine normative Wirkung nach allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht möglich ist.43 Der Gesetzgeber habe mit der Einführung von § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB den Fortbestand kollektivrechtlicher Regelungen stärken, nicht aber be-schränken wollen.

b) Systematik, historische Auslegung und Normzweck

Zuzustimmen ist der herrschenden Meinung, die eine kollektivrechtliche Fortgeltung zulässt. Eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ist geboten. Der Anwendungsbereich des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ist auf solche Fälle zu beschränken, in denen nicht bereits eine kollektiv-rechtliche Fortgeltung nach allgemeinen Grundsätzen stattfindet. Dies folgt aus Sinn und Zweck der Regelungen des § 613a Abs. 1 BGB und der Intention des Gesetzge-bers.

Ein Teil der Literatur leitet einen Auffangcharakter der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB bereits aus einer systematischen Einbeziehung der Regelungen des § 613a Abs. 1 Satz 3, Satz 4 Alt. 1 BGB her.44

Der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 BGB ist eine Einschränkung des An-wendungsbereichs des Satzes 2 aber nur scheinbar zu entnehmen. Gemäß § 613a Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 BGB können Rechte und Pflichten aus Kollektivvereinbarungen

42 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674, bisher st. Rspr.: BAG vom

05.06.2002 – 7 ABR 17/01 - NZA 2003, 336, 336; BAG vom 27.07.1994 – 7 ABR 37/93 - AP Nr. 118 zu § 613a BGB; BAG vom 05.02.1991 – 1 ABR 32/90 - AP Nr. 89 zu § 613a BGB; Bachner, NZA 1995, 2881, 2882f; Bachner, NJW 2003, 2861, 2862; Bauer/von Steinau-Steinrück, NZA 2000, 505, 506; Boecken, Rn. 156 (für Gesamtrechtsnachfolgetatbestände); Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 170; Gussen, S. 16f; Hohenstatt in: Willem-sen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 4, 10; Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 770; Joost in: Lutter, § 324 Rn. 24; Kreßel, BB 1995, 925, 929; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 394; Mues, DB 2003, 1273, 1274; Müller, RdA 1996, 287, 288; Müller-Ehlen, S. 131f; Picot/Schnitker, Rn. 248; Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 613a BGB, Rn. 110; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 212; Richardi/Annuß in: Staudinger, § 613a BGB, Rn. 176; Röder/Haußmann, DB 1999, 1754, 1754; Schiefer, NJW 1998, 1817, 1820; Steffan in: Ascheid/Preis/Schmidt, § 613a BGB, Rn. 114; Trittin in: Däub-ler/Kittner/Klebe, § 77 Rn. 50; Worzalla in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 227; Zwanziger in: Kittner/Däubler/Zwanziger, § 613a BGB Rn. 74.

43 BAG vom 27.07.1994 – 7 ABR 37/93 - AP Nr. 118 zu § 613a BGB; Bachner, NJW 1995, 2881, 2882; Bauer/von Steinau-Steinrück, NZA 2000, 505, 507; Boecken, Rn. 157; Gaul, Das Arbeits-recht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 8; Hohenstatt in: Willem-sen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 6; Kreßel, BB 1995, 925, 928; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 390; Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 333; Picot/Schnitker, Arbeitsrecht bei Unternehmenskauf und Restrukturierung, Rn. 248; Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 613a BGB, Rn. 109; Richardi/Annuß in: Staudinger, § 613a, Rn. 175; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 209; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234; Schiefer, NJW 1998, 1817, 1821.

44 Gussen/Dauck, Rn. 60.

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vor Ablauf der Jahresfrist gemäß Satz 2 geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt. Die Regelung ist konjunktivistisch zu ver-stehen. Gemeint sein kann nur die hypothetische Betrachtung der Laufzeit der Be-triebsvereinbarung oder des Tarifvertrags, für den Fall, dass eine unveränderte kol-lektivrechtliche Fortgeltung beim Veräußerer erfolgt wäre. Bei wörtlichem Verständnis des § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB wäre die Norm sinnentleert. Sie soll verhindern, dass der Bestandsschutz durch Satz 2 weiter geht, als der ursprüngliche Bestand beim Veräußerer reichte, und eine Verbesserung der Rechtsposition durch den Betriebs-übergang verhindern. Dass eine Regelung im Falle kollektivrechtlicher Fortgeltung nach ihrem Ablauf nicht mehr mit zwingender Wirkung gilt, bedürfte demgegenüber keiner Regelung: Es folgte bereits aus §§ 77 Abs. 6 BetrVG, 4 Abs. 5 TVG.

Ein Indiz für den gesetzgeberischen Willen einer kollektivrechtlichen Fortgeltung kann ebenso wenig der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB entnommen wer-den. Die Regelung führt zwar auch dann zu einem Vorrang kollektivrechtlicher Ver-einbarungen beim Erwerber, wenn die Kollektivvereinbarung erst nach dem Be-triebsübergang, also nach bereits erfolgter Transformation gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB, abgeschlossen wird.45 Dies folgt aus dem Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB, der nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses der ablösenden Vereinba-rung abstellt. Es folgt zudem aus der Erwägung, dass Arbeitnehmer durch § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nicht begünstigt werden sollen, die ursprüngliche Betriebsverein-barung aber auch im Unternehmen des Veräußerers jederzeit hätte abgelöst werden können.46 Die Regelung nimmt allein auf eine Fortgeltung gemäß Satz 2 Bezug, die nicht stattfinden soll. Eine Anwendung auf Fälle einer kollektivrechtlichen Fortgeltung erforderte demgegenüber eine erweiternde Auslegung, die ihrerseits eine Einschrän-kung des Anwendungsbereichs der Transformation gemäß Satz 2 voraussetzte, nicht aber begründete.

Hilfreicher ist eine Heranziehung des Willens des Gesetzgebers, wie er in der Geset-zesbegründung zum Ausdruck kommt. Der Gesetzgeber beabsichtigte ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien, mit der Einführung von § 613a Abs. 1 Satz 2 bis Satz 4 BGB die Vorgaben der EG-Richtlinie 77/187/EWG in nationales Recht umzusetzen. In der Gesetzesbegründung heißt es, „die Ansprüche der Arbeitnehmer, die sich aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ergeben, sollen bei Betriebsübergang in ihrem Bestand geschützt werden“.47 Sinn und Zweck des arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes sei es, dass die durch Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinba-rung geregelten Rechte und Pflichten einen Bestandsschutz beim Betriebsübergang entsprechend Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie vom 14. Februar 1977 erhalten.48

Die EG-Richtlinie kann und muss aufgrund dieses Gesetzeszwecks zur Auslegung

45 BAG vom 14.08.2001 – 1 AZR 619/00 - AP Nr. 85 zu § 77 BetrVG 1972; Gaul, Das Arbeitsrecht

der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 137. 46 BAG vom 14.08.2001 – 1 AZR 619/00 - AP Nr. 85 zu § 77 BetrVG 1972; Gaul, Das Arbeitsrecht

der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 137. 47 BT-Drucks. 8/3317, S. 1. 48 BT-Drucks. 8/3317, S. 11.

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des nationalen Gesetzes herangezogen werden.49 Ein Ausschluss der kollektivrecht-lichen Fortgeltung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in den Fällen, in denen eine kollektivrechtliche Fortgeltung nach betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen möglich wäre, widerspräche den Vorgaben der Richtlinie:

Aus Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie lässt sich dieses noch nicht herleiten. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie lautet: „Nach dem Übergang im Sinne des Art. 1 Abs. 1 erhält der Er-werber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zu der Kündigung oder dem Ablauf des Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren“. Fordert die Richtlinie die Aufrechterhaltung sämtlicher Arbeitsbedingungen, ist es zwar zweifel-haft, ob die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB dem genügt. Die Vorschrift be-schränkt sich auf Rechte und Pflichten, also Inhaltsnormen. Sie ermöglicht eine Fort-geltung von Betriebsnormen und betriebsverfassungsrechtlichen Normen ebenso wenig wie von Regelungsabreden.50 Allerdings umfasst auch der Begriff der Arbeits-bedingungen im Sinne der Richtlinie nicht ohne weiteres Betriebsnormen oder be-triebsverfassungsrechtliche Normen. Arbeitsbedingungen umfassen vom Wortlaut her vielmehr Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien, in erster Linie Inhalts-normen, deren Bestand § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB sichert.51 Eine Fortgeltung von Betriebsnormen oder betriebsverfassungsrechtlichen Normen ist danach nicht zwin-gend gefordert.

Zweifelhaft kann es sein, ob der Wortlaut der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB den Vorgaben aus Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie genügt, nach denen die Arbeits-bedingungen aus Betriebsvereinbarungen beim Erwerber gleichermaßen aufrechter-halten bleiben, wie beim Veräußerer. Daraus wird gefolgert, dem genüge grundsätz-lich allein eine fortdauernde Normenwirkung beim Erwerber.52 Das überzeugt nicht. Es ist zwar richtig, dass die kollektivrechtliche Fortgeltung weitergehende Rechtswir-kungen entfaltet, weil sie sich auch auf neu eintretende Arbeitnehmer erstreckt. Eine derart weitgehende Geltung erfordert Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie indessen nicht. Ge-mäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie sollen Kollektivregelungen beim Erwerber gleicher-maßen gelten wie beim Veräußerer. Die Richtlinie gewährt mit dieser Maßgabe allein den Arbeitnehmern einen Bestandsschutz, die von dem Betriebsübergang betroffen sind. So heißt es in der Richtlinie zu ihrer einleitenden Begründung, es seien Be-stimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel schützen und insbesondere die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleisten. Allein zu diesem Zweck sind Ansprüche aus Kollektivvereinbarungen aufrechtzuerhalten. Eine kollek-tivrechtliche Fortgeltung, die sich von der Anordnung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB

49 Nicolaysen, S. 166. 50 Gussen, S. 10; Gussen/Dauck, Rn. 44; danach werden von § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB allerdings

auch solche Normen erfasst, die zwar keine Inhaltsnormen darstellen, aber gleichwohl einen An-spruch des Arbeitnehmers begründen, so dass dem Begriff der „Arbeitsbedingungen“ im Sinne der Richtlinie Rechnung getragen ist (vgl. hierzu Gussen/Dauck, Rn. 52; Hohenstatt in: Willem-sen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 27 m.w.N.).

51 Gussen/Dauck, Rn. 53, 55. 52 Gussen/Dauck, Rn. 50; Seiter, DB 1980, 877, 881.

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durch eine Erstreckung auf später in den Betrieb eintretende Arbeitsverhältnisse un-terscheidet, erfordert dies nicht notwendig. Der Bestand der transformierten Normen aus Kollektivvereinbarungen wird durch die Schutznormen des Individualarbeits-rechts hinreichend geschützt.

Ein Anhaltspunkt für eine kollektivrechtliche Fortgeltung findet sich dagegen in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie. Danach bleiben die Rechtsstellung und die Funktion der Vertre-ter oder der Vertretung der vom Übergang im Sinne des Artikels 1 Abs. 1 der Richtli-nie betroffenen Arbeitnehmer erhalten, sofern der Betrieb seine Selbständigkeit be-hält. Rechtsstellung und Funktion der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmer-vertretungen werden zu einem erheblichen Teil durch das betriebsverfassungsrecht-liche Normenwerk von Betriebs-, Gesamtbetriebs- und Konzernbetriebsvereinbarun-gen geprägt. Vor dem Hintergrund des bezweckten Bestandsschutzes zugunsten der von der Betriebsveräußerung betroffenen Arbeitnehmer deutet die Regelung sowohl auf den individualarbeitsrechtlichen Schutz der Amtsinhaber – beispielsweise den Sonderkündigungsschutz – als auch auf den Schutz der Arbeitnehmer hin, die ihre Vertretung nicht durch den Betriebsübergang verlieren sollen. Zählt aber zum Be-standsschutz im Sinne der Richtlinie der Fortbestand der Arbeitnehmervertretung, ist dies mit einem generellen Ausschluss der kollektivrechtlichen Fortgeltung einer Be-triebsvereinbarung nicht zu vereinbaren. Es wäre ein Widerspruch, in Gestalt von Betriebs-, Gesamtbetriebs- oder Konzernbetriebsvereinbarungen ausgeübte Mitbe-stimmungsrechte nicht kollektivrechtlich fortgelten zu lassen und die fortbestehende Arbeitnehmervertretung zu zwingen, sämtliche Regelungen mit dem Erwerber erneut zu vereinbaren.

Artikel 5 der Richtlinie ist in der Gesetzesbegründung zwar nicht ausdrücklich ge-nannt, wohl aber entsprach es der allgemeinen Intention des Gesetzgebers, die Richtlinie – und damit auch Artikel 5 der Richtlinie – umzusetzen.53 Dieses und der Umstand, dass dem Gesetzgeber die vor der Einfügung der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB allgemeine Auffassung54 bekannt gewesen sein dürfte, die eine kollektivrechtliche Fortgeltung bei einem Betriebsinhaberwechsel annahm, legt es nahe, dass der Gesetzgeber durch die Neuregelung an einer kollektivrechtlichen Fortgeltung nichts ändern wollte. Auch wenn dies in der Gesetzesbegründung nicht ausdrücklich genannt ist, folgt es doch aus dem Normzweck der Umsetzung der Richtlinie und damit aus Art. 5 der Richtlinie.

Im Ergebnis ist deshalb davon auszugehen, dass der Zweck der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nur bei Entfallen einer kollektivrechtlichen Fortgeltung eine Transformation rechtfertigt. Eine zweckwidrige Normanwendung ist durch eine teleo-logische Reduktion des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB zu vermeiden. Danach ist die Vorschrift nur dann anzuwenden, wenn eine Betriebsvereinbarung nach allgemeinen Grundsätzen nicht kollektivrechtlich fortgelten kann. Dieses Ergebnis fügt sich in die bestehende Interessenlage bei einem Betriebsübergang ein, als dass bei einem Ver-

53 BT-Drucks. 8/3317, S. 1. 54 Galperin, RdA 1959, 321, 325 m. w. N.; Seiter DB 1980, 877, 879 m.w.N.

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lust des betriebsverfassungsrechtlichen Anknüpfungspunktes kein sinnvoller Anwen-dungsbereich für Betriebsnormen und betriebsverfassungsrechtliche Normen verbliebe, eine Transformation von Inhaltsnormen dagegen den Bestandsschutz der durch sie geregelten Arbeitsbedingungen sichert und damit den Vorgaben der Richt-linie Rechnung getragen ist.55 Insbesondere in den von der Richtlinie und der Rege-lung des § 613a BGB erfassten Fällen des Betriebsteilübergangs werden sich diese Fragen stellen.

3. Zwischenergebnis

Die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB schließt eine kollektivrechtliche Fortgel-tung von Gesamtbetriebsvereinbarungen nicht generell aus. In den Anwendungsbe-reich der Vorschrift fallen nach ihrem Sinn und Zweck allein die Fälle einer Betriebs- oder Betriebsteilveräußerung, in denen eine kollektivrechtliche Fortgeltung nicht ge-währleistet ist. Insoweit hat eine teleologische Reduktion der Vorschrift zu erfolgen.

II. Geltungsweise der Gesamtbetriebsvereinbarung

Maßgebende Bedeutung für die Übergangsfähigkeit einer Gesamtbetriebsvereinba-rung kommt ihrer Geltungsweise zu. Nur wenn die Geltung der Gesamtbetriebsver-einbarung nicht an den Veräußerer eines Betriebs gebunden ist, kommt eine Fortgel-tung beim Erwerber eines Betriebs in Betracht. Zur Beurteilung der Geltungsweise von Gesamtbetriebsvereinbarungen bedarf es zunächst einer Untersuchung des Rechtscharakters und der Rechtswirkung einer Gesamtbetriebsvereinbarung. Nach ihnen richtet es sich, unter welchen Voraussetzungen eine Gesamtbetriebsvereinba-rung Rechtswirkungen entfaltet, ob diese Voraussetzungen während der gesamten Geltungsdauer der Gesamtbetriebsvereinbarung fortbestehen müssen und ob die danach maßgebenden Anforderungen nach einer Betriebsveräußerung gewahrt blei-ben.

1. Rechtscharakter von Gesamtbetriebsvereinbarungen

Die Frage, ob eine Gesamtbetriebsvereinbarung an den Veräußerer gebunden oder auf einen Erwerber übergangsfähig ist, setzt eine Klärung ihres Rechtscharakters voraus. Er beeinflusst es maßgeblich, ob eine Fortgeltung der Gesamtbetriebsver-einbarung trotz Trennung des veräußerten Betriebs von dem am Zustandekommen der Gesamtbetriebsvereinbarung beteiligten Veräußerer abhängig sein kann. Handelte es sich bei der Gesamtbetriebsvereinbarung um einen Vertrag, kann es darauf ankommen, ob nach einer Betriebsveräußerung die Parteistellungen der Betriebsparteien aufrecht erhalten bleiben müssen und eine Rechtsnachfolge des Erwerbers in die Parteistellung erfolgen muss, damit die Gesamtbetriebsvereinbarung weiterhin Rechtswirkungen entfaltet. Handelte es sich bei der Gesamtbetriebsvereinbarung dagegen um einseitig gesetztes Recht ohne Vertragscharakter, käme es auf eine Parteistellung im Normenvertrag von vornherein nicht an. 55 Gussen, S. 50; Haas, S. 49.

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Das Betriebsverfassungsgesetz trifft keine Aussage über den Rechtscharakter von Gesamtbetriebsvereinbarungen. Es enthält in § 77 BetrVG Regelungen über Be-triebsvereinbarungen. Die Regelungen des § 77 BetrVG sind die einzigen Vorschrif-ten, die sich mit dem Zustandekommen und der Wirkungsweise von Betriebsverein-barungen befassen, und auch dies nur rudimentär. Eine besondere Regelung für Gesamtbetriebsvereinbarungen trifft das Gesetz nicht. Die Vorschrift des § 51 Abs. 5 BetrVG verweist für den Gesamtbetriebsrat allerdings auf die Vorschriften über Rech-te und Pflichten des Betriebsrats und damit gleichfalls auf § 77 BetrVG.56 Die in § 77 BetrVG kodifizierten Grundsätze sind deshalb Ausgangspunkt für die Beurteilung des Rechtscharakters sowohl von Betriebsvereinbarungen als auch von Gesamtbetriebs-vereinbarungen.

a) Begriff und Rechtswirkung

aa) Begriff

Bei einer Betriebsvereinbarung handelt es sich um eine zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat getroffene Vereinbarung, die in Ausübung der zwingenden (z.B. § 87 BetrVG) oder freiwilligen (z.B. § 88 BetrVG) Mitbestimmung des Betriebsrats Rege-lungen über den Inhalt (Inhaltsnormen), den Abschluss (Abschlussnormen) oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen (Beendigungsnormen), über betriebliche (Be-triebsnormen) oder betriebsverfassungsrechtliche (Betriebsverfassungsnormen) An-gelegenheiten beinhalten kann.57 Während Abschluss- und Beendigungsnormen be-stimmte Vorgaben für die Eingehung bzw. Beendigung des einzelnen Arbeitsverhält-nisses und Inhaltsnormen arbeitsvertragliche Rechte und Pflichten der Parteien des Arbeitsvertrags begründen, stellen Betriebsnormen eine Ordnung des Betriebs auf.58 Betriebsverfassungsrechtliche Normen regeln betriebsverfassungsrechtliche Fragen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.59

bb) Rechtswirkung

Die Rechtswirkung der Betriebsvereinbarung geht über die an ihrem Abschluss betei-ligten Betriebsparteien hinaus. Zentrales Merkmal der Betriebsvereinbarung ist ihre in § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG angeordnete normative Wirkung. Die Betriebsvereinba-rung wirkt unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse in ihrem Geltungsbe-reich ein. Die Vorschrift des § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG regelt nicht, für wen die Be-triebsvereinbarung unmittelbar und zwingend gilt. Die unmittelbare und zwingende Wirkung beschränkt sich aber nicht auf die an ihrem Zustandekommen beteiligten Betriebsparteien. Die Regelung des § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG erstreckt die unmit- 56 Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 70; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 2; Ho-

henstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 48. 57 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 37ff; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77,

Rn. 12ff, 45. 58 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 47; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 207ff; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 52. 59 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 48; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 210; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 56.

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telbare und zwingende Wirkung auf die am Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht (unmittelbar) beteiligte Belegschaft. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zu-sammenhang mit der Regelung des § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG. Danach sind Rechte der Arbeitnehmer aus einer Betriebsvereinbarung im Verzichtsfall Gegenstand des Zustimmungserfordernisses des Betriebsrats. Der Betriebsvereinbarung kommt durch die unmittelbare und zwingende Wirkung die Funktion eines Instrumentes in-nerbetrieblicher Normsetzung mit Wirkung für die Belegschaft zu60, vergleichbar mit der Wirkungsweise eines Gesetzes, eines Tarifvertrags oder einer Satzung. Insoweit verleiht das Betriebsverfassungsgesetz den Betriebsparteien unmittelbare Rechtset-zungsmacht gegenüber Dritten.61

Mit der Betriebsvereinbarung ist den Betriebsparteien ein Instrument an die Hand gegeben, betrieblichen Gegebenheiten durch eine Regelung auf kollektiver Ebene flexibel Rechnung zu tragen. Die Begründung von Rechten und Pflichten der Arbeits-vertragsparteien wäre anderenfalls regelmäßig nur durch Änderungskündigung (nach Maßgabe des allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzes und unter Wahrung der individuellen Kündigungsfrist) oder Änderungsvereinbarung für jedes einzelne Arbeitsverhältnis möglich. Demgegenüber bedarf eine Regelung durch Betriebsver-einbarung regelmäßig keines besonderen Grundes. Soll eine Neuregelung in Kraft gesetzt werden, bedarf es gleichfalls keines rechtfertigenden Grundes oder einer Beachtung von Fristen. Vielmehr gilt das Ablösungsprinzip. Die Neuregelung ver-drängt ohne weiteres die bisherige Regelung.62

b) Rechtscharakter

Der Rechtscharakter der Betriebsvereinbarung wird unterschiedlich beurteilt. Vor dem Hintergrund der normativen Wirkung liegt es nahe, eine Betriebsvereinbarung als Satzung für den Betrieb zu qualifizieren (sog. Satzungs- und Beschlusstheorie).63 Demgegenüber deuten nach ganz herrschender Meinung das Zustandekommen, der Begriff und das Kündigungsrecht auf eine Vereinbarung mit Vertragscharakter hin, der der Gesetzgeber eine besondere Wirkung gegenüber Dritten verliehen hat (Nor-menvertrag).64 60 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 12; Kreutz, Grenzen der Betriebsauto-

nomie, S. 15. 61 Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 15. 62 BAG vom 18.11.2003 – 1 AZR 604/02 – NZA 2004, 803, 805; BAG vom 20.02.2001 – 1 AZR

322/00 - AP Nr. 107 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung m.w.N.; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 192 m. w. N.; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 174 f.

63 Adomeit, BB 1962, 1246, 1249; Herschel, RdA 1948, 47, 49; Herschel, RdA 1956, 161, 168; Ne-bel, S. 108f.

64 BAG vom 27.01.2004 – 1 ABR 5/03 - NZA 2004, 941, 942; BAG vom 18.02.2003 – 1 ABR 17/02 - zitiert nach juris; BAG vom 07.02.1992 – 10 AZR 448/91 - AP Nr. 1 zu § 84 ArbGG 1979; BAG vom 17.10.1989 – 1 ABR 31/87 - AP Nr. 39 zu § 76 BetrVG 1972; Boecken, Rn. 154; Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 8; Hanau/Preis, NZA 1991, 81, 88; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 26; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 13; Kreutz, Grenzen der Betriebsau-tonomie, S. 15; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 169; Haas, S. 15; Waltermann, NZA 1996, 357, 361.

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aa) Der Betrieb als Verband im Rechtssinne

Übereinstimmend gehen Satzungs- und Beschlusstheorie von einem Rechtscharak-ter der Betriebsvereinbarung als autonome Satzung aus, die für den Betrieb als Ver-band gelte. Für den Satzungscharakter der Betriebsvereinbarung spreche, dass die Betriebsvereinbarung „von außen“ auf die Arbeitsverhältnisse einwirke. Betriebsrat und Arbeitgeber sind hiernach Organe bzw. ein einheitliches Organ des Betriebs als eines „überindividuellen Organismus“65 bzw. einer Betriebsgemeinschaft.66 Der Be-trieb sei ein zur Rechtsetzung fähiger Verband im Rechtssinne. Die Betriebsgemein-schaft, bestehend aus Arbeitgeber und Arbeitnehmern, stelle eine real existierende und rechtlich anerkannte besondere Verbundenheit von Arbeitgeber und Arbeitneh-mern eines Betriebs dar.67

Bereits dieser Ausgangspunkt der Satzungs- und Beschlusstheorie, der Betrieb bzw. die Betriebsgemeinschaft stellten einen Verband im Rechtssinne dar, der durch das Binnenrecht einer Satzung geregelt werde, vermag nicht zu überzeugen. Eine Sat-zung ist das Binnenrecht eines Verbands. Der Verbandscharakter setzt eine inner-halb des Verbands gleichgerichtete Interessenlage als einheitliche Zwecksetzung voraus.68 Daran fehlt es einer Gemeinschaft aus Arbeitgeber und Arbeitnehmern re-gelmäßig69.

Bei soziologischer Betrachtung dürfte der Betrieb zwar durch seine räumliche Ver-bindung, sofern diese denn besteht70, noch ein gewisses Zusammengehörigkeitsge-fühl der Belegschaft vermitteln. Eine soziologische Betrachtung vermag indessen keine zur Setzung von Binnenrecht anerkennensfähige Gemeinschaft zu begründen. Eine solche Anerkennung muss durch die Rechtsordnung erfolgen.71

Damit stellt sich maßgebend die Frage, ob diese Anerkennung durch das Betriebs-verfassungsrecht erfolgt ist. Wenn das Betriebsverfassungsrecht die notwendigen Merkmale eines Betriebsverbands als Gemeinschaftsverhältnis regelte, insbesonde-re auf die gleichgerichtete Verfolgung eines Zwecks abstellte, bestünde eine Legiti-mation zur Rechtsetzung aufgrund Verbandscharakters.72 Daran fehlt es. Auf den Betriebsbegriff im Rahmen eines arbeitstechnischen Zwecks des Betriebs kann hier-bei nicht abgestellt werden, da der arbeitstechnische Zweck einseitig vom Arbeitge-ber, nicht aber der Gemeinschaft von Arbeitgeber und Arbeitnehmern festgelegt, ge-ändert und erweitert werden kann.73 Zudem kann ein Betrieb nach herrschender

65 Herschel, RdA 1956, 161, 168. 66 Adomeit, BB 1962, 1246, 1249; Herschel, RdA 1956, 161, 168. 67 Herschel, RdA 1956, 161, 168; Nebel, S. 94, 109. 68 Haas, S. 14; Kirchhof, S. 220. 69 Haas, S. 14; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 14; Kirchhof, S. 220. 70 Vgl. zur Notwendigkeit einer räumlichen Gemeinschaft Joost, Betrieb und Unternehmen als

Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 242ff m.w.N. zum Meinungsstand. 71 Wollgast, S. 87 m.w.N. 72 Wollgast, S. 87. 73 Nebel, S. 89; Wollgast, S. 87.

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Meinung mehrere arbeitstechnische Zwecke verfolgen.74 Wollte man einen Verband in Anknüpfung an den arbeitstechnischen Zweck feststellen, müssten folgerichtig mehrere Verbände entstehen. Legt man den herrschenden Betriebsbegriff zugrunde, müsste diese Mehrheit von Verbänden wiederum den Verband „Betrieb“ bilden, für den dann aber ein geeigneter Anknüpfungspunkt fehlte. Vereinzelt wird eine gemein-same Zwecksetzung in dem „Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs“, wie in § 2 Abs. 1 BetrVG niedergelegt, gesehen.75 Dies ist äußerst zweifelhaft. Zwischen Ar-beitgeber und Betriebsrat besteht auf rein tatsächlicher Ebene regelmäßig ein natür-licher Interessengegensatz.76 Zwar verfolgen Arbeitgeber und Betriebsrat ein ge-meinsames Zwischenziel. Dieses liegt in der Erzielung eines gewissen Produktions-ergebnisses als Existenzgrundlage des Betriebs und damit eines Fortbestands der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer des Betriebs. Hierzu streben beide Parteien möglicherweise dieselben Regelungsgegenstände an. Sie wünschen aber regelmä-ßig nicht dieselben Regelungsinhalte, wie sich an den häufig langwierigen Verhand-lungen über Betriebsvereinbarungen in der Praxis zeigt. Insofern wird auch von einer bipolaren Struktur von Arbeitgeber und Betriebsrat im Betrieb gesprochen, deren In-teressengegensatz das Betriebsverfassungsrecht entschärfen soll.77 Es setzt ihn dann aber voraus und löst ihn nicht auf.

Gegen einen Satzungscharakter spricht vor diesem Hintergrund bereits das Fehlen eines für den Rechtscharakter einer Satzung typischen Regelungssubstrats in Form eines Verbands, der in der Gestalt des Betriebs oder Unternehmens real existierte.

bb) Zustandekommen und Beendigung

Gegen einen Satzungscharakter von Betriebsvereinbarungen sprechen zudem die Akte des Zustandekommens und der Beendigung. Im Ausgangspunkt ist zwar zwi-schen dem äußeren Vorgang, dem Akt des Zustandekommens durch Vereinbarung oder Beschluss und dem Rechtscharakter der so geschaffenen Regelung zu unter-scheiden.78 Dabei wird aber regelmäßig der Akt des Zustandekommens mindestens ein Indiz für die Qualifizierung einer Regelung begründen. Der Abschlussmechanis-mus und die Kündigungsmöglichkeit von Betriebsvereinbarungen sprechen deutlich gegen eine Qualifizierung als Satzung und für die Annahme eines Vertrags mit nor-mativer Wirkung.79

Typisch für die Rechtsform einer Satzung ist ihre Entstehung aufgrund Mehrheitsbe-schlusses als Akt körperschaftlicher Willensbildung, bei der die Mehrheit den Willen 74 BAG vom 05.03.1987 – 2 AZR 623/85 - AP Nr. 30 zu § 15 KSchG; BAG vom 25.09.1986 – 6 ABR

68/84 - AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmens-spaltung, § 25, Rn. 18.

75 Galperin, RdA 1959, 321, 325f; Nebel, S. 109. 76 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 14; Haas, S. 14; Kirchhof, S. 220. 77 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 14; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 36. 78 Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 15. 79 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 13; Kreutz, Grenzen der Betriebsauto-

nomie, S. 15.

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einer Minderheit überwindet.80 Davon gehen die Vertreter der so genannten Sat-zungs-81 oder Beschlusstheorie82 aus. Nach diesen Auffassungen liegt der Entste-hung einer Betriebsvereinbarung eine Beschlussfassung der Betriebsparteien zugrunde.83

Satzungs- und Beschlusstheorie unterscheiden sich lediglich insoweit, als nach der Satzungstheorie Betriebsrat und Arbeitgeber nach Art eines Zweikammernsystems zwei getrennt gefasste, aber parallele Beschlüsse fassen, die zur Entstehung einer Betriebsvereinbarung führen.84 Die Beschlusstheorie geht von einem einheitlichen gemeinsamen Beschluss durch Arbeitgeber und Betriebsrat aus.85

Diese Auffassungen vermögen nicht zu überzeugen. Betriebsvereinbarungen kom-men nicht durch Mehrheitsbeschluss zustande. Ihr Abschluss entspricht dem Zu-standekommen des bürgerlichrechtlichen Vertrags86. Betriebsvereinbarungen kom-men wie Verträge durch Willenseinigung nach dem Konsensprinzip zustande (§§ 145ff BGB).

(1) Wortlaut des § 77 BetrVG

Der Wortlaut des § 77 BetrVG wird von einigen Vertretern der Satzungstheorie zur Begründung dafür herangezogen, Betriebsvereinbarungen kämen durch Beschluss zustande.87 Aus dem Wortlaut des § 77 BetrVG lässt sich ein Zustandekommen durch Beschluss aber nicht herleiten. Der Wortlaut des Gesetzes legt eher einen Charakter als Vereinbarung nahe.

Die Vorschrift des § 77 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nennt zwar eine gemeinsame Beschlussfassung über eine Betriebsvereinbarung. Die Überschrift des § 77 BetrVG nennt zudem eine Durchführung „gemeinsamer Beschlüsse“.88 Der Wortlaut des Ge-setzes ist indessen nicht maßgebend, weil die Terminologie des Gesetzes nicht ein-heitlich ist. Dies zeigt bereits der Begriff Betriebs-„Vereinbarung“. Die Überschrift des § 77 BetrVG nennt zudem neben gemeinsamen Beschlüssen ausdrücklich Betriebs-vereinbarungen, so dass eine Unterscheidung zwischen Beschlüssen und Betriebs-vereinbarungen stattfindet. Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind schließlich „Verein-barungen“ zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vom Arbeitgeber durchzuführen.

Das Gesetz ist demnach so zu verstehen, dass der Begriff der Vereinbarung in § 77

80 Larenz/Wolf, § 23, Rn. 22. 81 Herschel, RdA 1948, 47, 49; Herschel, RdA 1956, 161, 168; Nebel, S. 108f. 82 Adomeit, BB 1962, 1246, 1250. 83 Adomeit, BB 1962, 1249; Herschel, RdA 1948, 47, 49; Herschel, RdA 1956, 161, 168; Nebel, S.

109. 84 Herschel, RdA 1948, 47, 49; Herschel, RdA 1956, 161, 168; Nebel, S. 109. 85 Adomeit, BB 1962, 1246, 1250. 86 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 13; Gussen, S. 13; Haas, S. 15; Richardi

in: Richardi, § 77, Rn. 30. 87 Herschel, RdA 1948, 47, 48f; Herschel, RdA 1956, 161, 168. 88 Herschel, RdA 1948, 47, 48f.

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Abs. 1 Satz 1 BetrVG Oberbegriff zu Regelungsabreden und insbesondere auch Be-triebsvereinbarungen ist.89 Der Oberbegriff prägt den Unterbegriff. Damit legt der Wortlaut des Gesetzes einen vertraglichen Charakter nahe. Da das Gesetz in seiner Terminologie nicht einheitlich ist, kann allein aus dem Wortlaut allerdings noch kein eindeutiger Schluss auf den Rechtscharakter von Betriebsvereinbarungen gezogen werden.

(2) Zustandekommen durch Spruch der Einigungsstelle

Gegen eine Rechtsetzung aufgrund Willenseinigung spricht es nicht, dass Betriebs-vereinbarungen durch Spruch der Einigungsstelle zustande kommen können, § 77 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG. Der Spruch der Einigungsstelle kommt zwar durch Beschlussfassung nach dem Mehrheitsprinzip zustande, § 76 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Dies steht einer Einordnung der Betriebsvereinbarung als Normenvertrag indessen nicht entgegen. Das Zustandekommen durch Beschluss der Einigungsstelle ist einer Rechtsetzung durch die Betriebsparteien außerhalb der Einigungsstelle nicht gleich-zusetzen. Für Rechtsgeschäfte ist in den Regelungen der §§ 317ff BGB anerkannt, dass eine Leistungsbestimmung durch Dritte möglich ist, wenn sich die Vertragspar-teien dem zuvor unterworfen haben. Funktionell ist die Einigungsstelle als ein solcher „Dritter“ zu betrachten.90 Die Verbindlichkeit des Spruchs der Einigungsstelle ist für den Bereich der zwingenden Mitbestimmung unmittelbar im Gesetz geregelt (§ 76 Abs. 5 Satz 1 BetrVG). Der „Dritte“ bedarf in diesen Angelegenheiten keiner Legiti-mation durch gesonderte Unterwerfung. Im Übrigen, außerhalb des Bereichs der zwingenden Mitbestimmung bedarf die Verbindlichkeit der Entscheidung der Eini-gungsstelle dagegen einer Unterwerfung der Betriebsparteien als Rechtsgrundlage, § 76 Abs. 6 Satz 2 BetrVG. Dies entspricht der Konzeption der §§ 317ff BGB und ist deshalb ohne weiteres mit einem rechtsgeschäftlichen Charakter von Betriebsver-einbarungen vereinbar.

(3) Beendigung durch Kündigung

Gegen die Annahme einer Rechtsetzung durch Beschlussfassung spricht es, dass eine einseitige Rechtsetzung durch gemeinsame Beschlussfassung einer einseitigen Rechtsaufhebung durch Beschluss als actus contrarius korrespondieren müsste.91 Dies sieht das Gesetz nicht vor, indem es eine Beendigung der Betriebsvereinbarung durch Kündigung einer Betriebspartei, jeder gegen den Willen der anderen, ermög-licht. Damit stellt das Gesetz für die Aufhebung einer Betriebsvereinbarung nicht auf eine gleichgerichtete Willensbetätigung, sondern die Maßgeblichkeit eines entge-gengesetzten Willens ab. Die Kündigung ist typisches Instrument zur einseitigen Gestaltung eines mehrpoligen Dauerschuldverhältnisses, nicht aber eines Akts ge-

89 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 7; Gussen, S. 14; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 4; Woll-

gast, S. 82. 90 Wollgast, S. 97. 91 Haas, S. 13; vgl. auch Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 15.

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meinsamer gleichgerichteter Rechtsetzung.92 Anders als die einseitige Aufhebung einer Rechtsnorm durch einen Beschluss des Rechtsetzungsorgans, der einen Zu-gang regelmäßig nicht erfordert93, ist die Wirksamkeit einer Kündigung als Gestal-tungsrecht eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die eines Zugangs beim Ad-ressaten bedarf.94 Obwohl das Kündigungsrecht einseitig durch jede der Betriebspar-teien ausgeübt werden kann, ist es nur dann geeignet, die Rechtswirkung der Be-triebsvereinbarung zu beeinflussen, wenn die andere an der Entstehung der Be-triebsvereinbarung beteiligte Betriebspartei zwar passiv und ohne Möglichkeit der Einflussnahme, aber doch im Wege des Zugangs der Willenserklärung beteiligt wird. Dies ist typisch für vertragliche Rechtsbeziehungen, die durch Willenseinigung zu-stande kommen, an die jede der Vertragsparteien um ihrer Privatautonomie willen nicht auf ewig gebunden sein soll. Entsteht eine Regelung dagegen nach dem Mehr-heitsprinzip, wäre es typisch, dass sie auch nach diesem endet.

(4) Zweck der Entscheidung durch Beschluss

Gegen ein Zustandekommen durch Beschluss spricht zudem der Zweck einer Be-schlussfassung. Sie dient regelmäßig einer einheitlichen Willensbildung in Gemein-schaften um der gemeinsamen Zwecksetzung willen, mithin innerhalb eines Ver-bands der Verfolgung des Verbandszwecks nach dem Mehrheitsprinzip.95 Aufgrund des Gemeinschaftscharakters und der Notwendigkeit einer Entscheidungsfindung für die Gemeinschaft erkennt es die Rechtsordnung an, dass sich die Mehrheit gegen-über einer Minderheit durchsetzt und insoweit deren Privatautonomie überwindet.96 Bei einem Vertrag dagegen stehen sich voneinander bislang (insoweit) unabhängige Rechtssubjekte autonom gegenüber. Dementsprechend gehen die Satzungs- und die Beschlusstheorie von einem übergeordneten Betriebsverband aus, in dem Ar-beitgeber und Betriebsrat als jeweils eigenständige Organe (Satzungstheorie) oder als einheitliches Organ (Beschlusstheorie) organisiert sind. Dass ein solcher Verband mangels bestehenden Verbandszwecks nicht existiert, wurde bereits aufgezeigt.97 Existiert ein solcher Verband nicht, fehlt eine sachliche Rechtfertigung einer Ent-scheidung durch Beschluss, die der grundsätzlich gewährten Autonomie zuwider läuft.

(5) Vertrag als Ausdruck der Privat-/Betriebsautonomie

Schließlich sprechen die Rollen der Betriebsparteien gegen eine Beschlussfassung. Die Betriebsparteien stehen sich – gerade weil sie nicht in einem Verband organisiert sind – im Rahmen ihrer Zuständigkeiten als Betriebsparteien wie autonome Rechts-subjekte gegenüber. Eine „echte“ Privatautonomie kommt den Betriebsparteien bei 92 Gussen, S. 13; Gussen/Dauck, Rn. 67; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 15; Wollgast,

S. 92. 93 Larenz/Wolf, § 23, Rn. 20. 94 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 157. 95 Flume, S. 602; Larenz/Wolf, § 23, Rn. 19. 96 Larenz/Wolf, § 23, Rn. 22. 97 Siehe S. 19ff.

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der Normsetzung durch Betriebsvereinbarung zwar aufgrund der unmittelbaren und zwingenden Wirkung gegenüber Dritten nicht zu. Während die Rechtsordnung unter dem Gesichtspunkt der verfassungsmäßig garantierten allgemeinen Handlungsfrei-heit die Privatautonomie zur Selbstbestimmung anerkennt, stellen Normen aus Be-triebsvereinbarungen gegenüber den Arbeitnehmern als Normadressaten einen Akt der Fremdbestimmung dar.98 Deshalb wird bei den Betriebsparteien in dieser Funkti-on nicht von einer Privat- sondern Betriebsautonomie gesprochen.99 Das ändert je-doch nichts daran, dass Betriebsvereinbarungen nach dem – in gewissen Grenzen – freien Willen der Betriebsparteien zustande kommen. Die Betriebsparteien stehen sich beim Zustandekommen einer Betriebsvereinbarung wie privatautonome Rechts-subjekte unabhängig voneinander gegenüber, wenn auch inhaltlich durch die Rege-lungsschranken der Betriebsautonomie gebunden. Letztere betrifft indessen das Verhältnis gegenüber den Normadressaten und spielt bei den Verhandlungen über den Regelungsgegenstand eine Rolle für einen zulässigen Inhalt, ohne die autonome Rechtsstellung der Betriebsparteien im Verhältnis zueinander in Frage zu stellen.

Die danach gewährte autonome Rechtsetzung findet durch Vertrag, nicht aber Be-schlussfassung statt. Entscheidend ist die Einigung der Beteiligten, nicht eine Bil-dung von Mehrheiten. Dem korrespondiert das Zustandekommen nach häufig um-fangreichen Verhandlungen zwischen den Betriebsparteien, um zu einer Einigung als Kompromiss entgegengesetzter Interessen zu gelangen.100 Instrument, einen Aus-gleich der Interessen herbeizuführen, ist der Vertrag, der der Autonomie der Ver-tragsparteien zur Geltung verhilft.101

cc) Normative Wirkung

Erkennt man Betriebsvereinbarungen eine Satzungsqualität zu, lässt sich die norma-tive Wirkung zwanglos begründen, weil sie für die Satzung typisch ist. Aber auch ei-nem vertraglichen Charakter steht die normative Wirkung nicht entgegen.102

Ein Schuldverhältnis ist zwar im Regelfall dadurch geprägt, dass die Parteien einer Vereinbarung einander etwas schulden, nicht aber unbeteiligte Dritte. Ein Vertrag kann nach dem Rechtsgedanken der §§ 328ff BGB allenfalls zugunsten eines Dritten abgeschlossen werden und Rechte für den Dritten begründen, ihn aber nicht ver-pflichten. Daraus folgt aber nicht, dass einer Betriebsvereinbarung, die gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten der an ihrem Ab-schluss nicht unmittelbar beteiligten Normunterworfenen begründen kann, kein ver-traglicher Charakter zukommen könnte. Stellt die Betriebsvereinbarung eine vertrag-

98 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 218; Waltermann, Recht-

setzung durch Betriebsvereinbarung, S. 88ff, 203ff, 206. 99 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 52ff m.w.N.; Wollgast, S. 121ff m.w.N. 100 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 13f; Gussen, S. 13; Gussen/Dauck, Rn.

69; Haas, S. 13; Richardi in: Richardi, § 77, Rn 30. 101 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 14. 102 Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 15; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 226; Wollgast, S. 95.

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liche Regelung dar, kann deren Gegenstand ohne weiteres auf die Begründung von Rechten und Pflichten eines Dritten gerichtet sein, ohne dass der Charakter eines Vertrags hierdurch in Frage gestellt wäre. Der Vertrag wäre ohne Anerkennung durch die Rechtsordnung zur Verpflichtung des Dritten allerdings regelmäßig unwirksam. Die Vorschrift des § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ermächtigt die Betriebsparteien aber, in Betriebsvereinbarungen unmittelbar Rechte und Pflichten für und gegen Dritte zu begründen.103 Die Betriebsparteien sind kraft staatlicher Ermächtigung berechtigt, vertragliche Vereinbarungen mit unmittelbarer Wirkung für und gegen Dritte (Nor-menverträge) zu schließen.104 Verträge mit Normenwirkung sind dem geltenden Recht auch sonst nicht fremd. So kommt gleichfalls dem Tarifvertrag eine normative Wirkung zu, wie aus der Terminologie des Gesetzes und der Differenzierung zwi-schen schuldrechtlichen und normativen Wirkungen in § 1 Abs. 1 TVG folgt und es allgemeiner Auffassung entspricht.105

Es ist deshalb zwischen Zustandekommen und Rechtswirkung der Betriebsvereinba-rung zu trennen.106 Dies gilt im Übrigen nicht nur für die Betriebsvereinbarung oder den Tarifvertrag, sondern für jedes Rechtsgeschäft. Stets ist zwischen dem Akt der Rechtsetzung und der durch die Rechtsordnung anerkannten Regelung als Ergebnis des Rechtsetzungsakts zu unterscheiden.107 Auch dem typisierten bürgerlichrechtli-chen Vertrag als relativem Rechtsgeschäft kommt eine Rechtsbindung der Vertrags-parteien nur deshalb zu, weil die Rechtsordnung es anerkennt, dass der entäußerte Wille des Rechtssubjekts eine rechtliche Bindung herbeizuführen vermag.108 Ein normativer Regelungscharakter ist vor diesem Hintergrund aufgrund der Anerken-nung durch die Rechtsordnung in § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG mit einem vertraglichen Charakter ohne weiteres zu vereinbaren. Die Satzungstheorie ist damit abzulehnen.

c) Zwischenergebnis

Gesamtbetriebsvereinbarungen sind Normenverträge. Aufgrund des vertraglichen Charakters bedarf es näherer Untersuchung, ob eine Fortgeltung bei Betriebsveräu-ßerungen aufgrund eines Fortbestands der für eine Gesamtbetriebsvereinbarung maßgebenden Strukturen denkbar ist, oder ein Einrücken in die Parteistellung dar-über hinaus notwendig und gegebenenfalls möglich wäre.

103 Wollgast, S. 95. 104 Boecken, Rn. 154; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 13; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 213ff; Haas, S. 15. 105 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 13. 106 Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 15. 107 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 175; Kreutz, Grenzen der Betriebsauto-

nomie, S. 45. 108 Flume, S. 2; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 44.

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2. Anknüpfungspunkte der normativen Wirkung

Handelt es sich bei einer Gesamtbetriebsvereinbarung zutreffend um einen Normen-vertrag, stellt sich im Falle einer Betriebsveräußerung die Frage, ob ein Austausch von Regelungsobjekten oder -subjekten stattfindet und dies gegebenenfalls einer fortdauernden normativen Wirkung entgegensteht.

a) Regelungsobjekt und Geltungsbereich

Regelungsobjekt und Anknüpfungspunkt der normativen Wirkung einer Gesamtbe-triebsvereinbarung sind bei Inhaltsnormen die Arbeitsverhältnisse im Geltungsbe-reich der Regelung.109 Für deren Parteien begründet die Gesamtbetriebsvereinba-rung unmittelbar Rechte und Pflichten und entfaltet ihre Gestaltungswirkung. Bei Be-triebsnormen oder betriebsverfassungsrechtlichen Normen wird eine normative un-mittelbare Gestaltungswirkung für den Geltungsbereich ebenso anerkannt.110 Beim Geltungsbereich, für den die Norm diese Gestaltungswirkung herbeiführt, wird zwi-schen dem räumlichen und dem personellen Geltungsbereich unterschieden.111 Der räumliche Geltungsbereich wird einerseits durch die getroffene Regelung, anderer-seits durch die Zuständigkeit der Normsetzungsparteien begrenzt.112 Der personelle Geltungsbereich erstreckt sich regelmäßig auf Normadressaten, die diesem räumli-chen Geltungsbereich zuzuordnen sind.113

aa) Personeller Geltungsbereich (Normadressaten)

Betriebsvereinbarungen wirken unmittelbar und zwingend, § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG. Die Regelung sagt nichts dazu aus, wer von dieser normativen Wirkung als Adressat erfasst wird und ob das Entfallen oder der Austausch von Normadressaten einen Fortbestand der normativen Wirkung tangieren kann.

Der personelle Geltungsbereich einer Gesamtbetriebsvereinbarung ist zwingend be-

109 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 35 m.w.N; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier,

§ 77, Rn. 128. 110 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 128; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 137;

nach anderer Auffassung (Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 93) sollen Betriebsvereinbarungen aufgrund ihrer normativen Wirkung allein über Arbeitsbedin-gungen abgeschlossen werden können, die geeignet sind, unmittelbar auf die Arbeitsverhältnisse einzuwirken. Diese Auffassung stößt schon deshalb auf Bedenken, da das Gesetz das Gegenteil vorsieht. In den Regelungen der §§ 3 Abs. 2, 28a, 38 Abs. 1 Satz 5, 47 Abs. 4, Abs. 5, 55 Abs. 4, 72 Abs. 4, Abs. 5, 76 Abs. 1, Abs. 4 BetrVG sieht das Gesetz ausdrücklich Betriebsvereinbarun-gen in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten vor, in §§ 87 Abs. 1 Ziff. 1, Ziff. 6, Ziff. 7, Ziff. 8, Ziff. 12, 92, 92a, 94 BetrVG ermöglicht es Betriebsvereinbarungen in betrieblichen Angele-genheiten.

111 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 34f; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 126. 112 BAG vom 19.02.2002 – 1 ABR 26/01 – AP Nr. 13 zu § 4 BetrVG 1972; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 34; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 126; all-gemein für Rechtsnormen Ossenbühl in Badura/Burgi/Erichsen/Ossenbühl/Papier/Rudolf/Rüfner, S. 195; Wolff/Bachof/Stober, S. 302.

113 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 35.

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grenzt durch die Zuständigkeit der Betriebsparteien.114 Für den personellen Geltungsbereich findet eine Zuständigkeitsbegrenzung der Betriebsparteien durch

eine Regelungslegitimation allein gegenüber Arbeitnehmern im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG statt. Eine bestimmte Reichweite der Zuständigkeit der Betriebsparteien ent-hält noch keine Aussage über eine Anknüpfung der Gesamtbetriebsvereinbarung an einen Fortbestand des personellen Geltungsbereichs. Eine solche Verknüpfung gilt es im Folgenden zu untersuchen. Dabei wird nach Inhaltsnormen (unter Einbezie-hung der Abschluss- und Beendigungsnormen), Betriebsnormen und betriebsverfas-sungsrechtlichen Normen unterschieden, um etwaigen Besonderheiten der Anknüp-fungspunkte verschiedener Regelungsgegenstände Rechnung zu tragen.

(1) Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen

Abschluss- und Beendigungsnormen regeln das Zustandekommen bzw. die Beendi-gung von Arbeitsverhältnisses, Inhaltsnormen regeln Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis.115 Als Gläubiger und Schuldner des Arbeitsverhältnisses sind Ar-beitnehmer wie Arbeitgeber potentielle Normadressaten.

(a) Arbeitnehmer im räumlichen Geltungsbereich

Eine Gesamtbetriebsvereinbarung kann unmittelbare Rechte und Pflichten für und gegen Arbeitnehmer begründen. Die normative Wirkung von Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen knüpft an die Zuordnung eines Arbeitsverhältnisses zum räum-lichen Geltungsbereich der Regelung an.116 Das Arbeitsverhältnis ist eine (regelmä-ßig neben weiteren) tatbestandliche Voraussetzung für eine Rechtsfolgenverknüp-fung. Ist ein Arbeitsverhältnis dem räumlichen Geltungsbereich zuzuordnen, gilt die Regelung für dieses. Dem Arbeitsverhältnis kommt bei der normativen Wirkung des-halb eine Art Zwitterstellung zu, als es einerseits Voraussetzung für die Herbeifüh-rung von Rechtsfolgen aus der normativen Wirkung ist, andererseits die Rechtsfol-gen bei Inhaltsnormen den Inhalt des Arbeitsverhältnisses modifizieren.

Für eine normative Wirkung von Inhaltsnormen ist weder die Existenz eines individu-ellen Arbeitnehmers als Normadressaten, noch das Bestehen eines individuellen Ar-beitsverhältnisses maßgebend.117 Die Existenz eines Arbeitnehmers als Rechtsträ-ger und Partei des Arbeitsverhältnisses ist Voraussetzung für die Herbeiführung von Rechtsfolgen aus der Norm, nicht aber für ihre abstrakte Geltung. Subjektive Rechte werden durch die normative Wirkung erst begründet, wenn die Voraussetzungen der Norm vorliegen und durch die Rechtsfolgenverknüpfung ein Recht oder eine Pflicht

114 BAG vom 19.02.2002 – 1 ABR 26/01 – AP Nr. 13 zu § 4 BetrVG 1972; Berg in: Däub-

ler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 35; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 36; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 172ff; Matthes in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 328, Rn. 21ff; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 127.

115 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 128; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 51. 116 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 128; Kreutz in: Festschrift für Kraft, S.

323, 325. 117 Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 325.

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eines Normadressaten ausgelöst wird.118 Die Geltung der Norm setzt hierfür nicht die Existenz bestimmter Träger subjektiver Rechte voraus. Fehlt es an ihnen aktuell, las-sen sich aus der Norm zur Zeit keine subjektiven Rechte herleiten. Die Norm gilt gleichwohl.

Der Austausch einzelner Arbeitnehmer kann auf die Geltung einer Gesamtbetriebs-vereinbarung deshalb keine Auswirkungen haben.119 Regelungsobjekt sind beste-hende Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich der Regelung. Der individuelle Arbeit-nehmer wird allein mittelbar in seiner Funktion als Partei eines dieser Arbeitsverhält-nisse betroffen. Er ist zwar Normadressat. Dies ist aber lediglich ein Reflex seiner Funktion als Partei eines Arbeitsverhältnisses, das dem Geltungsbereich der Norm zuzuordnen ist.

(b) Arbeitgeber

Gleiches gilt für den Arbeitgeber in seiner Funktion als Arbeitsvertragspartei. Die normative Wirkung erstreckt sich aufgrund der Funktion des Arbeitgebers als Partei des Arbeitsvertrags auch auf ihn.120 Die Erstreckung der normativen Wirkung auf den Arbeitgeber, der zugleich Betriebspartei ist, ist zwar einerseits zweifelhaft, weil der Arbeitgeber selbst am Abschluss der Gesamtbetriebsvereinbarung beteiligt ist. Eine Bindung könnte bereits aus privatautonomer Rechtsgestaltung aufgrund Selbstbe-stimmung in klassischer vertraglicher Form folgen, so dass es einer Erstreckung der normativen Wirkung bei vordergründiger Betrachtung nicht bedürfte. Träfe dies zu, wäre eine Geltung der Gesamtbetriebsvereinbarung nach einem Betriebsinhaber-wechsel äußerst zweifelhaft, weil der Erwerber nicht kraft autonomer Rechtsgestal-tung an der Entstehung des Normenvertrags beteiligt war und hieraus seine Bindung an die Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung zu folgern wäre. Es müsste ei-ne andere Rechtsgrundlage für die Bindung des Erwerbers an die Norm bestehen.

Die Frage stellt sich indessen nicht. Der Arbeitgeber wird als Arbeitsvertragspartei ungeachtet seiner Beteiligung als Betriebspartei bei der Rechtsetzung von der nor-mativen Wirkung der Gesamtbetriebsvereinbarung erfasst. Eine andere Betrachtung führte zu sinnwidrigen Ergebnissen und findet im Betriebsverfassungsrecht keine Grundlage: Eine Gesamtbetriebsvereinbarung kann nicht nur Pflichten, sondern e-benso Rechte der normunterworfenen Arbeitnehmer begründen. Wollte man eine normative Wirkung allein auf Arbeitnehmer erstrecken, könnte zwar der Arbeitgeber aus eigenem Recht Pflichten des Arbeitnehmers aus einer Gesamtbetriebsvereinba-rung geltend machen, weil die Norm den Arbeitnehmer unmittelbar verpflichtet, für den Arbeitgeber eigene durchsetzbare Rechtsansprüche begründet und einen Erfül-lungsanspruch des Arbeitgebers begründet. Wollte man eine Erstreckung der norma-tiven Wirkung auch auf den Arbeitgeber ablehnen, bestünde demgegenüber ein un-mittelbarer Erfüllungsanspruch des Arbeitnehmers im Falle seiner Berechtigung nicht. Vielmehr bestünde allein – wie bei einem unechten Vertrag zugunsten Dritter – 118 Enneccerus/Nipperdey, S. 428. 119 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 35 m.w.N.; Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 325. 120 Haas, S. 34f.

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ein Durchführungsanspruch des Gesamtbetriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber auf Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers. Ein sachlicher Grund für eine solche Ungleichbehandlung ist indessen nicht ersichtlich und liefe dem Schutzzweck der Betriebsverfassung zugunsten der Belegschaft und damit der Arbeitnehmer als Teil der Belegschaft zuwider. Eine Erstreckung der normativen Wirkung auf den Arbeit-geber entspricht zugleich der gesetzgeberischen Intention, wie sie in § 77 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 BetrVG ihren Niederschlag gefunden hat. § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG bestimmt, dass Arbeitnehmer auf Rechte aus Betriebsvereinbarungen nur mit Zustimmung des Betriebsrats verzichten können. Regelt das Gesetz explizit eine Mitwirkung des Betriebsrats nur für den Verzicht auf ein Recht aus einer Betriebsver-einbarung, so ist im Umkehrschluss davon auszugehen, dass eine Mitwirkung des Betriebsrats im Übrigen nicht vorgesehen ist, es insbesondere keiner Geltendma-chung von Rechten der Arbeitnehmer durch den Betriebsrat bedarf. Vielmehr ist § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG so zu verstehen, dass eine unmittelbare und zwingende Wir-kung das Arbeitsverhältnis im Sinne einer Bindung beider Arbeitsvertragsparteien betrifft.121

Erstreckt sich die normative Wirkung gleichsam auf den Arbeitgeber, gilt nichts ande-res als für den Arbeitnehmer: Ein Austausch des Arbeitgebers in seiner Funktion als Normadressat berührt die normative Fortgeltung nicht. Die normative Wirkung betrifft den Arbeitgeber aufgrund seiner Funktion als Partei eines Arbeitsverhältnisses im Geltungsbereich der Norm. Die Individualität des Arbeitgebers ist aufgrund seiner Eigenschaft als Normadressat nicht maßgebend. Entscheidend ist – nicht anders als bei Betrachtung des Arbeitnehmers als Normadressaten – dass der Arbeitgeber Par-tei eines Arbeitsverhältnisses im Geltungsbereich der Norm ist.122 Dass der Arbeitge-ber regelmäßig zugleich Vertragspartei der Gesamtbetriebsvereinbarung ist, ändert daran nichts.

(2) Betriebsnormen

Betriebsnormen regeln Angelegenheiten des Betriebs und betreffen das Individualar-beitsverhältnis nur mittelbar.123 Regelungsgegenstände können insbesondere Fragen der Ordnung des Betriebs, technische Überwachungseinrichtungen, Regelungen zum Arbeitsschutz, Regelungen über Sozialeinrichtungen, über das betriebliche Vor-schlagswesen, über die Personalplanung oder die Beschäftigungssicherung sein.124 Ihnen ist gemeinsam, dass sie eine normative Wirkung aufweisen, als sie verbindli-che Regelungen für den Arbeitgeber und die Gesamtheit oder Gruppen der Beleg-schaft aufstellen.125 Sie ordnen das Kollektiv als Einheit.

Die Ordnungsfunktion von Betriebsnormen kann gleichermaßen rechtsbeschränkend

121 Haas, S. 34f. 122 Haas, S. 34f. 123 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 47; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 52. 124 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 47; Haas, S. 19ff. 125 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 47; Haas, S. 19ff; Richardi in: Richardi, §

77, Rn. 52.

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für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer wirken. So kann beispielsweise im Falle einer Regelung über die Anwendung technischer Überwachungseinrichtungen die unter-nehmerische Freiheit zur Bestimmung von Arbeitsmethoden berührt126 oder im Falle einer Regelung zur Ordnung des Betriebes das arbeitgeberseitige Direktionsrecht eingeschränkt werden. Fragen der Ordnung des Betriebs (etwa Alkohol-127 oder Rauchverbote128) wirken rechtsbeschränkend gegenüber der Belegschaft. Je nach dem Regelungsgegenstand betrieblicher Normen konstituieren sie unmittelbare Ver-haltenspflichten der Normadressaten.

Betriebsnormen knüpfen an die Individualität des Normadressaten ebenso wenig an wie Inhaltsnormen. Vielmehr werden Arbeitgeber und Arbeitnehmer in ihrer Funktion als Zugehörige zu dem Geltungsbereich gebunden. Bezugsobjekt der normativen Wirkung ist ein betriebs-, eventuell auch unternehmens- oder konzernbezogener räumlicher Geltungsbereich der Regelung. Ist ein Arbeitsverhältnis diesem räumli-chen Geltungsbereich der Norm zuzuordnen, gilt die Norm für dieses. Sie bindet die Parteien jedes dem räumlichen Geltungsbereich zuzuordnenden Arbeitsverhältnis-ses, ohne dass es auf den Bestand eines individuell bestimmten Arbeitsverhältnisses ankäme. Bei Betriebsnormen setzt die normative Wirkung deshalb ebenfalls keinen Fortbestand individueller Normadressaten voraus.

(3) Betriebsverfassungsrechtliche Normen

Betriebsverfassungsrechtliche Normen regeln Angelegenheiten, die die Rechtsstel-lung der betriebsverfassungsrechtlichen Organe zueinander betreffen.129 Die Reich-weite der Regelungsbefugnis der Betriebsparteien in diesen Angelegenheiten ist im Einzelnen umstritten130, für bestimmte betriebsverfassungsrechtliche Fragen indes-sen eine Kompetenz der Betriebsparteien zur Regelung betriebsverfassungsrechtli-cher Angelegenheiten ausdrücklich vorgesehen. Solche Kompetenzen sieht das Ge-setz in § 3 Abs. 2 BetrVG für die Errichtung einer abweichenden Arbeitnehmervertre-tung, in § 28a BetrVG für die Übertragung von Aufgaben auf Arbeitsgruppen, in § 38 Abs. 1 Satz 5 BetrVG für Regelungen über Freistellungen von Betriebsratsmitglie-dern, in §§ 47 Abs. 4, Abs. 5, 55 Abs. 4, 72 Abs. 4, Abs. 5 BetrVG für abweichende Mitgliederzahlen in Gesamt- und Konzernbetriebsrat sowie Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung, in § 76 Abs. 1, Abs. 4 BetrVG für die Errichtung einer ständigen Einigungsstelle und das Einigungsstellenverfahren sowie in § 102 Abs. 6 BetrVG für die Mitbestimmung bei Kündigungen vor.131

Mit Ausnahme der Regelungen des § 3 BetrVG enthalten vorgenannte Bestimmun-gen keinen Anhaltspunkt, ob betriebsverfassungsrechtliche Normen in ihrem Bestand 126 Beispiele bei Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 87, Rn. 224ff m.w.N. 127 BAG vom 13.02.1990 – 1 ABR 11/89 – zitiert nach juris; BAG vom 23.09.1986 – 1 AZR 83/85 –

AP Nr. 20 zu § 75 BPersVG m.w.N. 128 BAG vom 19.01.1999 – 1 AZR 499/98 – AP Nr. 28 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebs

m.w.N. 129 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 48; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 56. 130 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 210 m.w.N. 131 Haas, S. 21.

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an die individuellen Betriebsparteien gebunden sind. Der Vergleich zu Abschluss-, Beendigungs, Inhalts- und Betriebsnormen legt eine einheitliche Beurteilung der normativen Wirkung und damit eine Austauschbarkeit der Normadressaten nahe. Er gibt aber letztlich nichts für die Beurteilung betriebsverfassungsrechtlicher Normen her. Die Regelung des § 3 Abs. 4 BetrVG stellt indessen klar, dass ein Austausch des Betriebsrats einer Fortgeltung einer Betriebsvereinbarung über die Regelung einer anderen Arbeitnehmervertretung nicht entgegensteht. In § 3 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ist geregelt, dass eine Betriebsvereinbarung über die Einrichtung einer ande-ren Arbeitnehmervertretung erstmals bei der nächsten regelmäßigen Betriebsrats-wahl anzuwenden ist. Die Betriebsvereinbarung über eine abweichende Arbeitneh-mervertretung muss hierzu notwendig über die Amtsperiode des bisherigen Betriebs-rats hinaus gelten. Erst die fortdauernde Geltung der Normen dieser Betriebsverein-barung vermag die Rechtsfolge des § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG zu erklären. Gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG gelten die durch Betriebsvereinbarung gebildeten abwei-chenden betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten als Betriebe im Sin-ne des Betriebsverfassungsgesetzes. Damit legt das Gesetz im Wege einer gesetzli-chen Fiktion für die Laufzeit der Betriebsvereinbarung eine anders abgegrenzte or-ganisatorische Einheit als betriebsverfassungsrechtlich maßgebenden Bereich fest.132 Hierzu setzt es das Gesetz voraus, dass der Bestand einer betriebsverfas-sungsrechtlichen Regelung nicht an den Fortbestand einer individuellen Betriebspar-tei geknüpft ist, sondern auch bei betriebsverfassungsrechtlichen Normen eine funk-tionelle Rechtsfolgenverknüpfung stattfindet, die für künftige Betriebsparteien ver-bindlich ist.133 Nicht anders als Abschluss-, Beendigungs-, Inhalts- oder Betriebsnor-men bewirken betriebsverfassungsrechtliche Normen deshalb eine Gestaltung ihres räumlichen Geltungsbereichs, ohne auf den Bestand eines konkreten Regelungsob-jekts abzustellen.

(4) Zwischenergebnis

Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass Normadressaten von Gesamtbe-triebsvereinbarungen je nach ihrem Regelungsgegenstand Arbeitgeber, Gesamtbe-triebsrat oder Arbeitnehmer sein können. Aus der normativen Wirkung folgt stets, dass die Geltung der Norm nicht an den individuellen Adressaten anknüpft, sondern dieser in seiner Funktion als Inhaber einer bestimmten Rechtsposition, auf die die Norm abstellt, berechtigt oder verpflichtet wird. Die Stellung als Adressat der Norm ist eine reine Reflexwirkung. Die Ausfüllung des personellen Geltungsbereichs ergibt sich aus der Zuordnung von Normadressaten zum räumlichen Geltungsbereich der Norm. Sein Fortbestand ist keine Voraussetzung für die Geltung der Norm. Betriebs-vereinbarungen unterscheiden sich insoweit nicht von anderen Normen. Entfällt ein Normadressat, entfaltet die Norm für ihn keine Wirkung. Die Norm gilt gleichwohl.

132 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 3, Rn. 76; Trümner in: Däubler/Kittner/Klebe, § 3,

Rn. 147; Richardi in Richardi, § 3, Rn. 62f. 133 Im Ergebnis: Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 3, Rn. 76; Trümner in: Däub-

ler/Kittner/Klebe, § 3, Rn. 147, 151.

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bb) Räumlicher Geltungsbereich

Besteht keine Abhängigkeit des Fortbestands der normativen Wirkung vom Fortbe-stand eines bestimmten Adressaten der Norm, sondern richtet sich der Kreis der je-weiligen Normadressaten nach dem Regelungsgegenstand einer Gesamtbetriebs-vereinbarung im Rahmen ihres räumlichen Geltungsbereichs, stellt sich die Frage, ob die normative Wirkung an den Fortbestand dieses räumlichen Geltungsbereichs ge-bunden ist.

Entsprechend der für die Betriebsverfassung verbreiteten134 Terminologie wird im Folgenden der Begriff des räumlichen Geltungsbereichs beibehalten. Der räumliche Geltungsbereich beschreibt den Bereich, für den eine Norm in Kraft gesetzt wurde und in dem sie gilt135. Entgegen der Begrifflichkeit ist dem räumlichen Geltungsbe-reich allerdings kein territorialer Bezug inne. Seine Ausfüllung richtet sich vielmehr nach der abstrakten Anknüpfung der Normsetzungszuständigkeit der Betriebspartei-en, sei diese nun betriebs-, unternehmens- oder konzernbezogen.

(1) Räumlicher Geltungsbereich als Bezugspunkt der normativen Wirkung

Normen „gelten“ für einen räumlichen Geltungsbereich. Inhalts-, Abschluss- und Be-endigungsnormen lösen Rechtsfolgen für Arbeitsverhältnisse aus, die dem räumli-chen Geltungsbereich der Norm zuzuordnen sind. Betriebsnormen knüpfen gleich-falls an eine Zuordnung zum räumlichen Geltungsbereich an. Betriebsverfassungs-rechtliche Normen regeln betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheiten der Be-triebsparteien für deren räumlichen Zuständigkeitsbereich als Geltungsbereich. E-benso wie der personelle Geltungsbereich ist der räumliche Geltungsbereich einer Gesamtbetriebsvereinbarung zwingend begrenzt durch den Zuständigkeitsbereich der Betriebsparteien.136 Ihn definiert das Betriebsverfassungsrecht im Rahmen der Regelungszuständigkeit des betriebsverfassungsrechtlichen Gremiums und des Ar-beitgebers. Er ist die äußerste Grenze einer normativen Wirkung.137

Der räumliche Geltungsbereich ist zugleich einziger feststehender Bezugspunkt des Regelungsobjekts von Gesamtbetriebsvereinbarungen. Die Ausfüllung des räumli-chen Geltungsbereichs ist einem stetigen Wandel unterworfen. Der räumliche Gel-tungsbereich als solcher steht dagegen fest. Für ihn werden betriebsverfassungs-rechtliche Gremien eingerichtet, für ihn werden betriebsverfassungsrechtlichen Gre-

134 Vgl. etwa Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 34f; Richardi in: Richardi, § 77,

Rn. 126. 135 BAG vom 19.02.2002 – 1 ABR 26/01 – AP Nr. 13 zu § 4 BetrVG 1972; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 34ff; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 126; Ossenbühl in Badura/Burgi/Erichsen/Ossenbühl/Papier/Rudolf/Rüfner, S. 195; Wolff/Bachof/Stober, S. 302.

136 BAG vom 19.02.2002 – 1 ABR 26/01 – AP Nr. 13 zu § 4 BetrVG 1972; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 34ff; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 126; allgemein für Normen: Ossenbühl in Badura/Burgi/Erichsen/Ossenbühl/Papier/Rudolf/Rüfner, S. 195; Wolff/Bachof/Stober, S. 302.

137 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 34.

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mien Mitbestimmungsrechte verliehen und für ihn gelten Gesamtbetriebsvereinba-rungen. Ohne Blick auf den räumlichen Geltungsbereich ist eine Beurteilung der Reichweite der normativen Wirkung nicht möglich. Der räumliche Geltungsbereich ist damit maßgeblicher Anknüpfungspunkt für einen Fortbestand der normativen Wir-kung.

Es ist ein normenimmanentes Tatbestandsmerkmal der Rechtsfolgenverknüpfung, dass der in der Norm geregelte Sachverhalt ihrem räumlichen Geltungsbereich in Abgrenzung zu dem räumlichen Geltungsbereich anderer Normen zuzuordnen ist. Dies liegt gleichfalls der nahezu einhelligen Auffassung in Literatur und (bisheriger) Rechtsprechung zur Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen zugrunde, die an einen Fortbestand der Identität des Betriebs knüpft.138 Im Falle der Wahrung der Identität des Betriebs bleibt der räumliche Geltungsbereich erhalten und mit ihm ein maßge-bender Anknüpfungspunkt der normativen Wirkung einer Betriebsvereinbarung.139 Entsprechendes muss für eine Gesamtbetriebsvereinbarung gelten. Besteht ihr räumlicher Geltungsbereich nach einer Betriebsveräußerung fort, kommt eine fort-dauernde normative Wirkung in diesem Bereich in Betracht. Bestünde der räumliche Geltungsbereich nach einer Betriebsveräußerung nicht fort, ginge die normative Wir-kung der Gesamtbetriebsvereinbarung insoweit ins Leere, als kein abgrenzbarer Be-reich mehr existierte, für den eine Zuordnung von Normadressaten erfolgen könnte. Fehlt die Möglichkeit, Normadressaten einem räumlichen Geltungsbereich zuzuord-nen, ist eine Erfüllung des Tatbestands der Norm ausgeschlossen. Eine Ausfüllung des normenimmanenten Tatbestandsmerkmals der Zugehörigkeit des geregelten Sachverhalts zum räumlichen Geltungsbereich der Norm ist dann dauerhaft objektiv unmöglich.

(2) Zeitliche Dimension der Rechtsfolgenverknüpfung

Die normative Wirkung einer Gesamtbetriebsvereinbarung knüpft an einen bestimm-ten räumlichen Geltungsbereich an. Ereignet sich ein bestimmter Sachverhalt in die-sem Bereich, löst die Norm eine bestimmte Rechtsfolge aus. Die Zuordnung des normrelevanten Sachverhalts zum räumlichen Geltungsbereich der Norm bedeutet aber nicht, dass die Rechtsfolge während der Zuordnung zu dem räumlichen Gel-tungsbereich eintreten muss.140 Bei Normen in Sozialplänen anlässlich einer Be-triebsstilllegung, Normen über betriebliche Altersversorgung oder nachvertragliche Wettbewerbsverbote hängt die Auslösung von Rechtsfolgen der Norm für einen be-stimmten Normadressaten zwar von einer Zuordnung des Normadressaten zu dem räumlichen Geltungsbereich der Norm ab. Diese Zuordnung knüpft aber nicht an den Fortbestand einer Zuordnung zu dem räumlichen Geltungsbereich bis zum Eintritt der Rechtsfolge an. Zeitlich sind Regelungen aus Sozialplänen anlässlich einer Be-triebsstilllegung, Regelungen über betriebliche Altersversorgung oder über nachver- 138 Siehe Fn. 12. 139 Haas, S. 36; Müller, RdA 1996, 287, 289. 140 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 48; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77,

Rn. 160; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 375; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 214; Worzalla in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 227.

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tragliche Wettbewerbsverbote darauf angelegt, erst nach Aufhebung der Zuordnung des Normadressaten zum räumlichen Geltungsbereich Rechtsfolgen auszulösen.141

Nichts anderes gilt für Normen, deren Rechtsfolgen typischerweise während der Zu-ordnung eines Normadressaten zum räumlichen Geltungsbereich einer Norm eintre-ten. Wurde etwa die Abmahnung eines Arbeitnehmers auf die beharrliche Verletzung einer Pflicht aus einer Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeiterfassung gestützt, würde anderenfalls die Abmahnung mit Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gegenstandslos, weil die Norm für diesen Normadressaten nicht mehr gelten könnte. Eine Pflichtverletzung könnte nicht festgestellt werden, wenn aufgrund einer Geltungsbeendigung mit Wirkung ex tunc eine Pflicht nie bestanden hätte. Ebenso müssten bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche bei Anwesenheitsprä-mien oder Jubiläumszuwendungen entstehen, die der Arbeitgeber aufgrund einer Betriebsvereinbarung leistet, wenn mit der Aufhebung der Zuordnung des Normad-ressaten zum räumlichen Geltungsbereich die Rechtsgrundlage für erbrachte Leis-tungen mit Wirkung ex tunc entfiele.142 Überhaupt hätte es der Verpflichtete in der Hand, mit der Erfüllung des Normbefehls zuzuwarten, bis die Zuordnung zum räumli-chen Geltungsbereich endet, wenn damit eine Anspruchsgrundlage für entstandene aber noch nicht erfüllte Ansprüche rückwirkend endete. Es liegt auf der Hand, dass eine Rückabwicklung der Rechtsverhältnisse mit Sinn und Zweck der Geltung be-triebsverfassungsrechtlicher Rechtsnormen als Gestaltungsmittel nicht vereinbar ist. Die Gestaltungsaufgabe der Normen besteht als Rechtsgrund deshalb auch über eine Zuordnung zum räumlichen Geltungsbereich der Norm hinaus fort.143

Diese Beispiele zeigen die zeitliche Dimension der Rechtsgeltung. Die anlässlich der fortbestehenden Zuordnung zum räumlichen Geltungsbereich der Norm auftretenden Fragestellungen unterscheiden sich letztlich nicht von denen bei einem Untergang des räumlichen Geltungsbereichs. Sinn und Zweck der Gestaltungsaufgabe der Rechtsnormen erfordern auch hier für abgeschlossene Sachverhalte eine Zugrunde-legung des bisherigen Normbefehls. Während der Geltungsdauer einer Norm abge-schlossene Sachverhalte sind nach der Rechtslage zu beurteilen, die sich aus der Norm ergibt.144 Ob man die Anwendbarkeit der Norm für Sachverhalte während ihrer Geltungsdauer bei einer Beurteilung der Rechtslage zu einem Zeitpunkt nach Aufhe-bung oder einem sonstigen Untergang der Norm als Geltung oder als Nachwirkung bezeichnen sollte, kann insoweit offen bleiben. Die Terminologie vermag nichts dar-an zu ändern, dass Normen für zuvor geschehene Sachverhalte nach wie vor gelten, wenn nicht eine rückwirkende Neuregelung in Kraft gesetzt wurde. Die Norm ist nach wie vor Rechtsgrundlage für eine Vielzahl aktueller wie bereits abgewickelter Rechtsbeziehungen. Mit der Beendigung der Zuordnung zu einem räumlichen Gel-tungsbereich steht allein fest, dass der Kreis der Normadressaten und der zu regeln- 141 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 48; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77,

Rn. 160; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 375; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 214; Worzalla in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 227.

142 Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 325. 143 Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 325. 144 Maurer in: Isensee/Kirchhof, Band 3, § 60, Rn. 54.

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den Sachverhalte für die Zukunft nicht mehr durch eine Zuordnung zu dem räumli-chen Geltungsbereich erweitert werden kann. Die Geltung der Normen wird hier-durch allein in ihrer Reichweite unter dem Gesichtspunkt der Geltung für weitere Normadressaten und spätere Sachverhalte berührt. Für die geregelten Sachverhalte ist die Norm weiterhin als Maßstab zugrunde zu legen, welche Rechtsfolgen aus ih-nen erwachsen. Diese Geltung für den Bestand an geregelten Normadressaten und Sachverhalten wird nicht tangiert.

Kommt es für die rechtsgestaltende Wirkung von Normen für Sachverhalte, die zu einem früheren Zeitpunkt dem räumlichen Geltungsbereich der Norm zuzuordnen waren, auf eine spätere Loslösung des Normadressaten von dem räumlichen Gel-tungsbereich nicht an, so entspricht die fortdauernde Gestaltungswirkung der Rechtsnorm für einen abschließenden Kreis von Sachverhalten aber nicht einer Rechtsgeltung im räumlichen Geltungsbereich. Letztere zeichnet sich dadurch aus, für eine unbestimmte Zahl zu regelnder Sachverhalte offen zu sein. Dies setzt eine fortdauernde Möglichkeit der Zuordnung zu einem räumlichen Geltungsbereich und damit einen Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs voraus.145 Im Folgenden soll daher untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen dieser räumliche Gel-tungsbereich als Anwendungsbereich für weitere normrelevante Sachverhalte fortbe-steht.

cc) Zwischenergebnis

Die normative Wirkung von Gesamtbetriebsvereinbarungen knüpft an den Zustän-digkeitsbereich der Arbeitnehmervertretung als räumlichen Geltungsbereich an. In-nerhalb dieses Geltungsbereichs gilt die Gesamtbetriebsvereinbarung für einen un-bestimmten Kreis von Normadressaten. Infolge dieser Verknüpfung von normativer Wirkung und räumlichem Geltungsbereich ist ein Fortbestand der normativen Wir-kung an einen Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs geknüpft. Nur wenn ein solcher bei einer Betriebsveräußerung erhalten bleibt, ist die Gesamtbetriebsverein-barung übergangsfähig.

b) Regelungssubjekte

Gesamtbetriebsvereinbarungen sind Normenverträge. Regelungssubjekte der Ge-samtbetriebsvereinbarung sind Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber als Rechtset-zungsorgane. Ein Fortbestand der Regelungssubjekte ist für die Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung aufgrund ihrer normativen Wirkung nicht erforderlich. Trotzdem der Gesamtbetriebsvereinbarung ein Vertragscharakter zukommt, steht ihrer Geltung ein Entfallen oder Austausch der Regelungssubjekte nicht entgegen:

145 Dies wird von Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 163 offenbar vorausge-

setzt, wonach eine Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen in Eingliederungsfällen davon abhän-gig sein soll, dass ein eingegliederter Betrieb in der neuen Struktur räumlich und organisatorisch abgrenzbar ist.

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aa) Grundsatz bei Normen

Die wohl überwiegende Auffassung in arbeitsrechtlicher wie auch staatsrechtlicher Literatur und Rechtsprechung lehnt eine Notwendigkeit des Fortbestands der Recht-setzungsorgane für die Fortgeltung von Normen zu Recht ab.146 Die Geltung einer Norm knüpft an einen bestimmten Geltungsbereich an, nicht aber an den Fortbe-stand des Rechtsetzungsorgans.147

Die Norm als objektives Recht gilt ab ihrem Inkrafttreten und bis zu ihrer Aufhebung oder einem Ende aufgrund seltener Fälle der Gegenstandslosigkeit.148 Sobald die Norm „gilt“, löst sie sich von ihrem Rechtsetzungsakt und führt ein „Eigenleben“.149 Für staatliche Rechtsnormen entspricht es allgemeiner Auffassung, dass nicht einmal der Untergang des Staats zu einem Ende der Geltung von Normen des bisherigen staatlichen Gebildes in ihrem bisherigen Geltungsbereich führt.150 Die Geltung von Rechtsnormen wird durch ihre Anerkennung seitens der staatlichen Gemeinschaft legitimiert. Das Wesen des Rechts liegt nicht im Willen des Staats, sondern es ist als Ordnung des menschlichen Zusammenlebens auf die Gemeinschaft der Menschen selbst zurückzuführen.151 Besteht diese Geeminschaft fort, dauert die Anerkennung der Rechsordnung an und gilt die Rechtsordnung weiterhin für diese Gemein-schaft.152 Es ist auf einen gefestigten Meinungsstand zurückzugreifen, der zu einer Fortgeltung von Rechtsnormen trotz Untergang des Rechtsetzungsorgans führt.

146 Für Betriebsvereinbarungen: BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674; Bach-

ner, NJW 2003, 2861, 2863; Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 52; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 175; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 222; Haas, S. 36; Kania in: Erfurter Kommentar zum Ar-beitsrecht, § 77 BetrVG, Rn. 139; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 383; Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 336; Lindemann/Simon, BB 2003, 2510, 2514; Matthes in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 328, Rn. 45; Mues, DB 2003, 1273, 1274; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 213; Röder/Haußmann, DB 1999, 1754, 1754; Schaub, BB 1995, 1639, 1640; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 11b; Wollgast, S. 307f, 310; allgemein für Normen: Forsthoff, S. 150; Merk, S. 345; Kelsen, S. 148; Ossenbühl in: Badu-ra/Burgi/Ehlers/Erichsen/Ossenbühl/Papier/Rüfner, S. 191; Röckl, BB 1993, 1653, 1655; Schnei-der, S. 308ff; Wiedemann, Anm. zu BAG AP Nr. 28 zu § 2 TVG, AP Nr. 28 zu § 2 TVG; Wolff/Bachof/Stober, S. 302.

147 Forsthoff, S. 150; Haas, S. 36; Kelsen, S. 148; Merk, S. 345; Röckl, BB 1993, 1653, 1655; Schneider, S. 308ff; Wiedemann, Anm. zu BAG AP Nr. 28 zu § 2 TVG, AP Nr. 28 zu § 2 TVG; Wolff/Bachof/Stober, S. 302.

148 Forsthoff, S. 150; Kelsen, S. 148; Merk, S. 345; Röckl, BB 1993, 1653, 1655; Schneider, S. 308ff; Wiedemann, Anm. zu BAG AP Nr. 28 zu § 2 TVG, AP Nr. 28 zu § 2 TVG; Wolff/Bachof/Stober, S. 302; vgl. auch die zahlreichen Nachweise bei Scheuner, S. 9f.

149 BAG vom 11.11.1968 – 1 AZR 16/68 – NJW 1969, 861, 861f für den normativen Teil des Tarifver-trags.

150 Forsthoff, S. 150; Merk, S. 345; Ossenbühl in: Badu-ra/Burgi/Ehlers/Erichsen/Ossenbühl/Papier/Rüfner, S. 191; vgl. auch die zahlreichen Nachweise bei Scheuner, S. 9f.

151 Böckenförde in: Isensee/Kirchhof, Band 1, § 22, Rn. 37f; v. Savigny, S. 13ff; Puchta, S. 133ff. 152 Enneccerus/Nipperdey, S. 205f; Thon, S. 1f.

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bb) Einschränkung aufgrund Normenvertragscharakter

Es stellt sich allerdings die Frage, ob dieser bei Normen anwendbare Grundsatz eine Einschränkung durch den Normenvertragscharakter von Gesamtbetriebsvereinba-rungen erfährt. Aufgrund des Normenvertragscharakters folgt aus der Gesamtbe-triebsvereinbarung zugleich eine Bindung der Betriebsparteien. Entfällt eine der Be-triebsparteien, fragt es sich zum einen, ob damit diese Bindung endet. Zum anderen stellt sich die Frage, ob in diesem Falle die normative Wirkung das Schicksal ihrer vertraglichen Grundlage teilt und mit der schuldrechtlichen Bindung die normative Wirkung endet.

(1) Eigenarten des Normenvertrages

Normen werden typischerweise durch ein Rechtsetzungsorgan eines Verbands, re-gelmäßig durch Beschluss, einseitig erlassen, geändert und aufgehoben. Anders als sonst bei Normen stehen bei der Geltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen die Normsetzungsparteien als bipolare Regelungssubjekte ungleich mehr im Vorder-grund. Erst der zwischen den Betriebsparteien geschlossene Normenvertrag führt eine normative Wirkung für die Normadressaten herbei. Ein Fortbestand dieses Ver-trags ist beim ersatzlosen Fortfall einer Betriebspartei indessen nicht denkbar. We-sensmerkmal des Vertrags als Schuldverhältnis ist der Bestand einer rechtlichen Bindung der an dem Schuldverhältnis beteiligten Rechtssubjekte, kraft derer das eine Rechtssubjekt von dem anderen ein Tun oder Unterlassen verlangen kann. Entfällt eine Partei des Schuldverhältnisses ersatzlos, muss dieses erlöschen, weil die we-sensnotwendige Bipolarität entfällt.153 Dies legt es nahe, dass der Fortbestand der normativen Wirkung einer Gesamtbetriebsvereinbarung an die fortdauernde Existenz der Betriebsparteien anknüpft.154 Darauf deuten ebenfalls die Einflussnahme-möglichkeiten der Betriebsparteien auf die Geltungsdauer von Gesamtbetriebsver-einbarungen hin, die bei ablösenden Gesamtbetriebsvereinbarungen oder einer Ver-einbarung über die Aufhebung einer Gesamtbetriebsvereinbarung eine Willenseini-gung erzielen müssen. Lediglich die Beendigung einer Gesamtbetriebsvereinbarung durch Kündigung kann einseitig herbeigeführt werden. Der Ausspruch einer Kündi-gung durch eine Betriebspartei bedarf aber ebenfalls einer, wenn auch nur passiven, Beteiligung der anderen Betriebspartei155. Es stellt sich damit die Frage, ob aufgrund

153 Freilich sieht das Gesetz bei natürlichen Personen eine Gesamtrechtsnachfolge (Erbfolge) vor,

um eine Kontinuität bestehender Schuldverhältnisse zu ermöglichen. Juristische Personen beste-hen diesem Grundsatz korrespondierend grundsätzlich fort, bis sämtliche Verbindlichkeiten abge-wickelt sind. Erlischt ein Rechtsträger aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Umwandlung, sieht das Gesetz wiederum eine Gesamtrechtsnachfolge vor (vgl. z.B. §§ 20 Abs. 1 Ziff. 1, 131 Abs. 1 Ziff. 1 UmwG).

154 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 180; Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 65, der allerdings nicht konkret auf die Parteistellung, sondern den Bestand eines betriebsverfassungsrechtlichen Grundverhältnisses abstellt; Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 929; Steffan in: Ascheid/Preis/Schmidt, § 613a BGB, Rn. 115.

155 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 180; Steffan in: A-scheid/Preis/Schmidt, § 613a BGB, Rn. 115.

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dieser Besonderheiten des Normenvertragscharakters die Fortgeltung von Gesamt-betriebsvereinbarungen nur bei Fortbestehen der Betriebsparteien in Betracht kommt.

(2) Keine Rechtfertigung abweichender Geltungsverknüpfung durch Normen-vertragscharakter

Mit dem allgemeinen Verständnis zur Geltung von Normen ist eine Abhängigkeit der Normengeltung vom Rechtsetzungsorgan unvereinbar. Die wohl überwiegende Auf-fassung156 lässt eine Fortgeltung von (Gesamt-) Betriebsvereinbarungen bei einem vorübergehenden wie einem dauerhaften Wegfall des (Gesamt-) Betriebsrats dem-entsprechend zu. Auf das Bestehen einer Arbeitnehmervertretung soll es nur für die Entstehung, nicht aber für den Fortbestand der Normen ankommen.157 Entscheidend sei, dass die Funktion der Gesamtbetriebsvereinbarung in der Gestaltung der betrieblichen Ordnung unabhängig vom Amt des Gesamtbetriebsrats fortbestehe.158 Es solle verhindert werden, dass Rechte der Arbeitnehmer aus Gesamtbetriebsvereinbarungen erlöschen und Arbeitsverhältnisse inhaltsleer wür-den. Dies gelte sowohl bei einem vorübergehenden als auch einem endgültigen Wegfall des (Gesamt-) Betriebsrats.

(a) Normenwirkung der Gesamtbetriebsvereinbarung

Eine Besonderheit der Geltung von Rechtsnormen aus Gesamtbetriebsvereinbarun-gen gegenüber sonstigen Rechtsnormen ist nicht ersichtlich. Gesamtbetriebsverein-barungen enthalten wie jede Rechtsnorm objektives Recht.159 Bereits der Rege-lungsgegenstand, die abstrakte Anordnung von Rechtsfolgen für den Fall der Tatbe-standsrealisierung, zeigt, dass es sich bei Gesamtbetriebsvereinbarungen nur um objektives nicht aber subjektives Recht handeln kann. Rechtssätze im materiellen Sinne sind ihrer Natur nach abstrakt, sie stellen für eine Vielzahl gleichartiger Tatbe-stände eine identische Norm auf.160 Auch Gesamtbetriebsvereinbarungen regeln Fragen für eine Vielzahl von Fällen und Normadressaten. Wird eine solch abstrakt- 156 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674; Bachner, NJW 2003, 2861, 2863;

Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 52; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 175; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 222; Kania in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 77 BetrVG, Rn. 139; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 383; Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 336; Lindemann/Simon, BB 2003, 2510, 2514; Matthes in: Münchener Handbuch zum Arbeits-recht, Band 3, § 328, Rn. 45; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 213; Röder/Haußmann, DB 1999, 1754, 1754; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 11b; Wollgast, S. 307f, 310.

157 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 175. 158 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670, 674; Bachner, NJW 2003, 2861, 2862;

Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 383; Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 336; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 11b; Wollgast, S. 298f, 307ff.

159 BAG vom 27.01.2004 – 1 ABR 5/03 – NZA 2004, 941, 942; BAG vom 18.02.2003 – 1 ABR 17/02 – zitiert nach juris; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 124f; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 53; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 218; Worzalla in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 181.

160 Vgl. v. Thur, Vorwort S. VII.

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generelle Basis geschaffen, die für eine Vielzahl von Normadressaten im räumlichen Geltungsbereich Einzelrechtsverhältnisse unmittelbar regelt, handelt es sich bei Ge-samtbetriebsvereinbarungen notwendig um objektives Recht, aus dem sich erst die subjektive Berechtigung oder Verpflichtung des Einzelnen ergibt. Eine Bindung der Wirkung objektiven Rechts an den Bestand des Rechtsetzungsorgans ist nicht er-sichtlich. Dass die Normen der Gesamtbetriebsvereinbarung sich von ihrem Akt der Rechtsetzung loslösen und ein „Eigenleben“ führen161, gilt für Normen aus Gesamt-betriebsvereinbarungen ebenso wie für jede andere Rechtsnorm.

(b) Rechtsetzung und Rechtsaufhebung

Aus dem vertraglichen Charakter der Rechtsetzung und den vertragstypischen In-strumenten der Rechtsaufhebung folgen keine stichhaltigen Einwände, die eine ab-weichende Geltung der Normen aus Gesamtbetriebsvereinbarungen rechtfertigen könnten. Es ist zwar richtig, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung durch Normenver-trag entsteht und bis zu ihrer Beendigung durch Aufhebung, Zeitablauf, Bedingungs-eintritt oder Kündigung einer der Betriebsparteien fortgilt.162 Dies sagt über die vom Akt der Rechtsetzung und -aufhebung zu trennende Wirkung des gesetzten Rechts aber nichts aus.163 Daran ändert der Rechtscharakter des Normenvertrags nichts. Die Norm ist nicht der Normenvertrag, sie entsteht durch den Normenvertrag.164 Wenn das Gesetz die Rechtsaufhebung durch vertragstypische Instrumente vorsieht, ändert dies nichts an einer Loslösung der Normen vom Rechtsetzungsakt mit ihrer Entstehung. Für eine andauernde Geltung von Rechtsnormen spricht stets der Ge-danke des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen in eine Kontinuität der Rechtsordnung.165 Aus Sicht der Normunterworfenen wird das Vertrauen in die Rechtskontinuität von Gesamtbetriebsvereinbarungen nicht weniger weit reichen, als bei sonstigen Normen.

Eine Loslösung der Norm vom Normenvertrag als Akt der Rechtsetzung zeigt sich bei der Nachwirkung einer Gesamtbetriebsvereinbarung nach ihrer Beendigung. An-ders wäre die Rechtsfolge des § 77 Abs. 6 BetrVG nicht zu erklären. Gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG gelten Regelungen aus Betriebsvereinbarungen nach ihrem Ablauf in Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung fort, bis sie durch eine andere Ab-machung ersetzt werden. Hauptanwendungsfall ist die Kündigung der Betriebsver-einbarung.166 Durch die Kündigung endet die Betriebsvereinbarung mit Ablauf der

161 BAG vom 11.11.1968 – 1 AZR 16/68 – NJW 1969, 861, 861f für den normativen Teil des Tarifver-

trags. 162 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 142f m.w.N. 163 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 175; Kreutz, Grenzen der Betriebsauto-

nomie, S. 15. 164 BAG vom 11.11.1968 – 1 AZR 16/68 – NJW 1969, 861, 861f für den normativen Teil des Tarifver-

trags. 165 Forsthoff, S. 150; Wiedemann, Anm. zu BAG AP Nr. 28 zu § 2 TVG, AP Nr. 28 zu § 2 TVG. 166 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 144; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 358.

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Kündigungsfrist.167 Die Betriebsvereinbarung gilt gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG gleich-wohl in ihrem räumlichen Geltungsbereich für bestehende und später begründete Arbeitsverhältnisse mit unmittelbarer Wirkung fort, wenn auch nicht mehr zwin-gend.168 Eine gleichzeitige Bindung der Betriebsparteien ist damit jedenfalls im An-wendungsbereich des § 77 Abs. 6 BetrVG für die weitere Geltung der Normen aus Betriebsvereinbarungen entbehrlich. Es ist nicht ersichtlich, dass § 77 Abs. 6 BetrVG die Geltung der Normen auf eine andere Rechtsgrundlage stellt. Die Regelung des § 77 Abs. 6 BetrVG modifiziert allein den Zeitpunkt, zu dem die Geltung einer Betriebs-vereinbarung endet und den zwingenden Charakter der normativen Wirkung. Das Betriebsverfassungsrecht setzt damit eine vom Bestand des Normenvertrags losge-löste Geltung der Normen aus Betriebsvereinbarungen voraus. Nichts anderes gilt für Gesamtbetriebsvereinbarungen, für die § 77 Abs. 6 BetrVG entsprechend gilt, § 51 Abs. 5 BetrVG.

Letztlich finden die Bedenken gegen eine fortdauernde normative Wirkung weniger in den dogmatischen Grundlagen der Geltung von Rechtsnormen eine Grundlage, als vielmehr in der praktischen Befürchtung, eine Verewigung des Rechtszustands kön-ne eintreten. Nach allgemeiner Auffassung darf kein Zustand eintreten, der mangels existierenden Adressaten einer Kündigungserklärung eine Bindung ohne Lösungs-möglichkeit an bestehende Normenverträge bewirkt.169

Die überwiegende Auffassung, die eine Fortgeltung von (Gesamt-) Betriebsvereinba-rungen entsprechend dem allgemeinen Verständnis der Geltung von Normen zu-lässt, behilft sich mit Ersatzkonstruktionen, um im Ergebnis keinen unabänderlichen Rechtszustand herbeizuführen. Danach kann die Belegschaft an die Stelle des entfallenen Betriebsrats als Adressat einer Kündigungserklärung treten, so dass eine Situation der Unkündbarkeit nicht eintritt.170 Ein Zugang ist danach bei jedem betrof-fenen Arbeitnehmer zu bewirken171, ein Aushang am „Schwarzen Brett“ soll aller-dings genügen.172

Für diese Überlegungen spricht insbesondere, dass die Betriebsparteien bei der Normsetzung zwar originäre Kompetenzen wahrnehmen, die nicht etwa alternativ Arbeitgeber und Belegschaft zustünden173, dass aber die Kündigungszuständigkeit 167 Zur außerordentlich fristlosen Kündigung von Betriebsvereinbarungen Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 151 m.w.N. 168 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 61; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77,

Rn. 177; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 413; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 165.

169 Gaul, NZA 1986, 628, 629; Wollgast, S. 303 m.w.N. 170 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674; Bachner, NJW 2003, 2861, 2863;

Berg in Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 52; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 175; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 222; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 383; Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 336; Schaub, BB 1995, 1639, 1639; Wollgast, S. 307ff.

171 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 383; Schaub, BB 1995, 1639, 1639.

172 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 383 173 Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 51.

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für Betriebsvereinbarungen die nicht mehr existierenden, aber in Form der Normen fortwirkenden, originären Kompetenzen der Betriebsparteien lediglich abwickelt. Durch die Kündigungsnotwendigkeit und -möglichkeit wird lediglich eine Rückkehr zu einem betriebsverfassungsrechtlich neutralen Zustand in einer Form bewirkt, die der betriebsverfassungsrechtlichen Normenkontinuität Rechnung trägt.

Es ist dem Betriebsverfassungsrecht auch sonst nicht fremd, dass der Belegschaft einzelne Funktionen im Zusammenhang mit normativen Regelungen zukommen können. So ermöglicht die Regelung des § 28a Abs. 2 BetrVG den Abschluss und die Kündigung von Arbeitsgruppenvereinbarungen mit der Wirkung von Betriebsver-einbarungen durch Arbeitsgruppen als Teile der Belegschaft. Auch in diesen Fällen agiert auf Arbeitnehmerseite keine eigens gewählte Arbeitnehmervertretung. Sind nach der gesetzlichen Konzeption das Zustandekommen und die Beendigung nor-mativer Regelungen unter Beteiligung von Arbeitnehmern einer Arbeitsgruppe mög-lich, steht einer passiven Beteiligung der Arbeitnehmer bei der Beendigung von Be-triebsvereinbarungen nichts entgegen. Über diese passive Kündigungszuständigkeit hinaus gilt nichts anderes für das aktive Kündigungsrecht der Belegschaft. Hierzu kann gleichermaßen die Wertung des § 28a Abs. 2 BetrVG herangezogen werden, die eine aktive Beteiligung der Arbeitnehmer bei dem Abschluss und der Beendigung von Normenverträgen vorsieht. Demgegenüber wäre eine automatische Geltungsbe-endigung bei Entfallen des Betriebsrates mit dem Grundsatz der Kontinuität von Rechtsnormen nicht vereinbar und ist es hinzunehmen, dass eine Ersatzzuständig-keit der Belegschaft für die Kündigung von (Gesamt-) Betriebsvereinbarungen keine ausdrückliche Rechtsgrundlage im Betriebsverfassungsgesetz erfährt.

Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob sich an die Kündigung der Ge-samtbetriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG eine Nachwirkung anschließt. Dagegen spricht nach einer Literaturauffassung bei Entfallen des Betriebsrats174, dass die Nachwirkung eine Angelegenheit voraussetzt, die der zwingenden Mitbe-stimmung des Betriebsrates unterliegt. Bestehe kein Betriebsrat mehr, bestünden auch keine zwingenden Mitbestimmungsrechte, so dass eine Nachwirkung aus-scheiden würde. Ob dem zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung. Die Nachwirkung bedeutet zwar eine kollektivrechtliche unmittelbare, nicht aber eine zwingende Gel-tung. Abweichende Individualabreden sind während des Nachwirkungszeitraums möglich. Eine dauerhafte Verfestigung eines Rechtszustandes ginge mit dem Eintritt einer Nachwirkung nicht einher.

3. Zwischenergebnis

Eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen knüpft nicht an den Fortbe-stand der Normadressaten oder Betriebsparteien an. Maßgebend ist ein Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs. Geht dieser bei einer Betriebsveräußerung auf den Erwerber über, kann eine Gesamtbetriebsvereinbarung grundsätzlich bei diesem fortgelten.

174 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 399.

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D. Räumlicher Geltungsbereich von Gesamtbetriebsvereinbarungen

Steht die grundsätzliche Übergangsfähigkeit von Gesamtbetriebsvereinbarungen nicht in Zweifel und kommt es für die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen auf den Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs an, bedarf es einer Konkreti-sierung dieses räumlichen Geltungsbereichs. Es stellt sich die Frage, ob Gesamtbe-triebsvereinbarungen im Einklang mit der bisher herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung für das Unternehmen175 oder – entsprechend der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der mit ihr in Einklang stehenden Literaturauffassung – für die Betriebe des Unternehmens gelten.176

I. Begriff des Unternehmens als betriebsverfassungsrechtliche Repräsenta-tionsstufe

Eine Untersuchung, ob der Geltungsbereich von Gesamtbetriebsvereinbarungen der Ebene des Unternehmens oder der der Betriebe des Unternehmens zuzuordnen ist, setzt eine Unterscheidung von Betrieb und Unternehmen voraus. Im Rahmen dieser Arbeit kommt es nicht auf eine exakte Begriffsbestimmung von Betrieb und Unter-nehmen an.177 Entscheidend ist, ob Gesamtbetriebsvereinbarungen auf derselben Ebene wie Betriebsvereinbarungen oder auf einer anderen Ebene gelten. Deshalb sollen hier lediglich die wesentlichen Begriffs- und Abgrenzungsmerkmale des Un-ternehmens gegenüber dem Betrieb und dem Konzern dargestellt werden.

1. Organisatorische Einheit

Nach der ganz herrschenden Meinung ist unter dem Unternehmen eine organisatori-sche Einheit zu verstehen, innerhalb derer der Unternehmer einen hinter dem ar-beitstechnischen Zweck liegenden wirtschaftlichen oder ideellen Zweck allein oder gemeinsam mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe sachlicher und immaterieller Mittel fort-gesetzt verfolgt.178

Nähme man diese Begriffsdefinition beim Wort, wäre zur Bestimmung des Unter-nehmensbegriffs im Einzelfall eine organisatorische Einheit feststellungsbedürftig, die einen Zweck verfolgt, der hinter einem arbeitstechnischen Zweck steht. In der Praxis werden nicht nur häufig Probleme entstehen, diesen „hinter“ dem arbeitstechnischen Betriebszweck liegenden unternehmerischen Zweck abzugrenzen, weil sich unter- 175 Siehe S. 7. 176 Siehe S. 5. 177 Eingehend Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 208ff, 232ff. 178 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 1, Rn. 145. Die herrschende Meinung stellt hier-

bei insbesondere auf eine wirtschaftliche Zwecksetzung im Gegensatz zu einer arbeitstechni-schen Zwecksetzung ab, um eine Abgrenzung zum Betriebsbegriff leisten zu können (vgl. BAG vom 31.05.2000 – 7 ABR 78/98 – AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG Gemeinsamer Betrieb m.w.N.; Eise-mann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 1 BetrVG, Rn. 7; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 1, Rn. 63; Hess in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 1, Rn. 2; Kraft in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 4, Rn. 4,7; a.A. Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 221f).

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nehmerische und arbeitstechnische Zwecksetzungen regelmäßig überschneiden.179 Vor allem könnte ein Rechtsträger mehrere Unternehmen haben, wenn bei einem Rechtsträger mehrere Organisationen feststellbar wären.180 Der Rechtsträger selbst hätte kein einheitliches Unternehmen, da die Ebene des Rechtsträgers nicht Teil ei-ner Gesamtheit und die Gesamtheit zugleich sein könnte.181 Bei juristischen Perso-nen gelangt die herrschende Meinung gleichwohl zu dem Ergebnis, dass der Rechts-träger nur ein Unternehmen haben kann.182 Sie legt zwar die genannte, an die zweckbezogene Organisation anknüpfende Definition eines betriebsverfassungs-rechtlichen Unternehmensbegriffs zugrunde. Zugleich behauptet sie aber, es gebe keinen eigenständigen betriebsverfassungsrechtlichen Unternehmensbegriff, son-dern es sei vielmehr der Unternehmensbegriff des Gesellschaftsrechts zugrunde zu legen, nach dem eine juristische Person nur ein Unternehmen bilden könne.183 Prak-tische Auswirkungen hat der Unternehmensbegriff der herrschenden Meinung bei natürlichen Personen, bei denen kein gesellschaftsrechtlicher Unternehmensbegriff zugrunde zu legen ist, die aber nach der herrschenden Meinung handelsrechtlich mehrere Firmen führen und aus diesem Grunde auch mehrere Unternehmen bilden könnten.184

2. Das Unternehmen als Mitbestimmungsebene zwischen Betrieb und Kon-zern

Im Ergebnis ist unter dem Unternehmen der gesamte Geschäfts- und Tätigkeitsbe-reich des Rechtsträgers zu verstehen.185 Die Begriffsdefinition der herrschenden Meinung hilft bei einer betriebsverfassungsrechtlichen Unterscheidung von Betrieb, Unternehmen und Konzern nicht weiter. Es stellt bereits einen unlösbaren Wider-spruch dar, eine organisationsbezogene Definition zu liefern, die an das Betriebsver-fassungsrecht anknüpfen soll, und zugleich auf den gesellschaftsrechtlichen Unter-nehmensbegriff zu verweisen, der an keinerlei Organisation anknüpft.186 Auch ist kein Grund ersichtlich, juristische Personen betriebsverfassungsrechtlich anders zu behandeln als natürliche Personen. Vor allem aber widerspricht eine organisations- 179 Vgl. hierzu Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 135ff. 180 Vgl. Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 80, und Kreutz, in:

Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 47, Rn. 14, die insbesondere bei Subsumtion einer Spartenorganisation des Rechtsträgers unter den herrschenden Unternehmensbegriff zum Ergebnis mehrerer Unternehmen eines Rechtsträgers gelangen.

181 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 80. 182 BAG vom 09.08.2000 – 7 ABR 56/98 – AP Nr. 9 zu § 47 BetrVG 1972; Annuß in: Richardi, § 47,

Rn. 6; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 1, Rn. 146; Trittin in: Däub-ler/Kittner/Klebe, § 47, Rn. 17, a.A.: Rn. 17a.

183 BAG vom 09.08.2000 – 7 ABR 56/98 – AP Nr. 9 zu § 47 BetrVG 1972; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 1, Rn. 145f.

184 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 1, Rn. 146; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 47, Rn. 17a, a.A.: Rn. 17.

185 BAG vom 11.12.1987 – 7 ABR 49/87 – AP Nr. 7 zu § 47 BetrVG 1972; Annuß in: Richardi, § 47, Rn. 6; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 1, Rn. 145f; Joost, Betrieb und Unterneh-men als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 220ff; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 47, Rn. 15.

186 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 47, Rn. 12.

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bezogene Definition dem Anliegen des Betriebsverfassungsrechts, Arbeitnehmerver-tretungen für Repräsentationseinheiten zu errichten, für die auf Arbeitgeberseite re-gelmäßig eine einheitliche Entscheidungsgewalt ausgeübt wird.187

Der Unternehmensbegriff der herrschenden Meinung wird dem betriebsverfassungs-rechtlichen Grundsatz, Arbeitnehmervertretungen für Zuständigkeitsbereiche anzu-siedeln, für die mitbestimmungspflichtige Entscheidungen einheitlich getroffen wer-den, nicht gerecht.188 Mit der Systematik des Betriebsverfassungsrechts, das zwi-schen der Mitbestimmung des Betriebsrats, des Gesamtbetriebsrats und des Kon-zernbetriebsrats unterscheidet und die des Gesamtbetriebsrats auf mittlerer Stufe ansiedelt, ist allein eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Reichweite der Ebene des Rechtsträgers als dessen gesamten Geschäfts- und Tätigkeitsbereich vereinbar, nicht aber für zweckbezogene Organisationseinheiten.189 Der Unterneh-mensbegriff ist aus den Repräsentationsstrukturen des Betriebsverfassungsrechts zu bestimmen. Aus ihnen folgt, dass Arbeitnehmervertretungen für Organisationseinhei-ten errichtet werden, die einerseits eine hinreichende Sachnähe aufweisen, anderer-seits arbeitgeberseitigen Ebenen der Entscheidungsgewalt korrespondieren.190

Eine betriebsverfassungsrechtliche Repräsentationsstufe zwischen Betrieb und Un-ternehmen besteht nicht. Daraus sind Konsequenzen für die Bestimmung des Unter-nehmensbegriffs in Abgrenzung zum Betriebsbegriff des Betriebsverfassungsrechts zu ziehen.191 Auf betrieblicher Ebene werden die sachnahen örtlichen Betriebsräte errichtet. Der Gesamtbetriebsrat wird errichtet, um eine mitbestimmende Arbeitneh-mervertretung für dessen gesamten Geschäfts- und Tätigkeitsbereich, das „Gesamt-unternehmen“ im Sinne des § 50 Abs. 1 BetrVG, zu gewährleisten.192 Dies setzt eine Arbeitnehmervertretung voraus, die auf einer Repräsentationsstufe angesiedelt ist, die der Reichweite der Entscheidungsgewalt des Rechtsträgers korrespondiert. Ge-rade durch den Rechtsträger werden grundlegende Entscheidungen bis hin zur Li-quidierung getroffen. Eine Arbeitnehmervertretung auf dieser Repräsentationsstufe wäre bei Zugrundelegung der herrschenden Meinung aber nicht gewährleistet, wenn ein Rechtsträger in Anknüpfung an bestimmte Organisationsstrukturen mehrere Un-ternehmen bilden könnte.

Bestätigt wird diese Betrachtung des Unternehmens durch die Regelungen über den Konzernbetriebsrat. Ein Konzernbetriebsrat wird errichtet, weil das herrschende Un-

187 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 216, 219f. 188 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 216, 219f. 189 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 81, 220; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 47, Rn. 19; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 47, Rn. 13.

190 Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 50, Rn. 1; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 47, Rn. 1; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, vor § 47, Rn. 1 m.w.N.

191 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 212; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 47, Rn. 16.

192 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 47, Rn. 1; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, vor § 47, Rn. 1 m.w.N.

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ternehmen eines Unterordnungskonzerns Entscheidungen treffen kann, die eine Ar-beitnehmerrepräsentation auf der Repräsentationsebene des Unternehmens entwer-ten können. Gemäß § 54 Abs. 1 BetrVG kann nur in einem Unterordnungskonzernen gemäß § 18 Abs. 1 AktG ein Konzernbetriebsrat errichtet werden, nicht aber in Gleichordnungskonzernen gemäß § 18 Abs. 2 AktG. Es ist nur im Unterordnungs-konzern möglich, dass ein herrschendes Konzernunternehmen Entscheidungen ver-bindlich mit Wirkung für abhängige Unternehmen durchsetzen kann. Dies rechtfertigt es, im Unterordnungskonzern eine Arbeitnehmervertretung für den Konzern anzusie-deln.193 Die Regelung zeigt, dass es nicht auf die Organisation, sondern die Rechts-macht für beherrschende Entscheidungen ankommt.

Eine andere Wertung kann für den Gesamtbetriebsrat nicht gelten. Wären Gesamt-betriebsräte bei „mehreren Unternehmen eines Rechtsträgers“ für untergeordnete Einheiten eines Rechtsträgers, der nicht in einen Unterordnungskonzern im Sinne des § 18 Abs. 1 AktG eingegliedert ist, zu bilden, bestünde auf Ebene des Rechts-trägers ebenso wenig wie auf Ebene des Konzerns eine Arbeitnehmervertretung.194 Ausgerechnet auf der Ebene des Rechtsträgers eine Arbeitnehmervertretung nicht vorzusehen, wäre ein Systembruch.

Gleiches folgt aus der Regelung über die originäre Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats. Die Regelung des § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG setzt eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Reichweite des Unternehmens als Rechtsträger voraus. Die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats knüpft daran an, dass Angelegenheiten den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können, § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Wollte man den Unternehmensbegriff der herrschenden Meinung anwenden, wäre infolge dieser Zuständigkeitsabgrenzung weder der Gesamtbetriebsrat noch der Konzernbetriebsrat für Angelegenheiten zuständig, die notwendig auf Ebene des Rechtsträgers geregelt werden müssen (und damit die originäre Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats mangels Regelungsnotwendigkeit für mehrere Konzernunternehmen ausgeschlossen ist), bei dem nach herrschender Meinung gegebenenfalls mehrere Unternehmen als organisatorische Einheiten bestehen können. Der Begriff des Konzernunternehmens in § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG stellt auf rechtlich selbständige Unternehmen im Sinne der §§ 17f AktG ab. Infolge der Verweisung des § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auf den Konzernbegriff des § 18 Abs. 1 AktG für die Frage, ob überhaupt ein Konzernbetriebsrat errichtet werden kann, nimmt die Regelung zugleich auf den gesellschaftsrechtlichen Unternehmensbegriff der §§ 17f AktG Bezug.195

193 Annuß in: Richardi, Vorb. § 54, Rn. 1; Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 54

BetrVG, Rn. 1; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 54, Rn. 3; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 54, Rn. 4; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 54, Rn. 2.

194 Vgl. Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 80f. 195 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 227.

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Knüpft aber eine Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats einerseits daran an, dass eine Angelegenheit mehrere der (rechtlich selbständigen) Konzernunternehmen be-trifft, und andererseits diese Angelegenheit nicht durch die Gesamtbetriebsräte in-nerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden kann, folgte hieraus bei Anwendung des Unternehmensbegriffs der herrschenden Meinung, dass Angelegenheiten weder der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats noch der des Konzernbetriebsrats unterlie-gen, die nicht über einen der Rechtsträger als Konzernunternehmen hinausgehen, aber gleichwohl zwingend auf Ebene des Rechtsträgers geregelt werden müssen, für den nach dem Unternehmensbegriff der herrschenden Meinung gegebenenfalls ein Gesamtbetriebsrat nicht errichtet werden könnte. Letztlich müsste in einem solchen Fall die Zuständigkeit des örtlich zuständigen Betriebsrats fortbestehen, weil sie nicht auf die Ebene der Mitbestimmung von Gesamt- oder Konzernbetriebsrat übertragen wird. Dem Prinzip der Zentralisierung von Entscheidungen widerspricht ein solches Ergebnis eklatant.

Der Widerspruch ist dadurch aufzulösen, für die Repräsentationsstufe des Gesamt-betriebsrats denselben Unternehmensbegriff wie dem der Regelungen über den Konzernbetriebsrat zugrunde zu legen. Insoweit prägt der Unternehmensbegriff des konzernrechtlichen Gesellschaftsrechts über die Regelungen zum Amt des Gesamt-betriebsrats den Unternehmensbegriff des Betriebsverfassungsrechts.196 Im Ergebnis kann für einen Unternehmensbegriff des Betriebsverfassungsrechts nichts anderes gelten, als für den des Gesellschaftsrechts und es ist an den Geschäftsbereich eines einheitlichen Rechtsträgers anzuknüpfen.197

3. Zwischenergebnis

Der betriebsverfassungsrechtliche Unternehmensbegriff knüpft an die Entschei-dungsgewalt auf Unternehmens- in Abgrenzung zur Konzernebene an. Das Unter-nehmen ist der gesamte Geschäfts- und Tätigkeitsbereich des Rechtsträgers. Es ist begrenzt durch die Reichweite von dessen Entscheidungsgewalt als Rechtssubjekt. Die Rechtsmacht des Rechtsträgers, in Ausübung subjektiver Rechte das Unterneh-men zu führen, ist die Grenze der Unternehmensebene.

II. Mitbestimmungsgegenstände der Repräsentationsstufe des Gesamtbe-triebsrats

Zu untersuchen ist, ob der Gesamtbetriebsrat Mitbestimmungsrechte für eine geson-derte Ebene des Unternehmens ausübt. Eine Geltung von Gesamtbetriebsvereinba-rungen in Betrieben bei einer Mitbestimmung für die Ebene des Unternehmens wäre fern liegend. Die Errichtung des Gesamtbetriebsrats dient einer mitbestimmenden Arbeitnehmervertretung für die Repräsentationsstufe, die einer Entscheidungsmacht des Unternehmers für seinen gesamten Geschäfts- und Tätigkeitsbereich ent-

196 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 212. 197 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 220, 226; Kreutz in: Fabri-

cius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 47, Rn. 15.

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spricht.198 Damit ist aber noch nichts über die Ebene ausgesagt, für die der Gesamt-betriebsrat Mitbestimmungsrechte ausübt.

Die Mitbestimmung des Betriebsrats knüpft an die betriebliche Ebene an, auf der Be-triebsräte errichtet werden. Ein Unternehmensbezug der Mitbestimmung des Be-triebsrats ist nicht ersichtlich. Fraglich ist, ob anderes für den Gesamtbetriebsrat gilt. Eine Notwendigkeit einer Arbeitnehmervertretung auf der und für die Repräsentati-onsstufe des Unternehmens bestünde dann, wenn es besondere Mitbestimmungs-gegenstände des Unternehmens gäbe und die Betriebsparteien diese Mitbestim-mungsgegenstände ausschließlich auf der Ebene des Unternehmens regeln könn-ten.

1. Mitbestimmungszuständigkeit kraft Delegation gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG

Bei den Mitbestimmungsgegenständen des Gesamtbetriebsrats ist zu unterscheiden zwischen der originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats kraft Beauftragung durch den Betriebsrat gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG. Die Zuständigkeit des Gesamtbe-triebsrats gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG weist nicht auf einen spezifischen Unterneh-mensbezug der Mitbestimmung durch den Gesamtbetriebsrat hin. Gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG kann ein Betriebsrat den Gesamtbetriebsrat beauftragen, eine Angelegen-heit für den Betriebsrat wahrzunehmen. Es ist umstritten, ob der Gesamtbetriebsrat, insbesondere beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen in Wahrnehmung dieser delegierten Zuständigkeit in seiner Funktion als Gesamtbetriebsrat mitbestimmt. Nach einer Minderauffassung, soll es sich bei Betriebsvereinbarungen, die der Ge-samtbetriebsrat im Rahmen seiner Zuständigkeit gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG ab-schließt, um echte Gesamtbetriebsvereinbarungen handeln, da der Gesamtbetriebs-rat das Mitbestimmungsrecht ausübe.199 Eine Mitbestimmung des Gesamtbetriebs-rats für den Betriebsrat, dessen Zuständigkeit der Gesamtbetriebsrat kraft Delegation wahrnimmt, soll mangels Weisungsgebundenheit des Gesamtbetriebsrats ausschei-den. Eine Weisungsbefugnis soll aber Voraussetzung für ein echtes Auftragsverhält-nis und damit ein der Stellvertretung zugrunde liegendes Rechtsverhältnis im Innen-verhältnis sein.200

Demgegenüber geht die ganz herrschende Meinung davon aus, dass es sich bei ei-ner im Rahmen der Delegation gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG abgeschlossenen Rege-lung um eine Betriebsvereinbarung handelt, nicht aber um eine Gesamtbetriebsver-

198 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 47, Rn. 1; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, vor § 47, Rn. 1 m.w.N. 199 Gussen/Dauck, Rn. 84f. 200 Gussen/Dauck, Rn. 84f.

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einbarung.201 So ist hiernach insbesondere für deren Kündigung der Betriebsrat zu-ständig.202 Ebenfalls liege der Erfüllungs- und Durchführungsanspruch hinsichtlich der im Rahmen der Zuständigkeit gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG abgeschlossenen Be-triebsvereinbarung beim Betriebsrat.

Der herrschenden Meinung ist zu folgen. Der Gesamtbetriebsrat übt im Rahmen der Zuständigkeit kraft Delegation gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus. Erst die Ermächtigung durch den Betriebsrat begründet eine Zu-ständigkeit des Gesamtbetriebsrats zur Behandlung der Angelegenheit. Diese Kom-petenz kann nicht weiter gehen als die des Betriebsrats. Sie kann insbesondere nicht über den Zuständigkeitsbereich der Betriebsräte hinaus gehen, die den Gesamtbe-triebsrat zur Behandlung der Angelegenheit beauftragt haben. Ob dies rechtstech-nisch im Wege der Stellvertretung erfolgt und die Beauftragung insoweit ein Auf-tragsverhältnis darstellt203, kann offen bleiben. Handelt es sich bei der Mitbestim-mung des Gesamtbetriebsrats kraft delegierter Zuständigkeit um die Wahrnehmung von Zuständigkeiten des delegierenden Betriebsrats, kann die Aufgabenwahrneh-mung des Gesamtbetriebsrats die Ebene der Mitbestimmung des delegierenden Be-triebsrats nicht überschreiten. Aus der Zuständigkeit gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG ist ein spezifischer Unternehmensbezug der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats deshalb nicht herzuleiten.

2. Mitbestimmung des Betriebsrats für Regelungsgegenstände der Reprä-sentationsstufe des Gesamtbetriebsrats gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG

Ein Unternehmensbezug der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats kommt damit allein im Bereich der originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in Betracht. Zunächst soll für diesen Bereich der Mitbestim-mung des Gesamtbetriebsrats untersucht werden, ob eine Mitbestimmung von Be-triebsrat und Gesamtbetriebsrat auf unterschiedlichen Ebenen bereits im Ausgangs-punkt zweifelhaft ist, weil auch der Betriebsrat Mitbestimmungsgegenstände der Repräsentationsstufe des Gesamtbetriebsrats ausübt.

201 BAG vom 06.04.1976 – 1 ABR 27/74 – AP Nr. 2 zu § 50 BetrVG 1972; Annuß in: Richardi, § 50,

Rn. 69; Bachner, NJW 2003, 2861, 2862; Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 50 BetrVG, Rn. 11; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 73; Gaul, Das Ar-beitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 216; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 55, 68; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 236; Steffan in: Ascheid/Preis/Schmidt, § 613a BGB, Rn. 115; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 11, 74.

202 Annuß in: Richardi, BetrVG, § 50, Rn. 69; Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 50 BetrVG, Rn. 11; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 73; Kreutz in: Fabri-cius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 55, 68; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 236; Steffan in: Ascheid/Preis/Schmidt, § 613a BGB, Rn. 115; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 11, 74.

203 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 55; Trittin in: Däub-ler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 78.

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a) Verhältnis der Zuständigkeit von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat

Das Betriebsverfassungsgesetz trifft keine eindeutige Aussage über das Verhältnis der Zuständigkeit des Betriebsrats und der des Gesamtbetriebsrats. Das Verhältnis von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat ist geprägt durch eine Unabhängigkeit von-einander im Rahmen ihrer Zuständigkeiten. Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat ste-hen ohne wechselseitige Einflussnahmemöglichkeiten nebeneinander.204 Eine allge-meine Aufgabenzuweisung für den Gesamtbetriebsrat findet sich in § 51 Abs. 5 BetrVG. Gemäß § 51 Abs. 5 BetrVG gelten die Vorschriften über Rechte und Pflich-ten des Betriebsrats entsprechend für den Gesamtbetriebsrat, soweit das Betriebs-verfassungsgesetz keine besonderen Vorschriften enthält. Das Gesetz stellt damit die Qualität der beteiligungspflichtigen Angelegenheiten für Betriebsrat und Gesamt-betriebsrat gleich.205 Daraus folgt indessen nicht, dass Rechte und Pflichten für den Gesamtbetriebsrat immer dann entstehen, wenn dies für den Betriebsrat der Fall ist, wie es auf den ersten Blick erscheint. Die Regelung des § 51 Abs. 5 BetrVG wird konkretisiert durch § 50 BetrVG über die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats.206

Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat für die Behandlung von Angelegenheiten zuständig, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Eindeutig ist damit die Unzuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ge-regelt. Der Gesamtbetriebsrat kann nicht tätig werden, wenn eine Angelegenheit nur einen Betrieb eines Unternehmens betrifft.207 Nicht geregelt ist dagegen die in die-sem Zusammenhang interessierende Zuständigkeit des Betriebsrats zur Wahrneh-mung von Zuständigkeiten, die § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der Repräsentationsstufe des Gesamtbetriebsrats zuweist.

aa) Konkurrierende Zuständigkeiten von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat

Nach einer Auffassung konkurrieren die Zuständigkeiten von Betriebsrat und Ge-samtbetriebsrat.208 Der Betriebsrat könne im Bereich der originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats tätig werden, solange der Gesamtbetriebsrat von seiner Zu-ständigkeit keinen Gebrauch mache, keinesfalls dürfe ein Mitbestimmungstatbestand aber ungenutzt bleiben. Begründet wird diese Auffassung mit einer Auffangfunktion

204 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 5; Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003,

766, 767; Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. D, Rn. 105; Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 42; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 13.

205 Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 1; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 217; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 23.

206 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 7, § 51, Rn. 62; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 17f; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 9.

207 Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 6; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 19; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 22.

208 Kreßel, BB 1995, 925, 929; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 12.

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der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats.209 Zudem bestehe eine Primärzuständig-keit des Betriebsrats210, die vereitelt werde, wenn der Gesamtbetriebsrat von seiner Zuständigkeit keinen Gebrauch gemacht habe und keinen Gebrauch machen wol-le.211 Mit der zwingenden Errichtung eines Gesamtbetriebsrats sollten Mitbestim-mungslücken geschlossen, es sollten aber nicht neue begründet werden, wenn der Gesamtbetriebsrat trotz seiner Zuständigkeit keinen Gebrauch von ihr mache und der Mitbestimmungstatbestand ungenutzt bliebe.212

Danach kann der Betriebsrat in Angelegenheiten, für die der Gesamtbetriebsrat zu-ständig ist, solange tätig werden, wie der Gesamtbetriebsrat von seiner Zuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat, das Mitbestimmungsrecht also ungenutzt bleibt.213 Macht der Gesamtbetriebsrat von seiner Zuständigkeit Gebrauch, soll die von ihm getroffene Regelung allerdings einzelbetrieblichen Regelungen vorgehen.214 Legt man diese Auffassung zugrunde, können die dem Gesamtbetriebsrat zugewiesenen Mitbestimmungsgegenstände nicht einer Mitbestimmung auf einer gesonderten Ebe-ne des Unternehmens zugewiesen sein. Es wäre nicht zu erklären, wie der auf be-trieblicher Ebene agierende Betriebsrat im Rahmen einer Auffangzuständigkeit Mit-bestimmungsrechte des Gesamtbetriebsrats wahrnehmen könnte, die nur auf der Ebene des Unternehmens geregelt werden können.

bb) Alternative Zuständigkeit von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat

Die herrschende Meinung lässt eine Zuständigkeit des Betriebsrats nur dann zu, wenn in einem gesamtbetriebsratsfähigen Unternehmen nicht der Gesamtbetriebsrat zuständig ist.215 Mache der Gesamtbetriebsrat von seiner Zuständigkeit keinen Gebrauch, werde nicht etwa der Betriebsrat zuständig, sondern bleibe der Mitbe-stimmungstatbestand ungenutzt.216 Die gesetzliche Zuständigkeitstrennung von Mit-bestimmungsgegenständen des Betriebsrats und des Gesamtbetriebsrats bei Ge-

209 Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 12. 210 Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 50 BetrVG, Rn. 2; Trittin in: Däub-

ler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 12. 211 Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 12. 212 Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 12. 213 Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 13. 214 Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 13. 215 BAG vom 15.01.2002 – 1 ABR 10/01 – AP Nr. 23 zu § 50 BetrVG 1972; BAG vom 11.12.2001 – 1

AZR 193/01 – AP Nr. 22 zu § 50 BetrVG 1972; BAG vom 16.06.1998 – 1 ABR 68/97 – AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz; BAG vom 06.04.1972 – 1 ABR 27/94 – AP Nr. 2 zu § 50 BetrVG 1972; Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 46; Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeits-recht, § 50 BetrVG, Rn. 2; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 7, 10; Glock in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 50, Rn. 5; Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeits-recht, Band 3, § 313, Rn. 42; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 18, 65.

216 Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 50 BetrVG, Rn. 2; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 10; Joost in: Münchener Handbuch zum Ar-beitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 42; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 18.

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samtbetriebsratsfähigkeit ist nach dieser Auffassung zwingend.217 Der Betriebsrat habe es ebenso hinzunehmen, wenn der Gesamtbetriebsrat nicht tätig werde, als wenn er anders tätig werde, als der Betriebsrat es wünscht.218

Hiernach lassen sich aus der Aufgabenzuweisung an den Gesamtbetriebsrat gemäß §§ 51 Abs. 5, 50 BetrVG keine Rückschlüsse auf eine betriebliche Ebene der Mitbe-stimmungsgegenstände von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat ziehen. Es steht al-lein fest, dass die Zuständigkeiten von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat alternie-ren, nicht aber konkurrieren. Auf welcher Ebene dies erfolgt, bleibt offen.

Der Auffassung einer konkurrierenden Zuständigkeit von Betriebsrat und Gesamtbe-triebsrat ist nicht zu folgen. Allein das Modell einer alternativen Zuständigkeit von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat entspricht der Verteilung der Zuständigkeiten zwi-schen Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat durch das Betriebsverfassungsgesetz. Die Erwägung, die Errichtung eines Gesamtbetriebsrats dürfe nicht zu Mitbestimmungs-lücken führen, trägt nicht. Es ist zwar richtig, dass der Gesetzgeber eine betriebsver-fassungsrechtliche Arbeitnehmervertretung auf Gesamtbetriebsratsebene nicht vor-gesehen hat, um die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung einzuschränken. Es ist aber zweifelhaft, ob es nicht bereits die Ausübung eines Mitbestimmungsrechts beinhaltet, wenn der Gesamtbetriebsrat von einem Mitbestimmungsrecht keinen Gebrauch macht. Möglicherweise will der Gesamtbetriebsrat in einer bestimmten An-gelegenheit gerade nicht mitbestimmen. Es stellte eine unzulässige Einflussnahme auf die nicht von Weisungen der Betriebsräte abhängige Arbeit des Gesamtbetriebs-rats219 dar, wenn einzelne Betriebsräte Druck auf den Gesamtbetriebsrat ausüben könnten, indem sie in einem regelungsfreien Raum Mitbestimmungsrechte ausübten, die dem Gesamtbetriebsrat zugewiesen sind. Den Einzelbetriebsräten steht es viel-mehr offen, die von ihnen in den Gesamtbetriebsrat entsandten Mitglieder abzuberu-fen, andere in den Gesamtbetriebsrat zu entsenden und hierdurch mittelbaren Ein-fluss auf die Mitbestimmung durch den Gesamtbetriebsrat zu nehmen.220

Vor allem aber ist eine konkurrierende Zuständigkeit mit der Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG unvereinbar. Ist die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats davon abhängig, dass eine Angelegenheit durch die einzelnen Betriebsräte in ihren Betrie-ben nicht geregelt werden kann, ist eine Regelung durch den Betriebsrat von vorn-

217 BAG vom 15.01.2002 – 1 ABR 10/01 – AP Nr. 23 zu § 50 BetrVG 1972; BAG vom 11.12.2001 – 1

AZR 193/01 – AP Nr. 22 zu § 50 BetrVG 1972; BAG vom 06.04.1972 – 1 ABR 27/94 – AP Nr. 2 zu § 50 BetrVG 1972; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 10; Joost in: Münche-ner Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 42.

218 Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 50 BetrVG, Rn. 2; Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 42.

219 Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 45; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 6; Glock in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 50, Rn. 5; Joost in: Münchener Handbuch zum Ar-beitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 42; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 14; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 6.

220 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 6; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 7.

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herein ausgeschlossen.221 Eine Auffangzuständigkeit steht hierzu in eklatantem Wi-derspruch. Der Gesetzgeber stellt in der Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mit der Regelungsunmöglichkeit durch die Betriebsräte vielmehr klar, dass eine An-gelegenheit überbetrieblich geregelt werden muss, um eine Zuständigkeit des Ge-samtbetriebsrats zu begründen.222 Eine Regelung durch den örtlichen Betriebsrat ist dann ausgeschlossen.

cc) Zwischenergebnis

Aus dem Verhältnis der Mitbestimmung von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat ge-mäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist weder auf eine Mitbestimmung des Gesamtbe-triebsrats für Regelungsgegenstände der Ebene des Unternehmens noch solcher der Ebene der Betriebe des Unternehmens zu schließen. Die Zuständigkeiten von Be-triebsrat und Gesamtbetriebsrat schließen sich gegenseitig aus. Dies besagt nichts über den Gegenstand der Mitbestimmung auf einer betrieblichen Ebene oder der des Unternehmens, sondern beinhaltet allein eine Kompetenzabgrenzung.

b) Einfluss der Gesamtbetriebsratsfähigkeit auf die Mitbestimmungsgegen-stände der Repräsentationsstufe des Betriebsrats

Näherer Betrachtung bedarf der Einfluss der Gesamtbetriebsratsfähigkeit auf die Mitbestimmungsgegenstände, die das Betriebsverfassungsrecht der Repräsentati-onsstufe des Betriebsrats zuweist. Aus der generellen Zuständigkeitsabgrenzung des § 50 BetrVG lassen sich noch keine Rückschlüsse auf die Wahrnehmung von Mitbe-stimmungsgegenständen des Gesamtbetriebsrats durch den Betriebsrat ziehen. In diesem Zusammenhang sind die Konstellationen zu untersuchen, in denen entweder ein Gesamtbetriebsrat nicht besteht und es sich deshalb fragt, ob nicht der Betriebs-rat Aufgaben des Gesamtbetriebsrats wahrnimmt, oder aber ein Gesamtbetriebsrat für einen Bereich zuständig ist, für den eigentlich ein Betriebsrat zuständig wäre.

aa) Zuständigkeit des einzigen Betriebsrats im Unternehmen

Besteht in einem Unternehmen nur ein Betriebsrat, so ist – unabhängig davon, ob in dem Unternehmen mehrere Betriebe bestehen – gemäß § 47 Abs. 1 BetrVG ein Ge-samtbetriebsrat nicht zu errichten.223 Der Betriebsrat nimmt in einem solchen Unter-nehmen sämtliche Mitbestimmungsrechte für seinen Betrieb als örtlichen Zuständig-

221 Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 46; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, §

50, Rn. 18. 222 BAG vom 15.01.2002 - 1 ABR 10/01 – AP Nr. 23 zu § 50 BetrVG 1972; BAG vom 11.12.2001 – 1

AZR 193/01 – AP Nr. 22 zu § 50 BetrVG 1972; BAG vom 16.06.1998 – 1 ABR 68/97 – AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz; BAG vom 30.08.1995 – 1 ABR 4/95 – AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 21; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 33; Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 13.

223 Annuß in: Richardi, § 47, Rn. 4; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 47, Rn. 20; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 47, Rn. 4.

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keitsbereich wahr.224 Eine Beschränkung auf Mitbestimmungsgegenstände, die sich nicht über den Betrieb hinaus auswirken, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.225

Eine solche Beschränkung wurde, soweit ersichtlich, bislang in Rechtsprechung und Literatur nicht problematisiert. So wurden in der vielfältigen Kasuistik Mitbestim-mungsrechte des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten etwa für die Dauer und Lage der Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 2 BetrVG226, über die Einrichtung von Betriebsferien gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 5 BetrVG227, über die Einführung von Perso-nalabrechnungs- und Personalinformationssystemen als technische Überwachungs-einrichtungen gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 6 BetrVG228, über die Einführung von Pensi-ons- und Unterstützungskassen als Sozialeinrichtungen gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 8 BetrVG229, die Verteilungsgrundsätze von Gratifikationen, Urlaubsentgelten230 und Leistungszulagen231 sowie des Lohnsystems232 gemäß § 87 Abs. 1 Ziffern 10, 11 BetrVG u. v. m. angenommen, ohne dass mit auch nur einem Wort problematisiert worden wäre, ob die mitbestimmten Regelungen in anderen Teilen des Unterneh-mens mittelbare Auswirkungen zeigen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nach inzwischen herrschender Mei-nung unternehmensbezogen anzuwenden ist233, setzt die betriebliche Mitbestim-mung Fakten. Diese können den Arbeitgeber unternehmensweit verpflichten, wenn nicht ein sachlicher Grund eine Ungleichbehandlung rechtfertigt.234 Ebenfalls die ge-mäß § 87 Abs. 1 Ziffer 6 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einführung eines EDV-Systems mit Software-Ausstattung235 wird sich nicht sinnvoll auf einen von mehreren Betrieben beschränken lassen. Im Falle zeitlich aufeinander abgestimmter Produkti-onsabläufe in einem Unternehmen gilt für die Lage der Arbeitszeit wie für die Einrich-tung von Betriebsferien nichts anderes. Dass diese Regelungen mehrere oder gar alle Betriebe des Unternehmens betreffen und aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen zwingend nur unternehmenseinheitlich geregelt werden können, steht einer Mitbestimmung des einzigen Betriebsrats im Unternehmen für seinen örtlichen Zu-ständigkeitsbereich nicht entgegen. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, in den verbleibenden Betrieben Regelungen zu treffen, die der in einem Betrieb unter Betei-ligung des Betriebsrats mitbestimmten Regelung korrespondieren.

224 Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 51. 225 Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 51. 226 Vgl. nur BAG vom 22.07.2003 – 1 ABR 28/02 – AP Nr. 108 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 227 BAG vom 28.07.1981 – 1 ABR 79/79 – AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Urlaub. 228 BAG vom 26.07.1994 – 1 ABR 6/94 – AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung. 229 BAG vom 12.06.1975 – 3 ABR 13/74 – AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. 230 BAG vom 03.12.2002 – 9 AZR 535/01 – AP Nr. 57 zu § 11 BUrlG. 231 BAG vom 08.12.1981 – 1 ABR 55/79 – AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie. 232 BAG vom 29.02.2000 – 1 ABR 4/99 – AP Nr. 105 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG vom

27.10.1998 – 1 ABR 3/98 – AP Nr. 99 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 233 BAG vom 17.11.1998 – 1 AZR 147/98 – AP Nr. 162 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; Richardi in:

Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, § 14, Rn. 9 m.w.N. 234 Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 54 m.w.N.; Kreutz in: Fabri-

cius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 30. 235 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 87, Rn. 245f.

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Es wäre zwar denkbar, eine Beschränkung der Zuständigkeit des Betriebsrats der Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu entnehmen. Danach wäre der einzige Betriebsrat in einem Unternehmen für die Behandlung einer Angelegenheit nicht zu-ständig, die mehrere Betriebe betrifft und durch die in ihnen (hypothetisch) beste-henden Betriebsräte nicht geregelt werden könnte. Diese Konsequenz zieht indessen niemand.236 Sie ist auch nicht haltbar. Ihr steht zum einen die Systematik des Be-triebsverfassungsgesetzes entgegen. Die Regelung des § 50 BetrVG ist im Abschnitt der Vorschriften über den Gesamtbetriebsrat angesiedelt. Eine allgemeine Zustän-digkeitsbegrenzung des Betriebsrats wäre an dieser Stelle systematisch verfehlt. Sämtliche Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes über den Gesamtbetriebs-rat knüpfen daran an, dass die Voraussetzungen der Errichtung eines Gesamtbe-triebsrats gemäß § 47 Abs. 1 BetrVG erfüllt sind und ein Gesamtbetriebsrat zu errich-ten ist. Zum anderen wäre eine Beschränkung der Kompetenzen des Betriebsrats um die Kompetenzen eines (hypothetisch) zu bildenden Gesamtbetriebsrats mit dem Schutzzweck der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats nicht vereinbar. Dieser soll dem Unternehmer als Entscheidungsträger für dessen Geschäfts- und Tätigkeitsbe-reich gegenüber treten, um die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung effekti-ver zu gestalten.237 Wollte man die Kompetenzen des Betriebsrats um diejenigen Zuständigkeiten beschränken, die im Falle der Gesamtbetriebsratsfähigkeit dem Ge-samtbetriebsrat zustünden, wäre das Gegenteil der Fall. Statt die betriebsverfas-sungsrechtliche Mitbestimmung zu erweitern, würde sie beschränkt.

Letztlich besteht auch kein Anlass, die Zuständigkeit des Betriebsrats insoweit zu beschränken, als Fakten für andere Betriebe geschaffen werden. Der Arbeitgeber ist nicht daran gehindert, die Arbeitsbedingungen in anderen Betrieben des Unterneh-mens an die mitbestimmte Regelung anzupassen und diese Notwendigkeit bereits in den Verhandlungen mit dem Betriebsrat zu berücksichtigen. Demgegenüber bedeu-tete es eine erhebliche Beschränkung der Betriebsautonomie, den Betriebsparteien allein deshalb die Zuständigkeit für eine Regelung zu entziehen, weil diese eine Fernwirkung in anderen Betrieben zeigen kann. Eine solche Beschränkung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte uneingeschränkt wahrzunehmen hat, wenn nicht im Einzelfall eine andere Arbeitnehmervertretung auf Gesamt- oder Konzernbetriebsratsebene zuständig ist. Das setzt voraus, dass eine solche Arbeitnehmervertretung errichtet ist oder errichtet werden kann. Darauf, ob eine andere Arbeitnehmervertretung, die nicht errichtet werden kann, zuständig sein könnte, kommt es demgegenüber nicht an.

Der Betriebsrat bestimmt nur für seinen örtlichen Zuständigkeitsbereich mit. Für die-sen unterliegt sein Mitbestimmungsrecht keinerlei Beschränkungen aufgrund des

236 Vgl. Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 23, wonach die Zu-

ständigkeit des Gesamtbetriebsrats keine Ausweitung der Mitbestimmungsrechte beinhaltet, das heißt diese bei fehlender Gesamtbetriebsratsfähigkeit nicht eingeschränkt sind.

237 Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 50 BetrVG, Rn. 1; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 47, Rn. 1; Joost in: Münchener Handbuch zum Ar-beitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 2; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, vor § 47, Rn. 1.

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Umstands, dass der Regelungsgegenstand auch andere Betriebe oder das Unter-nehmen betrifft. Anders ist es, sobald ein weiterer Betriebsrat in dem Unternehmen errichtet wird. Mit dem Eintritt der Gesamtbetriebsratsfähigkeit kommt die Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zur Anwendung und dem bisher einzigen Betriebsrat werden gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Zuständigkeiten für Mitbestimmungs-gegenstände entzogen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe des Unternehmens betreffen.238 Die Mitbestimmungstatbestände für Betriebsrat und Ge-samtbetriebsrat sind demnach dieselben, nur ist die Zuständigkeit des Betriebsrats durch die des Gesamtbetriebsrats eingeschränkt, wenn ein Gesamtbetriebsrat zu errichten ist.239 Der Gesamtbetriebsrat bestimmt über Gegenstände mit, die bei feh-lender Gesamtbetriebsratsfähigkeit dem Betriebsrat zugewiesen wären.240 So wurde eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats im Einzelfall für die Dauer und Lage der Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 2 BetrVG241, über die Einführung von Persona-labrechnungs- und Personalinformationssystemen als technische Überwachungsein-richtungen gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 6 BetrVG242, über die Einführung von Pensions- und Unterstützungskassen als Sozialeinrichtungen gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 8 BetrVG243, die Verteilungsgrundsätze von Zulagen sowie das Lohnsystem gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 10, 11 BetrVG244 u. v. m. keineswegs ausgeschlossen, also für die-selben Mitbestimmungsgegenstände, die ebenso dem örtlichen Betriebsrat zugewie-sen sein können. Entfällt demgegenüber die Gesamtbetriebsratsfähigkeit in einem Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt, fallen die Mitbestimmungsgegenstände des Gesamtbetriebsrats wieder dem örtlichen Betriebsrat zu.245 Daraus folgt, dass der Gesamtbetriebsrat nicht notwendig Mitbestimmungsgegenstände wahrzunehmen hat, die auf der Ebene des Unternehmens angesiedelt sind, sondern vielmehr eben-so auf der Ebene der Betriebe geregelt werden können.

bb) Zuständigkeit des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats gemäß § 3 BetrVG

Gleiches gilt im Falle des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats. Abweichend von dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit des Betriebsverfassungsrechts gestattet § 3 Abs. 1 Ziffer 1 a) BetrVG, durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung für Unter-nehmen mit mehreren Betrieben die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Be-triebsrats vorzusehen. Gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG gilt die Gesamtheit der Be-

238 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 8; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 18. 239 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 8; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 18. 240 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 217; Kreutz in: Fabri-

cius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 18; vgl. auch Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 1.

241 BAG vom 23.09.1975 – 1 ABR 122/73 – AP Nr. 1 zu § 50 BetrVG 1972. 242 BAG vom 14.09.1984 – 1 ABR 23/82 – AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung. 243 BAG vom 08.12.1981 – 3 ABR 53/80 – AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung. 244 BAG vom 29.03.1977 – 1 ABR 123/74 – AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Provision; BAG vom

06.12.1988 – 1 ABR 44/87 – AP Nr. 37 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 245 Meyer, DB 2000, 1174, 1177.

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triebe, für die der unternehmenseinheitliche Betriebsrat gebildet ist, als Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Gemäß § 3 Abs. 5 Satz 2 BetrVG finden die Vorschriften über Rechte und Pflichten des Betriebsrats auf den unternehmensein-heitlichen Betriebsrat Anwendung.

Bestand in dem Unternehmen zuvor in einer mehrbetrieblichen Organisation eine Mehrzahl von Betriebsräten, war ein Gesamtbetriebsrat zu errichten. Die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den örtlichen Betriebsräten und dem Gesamtbetriebs-rat richtete sich für sämtliche Betriebe nach § 50 Abs. 1 BetrVG. Mit der Bildung ei-nes unternehmenseinheitlichen Betriebsrats sind in dem Unternehmen keine Zustän-digkeiten für Angelegenheiten mehr denkbar, die für mehrere Betriebe oder das Ge-samtunternehmen einheitlich geregelt werden müssen und nicht durch einzelne Be-triebsräte geregelt werden können. Betriebsverfassungsrechtlich ist die bisherige Mehrheit von Betrieben als ein einheitlicher Betrieb zu behandeln, für den der unter-nehmenseinheitliche Betriebsrat zuständig ist, § 3 Abs. 5 Satz 2 BetrVG. Das bishe-rige Nebeneinander von Zuständigkeiten der Einzelbetriebsräte und der Zuständig-keit des Gesamtbetriebsrats wird durch eine umfassende Zuständigkeit des unter-nehmenseinheitlichen Betriebsrats ersetzt.246 Die Mitbestimmung des (unterneh-menseinheitlichen) Betriebsrats ersetzt die der örtlichen Betriebsräte und die des Gesamtbetriebsrats.247 Der unternehmenseinheitliche Betriebsrat nimmt nicht nur für einen erweiterten örtlichen Zuständigkeitsbereich sämtlicher bisheriger Betriebe des Unternehmens die Zuständigkeiten der früheren Einzelbetriebsräte wahr. Er nimmt ebenfalls diejenigen Zuständigkeiten wahr, die zuvor aufgrund notwendig betriebs-übergreifend einheitlicher Regelung den Einzelbetriebsräten entzogen und dem Ge-samtbetriebsrat zugewiesen waren. Letztlich gilt für die Zuständigkeit des unterneh-menseinheitlichen Betriebsrats nichts anderes, als generell für die umfassende Zu-ständigkeit des einzigen Betriebsrats im Unternehmen gilt. Der unternehmenseinheit-liche Betriebsrat ist zuständig (auch) für Mitbestimmungsgegenstände, für die zuvor ein Gesamtbetriebsrat zuständig war.248

Die Parallele der Zuständigkeiten zwischen unternehmenseinheitlichem Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat geht noch weiter als im Vergleich zum einzigen Betriebsrat in einem mehrbetrieblichen Unternehmen. Der unternehmenseinheitliche Betriebsrat nimmt nicht nur dieselben Mitbestimmungsrechte wahr, die bei Gesamtbetriebsrats-fähigkeit dem Gesamtbetriebsrat zustünden. Der unternehmenseinheitliche Betriebs-rat kann darüber hinaus räumlich für den bisherigen Zuständigkeitsbereich eines Ge-samtbetriebsrats Mitbestimmungsrechte wahrnehmen.

Ungenau ist in diesem Zusammenhang die Formulierung, die Mitbestimmung des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats sei mit der des Gesamtbetriebsrats aus-tauschbar.249 Der unternehmenseinheitliche Betriebsrat ersetzt nicht etwa nur den 246 Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 768. 247 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 3, Rn. 32. 248 Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 768. 249 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 47, Rn. 21; Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA

2003, 766, 768; Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. D, Rn. 101.

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Gesamtbetriebsrat und nimmt dessen Mitbestimmungsrechte wahr. Vielmehr ersetzt er die örtlichen Betriebsräte und deshalb auch den Gesamtbetriebsrat, weil im Unter-nehmen nur noch ein Betriebsrat besteht, die Voraussetzungen der Errichtung eines Gesamtbetriebsrats entfallen und dem Betriebsrat deshalb keine Zuständigkeiten mehr entzogen werden. Im Ergebnis folgt daraus, dass ebenso, wie im einzigen Be-trieb eines Unternehmens, bei der Errichtung eines unternehmenseinheitlichen Be-triebsrats die Mitbestimmung des Betriebsrats die Kompetenzen eines anderenfalls zu errichtenden Gesamtbetriebsrats beinhaltet. Die Mitbestimmungsgegenstände des bisherigen Gesamtbetriebsrats werden nunmehr von dem unternehmenseinheit-lichen Betriebsrat – entsprechend der Terminologie des Gesetzes: durch einen auf betrieblicher Ebene unternehmensweit agierenden Betriebsrat – wahrgenommen.

cc) Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats auf „fiktiver Unternehmensebene“ im Falle des § 4 Abs. 1 BetrVG

Besteht nur ein Betriebsrat im Unternehmen – sei es aufgrund nur eines bestehen-den Betriebs im Unternehmen, nur eines bestehenden Betriebsrats im Unternehmen oder der Errichtung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats –, nimmt dieser Betriebsrat Mitbestimmungsrechte wahr, die bei Bestehen mehrerer Betriebsräte im Unternehmen in den Zuständigkeitsbereich des Gesamtbetriebsrats fielen. Mit Eintritt der Gesamtbetriebsratsfähigkeit werden bestimmte Mitbestimmungsgegenstände der Zuständigkeit des Betriebsrats entzogen und dem Gesamtbetriebsrat zugewiesen. Ebenso kann es sich im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 BetrVG verhalten, in dem ein Gesamtbetriebsrat ebenfalls für die Ausübung von Mitbestimmungsrechten zuständig sein kann, die sonst in die Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte fielen:

Aufgrund der Regelung des § 4 Abs. 1 BetrVG kann für dieselbe Einheit von Arbeitnehmern entweder ein Betriebsrat sämtliche Mitbestimmungsrechte ausüben oder es können mehrere Betriebsräte und damit ein Gesamtbetriebsrat errichtet werden und die Zuständigkeitsverteilung gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zur Anwendung kommen. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gelten Betriebsteile unter bestimmten Voraussetzungen als Betriebe. Da § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für diese Betriebsteile die Erfüllung des Betriebsbegriffs fingiert, geht das Gesetz offensichtlich davon aus, dass an sich keine eigenständigen Betriebe vorlägen. Erst aufgrund der Fiktion des Gesetzes können in diesen Betriebsteilen eigenständige Betriebsräte gewählt werden.250 Kommt es dazu, ist ein Gesamtbetriebsrat mit einer Zuständigkeit für Betriebsteile eines Betriebs zu errichten, bei denen das Gesetz das Vorliegen von Betrieben fingiert, die Bildung von Betriebsräten in den Betriebsteilen aufgrund dieser Fiktion gestattet und damit die Voraussetzungen der Errichtung eines Gesamtbe-triebsrats herbeiführt.

Auch für ein Unternehmen mit einem einzigen Betrieb, in dessen Betriebsteilen auf-grund der Fiktion des § 4 Abs. 1 BetrVG eigenständige Betriebsräte gewählt werden,

250 Trümner in: Däubler/Kittner/Klebe, § 4, Rn. 1a.

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ist deshalb ein Gesamtbetriebsrat zu errichten.251 Dieser Gesamtbetriebsrat ist ge-mäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG entsprechend der allgemeinen Aufgabenverteilung für Angelegenheiten zuständig, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen, wobei letzteres aufgrund der Fiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Be-triebsteile meint, in denen Betriebsräte gewählt sind. Ohne die Fiktion des § 4 Abs. 1 BetrVG handelte es sich bei sämtlichen mitzubestimmenden Angelegenheiten dage-gen um solche eines (einheitlichen) Betriebs. Erst durch die Fiktion mehrerer Betrie-be wird eine Angelegenheit eines Betriebs damit zu einer „überbetrieblichen“ Ange-legenheit, die – wenn das Unternehmen nicht über weitere Betriebe verfügt – das „Gesamtunternehmen“ betrifft und in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats fällt.

Ohne die Fiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG wäre für den einheitlichen Betrieb da-gegen ein einheitlicher Betriebsrat zu wählen.252 Hat das Unternehmen keine weite-ren Betriebe, käme die Errichtung eines Gesamtbetriebsrats nicht in Betracht, weil keine weiteren Betriebsräte im Unternehmen bestünden, § 47 Abs. 1 BetrVG. Sämtli-che mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten fielen in die Zuständigkeit dieses Betriebsrats. Die Fiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG führt deshalb zu einer Zustän-digkeit des Gesamtbetriebsrats für die Wahrnehmung von Angelegenheiten, die an-derenfalls in die Zuständigkeit eines Betriebsrats fielen. Da die Fiktion des § 4 Abs. 1 BetrVG an den Betriebsbegriff, nicht aber Besonderheiten der mitbestimmungspflich-tigen Angelegenheiten, anknüpft, trägt die Fiktion des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kei-nen tatsächlichen Besonderheiten Rechnung, die im tatbestandlichen Anwendungs-bereich der Fiktion ausnahmsweise eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für einen Betrieb rechtfertigen könnten. Zwar gestattet § 4 Abs. 1 BetrVG die Wahl eines eigenen Betriebsrats bei räumlich weiter Entfernung zum Hauptbetrieb253 oder einer durch Aufgabenbereich und Organisation begründeten Eigenständigkeit von Be-triebsteilen. Dies sind Anknüpfungspunkte, bei denen regelmäßig Zweifel bestehen, ob nicht ohnehin bereits eigenständige Betriebe bestehen.254 Auf eine Unterschei-dung zwischen einer Mitbestimmung für betriebliche und überbetriebliche Angele-genheiten stellt die Regelung des § 4 Abs. 1 BetrVG aber nicht ab, wie aus § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG folgt. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG können Arbeitnehmer eines Betriebsteils im Sinne des § 4 Abs. 1 BetrVG, in dem kein eigener Betriebsrat be-steht, beschließen, an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb teilzunehmen. Daran zeigt sich, dass die Regelungen des § 4 Abs. 1 BetrVG eine umfassende Ver-tretung der Arbeitnehmer von Betriebsteilen – sei sie nun zentral oder dezentral or-ganisiert – gewährleisten sollen255, nicht aber auf Besonderheiten der wahrzuneh-menden Mitbestimmungsrechte abstellen.

Es wird deutlich, dass die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nicht an tatsächliche

251 Annuß in: Richardi, § 47, Rn. 4; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 47, Rn. 20;

Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 47, Rn. 4; Trittin in: Däub-ler/Kittner/Klebe, § 47, Rn. 22.

252 Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 4 BetrVG, Rn. 1. 253 Beispiele aus der Rechtsprechung bei Trümner in: Däubler/Kittner/Klebe, § 4, Rn. 36f. 254 Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 4 BetrVG, Rn. 4. 255 Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 4 BetrVG, Rn. 1.

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Notwendigkeiten und Umstände anknüpft, die der Ebene des Unternehmens zuzu-ordnen wären, als vielmehr an die betriebsverfassungsrechtliche Organisation auf Ebene der Betriebe in dem Unternehmen. So obliegt es den Arbeitnehmern eines Betriebsteils selbstverständlich nicht, darüber zu entscheiden, welche Aufgaben der Gesamtbetriebsrat in Abgrenzung zur Zuständigkeit des Betriebsrats wahrnimmt. Dies hat der Gesetzgeber in § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG entschieden. Die Arbeitneh-mer können aber auf Ebene des Betriebs durch die Wahl eines (weiteren) Betriebs-rats die Voraussetzungen herbeiführen, dass sich mit der Gesamtbetriebsratsfähig-keit im Unternehmen die Zuständigkeiten des bisherigen Betriebsrats verändern, oh-ne dass die bestehenden tatsächlichen Strukturen im Betrieb oder Unternehmen hierdurch eine Änderung erfahren. Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats knüpft nicht an spezifische Regelungsgegenstände des Unternehmens, sondern allein an die betriebsverfassungsrechtliche Organisation auf Ebene der Betriebe an.

dd) Zwischenergebnis

Der Gesamtbetriebsrat ist zur Wahrnehmung derselben Mitbestimmungsgegenstän-de zuständig, die bei fehlender Gesamtbetriebsratsfähigkeit dem Einzelbetriebsrat im Rahmen einer Allzuständigkeit zugewiesen wären: Im einzigen Betrieb eines Unter-nehmens nimmt der Betriebsrat ebenso wie bei Bestehen nur eines Betriebsrats in einem Unternehmen mit mehreren Betrieben sämtliche Mitbestimmungsrechte wahr. Es kommt für die Zuständigkeit des einzigen Betriebsrats im Unternehmen nicht dar-auf an, ob die Angelegenheit über den örtlichen Zuständigkeitsbereich hinaus von Bedeutung ist. Gleiches gilt im Falle der Errichtung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats. Während vor der Errichtung eines unternehmenseinheitlichen Betriebs-rats bei Bestehen mehrerer Betriebsräte eine Zuständigkeitsverteilung zwischen Be-triebsräten und Gesamtbetriebsrat existierte, bei der nicht die Betriebsräte sondern der Gesamtbetriebsrat für überbetriebliche Angelegenheiten im Sinne des § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig war, ist der unternehmenseinheitliche Betriebsrat zuständig für sämtliche Angelegenheiten, die bislang in die Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte sowie in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats fielen. Im Falle der Fiktion von Betrieben in Betriebsteilen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG schließlich ist bei der Wahl eines einheitlichen Betriebsrats für die Betriebsteile ein Betriebsrat für die Wahrnehmung sämtlicher Mitbestimmungsgegenstände zuständig, während bei der Wahl von Betriebsräten in den Betriebsteilen die Mitbestimmungsgegenstände ge-mäß § 50 Abs. 1 BetrVG zwischen den Betriebsräten und dem Gesamtbetriebsrat zu verteilen wären.

Die Abgrenzung der Kompetenzen des Gesamtbetriebsrats von denen des Betriebs-rats richtet sich damit nicht nach der Terminologie von Betrieb und Unternehmen, sondern nach der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation auf Ebene der Rep-räsentationsstufe des Betriebsrats und dessen Zuständigkeitsbereich. Sobald in ei-nem Unternehmen mehrere Betriebsräte bestehen, werden ihnen Zuständigkeiten entzogen, für deren Ausübung von diesem Zeitpunkt an der Gesamtbetriebsrat zu-ständig ist. Die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats umfasst Kompeten-zen, die bei Entfallen bzw. vor Eintritt der Gesamtbetriebsratsfähigkeit den einzelnen

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Betriebsräten zugewiesen wären. Angelegenheiten, für die der Gesamtbetriebsrat zuständig ist, sind nicht von vornherein einer Mitbestimmung durch den Betriebsrat entzogen.256 Übt der Gesamtbetriebsrat Mitbestimmungsrechte der örtlichen Be-triebsräte aus, die ihnen allein aufgrund der Gesamtbetriebsratsfähigkeit entzogen sind, betreffen diese Mitbestimmungsrechte keine Regelungsgegenstände, die nicht ebenso auf betrieblicher Ebene geregelt werden könnten.257 Können beide Gremien Zuständigkeiten für dieselben Mitbestimmungsgegenstände wahrnehmen und sind insbesondere Mitbestimmungsgegenstände des Gesamtbetriebsrats ebenso dem Betriebsrat zugewiesen, der auf betrieblicher Ebene agiert, spricht dies gegen einen Unternehmensbezug der Mitbestimmungsgegenstände des Gesamtbetriebsrats.

3. Unternehmensbezug der Mitbestimmungsgegenstände auf der Repräsen-tationsstufe des Gesamtbetriebsrats gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kraft gesetzlicher Anordnung

Nimmt der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte wahr, die bei eintretender Gesamtbe-triebsratsfähigkeit dem Gesamtbetriebsrat zugewiesen werden und umgekehrt, ist ein Unternehmensbezug der Mitbestimmungsgegenstände des Gesamtbetriebsrats zweifelhaft. Gleichwohl regelt § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eine Zuständigkeit des Ge-samtbetriebsrats für Angelegenheiten des „Gesamtunternehmens“. Vor diesem Hin-tergrund soll untersucht werden, ob das Gesetz dem Gesamtbetriebsrat andere Auf-gaben mit einem Unternehmensbezug zuweist sowie, ob die Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG Mitbestimmungsgegenstände des Gesamtbetriebsrats der Unter-nehmensebene zuordnet, obgleich sie bei fehlender Gesamtbetriebsratsfähigkeit in die Zuständigkeit des Betriebsrats fielen.

a) Konkrete Aufgabenzuweisungen

Das Betriebsverfassungsgesetz weist dem Gesamtbetriebsrat nur vereinzelt konkrete Aufgaben zu. Solche konkreten Aufgabenzuweisungen nennt das Gesetz zum einen für den Abschluss von Betriebsvereinbarungen über die Mitgliederzahl des Gesamt-betriebsrats (§ 47 Abs. 5 BetrVG), für den Antrag an das Arbeitsgericht auf Aus-schluss von Mitgliedern aus dem Gesamtbetriebsrat (§ 48 BetrVG), für das Verfahren der Konstituierung (§ 51 Abs. 2 Satz 2 BetrVG) und für die Geschäftsführung (§ 51 Abs. 1 BetrVG i.V.m. §§ 26ff BetrVG). Diesen Regelungen ist gemein, dass sie im Wesentlichen die Binnenverwaltung des Gesamtbetriebsrats betreffen. Kompetenzen „nach außen“, die einen Rückschluss auf die Mitbestimmungsebene des Gesamtbe-triebsrats im Unternehmen zulassen, beinhalten sie nicht.

Aufschlussreicher sind dagegen andere konkrete Zuweisungen von Aufgaben an den Gesamtbetriebsrat. Sie finden sich für den Bereich der Mitbestimmung in wirtschaftli-chen Angelegenheiten in den Regelungen des § 107 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 6 BetrVG. Gemäß § 107 Abs. 2 Satz 2 BetrVG hat der Gesamtbetriebsrat über die Mit- 256 Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 1; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50,

Rn. 23. 257 Vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 18.

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glieder des Wirtschaftsausschusses zu bestimmen, wenn in einem Unternehmen ein Gesamtbetriebsrat errichtet ist. Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 6 BetrVG beschließt der Gesamtbetriebsrat, sofern er in einem Unternehmen errichtet ist, über eine Wahr-nehmung der Aufgaben des Wirtschaftsausschusses. Beide Aufgaben sind bei feh-lender Existenz eines Gesamtbetriebsrats alternativ dem Betriebsrat zugewiesen, § 107 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BetrVG. Der Gesamtbetriebsrat nimmt also Aufgaben wahr, die bei fehlender Gesamtbetriebsratsfähigkeit dem Betriebsrat zugewiesen sind. Da der Betriebsrat auf betrieblicher Ebene Zuständigkeiten wahr nimmt, weist das Gesetz dem Gesamtbetriebsrat auch in den Regelungen über die Errichtung des Wirtschaftsausschusses keine Aufgaben zu, die nur auf der Ebene des Unterneh-mens wahrgenommen werden können.

In der Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG findet sich eine weitere konkrete Aufgabenzuweisung an den Gesamtbetriebsrat. Gemäß § 54 Abs. 1 BetrVG sind die Gesamtbetriebsräte zuständig für die Entscheidung über die Errichtung eines Kon-zernbetriebsrats. Gemäß § 54 Abs. 2 BetrVG ist die Entscheidung über die Errich-tung eines Konzernbetriebsrats dem Betriebsrat zugewiesen, wenn im Unternehmen kein Gesamtbetriebsrat besteht. In diesem Fall nimmt der Betriebsrat die Aufgaben des Gesamtbetriebsrats im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen über den Konzernbetriebsrat wahr. Insoweit wird der Betriebsrat dem Gesamtbe-triebsrat erneut funktionell gleichgestellt.258

Den konkreten Aufgabenzuweisungen an den Gesamtbetriebsrat ist ein Unterneh-mensbezug aufgrund der jeweils alternativen Möglichkeit der Wahrnehmung der An-gelegenheit durch den Gesamtbetriebsrat deshalb nicht zu entnehmen. Ganz im Ge-genteil bedürfte es aufgrund der alternativen Aufgabenwahrnehmung durch den Be-triebsrat eines besonderen Anhaltspunkts, der eine Wahrnehmung desselben Rege-lungsgegenstands auf der Ebene des Unternehmens rechtfertigt, wenn der Gesamt-betriebsrat zuständig ist.

b) Allgemeine Aufgabenzuweisung, §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 5 BetrVG

Es bleibt die Frage, ob das Gesetz mit der Anordnung der Behandlung einer Angele-genheit durch den Gesamtbetriebsrat den Mitbestimmungsgegenstand auf die Ebene des Unternehmens transportiert. Der Betriebsrat ist gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunter-nehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Demnach müssen zwei Vorausset-zungen erfüllt sein: Die Materie muss das Gesamtunternehmen oder mehrere Betrie-be betreffen und einzelne Regelungen in den Betrieben dürfen nicht möglich sein. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.259

258 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 54, Rn. 63; Trittin in: Däub-

ler/Kittner/Klebe, § 54, Rn. 62f. 259 Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 4; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 16;

Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 21; Trittin in: Däub-ler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 21.

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aa) „Gesamtunternehmen“, mehrere Betriebe

Der Gesamtbetriebsrat ist nur zuständig, wenn eine Angelegenheit das Gesamtun-ternehmen oder mehrere Betriebe betrifft. Der Begriff des Gesamtunternehmens legt in Abgrenzung zu einem „Gesamtbetrieb“ oder sämtlichen Betrieben des Unterneh-mens eine Anknüpfung an die Ebene des Unternehmens nahe.

Gleichwohl versteht eine verbreitete Auffassung unter dem Begriff des Gesamtunter-nehmens die Gesamtheit der Betriebe des Unternehmens.260 Der Begriff des „Ge-samtunternehmens“ sei ein Unterfall einer Angelegenheit, die mehrere Betriebe be-trifft. Da ein Gesamtbetriebsrat gemäß § 47 Abs. 1 BetrVG ohnehin nur zu errichten ist, wenn mehrere Betriebsräte und damit mehrere – gegebenenfalls gemäß §§ 3, 4 BetrVG fingierte – Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes im Unter-nehmen bestehen, müsse eine Angelegenheit, die das „Gesamtunternehmen“ be-trifft, notwendig zugleich mehrere Betriebe betreffen. Daraus folge, dass allein ein überbetrieblicher Charakter entscheidend sei.261

Der Begriff des Gesamtunternehmens in § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG deutet nach sei-nem Wortsinn eher auf das Gegenteil hin.262 Anderenfalls hätte der Begriff „Gesamt-betrieb“ nahe gelegen, der dem Gesetzgeber ausweislich der Bezeichnung der Ar-beitnehmervertretung als Gesamtbetriebsrat nicht fremd gewesen sein dürfte.

Der systematische Zusammenhang mit dem Begriff des Gesamtunternehmens in § 47 Abs. 6 BetrVG lässt indessen auf eine untechnische Verwendung des Begriffs „Gesamtunternehmen“ durch den Gesetzgeber schließen. Gemäß § 47 Abs. 6, Abs. 5 BetrVG entscheidet eine für das „Gesamtunternehmen“ zu bildende Einigungsstel-le, wenn keine Einigung über eine Betriebsvereinbarung zu einer abweichenden Mit-gliederzahl des Gesamtbetriebsrats zustande kommt, in der bestimmt wird, dass un-ter bestimmten Voraussetzungen Betriebsräte mehrerer Betriebe eines Unterneh-mens gemeinsam Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat entsenden. Entgegen dem Wortlaut erfordert eine solche Einigungsstelle für das „Gesamtunternehmen“ auf-grund der von ihr zu behandelnden Angelegenheit eine Bildung für sämtliche Betrie-be des Unternehmens, nicht aber für die Unternehmensebene selbst. Eine durch den Spruch der Einigungsstelle gemäß § 47 Abs. 6 zustande gekommene Gesamtbe-triebsvereinbarung regelt eine Angelegenheit der Betriebe des Unternehmens, weil nur diese Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat entsenden können. Mitglieder werden aus Betrieben des Unternehmens in den Gesamtbetriebsrat entsandt, nicht aus dem Gesamtunternehmen, § 47 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Die Gesamtbetriebsvereinbarung gemäß § 47 Abs. 6 BetrVG betrifft damit eine Angelegenheit sämtlicher Betriebe des

260 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670 673; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 23. 261 Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 6; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 18;

Glock in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 50, Rn. 9; Joost in: Münchener Handbuch zum Ar-beitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 50; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 22.

262 Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 932.

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Unternehmens, nicht aber eine Angelegenheit des Unternehmens. Eine Angelegen-heit des Unternehmens würde daraus nicht einmal dann, wenn man von einer Ansie-delung des Amts des Gesamtbetriebsrats auf Ebene des Unternehmens ausginge. Eine solche Gesamtbetriebsvereinbarung hat zwar Auswirkungen auf die Zahl der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats. Die Zahl der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats wäre aber bei Ansiedelung des Amts des Gesamtbetriebsrats auf der Ebene des Un-ternehmens keine Angelegenheit des Unternehmens. Die Zusammensetzung des Gesamtbetriebsrats ist – ebenso wie unter Zugrundelegung der Regelung des § 47 Abs. 2 BetrVG – ein Reflex der Regelung über die Entsendung von Mitgliedern aus den Betriebsräten in den Gesamtbetriebsrat. Bei wertender Betrachtung ist der Regelungsgehalt einer Gesamtbetriebsvereinbarung gemäß § 47 Abs. 6 BetrVG nicht anders zu betrachten, als die Rechtswirkung einer Zusammenfassung von Betrieben (beispielsweise durch Betriebsvereinbarung gemäß § 3 BetrVG) oder das Entfallen eines Betriebsrats aus sonstigen Gründen. Auch in diesen Fällen findet eine Veränderung der Zusammensetzung des Gesamtbetriebsrats statt, ohne dass die betriebliche Ebene verlassen würde. Meint das Gesetz mit dem Begriff des Gesamtunternehmens in § 47 Abs. 6 BetrVG aber sämtliche Betriebe des Unternehmens, ist es zweifelhaft, ob dem Begriff des Gesamtunternehmens in § 50 Abs. 1 Satz 1 eine ausschlaggebende Bedeutung zukommen kann, oder nicht ebenso die Gesamtheit der Betriebe gemeint sein kann.

Da der Sprachgebrauch des Gesetzgebers bei systematischer Einbeziehung der Re-gelung des § 47 Abs. 6 BetrVG nicht eindeutig ist, kommt es letztlich auf den Unter-nehmensbezug der durch den Gesamtbetriebsrat mitbestimmungspflichtigen Ange-legenheiten an, die das „Gesamtunternehmen“ im Sinne des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG betreffen. Betrachtet man die Rechte und Pflichten des Gesamtbetriebsrats, ist ein spezifischer Unternehmensbezug nicht ersichtlich. Das Betriebsverfassungs-gesetz nennt weder bei den personellen, sozialen noch wirtschaftlichen Angelegen-heiten Mitbestimmungsgegenstände, die nicht auf der Ebene der Betriebe geregelt werden können und bei fehlender Gesamtbetriebsratsfähigkeit auf Ebene der Betrie-be durch den Betriebsrat geregelt werden. Ausgehend davon, dass bei fehlender Gesamtbetriebsratsfähigkeit eine Allzuständigkeit des Betriebsrats besteht, verwun-dert dies nicht. Kompetenzen, die bei fehlender Gesamtbetriebsratsfähigkeit dem Betriebsrat zustünden, können notwendig nicht spezifisch an die Ebene des Unter-nehmens anknüpfen. Der Betriebsrat könnte bei fehlender Gesamtbetriebsratsfähig-keit nicht auf einer spezifischen Ebene des Unternehmens mitbestimmen. Damit ist weder ein Grund ersichtlich, der die Annahme rechtfertigt, der Gesamtbetriebsrat nehme andere Mitbestimmungsrechte als der Betriebsrat wahr, noch die Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG transportiere mit dem Begriff des Gesamtunterneh-mens konstitutiv die Mitbestimmungsgegenstände des Gesamtbetriebsrats auf die Ebene des Unternehmens.263

263 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 23.

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bb) Fehlende Regelungsmöglichkeit der Betriebsräte

Das gefundene Ergebnis scheint allerdings in einem Widerspruch zu der weiteren Voraussetzung einer Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zu stehen, nach der eine Regelung nicht durch die einzelnen Betriebsräte getroffen werden kann. Bei einer Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für Mitbestimmungsgegenstände, die bei feh-lender Gesamtbetriebsratsfähigkeit dem Betriebsrat zugewiesen wären, müsste die Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG weitgehend leer laufen.264 Nur in Fällen objektiver und denkgesetzlicher Unmöglichkeit einzelbetrieblicher Regelungen wäre eine Zuständigkeit des Betriebsrats ausgeschlossen und die des Gesamtbetriebsrats gegeben. Solche Fälle wird es kaum geben, weil jeweils gleichlautende Regelungen mit den Betriebsräten geschlossen werden könnten.265 Eine Maßnahme müsste nach ihrem Gegenstand an das Unternehmen anknüpfen und auch gedanklich nicht in Teilakte zerlegt werden können.266 Derartige Mitbestimmungsrechte sieht das Be-triebsverfassungsrecht nicht vor, wie die Zuständigkeit des einzigen Betriebsrats im Unternehmen für seinen Zuständigkeitsbereich zeigt.267 Deshalb lässt es die herr-schende Meinung genügen, wenn eine Regelung „ihrer Natur nach“ einheitlich erfol-gen muss, so dass eine zwingende sachliche Notwendigkeit für eine einheitliche Re-gelung besteht.268 Maßgebend sind der Regelungsgegenstand und die individuellen unternehmerischen bzw. betrieblichen Verhältnisse.269 Danach genügt allein eine Zweckmäßigkeit oder Rentabilität ebenso wenig, wie ein bloßes Koordinierungsinte-

264 Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 51. 265 Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 51; Annuß in: Richardi, § 50,

Rn. 8. 266 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 28. 267 Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 51; denkbar wäre dies allen-

falls im Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 BetrVG, weil eine Betriebsvereinbarung gemäß § 3 Abs. 2 BetrVG den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Betriebsrats notwendig überschreiten müsste. Dies kann letztlich offen bleiben, da eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats aus-schließlich für Angelegenheiten gemäß § 3 Abs. 1 BetrVG zu Recht von niemandem vertreten wird, zumal die Möglichkeit einer Regelung durch Betriebsvereinbarung gemäß § 3 Abs. 2 BetrVG erstmals durch das BetrVG-Reformgesetz 2001 eröffnet wurde und anderenfalls bis zum Inkraft-treten dieser Regelung dem Gesamtbetriebsrat gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG keine Kompetenzen zugekommen wären. Ein solches Verständnis des § 50 Abs. 1 BetrVG ist offensichtlich sachwid-rig.

268 BAG vom 15.01.2002 – 1 ABR 10/01 – AP Nr. 23 zu § 50 BetrVG 1972; BAG vom 11.12.2001 – 1 AZR 193/01 – AP Nr. 22 zu § 50 BetrVG 1972; BAG vom 16.06.1998 – 1 ABR 68/97 – AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz; BAG vom 30.08.1995 – 1 ABR 4/95 – AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 21; Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 53; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 33; Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 13.

269 BAG vom 23.09.1975 – 1 ABR 122/73 – AP Nr. 1 zu § 50 BetrVG 1972; BAG vom 11.11.1998 – 7 ABR 47/97 – AP Nr. 19 zu § 50 BetrVG 1972; Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 13; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 22; Glock in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 50, Rn. 13; Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeits-recht, Band 3, § 313, Rn. 53; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 33; Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 50 BetrVG, Rn. 3.

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resse.270 Maßgebend kann es sein, dass eine Entscheidung in einem Betrieb not-wendig die Regelung in einem anderen Betrieb präjudizierte und dadurch das Mitbe-stimmungsrecht des Betriebsrats, der die zeitlich nachfolgende Regelung verhandelt, faktisch entwertet würde.271 Umgekehrt ist ein zwingendes Erfordernis für eine be-triebsübergreifend einheitliche Regelung nach der herrschenden Meinung dann an-zuerkennen, wenn die anderenfalls im Rahmen der einzelbetrieblichen Mitbestim-mung zu beteiligenden Einzelbetriebsräte divergierende Interessen verfolgen und dem Arbeitgeber (gegebenenfalls durch Einigungsstellensprüche) verschiedene Re-gelungen aufgezwungen werden könnten, die mit den Strukturen des Unternehmens nicht zu vereinbaren wären.272

Neben der so verstandenen an objektive Gesichtspunkte anknüpfenden Erforderlich-keit betriebsübergreifender Regelung begründet nach der herrschenden Meinung alternativ eine subjektive Unmöglichkeit einzelbetrieblicher Regelungen die Zustän-digkeit des Gesamtbetriebsrats.273 Darunter fallen insbesondere freiwillige Leistun-gen des Arbeitgebers, deren Zweck er so definiert, dass der Zweck nur mit einer ü-berbetrieblichen Regelung zu erreichen ist274 und Maßnahmen, bei denen der Ar-beitgeber nur bei einer einheitlichen Regelung zur Durchführung bereit ist und er in-soweit mitbestimmungsfrei entscheiden kann.275

Die Gegenauffassung stellt dagegen kumulativ auf das Erfordernis einer objektiven

270 BAG vom 09.12.2003 – 1 ABR 49/02 – AP Nr. 27 zu § 50 BetrVG 1972; BAG vom 15.01.2002 – 1

ABR 10/01 – AP Nr. 23 zu § 50 BetrVG 1972; BAG vom 11.12.2001 – 1 AZR 193/01 – AP Nr. 22 zu § 50 BetrVG 1972; BAG vom 16.06.1998 – 1 ABR 68/97 – AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Ge-sundheitsschutz; BAG vom 30.08.1995 – 1 ABR 4/95 – AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Überwa-chung; Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 13; Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 50 BetrVG, Rn. 3; Glock in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 50, Rn. 14; Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 53; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 23; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 35.

271 Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 13; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 36.

272 BAG vom 29.03.1977 – 1 ABR 123/74 – AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Provision; BAG vom 16.08.1983 – 1 AZR 544/81 – AP Nr. 5 zu § 50 BetrVG 1972; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 36.

273 BAG vom 11.11.1998 – 7 ABR 47/97 – AP Nr. 19 zu § 50 BetrVG 1972; BAG vom 30.08.1995 – 1 ABR 4/95 – AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG Überwachung; Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 14f; Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 50 BetrVG, Rn. 3; Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 57; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 24.

274 BAG vom 11.11.1998 – 7 ABR 47/97 – AP Nr. 19 zu § 50 BetrVG 1972; BAG vom 30.08.1995 – 1 ABR 4/95 – AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG Überwachung; Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Ar-beitsrecht, § 50 BetrVG, Rn. 3; Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 53.

275 BAG vom 11.11.1998 – 7 ABR 47/97 – AP Nr. 19 zu § 50 BetrVG 1972; BAG vom 30.08.1995 – 1 ABR 4/95 – AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG Überwachung; Annuß in: Richardi, BetrVG, § 50, Rn. 14f; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 24; Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 57; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 29.

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und subjektiven Notwendigkeit einheitlicher Regelung ab.276 Nur so lasse es sich verhindern, dass der Unternehmer bestimmte Organisationsstrukturen schaffen oder eine unternehmensweite Verteilung beschließen und dadurch eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründen oder verhindern könne. Gegebenenfalls sei auch die Konsequenz hinzunehmen, dass bei parallel zu schließenden Vereinbarungen, so-lange diese nicht notwendig einheitlich und identisch sein müssen, Betriebräte diver-gierende Interessen verfolgen und Regelungen sich gegenseitig präjudizierten. Dies sei als Folge der dezentralisierten Struktur des Betriebsverfassungsrechts hinzu-nehmen.277

Letztgenannter Auffassung ist nicht zu folgen. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht keine Regelungsgegenstände vor, die einen – wie auch immer gearteten – Unter-nehmensbezug aufweisen und die denklogisch nicht in Teilakte zerlegt werden kön-nen. Der Betriebsrat könnte stets auf der Ebene des Betriebs mitbestimmen und der Arbeitgeber wäre gehalten, im Rahmen der Beteiligung anderer Betriebsräte diese Regelung (beispielsweise über die Ausgestaltung einer Unterstützungskasse) präju-dizierend in den verbleibenden Betrieben zugrunde zu legen. Selbst wenn ein Rege-lungsgegenstand einen Unternehmensbezug aufweisen sollte, stünde dies einer Mit-bestimmung durch die örtlichen Betriebsräte eines Unternehmens nicht entgegen. In Konsequenz liefe die Mitbestimmung durch den Gesamtbetriebsrat leer. Der Arbeit-geber hätte die Aufgabe, die mitbestimmten Regelungen durch die einzelnen Be-triebsräte so aufeinander abzustimmen, dass nach Art eines „Puzzles“ ein umset-zungsfähiges einheitliches Ganzes entsteht. Eine Rechtspflicht der Betriebsräte zu einer Mitwirkung an einer solchen abgestimmten Gesamtregelung ist zweifelhaft. Im Ergebnis bestehen Bedenken, ob ein solcher Eingriff des Betriebsverfassungsgeset-zes in die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers verfassungsrechtlich zulässig wäre. Insbesondere wäre die Errichtung eines Gesamtbetriebsrats offensichtlich sinnentleert, wenn diesem praktisch keine Zuständigkeiten zukämen. Vor diesem Hintergrund ist der herrschenden Meinung zu folgen und die Zuständigkeit des Ge-samtbetriebsrats anzuerkennen, wenn ein zwingendes Erfordernis für eine einheitli-che Regelung besteht, das über ein bloßes Koordinierungsinteresse oder Zweckmä-ßigkeitserwägungen hinaus geht. Das Erfordernis einer fehlenden Regelungsmög-lichkeit durch die Betriebsräte stellt deshalb keinen Widerspruch zu einem fehlenden Unternehmensbezug der Mitbestimmung durch den Gesamtbetriebsrat dar.

cc) Reichweite der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats

Ein Unternehmensbezug der Mitbestimmungsgegenstände des Gesamtbetriebsrates lässt sich schließlich nicht der Reichweite seiner Mitbestimmung entnehmen. Mit der Formulierung des Gesetzes, der Gesamtbetriebsrat sei zuständig für Angelegenhei-ten, die das „Gesamtunternehmen“ betreffen, begründet das Gesetz ausdrücklich eine Zuständigkeit für bestimmte Angelegenheiten, nicht aber eine Zuständigkeit für das Unternehmen.278 Die Zuständigkeit für Angelegenheiten, die das „Gesamtunter- 276 Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 24ff. 277 Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 29. 278 Vgl. Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 20.

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nehmen“ betreffen, deutet zwar an, dass der Gesamtbetriebsrat für sämtliche Berei-che des Unternehmens Mitbestimmungsrechte ausüben kann. Daraus folgt aber noch nicht, dass der Gesamtbetriebsrat diese Mitbestimmungsrechte für eine beson-dere Ebene des Unternehmens ausübt. Wie bereits ausgeführt279, verwendet das Gesetz den Begriff des Gesamtunternehmens noch nicht einmal entsprechend sei-nem Wortsinn, sondern für Angelegenheiten, die bei fehlender Gesamtbetriebsrats-fähigkeit der Mitbestimmung des Betriebsrats unterfielen, bei denen jedoch Bedarf an einer einheitlichen Regelung für sämtliche Betriebe des Unternehmens besteht. Der Regelung über die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ist letztlich nur zu entneh-men, dass der Gesamtbetriebsrat in Abgrenzung zur Zuständigkeit der Betriebsräte Mitbestimmungsrechte ausübt, die für mehr als nur einen – gegebenenfalls gemäß §§ 3, 4 BetrVG fingierten – Betrieb und bis zur Grenze des Gesamtunternehmens einheitlich auszuüben sind. Die Reichweite der Mitbestimmung vermag indessen ei-nen Bezug zur betrieblichen Ebene nicht in Frage zu stellen. Die Ebene der Betriebe des Unternehmen wird bei einer Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrates für Betrie-be, in denen Betriebsräte amtieren, und Betriebe, die betriebsratslos sind (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG) nicht in Frage gestellt. Schließlich ist der Gesamtbe-triebsrat auch bei einer Anknüpfung an die Betriebe des Unternehmens für sämtliche Arbeitnehmer des Unternehmens zuständig. Kein Betrieb des Unternehmens unter-fällt aufgrund der Regelung des § 4 Abs. 2 BetrVG über die Zurechnung von Kleinbe-trieben zu einem Hauptbetrieb nicht der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats280 und es ist jeder Arbeitnehmer des Arbeitgeberunternehmens einem Betrieb zugeordnet. Dies folgt entweder aus einer räumlichen Eingliederung in den Betrieb oder aus einer funktionalen Zuordnung zum Betrieb281. Letztere hat der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung282 der neugefassten Regelung über den Arbeitnehmerbeg-riff in § 5 Abs. 1 Satz 1 zugrunde gelegt. Danach gelten als Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes Arbeiter und Angestellte, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden. Das Gesetz folgt damit – wenn auch im Zusammenhang mit dem Arbeitnehmerbegriff systema-tisch verfehlt – hinsichtlich der Betriebszugehörigkeit den sog. Ausstrahlungs- oder Entsendungstheorien283, wonach eine Zuordnung zu einem Betrieb möglich ist, so-lange ein Mitarbeiter im Außendienst insbesondere nicht in eine andere Betriebsor-ganisation eingegliedert ist.

Dasselbe Ergebnis folgt aus einer Anwendung des § 4 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG, wenn man Außendienstmitarbeiter als Ein-Mann-Betriebsteile oder Ein-Mann-Betriebe an-

279 Siehe S. 62ff. 280 Eisemann in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 50 BetrVG, Rn. 2; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 29; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 49; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 47, Rn. 22, § 50, Rn. 11a.

281 Vgl. zum funktionalen Betriebsbegriff Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, , § 7, Rn. 70 m.w.N.

282 BT-Drucks. 14/5741, S. 35. 283 Hierzu BAG vom 25.04.1978 – 6 ABR 2/77 – AP Nr. 16 Internationales Privatrecht, Arbeitsrecht;

BAG vom 07.12.1989 – 2 AZR 228/89 – AP Nr. 27 Internationales Privatrecht, Arbeitsrecht.

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erkennt284. Sind sämtliche Arbeitnehmer eines Unternehmens zugleich den Betrieben eines Unternehmens zuzuordnen, bestehen keine die betriebliche Ebene überschie-ßenden Bereiche des Unternehmens, für die eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebs-rats in Betracht käme.

dd) Zwischenergebnis

Die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats lässt keinen Schluss auf eine Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats für die Ebene des Unternehmens zu. § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nennt zwar eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für An-gelegenheiten des Gesamtunternehmens. Diesen Begriff verwendet das Gesetz in-dessen an anderer Stelle als synonym für die Gesamtheit der Betriebe. Ein Unter-nehmensbezug der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats lässt sich insbesondere nicht den Aufgaben entnehmen, die das Gesetz dem Gesamtbetriebsrat zuweist. Diese entsprechen weitgehend denen des Betriebsrats und überschreiten im Übrigen allenfalls den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Betriebsrats, ohne auf die Ebene des Unternehmens überzugreifen.

4. Zwischenergebnis

Die Mitbestimmungsgegenstände des Gesamtbetriebsrats weisen keinen spezifi-schen Unternehmensbezug auf. Sowohl im Rahmen der Zuständigkeit gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG als auch der gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG nimmt der Gesamtbetriebsrat Mitbestimmungsrechte wahr, die bei fehlender Gesamtbetriebsratsfähigkeit dem Be-triebsrat zustünden. Aus der Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG folgt trotz ih-res Wortlauts nicht, dass Angelegenheiten, für deren Behandlung der Gesamtbe-triebsrat zuständig ist, der Ebene des Unternehmens kraft gesetzlicher Anordnung zugewiesen würden. Aus den Aufgaben des Gesamtbetriebsrats folgt demnach keine Notwendigkeit einer Mitbestimmung für die Ebene des Unternehmens. Vielmehr liegt eine Mitbestimmung in den Betrieben des Unternehmens aufgrund der bei fehlender Gesamtbetriebsratsfähigkeit alternativen Wahrnehmung der Mitbestimmungsgegens-tände durch den Betriebsrat nahe.

III. Kein Widerspruch zur Repräsentationsstufe des Amts

Eine Mitbestimmung auf Unternehmensebene wäre gleichwohl zugrunde zu legen, wenn das Amt des Gesamtbetriebsrats auf der Unternehmensebene angesiedelt wä-re und eine Mitbestimmung von der Unternehmensebene für die betriebliche Ebene einen Widerspruch darstellte.

1. Ansiedelung des Amts auf Unternehmensebene?

Das Gesetz knüpft in den §§ 47ff BetrVG in einer Vielzahl von Regelungen über den Gesamtbetriebsrat an den Begriff des Unternehmens bzw. des Gesamtunterneh-

284 Vgl. Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 313; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 7, Rn. 32.

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mens an. Daraus wird allgemein285, jedoch ohne nähere Begründung, gefolgert, der Gesamtbetriebsrat bestehe auf der Ebene des Unternehmens. Das Gesetz regelt dies indessen nicht ausdrücklich.

a) Voraussetzungen der Errichtung des Gesamtbetriebsrats

§ 47 Abs. 1 BetrVG regelt die Voraussetzungen der Errichtung eines Gesamtbe-triebsrats. Danach ist ein Gesamtbetriebsrat zu errichten, wenn in einem Unterneh-men mehrere Betriebsräte bestehen. Die Regelung wird für eine Anknüpfung des Amts des Gesamtbetriebsrats an das Unternehmen herangezogen.286 Daran trifft zu, dass eine Subsumtion unter die Norm ohne Anknüpfung an das Unternehmen un-möglich ist. Die Grenzen des Unternehmens sind maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob ein Gesamtbetriebsrat zu errichten ist. Ohne Anknüpfung an den Begriff des Unternehmens käme die Errichtung eines Gesamtbetriebsrats nicht in Betracht. Es könnte nicht beurteilt werden, ob eine relevante Anzahl von Betriebsräten in „ei-nem“ Unternehmen besteht. Ein Unternehmensbezug der Vorschrift ist nicht zu leug-nen. Allerdings regelt § 47 Abs. 1 BetrVG lediglich, unter welchen Voraussetzungen ein Gesamtbetriebsrat zu errichten ist. Sobald der Gesamtbetriebsrat errichtet ist, ist der Regelungsgehalt des § 47 Abs. 1 BetrVG erschöpft. Die Vorschrift trifft keine Aussagen zu der Frage, auf welcher Ebene die Errichtung des Gesamtbetriebsrats zu erfolgen hat.

b) Legitimation über die Betriebsebene

In einem gewissen Widerspruch zu einer Ansiedelung des Amts auf Unternehmens-ebene steht bereits die Errichtung des Gesamtbetriebsrats durch Entsendung von Mitgliedern aus den Betriebsräten287, § 47 Abs. 2 BetrVG. Eine Legitimation über das Unternehmen findet nicht statt. Es erfolgt nicht etwa eine Wahl zum Gesamtbetriebs-rat durch die Belegschaft des Unternehmens. Vielmehr setzt sich der Gesamtbe-triebsrat aus Mitgliedern der Betriebsräte zusammen, die ihrerseits durch die Wahlen zum Betriebsrat eine demokratische Legitimation auf Ebene des Betriebs erfahren haben. Der Gesamtbetriebsrat ist damit mittelbar durch die Arbeitnehmer der Betrie-be, die einen Betriebsrat gewählt haben, demokratisch legitimiert. Nichts anderes folgt aus der Regelung des § 48 BetrVG über den Ausschluss von Mitgliedern des Gesamtbetriebsrats durch ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer des Unter-nehmens. Da das Gesetz auf die Wahlberechtigung der Arbeitnehmer abstellt, knüpft es wiederum an die Arbeitnehmer der Betriebe des Unternehmens an, weil nur in ihnen ein betriebsverfassungsrechtliches Wahlrecht (zum Betriebsrat) besteht.288

Daran ändert es nichts, dass der Gessamtbetriebsrat keine feststehende Amtszeit

285 Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. D, Rn. 100f; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 47, Rn. 7ff, 18; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 47, Rn. 1.

286 Haas, S. 72. 287 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 208. 288 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 210f.

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hat, sondern eine Dauereinrichtung ist.289 Als Institution überdauert der Gesamtbe-triebsrat zwar die Amtszeit der örtlichen Betriebsräte, nicht aber in seiner Zusam-mensetzung. Die ausschließliche Legitimation über die betriebliche Ebene in der je-weiligen Zusammensetzung des Gremiums stellt eine unlösbare Verknüpfung mit der Ebene der Betriebe des Unternehmens dar.

Allerdings ist eine Legitimation der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats über Wahlen zum Betriebsrat auf betrieblicher Ebene nicht lückenlos. Aus dem Umstand, dass an der Legitimation des Gesamtbetriebsrats allein Arbeitnehmer teilhaben, die einem Betrieb zuzuordnen sind, in dem ein Betriebsrat gewählt ist, und die über die-sen Betriebsrat im Gesamtbetriebsrat repräsentiert sind, hatte eine früher herrschen-de Meinung noch gefolgert, der Gesamtbetriebsrat könne allein für die Arbeitnehmer Mitbestimmungsrechte ausüben, die Betrieben angehören, in denen Betriebsräte er-richtet sind.290 Im Zuge des Betriebsverfassungs-Reformgesetzes aus dem Jahre 2001 hat sich nunmehr der Gesetzgeber durch Einfügung der Regelung in § 50 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG der Gegenauffassung angeschlossen, nach der der Ge-samtbetriebsrat auch für Betriebe ohne Betriebsrat zuständig ist. Da aus diesen Be-trieben keine Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat entsandt werden können, scheint es, als könne die Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats nicht an eine Legitimation über die betriebliche Ebene anknüpfen. Dies trifft nicht zu. Der Gesamtbetriebsrat ist zur Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten für betriebsratslose Betriebe ebenso über die betriebliche Ebene legitimiert, wie für Betriebe, in denen Betriebsräte ge-wählt sind. Entgegen einer bis zur Einfügung der Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG durch das Betriebsverfassungs-Reformgesetz vertretenen Auffas-sung bedarf es zur Legitimation der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats keiner Entsendung von Betriebsratsmitgliedern aus betrieblichen Einheiten. Die Möglichkeit der Wahl eines Betriebsrats und der Entsendung von Mitgliedern in den Gesamtbe-triebsrat genügt und ist gegeben. Die Betriebsverfassung ist auf Fremdbestimmung angelegt.291 Das Betriebsverfassungsgesetz liefert als Parlamentsgesetz, das in ei-nem demokratischen Verfahren zustande gekommen ist, die wesentliche demokrati-sche Legitimation unmittelbar durch den Gesetzgeber.292 Die Wahlen zum Betriebs-rat stellen bloß eine (weitere) binnendemokratische, nicht aber die entscheidende Legitimation der Bestimmung der Entscheidungsträger dar.293 Aufgrund des Mehr-heitsprinzips bei Wahlen zum Betriebsrat und der Entscheidungsfindung in den be-triebsverfassungsrechtlichen Gremien muss es der einzelne Arbeitnehmer ebenso hinnehmen, dass ein anderer Wahlbewerber in den Betriebsrat gewählt wird und Entscheidungen trifft, als es der individuellen Stimmabgabe entspricht, wie dass das jeweilige Mitglied im Betriebsrat oder im Gesamtbetriebsrat überstimmt wird und der 289 Annuß in: Richardi, § 47, Rn. 26f; § 49, Rn. 3; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier,

BetrVG, § 47, Rn. 26; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 47, Rn. 8. 290 BAG vom 16.08.1983 – 1 AZR 544/81 – AP Nr. 5 zu § 50 BetrVG 1972 m.w.N.; a.A. Joost, Betrieb

und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 213f. 291 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 218. 292 Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S.

88ff, 203ff, 206. 293 Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 205f.

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individuelle Wählerwille im Einzelfall nicht in eine Regelung einfließt. Diese bloße Möglichkeit der (mittelbaren) Teilhabe an der Entscheidung ist Kennzeichen der ar-beitnehmerseitigen Legitimation der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmer-vertretungen. Selbst dieser Möglichkeit bedarf es nicht zwingend, um für jeden indi-viduellen Normadressaten eine Unterwerfung unter die Mitbestimmungsordnung und Rechtsetzungshoheit der Betriebsparteien zu begründen. Anderenfalls könnte eine Mitbestimmung nur solche Arbeitnehmer binden, die an den letzten Betriebsratswah-len teilgenommen haben. Für später in den Betrieb eintretende Arbeitnehmer be-stünde diese Legitimation erst nach der erstmaligen Teilnahme an Neuwahlen zum Betriebsrat. Dies sieht das Gesetz nicht vor. Vielmehr unterfallen später dem Betrieb zuzuordnende Arbeitnehmer mit Beginn der Betriebszugehörigkeit der Regelungsle-gitimation der Betriebsparteien. Eine mögliche Teilhabe an der Legitimation bei den nächsten Betriebsratswahlen genügt nach der Konzeption des Gesetzes. Eine solche Möglichkeit besteht indessen in sämtlichen Betrieben des Unternehmens, ohne dass es darauf ankäme, ob bereits ein Betriebsrat gewählt ist oder nicht. Sofern ein Be-triebsrat nicht gewählt ist, besteht jederzeit die Möglichkeit der Wahl eines Betriebs-rats und damit der Teilhabe an der Entscheidungsfindung.294 Aufgrund der Regelung des § 4 Abs. 2 BetrVG gilt dies auch für Kleinstbetriebe.295 Die Legitimation der Ent-scheidungsträger im Gesamtbetriebsrat erfolgt damit über die Ebene der Betriebe. Dies spricht für sich genommen zwar nicht gegen eine Ansiedelung des Amts auf Unternehmensebene, vermag aber ebenso wenig einen betrieblichen Bezug des Amts des Gesamtbetriebsrats zu widerlegen.

c) Stimmengewichtung innerhalb des Gesamtbetriebsrats

Ebenso wie die Legitimation des Gesamtbetriebsrats über die Ebene der Betriebe knüpft die Stimmengewichtung im Gesamtbetriebsrat an die betriebliche Ebene an. Gemäß § 47 Abs. 7 Satz 1 BetrVG hat jedes Mitglied des Gesamtbetriebsrats so vie-le Stimmen, wie in der Wählerliste des entsendenden Betriebs Arbeitnehmer einge-tragen sind. Dem korrespondiert die Regelung des § 47 Abs. 7 Satz 2 BetrVG, wo-nach die Stimmen bei Entsendung mehrerer Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat den entsandten Mitgliedern anteilig zustehen. Entsprechend regelt § 47 Abs. 8 BetrVG, dass im Falle der Entsendung von Mitgliedern für mehrere Betriebe (§ 47 Abs. 5 BetrVG) den entsandten Mitgliedern so viele Stimmen zustehen, wie in den Betrie-ben, für die eine einheitliche Entsendung stattfindet, wahlberechtigte Arbeitnehmer in den Wählerlisten eingetragen sind. Die Stimmen können für den Betrieb bzw. im Fal-le des § 47 Abs. 5 BetrVG für die Betriebe nur einheitlich abgegeben werden.296

Mit der Verknüpfung von Stimmgewichtung im Gesamtbetriebsrat und der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer im entsendenden Betrieb verfolgt der Gesetzgeber das Anliegen einer gerechten Gewichtung der einzelnen Betriebe im Gesamtbe-triebsrat, indem er die unterschiedlichen Belegschaftsstärken der einzelnen Betriebe

294 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 213. 295 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 1, Rn. 103ff. 296 Annuß in: Richardi, § 47, Rn. 74; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 47, Rn. 74.

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berücksichtigt.297 Diese Konzeption vermeidet es, dass sich eine Minderheit gegen-über einer Mehrheit im Gesamtbetriebsrat durchsetzen und dieser eine Regelung auferzwingen kann.

Eine deutliche Verknüpfung mit dem Amt des entsendenden Betriebsrats folgt aus der Anknüpfung an die wahlberechtigten Arbeitnehmer, die in die Wählerliste einge-tragen sind. Das Gesetz lehnt sich für die Stimmgewichtung im Gesamtbetriebsrat eng an die Grundlagen der Legitimation der einzelnen Betriebsräte an. Wählerlisten werden allein anlässlich von Wahlen zum Betriebsrat vom Wahlvorstand aufgestellt. Ihrer bedarf es, um bei Wahlen zum Betriebsrat eine gesicherte Grundlage für die Feststellung des Wahlergebnisses zu haben. Sie geben jedoch nicht die aktuelle Be-legschaftsstärke in den Betrieben wieder. Aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Re-gelung in § 47 Abs. 7, Abs. 8 BetrVG bleiben nachträgliche Veränderungen der Be-legschaftsstärke unberücksichtigt.298 Dies kann insbesondere dann zu Verzerrungen in der Stimmgewichtung führen, wenn die Belegschaftszahlen erheblich steigen oder sinken299, so dass die Wählerliste nicht annähernd die tatsächlichen Verhältnisse wiedergibt. Dass solche Veränderungen auf die Stimmengewichtung im Gesamtbe-triebsrat keinen Einfluss haben, ist ein deutliches Indiz der Anlehnung der Entschei-dungsfindung im Gesamtbetriebsrat an die tatsächliche Legitimation des Betriebsrats und mit ihr an die betriebliche Ebene.

2. Möglichkeit der Mitbestimmung auf Betriebs- auch bei Amt auf Unterneh-mensebene

Es spricht viel dafür, das Amt des Gesamtbetriebsrats nicht auf Unternehmensebene anzusiedeln. Das Gegenteil verlautbart das Gesetz allerdings in einem gänzlich an-deren Regelungszusammenhang durch die Vorschrift in § 107 Abs. 3 Satz 6 BetrVG über die Übertragung der Aufgaben des Wirtschaftsausschusses, in der es heißt: „Ist in einem Unternehmen ein Gesamtbetriebsrat errichtet...“. Anders als § 47 Abs. 1 BetrVG nennt § 107 Abs. 3 Satz 6 BetrVG eine Ebene der Errichtung des Gesamtbe-triebsrats, freilich in einem gänzlich anderen Regelungszusammenhang. Zudem ist der Begriff des Unternehmens in § 107 Abs. 3 Satz 6 BetrVG möglicherweise ebenso wenig ausschlaggebend, wie der Begriff des Gesamtunternehmens in §§ 47 Abs. 6, 50 Abs. 1 BetrVG. Die Aufgaben, die das Gesetz dem Gesamtbetriebsrat zuweist, deuten nicht auf eine überbetriebliche Ebene hin. Gleiches gilt für seine Errichtung in Form einer Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte.300 Einer Arbeitsgemeinschaft der 297 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 47, Rn. 74. 298 Annuß in: Richardi, § 47, Rn. 71; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 47, Rn. 75. 299 Gemäß § 13 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG ist zwar ein neuer Betriebsrat zu wählen, wenn mit Ablauf von

24 Monaten ab dem Tage der Wahl zum Betriebsrat die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeit-nehmer um die Hälfte, mindestens aber um fünfzig, gestiegen oder gesunken ist. Danach bleiben zum einen Veränderungen in der Belegschaftsstärke außerhalb des Stichtages unberücksichtigt, zum anderen bleibt der Betriebsrat bis zum Ablauf seiner regelmäßigen Amtszeit gemäß §§ 21 Satz 5, 22 BetrVG im Amt, auch wenn pflichtwidrig Neuwahlen nicht durchgeführt werden, vgl. Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 13, Rn. 25, § 22, Rn. 11.

300 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 209; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 13.

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Betriebsräte entspricht ebenfalls die Stimmgewichtung im Gesamtbetriebsrat in An-lehnung an die betriebsangehörigen Arbeitnehmer, die in Wählerlisten eingetragen sind. Eine Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte bedarf allerdings keiner Errichtung auf einer anderen Ebene, als der, auf der die Betriebsräte agieren.

Selbst wenn man aber allein aufgrund des Wortlauts des Gesetzes das Amt des Ge-samtbetriebsrats auf der Ebene des Unternehmens ansiedeln wollte, würde daraus eine Ausübung der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats auf der Ebene des Un-ternehmens folgen, nicht aber eine Rechtswirkung der Mitbestimmung des Gesamt-betriebsrats auf der Ebene des Unternehmens. Der Gesamtbetriebsrat könnte ohne weiteres auf der Ebene des Unternehmens für die Ebene der Betriebe des Unter-nehmens mitbestimmen. Bei der Ausübung von Mitbestimmungsrechten knüpfen – wie gezeigt – keine Regelungen an die Ebene des Unternehmens an, die eine Mitbe-stimmung für die Ebene des Unternehmens erfordern könnten.

Wer den Gesamtbetriebsrat als Unternehmensorgan betrachtet, muss eine Aus-übung der Mitbestimmung von der Ebene des Unternehmens für die Betriebe des Unternehmens ohnehin bei der Wahrnehmung der Auftragszuständigkeit gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG anerkennen. Kann der Gesamtbetriebsrat bei Wahrnehmung delegier-ter Aufgaben für die betriebliche Ebene mitbestimmen301, gilt nichts anderes für die Wahrnehmung originärer Kompetenzen. Der einzige Unterschied zwischen der Wahrnehmung originärer und delegierter Zuständigkeiten durch den Gesamtbetriebs-rat besteht darin, dass der Mitbestimmungsgegenstand kraft Gesetzes entweder von vornherein dem Gesamtbetriebsrat zugewiesen ist oder aber in die Zuständigkeit des Betriebsrats fällt und es einer gesonderten Übertragung der Aufgabe durch den zu-ständigen Betriebsrat auf den Gesamtbetriebsrat bedarf. Die unterschiedliche Zu-ständigkeit für bestimmte Mitbestimmungsgegenstände knüpft nicht daran an, dass Mitbestimmungsgegenstände in der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats einen spezifischen Unternehmensbezug aufweisen. Diese Angelegenheiten könnten eben-so durch einen Betriebsrat auf betrieblicher Ebene geregelt werden. Damit besteht keinerlei Unterschied zwischen der Wahrnehmung der originären Zuständigkeit und der Auftragszuständigkeit durch den Gesamtbetriebsrat, der die Möglichkeit einer Ausübung von Mitbestimmungsrechten durch ein etwaiges Unternehmensorgan für die betriebliche Ebene in Frage zu stellen vermöchte.

IV. Unternehmensbezug in Abgrenzung zur Willensbildung in den Betriebsrä-ten

Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung302 muss sich für eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen bei Betriebsveräußerungen eine Unternehmens-identität als räumlicher Geltungsbereich fortsetzen, weil kollektivrechtlicher Bezugs-punkt von Gesamtbetriebsvereinbarungen trotz betriebsbezogener Mitbestimmungs-gegenstände des Gesamtbetriebsrats das Unternehmen sein soll. Ein Verständnis 301 Siehe S. 48. 302 Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 48; Hohenstatt/Müller-

Bonanni, NZA 2003, 766, 770f; Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 932.

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der Gesamtbetriebsvereinbarung als „Bündel“ von Einzelbetriebsvereinbarungen und eine Aufteilung des Geltungsbereichs auf einzelne Betriebe komme nicht in Betracht, da dies einer Zuordnung zum Zuständigkeitsbereich einzelner Betriebsräte korres-pondiere, deren Wille sich im Gesamtbetriebsrat möglicherweise nicht durchgesetzt habe.303

Weshalb die Willensbildung des Rechtsetzungsorgans auf den Bezugspunkt des ge-setzten Rechts schließen lassen soll, bleibt offen. Ohne dies ausdrücklich auszu-sprechen, gehen die Vertreter dieser Auffassung anscheinend davon aus, der Ge-samtbetriebsrat müsse auf einer überbetrieblichen Ebene angesiedelt sein, weil nur auf dieser der Wille der Einzelbetriebsräte überwunden werden könne, und die ge-troffene Regelung müsse auf einer überbetrieblichen Ebene gelten, um dem Rech-nung zu tragen.

Einer solchen Auffassung ist nicht zu folgen. Für eine Betrachtung der Gesamtbe-triebsvereinbarung als Einheit gebündelter Einzelbetriebsvereinbarungen kommt es auf den Willen der Betriebsräte bei der Abstimmung im Gesamtbetriebsrat nicht an. Zum einen ist die Willensbildung im Gesamtbetriebsrat so eng an die Legitimation der Willensbildung auf betrieblicher Ebene angelehnt, dass eine Willensbildung auf einer anderen Ebene fern liegt: Die Willensbildung im Gesamtbetriebsrat lehnt sich an die Verhältnisse der Betriebe mit Betriebsräten an. Das Gremium des Gesamtbe-triebsrats setzt sich aus entsandten Mitgliedern der Betriebsräte zusammen. Die Stimmengewichtung im Gesamtbetriebsrat richtet sich nach der Zahl der wahlberech-tigten Arbeitnehmer der Wählerlisten zur Wahl der Betriebsräte. Die Verknüpfung des Gesamtbetriebsrats mit der betrieblichen Ebene ist derart eng, dass der Gesamtbe-triebsrat als Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte betrachtet werden kann.304

Die Anknüpfung der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats an die Ebene der Be-triebe und der Betriebsräte wird durch einen im Einzelfall entgegenstehenden Willen von Betriebsräten nicht erschüttert. Es trifft zwar zu, dass ein Verständnis der Ge-samtbetriebsvereinbarung als Bündelung von Einzelbetriebsvereinbarungen, die nach Betriebsveräußerungen gegebenenfalls als solche fortgelten sollen305, Betriebs-räten einen Regelungsinhalt zuweisen kann, für den sie als im Gesamtbetriebsrat vertretenes Gremium nicht gestimmt haben.306 Darauf kommt es aber nicht an. Der Wille des Betriebsrats kann allenfalls insofern eine Rolle spielen, als er nicht an ei-nen Regelungsinhalt als von ihm gewollte Regelung gebunden werden soll, gegen die er sich verwahrt hat. Eine solche Situation tritt während der Geltung einer Ge-samtbetriebsvereinbarung nicht ein. Verhandlungspartner der Gesamtbetriebsver-einbarung war und ist der Gesamtbetriebsrat und nicht der Betriebsrat. Der Wille des Betriebsrats ist mangels Zuständigkeit des Betriebsrats zur Behandlung der Angele-genheit unerheblich. 303 Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 771; Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 932. 304 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 209; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 13. 305 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674; hierzu im Einzelnen S. 79ff. 306 Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 771.

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Erst wenn für die geregelte Angelegenheit die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats entfällt und die des Betriebsrats entsteht, sei es aufgrund Wegfalls der Gesamtbe-triebsratsfähigkeit oder Wegfalls der überbetrieblichen Regelungsnotwendigkeit, stellt sich die Frage nach einer Übereinstimmung des Willens des nunmehr zur Behand-lung der Angelegenheit zuständigen Betriebsrats mit dem Regelungsinhalt der Ge-samtbetriebsvereinbarung. Auch zu diesem Zeitpunkt kommt es aber auf eine Über-einstimmung des Willens des Betriebsrats mit dem Regelungsinhalt nicht an. Dass eine solche Übereinstimmung der Regelungsinhalte mit dem Willen des jeweiligen Betriebsrats nicht maßgebend sein kann, zeigt sich bereits bei der Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen trotz Neuwahlen zum Betriebsrat. Nach allgemeiner Auffas-sung gelten Betriebsvereinbarungen nach Neuwahlen zum Betriebsrat fort, ohne dass es darauf ankäme, ob der neu gewählte Betriebsrat dieselbe Regelung verein-bart hätte.307 Bereits deshalb ist es sachfremd, auf eine Willensübereinstimmung der zuständigen Arbeitnehmervertretung mit der geltenden Regelung abzustellen. Der Amtsnachfolger auf Betriebsratsebene kann als Nachfolger in der Funktion308 eine Ablösung erstreben oder die Betriebsvereinbarung kündigen.

Nichts anderes gilt für eine Gesamtbetriebsvereinbarung. Die Möglichkeit der Kündi-gung oder Ablösung fehlt dem Betriebsrat zwar bei einer Gesamtbetriebsvereinba-rung, für deren Ablösung oder Kündigung der Gesamtbetriebsrat (noch) zuständig ist.309 Solange ist der Wille des Betriebsrats aber noch unerheblich. Entfällt aber die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats, entsteht eine Zuständigkeit des Betriebsrats zur Behandlung der Angelegenheit und damit zur Ablösung oder Kündigung der Ge-samtbetriebsvereinbarung.310 Für die Zuständigkeit zur Ablösung oder Kündigung kommt es nicht darauf an, ob eine Arbeitnehmervertretung auf derselben Repräsen-tationsstufe die Betriebs- oder Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossen hat.311 Nach den bislang gewonnenen Erkenntnissen steht einer Ablösung oder Kündigung einer Gesamtbetriebsvereinbarung durch den Betriebsrat nicht entgegen, dass eine Gesamtbetriebsvereinbarung auf einer Repräsentationsebene gilt, auf der der Be-triebsrat nicht agieren kann. Beide Regelungstypen gelten auf derselben Normen-ebene, so dass sie einer wechselseitigen Ablösung zugänglich sind. Gesamtbe-triebsvereinbarungen gelten ebenso wie Betriebsvereinbarungen auf der Ebene der

307 BAG vom 25.04.1978 – 6 ABR 9/75 – AP Nr. 11 zu § 80 BetrVG zur Beteiligungsbefugnis gemäß

§ 83 ArbGG; BAG vom 27.01.1981 – 6 ABR 68/79 – AP Nr. 2 zu § 80 ArbGG 1979; Gus-sen/Dauck, Rn. 71; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 175; Haas, S. 59f; Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 335; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 212; Wollgast, S. 294f.

308 BAG vom 23.09.2003 – 1 ABR 35/02 – NZA 2004, 800, 801; Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 335.

309 BAG vom 11.12.2001 – 1 AZR 193/01 – AP Nr. 22 zu § 50 BetrVG 1972; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 75.

310 BAG vom 11.12.2001 – 1 AZR 193/01 – AP Nr. 22 zu § 50 BetrVG 1972; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 220; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 52, 73; Meyer, DB 2000, 1174, 1177.

311 BAG vom 11.12.2001 – 1 AZR 193/01 – AP Nr. 22 zu § 50 BetrVG 1972; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 220; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 52, 73; Meyer, DB 2000, 1174, 1179; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 16.

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Betriebe des Unternehmens: Der Gesamtbetriebsrat hat in Angelegenheiten mitzu-bestimmen, die bei fehlender Gesamtbetriebsratsfähigkeit dem örtlichen Betriebsrat zugewiesen wären. Umgekehrt nimmt der örtliche Betriebsrat Mitbestimmungsrechte wahr, die im Falle der Gesamtbetriebsratsfähigkeit dem Gesamtbetriebsrat zugewie-sen wären. Ein spezifischer Unternehmensbezug der Mitbestimmungsrechte des Gesamtbetriebsrats ist vom Gegenstand der Mitbestimmung nicht vorgegeben. An-ders wäre es nicht zu erklären, dass der Betriebsrat auf Ebene des Betriebs die An-gelegenheit ebenfalls behandeln kann. Insoweit übt der Gesamtbetriebsrat Funktio-nen des örtlichen Betriebsrats aus. Die Mitbestimmungsgegenstände werden dann, wenn sie dem Gesamtbetriebsrat zugewiesen sind, nicht etwa auf die Ebene des Un-ternehmens transportiert. Dies folgt weder aus dem Wortlaut des Gesetzes, das den Begriff des Gesamtunternehmens mit der Bedeutung der Gesamtheit der Betriebe des Unternehmens verwendet. Noch folgt es aus einer Notwendigkeit der Mitbe-stimmung auf Unternehmensebene, um sämtliche Bereiche, für die der Gesamtbe-triebsrat seine Zuständigkeit wahrzunehmen hat, abzudecken. Schließlich folgte nicht einmal aus einer Ansiedelung des Amts des Gesamtbetriebsrats auf der Ebene des Unternehmens eine Notwendigkeit der Ausübung von Mitbestimmungsrechten und damit der Geltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen im Unternehmen und nicht in den Betrieben des Unternehmens. Gelten Gesamtbetriebsvereinbarungen aber e-benso wie Betriebsvereinbarungen auf der Ebene der Betriebe, ist eine Ablösung oder Kündigung von Gesamtbetriebsvereinbarungen durch den Betriebsrat nach ei-ner Zuständigkeitsverlagerung durch den Betriebsrat ohne weiteres möglich. Damit besteht kein Unterschied zur Geltung von Betriebsvereinbarungen, bei denen nach allgemeiner Auffassung nicht maßgebend ist, ob der Amtsnachfolger dieselbe Rege-lung getroffen hätte.

Dieses Verständnis wird durch den auf einen Einzelbetrieb beschränkten Zuständig-keitsbereich des Betriebsrats nicht erschüttert. Der Betriebsrat vermag eine Ablösung der Gesamtbetriebsvereinbarung zwar nur für die Reichweite seines Zuständigkeits-bereichs herbeizuführen. Im Übrigen kann er die Geltung der Gesamtbetriebsverein-barung nicht beeinflussen. Eine auf den Teil des Geltungsbereichs einer Norm be-schränkte Ablösung ist der Rechtsordnung bei einem engeren Zuständigkeitsbereich des ablösenden Rechtsetzungsorgans aber nicht fremd. So tritt diese Situation im Anwendungsbereich der Regelung des Art. 125a GG bei der Verlagerung von Ge-setzgebungskompetenzen des Bundes auf die Länder ebenso auf, wenn zunächst nur einige Länder von ihrer Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch machen. In die-sen Fällen kommt es ebenfalls zu einer partiellen Verdrängung des Bundesrechts für den Hoheitsbereich des Landesgesetzgebers.312 Es besteht demnach keinerlei Ver-anlassung, auf einen der konkreten Regelung in einer Gesamtbetriebsvereinbarung entgegen stehenden Willen des Betriebsrats abzustellen. Die Willensbildung im Ge-samtbetriebsrat steht der Annahme einer Geltung der Gesamtbetriebsvereinbarung in Betrieben des Unternehmens nicht entgegen.

312 Degenhart in: Sachs, Art. 125a, Rn. 4 m.w.N.; Maunz/Dürig, Art. 125a, Rn. 7, 12; Schmidt-

Bleibtreu in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 125a, Rn. 2,3; Wolff in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Band 3, Art. 125a, Rn. 13.

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V. Zwischenergebnis

Der Gesamtbetriebsrat bestimmt für die Ebene der Betriebe des Unternehmens mit. Ein qualitativer Unterschied von Betriebsvereinbarungen zu Gesamtbetriebsverein-barungen besteht nicht.313 Gesamtbetriebsvereinbarungen gelten in den Betrieben des Unternehmens als räumlichem Geltungsbereich. Eine Geltung im Unternehmen lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Die Mitbestimmungsgegenstände des Ge-samtbetriebsrats sind auf betrieblicher Ebene angesiedelt und weisen keinen Unter-nehmensbezug auf. Die Mitbestimmungsgegenstände sind dieselben, wenn auch quantitativ für einen umfassenderen räumlichen Geltungsbereich. Die Reichweite der Geltung in Betrieben des Unternehmens deckt zugleich sämtliche Unternehmensbe-reiche ab, so dass es einer Geltung im Unternehmen auch unter dem Gesichtspunkt der Reichweite der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nicht bedarf. Für eine Gel-tung in den Betrieben des Unternehmens kann es schließlich offen bleiben, ob das Amt des Gesamtbetriebsrats auf der Ebene des Unternehmens angesiedelt ist. Träfe dies zu, stünde es einer Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats als Unternehmens-organ für die Ebene der Betriebe des Unternehmens nicht entgegen. Schließlich er-fordert die von den einzelnen Betriebsräten unabhängige Willensbildung im Gesamt-betriebsrat keine Geltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen auf einer Ebene, auf der die Willensbildung des Betriebsrats nicht stattfindet, weil es auf den Willen des Betriebsrats für die Geltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung nicht ankommt.

313 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674f; LAG Düsseldorf vom 28.04.2004 –

17 Sa 1952/03 – NZA-RR 2004, 480, 481; Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 70; Gaul, Das Arbeits-recht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 217; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 68.

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E. Voraussetzungen der Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung

Aus den bisher gewonnenen Erkenntnissen lassen sich bereits die Voraussetzungen entnehmen, die an eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen zu stellen sind: Anknüpfungspunkt ist ein Fortbestand ihres räumlichen Geltungsbereichs, mit dem das Regelungssubstrat der Normen erhalten bleibt. Dieser räumliche Geltungs-bereich der Gesamtbetriebsvereinbarung ist der Ebene der Betriebe zuzuordnen. Der Gesamtbetriebsrat ist allerdings gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur originär zu-ständig, wenn der Regelungsgegenstand zumindest eine Mehrheit von Betrieben betrifft. Für den Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs stellen sich daher zwei Fragen: Zum einen, welche Anforderungen an einen Fortbestand des räumli-chen Geltungsbereichs hinsichtlich einer Mehrheit von Betrieben zu stellen sind (au-ßerbetriebliche Voraussetzungen). Zum anderen, welche Voraussetzungen innerhalb des jeweiligen Betriebs erfüllt sein müssen, insbesondere ob eine Identität gewahrt sein muss (innerbetriebliche Voraussetzungen).

I. Außerbetriebliche Voraussetzungen

Im Folgenden werden die Voraussetzungen, die an den Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs über den einzelnen Betrieb hinaus zu stellen sind, näher betrach-tet. Bei Betriebsveräußerungen sind verschiedenste Konstellationen der Verände-rung der Zusammensetzung der bisherigen Betriebe eines Unternehmens denkbar. So können sämtliche oder ein Teil der Betriebe oder auch Betriebsteile314 eines Un-ternehmens auf ein bis zu diesem Zeitpunkt betriebsloses Unternehmen übertragen werden. Ebenso können Betriebe oder Betriebsteile auf ein Unternehmen übertragen werden, das bereits über einen oder mehrere Betriebe verfügt. Dabei ist es für den Geltungsbereich von Gesamtbetriebsvereinbarungen denkbar, dass sämtliche von ihr bisher erfassten Betriebe auf denselben oder verschiedene Erwerber übertragen werden, wie dass nur ein Teil der Betriebe veräußert und gegebenenfalls auf ver-schiedene Erwerber übertragen wird. Innerhalb dieser Konstellationen ist es denkbar, dass beim Erwerber weiterhin mindestens zwei Betriebe mit Betriebsräten bestehen und damit die Gesamtbetriebsratsfähigkeit fortbesteht, wie dass es daran fehlt. Zu-dem können sich Veränderungen in der Zuständigkeit eines etwaigen Gesamtbe-triebsrats beim Erwerber gegenüber den bisherigen Zuständigkeiten beim Veräuße-rer ergeben.

1. Fortbestand der Gesamtbetriebsratsfähigkeit

Zweifelhaft ist es zunächst, ob es für eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinba-rungen als solchen auf einen Fortbestand der Gesamtbetriebsratsfähigkeit ankommt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts315 kommt es für die Fortgel-tung von Gesamtbetriebsvereinbarungen als solchen bei Betriebveräußerungen nicht

314 Vgl. den Sachverhalt von BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 - NZA 2003, 670, 670ff. 315 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 - NZA 2003, 670, 675.

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darauf an, dass das Amt des Gesamtbetriebsrats fortbesteht oder die in der Gesamt-betriebsvereinbarung geregelte Angelegenheit auch beim Erwerber in die Zuständig-keit des Gesamtbetriebsrats fällt. Maßgebend sei allein, dass aus dem Kreis der bis-her von einer Gesamtbetriebsvereinbarung erfassten Betriebe eine gesamtbetriebs-ratsfähige Zahl von Betrieben ausscheidet und von einem bislang betriebslosen Un-ternehmen erworben wird. In diesem Fall bestehe die Notwendigkeit betriebsüber-greifender Koordination als Wesensmerkmal der Gesamtbetriebsvereinbarung fort. Werde nur ein Betrieb auf ein bisher betriebsloses Unternehmen übertragen, gelte die Gesamtbetriebsvereinbarung dagegen als Betriebsvereinbarung fort.316 Teile der Literatur folgen dem uneingeschränkt.317

Die Unterscheidung einer Fortgeltung als Einzel- oder Gesamtbetriebsvereinbarung in Abhängigkeit der Übertragung einer gesamtbetriebsratsfähigen Zahl von Betrieben überzeugt nicht. Gelten Gesamtbetriebsvereinbarungen im Ausgangspunkt in Betrie-ben des Unternehmens, ist damit zwar noch nichts darüber ausgesagt, ob eine be-stimmte Verknüpfung der Betriebe miteinander den Geltungsbereich von Gesamtbe-triebsvereinbarungen prägt. So ist aufgrund der Zuständigkeit des Gesamtbetriebs-rats gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eine Rechtsetzung durch den Gesamtbe-triebsrat im Wege der Gesamtbetriebsvereinbarung zwar nur möglich, wenn eine notwendig überbetrieblich einheitliche Regelung getroffen wird. Im Ausgangspunkt ist aber davon auszugehen, dass Gesamtbetriebsvereinbarungen nicht anders wirken, als eine Vielzahl gleichlautender Betriebsvereinbarungen. Von diesem Ausgangs-punkt gehen auch das Bundesarbeitsgericht und die ihm folgende Literatur aus. Sie stellen auf den Betrieb als Regelungsobjekt der Gesamtbetriebsvereinbarung ab.318

Es überrascht umso mehr, dass das Bundesarbeitsgericht gleichwohl an eine ge-samtbetriebsratsfähige Zahl von Betrieben knüpft. Dabei ist unklar, ob es mit einer „gesamtbetriebsratsfähigen“ Zahl von Betrieben allein eine Mehrzahl von Betrieben oder eine Mehrzahl von Betrieben, deren Betriebsräte trotz der Betriebsveräußerung im Amt bleiben, meint. Nimmt man die Formulierung einer „gesamtbetriebsratsfähi-gen“ Zahl von Betrieben beim Wort, muss die Zahl der übertragenen Betriebe eine Gesamtbetriebsratsfähigkeit begründen können. Dies setzt gemäß § 47 Abs. 1 BetrVG nicht etwa allein die Übertragung einer Mehrzahl von Betrieben voraus. Maßgebend ist, ob unter den übertragenen Betrieben eine Mehrzahl von Betrieben über Betriebsräte verfügt. Letztlich wird dann aber unausgesprochen die Gesamtbe-triebsratsfähigkeit beim Erwerber problematisiert.319 Dieses Verständnis dürfte der 316 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674. 317 Bachner, NJW 2003, 2861, 2863; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 77,

Kania in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 77 BetrVG, Rn. 136; Wahlig/Witteler, AuA 2004, 14, 17f.

318 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 675; ebenso LAG Düsseldorf vom 28.04.2004 – 17 Sa 1952/03 – NZA-RR 2004, 480, 481; Bachner, NJW 2003, 2861, 2863; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 77, Kania in: Erfurter Kommentar zum Ar-beitsrecht, § 77 BetrVG, Rn. 135.

319 Da das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich offen gelassen hat, ob eine Fortgeltung von Gesamtbe-triebsvereinbarungen auch dann in Betracht kommt, wenn der Erwerber bereits über Betriebe ver-fügt, hat es folgerichtig nicht darauf abgestellt, ob beim Erwerber ein Gesamtbetriebsrat zu errich-

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Aussage des Bundesarbeitsgerichts zugrunde liegen, das zugleich darauf abstellt, im Falle der Übertragung einer gesamtbetriebsratsfähigen Zahl von Betrieben sei beim Erwerber alsbald ein neuer Gesamtbetriebsrat zu konstituieren.320 Während es also auf den Fortbestand des Betriebsrats bzw. Gesamtbetriebsrats für eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen nicht ankommen soll321 und auch nicht ankom-men kann322, soll es für die Unterscheidung einer Fortgeltung als Einzel- oder Ge-samtbetriebsvereinbarung gleichwohl auf die Funktion des Rechtsetzungsorgans an-kommen.

Es liegt auf der Hand, dass es zweifelhaft ist, einerseits auf den Fortbestand des Rechtsetzungsorgans zu verzichten – dann kann es denklogisch keine Funktionen dieses Rechtsetzungsorgans geben. Andererseits soll die Qualifizierung des fortgel-tenden Rechts von der – nimmt man den Verzicht auf das Rechtsetzungsorgan ernst, allein hypothetischen – Funktion des Rechtsetzungsorgans abhängen. Bedarf die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen weder eines Betriebsrats noch eines Gesamtbetriebsrats, kann es kaum auf die Funktionen dieser Rechtsetzungsorgane ankommen.

Insbesondere aber trifft es nicht zu, dass bei bestehender Gesamtbetriebsratsfähig-keit ein betriebsübergreifender Koordinationsbedarf bestehe. Ein Bedarf an betriebs-übergreifender Koordination besteht nicht aufgrund der Gesamtbetriebsratsfähigkeit eines Unternehmens, sondern wegen der Notwendigkeit einer betriebsübergreifen-den Regelung. Allein aus den individuellen Besonderheiten bestimmter Angelegen-heiten folgt deren überbetriebliche Bedeutung. Bei bestehender Gesamtbetriebsrats-fähigkeit eröffnet das Betriebsverfassungsrecht für diese Angelegenheiten die Mög-lichkeit und Notwendigkeit betriebsübergreifender Koordination durch den Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung, §§ 50 Abs. 1 Satz 1, 51 Abs. 5, 77 BetrVG. Eine Regelung durch Gesamtbetriebsvereinbarung knüpft damit nicht allein an die Ge-samtbetriebsratsfähigkeit an, sondern darüber hinaus an eine überbetriebliche Rege-lungsnotwendigkeit für den konkreten Regelungsgegenstand. Nur in diesem Fall ist ein Gesamtbetriebsrat zuständig und besteht die betriebsverfassungsrechtliche Mög-lichkeit betriebsübergreifender Koordination. Dies ist indessen keine Frage der Ge-samtbetriebsratsfähigkeit, sondern der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats. Auf die Gesamtbetriebsratszuständigkeit soll es dagegen gerade nicht ankommen.323 Die

ten ist, sondern ob eine gesamtbetriebsratsfähige Zahl von Betrieben übertragen wird und deshalb ein Gesamtbetriebsrat zu errichten ist.

320 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 - NZA 2003, 670, 674f. 321 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 - NZA 2003, 670, 674; LAG Düsseldorf vom 28.04.2004 – 17

Sa 1952/03 - NZA-RR 2004, 480, 481; Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 52; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 175; Haas, S. 36; Kania in: Erfurter Kom-mentar zum Arbeitsrecht, § 77, Rn. 139; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 383; Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 336; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 213; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 11b; Wollgast, S. 307f, 310.

322 Siehe S. 38ff. 323 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 - NZA 2003, 670, 675; Bachner, NJW 2003, 2861, 2863;

Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 77.

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Gesamtbetriebsratsfähigkeit kann aber erst recht kein maßgebendes Kriterium sein, sagt sie doch noch nichts über einen überbetrieblichen Koordinationsbedarf aus. Vor diesem Hintergrund kann der Auffassung nicht gefolgt werden, die eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen als solchen von einer Übertragung einer ge-samtbetriebsratsfähigen Zahl von Betrieben abhängig macht.

2. Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats

Zu untersuchen ist, ob es für die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen als solchen auf eine fortbestehende Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ankommt324 und bei fehlender Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats allein eine Fortgeltung als Betriebsvereinbarung denkbar ist. Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats knüpft an den vom Bundesarbeitsgericht und der ihm folgenden Literatur als maßgebend erachteten betriebsübergreifenden Koordinationsbedarf bei bestehender Gesamtbe-triebsratsfähigkeit325 an, § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Erst bei einer Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ist eine Regelung durch Gesamtbetriebsvereinbarung möglich. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob es auf eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebs-rats allein zum Zeitpunkt des Abschlusses der Gesamtbetriebsvereinbarung oder auch während der Dauer ihrer Geltung ankommt.

Die Verknüpfung der Geltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen mit einer fortbe-stehenden Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ist kein spezifisches Problem bei Betriebsveräußerungen.326 Die Frage einer fortbestehenden Gesamtbetriebsratszu-ständigkeit kann sich bereits bei Veränderungen der Produktionswege im Unterneh-men stellen, wenn etwa die Notwendigkeit einer einheitlichen Arbeitszeitregelung entfällt. Die Gesamtbetriebsratsfähigkeit kann ebenso entfallen, wenn Betriebe aus-gegliedert oder in Betrieben Betriebsräte nicht mehr gewählt werden. Sachgerecht ist in diesen Fällen eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen als solchen, nicht aber in Gestalt von Betriebsvereinbarungen.327 Eine andere Betrachtung ist mit dem Normencharakter nicht vereinbar:

a) Gleichzeitiges Entfallen der Zuständigkeit sämtlicher Arbeitnehmervertretungen

Praktisch kaum denkbar, aber dogmatisch interessant ist die Konstellation des gleichzeitigen Entfallens der Zuständigkeiten sämtlicher Arbeitnehmervertretungen. In diesem Fall zeigt sich besonders deutlich, dass der Fortbestand der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats keine Voraussetzung für die Fortgeltung einer Gesamtbe-triebsvereinbarung als solcher sein kann. 324 Röder/Haußmann, DB 1999, 1754, 1756. 325 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 - NZA 2003, 670, 675; Bachner, NJW 2003, 2861, 2863;

Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 77; Richardi/Kortstock, RdA 2004, 173, 176.

326 Vgl. BAG vom 11.12.2001 – 1 AZR 193/01 - AP Nr. 22 zu § 50 BetrVG 1972; Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 71; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 73.

327 LAG Düsseldorf vom 28.04.2004 – 17 Sa 1952/03 - NZA-RR 2004, 480, 482; Richardi/Kortstock, RdA 2004, 173, 175.

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Dieser Konstellation liegt der Sachverhalt zugrunde, dass in einem Unternehmen sämtliche Betriebsräte gleichzeitig entfallen. Mit dem Wegfall sämtlicher Betriebsräte endet die Gesamtbetriebsratsfähigkeit und mit ihr das Amt des Gesamtbetriebsrats. Der Wegfall des Gesamtbetriebsrats als Rechtsetzungsorgan hat nach der hier ver-tretenen Auffassung auf eine Fortgeltung der Gesamtbetriebsvereinbarung für ihren bisherigen räumlichen Geltungsbereich keinen Einfluss.

Die Frage einer Fortgeltung als Betriebsvereinbarung stellt sich nicht. In einem voll-ständig betriebsratslosen Unternehmen bestehen weder Zuständigkeiten eines Be-triebsrats noch eines Gesamtbetriebsrats. Eine hypothetische Betrachtung der Zu-ständigkeitsverteilung ist nicht möglich. Es hängt allein vom Willen der Arbeitnehmer der Betriebe ab, ob sie einen oder mehrere Betriebsräte wählen würden und es da-durch zu einer Zuständigkeitsverteilung zwischen Betriebsräten und Gesamtbetriebs-rat kommt oder nicht. Wird nicht ein einziger Betriebsrat gewählt, ist ein Wille der Ar-beitnehmer zur Wahl eines oder aber mehrerer Betriebsräte nicht feststellbar. Es wä-re willkürlich, eine Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Betriebsräten und Ge-samtbetriebsrat anzunehmen oder abzulehnen. Tauglicher Anknüpfungspunkt kann allein die bisherige Zuständigkeitsverteilung sein. Gesamtbetriebsvereinbarungen gelten demnach ebenso wie Betriebsvereinbarungen in ihrer bisherigen Gestalt fort, obgleich eine fortbestehende Zuständigkeit des Rechtsetzungsorgans zur Behand-lung der Angelegenheit nicht feststellbar ist.

b) Übergang der Zuständigkeit auf den Betriebsrat

Kommt es damit auf eine fortbestehende Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen als solchen nicht an, stellt sich die Frage, welche Bedeutung es hat, wenn die Zuständigkeit nicht ersatzlos entfällt, sondern ein Betriebsrat zur Behandlung der Angelegenheit zuständig wird. Dies kann der Fall sein, wenn in einem Unternehmen alle Betriebsräte bis auf einen entfallen, das Amt des Gesamtbetriebsrats endet und mit ihm Zuständigkeiten des Gesamtbe-triebsrats auf den verbleibenden Betriebsrat zurück fallen. Gleiches gilt, wenn sich die organisatorische Zusammensetzung der Betriebe ändert, so dass die Notwendig-keit einer betriebsübergreifend einheitlichen Regelung und mit ihr die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zur Behandlung einer konkreten Angelegenheit entfällt, § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

Die entfallende Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats steht auch in diesen Fällen ihrer Fortgeltung als Gesamtbetriebsvereinbarung nicht entgegen.328 Die Zuständig-keit zur Behandlung sämtlicher Angelegenheiten fällt zwar dem verbleibenden Be-triebsrat für seinen örtlichen Zuständigkeitsbereich zu. Auch schließen sich nach der hier vertretenen Auffassung die Zuständigkeiten von Betriebsrat und Gesamtbe-triebsrat gegenseitig aus.329 Mit dem Entfallen der Gesamtbetriebsratszuständigkeit wäre eine Rechtsetzung für die zu regelnde Materie nur noch durch den Betriebsrat möglich. Allein dieser wäre für die Behandlung der in der Gesamtbetriebsvereinba- 328 LAG Düsseldorf vom 28.04.2004 – 17 Sa 1952/03 – NZA-RR 2004, 480, 482. 329 Siehe S. 51.

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rung geregelten Materie zuständig. Darauf kommt es aber nicht an, weil eine Zustän-digkeit des Rechtsetzungsorgans zum Zeitpunkt der Rechtsetzung gegeben sein muss. Nach ihrem Inkrafttreten gelten Normen autonom weiter.

Dieses Verständnis entspricht der allgemeinen staatsrechtlichen Dogmatik zur Normgeltung. Für die Geltung einer Rechtsnorm kommt es auf die Zuständigkeit des Rechtsetzungsorgans zum Zeitpunkt der Rechtsetzung, nicht aber während der ge-samten Geltungsdauer der Norm an.330

Soweit in der Literatur sogar ein ersatzloser Untergang von Gesamtbetriebsvereinba-rungen bei Fortfall der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats angenommen wird331, kann dem nicht gefolgt werden.332 Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen eine Abweichung von dem allgemeinen Verständnis der Geltung von Rechtsnormen für das Betriebsverfassungsrecht geboten wäre. Mit dem Gedanken der Normenkontinu-ität ist eine solche Abweichung nicht vereinbar.

Die Tatsache, dass eine durch den Gesamtbetriebsrat mitbestimmte Regelung wei-terhin gilt, schafft zudem keine Fakten, die einen Untergang der Normen rechtferti-gen könnten. Eines Untergangs der Normen bedürfte es nur, wenn der Betriebsrat durch die fortgeltende Gesamtbetriebsvereinbarung nicht in der Lage wäre, seine Zuständigkeiten auszuüben. Insoweit unterscheidet sich die Situation aber nicht von der nach Neuwahlen zum Betriebsrat, bei der der neu gewählte Betriebsrat auf eine bestehende kollektive Ordnung trifft.333 Ist der Betriebsrat nunmehr zur Behandlung der Angelegenheit zuständig, kann er die geltenden Regelungen kündigen oder ab-lösen. Die Zuständigkeit zur Ablösung und Kündigung steht der Arbeitnehmervertre-tung zu, die zum Zeitpunkt der Ablösung oder Kündigung für die Behandlung der An-gelegenheit zuständig ist.334 Es kommt nicht darauf an, ob eine Arbeitnehmervertre-tung auf derselben Repräsentationsstufe die Betriebs- oder Gesamtbetriebsvereinba-rung abgeschlossen hat.

Eine Fortgeltung der Gesamtbetriebsvereinbarung in Gestalt einer Betriebsvereinba-rung ist zudem nicht geboten, weil sie in betriebsratslosen Betrieben, für die der Ge-samtbetriebsrat gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG zuständig war, sys-

330 BVerfG vom 25.02.1960 – 1 BvR 239/52 – BVerfGE 10, 354, 360; Degenhardt in: Sachs, Art. 72,

Rn. 38; Kirn in: v. Münch/Kunig, Art. 123, Rn. 4; Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 72, Rn. 8; Maunz/Zippelius, S. 342; Oeter in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Band 2, Art. 72 , Rn. 116; Schulze in: Sachs, Art. 123, Rn. 7.

331 Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 71. 332 LAG Düsseldorf vom 28.04.2004 – 17 Sa 1952/03 – NZA-RR 2004, 480, 481; Gaul, Das Arbeits-

recht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 220; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 73.

333 BAG vom 25.04.1978 – 6 ABR 9/75 – AP Nr. 11 zu § 80 BetrVG zur Beteiligungsbefugnis gemäß § 83 ArbGG; BAG vom 27.01.1981 – 6 ABR 68/79 – AP Nr. 2 zu § 80 ArbGG 1979; Gus-sen/Dauck, Rn. 71; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 175; Haas, S. 59f; Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 335; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 212; Wollgast, S. 294f.

334 Siehe S. 75.

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temwidrig wäre.335 Eine Geltung von Betriebsvereinbarungen in Betrieben, in denen zuvor kein Betriebsrat bestanden hat, mutet merkwürdig an. In ihnen besteht zudem keine Notwendigkeit der Fortgeltung als Betriebsvereinbarung, weil für diesen Teil des Geltungsbereichs der Gesamtbetriebsvereinbarung keine Zuständigkeiten des Gesamtbetriebsrats auf die Repräsentationsstufe des Betriebsrats verlagert werden. Entfallen sämtliche Betriebsräte und deshalb ebenfalls der Gesamtbetriebsrat, be-stünde kein Anlass für eine Transformation von Gesamtbetriebsvereinbarungen zu Betriebsvereinbarungen, weil sich die Frage nach einer Verteilung der Zuständigkei-ten in keinem Betrieb des Unternehmens stellt. Nichts anderes gilt für betriebsratslo-se Betriebe, in denen sich die Frage nach Zuständigkeiten des Betriebsrats ebenso wenig stellt. Für diese wirkt das Entfallen der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats wie ein ersatzloser Wegfall des Rechtsetzungsorgans, der einer Fortgeltung von Ge-samtbetriebsvereinbarungen als solchen nicht entgegen steht.

Eine Fortgeltung als Gesamtbetriebsvereinbarung in betriebsratslosen Betrieben, als Betriebsvereinbarung in Betrieben mit Betriebsrat wäre hiernach zwar zu erwägen, weil sie einerseits der Normenkontinuität, andererseits der partiellen Zuständigkeits-verlagerung auf den Betriebsrat Rechnung trägt. Für eine Fortgeltung sowohl als Ge-samtbetriebsvereinbarung als auch als Betriebsvereinbarung gäbe es aber keine dogmatische Erklärung. Eine solche „Verwandelung“ von Rechtsnormen ist der Rechtsordnung auch im Übrigen fremd. Für die staatsrechtliche Parallele bei einer Verlagerung einer Gesetzgebungszuständigkeit vom Bund auf die Länder hat der Verfassungsgeber mit Art. 125a GG sogar eine Fortgeltung von Bundesrecht als Bundesrecht, das durch Landesrecht ersetzt werden kann, ausdrücklich vorgesehen. Es ist demgegenüber keine betriebsverfassungsrechtliche Wertung ersichtlich, die eine Transformation von Gesamtbetriebsvereinbarungen zu Betriebsvereinbarungen ermöglichen oder gar erfordern könnte. Durch den Grundsatz der Maßgeblichkeit der Zuständigkeit des Rechtsetzungsorgans zum Zeitpunkt der Rechtsetzung und die Ablösungsmöglichkeit des Betriebsrats im Umfang seines örtlichen Zuständigkeitsbe-reichs bedarf es einer solchen Konstruktion aber auch nicht. Eine Geltung als Be-triebsvereinbarung oder als Gesamtbetriebsvereinbarung löst keine unterschiedli-chen Rechtsfolgen aus. Der Unterschied ist rein terminologischer Natur.

c) Zwischenergebnis

Gesamtbetriebsvereinbarungen gelten unabhängig von einer fortbestehenden Zu-ständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Behandlung der konkreten Angelegenheit in ihrer bisherigen Gestalt fort. Es besteht kein Anlass, hiervon bei Betriebsveräuße-rungen abzuweichen. Es kommt für eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinba-rungen als solchen nicht darauf an, ob ein Gesamtbetriebsrat beim Erwerber für die Behandlung der in einer Gesamtbetriebsvereinbarung geregelten Angelegenheit zu-ständig ist.

335 A.A. – ohne nähere Begründung - Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspal-

tung, § 25, Rn. 222.

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3. Veränderungen der organisatorischen Zusammensetzung der Betriebe und des bisherigen räumlichen Geltungsbereichs

Kommt es nicht generell auf den Übergang einer gesamtbetriebsratsfähigen Zahl von Betrieben oder eine Zuständigkeit eines Gesamtbetriebsrats beim Erwerber für die Behandlung der Angelegenheit an, so knüpfen Gesamtbetriebsvereinbarungen gleichwohl an Angelegenheiten an, die beim Veräußerer für mehrere oder alle Be-triebe einheitlich geregelt werden mussten. Anderenfalls hätte es beim Inkrafttreten der Gesamtbetriebsvereinbarung an einer Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ge-fehlt. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraus-setzungen in verschiedenen Konstellationen der Ausgliederung von Betrieben beim Veräußerer und der Aufnahme von Betrieben beim Erwerber eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen als solchen ausscheidet.

Sämtlichen Konstellationen ist gemeinsam, dass bei einer Betriebsveräußerung mit jedem Betrieb zumindest ein Teil des bisherigen räumlichen Geltungsbereichs beim Erwerber fortbesteht, wenn die innerbetrieblichen Voraussetzungen einer Fortgeltung der Gesamtbetriebsvereinbarung erfüllt sind. Nach den verbleibenden betrieblichen Strukturen beim Veräußerer richtet es sich, ob außerdem ein Teil des bisherigen räumlichen Geltungsbereichs beim Veräußerer verbleibt. Die verschiedenen Sach-verhaltskonstellationen und ihre Auswirkungen auf den räumlichen Geltungsbereich von Gesamtbetriebsvereinbarungen werden im Folgenden untersucht.

a) Sämtliche Betriebe eines Unternehmens werden auf einen anderen Rechtsträger übertragen

Werden sämtliche Betriebe eines Unternehmens auf einen anderen Rechtsträger übertragen, kann der bisherige räumliche Geltungsbereich von Gesamtbetriebsver-einbarungen vollständig erhalten bleiben, wenn sich auch die innerbetrieblichen Strukturen nicht maßgeblich verändern. Lässt man die innerbetrieblichen Strukturen außer Betracht, verändert sich im betrieblichen Gefüge regelmäßig nichts, wenn der Erwerber bislang über keine Betriebe verfügt hat und sich das Zusammenwirken der betrieblichen Abläufe als organisatorische Verknüpfung der Betriebe miteinander fortsetzt. Verfolgt der Erwerber beispielsweise andere Produktionsmethoden, die sich in Veränderungen beim Zusammenwirken der betrieblichen Abläufe zeigen, stellt sich jedoch die Frage, ob eine bestimmte organisatorische Zusammensetzung der Betriebe von Bedeutung für den Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs einer Gesamtbetriebsvereinbarung ist.

aa) Veräußerung der Betriebe an ein bislang betriebsloses Unternehmen

Im Falle der Veräußerung sämtlicher Betriebe eines Unternehmens an ein bis zu die-sem Zeitpunkt betriebsloses Unternehmens zeigt die Betriebsveräußerung bei Be-trachtung der Zusammensetzung der Betriebe am wenigsten Auswirkungen. Bei der Betrachtung des räumlichen Geltungsbereichs der Gesamtbetriebsvereinbarung kann zwischen Auswirkungen von Veränderungen der organisatorischen Zusam-mensetzung der Betriebe als deren „Verklammerung“ und von Veränderungen des

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quantitativen räumlichen Geltungsbereich als Zahl der in den räumlichen Geltungs-bereich fallenden Betriebe unterschieden werden.

(1) Organisatorische Zusammensetzung der Betriebe

Bestanden beim Erwerber bisher keine Betriebe, findet eine Eingliederung der ver-äußerten Betriebe in ein bestehendes betriebliches Gefüge nicht statt. Gleichzeitig entfällt mit der Veräußerung sämtlicher Betriebe der räumliche Geltungsbereich einer Gesamtbetriebsvereinbarung beim Erwerber vollständig. Der räumliche Geltungsbe-reich der Gesamtbetriebsvereinbarung kann sich auf den Erwerber verschieben und bei ihm unverändert fortsetzen.336 Damit ist der Geltung von Gesamtbetriebsverein-barungen auf der Ebene der Betriebe Rechnung getragen, aber noch nichts über die Bedeutung der organisatorischen Zusammensetzung der Betriebe gesagt. Das Bun-desarbeitsgericht hat dieser Frage keine Bedeutung beigemessen.337

Eine Veränderung der organisatorischen Zusammensetzung der Betriebe kann an-lässlich der Betriebsveräußerung aus veränderten betrieblichen Abläufen im Unter-nehmen des Erwerbers folgen. Bei einer Gesamtbetriebsvereinbarung über die Lage der Arbeitszeit beim Veräußerer, der beispielsweise zeitlich eng zusammenhängen-de und aufeinander abgestimmte Produktionsabläufe verfolgt hat, stellt sich die Fra-ge nach ihrer Fortgeltung bei einem Erwerber, der in den Betrieben zeitlich unabhän-gig voneinander produzieren lässt. Solche Veränderungen in der organisatorischen Zusammensetzung der Betriebe können nur mit Blick auf den jeweiligen Regelungs-gehalt der Gesamtbetriebsvereinbarung beurteilt werden. Der Fortgeltung einer Ge-samtbetriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung etwa könnte eine Ver-änderung des Arbeitszeitgefüges nicht entgegen gehalten werden. Die Beispiele zei-gen, dass Veränderungen der organisatorischen Zusammensetzung der Betriebe allein geeignet sein können, die „Klammerwirkung“ für eine notwendig einheitliche Regelung und damit die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats in Frage zu stellen. Auf die fortbestehende Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats kommt es aber gerade nicht an.338

Es ist eine Frage der Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung, des Wegfalls der Geschäftsgrundlage und der rechtlichen Zulässigkeit einer Erweiterung des Gel-tungsbereichs beim Erwerber, ob diese für eine andere organisatorische Zusammen-setzung der Betriebe Wirkungen entfalten kann.339 Einem Fortbestand des bisherigen räumlichen Geltungsbereichs stehen diese Fragen nicht entgegen. Denklogisch stellt sich die Frage der Bedeutung einer Veränderung der organisatorischen Zusammen-setzung der Betriebe erst zweitrangig. Zunächst muss die Gesamtbetriebsvereinba-rung zumindest für eine „logische Sekunde“ beim Erwerber in den veräußerten Be-trieben gelten, um in einem zweiten Schritt einer auslegenden Geltungsveränderung zugänglich zu sein. In dem Stadium der erstmaligen Geltung beim Erwerber ist der 336 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674. 337 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674. 338 Siehe S. 81ff. 339 Siehe S. 143ff, 148ff.

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räumliche Geltungsbereich der Gesamtbetriebsvereinbarung noch unverändert ge-genüber dem bisherigen räumlichen Geltungsbereich beim Veräußerer. Etwas ande-res ist bei einer Betriebsveräußerung nicht denkbar. Der Erwerber erhält niemals et-was anderes, als der Veräußerer ihm überträgt. Eine Veränderung kann entweder vor dem Inhaberwechsel durch den Veräußerer oder danach durch den Erwerber erfolgen. Der Inhaberwechsel selbst kann keine Veränderungen bewirken, die über den Wechsel in der Inhaberschaft hinaus gehen. Damit besteht keinerlei Anhalts-punkt, den Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs einer Gesamtbetriebsver-einbarung von dem Fortbestand einer bestimmten organisatorischen Zusammenset-zung der Betriebe nach dem Übergang abhängig zu machen.

(2) Quantitative Veränderungen des räumlichen Geltungsbereichs beim Er-werber

Zweifel an einem Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs der Gesamtbe-triebsvereinbarung beim Erwerber entstehen, wenn sich die Reichweite des räumli-chen Geltungsbereichs der Gesamtbetriebsvereinbarung beim Erwerber verändert. In diesen Fällen besteht ein Ausschnitt des bisherigen räumlichen Geltungsbereichs fort, es besteht aber keine vollständige Übereinstimmung des bisherigen räumlichen Geltungsbereichs beim Veräußerer mit dem räumlichen Geltungsbereich beim Er-werber.

Eine Einschränkung des räumlichen Geltungsbereichs einer Gesamtbetriebsverein-barung kann in den Fällen eintreten, in denen die Gesamtbetriebsvereinbarung beim Erwerber in einzelnen Betrieben ihre Gestaltungsaufgabe verliert und gegenstands-los wird. Ein solcher Fall wird aufgrund einer Veränderung der außerbetrieblichen Strukturen kaum in Betracht kommen. So ist eine fortbestehende Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ebenso wenig maßgebend, wie ein Fortbestand der bisherigen organisatorischen Zusammensetzung der Betriebe. Zu einer Einschränkung des räumlichen Geltungsbereichs der Gesamtbetriebsvereinbarung kann es aber kom-men, wenn in einzelnen der übertragenen Betriebe beim Erwerber die innerbetriebli-chen Voraussetzungen für einen Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs nicht erfüllt sind.

Einer Fortgeltung der Gesamtbetriebsvereinbarung in den Betrieben, die als räumli-cher Geltungsbereich fortbestehen, steht eine Einschränkung des räumlichen Gel-tungsbereichs in anderen Betrieben nicht entgegen. Kommt es zu einer Einschrän-kung des räumlichen Geltungsbereichs einer Norm, folgt daraus im Zweifel noch nicht ein Untergang der Norm. Bei unternehmensinternen Umstrukturierungen, die zu einem Ausscheiden von Betrieben aus dem bisherigen räumlichen Geltungsbereich einer Gesamtbetriebsvereinbarung führen, wird eine Fortgeltung der Gesamtbe-triebsvereinbarung in den verbleibenden Betrieben nicht in Abrede gestellt.340 Da die Gesamtbetriebsvereinbarung Angelegenheiten der Betriebe, wenn auch für mehrere 340 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 - NZA 2003, 670, 674; LAG Düsseldorf vom 28.04.2004 – 17

Sa 1952/03 - NZA-RR 2004, 480, 481; Kania in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 77 BetrVG, Rn. 137.

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Betriebe einheitlich regelt, besteht diese Gestaltungsaufgabe in den verbleibenden Betrieben fort.341 Der Gedanke der Kontinuität des Rechts knüpft an den Fortbestand der Gestaltungsaufgabe der Norm für ihr Regelungssubstrat an.342 Dies gilt sogar dann, wenn nur ein Betrieb als räumlicher Geltungsbereich erhalten bleibt.343 Kommt es zu einer Einschränkung des räumlichen Geltungsbereichs der Gesamtbetriebs-vereinbarung beim Erwerber, ist es allein eine Frage der Auslegung der Gesamtbe-triebsvereinbarung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, ob diese auch für ei-nen engeren räumlichen Geltungsbereich sinnvoll Wirkungen entfalten kann.344

Nichts anderes kann für eine Ausdehnung des räumlichen Geltungsbereichs einer Gesamtbetriebsvereinbarung beim Erwerber gelten. Es ist eine Frage der Auslegung, des Wegfalls der Geschäftsgrundlage und der rechtlichen Zulässigkeit einer Erweite-rung des Geltungsbereichs beim Erwerber, ob diese für einen anderen räumlichen Geltungsbereich Wirkungen entfalten kann, die sich erst dann stellt, wenn die Ge-samtbetriebsvereinbarung zumindest für eine „logische Sekunde“ beim Erwerber in den veräußerten Betrieben gilt, um in einem zweiten Schritt einer auslegenden Gel-tungsveränderung zugänglich zu sein. In dieser „logischen Sekunde“ ist der räumli-che Geltungsbereich aber noch unverändert. Eine Einschränkung oder Erweiterung des räumlichen Geltungsbereichs der Gesamtbetriebsvereinbarung steht ihrer Fort-geltung demnach nicht entgegen.

(3) Zwischenergebnis

Werden sämtliche Betriebe eines Unternehmens auf ein bis zu diesem Zeitpunkt be-triebsloses Unternehmen übertragen, besteht bei außerbetrieblicher Betrachtung der räumliche Geltungsbereich fort. Es kommt nicht darauf an, ob sich die organisatori-sche Zusammensetzung der Betriebe verändert oder der bisherige räumliche Gel-tungsbereich verändert wird. Ändern sich diese Umstände beim Erwerber, ist es eine Frage der Auslegung, des Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder eines Untergangs der Gestaltungsaufgabe. Einem Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs einer Gesamtbetriebsvereinbarung stehen solche Veränderungen nicht entgegen.

bb) Veräußerung der Betriebe an ein Unternehmen mit bestehenden Betrie-ben

Komplexer ist die Konstellation der Übertragung sämtlicher Betriebe eines Unter-nehmens auf ein Unternehmen, das bereits über eigene Betriebe verfügt. Es besteht zwar ebenfalls kein räumlicher Geltungsbereich beim Veräußerer fort. Es können aber Zweifel entstehen, ob der räumliche Geltungsbereich beim Erwerber fortbesteht, 341 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 - NZA 2003, 670, 674; LAG Düsseldorf vom 28.04.2004 – 17

Sa 1952/03 - NZA-RR 2004, 480, 481; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 169.

342 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 - NZA 2003, 670, 674; Kreutz in Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 373; Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 341.

343 LAG Düsseldorf vom 28.04.2004 – 17 Sa 1952/03 - NZA-RR 2004, 480, 481. 344 Siehe S. 143ff, 148ff.

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weil dort bereits Betriebe bestehen. Die Übertragung sämtlicher Betriebe eines Un-ternehmens auf ein Unternehmen, das bereits über eigene Betriebe verfügt, kann sich gegenüber einer Übertragung der Betriebe auf ein bislang betriebsloses Unter-nehmen erheblich unterscheiden. Es kann zu weit reichenden Änderungen in der Betriebsorganisation kommen, wenn der Erwerber die betriebliche Organisation des Veräußerers nicht neben seiner eigenen unverändert aufrecht erhält, sondern eine neue einheitliche Organisation aufbaut. Das Bundesarbeitsgericht hat es ausdrück-lich offen gelassen, ob eine Fortgeltung als Gesamtbetriebsvereinbarung auch bei einer Übertragung der Betriebe auf ein Unternehmen in Betracht kommt, das bereits über Betriebe verfügt.345 Teile der Literatur lassen auch in diesen Fällen eine Fortgel-tung von Gesamtbetriebsvereinbarungen zu346, andere erkennen dies allenfalls in Gestalt einer Betriebsvereinbarung an.347

(1) Organisatorische Zusammensetzung der Betriebe

Lässt der Erwerber die bisherige organisatorische Zusammensetzung der Betriebe unangetastet und führt sie neben seiner eigenen fort, besteht grundsätzlich kein Un-terschied zu einer Übertragung der Betriebe auf ein bislang betriebsloses Unterneh-men. Allein der Umstand, dass andere Betriebe bestehen, lässt die übernommenen Betriebe unberührt.

Ebenso ist es aber möglich, dass der Erwerber die bisherige organisatorische Zu-sammensetzung der Betriebe auflöst und gemeinsam mit seinen bisherigen Betrie-ben eine neue organisatorische Zusammensetzung der Betriebe aufbaut. In diesem Fall gilt aber nichts anderes, als bei Veränderungen der organisatorischen Zusam-mensetzung der Betriebe im Falle der Übertragung der Betriebe auf ein betriebsloses Unternehmen.348 Da es auf die Verklammerung der Betriebe durch ihr organisatori-sches Zusammenwirken nicht ankommt349, wie es die Zuständigkeit des Gesamtbe-triebsrats häufig voraussetzen wird, ist es unerheblich, ob der Erwerber die bisherige betriebliche Organisation der Betriebe des Veräußerers neben seiner bisherigen auf-recht erhält oder eine einheitliche Betriebsorganisation bildet. Die Gesamtbetriebs-vereinbarung geht regelmäßig nicht unter, weil ihre Gestaltungsaufgabe in der Rege-lung der Rechtsbeziehungen innerhalb der Betrieben besteht und die Betriebe selbst durch Veränderungen der organisatorischen Zusammensetzung der Betriebe des Unternehmens nicht berührt werden.350 Deshalb besteht auch kein Anlass, eine Fort-geltung allein in Gestalt einer Betriebsvereinbarung zuzulassen, wenn beim Erwerber bereits Betriebe existieren.351 Veränderungen in der organisatorischen Zusammen-setzung der Betriebe unterscheiden sich in diesem Fall nicht von einer solchen Ver-

345 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 675. 346 Bachner, NJW 2003, 2861, 2864; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 169. 347 Lindemann/Simon, BB 2003, 2510, 2514; Wahlig/Witteler, AuA 2004, 14, 18. 348 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 169. 349 Siehe S. 79ff. 350 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 169. 351 Lindemann/Simon, BB 2003, 2510, 2514.

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änderung bei der Übertragung sämtlicher Betriebe auf ein bislang betriebsloses Un-ternehmen, die grundsätzlich nicht für die Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinba-rung als solcher von Bedeutung ist.352

(2) Quantitative Veränderungen des räumlichen Geltungsbereichs beim Er-werber

Weit häufiger als bei der Übertragung sämtlicher Betriebe auf ein bislang betriebslo-ses Unternehmen wird es bei der Übertragung der Betriebe auf ein Unternehmen, das bereits über Betriebe verfügt, zu quantitativen Veränderungen des räumlichen Geltungsbereichs der Gesamtbetriebsvereinbarung kommen.

Einschränkungen des räumlichen Geltungsbereichs können entstehen, wenn Betrie-be des Veräußerers in bestehende Erwerberbetriebe eingegliedert werden und des-halb die innerbetrieblichen Voraussetzungen einer Fortgeltung für diesen bisherigen Betrieb entfallen.353 Da es auf die organisatorische Zusammensetzung der Betriebe nicht ankommt, genügt – nicht anders als im Falle der Betriebsveräußerung auf ein bisher betriebsloses Unternehmen – eine Teilidentität für einen Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs, die bei einer Einschränkung des räumlichen Geltungs-bereichs für die beim Erwerber verbleibenden Betriebe aus dem bisherigen räumli-chen Geltungsbereich beim Veräußerer gewahrt ist.

Aber auch im Falle der Notwendigkeit einer Erweiterung des räumlichen Geltungsbe-reichs der Gesamtbetriebsvereinbarung gilt letztlich nichts anderes, als bei der Über-tragung der Betriebe auf ein bislang betriebsloses Unternehmen. Im Falle der Über-tragung der Betriebe auf ein Unternehmen, das bereits über Betriebe verfügt, wird zwar häufiger die Frage auftreten, ob die Gesamtbetriebsvereinbarung sich über die bisher von ihrem Geltungsbereich erfassten Betriebe hinaus auf weitere Betriebe er-streckt. Ebenso wie im Falle der Übertragung der Betriebe auf ein bisher betriebslo-ses Unternehmen berührt eine etwaige Ausdehnung des räumlichen Geltungsbe-reichs den Fortbestand des bisherigen räumlichen Geltungsbereichs beim Erwerber aber nicht. Die Frage einer Ausdehnung des räumlichen Geltungsbereichs setzt vielmehr eine Fortgeltung in dem bisherigen räumlichen Geltungsbereich voraus und ist insofern zweitrangig. Die Frage einer Veränderung der Reichweite des räumlichen Geltungsbereichs einer Gesamtbetriebsvereinbarung berührt ihre Fortgeltung unter dem Gesichtspunkt des Fortbestands des räumlichen Geltungsbereichs damit nicht.

(3) Amtierender Gesamtbetriebsrat beim Erwerber

Gänzlich außer Betracht gelassen wurde bislang, ob es einer Fortgeltung von Ge-samtbetriebsvereinbarungen des Veräußerers entgegen steht, wenn im Unterneh-men des Erwerbers bereits ein Gesamtbetriebsrat amtiert. In der Literatur354 wird die-

352 Siehe S. 87. 353 Im Einzelnen S. 97ff. 354 Bachner, NJW 2003, 2861, 2864f; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 169;

Wahlig/Witteler, AuA 2004, 14, 18.

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sem Umstand keine Bedeutung beigemessen. Allenfalls bei bestehenden Gesamtbe-triebsvereinbarungen zu demselben Regelungsgegenstand komme es zu einer Ver-drängung der Gesamtbetriebsvereinbarung des Veräußerers.355

Diese Auffassung entspricht dem Regelungsmodell des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB. Danach gelten bisherige kollektivrechtliche Arbeitbedingungen des Veräußerers bei einem Betriebsübergang nicht beim Erwerber des Betriebs fort, wenn bei dem Er-werber bereits kollektivrechtliche Regelungen zu demselben Regelungsgegenstand gelten. Die Regelung ermöglicht eine Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen beim Erwerber.356 Das Gesetz stellt zum einen sicher, dass die Transformation gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nicht anlässlich eines Betriebsübergangs zu einem Be-standsschutz der Regelungen aus Betriebsvereinbarungen führt, der ihnen aufgrund der grundsätzlich jederzeitigen Ablösbarkeit beim Veräußerer nicht zukam.357 Insbe-sondere findet ein Günstigkeitsvergleich nicht statt.358 Zum anderen drückt die Rege-lung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB einen Vorrang der einheitlichen kollektiven Ord-nung beim Erwerber vor dem Bestandsschutz der transformierten Regelungen des Veräußerers aus.359 Ungeachtet der mit der Regelung des § 613a Abs.1 Satz 3 BGB verbundenen – freilich auf staatsrechtlicher Ebene mangels Anordnung einer Trans-formation nicht denkbaren – Auflösung der Kollisionslage zwischen transformierter und kollektivrechtlich geltender Rechtsordnung, entspricht der Regelungsgehalt des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB dem staatsrechtlichen Wertungsmodell, mit dem Eintritt von Normunterworfenen in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Rechtset-zungsorgans die für diesen Bereich geltende Rechtsordnung für maßgeblich zu er-achten, soweit sie auf eine einheitliche Geltung im gesamten Zuständigkeitsbereich angelegt ist.360 Die Vorschrift des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB regelt nach ihrem Wort-laut zwar nicht unmittelbar eine Normenkollisionslage, weil von ihrem Anwendungs-bereich das Konkurrenzverhältnis transformierter zu normativer Geltung erfasst wird. Allerdings setzt eine Transformation eine vorherige kollektivrechtliche Geltung vor-aus. Die Transformation findet bei einer Betriebsveräußerung allein statt, um einen ersatzlosen Untergang dieser bisherigen Rechtsnormen aus Betriebsvereinbarungen zu verhindern. Die Vorschrift des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB regelt damit mittelbar

355 Bachner, NJW 2003, 2861, 2864; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 169;

Wahlig/Witteler, AuA 2004, 14, 18. 356 BAG vom 14.08.2001 - 1 AZR 619/00 - AP Nr. 85 zu § 77 BetrVG 1972; Bauer/v. Steinau-

Steinrück, NZA 2000, 505, 506; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 140; Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 35; Meyer, DB 2000, 1174, 1174; Richardi/Annuß in: Staudinger, § 613a, Rn. 185, 189; Müller-Glöge in: Münchener Kommentar zum BGB, § 613a BGB, Rn. 158.

357 BAG vom 14.08.2001 - 1 AZR 619/00 - AP Nr. 85 zu § 77 BetrVG 1972; vgl. auch Bauer/v. Stei-nau-Steinrück, NZA 2000, 505, 507.

358 BAG vom 14.08.2001 - 1 AZR 619/00 - AP Nr. 85 zu § 77 BetrVG 1972; Hohenstatt in: Willem-sen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 35; Richardi/Annuß in: Staudinger, § 613a, Rn. 185, 189; Müller-Glöge in: Münchener Kommentar zum BGB, § 613a BGB, Rn. 158.

359 BAG vom 14.08.2001 - 1 AZR 619/00 - AP Nr. 85 zu § 77 BetrVG 1972; Bauer/v. Steinau-Steinrück, NZA 2000, 505, 507; Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 35; Richardi/Annuß in: Staudinger, § 613a, Rn. 185, 189.

360 Forsthoff, S. 156 m.w.N.; Merk, S. 346.

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das Verhältnis der bisherigen kollektiven Ordnung beim Veräußerer zur kollektiven Ordnung beim Erwerber.361

Eine Besonderheit der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB besteht indessen darin, dass ein Vorrang der kollektivrechtlichen Ordnung beim Erwerber nur insoweit anerkannt wird, als zu demselben Regelungsgegenstand eine kollektivrechtliche Re-gelung beim Erwerber besteht. Dies ist für den Anwendungsbereich des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB nicht verwunderlich, als die Regelung den individualrechtlich wirken-den Bestandsschutz gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB modifiziert, nicht aber eine Situation unmittelbar kollidierender Normen regelt. Entsprechend dem mit § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB beabsichtigten Bestandsschutz sämtlicher Arbeitsbedingungen beim Veräußerer362 stellte es einen Wertungswiderspruch dar, bereits bei irgendeiner kollektivrechtlichen Regelung beim Erwerber den Bestandsschutz von Arbeitsbedin-gungen anderer Regelungsgegenstände aufzuheben. Diese durch § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB geregelte Frage stellt sich im hier interessierenden Zusammenhang der Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen allerdings nicht. Die Kollision von Gesamtbetriebsvereinbarungen des Veräußerers mit solchen des Erwerbers zu demselben Regelungsgegenstand betrifft die unmittelbare Auflösung einer Normen-konkurrenz, die sich sicherlich an dem Rechtsgedanken des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB und den staatsrechtlichen Grundsatz eines Vorrangs der Rechtsordnung des aufnehmenden Staats anlehnen kann, wenn die Regelung darauf angelegt ist, auch in übernommenen Bereichen zu gelten.363

Im Falle eines amtierenden Gesamtbetriebsrats beim Erwerber stellt sich dagegen vorrangig die Frage, ob der Bestand eines Rechtsetzungsorgans mit einer Zustän-digkeit für das Gesamtunternehmen des Erwerbers nicht die Geltung „fremder“ Rechtsnormen in diesem Zuständigkeitsbereich ausschließt. Mit der Betriebsveräu-ßerung würden die übertragenen Betriebe Teil des Zuständigkeitsbereichs des Ge-samtbetriebsrats des Erwerbers. Gesamtbetriebsvereinbarungen, die der Gesamtbe-triebsrat des Veräußerers abgeschlossen hat, würden im zukünftigen Zuständig-keitsbereich des Gesamtbetriebsrats des Erwerbers fortgelten, der sich gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG automatisch auf die erworbenen Betriebe erstreckt. Lehnt man sich an die Grundsätze der staatlichen Souveränität an, ist es zweifelhaft, ob eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen des Veräußerers im Zuständigkeits-bereich des Gesamtbetriebsrats des Erwerbers in Betracht kommt.

Die Zweifel lassen sich durch die Betriebsbezogenheit des Betriebsverfassungs-rechts ausräumen. Der Bereich, in dem die Grundsätze der Souveränität für den Zu-ständigkeitsbereich des Gesamtbetriebsrats als Rechtsetzungsorgan zum Tragen kommen können, ist der einzelne Betrieb.364 In den einzelnen Betrieben wirkt die

361 BAG vom 14.08.2001 - 1 AZR 619/00 - AP Nr. 85 zu § 77 BetrVG 1972; Hohenstatt in: Willem-

sen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 35; Richardi/Annuß in: Staudinger, § 613a, Rn. 185, 189.

362 Siehe S. 16. 363 Zur Auflösung von Konkurrenzsituationen siehe S. 153ff. 364 Vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 169.

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Rechtsetzung durch den Gesamtbetriebsrat, ebenso wie die des Betriebsrats. Diese Betriebsbezogenheit der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats wird bestätigt durch die Gleichstufigkeit mit dem Betriebsrat, die Legitimation, Zusammensetzung, Wil-lensbildung und Stimmengewichtung des Gesamtbetriebsrats in Anknüpfung an die Betriebe, die es rechtfertigen, den Gesamtbetriebsrat als Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte zu betrachten.365 Ist der Zuständigkeitsbereich des Gesamtbetriebsrats nicht qualitativ ein anderer als der des Betriebsrats, kann für eine Beurteilung von dessen Souveränität nichts anderes gelten.366 Die souveräne Einheit ist der Betrieb. Hat ein Betriebsrat oder/und ein Gesamtbetriebsrat in einem Betrieb eine kollektive Rechtsordnung aufgebaut bzw. besteht die Rechtsmacht hierzu, ist dies Ausdruck der durch das Betriebsverfassungsrecht verliehenen Betriebsautonomie. Die Be-triebsautonomie kann es rechtfertigen, entsprechend den Grundsätzen der staatli-chen Souveränität Rechtsordnungen anderer betrieblicher Einheiten in einem Betrieb abzuwehren.

Noch deutlicher wird die alleinige Betriebsbezogenheit dieses Bereichs der Souverä-nität für den Gesamtbetriebsrat, wenn man sich vor Augen führt, dass eine über den einzelnen Betrieb hinaus gehende Souveränität des Gesamtbetriebsrats allein im Rahmen seiner konkreten Zuständigkeit bemessen werden könnte. Anderenfalls dürfte – dies wird ersichtlich von niemandem vertreten – jede kollektivrechtliche Fort-geltung von Betriebsvereinbarungen bei Übergang eines Betriebs auf ein bereits ge-samtbetriebsratsfähiges Unternehmen unmöglich sein, weil der Gesamtbetriebsrat des Erwerberunternehmens für dieselben Zuständigkeitsbereiche potentiell rechtset-zungsberechtigt wäre. Eine solche These wäre nicht haltbar, da die Souveränität für einen Zuständigkeitsbereich nicht weiter gehen kann, als die auszuübenden Kompe-tenzen selbst. Dass eine Anknüpfung der Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinba-rungen an die konkrete Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zu sachfremden Er-gebnissen führt, wurde bereits aufgezeigt.367 Nichts anderes gilt für eine Anknüpfung an die konkrete Unzuständigkeit des Gesamtbetriebsrats. Die Zuständigkeit des Ge-samtbetriebsrats kann sich kurzfristig verändern, wenn im Unternehmen ein Betriebs-rat oder eine überbetriebliche Regelungsnotwendigkeit entsteht oder entfällt, so dass es zu Zufallsergebnissen führte darauf abzustellen, ob gerade zum Zeitpunkt der Be-triebsveräußerung eine Unzuständigkeit des Gesamtbetriebsrats besteht.

Ist die Souveränität betriebsverfassungsrechtlicher Rechtsetzungsorgane aber be-triebsbezogen zu bestimmen, ist eine Fortgeltung übernommener Gesamtbetriebs-vereinbarungen in den bisherigen Veräußererbetrieben möglich. Die veräußerten Betriebe unterfielen bereits zuvor nicht der Regelungszuständigkeit der Arbeitneh-mervertretungen beim Erwerber. Deren Souveränität beeinträchtigt die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen in den bisherigen Veräußererbetrieben keines-falls. In ihnen kommt eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen in Be-tracht.

365 Siehe S. 72. 366 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 169. 367 Siehe S. 81ff.

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(4) Zwischenergebnis

Es bestehen keine Besonderheiten bei der Übertragung sämtlicher Betriebe eines Unternehmens auf ein Unternehmen, das bereits über Betriebe verfügt. Bei außerbe-trieblicher Betrachtung bleibt der räumliche Geltungsbereich einer bisher beim Ve-räußerer geltenden Gesamtbetriebsvereinbarung erhalten. Ändert sich die organisa-torische Zusammensetzung der Betriebe oder der quantitative räumliche Geltungsbe-reich einer Gesamtbetriebsvereinbarung, gilt die Gesamtbetriebsvereinbarung im Regelfall fort. Ob beim Erwerber bereits ein Gesamtbetriebsrat amtiert, ist für die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen in ihrem bisherigen betrieblichen Geltungsbereich unerheblich.

cc) Zwischenergebnis

Werden sämtliche Betriebe eines Unternehmens auf ein Unternehmen übertragen, besteht bei außerbetrieblicher Betrachtung der räumliche Geltungsbereich von Ge-samtbetriebsvereinbarungen des Veräußerers fort. Es kommt weder darauf an, ob dieses Unternehmen bereits über eigene Betriebe verfügte, noch ob in ihm vor der Betriebsveräußerung ein Gesamtbetriebsrat amtiert hat.

b) Ein Teil der Betriebe eines Unternehmens wird auf einen oder mehrere an-dere Rechtsträger übertragen

Wird ein Teil der Betriebe eines Unternehmens auf denselben anderen oder mehrere andere Rechtsträger übertragen, besteht die Besonderheit, dass ein Teil des bisheri-gen räumlichen Geltungsbereichs der Gesamtbetriebsvereinbarung beim Veräußerer verbleiben kann, während sich ein Teil des räumlichen Geltungsbereichs beim Er-werber fortsetzt.

aa) Aufteilung des Geltungsbereiches

Eine Aufteilung des bisherigen Geltungsbereichs der Gesamtbetriebsvereinbarung steht ihrer Fortgeltung sowohl im Unternehmen des Veräußerers als auch in dem des Erwerbers nicht entgegen. Versteht man die Gesamtbetriebsvereinbarung als eine auf der Ebene der Betriebe des Unternehmens geltende Regelung, besteht der bis-herige räumliche Geltungsbereich fort. Dem korrespondierend besteht die Gestal-tungsaufgabe der Gesamtbetriebsvereinbarung sowohl beim Veräußerer als auch beim Erwerber fort.368

Soweit Teile der Literatur dem entgegen halten, die Gesamtbetriebsvereinbarung könne nicht im Wege einer „Zellteilung“ über die bisherigen Parteien der Gesamtbe-triebsvereinbarung hinaus zwischen weiteren Betriebsparteien gelten, als hätten die-se sie selbst abgeschlossen369, vermag dies nicht zu überzeugen. Diese Auffassung haftet am Akt der Rechtsetzung durch Willenseinigung der Betriebsparteien, berück- 368 Bachner, NJW 2003, 2861, 2864; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 169. 369 Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 776, 770 für den Fall der Fortgeltung einer Betriebsverein-

barung in Betriebsteilen nach einer Spaltung des Betriebes.

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sichtigt jedoch die normative Wirkung nicht hinreichend. Die Norm gilt autonom für ihren Geltungsbereich.370

Ändert sich die Rechtszuständigkeit für den Geltungsbereich, berührt dies die Gel-tung der Norm nicht.371 Ob die jeweiligen Betriebsparteien eine gleichlautende Rege-lung abgeschlossen hätten, ist unerheblich. Dieses Verständnis liegt für den Arbeit-geber als Rechtsetzungsorgan der ganz herrschenden Meinung zugrunde, die eine Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen bei einem Betriebsinhaberwechsel zu-lässt.372

Für den Betriebsrat als Rechtsetzungsorgan wird es von der allgemeinen Auffassung vorausgesetzt, die davon ausgeht, dass bei Neuwahlen zum Betriebsrat die kollekti-ve Ordnung, die die bisherigen Amtsinhaber aufgebaut haben, fortbesteht.373 Die Geltung der Norm hängt vom Fortbestand desselben Rechtsetzungsorgans ebenso wenig ab, wie vom Fortbestand überhaupt eines Rechtsetzungsorgans.374 Die Norm gilt in ihrem jeweiligen Geltungsbereich. Nach dem jeweiligen Geltungsbereich der Norm richtet es sich, wer für den Geltungsbereich die Funktion als Rechtsetzungsor-gan zur Ablösung der Norm inne hat.

Verteilt sich der Geltungsbereich auf die Zuständigkeitsbereiche mehrerer Rechtset-zungsorgane, folgt daraus eine Zuständigkeit einer Mehrzahl von Rechtsetzungsor-ganen für eine etwaige Ablösung der Norm, nicht aber wird die Geltung der Norm in Frage gestellt.375 Ebenso wie dies bei einem Wechsel der Zuständigkeit für die Be-handlung einer Angelegenheit vom Gesamtbetriebsrat auf den Betriebsrat gilt, bei der mehrere Betriebsräte für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich zur Ablösung oder Kündigung einer Gesamtbetriebsvereinbarung zuständig sind376, ist für die Ablösungs- oder Kündigungszuständigkeit mehrerer Gesamtbetriebsräte und Arbeit-geber nach einer Betriebsveräußerung zu entscheiden.

370 Degenhardt in: Sachs, Art. 72, Rn. 38; Kirn in: v. Münch/Kunig, Art. 123, Rn. 4; Maunz in:

Maunz/Dürig, Art. 72 Rn. 8; Maunz/Zippelius, S. 342; Oeter in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Band 2, Art. 72 , Rn. 116; Schulze in: Sachs, Art. 123, Rn. 7.

371 Forsthoff, S. 150; Haas, S. 36; Kelsen, S. 148; Merk, S. 345; Röckl, BB 1993, 1653, 1655; Schneider, S. 308ff; Wiedemann, Anm. zu BAG AP Nr. 28 zu § 2 TVG, AP Nr. 28 zu § 2 TVG; Wolff/Bachof/Stober, S. 302.

372 Siehe Fn. 12. 373 BAG vom 25.04.1978 – 6 ABR 9/75 - AP Nr. 11 zu § 80 BetrVG zur Beteiligungsbefugnis gemäß §

83 ArbGG; BAG vom 27.01.1981 – 6 ABR 68/79 - AP Nr. 2 zu § 80 ArbGG 1979; Gussen/Dauck, Rn. 71; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 175; Haas, S. 59f; Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 335; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 212; Wollgast, S. 294f.

374 Siehe S. 38ff. 375 Nichts anderes sieht der Gesetzgeber in Art. 125a GG für die Ablösung von Bundesrecht durch

Landesrecht vor: Degenhart in: Sachs, Art. 125a, Rn. 4 m.w.N.; Maunz/Dürig, Art. 125a, Rn. 7, 12; Schmidt-Bleibtreu in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 125a, Rn. 2,3; Wolff in: v. Man-goldt/Klein/Starck, Band 3, Art. 125a, Rn. 13.

376 Siehe S. 75f.

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bb) Fortgeltung beim Erwerber

Für eine Fortgeltung der Gesamtbetriebsvereinbarung beim Erwerber gilt nichts an-deres, als bei der Übertragung sämtlicher Betriebe eines Unternehmens. Besteht ein Teil des bisherigen räumlichen Geltungsbereichs beim Veräußerer fort, setzt sich allerdings das betriebliche Gefüge des Veräußerers nicht vollständig beim Erwerber fort. Es bedarf sorgfältiger Prüfung, ob die Regelungen der Gesamtbetriebsvereinba-rung beim Erwerber noch Rechtsfolgen auslösen, die dem Parteiwillen der Betriebs-parteien beim Abschluss der Gesamtbetriebsvereinbarung korrespondieren oder nicht vielmehr eine Gegenstandslosigkeit der Regelung eintritt, wenn sich beim Er-werber nicht die vollständigen betrieblichen Strukturen des Veräußerers fortset-zen.377 Dies ist letztlich nicht eine Frage des räumlichen Geltungsbereichs, sondern der Auslegung, des Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder seltenen Fällen eines Un-tergangs der Gestaltungsaufgabe. Diesbezüglich bestehen keine Unterschiede zu einer Übertragung sämtlicher Betriebe des Unternehmens auf ein anderes Unter-nehmen.

cc) Zwischenergebnis

Wird ein Teil der Betriebe eines Unternehmens auf andere Rechtsträger übertragen, besteht für den Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs wertungsmäßig kein Unterschied zu einer Übertragung sämtlicher Betriebe eines Unternehmens auf einen anderen Rechtsträger. Insbesondere steht es einer Fortgeltung beim Erwerber nicht entgegen, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung zugleich im Unternehmen des Ve-räußerers fortgilt.

4. Zwischenergebnis

Als Zwischenergebnis bleibt damit festzuhalten, dass es für eine Fortgeltung von Ge-samtbetriebsvereinbarungen als solchen nicht darauf ankommt, ob eine Zuständig-keit des Gesamtbetriebsrats für den Regelungsgegenstand der Gesamtbetriebsver-einbarung oder ob eine Gesamtbetriebsratsfähigkeit des Unternehmens fortbesteht. Ebenso wenig ist es entscheidend, ob nach einer Betriebsveräußerung sämtliche, bisher vom räumlichen Geltungsbereich der Gesamtbetriebsvereinbarung erfassten Betriebe bei einem Erwerber fortbestehen. Insoweit gilt nichts anderes als bei unter-nehmensinternen Umstrukturierungen, bei denen sich Einschränkungen oder Erwei-terungen des räumlichen Geltungsbereichs nicht auf die Geltung von Gesamtbe-triebsvereinbarungen auswirken. Gesamtbetriebsvereinbarungen gelten deshalb selbst bei Fortbestand nur eines Betriebs als solche fort. In diesem Fall kommt es auch nicht etwa zu einer Transformation der Gesamtbetriebsvereinbarung zu einer Betriebsvereinbarung.

Im Ergebnis sind damit außerbetriebliche Voraussetzungen an den Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs einer Gesamtbetriebsvereinbarung nicht aufzustellen. Weder Veränderungen der organisatorischen Zusammensetzung der Betriebe noch 377 Siehe S. 143ff.

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der Zahl der Betriebe sind für die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen als solchen von Bedeutung. Bei derartigen Veränderungen des räumlichen Geltungsbe-reichs ist es letztlich eine Frage der fortbestehenden Gestaltungsfunktion der Ge-samtbetriebsvereinbarung, die in Einzelfällen zu einem Untergang der Normen infol-ge Gegenstandslosigkeit führen kann.

II. Innerbetriebliche Voraussetzungen

Ist damit festgestellt, dass außerbetriebliche Voraussetzungen einer Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen nicht bestehen, kommt es darauf an, welche innerbetrieblichen Voraussetzungen an einen Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs von Gesamtbetriebsvereinbarungen aufzustellen sind. Das Bundesarbeitsgericht378 und die ihm folgende Literatur379 knüpfen an einen Fortbestand der Identität des Betriebs an. Da Gesamtbetriebsvereinbarungen nach den bereits gewonnenen Erkenntnissen – nicht anders als Betriebsvereinbarungen – in den Betrieben des Unternehmens gelten, liegt diese Auffassung auf einer Linie mit der ganz herrschenden Meinung zur Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, die auf eine Wahrung der Identität des Betriebs abstellt.380 Die Gegenauffassung hält demgegenüber die Identität des Betriebs nicht für maßgeblich, sondern knüpft an die Gestaltungsaufgabe der Betriebsvereinbarung an, bei deren Fortfall die Betriebsvereinbarung infolge Zweckerreichung untergehe.381

1. Fehlende Relevanz der Veräußerung für innerbetriebliche Umstände

Sowohl eine Anknüpfung der Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen an die Identität des Betriebs als auch an die Gestaltungsaufgabe einer Gesamtbetriebsver-einbarung ist bereits im Ausgangspunkt zweifelhaft. Die Frage einer Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen stellt sich bei Anknüpfung an die Identität des Be-triebs oder die Gestaltungsaufgabe der Norm im Zusammenhang mit dem Inhaber-wechsel nicht.

Veränderungen in dem Betrieb oder Betriebsteil, die über den Wechsel der Inhaber-schaft hinaus gehen, vermag die Übertragung als solche nicht zu begründen. Die Frage eines Fortbestands der Identität des Betriebs oder der Gestaltungsaufgabe einer Gesamtbetriebsvereinbarung stellt sich entweder vor dem Veräußerungsge-schäft bei dem Veräußerer, wenn er einen Betriebsteil veräußert und diesen – damit er als Gegenstand des Veräußerungsgeschäfts überhaupt zur Entstehung gelangt – von dem ursprünglichen Betrieb abtrennt oder er vor der Übertragung eines Betriebs oder Betriebsteils Veränderungen in dem Betrieb oder Betriebsteil vornimmt. Dann ist zu klären, ob aufgrund dieser Veränderungen als unternehmensinterne Umstrukturie-

378 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674. 379 Bachner, NJW 2003, 2861, 2862f; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 169;

Lindemann/Simon, BB 2003, 2510, 2513; Wahlig/Witteler, AuA, 2004, 14, 15ff. 380 Siehe Fn. 12. 381 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 373; Kreutz in: Festschrift

für Kraft, S. 323, 341.

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rung beim Veräußerer eine Geltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen bereits vor dem Betriebsübergang geendet hat.

Oder aber der Veräußerer überträgt einen Betrieb auf einen Erwerber, der – zumin-dest nach der „logischen Sekunde“ des Erwerbs dieses Betriebs – Veränderungen an dem Betrieb vornimmt, diesen gegebenenfalls spaltet oder in andere Betriebe eingliedert. In diesen Fällen kann ebenso wenig eine Geltungsbeendigung von Ge-samtbetriebsvereinbarungen ihre Ursache in der Übertragung des Betriebs finden, sondern allenfalls in der unternehmensinternen Umstrukturierung beim Erwerber.

Schließlich gilt nichts anderes im Falle der Übertragung eines Betriebsteils, den der Erwerber in andere Betriebe eingliedert oder als selbständige Betriebe fortführt. Führt er einen Betriebsteil als selbständigen Betrieb fort, hat eine unternehmensinterne Umstrukturierung beim Veräußerer in Gestalt einer Betriebsspaltung oder Abspaltung eines Betriebsteils die Entstehung des danach veräußerten Betriebsteils bewirkt. Weitere Veränderungen außer dem Wechsel der Inhaberschaft über den entstande-nen Betriebsteil führt die Übertragung des Betriebsteils nicht herbei. Wird der ent-standene Betriebsteil vom Erwerber weitergehend verändert, handelt es sich hierbei um eine unternehmensinterne Umstrukturierung beim Erwerber, die zu derjenigen beim Veräußerer hinzu tritt. Eine Frage des Inhaberwechsels ist dies indessen nicht.

Der Erwerber erhält stets dieselbe Einheit aus materiellen oder immateriellen Betriebsmitteln, die der Veräußerer ihm überträgt. Die Übertragung des Betriebs oder Betriebsteils vermag an der übertragenen Einheit nichts zu verändern als die Inha-berschaft über den Betrieb oder Betriebsteil. Die natürliche oder juristische Person des Betriebsinhabers ist aber kein geeigneter Bezugspunkt einer Bestimmung der Identität des Betriebs oder der Gestaltungsaufgabe einer Gesamtbetriebsvereinba-rung. Davon geht auch die herrschende Meinung aus.382 Dies gilt sowohl für den Austausch des Betriebsinhabers als auch das Hinzutreten eines neuen Inhabers et-wa im Falle einer umwandlungsrechtlichen Spaltung des Unternehmens, in deren Zuge ein Betriebsteil auf das aufnehmende Unternehmen übertragen wird, der Be-trieb im Übrigen aber unverändert als gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen fortgeführt wird.383 Auch in diesem Falle besteht eine einheitliche Leitung für den Be-trieb fort, gegenüber der im Wesentlichen unverändert betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte ausgeübt werden können.384 Die Bipolarität der Betriebsverfas-sung knüpft an eine funktionelle Betrachtung der Betriebsparteien an.385 Betriebsver-fassungsrechtliche Mitwirkungsrechte einer Arbeitnehmervertretung hängen nicht davon ab, wer mitwirkungspflichtige Entscheidungen trifft, sondern ob sie getroffen werden.

382 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 391f. 383 BAG vom 19.11.2003 – 7 AZR 11/03 - AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb; Gaul,

Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 15; Picot/Schnitker, Rn. 251. 384 BAG vom 19.11.2003 – 7 AZR 11/03 - AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb; Pi-

cot/Schnitker, Rn. 251. 385 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 391.

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Es stellt sich allein die Frage, ob unternehmensinterne Umstrukturierungen im Zu-sammenhang mit einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang eine Geltungsbeendi-gung von Gesamtbetriebsvereinbarungen herbeiführen können, indem innerbetriebli-che Umstände verändert werden. Es ist deshalb nicht sachgerecht, die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen im Zusammenhang mit einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang anders zu beurteilen, als bei einer unternehmensinternen Um-strukturierung.386 Ein Identitätsverlust oder eine Gegenstandslosigkeit der Norm wird durch den Inhaberwechsel als solchen nicht herbeigeführt, sondern kann allenfalls im Zusammenhang mit diesem eintreten.

Ein Verlust der Identität des Betriebs oder der Gestaltungsaufgabe der Norm ist da-mit kein spezifisches Problem des Inhaberwechsels. Allerdings tritt es häufig im Zu-sammenhang mit einer Betriebs- oder Betriebsteilübertragung auf und kann – mit der Folge der Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB – von dieser nicht isoliert betrachtet werden. Dies beruht darauf, dass § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB den Zeitpunkt des Betriebsübergangs an die Übernahme der tatsächlichen Lei-tungsmacht durch den Erwerber knüpft.387 Führt der Veräußerer oder der Erwerber den betroffenen Betrieb oder Betriebsteil nicht zumindest für eine Interimsphase in der Gestalt fort, die Gegenstand der Übertragung ist, kann die Umstrukturierung beim Veräußerer oder/und beim Erwerber nicht von dem Akt der Übertragung losge-löst werden. Es liegt ein einheitlich zu betrachtender Fall des Betriebsübergangs vor, bei dem die Grundsätze der Auswirkungen unternehmensinterner Umstrukturierun-gen auf die Geltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen heranzuziehen sind.

2. Auswirkungen unternehmensinterner Umstrukturierungen auf die Fortgel-tung von Gesamtbetriebsvereinbarungen

a) Die Identität des Betriebs

Die Maßgeblichkeit der Wahrung der Identität des Betriebs scheint auf den ersten Blick sachgerecht. Gesamtbetriebsvereinbarungen gelten ebenso wie Betriebsver-einbarungen nicht in irgendwelchen Betrieben, sondern in den Betrieben, für die sie abgeschlossen und in Kraft gesetzt wurden. Die Fortexistenz dieser konkreten Be-triebe scheint maßgeblich für den Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs der Gesamtbetriebsvereinbarung zu sein. Die Fortexistenz mit dem Begriff der Identität zu verbinden, der sprachlich die „Existenz etwas Bestimmten, Individuellen und Un-verwechselbaren“388 ausdrückt, liegt nahe. Fraglich ist indessen, ob damit ein für die Praxis brauchbares und der Normenwirkung gerechtes Abgrenzungskriterium gefun-den ist.

386 So aber Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 51; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 173. 387 BAG vom 20.06.2002 – 8 AZR 459/01 – NZA 2003, 318, 320 m.w.N. 388 Duden, Das große Fremdwörterbuch.

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aa) Betriebsbegriffsbezogene Kriterien der Identität des Betriebs

In der Praxis stößt die Beurteilung der Frage, ob die Identität eines Betriebs gewahrt ist, auf kaum zu unterschätzende Schwierigkeiten. Bei Umstrukturierungen sind eine Vielzahl von Veränderungen eines Betriebs denkbar, die zumindest eine vollständige Übereinstimmung mit den bisherigen Verhältnissen ausschließen. Auf eine vollstän-dige Gleichheit stellt die herrschende Meinung indessen nicht ab. So wurde eine Wahrung der Identität des Betriebs etwa bei dem Ausscheiden eines Unternehmens aus einem Gemeinschaftsbetrieb389, einem vollständigen Austausch der Beleg-schaft390, einem teilweisen Ausscheiden der Belegschaft391, gegebenenfalls einher gehend mit einer Stilllegung eines Betriebsteils oder einer Betriebseinschränkung392, angenommen. Es stellt sich damit die Frage, welche Umstände geeignet sind, einen Verlust der Identität des Betriebs zu begründen, und welche die Betriebsidentität un-angetastet lassen. Regelmäßig werden die Kriterien herangezogen und diskutiert, die gleichzeitig Begriffsmerkmale des arbeitsrechtlichen Betriebsbegriffs sein sollen.393

(1) Betriebszweck

Die Literatur knüpft die Wahrung der Betriebsidentität vereinzelt an den Fortbestand des Betriebszwecks.394 Dies steht im Einklang mit der herrschenden Meinung, die für die Bestimmung des Betriebsbegriffs maßgebend auf arbeitstechnische Betriebs-zwecke abstellt.395

Indessen entspricht es zugleich herrschender Meinung, dass ein Betrieb mehrere arbeitstechnische Zwecke verfolgen kann.396 Durch die denkbare Anknüpfung an mehrere Betriebszwecke ist eine Bestimmung der Betriebsidentität allein durch das Fortbestehen „des“ Betriebszwecks nicht möglich. Es bliebe offen, ob auf ein Fortbe-stehen aller Zwecksetzungen, der qualitativ wesentlichen Zwecksetzungen (welche auch immer dies sein mögen) oder der quantitativ meisten Zwecksetzungen abzu-stellen wäre. Ein Abstellen allein auf den Betriebszweck ist deshalb nicht praktikabel.

Eine Anknüpfung an den Betriebszweck ist zudem nicht statthaft, weil ein Betriebs-zweck ebenso wie die Person des Betriebsinhabers für einen Fortbestand der be-triebsverfassungsrechtlich repräsentierten Einheit nichts aussagt. Ein Betrieb wird

389 BAG vom 19.11.2003 – 7 AZR 11/03 - AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb. 390 LAG Frankfurt (Main) vom 23.08.1956 – III LA 578/55 - DB 1956, 1135, 1135. 391 BAG vom 19.11.2003 – 7 AZR 11/03 - AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb. 392 BAG vom 19.11.2003 – 7 AZR 11/03 - AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb. 393 Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. D, Rn. 69. 394 Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. D, Rn. 69, der auf den durch Be-

triebsmittel verkörperten Betriebszweck abstellt; Wahlig/Witteler, AuA 2004, 14, 15. 395 Vgl. nur Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 1, Rn. 63, m.w.N.; a.A. Joost, Betrieb

und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 52ff, 138, 194ff. 396 BAG vom 05.03.1987 – 2 AZR 623/85 – AP Nr. 30 zu § 15 KSchG 1969; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 1 Rn. 69 m.w.N.

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nicht stillgelegt, wenn sich allein der Betriebszweck ändert.397 Dies folgt bereits aus dem Gesetz selbst. Anderenfalls wäre die Regelung in § 111 Satz 3 Ziffer 4 BetrVG überflüssig. Danach gilt eine grundlegende Änderung des Betriebszwecks als Be-triebsänderung. Die Betriebsstilllegung als Betriebsänderung hat daneben in § 111 Satz 3 Ziffer 1 BetrVG eine eigene Regelung erfahren. Wollte man einen Identitäts-verlust bei einer Änderung des Betriebszwecks annehmen, müsste es sich bei jeder grundlegenden Änderung des Betriebszwecks um eine Stilllegung des Betriebs han-deln, die der Gesetzgeber (bei diesem Verständnis zu Unrecht) als eigenen Tatbe-stand der Betriebsänderung geregelt hat.

Vor allem aber ist dem Betriebsverfassungsrecht nicht zu entnehmen, weshalb der Betrieb als betriebsverfassungsrechtlich relevante Repräsentationseinheit der Arbeit-nehmer in seinem Bestand von dem Fortbestand einer bestimmten Zwecksetzung abhängen sollte. Betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmervertretungen und die ihnen zugeordneten Mitbestimmungsrechte werden zur Wahrnehmung der Interes-sen der Arbeitnehmer schlechthin, nicht aber zur Interessenwahrung bei der Verfol-gung eines bestimmten Zwecks gebildet. Kennzeichnet irgend eine arbeitstechnische Zwecksetzung die betriebsverfassungsrechtlich relevante betriebliche Einheit, folgt nicht aus einem Wechsel der Zwecksetzung das Entstehen einer anderen betriebli-chen Einheit.398 Dient der Betriebsbegriff der Zusammenfassung einer Gruppe von Arbeitnehmern als betriebsverfassungsrechtlich repräsentationsfähige Einheit399, be-deutet ein Wechsel der arbeitstechnischen Zwecksetzung keine Veränderung der zusammengefassten Arbeitnehmergruppe. Die betriebsverfassungsrechtlich relevan-te repräsentationsfähige Einheit bleibt dieselbe. Der Betriebszweck ist deshalb kein taugliches Kriterium zur Bestimmung der Wahrung der Identität des Betriebs.400

(2) Belegschaft

Literatur und Rechtsprechung haben das Bestehen einer Belegschaft teilweise als ein Kennzeichen des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs betrachtet.401 Für die Bestimmung der Betriebsidentität wird – daran anknüpfend – auf die fortbe-stehende Zusammengehörigkeit der Belegschaft und das Fortbestehen einer Be-triebsgemeinschaft abgestellt.402 Nach welchen Kriterien diese Zusammengehörigkeit bzw. Gemeinschaft zu bestimmen sein soll, bleibt offen. Nach dem Betriebsbegriff der herrschenden Meinung soll es auf eine räumliche Verbindung nicht ankommen, sondern eine einheitliche Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten die

397 BAG vom 12.02.1987 – 2 AZR 247/86 - AP Nr. 67 zu § 613a BGB; Gaul, Das Arbeitsrecht der

Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 19. 398 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 18. 399 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 239f. 400 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 19. 401 BAG vom 06.11.1959 – 1 AZR 329/58 – DB 1960, 267, 267; Joost, Betrieb und Unternehmen als

Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 232ff; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmens-spaltung, § 25, Rn. 22.

402 Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. D, Rn. 70; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234; Wahlig/Witteler, AuA 2004, 14, 15.

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Gruppenabgrenzung leisten.403 Ein „Gemeinschaftsgefühl“ wird in der Realität zwar selbst bei räumlicher Verbundenheit kaum feststellbar sein404, so dass es bei einer Zusammenfassung durch einen bestimmten Leitungsapparat noch fern liegender wä-re.

Im Ergebnis ist es indessen nicht zu verkennen, dass der Belegschaft insofern eine besondere Relevanz zukommt, als der Schutzzweck der Betriebsverfassung in der Repräsentation der Belegschaft durch hierzu errichtete Arbeitnehmervertretungen liegt.405 Die Betriebsverfassung ist kein Selbstzweck, sondern Arbeitnehmerschutz-recht. Werden die bisher von einer Arbeitnehmervertretung repräsentierten Arbeit-nehmer weiterhin in einer repräsentationsfähigen Einheit beschäftigt, kann dies unter dem Gesichtspunkt des betriebsverfassungsrechtlichen Schutzzwecks eine Kontinui-tät vermitteln.406

Die Bestimmung der Kontinuität in der Belegschaft stößt allerdings auf praktische Schwierigkeiten. Als maßgebendes Indiz soll eine Veränderung der Arbeitnehmer-zahl dienen, die zugleich die Grundlage einer demokratischen Legitimation der Be-triebsverfassung in ihrer bestehenden Gestalt berühre.407 Eine solche Veränderung festzustellen, ist kaum möglich.

Zum Teil wird angenommen, bei einer Veränderung der Zahl der Arbeitnehmer, die den Schwellenwert gemäß § 13 Abs. 2 Ziffer 1 BetrVG erreiche, trete stets ein Identi-tätsverlust ein.408 Aus § 13 Abs. 2 Ziffer 1 BetrVG folgt das Gegenteil. Danach finden bei einem Absinken oder Ansteigen der Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeit-nehmer innerhalb von 24 Monaten ab dem Tage der Wahl um die Hälfte, mindestens aber um fünfzig, Neuwahlen statt, bis zu deren Durchführung der Betriebsrat im Amt bleibt (§§ 21 Satz 5, 22 BetrVG). Das Gesetz schließt es damit aus, die Identität des Betriebs an den Zahlenverhältnissen gemäß § 13 BetrVG zu bemessen, weil der Be-triebsrat gerade nicht „automatisch“ sein Amt verliert.409 Deshalb ist es sogar zweifel-haft, ob bei einem vollständigen Austausch der Belegschaft die Identität des Betriebs entfällt.410 Diese Schwierigkeiten werden umso größer, als über die quantitative Ver-änderung hinaus die Bestimmung eines relevanten Zeitraums erforderlich ist, inner-halb dem eine Veränderung bedeutsam ist. Dies stellt die Regelung des § 13 Abs. 2 Satz 1 BetrVG klar, wonach eine relevante Veränderung der Größe der Belegschaft

403 Vgl. nur Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 1, Rn. 74f m.w.N.; a.A. Joost, Betrieb

und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 242ff. 404 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 155. 405 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 232ff. 406 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 111, Rn. 82. 407 Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. D, Rn. 70. 408 Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234. 409 Kreßel, BB 1995, 925, 929; vgl. auch Richardi/Kortstock, RdA 2004, 173, 175. 410 LAG Frankfurt/Main vom 23.08.1956 – III LA 578/55 - DB 1956, 1135, 1135; Gaul, Das Arbeits-

recht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 25; nach BAG vom 06.11.1959 – 1 AZR 329/58 - DB 1960, 267, 267 liegt eine Stilllegung bei einem vollständigen Austausch der Beleg-schaft vor, wenn sie mit einer Verlagerung des Standorts einher geht.

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nur dann Neuwahlen erfordert, wenn sie an einem bestimmten Stichtag vorliegt.411 Der Gedanke der demokratischen Legitimation ist zudem zweifelhaft, als die Be-triebsverfassung demokratisch durch das Betriebsverfassungsgesetz als förmliches Parlamentsgesetz legitimiert ist und die Wahlen zum Betriebsrat lediglich eine weite-re Legitimation bewirken.412

Eine Veränderung der Belegschaft in einer bestimmten Anzahl und Zusammenset-zung von Arbeitnehmern kann vor diesem Hintergrund nicht maßgebendes Kriterium sein, um einen Verlust der Identität des Betriebs zu beurteilen. Umgekehrt kann eine Kontinuität der gesamten oder überwiegenden Belegschaft aber zumindest ein ge-wichtiges Indiz für einen Fortbestand der betriebsverfassungsrechtlichen Identität des Betriebs sein, weil der Zweck der betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentation für im Wesentlichen dieselben Arbeitnehmer fortbesteht.413

(3) Betriebsorganisation

Nach dem Betriebsbegriff der herrschenden Meinung ist auf eine organisatorische Einheit abzustellen.414 Dies legt es aus Sicht der herrschenden Meinung nahe, zur Bestimmung der Identität eines Betriebs auf den Fortbestand dieser Organisation zurückzugreifen.415 Hierzu bedarf es jedoch zunächst einer Klärung, anhand welcher Kriterien diese Organisation festzustellen sein soll.

(a) Betriebsmittel- und -abläufe

Zunächst kommt eine Anknüpfung an die Organisation der Betriebsmittel durch de-ren Einbindung in die Arbeitsabläufe in Betracht.416 Dabei bliebe aber unberücksich-tigt, dass es um den Fortbestand betriebsverfassungsrechtlicher Strukturen geht, bei denen die Arbeitnehmer im Mittelpunkt stehen.417 Der Kern der Mitbestimmungsrech-te betriebsverfassungsrechtlicher Arbeitnehmervertretungen besteht in den sozialen Angelegenheiten gemäß §§ 87ff BetrVG, die einer Teilhabe der Arbeitnehmervertre-tungen bei der Festlegung von Arbeitsbedingungen dienen.418 Auch bei der Mitbe-stimmung in personellen Angelegenheiten knüpfen die mitbestimmungsrelevanten Aspekte in erster Linie an die Belange der Arbeitnehmer im Betrieb an, beispielswei-se Verstöße gegen Auswahlrichtlinien in § 99 Abs. 2 Ziffer 2 BetrVG, Nachteile für andere Arbeitnehmer in § 99 Abs. 2 Ziffer 3 BetrVG, Unterbleiben interner Aus-schreibungen in § 99 Abs. 2 Ziffer 5 BetrVG, Störungen des Betriebsfriedens in § 99

411 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 13, Rn. 25; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 13, Rn. 37; Richardi in: Richardi, § 13, Rn. 19. 412 Siehe S. 70. 413 Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. D, Rn. 71. 414 Vgl. nur Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 1, Rn. 63 m.w.N. 415 Wahlig/Witteler, AuA 2004, 14, 15. 416 Ähnlich Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, , Abschn. D, Rn. 69, der aus den

Betriebsmitteln auf den Betriebszweck schließt und diesen für maßgebend erachtet. 417 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 232ff. 418 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 87, Rn. 3.

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Abs. 2 Ziffer 6 BetrVG. Eine Anknüpfung betriebsverfassungsrechtlicher Mitbestim-mungsrechte an die Organisation der Betriebsmittel und Arbeitsabläufe findet aber auch in wirtschaftlichen Angelegenheiten nur ausnahmsweise statt. Gemäß § 111 Satz 3 Ziffern 4 und 5 BetrVG gelten nur grundlegende Änderungen der Betriebsor-ganisation, der Betriebsanlagen oder die Einführung grundlegend neuer Arbeitsme-thoden und Fertigungsverfahren als Betriebsänderungen.

Daraus folgt, dass betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmervertretungen zum ei-nen nur ausnahmsweise bei Fragen der Betriebsorganisation und Arbeitsmethoden zu beteiligen sind. Bereits aus diesem Grund liegt es fern, den Untergang einer be-triebsverfassungsrechtlich relevanten Organisation anzunehmen, wenn der betriebs-verfassungsrechtliche Schutzzweck nur minimal tangiert ist. Zum anderen lässt sich der Regelung in § 111 Satz 3 Ziffer 4 und 5 BetrVG neben der gesonderten Erwäh-nung der Stilllegung des Betriebs in § 111 Satz 3 Ziffer 1 BetrVG entnehmen, dass selbst grundlegende Änderungen von Betriebsorganisation, -anlagen, Arbeitsmetho-den oder Fertigungsverfahren noch keine Stilllegung bedeuten, die einen Verlust der Betriebsidentität mit sich brächten. Hierzu bestünde auch keinerlei Anlass, da be-triebsverfassungsrechtliche Mitwirkungsrechte, die die Betriebsmittel oder Arbeitsme-thoden allenfalls am Rande tangieren, ebenso bestehen bleiben, wie bei einer Ände-rung des Betriebszwecks. Unter betriebsverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ändert sich für die repräsentationsfähige Einheit des Betriebs nichts.

(b) Betriebsleitung in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten

Da die herrschende Meinung die Feststellung eines Betriebs als organisatorische Einheit entscheidend von einer einheitlichen Leitung in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten abhängig macht419, liegt es für die herrschende Meinung nahe, maßgebend auf den Fortbestand dieser einheitlichen Leitung für eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern abzustellen.420 Freilich ist es in der Praxis kaum möglich, die Ebene des Betriebs von der des Unternehmens mit Hilfe der Bestimmung einer Leitungsmacht für Angelegenheiten des Betriebs in Abgrenzung zu solchen des Un-ternehmens zu unterscheiden, wie in kritischen Stellungnahmen zum Betriebsbegriff der herrschenden Meinung nachgewiesen wurde.421

Das Kriterium ist zudem für die Feststellung der Wahrung der Identität des Betriebs nicht brauchbar. Eine rein horizontale Ausweitung des Zuständigkeitsbereichs des bisherigen Leitungsapparats scheidet von vornherein als maßgebendes Kriterium aus. Kommt es auf die Leitung in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten an, könnte eine horizontale Veränderung des Zuständigkeitsbereichs in erster Linie bei Veränderungen in der Belegschaftsgröße erfolgen. Veränderungen in der Beleg- 419 Vgl. nur Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 1, Rn. 71 m.w.N. 420 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 159; Hohenstatt in:

Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. D, Rn. 62, 71. 421 Da es im Rahmen dieser Arbeit zu weit führt, den Betriebsbegriff zu bestimmen, wird insoweit

verwiesen auf die Untersuchung von Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Ar-beitsrecht, S. 200ff.

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schaftsgröße sind – wie die Regelung in § 13 Abs. 2 Ziffer 1 BetrVG zeigt – nicht ge-eignet, eine Wahrung der Identität des Betriebs in Frage zu stellen.422

Nichts anderes gilt für die vertikale Organisationsstruktur in mitbestimmungspflichti-gen Angelegenheiten. Ein Fortbestand der Identität des Betriebs soll nicht mehr an-zunehmen sein, wenn bei Ausübung der Organisations- und Leitungsmacht in sozia-len und personellen Angelegenheiten im Wesentlichen nicht mehr auf Strukturen zu-rückzugreifen wäre, die bereits in einem der Ausgangsbetriebe vorhanden waren und die lediglich an die zukünftig größeren Kapazitäten angepasst werden müssten.423 Es ist nicht ersichtlich, wie eine Veränderung des Betriebs eine vertikale Veränderung der Struktur der bisherigen Leitungsmacht innerhalb des Betriebs bewirken sollte:

Werden Hierarchieebenen unterhalb des bisherigen Leitungsapparats hinzugefügt, entstehen nicht etwa Betriebe im Betrieb, sondern allenfalls innerbetriebliche Einhei-ten wie Betriebsabteilungen. Für den Leitungsapparat in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten bedeutet dies keine qualitative Veränderung. Die Entstehung von Betriebsabteilungen ist eine Frage der arbeitstechnischen Leitung. Der bisherige Lei-tungsapparat in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten wäre nach wie vor für eine – gegebenenfalls quantitativ, und im Übrigen allenfalls arbeitstechnisch verän-derte – betriebliche Einheit zuständig.

Wird der Zuständigkeitsbereich des bisherigen Leitungsapparats auf eine hierar-chisch andere Ebene verlagert, handelt es sich möglicherweise um eine Betriebs-spaltung oder Zusammenfassung von Betrieben oder Betriebsteilen. Diese ändert allerdings für den bisherigen Leitungsapparat qualitativ nichts, sondern hat allenfalls quantitative Auswirkungen, wenn dem Leitungsapparat im neuen (abgespaltenen oder zusammengefassten) Zuständigkeitsbereich eine geringere oder größere Zahl von Arbeitnehmern zuzuordnen ist.

Die Anknüpfung an einen Leitungsapparat, der in mitbestimmungspflichtigen Angele-genheiten zu entscheiden hat, bringt es mit sich, dass sich seine Strukturen inner-halb des Betriebs nicht verändern können. Der Leitungsapparat ist nach der Definiti-on der herrschenden Meinung stets an der „Spitze“ des Betriebs angesiedelt – sonst handelte es sich nicht um einen Betrieb. Innerbetriebliche Veränderungen bedeuten dagegen für diesen Leitungsapparat ausschließlich quantitative Veränderungen, die nicht geeignet sind, einen Identitätsverlust zu begründen. Die Betriebsleitung in mit-bestimmungspflichtigen Angelegenheiten ist damit kein geeignetes Kriterium, diesel-be betriebliche Einheit kennzuzeichnen.

(c) Arbeitstechnische Betriebsorganisation

Veränderungen in der Organisation der betrieblichen Abläufe werden sich häufig in neuen arbeitstechnischen Leitungsstrukturen zeigen. Veränderungen des Betriebs- 422 Siehe S. 102. 423 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 159; Hohenstatt in:

Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. D, Rn. 71.

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zwecks, der Betriebsanlagen oder der Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren können in innerbetrieblichen Organisationseinheiten auftreten, insbesondere in Ar-beitsgruppen oder Betriebsabteilungen. Solche Einheiten können neu eingerichtet werden oder entfallen, Arbeitnehmer können neu zugeordnet werden etc. Für die betriebsverfassungsrechtliche Vertretung der Arbeitnehmer im Betrieb ist dies kei-nesfalls bedeutungslos, wie das Gesetz in der Regelung des § 15 Abs. 1 BetrVG hervorhebt. Gemäß § 15 Abs. 1 BetrVG soll sich der Betriebsrat möglichst aus Ar-beitnehmern der einzelnen Organisationsbereiche und der verschiedenen Beschäfti-gungsarten der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer zusammensetzen. Die Regelung dient der Sachnähe der Arbeitnehmervertretung.424 Diese kann durch Repräsentan-ten der einzelnen Organisationseinheiten die Belange der dort beschäftigten Arbeit-nehmer besonders berücksichtigen.425

Der Wertung des § 15 Abs. 1 BetrVG ist es indessen nicht zu entnehmen, dass Än-derungen der innerbetrieblichen Organisationsbereiche zu einem Verlust der Identität und damit einem Untergang des Betriebs führen. Anders als § 15 Abs. 2 BetrVG ent-hält § 15 Abs. 1 BetrVG keine zwingende Vorschrift.426 Werden Wahlvorschlagslisten bei den Wahlen zum Betriebsrat entgegen § 15 Abs. 1 BetrVG aufgestellt und ent-spricht die Zusammensetzung des Betriebsrats nicht den Vorgaben des § 15 Abs. 1 BetrVG, ist keine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren verletzt, die zur An-fechtung der Wahl gemäß § 19 BetrVG berechtigt.427 Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, sondern ergibt sich zugleich aus der (in der Praxis nicht sel-ten auftretenden) Unmöglichkeit, jede Organisationseinheit durch ein Mitglied im Be-triebsrat zu repräsentieren, insbesondere wenn mehr Organisationseinheiten beste-hen, als Betriebsratsmitglieder in den Betriebsrat zu wählen sind. Führt eine fehlende Repräsentation sämtlicher innerbetrieblicher Organisationseinheiten aber nicht ein-mal zur Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl, kann der Regelung des § 15 Abs. 1 BetrVG nicht entnommen werden, dass spätere Veränderungen dieser Organisati-onseinheiten zum Untergang des Betriebs und mit ihm des Betriebsrats infolge eines Identitätsverlusts führen.

424 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 15, Rn. 7. 425 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 15, Rn. 7. 426 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 15, Rn. 2; Schlochauer in:

Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 15, Rn. 1; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 15, Rn. 14; Thüsing in: Richardi, § 15, Rn. 20.

427 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 15, Rn. 2; Schlochauer in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 50, Rn. 1; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 15, Rn. 14; Thüsing in: Richardi, § 15, Rn. 20.

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Ein Abstellen auf die arbeitstechnische Organisationsstruktur innerhalb des Betriebs ist im Übrigen ebenso wenig geboten, wie ein Abstellen auf den Betriebszweck. Ar-beitstechnische Leitungsstrukturen korrespondieren dem Zweck oder den Zwecken des Betriebs.428 Kann aus den einzelnen arbeitstechnischen Zwecksetzungen nicht auf eine fortbestehende Identität geschlossen werden, gilt dies gleichermaßen für die diesbezüglichen Leitungsstrukturen.429

Schließlich ist die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einem bestimmten arbeits-technischen Zweck im Betrieb nicht maßgebend, weil die betriebsverfassungsrechtli-che Repräsentation durch den Betriebsrat auf der Ebene des Betriebs und nicht in innerbetrieblichen Organisationseinheiten stattfindet.430 Für die Ebene des Betriebs sind innerbetriebliche Organisationseinheiten nicht wesentlich, wie die bloße Appell-funktion der Regelung des § 15 Abs. 1 BetrVG431 zeigt.

(4) Räumliche Verlegung des Betriebs

Unabhängig von der Frage, ob die räumliche Verbindung der Arbeitnehmer für die betriebsverfassungsrechtliche Repräsentation von Bedeutung ist432, stellt sich die Frage, welche Bedeutung eine räumliche Verlegung der – wie auch immer zu be-stimmenden – betrieblichen Einheit auf ihre Identität hat.433 Mit der räumlichen Verle-gung des Betriebs ändert sich allein die geografische Verknüpfung der Produktions- und Arbeitsstätte mit dem Erdboden. Sofern der Betriebszweck – der für sich nicht identitätsbestimmend ist434 - nicht gerade an die geografische Lage des bisherigen Betriebsorts anknüpft (beispielsweise ein Steinbruch, Bergwerk oder Bauernhof), verändert sich mit der räumlichen Verlegung des Betriebs innerhalb der bisherigen Einheit nichts.435 Für die Arbeitnehmer, die gegebenenfalls längere Arbeitswege zu-rückzulegen haben, kann die Verlegung des Betriebs zwar Nachteile bedeuten, die es rechtfertigen, die räumliche Verlegung des Betriebs als Betriebsänderung zu qua-lifizieren, § 111 Satz 3 Ziffer 2 BetrVG.436 Umstände, die von außen auf den Betrieb einwirken, spielen für den Fortbestand der betriebsverfassungsrechtlichen Repräsen-tationseinheit keine Rolle, solange sie nicht zu relevanten Veränderungen innerhalb des Betriebs führen. Ein bodenrechtlicher Bezug des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs ist nicht gegeben. Dies zeigt sich beispielsweise an einer reisenden Schaustellergruppe, die anderenfalls keinen Betriebsrat bilden könnte.437 Da die Ar-beits- und Produktionsgemeinschaft bei einer räumlichen Verlegung des Betriebs am neuen Standort aber im Übrigen unverändert fortgesetzt wird, verändert sich inner- 428 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 21. 429 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 21. 430 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 31. 431 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 15, Rn. 2. 432 Dafür Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 242ff; a.A. die herr-

schende Meinung: Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 1, Rn. 74f m.w.N. 433 Wahlig/Witteler, AuA 2004, 14, 15. 434 Siehe S. 100. 435 Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. D, Rn. 99. 436 BAG vom 17.08.1982 – 1 ABR 40/80 - AP Nr. 11 zu § 111 BetrVG 1972. 437 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 233f.

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halb des Betriebs nichts, was geeignet wäre, seine Identität in Frage zu stellen. Der Ort des Betriebs kann demnach für seinen Fortbestand nicht maßgebend sein.

(5) Typologische Betrachtung

Damit steht fest, dass die bislang zur Bestimmung der Identität des Betriebs heran-gezogenen Kriterien bei isolierter Betrachtung keine Beurteilung der Wahrung der Identität des Betriebs ermöglichen. Andererseits ist es nicht zweifelhaft, dass bei Veränderungen, die sich auf sämtliche oder doch eine Vielzahl der Kriterien auswir-ken, ein neuer Betrieb gegründet und der bisherige stillgelegt wird. Wird etwa eine arbeitstechnische Organisation mit einer im Wesentlichen anderen Belegschaft an einem anderen Ort aufgebaut438, fehlt eine hinreichende Verknüpfung des bisherigen Betriebs mit dem neuen. Wird dagegen im Wesentlichen dieselbe Belegschaft an dem neuen Standort eingesetzt, kann diese eine hinreichende betriebsverfassungs-rechtliche Identität vermitteln.439 Letztlich ist es eine Frage der Betrachtung des Ein-zelfalls, wie viele Umstände sich in welcher Gewichtigkeit verändert haben und wel-che dagegen eine Kontinuität vermitteln. Eine schematische Lösung verbietet sich, weil die Frage, ob „derselbe“ Betrieb fortbesteht, an die Merkmale anknüpft, die den individuellen Betrieb von anderen unterscheiden.440

Es ist insofern eine Gesamtschau geboten, um flexibel auf einzelne Branchen und Strukturmerkmale reagieren zu können.441 Der Betrieb in seinem jeweiligen Bestand zeichnet sich durch eine Vielzahl von Merkmalen aus, die darüber Auskunft geben, ob ein neuer Betrieb errichtet oder der bisherige fortgeführt wird. Bei Dienstleis-tungsbetrieben wird es mehr auf Kundenkontakte und das Know-how der Arbeitneh-mer ankommen als bei einem Produktionsbetrieb, für den Maschinen etc. als mate-rielle Betriebsmittel im Vordergrund stehen.442 Bei einem nach seinem Betriebszweck ortsgebundenen Betrieb kann der Sitz des Betriebs von Bedeutung sein, während diesem Umstand bei einem Betriebszweck, der auf Mobilität gerichtet ist, keine Be-deutung zukommt. Sämtliche Umstände vermögen bei isolierter Betrachtung keinen Verlust der Identität eines Betriebs zu begründen. Sie können dagegen bei typologi-scher Betrachtung zu dem Ergebnis führen, dass Veränderungen bei mehreren oder allen Kriterien keinen Zusammenhang mehr mit dem bisherigen Betrieb erschließen lassen.443 Nur in diesem Fall wäre die Identität entfallen.

Ebenso, wie bei der Beurteilung der Frage, ob im Anwendungsbereich des § 613a BGB ein Betrieb übergeht444, ist mit dem Fehlen eines eindeutigen Kriteriums für die 438 BAG vom 12.02.1987 – 2 AZR 247/86 - AP Nr. 67 zu § 613a BGB. 439 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 111, Rn. 82. 440 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 48. 441 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 13, 48; Hohenstatt in:

Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. D, Rn. 72. 442 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 16. 443 Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. D, Rn. 51. 444 Das Bundesarbeitsgericht stellt für den Anwendungsbereich des § 613a BGB darauf ab, ob nach

den „Umständen des konkreten Falles“ eine organisierte Gesamtheit fortbesteht. Als maßgebliche Umstände zieht das Bundesarbeitsgericht die Art des betreffenden Betriebs, den Übergang der

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Beurteilung der betriebsverfassungsrechtlichen Identität des Betriebs eine Rechtsun-sicherheit verbunden. Dies gilt umso mehr, als es eine weitere Schwierigkeit bedeu-tet, die Vielzahl denkbarer Lebenssachverhalte betriebsbezogener Veränderungen mit ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Relevanz in Einklang zu bringen. So ist etwa selbst eine gravierende Veränderung der arbeitstechnischen Organisation für sich genommen nicht relevant für den Fortbestand des Betriebs und mit ihm des amtie-renden Betriebsrats. Gleiches gilt für eine räumliche Verlagerung der Betriebsstätte. Wird aber zusätzlich eine neue Belegschaft an dem neuen Ort in der neuen Organi-sation eingesetzt, vermögen selbst für sich nicht relevante Umstände einen hinrei-chenden Zusammenhang zum bisherigen Betrieb auszuschließen.445

Im Zusammenhang mit Betriebsveräußerungen kommt hier dem Begriff der Fortfüh-rung eines Betriebs oder Betriebsteils gemäß § 613a BGB eine besondere Bedeu-tung zu. Während für den Begriff der betriebsverfassungsrechtlichen Identität des Betriebs nicht auf den Begriff des Betriebs und der Identität im Sinne des § 613a BGB446 zurückzugreifen ist, führt die Rechtsfolge des § 613a BGB zu einer gesteiger-ten Relevanz der Kriterien des § 613a BGB. Wird eine Einheit im Sinne des § 613a BGB übertragen, steht mit der gesetzlichen Vertragsübernahme der Arbeitsverhält-nisse durch den Erwerber zwingend fest, dass insoweit auch die Belegschaft fortbe-steht. Während Veränderungen der Belegschaft aufgrund der Wertung des § 13 BetrVG betriebsverfassungsrechtlich kaum relevant sein werden, kann eine Kontinui-tät in der Belegschaft gewichtiges Indiz gegen eine Stilllegung des Betriebs sein.447 Der fortbestehende Schutzzweck betriebsverfassungsrechtlicher Repräsentation für eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern kann einen Fortbestand des Betriebsrats ebenso wie eine Fortgeltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen rechtfertigen. Im Falle der Fortführung eines vollständigen Betriebs werden deshalb regelmäßig derart viele Merkmale, die zur Bestimmung der betriebsverfassungsrechtlichen Identität des Betriebs herangezogen werden, fortbestehen, dass die Identität des Betriebs ge-wahrt ist.448

Generell ist es aber zweifelhaft, ob ein Untergang des Betriebs durch Identitätsver-lust eine kollektivrechtliche Fortgeltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen aus-

materiellen Betriebsmittel sowie deren Wert und Bedeutung, den Grad der Ähnlichkeit mit der Be-triebstätigkeit des bisherigen Inhabers, in betriebsmittelarmen Betrieben die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, den Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen sowie die Dauer einer etwaigen Unterbrechung der Betriebstätigkeit an, vgl. BAG vom 16.05.2002 – 8 AZR 416/99 - AP Nr. 237 zu § 613a BGB m.w.N.

445 Vgl. BAG vom 12.02.1987 – 2 AZR 247/86 - AP Nr. 67 zu § 613a BGB; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 50.

446 Vgl. zu den unterschiedlichen Anknüpfungspunkten des Betriebsbegriffs in § 613a BGB und im Betriebsverfassungsrecht Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 367ff.

447 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 111, Rn. 82; Hohenstatt in: Willem-sen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. D, Rn. 71.

448 Gussen, S. 8; Picot/Schnitker, Rn. 250; Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E Rn. 4; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 21, Rn. 39.

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zuschließen vermag. Insbesondere bei Regelungsgegenständen, die darauf angelegt sind, die Betriebszugehörigkeit zu überdauern, wie Sozialplänen, Ruhegeldregelun-gen etc., mutet ein Untergang der Normen mit dem Betrieb merkwürdig an. Ist die Rechtsfolge darauf angelegt, erstmals nach Ausscheiden aus dem Betrieb einzutre-ten, ist es nicht einsichtig, weshalb diese Wirkung im Regelfall nicht auf einer norma-tiven Geltung beruhen können soll.449 Das Kriterium der Wahrung der Identität des Betriebs als generelle Geltungsvoraussetzung beantwortet diese Frage nicht.

bb) Betriebsvereinbarungsbezogene Betrachtung der Identität des Betriebs

Nach einer neueren Strömung in der Literatur450, der sich nunmehr auch das Bun-desarbeitsgericht451 angeschlossen hat, ist ein anderes Verständnis der Identität des Betriebs für die Fortgeltung von (Gesamt-) Betriebsvereinbarungen geboten. Danach soll zwar die Wahrung der Identität des Betriebs maßgebend für die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen sein.452 Diese setze sich jedoch fort, solange die Normen nicht gegenstandslos würden.453 Während das Bundesarbeitsgericht454 die Frage der Gegenstandslosigkeit als Anknüpfungspunkt für die Wahrung der Identität des Betriebs betrachtet, verwendet ein Teil der Literatur beide Begriffe nebeneinan-der455, ohne dies als Widerspruch zu kennzeichnen. Ein anderer Teil der Literatur nimmt dagegen mit der Maßgabe der Gegenstandslosigkeit von einer Notwendigkeit der Identitätswahrung ausdrücklich Abkehr.456 Letztlich handelt es sich um einen rein begrifflichen Unterschied, da die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen im Ergebnis übereinstimmend von ihrer Gegenstandslosigkeit mit Wegfall der Gestal-tungswirkung abhängig gemacht wird.457

Zutreffend dürfte es im Interesse der Rechtsklarheit sein, die Frage der Identität des Betriebs von der nach der Gegenstandslosigkeit begrifflich zu trennen. Dies ergibt sich bereits aus der Argumentation, die für die Maßgabe der Gegenstandslosigkeit verwendet wird: Für eine Fortgeltung bis zum Eintritt der Gegenstandslosigkeit soll 449 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 48; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77,

Rn. 160; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 375; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 214; Worzalla in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 227.

450 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 51; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 165, 174; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 380; Wank in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 2, § 124, Rn. 201.

451 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674. 452 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 174. 453 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 161, 174. 454 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674. 455 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 171, 174 einerseits und Rn. 161 anderer-

seits; Wahlig/Witteler, AuA 2004, 14, 16. 456 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 394; Kreutz in: Festschrift

für Kraft, S. 323, 340f. 457 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 165, 174; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 380.

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bei der Spaltung von Betrieben unter Fortführung der bisherigen Betriebsteile als selbständige Betriebe sprechen, dass der Betriebsrat des Ursprungsbetriebs für den ausgegliederten Betriebsteil ein Übergangsmandat mit den vollen Rechten und Pflichten eines Betriebsrats inne habe, § 21a BetrVG. Dem widerspreche es, wenn der Betriebsrat bei Wahrnehmung des Übergangsmandats nicht auf die bisherigen kollektivrechtlichen Regelungen zurückgreifen könne.458 Hiernach ist zwischen dem Fortbestand des Betriebsratsamts, der Entstehung eines Übergangsmandats und der Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen zu unterscheiden. Der Begriff der Identität des Betriebs wird für den Fortbestand des Betriebsratsamts anders verstan-den, als für die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen. Bleibt bei Wahrung der Identität des Betriebs der Betriebsrat im Amt459, kann es nicht dieselbe Identität des Betriebs sein, bei der „nur“ ein Übergangsmandat des Betriebsrats entsteht und Gesamtbetriebsvereinbarungen gleichwohl aufgrund fortbestehender Wahrung der Identität des Betriebs fortgelten sollen. Derselbe Begriff wird mit einander widerspre-chenden Inhalten belegt.460 Sachgerecht erscheint es, bei einem solchen Verständ-nis den Begriff der Identität des Betriebs von der Frage der Gegenstandslosigkeit einer Gesamtbetriebsvereinbarung zu trennen.

cc) Zwischenergebnis

Der Begriff der Identität ist einheitlich für die Frage des Fortbestands des Betriebs-ratsamts und der kollektiven Ordnung auszufüllen. Die Identität des Betriebs wird durch einen Inhaberwechsel nicht berührt. Ein Verlust der Identität des Betriebs rich-tet sich nach einer typologischen Betrachtung. Maßgebend ist, ob Veränderungen im Betrieb derart gravierend sind, dass nicht mehr „derselben“ Betrieb fortbesteht. Ins-besondere eine Kontinuität in der Belegschaft wird einem Verlust der Identität des Betriebs regelmäßig entgegen stehen.

Ob eine Anknüpfung an die Wahrung der Identität des Betriebs indessen geeignet ist, die Fortgeltung von Rechtsnormen aus (Gesamt-) Betriebsvereinbarungen zu beurteilen, ist zweifelhaft. Verliert ein Betrieb seine Identität, kommt eine Geltungs-beendigung von (Gesamt-) Betriebsvereinbarungen kaum in Betracht, deren Rechts-folge auf eine Gestaltungswirkung nach Untergang des Betriebs oder Ausscheiden aus dem Betrieb angelegt ist. Solche Normen könnten bei einer Anknüpfung an die Identität des Betriebs niemals normativ gestaltend wirken.

458 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 174. 459 BAG vom 19.11.2003 – 7 AZR 11/03 – AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb. 460 Richardi/Kortstock, RdA 2004, 173, 175.

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b) Geltungsbeendigung bei Gegenstandslosigkeit

Knüpft demnach eine im Vordringen befindliche Ansicht461 die Beendigung von Ge-samtbetriebsvereinbarungen nicht mehr an die Wahrung der Identität des Betriebs, sondern an den Eintritt der Gegenstandslosigkeit, bedarf es näherer Betrachtung, unter welchen Voraussetzungen Gesamtbetriebsvereinbarungen gegenstandslos werden. Dies gilt umso mehr, als in diesen Fällen auch eine Transformation gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB zweifelhaft sein kann.462

Eine Gegenstandslosigkeit soll bei einer endgültigen Stilllegung des Betriebs unter Entlassung aller Arbeitnehmer jedenfalls bei solchen Regelungen eintreten, die das Bestehen einer betrieblichen Organisation und in ihr beschäftigter Arbeitnehmer vor-aussetzen.463 Insbesondere Regelungen über die Ordnung des Betriebs, Arbeitszeit, Urlaub, technische Kontrolleinrichtungen oder die Lohngestaltung sollen unter den genannten Voraussetzungen wegen Zweckerreichung gegenstandslos werden.464 Maßgebend sei, dass diese Regelungen den Bestand einer Aktivbelegschaft voraus-setzten.465 Sobald die Gesamtheit der Arbeitsverhältnisse beendet oder durch Ver-setzungen die Zugehörigkeit zum Betrieb aufgelöst sei, entfalle die Gestaltungswir-kung solcher Betriebsvereinbarungen.466 Bei Betriebsvereinbarungen, die nach ihrem Gegenstand darauf angelegt sind, Rechtsverhältnisse auch nach dem Untergang des Betriebs zu gestalten, wie Regelungen in Sozialplänen, über betriebliche Altersver-sorgung, nachvertragliche Wettbewerbsverbote oder Werkmietwohnungen, trete da-gegen mit dem Untergang des Betriebs keine Gegenstandslosigkeit ein, die zum Un-tergang der Betriebsvereinbarung führe.467 Für die Beurteilung einer Gegenstandslo-sigkeit wird also zunächst danach unterschieden, ob der Regelungsgegenstand der Betriebsvereinbarung eine aktiv tätige Belegschaft voraussetzt.

Umstritten ist es, ob für die Frage der Gegenstandslosigkeit einer Gesamtbetriebs-vereinbarung, deren Regelungsgegenstand den Bestand einer aktiv tätigen Beleg-schaft voraussetzt, in einem weiteren Schritt nach der konkreten betrieblichen Um-strukturierungsmaßnahme zu unterscheiden ist.

461 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674; Bachner, NJW 2003, 2861, 2865;

Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 48ff; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 165, 174; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 380; Worzal-la in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 227.

462 Siehe S. 152. 463 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 160; Kreutz in: Festschrift für Kraft, S.

323, 340; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 374; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 214.

464 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 160; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 374.

465 Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 340. 466 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 374. 467 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 48; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77,

Rn. 160; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 375; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 214; Worzalla in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 227.

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Nach einer Auffassung tritt bei Betriebsspaltungen, Betriebsabspaltungen, der Ein-gliederung von Betriebsteilen oder der Zusammenfassung von Betrieben eine Ge-genstandslosigkeit nur dann ein, wenn die Regelungen in der neuen Organisation aufgrund veränderter tatsächlicher Umstände nicht mehr angewendet werden kön-nen und sich dadurch erledigen468 oder im Falle der Eingliederung eines Betriebs im aufnehmenden Betrieb bereits entgegenstehende Regelungen zur konkret geregel-ten Materie gelten.469 Bei einer Eingliederung oder einer Zusammenfassung von Be-trieben entspreche der räumliche Geltungsbereich dem bisherigen personellen Gel-tungsbereich der Regelung.470 Die Beurteilung der Gegenstandslosigkeit komme der Abgrenzung des bisherigen personellen Geltungsbereichs der Regelung gleich.471 Auf eine räumliche oder organisatorische Abgrenzbarkeit des bisherigen Geltungsbe-reichs in der neuen Organisation komme es nicht an.472 Diese Auffassung stützt sich insbesondere auf die Regelungen über das Übergangsmandat in § 21a BetrVG. Werde dem Betriebsrat bei betrieblichen Umstrukturierungen, die zum Verlust des Betriebsratsamts führen, ein Übergangsmandat eingeräumt, das mit sämtlichen Rechten und Pflichten des Betriebsratsamts ausgestattet sei473, müsse dem ein Fortbestand der bisherigen kollektiven Ordnung bei Wahrnehmung des Übergangs-mandats korrespondieren.474 Der Wertung des § 21a Abs. 1 Satz 1 BetrVG, nach der ein Übergangsmandat im Falle der Eingliederung nicht entsteht, wenn im aufneh-menden Betrieb ein Betriebsrat im Amt ist, sei zu entnehmen, dass der kollektiven Ordnung im aufnehmenden Betrieb grundsätzlich Vorrang gebühre, entgegenste-hende Regelungen in diesem Betrieb sich auf die übernommenen Bereiche erstreck-ten und solche Regelungen deshalb gegenstandslos würden.475 Diese Auffassung vermeidet die anderenfalls häufig auftretenden Zweifelsfragen bei der Feststellung der Identität des Betriebs und führt dadurch ein höheres Maß an Rechtssicherheit herbei. Allerdings bleibt nach dieser Auffassung kaum Anwendungsbereich für die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine Transformation kommt nicht in Be-tracht, da praktisch stets eine kollektivrechtliche Fortgeltung stattfindet, solange – und dies ist stets die Rechtsfolge des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB – in der neuen Or-ganisation mindestens ein Arbeitnehmer des bisherigen Betriebs als Teil des bisheri-gen personellen Geltungsbereichs existiert. Schließlich besteht für den Anwen-dungsbereich des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB dort kein Raum, wo eine kollektivrecht-liche Fortgeltung durch entgegenstehende Kollektivregeln beim Erwerber ausgeschlossen ist. In diesem Fall schließt § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB gleichfalls eine 468 Bachner, NJW 2003, 2861, 2865; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, §

77, Rn. 378. 469 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 379. 470 Bachner, NJW 2003, 2861, 2865; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, §

77, Rn. 378. 471 Bachner, NJW 2003, 2861, 2865; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, §

77, Rn. 377. 472 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 378. 473 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a, Rn. 20 m. w. N. 474 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 378; insoweit zustimmend

die herrschende Meinung: BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 675; Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 51; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 174.

475 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 379.

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Transformation aus. Ob die Bindung des Rechtsanwenders an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) ein Fortgeltungsmodell zulässt, das die Rechtsfolge des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB so weitgehend ausschließt, ist zumindest zweifelhaft. Zweifelhaft ist zudem die dogmatische Anknüpfung an das Übergangsmandat. Das Übergangs-mandat ist auf sechs Monate befristet und auf maximal ein Jahr verlängerbar. Eine über diese Zeitspanne hinausgehende Fortgeltung vermag es nicht zu rechtferti-gen.476 Noch zweifelhafter ist es, mit dem Ausschluss des Übergangsmandats im Falle der Eingliederung eines Betriebs oder Betriebsteils in einen Betrieb, in dem be-reits ein Betriebsrat besteht, zu begründen, dass nur Kollektivvereinbarungen ge-genstandslos werden sollen, bei denen im aufnehmenden Betrieb zum selben Rege-lungsgegenstand entgegenstehende Kollektivvereinbarungen gelten. In diesen Fällen entsteht überhaupt kein Übergangsmandat, nicht etwa ein auf bestimmte Mitbestim-mungsgegenstände beschränktes. Konsequent wäre es, dann auch die Fortgeltung sämtlicher (Gesamt-) Betriebsvereinbarungen mit dem Übergangsmandat auszu-schließen. Vor allem aber ist eine Anknüpfung des räumlichen Geltungsbereichs al-lein an den Fortbestand der in den personellen Geltungsbereich fallenden Normad-ressaten mit der Normenwirkung nicht zu vereinbaren. Gesamtbetriebsvereinbarun-gen gelten für eine bestimmbare Gruppe von Arbeitnehmern in Abgrenzung zum Gel-tungsbereich von Gesamtbetriebsvereinbarungen anderer Betriebe. Sie gelten nicht für einen bestimmten Bestand von Arbeitnehmern, sondern für einen räumlichen Gel-tungsbereich, dessen jeweiliger Bestand an Arbeitnehmern Adressat der Normen ist.477 Bei Regelungen, die nach ihrem Regelungsgehalt nicht an eine aktiv im Betrieb tätige Belegschaft anknüpfen, mag es denkbar sein, auf eine frühere Betriebszuge-hörigkeit als Verknüpfung mit dem räumlichen Geltungsbereich der Norm abzustel-len, die den Anwendungsbereich der Norm eröffnet und die Geltung der Norm auch für die Zukunft rechtfertigt. Knüpft eine Norm dagegen an eine aktive Zugehörigkeit zur Belegschaft an, kommt es auf die Zugehörigkeit zur Belegschaft eines bestimm-ten Betriebs als räumlichen Geltungsbereich an. Damit ist es nicht zu vereinbaren, eine Geltung der Norm allein davon abhängig zu machen, dass bisherige Normad-ressaten fortbeschäftigt werden. Träfe dies zu, gäbe es überhaupt keinen Geltungs-„Bereich“ einer Norm, sondern allein eine unmittelbare und zwingende Regelung für einen bestimmten – von vornherein feststehenden – Bestand an Normadressaten. Später hinzutretende potentielle Normadressaten würden von der Geltung der Norm bei einem solchen Verständnis nicht erfasst. Wäre dies die Geltungsweise von Ge-samtbetriebsvereinbarungen, müsste sie ebenso vor wie nach einer Umstrukturie-rung stattfinden. Da dies für die Zeitspanne bis zu einer Umstrukturierung ersichtlich und zu Recht niemand vertritt, bedürfte es einer Rechtsgrundlage für eine solche Änderung der Geltungsweise aufgrund einer betrieblichen Umstrukturierung. Ersicht-lich ist eine solche nicht.

Nach einer anderen Auffassung478 soll von dem Fall einer endgültigen Stilllegung ein

476 Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 18. 477 Siehe S. 27ff. 478 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 48ff; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77,

Rn. 161ff; Worzalla in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 227.

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Untergang des Betriebs durch Eingliederung in einen oder Zusammenfassung mit einem anderen Betrieb oder Betriebsteil bzw. der Spaltung in mehrere Betriebe zu unterscheiden sein. Anders als bei einer endgültigen Stilllegung des Betriebs werde in den genannten Fällen zwar die bisherige Organisation aufgelöst. Die sachlichen Betriebsmittel und die im bisherigen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer würden je-doch innerhalb einer anderen Organisation weiter genutzt bzw. weiter beschäftigt. Dies verbiete unter Umständen die Annahme einer Gegenstandslosigkeit von Be-triebsvereinbarungen aufgrund Untergangs des Betriebs.479 Bei einer Betriebsspal-tung oder der Abspaltung von Betriebsteilen ohne Eingliederung der Betriebsteile in eine andere Organisation soll eine Gegenstandslosigkeit deshalb nicht eintreten.480 Bei der Eingliederung eines Betriebs oder Betriebsteils in einen anderen Betrieb sol-len Betriebsvereinbarungen des eingegliederten Betriebs oder Betriebsteils entweder stets enden481 oder aber dann bestehen bleiben, wenn im aufnehmenden Betrieb keine Betriebsvereinbarungen über denselben Regelungsgegenstand bestehen und die bisherigen Regelungen in der neuen Organisation umsetzbar bleiben.482 Eine Fortgeltung soll bei der Zusammenfassung von Betrieben zu einem neuen Betrieb ebenfalls erfolgen, wenn die Anwendung der bisherigen Regelungen im neuen Be-trieb „möglich und sinnvoll“ ist483, insbesondere bei einer räumlichen oder organisato-rischen Abgrenzbarkeit der bisherigen Betriebe oder Betriebsteile in der Organisation des neuen Betriebs.484

Diese Auffassung vermeidet Unstimmigkeiten im Verhältnis zu § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB, da jedenfalls nach einigen ihrer Vertreter ein weiter gehender Anwendungsbe-reich der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB fortbesteht. Abgesehen von der nicht näher begründeten Aufstellung einer unübersichtlichen Kasuistik liefert diese Auffassung aber ebenso wenig plausible Kriterien, nach denen beurteilt werden kann, ob Normen gegenstandslos werden. Es fehlt zudem jede Begründung, warum mehrere Teile eines Betriebs dem Betrieb selbst gleichstehen sollen. Bei Eingliede-rungen und Zusammenfassungen ist es darüber hinaus völlig unklar, unter welchen Voraussetzungen die Fortgeltung von Normen „möglich und sinnvoll“ sein soll und insbesondere, wer letztlich darüber entscheidet.

c) Parallelen zur Normgeltung außerhalb der Betriebsverfassung

Normen aus Gesamtbetriebsvereinbarungen wirken aufgrund der Anordnung des § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und gelten damit im Grundsatz ebenso wie an- 479 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 47a; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77,

Rn. 162. 480 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 675; Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77,

Rn. 49; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 165f; Wahlig/Witteler, AuA 2004, 14, 16.

481 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 48; Worzalla in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 227.

482 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 163. 483 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 49; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77,

Rn. 164. 484 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 164.

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dere Rechtsnormen. Die Beantwortung der Frage nach einer Normgeltungsbeendi-gung aufgrund veränderter tatsächlicher Umstände auf innerbetrieblicher Ebene soll daher nicht ohne Betrachtung der Normgeltungssituation bei einer Veränderung der Sachlage in anderen Gebieten der Rechtsordnung erfolgen.

aa) Untergang des Staats oder eines Verwaltungsträgers

(1) Untergang des Staats

Die staatsrechtliche und rechtsphilosophische Literatur geht davon aus, dass der Un-tergang des Staats nicht zu einem Ende der Geltung von Normen des bisherigen staatlichen Gebildes in ihrem bisherigen Geltungsbereich führt.485 Die Rechtsgeltung innerhalb des Staats wird mit einem Verständnis des Rechts nicht als Realisierung eines staatlichen Willens, sondern als Ordnung des menschlichen Zusammenlebens begründet, die auf die Gemeinschaft der Menschen selbst bzw. deren Willen zurück-zuführen sei.486 Die Freiheit des Individuums als Teil des Volks im demokratischen Staat räume dem Individuum eine Souveränität ein, die im Wege demokratischer Wahlen auf den Normgeber übertragen werde und sich in der Norm fortsetze.487 Staatliche Rechtsgeltung ist damit nicht an den Bestand des Staats, sondern die be-stehende Ordnungsfunktion der Rechtssätze für eine innerstaatliche Gemeinschaft gekoppelt. Dies entspricht letztlich einem demokratietheoretischen Verständnis von einem Rechtsstaat, in dem sämtliche staatliche Gewalt vom Staatsvolk als Gemein-schaft der Regelungsadressaten ausgeht.

Eine Parallele zur Betriebsverfassung ließe sich ziehen, wenn der Betrieb als be-triebsverfassungsrechtliche Repräsentationseinheit mit dem Staat als staatsrechtli-cher Repräsentationseinheit vergleichbar wäre. Eine „Betriebsgemeinschaft“ ist im betriebsverfassungsrechtlichen Betrieb zwar nicht in einem verbandsrechtlichen Sin-ne anzuerkennen, weil die Bipolarität im Vordergrund steht.488 Auch ist die Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen nicht allein durch den Willen der Arbeitneh-mer und des Arbeitgebers zu legitimieren. Als Privatrechtssubjekten ist es ihnen grundsätzlich verwehrt, autonomes Recht zu setzen. Anders als für den Staat und seine Organe besteht für den Betrieb kein allgemeiner Rechtsgrundsatz einer Norm-setzungsautonomie. Erst das Betriebsverfassungsrecht verleiht den Betriebsparteien durch die Regelung des § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG die Rechtsmacht zur Normset-zung.489 Auf den Willen der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers kommt es für die Geltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen damit nicht in demselben Maße an, wie

485 Forsthoff, S. 151; Merk, S. 345; Ossenbühl in: Badu-

ra/Burgi/Ehlers/Erichsen/Ossenbühl/Papier/Rüfner, S. 191; vgl. auch die zahlreichen Nachweise bei Scheuner, S. 9f.

486 Enneccerus/Nipperdey, S. 205f; Thon, S. 1f; v. Savigny, S. 13ff; Puchta, S. 133ff; vgl. auch BVerfG vom 17.12.1953 – 1 BvR 147/52 – BVerfGE 3, 58, 119: „soziologische Geltung des Rechts“.

487 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof, Band 1, § 22, Rn. 37f. 488 Siehe S. 20. 489 Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 88ff, 203ff, 206.

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für die staatliche Rechtsgeltung, so dass – anders als bei der staatlichen Gemein-schaft – eine Fortgeltung von Recht nicht (allein) an den Fortbestand einer Gemein-schaft gekoppelt werden kann, deren zu ordnende Rechtsbeziehungen die Geltung von Rechtsätzen legitimieren.

Allerdings folgt daraus nicht, dass eine Anknüpfung der Geltung betriebsverfas-sungsrechtlicher Rechtsnormen an die Legitimation über Arbeitgeber und Arbeit-nehmer des Betriebs außer Betracht bleiben dürfte. In dem konkreten Norminhalt spiegelt sich eine Regelung wieder, die einer Willensbildung in der betrieblichen Ein-heit, nicht aber auf staatlicher Ebene korrespondiert. Das Betriebsverfassungsgesetz stellt durch die Anerkennung betrieblicher Rechtsetzung lediglich die Rahmenbedin-gungen zur Verfügung. Das Betriebsverfassungsgesetz stellt nicht selbst eine Regel über personelle, soziale oder wirtschaftliche Angelegenheiten auf. Es erkennt allein an, dass die Betriebsparteien solche Regeln innerbetrieblich mit normativer Wirkung aufstellen. Es ist insofern zweifelhaft, ob Normen der Betriebsverfassung sich von staatlichen Normen insoweit unterscheiden und es nicht ebenfalls auf den Fortbe-stand einer Legitimation durch eine Gemeinschaft ankommen kann.

Bestünde eine solche – im Einzelfall festzustellende – Legitimation bei Veränderun-gen oder sogar bei dem Untergang des Betriebs fort, dürfte es nach dem staatsrecht-lichen Verständnis darauf ankommen, ob die – in diesem Fall nach wie vor legitimier-te – Ordnungsfunktion in den betrieblichen Einheiten fortbesteht. Das ist grundsätz-lich zu bejahen. Die Gestaltungsaufgabe der Normen des Betriebsverfassungsrechts kann mit einer wie auch immer gearteten Gemeinschaft der Normadressaten fortbe-stehen, wenn sich die Aufgabe oder Organisation der betrieblichen Abläufe ändert, aber auch wenn Betriebe gespalten, zusammengefasst oder eingegliedert werden.490 Die bisherige betriebliche Einheit in ihrer konkreten Gestalt kann zwar für eine sinn-volle Normgeltung maßgebend sein, wenn eine Regelung eine bestimmte Struktur notwendig voraussetzt. Beispielsweise kann eine Gesamtbetriebsvereinbarung, die konkrete Maßgaben bei der Anwendung eines computergesteuerten Personalwirt-schaftssystem vorsieht, nicht mehr umgesetzt werden, wenn im Zuge einer Betriebs-veräußerung beim Erwerber ein anderes Personalwirtschaftssystem eingesetzt wird, das die Maßgaben der Gesamtbetriebsvereinbarung von vornherein nicht zulässt. Auf die bisherigen betrieblichen Abläufe kommt es dagegen nicht an, wenn etwa eine betriebliche Altersversorgung durch eine Direktversicherung in einer Gesamtbe-triebsvereinbarung geregelt ist.

Damit kann die Frage nicht generell beantwortet werden, ob bei Veränderungen der betrieblichen Strukturen die Ordnungsfunktion von Gesamtbetriebsvereinbarungen entfällt oder nicht. Von vornherein ausgeschlossen ist es jedenfalls nicht, dass eine Ordnungsfunktion trotz Untergang des Betriebs fortbesteht. Eine Parallele zur Fort-geltung staatlicher Normen bei Untergang des Staats deutet vor diesem Hintergrund 490 Bachner, NJW 2003, 2861, 2865; Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 48ff; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 165, 174; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 380; Worzalla in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 227.

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auf eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen auch bei einem Untergang des Betriebs hin.

(2) Untergang von Verwaltungsträgern

Anders als für die Geltung staatlicher Normen bei Untergang des Staats entscheidet allerdings eine allgemeine Auffassung im Verwaltungsrecht für die Geltung der Nor-men unterstaatlicher Verwaltungsträger. Nach dieser Auffassung entfällt mit dem Un-tergang eines unterstaatlichen Verwaltungsträgers das von ihm gesetzte Recht.491 Zwischen Staat und unterstaatlichem Verwaltungsträger wird insoweit strikt unter-schieden, dies jedoch nicht weitergehend begründet.492

Die Unterscheidung zwischen Staat und unterstaatlichen Verwaltungsträgern dürfte im Wesentlichen darauf beruhen, dass die staatliche Rechtsordnung ihre Legitimati-on unmittelbar aus der Anerkennung durch die Gemeinschaft erfährt.493 Die Aner-kennung einer staatlichen Rechtsordnung durch die Gemeinschaft bedarf keiner ge-sonderten Errichtung des rechtsetzenden Hoheitsträgers. Sie setzt dessen Existenz und Autonomie voraus. Allein die Willensbildung innerhalb des Hoheitsträgers bedarf der Errichtung hierzu berufener Organe.

Eine solche metaphysische Anerkennung der Existenz eines Hoheitsträgers und der Geltung seines autonom gesetzten Rechts kommt unterstaatlichen Verwaltungsträ-gern nicht zu. Unterstaatliche Verwaltungsträger werden erst durch die staatliche Rechtsordnung im Wege der Zuweisung bestimmter staatlicher Zuständigkeiten ge-schaffen.494 Der Verwaltungsträger existiert um der Ausübung seiner Zuständigkeiten innerhalb einer den Zuständigkeitsbereich überschreitenden Gemeinschaft willen. Es kommt für die Legitimation einer Rechtsordnung im Zuständigkeitsbereich eines un-terstaatlichen Rechtsträgers nicht auf die Anerkennung dieser Rechtsordnung durch die Normunterworfenen selbst an, sondern auf die Übertragung der Kompetenz zur Rechtsetzung durch die staatliche Rechtsordnung, die ihrerseits durch die staatliche Gemeinschaft legitimiert ist und die über den Zuständigkeitsbereich des Verwal-tungsträgers weit hinaus geht.

Die Anknüpfung des Bestands einer Rechtsordnung von unterstaatlichen Verwal-tungsträgers an die Übertragung der Zuständigkeit an diesen Verwaltungsträger zeigt sich an dem Inhalt des von ihm gesetzten Rechts. Unterstaatliche Verwaltungsträger, beispielsweise Gemeinden, werden regelmäßig nicht nur kraft Gesetzes errichtet und mit bestimmten Zuständigkeiten ausgestattet. Darüber hinaus muss regelmäßig auch die Ausübung der übertragenen Zuständigkeiten nach Tatbestand und Rechtsfolge in

491 Forsthoff, S. 151; Merk, S. 345; Ossenbühl in: Badu-

ra/Burgi/Ehlers/Erichsen/Ossenbühl/Papier/Rüfner, S. 191. 492 Vgl. Forsthoff, S. 151; Merk, S. 345; Ossenbühl in: Badu-

ra/Burgi/Ehlers/Erichsen/Ossenbühl/Papier/Rüfner, S. 191. 493 Enneccerus/Nipperdey, S. 205f; Thon, S. 1f; v. Savigny, S. 13ff; Puchta, S. 133ff; vgl. auch

Böckenförde in: Isensee/Kirchhof, Band 1, § 22, Rn. 37f. 494 Ehlers in: Badura/Burgi/Ehlers/Erichsen/Ossenbühl/Papier/Rüfner, S. 9.

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einem förmlichen Gesetz geregelt oder zumindest auf ein solches Gesetz rückführ-bar sein. Dieser Gesetzesvorbehalt folgt für die Eingriffs- aber auch große Teile der Leistungsverwaltung aus der mit staatlichen Eingriffen einher gehenden Betroffenheit von Grundrechten der Normunterworfenen, die nach der „Wesentlichkeitsrechtspre-chung“ des Bundesverfassungsgerichts, der die nahezu einhellige Meinung im Staatsrecht folgt, einer Rückführung des Eingriffs auf ein förmliches Parlamentsge-setz bedarf.495 Zuständigkeiten unterstaatlicher Verwaltungsträger dürfen deshalb weitgehend nur bei Bestehen eines Gesetzes ausgeübt werden, das das Verwal-tungshandeln nach Inhalt, Zweck und Ausmaß legitimiert.496 An diese Vielzahl not-wendiger Gesetze ist der unterstaatliche Verwaltungsträger im Rahmen des Vor-rangs des Gesetzes gebunden.

Die Rechtsetzung eines unterstaatlichen Verwaltungsträgers ist deshalb inhaltlich hohen Umfangs durch den Staat und mit ihm über die gesamte staatliche Gemein-schaft determiniert. Dem unterstaatlichen Verwaltungsträger verbleibt weitgehend allein die Ausübung einer Zuständigkeit zur Umsetzung eines staatlichen Willens. Das gesetzte Recht ist nicht nur im Rahmen der staatlichen Zuweisung der Kompe-tenz zur Behandlung der Angelegenheit, sondern darüber hinaus durch inhaltliche Vorgaben weitgehend auf den Willen des staatlichen Gesetzgebers, damit auf die Souveränität dieses Gesetzgebungsorgans und mit ihm auf die gesamte staatliche Gemeinschaft zurückzuführen. Die Rechtsordnung eines unterstaatlichen Verwal-tungsträgers beruht dagegen nur in geringem Umfang unmittelbar auf der Souveräni-tät der kleineren Gruppe der jeweils Normunterworfenen.

Die Betriebsverfassung knüpft weitaus enger an die betriebliche Einheit an. Das Be-triebsverfassungsrecht räumt den Arbeitnehmern weitgehende Freiheiten ein, ob ü-berhaupt betriebsverfassungsrechtliche Gremien errichtet werden, an welche Struk-turen diese anknüpfen und ermöglicht es den Betriebsparteien, weitgehend autono-me Regelungen zu treffen.497 Angesichts einer Mitbestimmung durch bipolar einan-der gegenüberstehende Rechtsetzungsorgane bedarf es im Betriebsverfassungs-recht trotz der fremdbestimmenden Wirkung keiner Regelungsdichte in einem legiti-mierenden Gesetz in dem Umfang, wie es im Öffentlichen Recht erforderlich ist.498 Die Ausübung der Mitbestimmung unter Beteiligung des Arbeitgebers sowie des Be-triebsrats als Repräsentanten der Belegschaft bringt eine weitgehende Gewähr einer angemessenen Regelung mit sich.499 Es ist deshalb zweifelhaft, ob an Regelungen der Betriebsparteien die Maßstäbe des Gesetzesvorbehalts angelegt werden kön-nen500, die eine gesetzliche Ermächtigung für jede grundrechtsrelevante Regelung

495 Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Ossenbühl in: Badu-

ra/Burgi/Ehlers/Erichsen/Ossenbühl/Papier/Rüfner, S. 199ff. 496 Sachs in: Sachs, Art. 20, Rn. 115 m.w.N. 497 BAG (GS) vom 07.11.1989 – GS 3/85 – AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972; Kirchhof, S. 134. 498 Kirchhof, S. 134, 220. 499 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 232; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 302; vgl. auch Kirchhof, S. 220. 500 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 319.

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der Betriebsparteien erforderte.501 Aufgrund der über Art. 2 Abs. 1 GG grundrechtlich gewährleisteten allgemeinen Handlungsfreiheit, die vor jedem (staatlichen) Eingriff schützt, bedürfte jede Regelung durch Betriebsvereinbarung einer Ermächtigungs-grundlage. Dies gilt für Alkohol- und Rauchverbote als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit, Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Torkontrollen oder technische Überwachungseinrichtungen bis hin zu Arbeitszeitre-gelungen als Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit oder Auswahlrichtlinien als Ein-griff in die Freiheit der Berufswahl.

Ob das Betriebsverfassungsgesetz mit seinen allgemeinen Mitbestimmungstatbe-ständen502 als reine Zuständigkeitsregelung hinreichend bestimmt ist, um als Er-mächtigungsgrundlage dienen zu können, ist zweifelhaft.503 Das Betriebsverfas-sungsgesetz ermächtigt die Betriebsparteien zu einer Rechtsetzung durch (Gesamt-) Betriebsvereinbarung, ohne einen Tatbestand als Voraussetzung einer Rechtsfol-genverknüpfung etwa für Fragen der Ordnung des Betriebs oder für die Festlegung von Entgeltgrundsätzen aufzustellen. Nichts anderes gilt für den Inhalt der Rechtsfol-ge selbst. Der Maßstab des Vorbehalts des Gesetzes stellte bei betriebsverfassungs-rechtlichen Regelungen weitgehend eine Regelungsmöglichkeit durch (Gesamt-) Be-triebsvereinbarung mangels bestehender hinreichend bestimmter gesetzlicher Er-mächtigungsgrundlage in Zweifel. Es stellt sich die Frage, ob trotz der betriebsver-fassungsrechtlichen Fremdbestimmung angesichts der Bipolarität bei der Rechtset-zung und einer mit ihr verbundenen Vermutung für die Angemessenheit der Rege-lungen ausnahmsweise unangemessenen Regelungen nicht durch eine im Nachhi-nein erfolgende gerichtliche Rechts- oder Billigkeitskontrolle hinreichend Rechnung getragen werden kann, die insbesondere an Gesichtspunkte des Vorrangs des Ge-setzes, der Verhältnismäßigkeit und einer verbleibenden Individualsphäre der Norm-unterworfenen anknüpft.504

Der Frage braucht im Rahmen dieser Arbeit nicht abschließend nachgegangen wer-den. Mangels bestehender gesetzlicher Ermächtigungen, die konkrete Vorgaben für Regelungen der Betriebsparteien treffen, fließt ein staatlicher Regelungswille in be-triebsverfassungsrechtliche Normen tatsächlich nicht ein.505 Dies wird auch von den-jenigen, die den Maßstab des Gesetzesvorbehalts anlegen wollen, nicht gefordert.506 Der konkrete Regelungsgehalt beruht vielmehr auf dem individuellen Willen des Ar-

501 So aber Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 71; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinba-

rung, S. 154f; Waltermann, NZA 1996, 357, 361. 502 Vgl. Kirchhof, S. 219. 503 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfordert der Gesetzesvor-

behalt, dass der Gesetzgeber das Wesentliche selber regelt. Das Gesetz darf nicht die Entschei-dung über die Grenzen der Freiheit des Bürgers einseitig in das Ermessen der Verwaltung legen. Vgl. Sachs in: Sachs, Art. 20, Rn. 115 m.w.N. aus der Rechtsprechung.

504 Kirchhof, S. 219; Zum Meinungsstand Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 52ff, 232ff.

505 Kirchhof, S. 134, 219; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234; Waltermann, Rechtsetzung durch Be-triebsvereinbarung, S. 143; Waltermann, NZA 1996, 357, 361.

506 Vgl. Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 71; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 154f; Waltermann, NZA 1996, 357, 361.

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beitgebers als Betriebspartei und zugleich Normunterworfenen wie des Betriebsrats als Repräsentanten der Belegschaft.507 Normen des Betriebsverfassungsrechts stel-len keine Akte der öffentlichen Gewalt dar.508 Der staatliche Gesetzgeber stellt allein das Instrument der Rechtsetzung zur Verfügung.509 Die Geltung von Normen aus Betriebsvereinbarungen ist deshalb in weit höherem Umfang durch die Regelungsun-terworfenen legitimiert, als dies auf die Rechtsetzung der unterstaatlichen Verwal-tung zutrifft. Allein die Übertragung der Souveränität zu autonomer Rechtsetzung durch das Betriebsverfassungsgesetz vermag noch nicht eine solche Intensität an staatlicher Fremdbestimmung zu begründen, dass die Legitimation der Geltung kon-kreter Normen auf die staatliche Gemeinschaft zurückzuführen wäre.510 Die betriebs-verfassungsrechtliche Rechtsetzung ist mit der Rechtsetzung unterstaatlicher Ver-waltungsträger insofern nicht gleichzusetzen.

bb) Änderung der Normsituation

Ein Untergang von Rechtsnormen wird im Öffentlichen Recht zudem vielfach bei ei-ner Änderung der Normsituation angenommen.511 Während die Rechtsnorm einer-seits auf Beständigkeit durch Kontinuität und damit Beharrlichkeit angelegt ist, um Rechtsfrieden und Gerechtigkeit zu schaffen, habe sie andererseits den Anspruch auf Gestaltung der sozialen Wirklichkeit inne.512 Sei diese Gestaltung schlechter-dings nicht mehr möglich, komme eine Gegenstandslosigkeit bzw. Funktionslosigkeit als Geltungsbeendigungsgrund für Rechtsnormen in Betracht.513 Es fehle einerseits an einem Minimum an Kongruenz von Regelung und zu regelndem Sachverhalt.514 Andererseits könne eine automatische Geltungsbeendigung nur zurückhaltend an-genommen werden, da es vornehmlich Aufgabe des Gesetzgebers sei, die Rechts-ordnung der gewandelten Situation anzupassen.515

In der öffentlich-rechtlichen Rechtspraxis hat das Bundesverwaltungsgericht diese

507 Kirchhof, S. 134, 220; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 143; Walter-

mann, NZA 1996, 357, 361. 508 BVerfG vom 23.04.1986 – 2 BvR 487/80 - BVerfGE 73, 261, 268. 509 Kirchhof, S. 134, 219; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234; Waltermann, Rechtsetzung durch Be-

triebsvereinbarung, S. 143. 510 Vgl. Kirchhof, S. 173. 511 BVerwG vom 17.02.1997 – 4 B 16/97 - NVwZ-RR 1997, 512, 512; BVerwG vom 07.02.1997 – 4 B

6/97 - NVwZ-RR 1997, 513, 513; BVerwG vom 17.06.1993 – 4 C 7/91 - NVwZ 1994, 281, 281; BVerwG vom 03.08.1990 – 7 C 41-43.89 – BVerwGE 85, 273, 281f; BVerwG vom 29.04.1977 – IV C 39.75 - BVerwGE 54, 5, 9; BVerwG vom 03.11.1967 – VII C 68.66 - BVerwGE 28, 179, 182.

512 BVerfG vom 05.04.1952 – 2 BvH 1/52 - BVerfGE 1, 208, 259: „Alles Recht ist situationsgebun-den.“; BVerfG vom 17.12.1953 – 1 BvR 147/52 - BVerfGE 3, 58, 119, wo von einer „soziologi-schen Geltung des Rechts“ die Rede ist; Schmidt-Jortzig, Rechtstheorie 12 (1981), S. 395ff, 414.

513 BVerwG vom 17.02.1997 – 4 B 16/97 - NVwZ-RR 1997, 512, 512; BVerwG vom 07.02.1997 – 4 B 6/97 - NVwZ-RR 1997, 513, 513; BVerwG vom 17.06.1993 – 4 C 7/91 - NVwZ 1994, 281, 281; BVerwG vom 03.08.1990 – 7 C 41-43.89 - BVerwGE 85, 273, 281f; BVerwG vom 29.04.1977 – IV C 39.75 - BVerwGE 54, 5, 9; BVerwG vom 03.11.1967 – VII C 68.66 - BVerwGE 28, 179, 182; Schmidt-Jortzig, Rechtstheorie 12 (1981), S. 395ff, 414.

514 BVerwG vom 29.04.1977 – IV C 39.75 - BVerwGE 54, 5, 9. 515 BVerwG vom 03.11.1967 – VII C 68.66 - BVerwGE 28, 179, 182.

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Grundsätze erstmals für einen Untergang einer Verordnung über die Kirchenbaulast einer Gemeinde aus dem Jahr 1711 herangezogen.516 Regelmäßiger Bestandteil der Rechtspraxis ist seit einer Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts517 die Geltungsbeendigung von Bebauungsplänen infolge Funktionslosigkeit.518 Nach dieser Rechtsprechung treten in bauplanerischen Satzungen getroffene Festsetzun-gen wegen Funktionslosigkeit außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich beziehen, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzungen auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkenntnis dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem dennoch in die Fort-geltung der Festsetzungen gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt.519 Eine tatsächliche Entwicklung – dies stellte das Bundesverwaltungsgericht in einer Ent-scheidung aus dem Jahr 1990520 klar – müsse allerdings eine Verfestigung erreicht haben, die einem (späteren) Erlass der bauplanerischen Satzung aufgrund der zwi-schenzeitlich eingetretenen Verhältnisse entgegenstehe. Die öffentlich-rechtliche Li-teratur folgt dem weitgehend, zum Teil unter Einschränkung auf Fälle besonderer Evidenz.521

Überträgt man diese Grundsätze auf betriebsverfassungsrechtliche Normen, ist es eine Frage des konkreten Norminhalts, ob er wegen Zweckfortfalls oder Funktionslo-sigkeit auf eine tatsächliche Normsituation trifft, die mit der Rechtsfolgenverknüpfung in der Norm unvereinbar ist. Nicht anders als bei der Beurteilung des Fortbestands der Gestaltungsfunktion für eine betriebliche Einheit522 ist eine Beurteilung allein an-hand der konkreten Umstände des Einzelfalls möglich. Eine generelle Aussage über die Auswirkung einer Veränderung des Betriebs als räumlichen Geltungsbereich der Gesamtbetriebsvereinbarung lässt sich nicht treffen.

cc) Zwischenergebnis

Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass in anderen Rechtsgebieten eine Normgeltungsbeendigung daran anknüpft, ob eine Legitimation durch die Normun-terworfenen fortbesteht und die Gestaltungsaufgabe der Rechtsnorm nach wie vor erfüllt werden kann. Aus dem Untergang der Einheit, für die das Recht in Geltung gesetzt wurde, ist nicht zwingend auf den Untergang der Rechtsnormen zu schlie-ßen. Besteht deren Gestaltungsaufgabe mit den sie legitimierenden Normadressaten fort, deutet dies eher auf eine Fortgeltung der Normen hin.

516 BVerwG vom 03.11.1967 – VII C 68.66 - BVerwGE 28, 179, 182. 517 BVerwG vom 29.04.1977 – IV C 39.75 - BVerwGE 54, 5, 9. 518 BVerwG vom 17.02.1997 – 4 B 16/97 - NVwZ-RR 1997, 512, 512; BVerwG vom 07.02.1997 – 4 B

6/97 - NVwZ-RR 1997, 513, 513; BVerwG vom 17.06.1993 – 4 C 7/91 - NVwZ 1994, 281, 281; BVerwG vom 03.08.1990 – 7 C 41-43.89 – BVerwGE 85, 273, 281f; BVerwG vom 29.04.1977 – IV C 39.75 – BVerwGE 54, 5, 9.

519 BVerwG vom 29.04.1977 – IV C 39.75 – BVerwGE 54, 5 (Leitsatz). 520 BVerwG vom 03.08.1990 – 7 C 41-43.89 – BVerwGE 85, 273, 282. 521 Schmidt-Jortzig, Rechtstheorie 12 (1981), S. 395, 418f m.w.N. zum Meinungsstand. 522 Siehe S. 143ff.

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d) Betriebsverfassungsrechtliche Wertungen in Anknüpfung an den allge-meinen Rechtsnormencharakter

Soll im Staatsrecht der Untergang des Staats wegen der fortbestehenden Gestal-tungsaufgabe des Rechts, legitimiert durch die Gemeinschaft des Volks, einem Fort-bestand der Rechtsordnung nicht entgegenstehen, käme es im Betriebsverfassungs-recht bei einer Anknüpfung an die Identität des Betriebs weitaus häufiger zu einem Untergang der betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsordnung. Ob ein solches be-triebsverfassungsrechtliches Verständnis mit dem Charakter von Gesamtbetriebs-vereinbarungen als Rechtsnormen vereinbar ist, soll im Folgenden näher untersucht werden.

aa) Weitergeltung nach Untergang des Betriebs

Die Frage, welche Voraussetzungen an den Fortbestand des Betriebs zu stellen sind, stellt sich erst, wenn geklärt ist, ob die Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen den Fortbestand des Betriebs überhaupt voraussetzt.

Legt man die staatsrechtlichen Normgeltungsmodelle zugrunde, kommt es bei einem Untergang des Staats zwar zu einem Fortfall der „Hülle“, die den Staat als Völker-rechtssubjekt von anderen Staaten abgrenzt. Zugleich entfällt der staatliche Macht-apparat, der neues Recht zur Geltung bringen und bestehendem Recht zur Durch-setzung verhelfen kann. Dies soll jedoch unschädlich sein, weil die Legitimation gel-tenden Rechts über den Fortbestand der normunterworfenen menschlichen Gemein-schaft und deren Anerkennung der Rechtsordnung durch den Untergang des Staats nicht berührt werde.523 Beim Untergang eines Betriebs kann sich dies – wie bei ei-nem unterstaatlichen Verwaltungsträger – anders darstellen, da der Betriebsbegriff als juristische Abstraktion häufig erst die Zusammenfassung eines Arbeitgebers und einer Gruppe von Arbeitnehmern begründen wird.524 Wird mit dem Untergang des Betriebs die Arbeits- und Produktionsgemeinschaft aufgelöst, ist es bei Zugrundele-gung der staatsrechtlichen Parallele der Fortgeltung von Rechtsnormen zweifelhaft, ob (Gesamt-) Betriebsvereinbarungen fortgelten können. Stellt erst der Betriebsbeg-riff eine zur Rechtsetzung anerkannte Einheit her, entfällt mit dem Untergang des Betriebs diese Verklammerung des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer. Wird eine Gemeinschaft erst durch die betriebsverfassungsrechtliche Verknüpfung über den Betriebsbegriff zusammengefasst und unter Zugrundelegung des Betriebsbegriffs der

523 Siehe Fn. 150. 524 Dies gilt umso mehr, wenn man mit der herrschenden Meinung den Betriebsbegriff nicht an eine in

der Seinswirklichkeit fassbare räumlich verbundene Gruppe von Arbeitnehmern eines Arbeitge-bers anknüpft, sondern auf eine durch einen Leitungsapparat in personellen und sozialen Angele-genheiten bestimmte organisatorische Einheit abstellt; vgl. zum Ganzen Joost, Betrieb und Unter-nehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 111ff. Bei einem Staat wird dagegen regelmäßig das bisherige Staatsgebiet als Anknüpfungspunkt zur Verfügung stehe.

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herrschenden Meinung nicht an eine natürliche – insbesondere räumliche525 – Ver-bundenheit angeknüpft, legt dies nahe, dass eine normlegitimierende Gemeinschaft mit dem Untergang des Betriebs aufgelöst wird. Gleichwohl lässt ein erheblicher Teil der betriebsverfassungsrechtlichen Literatur die Fortgeltung von Betriebsvereinba-rungen, die nicht den Bestand einer aktiven Belegschaft voraussetzen, unter Hinweis auf eine weiterhin bestehende Gestaltungsfunktion zu.526

Im Ergebnis ist es zutreffend, eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen zuzulassen, die nicht eine aktiv tätige Belegschaft voraussetzen. Erkennt das Be-triebsverfassungsrecht eine Normsetzungsbefugnis für solche Regelungsgegenstän-de an, erfordert dies eine normative Wirkung gegenüber den Adressaten der Norm. Die Anerkennung einer Normsetzungsbefugnis für diese Regelungsgegenstände wä-re anderenfalls sinnlos. Die Gestaltungswirkung dieser Normen knüpft nicht an eine Betriebszugehörigkeit an, um innerhalb des Betriebs Rechtswirkungen zu entfalten. Der Betriebszugehörigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt bedarf es allein zur Kon-kretisierung des personellen Geltungsbereichs. Die Gestaltungswirkung der Rechts-folge ist darauf angelegt, die Betriebszugehörigkeit zu überdauern und unabhängig von ihr sowie außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs zu wirken. Ein Sozialplan, den der Betriebsrat - womöglich sogar in Ausübung eines Restmandats gemäß § 21b BetrVG nach Stilllegung des Betriebs – abschließt, könnte niemals die in § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG angeordnete normative Wirkung gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG erlangen, wenn seine Geltung mit der Stilllegung des Betriebs ausgeschlossen wäre. Bei ihm bewirkte ein Untergang des Betriebs nicht nur eine Geltungsbeendigung, sondern sogar die Unmöglichkeit einer wirksamen Inkraftsetzung. Eine Geltungsbe-endigung wäre dagegen etwa bei Ruhegeldzusagen unausweichlich, bei denen eine verbreitete Auffassung527 tatsächlich annimmt, der Arbeitnehmer erwerbe mit dem Ausscheiden aus dem Betrieb einen individualrechtlichen Anspruch (die Frage stellt sich insbesondere bei der Ablösbarkeit der Ruhegeldzusage). Eine dogmatische Er-klärung für eine solche Transformation fehlt allerdings.528 Näherliegend ist es, auch in den Fällen einer betrieblichen Ruhegeldzusage eine fortdauernde normative Wir-kung anzuerkennen.529 Insbesondere ist eine nach wie vor zwingende Geltung bei einer individualrechtlichen Wirkung nicht zu erklären. Würden die Normen nicht (mehr) unmittelbar und zwingend gelten, könnte allein eine dispositive Wirkung indi-vidualrechtlicher Abdingbarkeit eintreten. Die Regelungen des § 77 Abs. 4 BetrVG sehen ausnahmslos das Gegenteil vor.

525 Dazu eingehend Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 241ff. 526 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 48; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77,

Rn. 160; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 375; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 214; Worzalla in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 227.

527 BAG (GS) vom 16.03.1956 – GS 1/55 – NJW 1956, 1086, 1088; Hanau/Preis, NZA 1991, 81, 89; a.A. Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 53b; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 160; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 375; Richar-di in: Richardi, § 77, Rn. 214; Worzalla in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 10.

528 Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 326; offen gelassen von BAG vom 28.07.1998 – 3 AZR 357/97 – AP Nr. 9 zu § 79 LPVG Baden-Württemberg.

529 Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 326ff.

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Eine Geltungsbeendigung solcher Regelungen ist mit dem Untergang des Betriebs nicht zu begründen. Der Grundsatz der Kontinuität des Rechts gebietet eine Fortgel-tung von Rechtsnormen entsprechend dem Vertrauen des Normunterworfenen in die Verbindlichkeit der Rechtsnormen.530 Löst eine Rechtsnorm Rechtsfolgen nicht wäh-rend der Dauer der Betriebszugehörigkeit aus, kann die Legitimation ihrer Geltung nicht ausschließlich innerhalb des Betriebs zu suchen sein, in dem die Rechtsfolge nicht gestaltend wirkt.531 Die Legitimation der Geltung solcher Normen ist (auch) über den Fortbestand der Normadressaten als frühere Zugehörige zu dem Betrieb als räumlichen Geltungsbereich herzuleiten. Eine Gesamtbetriebsvereinbarung über be-triebliche Altersversorgung, Werkmietwohnungen oder nachvertragliche Wettbe-werbsverbote findet ihre Legitimation in der durch eine frühere Betriebszugehörigkeit verklammerten Gruppe ehemaliger Arbeitnehmer des Betriebs, auch wenn der Be-trieb nicht mehr existieren sollte.

Diese Betrachtung wird gestützt durch die zeitliche Dimension der Rechtsgeltung.532 Die Geltung einer Norm für den Bestand an „geregelten“ Normadressaten und Sach-verhalten wird hinsichtlich Regelungen, deren Rechtsfolgen außerhalb wie innerhalb des Betriebs eintreten, durch den Untergang des Betriebs nicht berührt. Gestaltet die Rechtsnorm weiterhin Rechtsbeziehungen zwischen Normadressaten, ist die Gestal-tungsfunktion der Norm darauf angelegt, nicht vor dem gestalteten Rechtsverhältnis zu enden. Der Untergang des Betriebs hat keine Auswirkung auf die Gestaltungs-funktion der Norm. Es ist allein eine Frage der Regelung zukünftiger Sachverhalte, ob Normen diese erfassen, die sich aber nicht stellt, wenn der Betrieb untergeht und damit regelungsfähige Sachverhalte in der Zukunft nicht mehr auftreten.

Klärungsbedürftig ist damit nicht, ob die Norm noch gilt, sondern ob sie in der Zukunft noch einen Anwendungsbereich für neue Sachverhalte aufweist.533 Dies richtet sich nach dem Regelungsgehalt der Norm und der Regelungsbefugnis der Normset-zungsorgane für eine Regelung, die sich unabhängig von dem Fortbestand einer be-trieblichen Struktur fortsetzt.

Eine Regelungsbefugnis der Betriebsparteien für ein Überdauern der betrieblichen Struktur ist nicht in Abrede zu stellen. Die Betriebsparteien sind berechtigt, Rechts-normen in Angelegenheiten in Kraft zu setzen, die erst nach einem Ausscheiden der Arbeitnehmer aus dem Betrieb Rechtswirkungen entfalten.534 Daran zeigt sich, dass es den Betriebsparteien nicht verwehrt ist, Regelungen zu treffen, deren Rechtsfol-gen nur außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eintreten. Aus der (unstreitigen) Maßgeblichkeit einer Gesamtbetriebsvereinbarung nach Untergang eines Betriebs für Sachverhalte, die sich vor Untergang des Betriebs ereignet haben, folgt zudem, dass die Gestaltungswirkung der (Gesamt-) Betriebsvereinbarung den Untergang des Betriebs überdauert. Damit ist kein Grund ersichtlich, der eine normative Wirkung 530 Forsthoff, S. 150; Wiedemann, Anm. zu BAG AP Nr. 28 zu § 2 TVG, AP Nr. 28 zu § 2 TVG. 531 Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 326 für Ruhegeldzusagen. 532 Siehe S. 33ff. 533 Siehe S. 33ff. 534 Kreutz in: Festschrift für Kraft, S. 323, 326 für Ruhegeldzusagen.

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von Gesamtbetriebsvereinbarungen, die an eine Zugehörigkeit zum räumlichen Gel-tungsbereich in der Vergangenheit anknüpfen, nach Untergang des Betriebs aus-schließt.

Knüpfen Normen nach ihrem konkreten Regelungsinhalt dagegen an eine aktive Be-triebszugehörigkeit an, können sie mangels fortbestehenden räumlichen Geltungsbe-reichs als Anwendungsbereich insofern für die Zukunft gegenstandslos werden, als sie keine Sachverhalte erfassen, die sich zeitlich nach dem Untergang des Betriebs und der damit verbundenen Beendigung der Betriebszugehörigkeit ereignen. Für sol-che Regelungsgegenstände gilt es zu ermitteln, ob sich der räumliche Geltungsbe-reich als Anwendungsbereich der nach wie vor geltenden Normen bei betrieblichen Umstrukturierungen in einer neuen betrieblichen Struktur fortsetzt und ob eine Zu-ständigkeit der Betriebsparteien für Regelungen, die sich in einer solchen anderen Struktur fortsetzen können, besteht. Dies gilt es im Folgenden zu untersuchen. Der Untergang des Betriebs steht einer normativen Wirkung von Gesamtbetriebsverein-barungen jedoch nicht generell entgegen.

bb) Fortführung von Betriebsteilen als eigenständige Betriebe

Sollen (Gesamt-) Betriebsvereinbarungen Angelegenheiten einer aktiv tätigen Ar-beits- und Produktionsgemeinschaft ordnen, kommt es nach der Konzeption des Be-triebsverfassungsrechts auf deren Zusammenwirken in einer betrieblichen Einheit an.535 Rechtsnormen aus Betriebsvereinbarungen wie aus Gesamtbetriebsvereinba-rungen werden für Betriebe als betriebsverfassungsrechtliche Repräsentationseinhei-ten und räumlichen Geltungsbereich in Kraft gesetzt. Dies legt es nahe, dass der veräußerte Betrieb oder Betriebsteil auch nach der Betriebsveräußerung in Gestalt einer betrieblichen Einheit fortgeführt werden muss.536 Eine betriebliche Einheit be-steht allerdings stets, unabhängig davon, ob eine Spaltung des Betriebs oder eine Abspaltung von Betriebsteilen erfolgt oder Betriebe zusammengefasst bzw. in andere Betriebe eingegliedert werden. „Irgend“ eine betriebliche Einheit entsteht stets.

Dies allein kann eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen in Teilen des Betriebs jedoch nicht rechtfertigen. Gesamtbetriebsvereinbarungen gelten nicht für „irgend“ welche Betriebe, sondern konkret für diejenigen Betriebe als räumlichen Gel-tungsbereich, für die sie in Kraft gesetzt wurden. Allein dann, wenn dieser räumliche Geltungsbereich fortbesteht, können aus einer Gesamtbetriebsvereinbarung, die an eine aktive Betriebszugehörigkeit anknüpft, Rechtsfolgen für zukünftige Sachverhalte hergeleitet werden, weil nur dann der Tatbestand der Norm erfüllt ist. Entfällt dieser räumliche Geltungs- und Anwendungsbereich dagegen, ist es dauerhaft objektiv un-möglich, das Tatbestandsmerkmal der Zugehörigkeit zum räumlichen Geltungsbe-reich der Gesamtbetriebsvereinbarung zu erfüllen. Die Normen gelten zwar noch, insbesondere als Rechtsgrund bereits erfolgter Umsetzungsakte, sie haben für die Zukunft aber keinen Anwendungsbereich mehr. Es bedarf deshalb der Feststellung,

535 Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 928. 536 Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 928.

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ob die bei einer Betriebsaufspaltung oder -abspaltung entstehenden Betriebsteile noch in den Geltungs- und Anwendungsbereich der (bislang) geltenden Gesamtbe-triebsvereinbarungen fallen.

Weithin wird dies aus den Regelungen des § 21a BetrVG über das Übergangsman-dat gefolgert.537 Gemäß § 21a Abs. 1 Satz 1 BetrVG bleibt bei Betriebsspaltungen der Betriebsrat im Amt und führt die Geschäfte für die ihm zugewiesenen Betriebstei-le weiter, soweit sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllen und nicht in einen Betrieb eingegliedert werden, in dem ein Betriebsrat besteht. Das Ü-bergangsmandat ist für die auf- oder abgespaltenen Betriebsteile als Vollmandat konzipiert, so dass es sämtliche betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte beinhaltet.538 Daraus wird geschlossen, eine effektive Ausübung der Aufgaben des Übergangsmandats erfordere eine Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen in den ausgegliederten Betriebsteilen.539 Ob dies angesichts der Befristung des Über-gangsmandats zutrifft, ist zweifelhaft, weil eine dauerhafte Geltung von Betriebs- und gegebenenfalls auch Gesamtbetriebsvereinbarungen über die maximale Dauer des Übergangsmandats von sechs bzw. zwölf Monaten weit hinaus ginge540. Die Frage kann letztlich offen bleiben, weil es auf einen Gleichlauf des Übergangsmandats mit der Geltung von (Gesamt-) Betriebsvereinbarungen nicht ankommt.

Entscheidend für den Fortbestand des räumlichen Geltungs- und Anwendungsbe-reichs einer Gesamtbetriebsvereinbarung ist nicht die Entstehung eines Übergangs-mandats, sondern die von ihm in den Regelungen des § 21a BetrVG vorausgesetzte gesetzgeberische Wertung, dass sich ein Teil der bisher von einem Betriebsrat rep-räsentierten Arbeits- und Produktionsgemeinschaft in dem ausgegliederten Be-triebsteil fortsetzen kann. Die Regelungen des § 21a BetrVG setzen voraus, dass der bisherige Repräsentationsbereich nicht durch eine neu entstehende, andere Arbeits- und Produktionsgemeinschaft ersetzt wird, weil ein Betrieb in mehrere Betriebsteile gespalten wird. Anderenfalls bestünde kein Grund anzuordnen, dass der Betriebsrat des bisherigen Betriebs für die neue Struktur zunächst regelungsbefugt bleibt. Das Gesetz misst dem Umstand Bedeutung zu, dass die entstehenden Betriebsteile Teil der bisherigen Repräsentationseinheit sind, und stellt nicht allein darauf ab, dass neue betriebsverfassungsrechtliche Repräsentationseinheiten entstehen. Die Rechtsfolge einer Befristung des Übergangsmandats erklärt sich zwanglos aus dem Grundsatz der Zuständigkeit eines Betriebsrats für nur einen Betrieb, der durch das Übergangsmandat nicht langfristig durchbrochen werden soll. 537 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 675; Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77,

Rn. 51; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 174; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 378; a.A. Hohenstatt in: Willem-sen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 18.

538 Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 21a BetrVG, Rn. 5; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a, Rn. 20; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 21a, Rn. 38; Schlochauer in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 21a, Rn. 30; Thüsing in: Richardi, § 21a, Rn. 16.

539 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 51; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 21a, Rn. 39, § 77, Rn. 377.

540 Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 18.

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Die Anerkennung des Gesetzes, dass die Entstehung mehrerer Betriebsteile der Fortsetzung der bisherigen Repräsentationsstruktur in den Betriebsteilen nicht ent-gegen steht, lässt den Schluss zu, dass nichts anderes für den räumlichen Geltungs-bereich als Anwendungsbereich einer Gesamtbetriebsvereinbarung gelten kann. Auch ihr Geltungs- und Anwendungsbereich kann sich in den Betriebsteilen und mit ihnen in den neuen betrieblichen Einheiten fortsetzen. Ob der Geltungs- und Anwen-dungsbereich sich in den neuen betrieblichen Einheiten jedoch tatsächlich fortsetzt, bedarf der Feststellung im Einzelfall. Aus den Regelungen über das Übergangsman-dat ist lediglich zu entnehmen, dass die Aufspaltung des Geltungs- und Anwen-dungsbereichs der Normen einem Fortbestand des bisherigen räumlichen Geltungs-bereichs in den entstehenden Teilen nicht entgegen steht. Aus den Regelungen über das Übergangsmandat folgt dagegen nicht, dass bei der Entstehung von Betriebstei-len und einem Übergangsmandat stets der räumliche Geltungsbereich positiv fortbe-steht.541 Eine solche Aussage ist den Regelungen des § 21a BetrVG nicht zu ent-nehmen.

Im Falle der Fortführung von Betriebsteilen als selbständige Betriebe ist im Ergebnis von einem Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs von Gesamtbetriebsver-einbarungen auszugehen542: Hindert die Entstehung mehrerer Betriebsteile nach der Wertung des § 21a BetrVG eine Fortsetzung der bisherigen Repräsentationsstruktu-ren in den Betriebsteilen und damit in den entstehenden Betrieben nicht, bedarf es der Feststellung, ob sich in den neuen betrieblichen Einheiten der bisherige räumli-che Geltungsbereich fortsetzt oder er in einer bereits zuvor bestehenden Struktur, in die der Betriebsteil eingegliedert wird, aufgeht.543 Im Falle der Fortführung der ent-standenen Betriebsteile als selbständige Betriebe stellt sich die Frage einer Überla-gerung des bisherigen räumlichen Geltungsbereichs durch eine bestehende Struktur regelmäßig nicht.

Die Situation ist bei isolierter Betrachtung der Betriebsteile nicht anders, als bei einer bloßen Verkleinerung des ursprünglichen Betriebs.544 Bei der Betrachtung der Krite-rien, die für die Beurteilung der Identität des Betriebs herangezogen werden, wurde bereits festgestellt, dass weder eine Verringerung der Belegschaftsstärke, noch Ver-änderungen oder der Fortfall betreffend die Betriebsmittel oder die arbeitstechnische Zwecksetzung des Betriebs sowie Änderungen der mitbestimmungsrelevanten oder arbeitstechnischen Organisationsstrukturen einem Fortbestand der relevanten Orga-nisationsstrukturen entgegen stehen.545 Die bloße Betriebseinschränkung ist keine Betriebsstilllegung. Entfällt damit die Gestaltungsaufgabe der Gesamtbetriebsverein-

541 A.A. Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 378. 542 Ebenso BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 675; Bachner, NJW 2003, 2861,

2865; Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 51; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 174; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 378; Wah-lig/Witteler, AuA 2004, 14, 16.

543 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 675; a.A. Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 378.

544 Richardi/Kortstock, RdA 2004, 173, 175. 545 Siehe S. 99ff.

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barung nicht, berührt eine betriebliche Auf- oder Abspaltung die Geltung von Ge-samtbetriebsvereinbarungen nicht, wenn die entstehenden Betriebsteile als selb-ständige Betriebe weitergeführt werden. Es entstehen vielmehr mehrere Einheiten, von denen jede ein Rumpfbetrieb nach einer Betriebseinschränkung sein könnte. Ob und in welcher der entstehenden Einheiten der bisherige Betrieb fortbesteht, ist un-erheblich. Aus der Wertung des § 21a BetrVG folgt, dass die Spaltung des Betriebs nicht zu einer vollständigen Loslösung der entstehenden Betriebsteile von den bishe-rigen betrieblichen Strukturen führt. Der bisherige Betrieb setzt sich in sämtlichen Betriebsteilen fort. Derselbe Betriebsrat bleibt (zumindest) im Rahmen des Über-gangsmandats für sämtliche Betriebsteile regelungszuständig. Damit setzt sich e-benso der bisherige räumliche Geltungsbereich von Gesamtbetriebsvereinbarungen in den Betriebsteilen fort.

Zweifelhaft ist eine geltungserhaltende Fortführung von Betriebsteilen als selbständi-ge Betriebe allein dann, wenn die entstehende betriebliche Einheit nicht mehr die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllt. Besteht in dem Unternehmen, in dem eine solche betriebliche Einheit fortgeführt wird, kein anderer Betrieb, dem ein solcher Kleinstbetrieb gemäß § 4 Abs. 2 BetrVG zuzurechnen ist, kann für diese be-triebliche Einheit gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein Betriebsrat nicht gewählt wer-den. Für diesen Fall ist es umstritten, ob Betriebsvereinbarungen fortgelten, wenn die Betriebsratsfähigkeit des Betriebs endet. Während eine Auffassung ihre Fortgeltung befürwortet, weil es auf den Fortbestand des Amts des Betriebsrats nicht ankom-me546, stellt die Gegenauffassung darauf ab, dass § 1 BetrVG ein betriebsverfas-sungsrechtliches Grundverhältnis statuiere, welches auch für die Geltung von Be-triebsvereinbarungen maßgeblich sei.547

Zutreffend dürfte es sein, eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen auch in Kleinstbetrieben zuzulassen. Der Wertung des § 4 Abs. 2 BetrVG entspricht es, diese Betriebe nicht aus der Betriebsverfassung vollständig auszuschließen, sondern daran teilhaben zu lassen. Durch die Zuordnung zum Hauptbetrieb gemäß § 4 Abs. 2 BetrVG gelten betriebsverfassungsrechtliche Normen auch in Kleinstbetrieben. Sie sollen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG lediglich keine eigene betriebsverfassungs-rechtliche Repräsentation erhalten. Weil eine solche Repräsentation nicht errichtet werden kann, schließt § 21 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auch die Entstehung eines – not-wendig ins Leere laufenden – Übergangsmandats zwecks Errichtung einer Arbeit-nehmerrepräsentation aus. Auf das Bestehen einer betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentation kommt es aber allein für die Inkraftsetzung von Gesamtbetriebsver-einbarungen an. Ein Fortfall der Arbeitnehmervertretung als Repräsentant der be-trieblichen Einheit hat keine Auswirkungen auf die Fortgeltung von Gesamtbetriebs-vereinbarungen.548 Es ist deshalb nicht ersichtlich, wie ein Fortfall der Repräsentati-onsfähigkeit die von der Repräsentation unabhängige Geltung von Gesamtbetriebs- 546 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 52; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77,

Rn. 175; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 383; Kreutz in: Festschrift für Kraft, 323, 337.

547 Wollgast, S. 309f. 548 Siehe S. 38ff.

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vereinbarungen beeinflussen sollte. Auf eine fortbestehende Betriebsratsfähigkeit des Betriebs kommt es nicht an.

Als weiteres Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass bei der Abspaltung von Be-triebsteilen oder der Aufspaltung von Betrieben unter Fortführung der entstehenden Betriebsteile als selbständige Betriebe eine Fortgeltung und Anwendung auch sol-cher Gesamtbetriebsvereinbarungen in Betracht kommt, die an die Betriebszugehö-rigkeit einer aktiv tätigen Belegschaft anknüpfen.

cc) Eingliederung oder Zusammenfassung von Betrieben oder Betriebsteilen

Für das Betriebsverfassungsrecht ist es umstritten, ob in den Fällen der Eingliede-rung oder Zusammenfassung von Betrieben oder Betriebsteilen eine Fortgeltung der Rechtsnormen des Ursprungsbetriebs im aufnehmenden bzw. entstehenden Betrieb in Betracht kommt. Dabei besteht kein Unterscheid zwischen den Auswirkungen auf Betriebs- und Gesamtbetriebsvereinbarungen, weil eine automatische Geltungs-erstreckung einer Gesamtbetriebsvereinbarung auf einen (beispielsweise im Wege der Zusammenfassung) neu gegründeten Betrieb ebenso wenig in Betracht kommt, wie bei einem Erwerb eines neuen Betriebs.549

Von denjenigen, die eine Identität des Betriebs fordern550, wird eine normative Fort-geltung von (Gesamt-) Betriebsvereinbarungen in dem eingegliederten oder zusam-mengefassten Betrieb oder Betriebsteil abgelehnt, weil sich die Identität des bisheri-gen Betriebs in der neuen Einheit nicht fortsetze. Aber auch diejenigen, die ein Ende der normativen Wirkung erst bei Gegenstandslosigkeit der Norm annehmen551, leh-nen eine normative Fortgeltung in diesen Konstellationen weithin ab, zum Teil mit der Maßgabe, dass eine Anwendung der Normen nicht mehr „möglich und sinnvoll“ sei. Ob damit ein brauchbares Abgrenzungskriterium gefunden ist, erscheint zweifelhaft. Die Auswirkungen der Eingliederung oder Zusammenfassung von Betrieben oder Betriebsteilen auf den räumlichen Geltungsbereich einer Gesamtbetriebsvereinba-rung sollen im Folgenden untersucht werden. Maßgebend ist, ob das Betriebsverfas-sungsrecht Wertungen aufstellt, die eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinba-rungen des Veräußerers bei Eingliederungen oder Zusammenfassungen rechtferti-gen oder ausschließen.

(1) Begriff

Eingliederung und Zusammenfassung von Betrieben oder Betriebsteilen sind strikt zu trennen. Ihre Rechtsfolgen unterscheiden sich erheblich. Rechtsfolge der Eingliede-rung eines Betriebs oder Betriebsteils in einen bestehenden Betrieb ist nach herr-schender Meinung ein Fortbestand des aufnehmenden Betriebs, dessen Identität

549 Siehe S. 147f. 550 Siehe Fn. 12. 551 Siehe Fn. 461.

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nicht berührt werde.552 Bei der Zusammenfassung von Betrieben oder Betriebsteilen entsteht dagegen ein neuer Betrieb, in dem sich die Identität keines der beteiligten Betriebe oder Betriebsteile fortsetzt.553 Nur in letzterem Fall verlieren deshalb auch die bisherigen Betriebsräte ihr Amt, während bei einer Eingliederung der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs im Amt bleibt und für den eingegliederten Betrieb oder Betriebsteil zuständig wird.554

Entscheidend ist deshalb die Unterscheidung des Tatbestands einer Eingliederung von dem einer Zusammenfassung. Die Differenzierung kann erhebliche Schwierig-keiten bereiten. Da bei der Eingliederung die Identität des aufnehmenden Betriebs nicht berührt werden darf555, kommt eine Eingliederung nur dann in Betracht, wenn dieser Betrieb der betrieblichen Einheit in der neuen Struktur ein Gepräge gibt, so dass von einer Wahrung der Identität die Rede sein kann. Gibt einer der betroffenen Betriebe oder Betriebsteile der neuen betrieblichen Struktur ein solches Gepräge, gehen im Zweifel nicht beide Einheiten unter, sondern die eine in der anderen auf. Im Rahmen einer typologischen Betrachtung bedarf es der Feststellung, ob und welche Merkmale der bisherigen Strukturen der beteiligten Betriebe oder Betriebsteile sich in der neuen Struktur fortsetzen. Ein besonderes Gewicht wird hierbei den Zahlenver-hältnissen der Arbeitsplätze der den Betrieben bzw. Betriebsteilen zuzuordnenden Arbeitnehmer als Normadressaten in der neuen Struktur zukommen.556 Weichen die-se erheblich voneinander ab, ist damit regelmäßig indiziert, dass der kleinere Be-triebsteil von dem größeren aufgenommen wird, ohne dass letzterer in seiner be-triebsverfassungsrechtlichen Identität berührt würde. Eine schematische Lösung ver-bietet sich jedoch, weil allein eine typologische Betrachtung des Zusammenspiels von Belegschaft, Betriebsmitteln, Betriebszwecken und Leitungsstrukturen die jewei-lige betriebliche Einheit charakterisiert und es sich nach dieser Gewichtung richtet, wie sich Veränderungen einzelner Merkmale auf das Ganze auswirken.557

Mit dieser Unterscheidung ist indessen noch nichts über die normative Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen ausgesagt. Gelten diese in Betriebsteilen fort, die als selbständige Betriebe fortgeführt werden, ist es ebenso denkbar, dass Nor-men in eingegliederten oder zusammengefassten Betrieben oder Betriebsteilen fort-gelten.

552 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a, Rn. 14; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs-

und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 164; Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 48; Thüsing in: Richardi, § 21a, Rn. 5.

553 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a, Rn. 11 m.w.N. 554 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a, Rn. 14. 555 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a, Rn. 14; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs-

und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 164; Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 48; Thüsing in: Richardi, § 21a, Rn. 5.

556 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 164. 557 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 13, 48; Hohenstatt in:

Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. D, Rn. 72.

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(2) Der Betrieb als betriebsverfassungsrechtliche Repräsentationseinheit

Ausgangspunkt für die Frage, auf welche Einheit für den Bestand einer kollektiven Ordnung beim Erwerber abzustellen ist, ist die Betriebsbezogenheit des Betriebsver-fassungsrechts. Für den Betrieb als repräsentationsfähige Einheit werden Betriebsrä-te gewählt, § 1 BetrVG. Diese auf betrieblicher Ebene angesiedelten Betriebsräte entsenden Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat, § 47 Abs. 2 BetrVG. Der Gesamtbe-triebsrat übt Mitbestimmungsrechte für die Reichweite der Repräsentationsstufe des Unternehmens, aber als Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte für die Ebene der Be-triebe des Unternehmens aus. Gesamtbetriebsvereinbarungen gelten ebenso wie Betriebsvereinbarungen für Betriebe. Bezugspunkt der kollektiven Ordnung durch Betriebs- wie durch Gesamtbetriebsvereinbarungen ist der Betrieb. Nur bei Fortbe-stand einer betrieblichen Einheit kommt die Anwendung solcher Gesamtbetriebsver-einbarungen in Betracht, die den Bestand einer aktiven Belegschaft voraussetzen. Dies legt es nahe, den Betrieb als die kleinste betriebsverfassungsrechtliche Einheit zu betrachten, in der Gesamtbetriebsvereinbarungen gelten.

Nach der Konzeption des Betriebsverfassungsrechts wird der Betrieb einheitlich durch einen Betriebsrat repräsentiert. Für diesen Betrieb sind andere betriebsverfas-sungsrechtliche Arbeitnehmervertretungen nur dann rechtsetzungsbefugt, wenn das Betriebsverfassungsgesetz eine Rechtsgrundlage bietet. Für den Gesamtbetriebsrat findet sich eine solche Rechtsgrundlage in § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, für den Kon-zernbetriebsrat in § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Dem entsprechend ist der Betrieb für einen amtierenden Betriebsrat ein Bereich seiner Souveränität, in dem grundsätzlich keine „fremden“ Rechtsnormen gelten.558 Einem bestehenden Betrieb darf eine fremde Rechtsordnung nicht „übergestülpt“ werden.

Die Betriebsbezogenheit des Betriebsverfassungsrechts vermag es aber nicht aus-zuschließen, dass die Betriebsparteien Regelungen treffen, die eine Ordnung nur für einen Teil des Betriebs aufstellen. Den Betriebsparteien steht es frei, für verschiede-ne Betriebsteile oder -abteilungen unterschiedliche kollektive Regelungen zu tref-fen.559 Es ist eine Frage der sachlichen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung (§ 75 BetrVG), nicht aber einer generell fehlenden rechtlichen Möglichkeit zur Herbeifüh-rung unterschiedlicher Normenkomplexe, ob das Nebeneinander verschiedener kol-lektiver Regelungen Bestand hat. Ist einem großen Produktionsbetrieb, in dem in ei-ner Früh- und Spätschicht gearbeitet wird, etwa eine Kantine angegliedert, ist nichts ersichtlich, was die Betriebsparteien an einer spezifischen schichtunabhängigen Ar-beitszeitregelung für die Kantine hindern sollte.

Verschiedene kollektive Regelungskomplexe können innerhalb eines Betriebs selb-ständig nebeneinander stehen. Eine betriebsverfassungsrechtlich einheitliche Reprä-sentation vermögen sie nicht in Frage zu stellen. Die Grenzen des Betriebs als Rep-räsentationseinheit werden nicht überschritten. Wollte man eine normative Fortgel-

558 Siehe S. 90ff. 559 Mues, DB 2003, 1273, 1275.

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tung von Gesamtbetriebsvereinbarungen in Teilen des Betriebs nach einer Eingliede-rung oder Zusammenfassung von Betrieben oder Betriebsteilen zulassen, scheint im Ergebnis nichts anderes erfolgt zu sein.

Dies gilt jedenfalls, wenn in der neuen betrieblichen Einheit die aufgenommenen Be-triebe oder Betriebsteile nach wie vor organisatorisch abgrenzbar sind.560 Im hier in-teressierenden Fall einer Betriebs- oder Betriebsteilveräußerung im Sinne des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine solche organisatorische Abgrenzbarkeit häufig möglich sein. Anderenfalls lägen die Voraussetzungen einer Betriebs- oder Be-triebsteilveräußerung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht vor. Diese knüpft an einen im Wesentlichen unveränderten Fortbestand eines Betriebs oder Betriebsteils an.561 Der entsprechende Bereich muss beim Veräußerer organisatorisch verselb-ständigt gewesen sein und in dieser organisatorischen Selbständigkeit beim Erwer-ber fortbestehen.562 Die Frage nach einer fehlenden organisatorischen Abgrenzbar-keit kann sich allein dann stellen, wenn ein Betriebsteil des Erwerbers in einen er-worbenen Betrieb eingegliedert wird.

Es stellt sich aber die Frage, ob ein solches „Puzzle“ kollektiver Ordnungen der Gel-tungsweise von Gesamtbetriebsvereinbarungen gerecht wird. Ist eine (Gesamt-) Be-triebsvereinbarung auf einen Teil eines Betriebs zugeschnitten, folgt daraus noch nicht, dass die Norm nicht gleichwohl einheitlich für den Betrieb gilt.563 Allein ihr Tat-bestand wird durch die Zuordnung eines Sachverhalts zu dem engeren Bereich des Betriebsteils konkretisiert. Eine solche Konkretisierung erfasst lediglich den normre-levanten Sachverhalt, der seinerseits eine Zuordnung zu einem bestimmten Be-triebsteil beinhaltet. Sie erfasst dagegen nicht den räumlichen Geltungsbereich, der stets den gesamten Betrieb ausfüllt.

Die Fortgeltung einer solchen Regelung in einem anderen Betrieb bewirkte, dass der anderen betrieblichen Einheit fremdes Recht „übergestülpt“ würde. Die Normen lös-ten zwar nur in einem Bereich Rechtsfolgen aus, der auch zuvor nicht der anderen betrieblichen Einheit zuzurechnen war. Die Auslösung von Rechtsfolgen setzte aber voraus, dass die Normen einheitlich für die gesamte betriebliche Einheit als räumli-chen Geltungsbereich wirken. Innerhalb des Betriebs als räumlichem Geltungsbe-reich fände eine tatbestandliche Konkretisierung statt. Während eine solche Rege-lung ohne weiteres von der Rechtsetzungsbefugnis der für den Betrieb zuständigen Betriebsparteien gedeckt wäre564, bedeutete sie in Eingliederungs- oder Zusammen-fassungsfällen eine Überschreitung des Zuständigkeitsbereichs der Betriebsparteien des eingegliederten oder zusammengefassten Betriebs oder Betriebsteils.

Es bedarf der Untersuchung, ob eine Gesamtbetriebsvereinbarung einen be-triebsteilbezogenen oder stets betriebsbezogenen räumlichen Geltungsbereich auf-

560 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 163. 561 BAG vom 17.04.2003 – 8 AZR 253/02 – AP Nr. 253 zu § 613a BGB m.w.N. 562 BAG vom 17.04.2003 – 8 AZR 253/02 – AP Nr. 253 zu § 613a BGB m.w.N. 563 Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 72. 564 Mues, DB 2003, 1273, 1275.

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weist. In letzterem Falle wäre zu klären, ob eine den Betriebsteil überschießende Geltungsweise in Eingliederungs- oder Zusammenfassungsfällen möglich ist.

(3) Der Betrieb als räumlicher Geltungsbereich

(a) Betriebsverfassungsrechtliche Repräsentationsstrukturen in einem Be-triebsteil gemäß § 21a BetrVG

Den Regelungen über das Übergangsmandat des Betriebsrats bei Betriebsspaltun-gen in § 21a BetrVG könnten spezifische Wertungen für eine Fortgeltung von Ge-samtbetriebsvereinbarungen in Eingliederungs- oder Zusammenfassungskonstellati-onen zu entnehmen sein. Für die Entstehung der Übergangsmandate ist es zwar e-benso umstritten, ob Legitimationsdefizite im Falle der Eingliederung eines Betriebs-teils in einen betriebsratslosen Betrieb oder bei der Zusammenfassung eines Be-triebs/Betriebsteils mit einem betriebsratslosen Betrieb/Betriebsteil einer Fortsetzung der betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentation entgegen stehen, wie ob das Ü-bergangsmandat zu einer Repräsentation auch anderer Betriebsteile in der neuen betrieblichen Einheit legitimiert.565

Ungeachtet dessen zeigen die Regelungen des § 21a BetrVG, dass sich betriebsver-fassungsrechtliche Repräsentationsstrukturen bereits in Gestalt eines Betriebsteils fortsetzen können. Im Falle der Betriebsspaltung ohne anschließende Eingliederung des Betriebsteils in eine andere betriebliche Struktur kann sich ein Ausschnitt der bisherigen Repräsentationsstruktur in dem entstehenden Betriebsteil fortsetzen, der eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen aufgrund fortbestehender Ges-taltungsfunktion rechtfertigt.566

Ebenso ist es bei der Eingliederung oder Zusammenfassung von Betrieben oder Be-triebsteilen nicht ausgeschlossen, dass sich in Form der übergehenden Betriebsteile oder Betriebe ein Teil der bisherigen Repräsentationsstruktur in der neuen betriebli-chen Struktur fortsetzt, der die Entstehung eines Übergangsmandats rechtfertigt.567 Die fortbestehenden Repräsentationsstrukturen können auf einen Fortbestand der Gestaltungsaufgabe von Gesamtbetriebsvereinbarungen schließen lassen. Insbe-sondere im Falle einer Zusammenfassung von Betrieben, bei der die bisherigen Be-triebe als Betriebsteile aufrecht erhalten bleiben, ändert sich bei Zugrundelegung des

565 Zum Meinungsstand: Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a, Rn. 11a, 23 m.w.N.;

Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 86f m. w. N.; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 21a, Rn. 32, 37, 63ff m. w. N.; Thüsing in: Richardi, § 21a, Rn. 10f.

566 Siehe S. 126ff. 567 Streitig für Eingliederungssachverhalte, vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a,

Rn. 11a m.w.N.; Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 86f m. w. N.; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 21a, Rn. 32, 63 m. w. N.; all-gemein anerkannt ist es dagegen aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 21a Abs. 2 Satz 1 BetrVG für die Zusammenfassung von Betrieben, vgl. Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 21a, Rn. 67f m. w. N.

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Betriebsbegriffs der herrschenden Meinung gegebenenfalls allein die Leitungsstruk-tur in personellen und sozialen Angelegenheiten, so dass innerhalb der Betriebsteile die Gestaltungsaufgabe sämtlicher Normen, die nicht zwingend an eine einheitliche Ausübung der Leitungsmacht für den Betrieb anknüpft, erhalten bleiben kann. Die Regelungen des § 21a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG enthalten vor diesem Hintergrund nicht etwa eine Wertung über den Vorrang der kollektiven Ordnung ei-nes bestimmten Betriebsrats, sondern verhindern allein die Zuständigkeit mehrerer Betriebsräte für einen Betrieb.568 Eine solche wäre mit dem Grundsatz „Ein Betrieb – ein Betriebsrat“, wobei Betrieb auch den gemäß §§ 3, 4 BetrVG fingierten Betrieb meint, nicht zu vereinbaren.569

Dies sagt aber noch nichts darüber aus, ob sich Repräsentationsstrukturen auch dann fortsetzen, wenn sie in einer neuen Struktur aufgehen, wie bei einer Eingliede-rung oder Zusammenfassung von Betrieben oder Betriebsteilen. Der Regelung des § 21a Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist lediglich zu entnehmen, dass eine bestehende Reprä-sentation im aufnehmenden Betrieb die bisherige Repräsentation durch den Be-triebsrat des abgebenden Betriebs in dem Betriebsteil verdrängt.570 Damit geht der Gesetzgeber offensichtlich davon aus, dass im Falle der Eingliederung eines Be-triebsteils in einen Betrieb mit Betriebsrat der Betriebsrat des aufnehmenden Betrie-bes im Amt bleibt.571

Für die Geltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen folgt daraus nichts. Sie ist vom Fortbestand des Betriebsrats ebenso wenig abhängig, wie vom Bestand des Ge-samtbetriebsrats. Verliert der Betriebsrat des eingegliederten oder zusammengefass-ten Betriebs oder Betriebsteils sein Amt, ist damit noch nichts über die Fortgeltung der Normen in dem Betrieb oder Betriebsteil gesagt. Es ist denkbar, dass der Be-triebsrat im aufnehmenden Betrieb Funktionsnachfolger des bisherigen Betriebsrats im eingegliederten oder zusammengefassten Betrieb oder Betriebsteil unter Fortgel-tung von dessen kollektiver Ordnung wird.572 Den räumlichen Geltungsbereich der Normen gilt es gesondert zu bestimmen, ohne dass der Begriff des Betriebsteils im Sinne des § 21a BetrVG einen Beitrag leisten könnte.

Es trifft auch nicht zu, dass ein etwaiges Übergangsmandat des Betriebsrats in Eingliederungs- oder Zusammenfassungskonstellationen eine Fortgeltung der bishe-rigen kollektiven Ordnung erfordere. Dies mag sinnvoll erscheinen. Es wurde bereits im Zusammenhang mit der Fortführung von Betriebsteilen als selbständigen Betrie-ben ausgeführt, dass dies dem Gesetz nicht zu entnehmen ist.573 Die Vorschriften des § 21a BetrVG legen fortbestehende Repräsentationsstrukturen und mit ihnen

568 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a, Rn. 14. 569 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a, Rn. 14; Hohenstatt in: Willem-

sen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 72. 570 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 379. 571 Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. D, Rn. 64; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 21a, Rn. 29. 572 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 21a, Rn. 67. 573 Siehe S. 126ff.

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eine fortbestehende Gestaltungsaufgabe der Normen in Eingliederungs- oder Zu-sammenfassungssachverhalten nahe. Sie treffen aber keine Aussage über eine fort-bestehende kollektive Ordnung in der neuen betrieblichen Einheit.

(b) Normsetzungsermächtigung für die Repräsentationseinheit

Entscheidend ist es deshalb, ob der räumliche Geltungsbereich von (Gesamt-) Be-triebsvereinbarungen nach allgemeinen Grundsätzen stets an die betriebliche Einheit als räumlichen Geltungsbereich anknüpft oder eine Beschränkung des normrelevan-ten Sachverhalts auf einen geregelten Teilbereich ebenso den räumlichen Geltungs-bereich einschränkt.

Eine betriebsteilbezogene Repräsentationseinheit kennt das Betriebsverfassungs-recht nicht. Repräsentationsenheit ist stets der – gegebenenfalls gemäß §§ 3, 4 BetrVG fingierte – Betrieb. Ermächtigt das Betriebsverfassungsgesetz die Betriebs-parteien in § 77 BetrVG zur Normsetzung, wirkt die Normsetzung einheitlich für die Repräsentationseinheit.574 Es steht den Betriebsparteien jedoch frei, innerhalb dieses räumlichen Geltungsbereichs durch eine tatbestandliche Konkretisierung verschie-dene Regelungskomplexe zu treffen. Diese wirken wie unterschiedliche kollektive Ordnungen, sind jedoch Teile einer einheitlichen kollektiven Ordnung.

Ein anderes Normgeltungsmodell ist mit der gesetzlichen Konzeption nicht vereinbar. Erst der Betriebsbegriff bewirkt die Verklammerung einer Gruppe von Arbeitnehmern und des Arbeitgebers zu einer Einheit mit einer eigenen betriebsverfassungsrechtli-chen Repräsentation. Für diese Einheit ermächtigt das Betriebsverfassungsrecht die Betriebsparteien zur Normsetzung. Die Normen gelten für Sachverhalte, die der be-trieblichen Einheit zuzuordnen sind. Die Zuordnung normrelevanter Sachverhalte zum räumlichen Geltungsbereich liefert der (gegebenenfalls fingierte) Betriebsbegriff, nicht ein Betriebsteilbegriff.

Der Betriebsteil ist zwar notwendig Bestandteil des Betriebs als Ganzen. Das Gesetz misst ihm für die Normgeltung jedoch keine eigenständige Relevanz zu. Normset-zungsrelevante Einheit kann mangels entgegenstehender Anhaltspunkte im Gesetz allein der (fingierte) Betrieb sein. Die (Gesamt-) Betriebsvereinbarung ist danach un-geachtet der Reichweite ihres Normbefehls Recht dieses Betriebs, nicht eines Be-triebsteils.

(c) Normative Fortgeltung als Überschreitung des Repräsentationsbereichs

Ausgehend von der Erkenntnis, dass sich bereits in Betriebsteilen, die als selbstän-dige Betriebe fortgeführt werden, das bisherige betriebliche Substrat fortsetzen kann, steht allein die Fortexistenz von Teilen eines Betriebs der weiteren Anwendung be-triebsverfassungsrechtlicher Normen nicht entgegen. Die neue Einheit erfüllt den Be-triebsbegriff, für den das Betriebsverfassungsrecht eine souveräne Rechtsetzung

574 Hohenstatt in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 72.

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und autonome Rechtsgeltung vorsieht. Ein etwaiger Betriebsrat in der neuen Einheit tritt eine Funktionsnachfolge des Betriebsrats im gespaltenen Betrieb an und ist wie dieser für die gesamte neue betriebliche Einheit zuständig.

Die Fälle der Eingliederung oder Zusammenfassung von Betrieben oder Betriebstei-len weisen dagegen die Besonderheit auf, dass die bisherigen betrieblichen Struktu-ren auf andere betriebliche Strukturen treffen, für die die bisherigen Betriebsparteien nicht zuständig waren. Eine kollektivrechtliche Fortgeltung der Normen aus den bis-herigen Einheiten für die fortbestehenden Teilbereiche bewirkte aufgrund der not-wendig einheitlichen Geltung der Norm für die entstandene betriebliche Einheit eine Überschreitung des bisherigen Repräsentationsbereichs, für den eine Ermächtigung der Betriebsparteien zur Normsetzung bestand. Der aufnehmende bzw. entstehende Betrieb ist eine Einheit, in der sich zwar teilweise betriebliche Strukturen des einge-gliederten bzw. zusammengefassten Betriebs oder Betriebsteils fortsetzen. Diese Einheit ist indessen im Falle der Eingliederung in einen bestehenden Betrieb durch dessen bestehende, im Falle der Zusammenfassung mit einem anderen Betrieb oder Betriebsteil zu einem neuen Betrieb durch neu entstehende, andere betriebliche Strukturen geprägt. Der bisherige räumliche Geltungsbereich der eingegliederten bzw. zusammengefassten Betriebe oder Betriebsteile wird durch die neuen betriebli-chen Strukturen verdrängt.

Eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen in einer anderen betrieblichen Struktur als räumlichem Geltungsbereich beinhaltete einen Eingriff in die Souveräni-tät dieser betrieblichen Repräsentationseinheit. Für einen solchen Eingriff fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen eines eingegliederten bzw. zusammengefassten Betriebs oder Betriebsteils kommt deshalb nicht in Betracht.

(4) Zwischenergebnis

Werden Betriebe oder Betriebsteile in einen bestehenden Betrieb eingegliedert oder zu einem neuen Betrieb zusammengefasst, gelten Gesamtbetriebsvereinbarungen für diese Betriebe oder Betriebsteile in der neuen Einheit nicht fort. Einer Fortgeltung steht die betriebsbezogene Repräsentationsstruktur des Betriebsverfassungsrechts entgegen. Das Betriebsverfassungsgesetz ermächtigt die Betriebsparteien zu einer einheitlichen Inkraftsetzung von Normen für den Betrieb. Eine Fortgeltung in einer anderen betrieblichen Struktur bedeutete eine Überschreitung des Zuständigkeitsbe-reichs der Betriebsparteien. Eine Ausdehnung des räumlichen Geltungsbereichs auf andere Betriebe oder Betriebsteile wäre unumgänglich. Für eine Überschreitung des Zuständigkeitsbereichs fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

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dd) Zwischenergebnis

Der Untergang des Betriebs schließt eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinba-rungen nicht generell aus. Die normative Wirkung von Regelungen, die nicht an eine fortdauernde aktive Betriebszugehörigkeit anknüpfen, wird durch den Untergang des Betriebs nicht berührt. Im Übrigen kommt es darauf an, ob der räumliche Geltungs-bereich der Gesamtbetriebsvereinbarung als Anwendungsbereich nach betrieblichen Umstrukturierungen fortbesteht.

Ebenso wie bei einer Verkleinerung des Betriebs, die seine Identität als Geltungs- und Anwendungsbereich grundsätzlich nicht berührt, tangiert die Spaltung eines Be-triebs in Betriebsteile die Anwendung von Gesamtbetriebsvereinbarungen in den Be-triebsteilen nicht.

Dies gilt aber nur bei der Fortführung der Betriebsteile als selbständige Betriebe. Bei der Eingliederung oder Zusammenfassung von Betriebsteilen oder Betrieben wird der bisherige räumliche Geltungsbereich von der neuen Struktur verdrängt.

e) Zwischenergebnis

Für die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen bei unternehmensinternen Umstrukturierungen kommt es als innerbetriebliche Voraussetzung nicht auf die Wahrung der Identität des Betriebs an. Die abstrakte Geltung der Normen ist vom Fortbestand des Betriebs unabhängig. Vom Regelungsgegenstand einer Gesamtbe-triebsvereinbarung hängt es ab, ob sie nach dem Untergang eines Betriebs einen fortdauernden Anwendungsbereich hat. Kommt es auf eine Betriebszugehörigkeit für einen fortbestehenden Anwendungsbereich der Gesamtbetriebsvereinbarung an, bedarf es der Prüfung, ob dieser Anwendungsbereich nach betrieblichen Umstruktu-rierungen fortbesteht. Die Kriterien, die zur Beurteilung der Identität des Betriebs he-rangezogen werden, sind im Rahmen einer typologischen Gesamtschau heranzuzie-hen um zu beurteilen, ob dieser räumliche Geltungsbereich fortbesteht. Entfällt der Anwendungsbereich, wird die Norm für zukünftige Sachverhalte gegenstandslos. Der Anwendungsbereich der Norm kann sich auch in Teilen des Betriebs fortsetzen, die als selbständige Betriebe fortgeführt werden. Werden Betriebe oder Betriebsteile in andere Betriebe eingegliedert oder zu neuen Betrieben zusammengefasst, geht der bisherige Anwendungsbereich von Gesamtbetriebsvereinbarungen in den eingeglie-derten oder zusammengefassten Betrieben oder Betriebsteilen auf, weil diese von einer anderen bzw. neuen betrieblichen Struktur überlagert werden.

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3. Vereinbarkeit des Ergebnisses mit § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB

Ordnet die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB eine individualrechtliche Fortgel-tung von Gesamtbetriebsvereinbarungen an, steht dies grundsätzlich der Annahme einer verdeckten Gesetzeslücke nicht entgegen, die § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nur zur Anwendung kommen lässt, wenn eine kollektivrechtliche Fortgeltung ausschei-det.575

a) Verbleibender Anwendungsbereich

Zweifel an einer teleologischen Reduktion des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB kommen indessen auf, wenn der Anwendungsbereich der Norm nicht nur im Ausnahmefall, sondern im Regelfall ausgeschlossen wird. Während sich diese Frage nach bisher herrschender Meinung nicht stellte, weil nur im Falle der Wahrung der Identität des Betriebs, bei der auch der Betriebsrat im Amt blieb, eine kollektivrechtliche Fortgel-tung von Betriebsvereinbarungen möglich war576, kommt dieser Frage nach dem hier vertretenen Verständnis eine gesteigerte Brisanz zu.

Wird ein Betrieb als Ganzes veräußert und vom Erwerber unverändert fortgeführt, ist eine kollektivrechtliche Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen beim Erwer-ber ebenso möglich, wie bei Veräußerung eines unter der Inhaberschaft des Veräu-ßerers im Wege der Ab- oder Aufspaltung eines Betriebs abgetrennten Betriebsteils, den der Erwerber als selbständigen Betrieb fortführt. Gleiches gilt, wenn der Erwer-ber einen Betrieb übernimmt, unter seiner Inhaberschaft aufspaltet oder einen Be-triebsteil abspaltet und die entstandenen Betriebsteile als selbständige Betriebe fort-führt.

Zweifelhaft kann ein verbleibender Anwendungsbereich der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB aber auch in den verbleibenden Fällen der Veräußerung eines Betriebs oder Betriebsteils sein, den der Erwerber mit anderen Betrieben oder Be-triebsteilen zu einem neuen Betrieb zusammenfasst oder in einen anderen Betrieb eingegliedert. In diesen Fällen scheidet eine kollektivrechtliche Geltung von Betriebs- oder Gesamtbetriebsvereinbarungen, die an eine aktiv tätige Belegschaft anknüpfen, zwar für zukünftige Sachverhalte in der neuen betrieblichen Einheit aus, weil die Normen keinen verbleibenden Anwendungsbereich mehr haben. Zweifel an der An-wendbarkeit des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB folgen aber daraus, dass die kollektiv-rechtliche Geltung nicht in der „logischen Sekunde“ des Erwerbs des Betriebs oder Betriebsteils endet, sondern erst mit der anschließend beim Erwerber erfolgenden Eingliederung oder Zusammenfassung des Betriebs oder Betriebsteils. Bei isolierter Betrachtung wäre die Eingliederung oder Zusammenfassung nicht Bestandteil des Inhaberwechsels, sondern eine gesonderte unternehmensinterne Umstrukturierung beim Erwerber, die den Anwendungsbereich des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nicht unmittelbar eröffnet.

575 Siehe S. 16ff. 576 Siehe Fn. 12.

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Gegen diese getrennte Betrachtung spricht indessen, dass der Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB an den Zeitpunkt der Übernahme der tatsächlichen Lei-tungsmacht für den Betrieb oder Betriebsteil durch den Erwerber anknüpft.577 Die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden Rechte und Pflichten unterfallen dem Anwendungsbereich des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB. Dieser Zeitpunkt der Über-nahme der tatsächlichen Leitungsmacht mit der Eingliederung oder Zusammenfas-sung der Betriebe oder Betriebsteile entspricht dem Zeitpunkt der Beendigung der kollektivrechtlichen Geltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen. Damit ist der An-wendungsbereich des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB eröffnet. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Erwerber einen erworbenen Betrieb oder Betriebsteil für eine Interimsphase in der erworbenen Gestalt fortführt, weil mit der Ausübung der Lei-tungsmacht der Betriebsübergang abgeschlossen wäre.

Im Ergebnis bleibt ein – eher selten eröffneter – Anwendungsbereich für die Rege-lung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB bestehen.

b) Wertungswidersprüche bei Wortlautlösung

Die Annahme einer verdeckten Gesetzeslücke für den Regelfall des § 613a BGB ist bedenklich, aber notwendig um Wertungswidersprüche zu vermeiden.

Dies gilt zunächst für das Verhältnis zu Betriebsnormen und betriebsverfassungs-rechtlichen Normen. Die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB vermag nach dem Wortlaut nur bei Inhaltsnormen eine normative Wirkung auszuschließen. Betriebs-normen oder betriebsverfassungsrechtliche Normen könnten dagegen fortgelten. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der die unterschiedliche Behandlung dieser Normen rechtfertigen könnte. Im Gegenteil erschwert er der Arbeitnehmervertretung die Wahrnehmung ihrer Aufgaben, als Inhaltsnormen erneut in Kraft gesetzt werden müssten, um später in den Betrieb eintretende Arbeitsverhältnisse zu erfassen. Da die der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB zugrunde liegende EG-Richtlinie 77/187/EWG in Art. 5 zugleich den Bestand der Arbeitnehmervertretungen sichern soll und dies bei der Gesetzesauslegung zu berücksichtigen ist578, ist ein solches Ergebnis offensichtlich nicht vom Willen des Gesetzgebers gedeckt.

Ein weiterer Wertungswiderspruch zeigt sich im Verhältnis zu einer Umstrukturierung ohne Betriebs- oder Betriebsteilinhaberwechsel. Scheidet eine kollektivrechtliche Fortgeltung nach dem aufgezeigten Wertungsmodell im Falle unternehmensinterner Umstrukturierungen nur bei einer Eingliederung oder Zusammenfassung von Betrie-ben oder Betriebsteilen aus, kann im Falle einer unternehmensübergreifenden Um-strukturierung nichts anderes gelten. Eine Ungleichbehandlung der Sachverhalte wä-re willkürlich und mit dem Normzweck des § 613a Abs. 1 BGB, Arbeitsbedingungen soweit als möglich aufrecht zu erhalten579, nicht vereinbar. Diese Ungleichbehand-lung könnte lediglich durch eine analoge Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB 577 Siehe Fn. 387. 578 Siehe S. 16ff. 579 Siehe S. 16ff.

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auf unternehmensinterne Umstrukturierungen ausgeräumt werden. Eine analoge und damit erweiternde Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB auf unternehmensin-terne Umstrukturierungen, die zu einem Ausschluss einer an sich möglichen kollek-tivrechtlichen Geltung führen würde, wäre aber rechtspolitisch zweifelhaft. Die Norm ist Bestandteil des Arbeitnehmerschutzrechts, würde sich im Wege der aufgezeigten Analogie aber zu Lasten der Arbeitnehmer auswirken, als eine zwingende Wirkung der transformierten Normen nach einem Jahr endete.

Der verbleibende eingeschränkte Anwendungsbereich der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB steht der Annahme einer verdeckten Gesetzeslücke damit nicht entgegen. Er ist vielmehr notwendig, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, die bei einer wortlautgebundenen Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB unver-meidlich wären.

III. Zwischenergebnis

Die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen nach Betriebsveräußerungen hat weder außer- noch innerbetriebliche Voraussetzungen. Die Normen gelten stets, wenn sie noch einen räumlichen Geltungs- und Anwendungsbereich für zukünftige Sachverhalte haben. Für einen fortbestehenden Geltungs- und Anwendungsbereich auf Sachverhalte, die den Tatbestand der Gesamtbetriebsvereinbarung erst zeitlich nach der Betriebsveräußerung berühren, kommt es darauf an, ob das bisherige Re-gelungssubstrat der Gesamtbetriebsvereinbarung fortbesteht. Außerbetriebliche Vor-aussetzungen sind hierfür nicht aufzustellen. Innerbetrieblich ist maßgebend, ob sich nach der Betriebsveräußerung zumindest in Gestalt eines abgrenzbaren Betriebsteils die bisherigen betrieblichen Strukturen als Regelungssubstrat fortsetzen und nicht in einer anderen betrieblichen Struktur aufgehen.

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F. Umfang der Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen beim Erwer-ber

Nach den bisherigen Erkenntnissen ist eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsverein-barungen bei Betriebs- und Betriebsteilübergängen grundsätzlich möglich. Aber auch dann, wenn eine Fortgeltung grundsätzlich möglich ist, können die Gesamtbetriebs-vereinbarungen beim Erwerber auf gänzlich andere Umstände treffen. Dabei kann es sich um andere Sachverhalte handeln, auf die die Regelungen nicht oder nicht exakt „passen“, aber auch um beim Erwerber geltende kollektivrechtliche Regelungen, die gegebenenfalls mit den fortgeltenden Gesamtbetriebsvereinbarungen des Veräuße-rers konkurrieren. Im Folgenden soll untersucht werden, wie sich solche veränderten Umstände oder konkurrierenden Normen auf die Fortgeltung von Gesamtbetriebs-vereinbarungen auswirken.

I. Veränderte Umstände im Erwerberunternehmen

Die Betriebsparteien treffen Regelungen durch Gesamtbetriebsvereinbarungen re-gelmäßig mit Blick auf die besonderen Umstände, die für den konkreten Regelungs-gehalt bedeutsam sind.580 Regelungen über die Lage der Arbeitszeit581 oder Be-triebsferien582 etwa werden mit Rücksicht auf die konkreten Produktionsabläufe oder Geschäftszeiten im Publikumsverkehr im Betrieb und gegebenenfalls im Zusam-menwirken der Betriebe miteinander getroffen. Regelungen über die Einführung und Anwendung technischer Überwachungseinrichtungen in Gestalt eines Personalwirt-schaftssystems583 knüpfen häufig an die spezifischen Funktionalitäten des eingesetz-ten Personalwirtschaftssystems an und sind auf ein anderes nicht ohne weiteres ü-bertragbar. Ebenso können Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz584 auf spezifische Produktionsverfahren zugeschnitten sein. Insbesondere bei Sozialein-richtungen wie Kantinen585, Betriebskindergärten586, Sportanlagen oder Unterstüt-zungskassen587, aber auch bei Werkmietwohnungen588 setzt jede Regelung voraus, dass der Arbeitgeber ein solches Regelungsobjekt überhaupt vorhält. Diese Aufzäh-lung ließe sich beliebig erweitern. Beim Erwerber dagegen kann aufgrund andersar-tiger Produktionsabläufe eine andere Regelung über Arbeitszeiten, Betriebsferien oder Arbeits- und Gesundheitsschutz notwendig werden.

Mitbestimmungsrelevante Fragestellungen können sich nicht mehr, erstmals oder in anderer Form stellen. Hält der Erwerber Kantinen, Betriebskindergärten, Sportanla-gen, Unterstützungskassen oder Werkmietwohnungen nicht vor, fragt es sich, welche 580 Bachner, NJW 2003, 2861, 2863; Meyer, DB 2000, 1174, 1175. 581 BAG vom 22.07.2003 – 1 ABR 28/02 – AP Nr. 108 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 582 BAG vom 28.07.1981 – 1 ABR 79/79 – AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Urlaub. 583 Vgl. BAG vom 26.07.1994 – 1 ABR 6/94 – AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung. 584 BAG vom 08.06.2004 – 1 ABR 13/03 – zitiert nach juris. 585 BAG vom 21.07.2000 – 1 AZR 551/99 – AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung. 586 BAG vom 22.10.1981 – 6 ABR 69/79 – AP Nr. 10 zu § 76 BetrVG 1972. 587 BAG vom 26.04.1988 – 3 AZR 168/86 – AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. 588 BAG vom 13.03.1973 -1 ABR 16/72 – AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG Werkmietwohnungen.

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Auswirkungen auf die Geltung diesbezüglicher Gesamtbetriebsvereinbarungen in Betracht kommen. Diese Fragestellungen sind keine Besonderheit der kollektivrecht-lichen Fortgeltung bei Betriebsübergängen. Sie stellen sich im Falle der Transforma-tion von Inhaltsnormen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ebenso.589 Darüber hinaus stellt sich im Falle der Übertragung von Betrieben oder Betriebsteilen auf ein Unter-nehmen, das bereits über Betriebe verfügt, die Frage nach einer Geltungserstre-ckung der Gesamtbetriebsvereinbarungen auf diese Betriebe.

1. Auslegung

a) Auslegungsgrundsätze für Normen

Es ist zunächst eine Frage der Auslegung, mit welchem Inhalt und mit welcher Reichweite Gesamtbetriebsvereinbarungen beim Erwerber fortgelten.590 Die Ausle-gung einer Gesamtbetriebsvereinbarung richtet sich aufgrund ihres Normencharak-ters nach den Regeln der Auslegung von Gesetzen.591 Entscheidend sind demnach zunächst der Wortlaut und der durch ihn vermittelte Wortsinn.592 Der Wille der Be-triebsparteien ist über den Wortsinn hinaus nur dann und soweit zu berücksichtigen, als er in den Regelungen unter Berücksichtigung von Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck einen Niederschlag gefunden hat.593 Im Zweifel ist die Auslegung vorzuziehen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und prak-tisch handhabbaren Regelung führt.594 Nach Möglichkeit sind die Normen hierzu ge-setzeskonform auszulegen.595

589 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 153; Wahlig/Witteler,

AuA 2004, 14, 17. 590 Meyer, DB 2000, 1174, 1174; Röder/Haußmann, DB 1999, 1754, 1757; Sowka/Weiss, DB 1991,

1518, 1519. 591 BAG vom 22.07.2003 – 1 AZR 496/02 – zitiert nach juris; BAG vom 21.01.2003 – 1 ABR 5/02 –

AP Nr. 117 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 77, Rn. 15 m.w.N; Matthes in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 328, Rn. 5.

592 BAG vom 22.07.2003 – 1 AZR 496/02 – zitiert nach juris; BAG vom 21.01.2003 – 1 ABR 5/02 – AP Nr. 117 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 15 m.w.N.

593 BAG vom 22.07.2003 – 1 AZR 496/02 – zitiert nach juris; BAG vom 21.01.2003 – 1 ABR 5/02 – AP Nr. 117 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 15 m.w.N; Matthes in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 328, Rn. 5.

594 BAG vom 22.07.2003 – 1 AZR 496/02 – zitiert nach juris; BAG vom 21.01.2003 – 1 ABR 5/02 – AP Nr. 117 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG vom 12.11.2002 – 1 AZR 632/01 – AP Nr. 155 zu § 112 BetrVG 1972; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 15.

595 BAG vom 22.07.2003 – 1 AZR 496/02 – zitiert nach juris; BAG vom 21.01.2003 – 1 ABR 5/02 – AP Nr. 117 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG vom 12.11.2002 – 1 AZR 632/01 – AP Nr. 155 zu § 112 BetrVG 1972; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 15; Matthes in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 328, Rn. 6.

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b) Auslegung bei Unzumutbarkeit und Unmöglichkeit der inhaltlichen Erfül-lung des Normbefehls

Die regelmäßigen Zweifelsfragen lassen sich unter Heranziehung dieser Grundsätze kaum beantworten. Die Betriebsparteien werden sich bei Abschluss einer Gesamtbe-triebsvereinbarung gewöhnlich keine Gedanken darüber machen, ob es in Zukunft zu Betriebsveräußerungen und damit einhergehenden anderen Rahmenbedingungen kommen wird. Dementsprechend ist der Wortlaut der Regelungen selten hilfreich. Der Wortlaut einer Regelung, etwa über eine bestimmte Lage der Arbeitszeit oder von Betriebsferien, über die Einführung und Anwendung eines bestimmten Perso-nalwirtschaftssystems oder über bestimmte Pflichten der Arbeitnehmer und des Ar-beitgebers zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, wird in der Regel eindeutig Rechte und Pflichten begründen und Ausnahmen aufgrund der Übertragung des Betriebs in ein anderes Unternehmen nicht zulassen.

Die Erfüllung einer „unpassenden“ Norm ist ohne weiteres möglich. Eine die Anwen-dung der Normen ausschließende Unmöglichkeit, andere als die exemplarisch ge-nannten normierten Arbeitszeiten, Betriebsferien oder Verhaltenspflichten zum Ar-beits- und Gesundheitsschutz zugrunde zu legen oder die Anwendung eines anderen Personalwirtschaftssystems zu unterlassen, wird regelmäßig nicht gegeben sein. Die Einhaltung der Regelungen mag im Einzelfall unzumutbar sein. Dies ist indessen ei-ne Frage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage als Rechtsgrundlage eines An-spruchs auf Anpassung oder eines Rechts zur Lossagung von der Regelung596, nicht aber ein Gesichtspunkt bei der Auslegung.

Nichts anderes gilt bei der fehlenden Möglichkeit der Erfüllung des Normbefehls, ins-besondere bei Regelungsgegenständen, die an das Unternehmen gebunden sind, wie den exemplarisch genannten Regelungen über unternehmensgebundene Sozi-aleinrichtungen oder Werkmietwohnungen. Häufig ist der Erwerber nicht zugangsbe-rechtigt und kann Leistungsansprüche aus Gesamtbetriebsvereinbarungen, die diese Regelungsgegenstände betreffen, dauerhaft nicht erfüllen. Entsprechend dem Rechtsgrundsatz impossibilium nulla obligatio est (§ 275 Abs. 1 BGB) entstehen die-se auf eine subjektiv unmögliche Leistung gerichteten Ansprüche nicht.597 Auch dies führt indessen weder zu einem Untergang der Normen, noch rechtfertigt es eine dem Wortsinn der Regelung nach den genannten Auslegungsgrundsätzen zuwider lau-fende Auslegung. Für eine anpassende Auslegung bleibt kein Raum, wenn das Nor-menwerk einen entsprechenden Anhaltspunkt nicht enthält.

Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass veränderte Umstände im Unterneh-men des Erwerbers in der Regel keine anpassende Auslegung der Gesamtbetriebs-

596 BAG vom 10.08.1994 – 10 ABR 61/93 – AP Nr. 86 zu § 112 BetrVG 1972; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 384; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 196; Worzalla in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 222.

597 Bachner, NJW 2003, 2861, 2863; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspal-tung, § 25, Rn. 153; Gaul, NZA 1995, 717, 724; Gussen, S. 17; Meyer, DB 2000, 1174, 1175; Ri-chardi/Kortstock, RdA 2004, 173, 174.

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vereinbarungen zulassen, es sei denn, die Regelungen enthalten Anhaltspunkte, die auf einen entsprechenden Willen der Betriebsparteien schließen lassen.

c) Veränderungen des räumlichen Geltungsbereichs

In der Praxis wird sich häufig die Frage stellen, ob eine Fortgeltung der Gesamtbe-triebsvereinbarung in einem veränderten räumlichen Geltungsbereich beim Erwerber möglich ist. Es ist ebenso denkbar, dass nur ein Ausschnitt des bisherigen räumli-chen Geltungsbereichs beim Erwerber fortbesteht, wie dass sich bei einer bislang für alle Betriebe des Unternehmens des Veräußerers einheitlichen Regelung die Frage einer Ausdehnung auf Erwerberbetriebe stellt. Aber auch bei einer nur für einen Teil der Veräußererbetriebe geltenden Regelung kann eine Ausdehnung des Geltungsbe-reichs auf weitere übertragene bisherige Betriebe des Veräußerers oder auch sol-chen des Erwerbers in Rede stehen.

Im Falle einer Einschränkung des räumlichen Geltungsbereichs wird eine Auslegung in der Regel ergeben, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung in ihrem verbleibenden räumlichen Geltungsbereich fortgilt. Bei Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinba-rung werden sich die Betriebsparteien im Zweifel keine Gedanken über das Aus-scheiden von Betrieben aus dem Geltungsbereich machen. Dient der Auslegungs-grundsatz einer im Zweifel gesetzeskonformen Auslegung598 der weitestgehend möglichen Aufrechterhaltung der Norm, ist entsprechend diesem Ziel einer Ausle-gung bei einer Einschränkung des räumlichen Geltungsbereichs im Zweifel eine gel-tungserhaltende Auslegung zugunsten einer Fortgeltung in dem fortbestehenden Teil des räumlichen Geltungsbereichs vorzunehmen. Eine Einschränkung des räumlichen Geltungsbereichs hat danach regelmäßig nicht eine gänzliche Unanwendbarkeit der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Folge. Ob eine Fortgeltung in dem eingeschränkten räumlichen Geltungsbereich möglich und sinnvoll ist, ist eine Frage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder einer Gegenstandslosigkeit, nicht aber ein Gegenstand der Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung.

Dies gilt indessen nicht für eine Erweiterung des räumlichen Geltungsbereichs. In der Regel entspricht eine Erweiterung des Geltungsbereichs bereits nicht dem Willen der Betriebsparteien. Dies gilt insbesondere für eine Gesamtbetriebsvereinbarung, die für eine Mehrheit von Betrieben beim Veräußerer zustande gekommen ist. Häufig ist bei einer Gesamtbetriebsvereinbarung, die für sämtliche Betriebe des Veräußerers zustande gekommen ist, aber nicht anders zu entscheiden:

Ist eine Gesamtbetriebsvereinbarung beim Veräußerer zustande gekommen, weil sie eine Angelegenheit regelt, die mehrere, nicht aber alle Betriebe des Unternehmens betrifft, ist sie regelmäßig nicht darauf angelegt, ihren räumlichen Geltungsbereich zu erweitern. Bereits beim Veräußerer galt sie nur in den bestimmten Betrieben, für die

598 BAG vom 22.07.2003 – 1 AZR 496/02 – zitiert nach juris; BAG vom 21.01.2003 – 1 ABR 5/02 –

AP Nr. 117 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG vom 12.11.2002 – 1 AZR 632/01 – AP Nr. 155 zu § 112 BetrVG 1972; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 15; Matthes in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 328, Rn. 6.

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notwendig eine einheitliche Regelung getroffen werden musste599, nicht aber in sämt-lichen Betrieben des Unternehmens. Betrifft die Regelung eine bestimmte Mehrzahl von Betrieben, nicht aber alle Betriebe des Unternehmens, werden die Betriebspar-teien regelmäßig eine auf die Besonderheiten der konkreten Mehrheit von Betrieben zugeschnittene Regelung getroffen haben. Eine Erweiterung des Geltungsbereichs auf weitere Betriebe überdehnte den Parteiwillen der Betriebsparteien.600 Sollte sich beim Erwerber die Notwendigkeit einer weitergehenden einheitlichen Regelung stel-len, führte eine Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht zu einer Erweite-rung ihres Geltungsbereichs. Vielmehr wäre diesem Umstand durch eine Anpassung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu entsprechen oder ein seltener Fall der Gegenstandslosigkeit der Norm anzunehmen.

Wurde die Regelung durch Gesamtbetriebsvereinbarung für das Gesamtunterneh-men beim Veräußerer getroffen, gilt letztlich nichts anderes.601 Zwar scheinen solche Gesamtbetriebsvereinbarungen, die in sämtlichen betrieblichen Bereichen des Un-ternehmens gelten sollen, darauf angelegt zu sein, für die jeweilige Gesamtheit der Betriebe des Rechtsträgers zu gelten. Für den Fall des Erwerbs von Betrieben durch den Rechtsträger, in dessen Unternehmen die Gesamtbetriebsvereinbarung gilt, wird weitgehend die Auffassung vertreten, dass eine Gesamtbetriebsvereinbarung für das Gesamtunternehmen später hinzuerworbene Betriebe erfasste.602 Letztlich handelt es sich dabei aber um eine Frage der Auslegung im Einzelfall.603 Die Auslegung kann ebenso ergeben, dass die betriebliche Zusammensetzung bei Abschluss der Gesamtbetriebsvereinbarung maßgebend dafür war, sie (zufällig) auf sämtliche Be-triebe des Unternehmens zu erstrecken.604 Eine Ausweitung auf weitere Betriebe käme nicht ohne weiteres in Betracht. Dies wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Regelung eine bestimmte Gesamtdotierung zugrunde lag, deren Rahmen im Wege einer ausdehnenden Auslegung gesprengt würde.605 Eine Auswei-tung des Kreises der Begünstigten und damit verbundene Erhöhung der Gesamtbe-lastung des Arbeitgebers über dessen Dotierung hinaus ist dem Parteiwillen nicht zu 599 Röder/Haußmann, DB 1999, 1754, 1756f; vgl. auch Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 76, wo dies vorausgesetzt wird, indem eine „für einzelne Betriebe geschlossene“ Gesamtbetriebsvereinbarung sich nicht ohne weiteres auf hinzuerworbene Betriebe erstrecken soll.

600 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 76; Röder/Haußmann, DB 1999, 1754, 1756f.

601 Röder/Haußmann, DB 1999, 1754, 1756. 602 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 15; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 50, Rn. 11n; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 50, Rn. 76; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 75; Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 50 BetrVG, Rn. 8; Lindemann/Simon, BB 2003, 2510, 2512; Picot/Schnitker, Rn. 290; a.A.: Glock in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 50, Rn. 51; Sowka/Weiss, DB 1991, 1518, 1519.

603 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 55; Röder/Haußmann, DB 1999, 1754, 1757.

604 Röder/Haußmann, DB 1999, 1754, 1756. 605 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 139; Hohenstatt in:

Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 13; Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 771.

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entnehmen. Eine erweiternde Auslegung bedürfte vielmehr besonderer Anhaltspunk-te606. Eine Erweiterung des Geltungsbereichs einer Gesamtbetriebsvereinbarung auf Betriebe des Erwerbers kommt aber auch dann nicht in Betracht, wenn Anhaltspunk-te für einen solchen Parteiwillen bestehen. Dies folgt entweder aus dem Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung eines Normenvertrages607 oder – wenn eine ge-setzeskonforme Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung etwa wegen eines ein-deutigen Wortlauts ausscheidet – aus der fehlenden rechtlichen Möglichkeit der Er-weiterung des Geltungsbereichs einer Gesamtbetriebsvereinbarung auf Betriebe, für die die Gesamtbetriebsvereinbarung nicht in Kraft gesetzt wurde.608

Da der Gesamtbetriebsrat für diese Betriebe bei Abschluss der Gesamtbetriebsver-einbarung nicht zuständig war, fehlt eine Legitimation für eine Geltungserstreckung auf diese Betriebe.609 Eine Legitimation lässt sich nicht aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für betriebsratslose Betriebe herleiten. Für diese wirken bei dem Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung zwar ebenfalls keine Betriebsräte im Gesamtbetriebsrat mit. Allerdings kann der Gesamtbetriebsrat die Verhältnisse sol-cher Betriebe beim Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung berücksichtigen.610 Dies und insbesondere die Möglichkeit der Arbeitnehmer dieser Betriebe, durch Er-richtung eines Betriebsrats an der Willensbildung im Gesamtbetriebsrat teilzuhaben, rechtfertigen eine Rechtsetzungslegitimation des Gesamtbetriebsrats für betriebs-ratslose Betriebe. Bei Betrieben, die erst später in den Zuständigkeitsbereich des Gesamtbetriebsrats eintreten, fehlt es an diesen Grundlagen einer Legitimation der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats.611

Neben der fehlenden Legitimation des Gesamtbetriebsrats für diese Betriebe steht einer Geltungserstreckung der Gesamtbetriebsvereinbarung die Geltungsweise einer Gesamtbetriebsvereinbarung entgegen. Die Gesamtbetriebsvereinbarung gilt in Be-trieben des Unternehmens, nicht aber im Unternehmen selbst. Wird die Gesamtbe-triebsvereinbarung für eine Mehrzahl von Betrieben oder sämtliche Betriebe eines Unternehmens in Kraft gesetzt, steht der räumliche Geltungsbereich der Gesamtbe-triebsvereinbarung für die bestehenden Betriebe fest. Für später hinzu kommende Betriebe fehlte es dagegen an einem Akt der Rechtsetzung. Eine Geltung der Rechtsnormen auch in diesen Betrieben wäre nicht zu erklären. Sie könnte allein im Wege der Auslegung des ursprünglichen Rechtsetzungsakts begründet sein.

Ob die mit der Auslegung verbundene Rechtsunsicherheit der Bedeutung und Trag- 606 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 139; Hohenstatt in:

Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Abschn. E, Rn. 13; Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 771.

607 Siehe Fn. 595. 608 Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 49; Sowka/Weiss, DB 1991,

1518, 1518f. 609 Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 49; Sowka/Weiss, DB 1991,

1518, 1518f. 610 Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 49. 611 Joost in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 49; Sowka/Weiss, DB 1991,

1518, 1518f.

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weite der normativen Wirkung gerecht wird, ist außerordentlich zweifelhaft. Vor allem aber wäre eine solche Auslegung nicht praktikabel, da eine Rechtsetzung durch den Gesamtbetriebsrat an dessen Zuständigkeit zum Zeitpunkt der Rechtsetzung an-knüpft. Zum Zeitpunkt der Rechtsetzung gehörte der hinzu gekommene Betrieb dem Zuständigkeitsbereich des Gesamtbetriebsrats aber noch nicht an. Es wäre allein eine fiktive Beurteilung der Zuständigkeit bezogen auf den Zeitpunkt der Rechtset-zung denkbar, die nicht statthaft ist. Sie kann unmöglich sein, etwa wenn der Betrieb erst nach dem Inkrafttreten der Gesamtbetriebsvereinbarung gegründet wurde. Im Übrigen ist mit einer solchen Betrachtung – insbesondere bei einer bereits seit Jahr-zehnten gelten Gesamtbetriebsvereinbarung – eine derartige Rechtsunsicherheit verbunden, dass sie der Bedeutung der Inkraftsetzung von Rechtsnormen nicht ge-recht wird.

Als weiteres Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass eine einschränkende Ausle-gung des Geltungsbereichs möglich ist, eine Erweiterung des Geltungsbereichs einer Gesamtbetriebsvereinbarung dagegen ausscheidet.

2. Wegfall der Geschäftsgrundlage

Nicht selten werden veränderte Umstände im Unternehmen des Erwerbers und die fehlende Möglichkeit einer Auslegung, die eine Regelung aus einer Gesamtbetriebs-vereinbarung an diese Umstände anpasst, einer sinnvollen Anwendung der Normen aus der Gesamtbetriebsvereinbarung im Unternehmen des Erwerbers entgegenste-hen.612 Beispielsweise ist eine Regelung über eine bestimmte Lage der Arbeitszeit oder Betriebsferien, die den produktionstechnischen Notwendigkeiten beim Veräuße-rer korrespondierte, auch beim Erwerber umsetzbar. Andere produktionstechnische Zusammenhänge können indessen einen anderen Regelungsinhalt erfordern, um den erworbenen Betrieb sinnvoll in die produktionstechnische Betriebsorganisation einzugliedern. Von den Umständen des Einzelfalls hängt es ab, ob die gesamte Re-gelung nicht mehr sinnvoll anzuwenden ist, oder ob zum Beispiel bei einer Regelung über gleitende Arbeitszeit allein die Kernarbeitszeit oder der Flexibilisierungszeitraum einer Verschiebung bedarf. Entsprechendes gilt für die Anwendung eines Personal-wirtschaftssystems, wenn eine beim Veräußerer geltende Gesamtbetriebsvereinba-rung über die Einführung und Anwendung eines bestimmten Systems beim Erwerber die Anwendung dieses Systems zwar weiterhin gestatten würde, dieser aber ein an-deres Personalwirtschaftssystem einsetzt. Je ähnlicher sich die eingesetzten Perso-nalwirtschaftssysteme sind, desto eher wird eine geringfügige Modifikation der bishe-rigen Regelung genügen. Gleiches kann bei Regelungen über Sozialeinrichtungen wie Kantinen oder Unterstützungskassen gelten. Hält der Erwerber vergleichbare Sozialeinrichtungen vor, wird er häufig eine Vereinheitlichung der Zugangsberechti-gungen anstreben, sei es, weil er aus Gleichbehandlungsgründen rechtlich hierzu verpflichtet ist oder er Unstimmigkeiten in der Belegschaft vermeiden will. Auch dem kann unter Umständen durch geringfügige Modifikationen der bisherigen Regelung Rechnung getragen werden. Nichts anderes gilt für eine Veränderung des Geltungs-

612 Bachner, NJW 2003, 2861, 2863; Meyer, DB 2000, 1174, 1175.

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bereichs der Regelung, wenn ausnahmsweise eine einheitliche Geltung auch in Be-trieben des Erwerbers notwendig sein sollte.

Während im Öffentlichen Recht in solchen Fällen, in denen eine sinnvolle Anwen-dung der bisher geltenden Normen dauerhaft nicht mehr möglich erscheint, eine Gel-tungsbeendigung infolge Funktionslosigkeit angenommen wird613, zieht die ganz herrschende Meinung im Betriebsverfassungsrecht bei einer solchen Veränderung der Normsituation die zivilrechtlichen Grundsätze über den Wegfall der Geschäfts-grundlage heran.614

Die Besonderheit der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage liegt darin, dass keine automatische Geltungsbeendigung der Normen eintritt, sondern den Betriebsparteien Anpassungsansprüche gegen die jeweils andere Betriebspartei zustehen.615 Nur dann, wenn aufgrund der veränderten Umstände auch eine Anpas-sung nicht möglich ist, steht den Betriebsparteien ein Lossagungsrecht zu, das einer außerordentlichen Kündigung gleich kommt.616 Die vorrangige Anpassungsnotwen-digkeit entspricht der Bipolarität der Betriebsparteien als Rechtsetzungsorgane, die sich bei der Normsetzung im Wege des Normenvertrags zeigt. Der Normenvertrag als Rechtsetzungsakt beruht auf einer mitbestimmten Regelung durch Willensakt bi-polarer Betriebsparteien. Der Bipolarität bei der Rechtsetzung korrespondiert ein Kompromisscharakter der gefundenen Regelung. Eine Geltungsbeendigung ipso jure unter Heranziehung der Grundsätze über die Funktionslosigkeit von Rechtsnormen ließe dies unberücksichtigt. Im Verhältnis der Betriebsparteien zueinander ist es da-her geboten, nicht anders als in der zivilrechtlichen Rechtsgeschäftslehre eine au-ßerordentliche Lossagung von einer getroffenen Vereinbarung nur aus wichtigem Grund zuzulassen. Ein wichtiger Grund kann in einer Änderung der Normsituation so lange nicht gesehen werden, als Anpassungsmöglichkeiten nicht vollen Umfangs ausgeschöpft worden sind.617 Dies zeigen insbesondere die oben exemplarisch ge-nannten Regelungen, die häufig erst nach langwierigen Verhandlungen zustande

613 Siehe S. 121ff. 614 BAG vom 10.08.1994 – 10 ABR 61/93 – AP Nr. 86 zu § 112 BetrVG 1972; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 152; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 11; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 384; Matthes in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 328, Rn. 50; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 196; Schaub, BB 1995, 1639, 1639; Wollgast, S. 244; Worzalla in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 222.

615 BAG vom 10.08.1994 – 10 ABR 61/93 – AP Nr. 86 zu § 112 BetrVG 1972; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 152; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 11; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 384; Matthes in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 328, Rn. 50; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 196; Schaub, BB 1995, 1639, 1640; Wollgast, S. 244; Worzalla in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 223.

616 BAG vom 10.08.1994 – 10 ABR 61/93 – AP Nr. 86 zu § 112 BetrVG 1972; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 152; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 384; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 196; Schaub, BB 1995, 1639, 1640; Wollgast, S. 244; Worzalla in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 223.

617 Wollgast, S. 243.

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gekommen sind und an die neuen Bedingungen beim Erwerber gegebenenfalls be-reits durch geringfügige Änderungen angepasst werden können.

Macht eine der Betriebsparteien von ihrem Lossagungsrecht mit Wirkung einer au-ßerordentlichen Kündigung Gebrauch, endet die Geltung der Norm. Eine Nachwir-kung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG scheidet aus.618 Anderenfalls wäre dem Gesichts-punkt der Unzumutbarkeit an einem Festhalten an der Gesamtbetriebsvereinbarung bei fehlender Anpassungsmöglichkeit nicht hinreichend Rechnung getragen.619 Der Gegenauffassung620, die trotz außerordentlichem Kündigungsrecht eine Nachwirkung anerkennt, kann insoweit nicht gefolgt werden. Das Lossagungsrecht mit der Wir-kung einer außerordentlichen Kündigung entsteht nur dann, wenn ein Festhalten an der Regelung nicht zumutbar ist. Wird dem Umstand der Unzumutbarkeit durch ein Lossagungsrecht mit sofortiger Wirkung entsprochen, stellte es einen Wertungswi-derspruch dar, eine Nachwirkung anzunehmen. Dem mit der Nachwirkung geregel-ten Interesse an einer Kontinuität der mitbestimmten Regelung kann durch ein-schränkende Auslegung der Voraussetzungen eines außerordentlichen Kündigungs-rechts bzw. Lossagungsrechts Rechnung getragen werden. Ist hiernach eine Unzu-mutbarkeit an einem Festhalten an der Gesamtbetriebsvereinbarung festgestellt und kommt eine Anpassung der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht in Betracht, endet die Maßgeblichkeit der Regelung mit Gebrauchmachen von dem Lossagungsrecht.

3. Gegenstandslosigkeit bei Unmöglichkeit der Anpassung

Erst wenn weder eine geltungserhaltende Auslegung noch eine Anpassung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht kommt, stellt sich die Frage nach einer Gegenstandslosigkeit der Normen. Eine verbreitete Auffassung geht davon aus, dass die Geltung von (Gesamt-) Betriebsvereinbarungen endet, wenn die Gestaltungsaufgabe dauerhaft entfällt.621 In der Regel wird auf eine Stillle-gung des Betriebs abgestellt.622 In diesen Fällen trete eine Gegenstandslosigkeit ein.623 Diese Auffassung kommt dem öffentlich-rechtlichen Gedanken der Funktions-losigkeit624 nahe. In beiden Fällen soll bei einer Veränderung der Normsituation, die die Norm gewissermaßen „obsolet“ werden lässt, die Geltung enden. 618 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 179; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 399 m.w.N. 619 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 179; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 399. 620 Matthes in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 3, § 328, Rn. 58. 621 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674; Bachner, NJW 2003, 2861, 2863;

Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 48ff; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 165, 174; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 380; Worzal-la in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 227.

622 Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 48ff; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 165, 174; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 380; Worzal-la in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, § 77, Rn. 227.

623 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674; Berg in: Däubler/Kittner/Klebe, § 77, Rn. 48ff; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 165, 174; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 77, Rn. 380.

624 Siehe S. 121ff.

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Das Verhältnis der Geltungsbeendigung infolge Gegenstandslosigkeit zu einer An-passungsnotwendigkeit nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäfts-grundlage wird in diesem Zusammenhang nicht erörtert.625 Beruhen dürfte dies auf einer Diskussion der Gegenstandslosigkeit im Zusammenhang mit dem Untergang des Betriebs, weil sich in diesen Fällen eine Anpassungsnotwendigkeit nicht stellt. Insbesondere besteht in diesen Fällen aber auch keine Anpassungsmöglichkeit, weil bezogen auf die betriebliche Repräsentationseinheit keine Betriebsparteien mehr existieren, die eine solche Anpassung vornehmen könnten.

Letzteres dürfte die entscheidende Abgrenzung zwischen Geltungsbeendigung durch Gegenstandslosigkeit und Anpassungs- bzw. Lossagungsnotwendigkeit nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ermöglichen: Verändert sich die Normsituation derart, dass die Norm dauerhaft keinerlei Anwendungsbereich mehr aufweist, ist die Erfüllung des Normbefehls unmöglich geworden. Solange eine Anpassung der Norm an die geänderten Verhältnisse noch möglich ist, steht die Un-möglichkeit der Erfüllung des Normbefehls der Geltung nicht entgegen. Eine Norm kann auch dann erfüllt werden, wenn dies aufgrund einer Änderung der tatsächlichen Umstände (zur Zeit) nicht mehr sinnvoll ist.

Ist eine Erfüllung des Normbefehls nicht mehr sinnvoll oder zur Zeit nicht möglich, rechtfertigt dies den automatischen Untergang der Norm nicht. Rechtsnormen sind auf Kontinuität angelegt.626 Kontinuität beinhaltet zwangsläufig einen gewissen Wan-del in der Normsituation.627 Ändert sich die Normsituation, ist es Aufgabe des Recht-setzungsorgans, diesen Veränderungen Rechnung zu tragen.628 Eine automatische Geltungsbeendigung widerspräche sowohl der Kontinuität des Rechts als auch der Autonomie des Rechtsetzungsorgans, eine Anpassung der Norm vorzunehmen.629 Wird ein Normsetzungsorgan trotz einer Veränderung der Normsituation nicht aktiv, kann dies ebenso auf seiner – vom Rechtsanwender zu respektierenden – Einschät-zung beruhen, dass der Wandel der Normsituation ein nur vorübergehender ist und die Norm langfristig erfüllt werden kann.630

In solchen Fällen kann eine veränderte Normsituation aufgrund der betriebsverfas-sungsrechtlichen Bipolarität der Betriebsparteien allein wechselseitige Ansprüche der Betriebsparteien auf Mitwirkung bei einer Anpassung der Norm nach den Grundsät-zen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage begründen, nicht aber einen Unter-gang der Rechtsnormen.631 Ist eine Anpassung jedoch ebenfalls von vornherein nicht 625 Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 935. 626 Forsthoff, S. 150; Wiedemann, Anm. zu BAG AP Nr. 28 zu § 2 TVG, AP Nr. 28 zu § 2 TVG. 627 Maurer in: Isensee/Kirchhof, Band 3, § 60, Rn. 1. 628 BGH vom 24.04.1974 – IV ZR 138/72 – BGHZ 62, 282, 285 zum Kranzgeldanspruch gemäß §

1300 BGB a.F. 629 BGH vom 24.04.1974 – IV ZR 138/72 – BGHZ 62, 282, 285. 630 Schmidt-Jortzig in: Rechtstheorie 12 (1981), 395, 415f. 631 Auf den Fortbestand der Betriebsparteien kommt es hierbei nicht an. Es gelten die gleichen

Grundsätze, wie bei einem Wegfall der Betriebsparteien unabhängig von einer Veränderung der Normsituation, siehe S. 38ff. Gegebenenfalls ist eine passive Ersatzzuständigkeit der Belegschaft als Adressat einer Kündigungserklärung des Arbeitgebers hinzunehmen. Eine Anpassung im We-

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denkbar, kann die doppelte Unmöglichkeit sowohl der Erfüllung des Normbefehls als auch einer Anpassung der Norm es rechtfertigen, entgegen der grundsätzlichen Kon-tinuität der Rechtsordnung die Norm mit Wirkung für die Zukunft632 nicht mehr anzu-wenden. Davon kann jedoch nur in evidenten Fällen auszugehen sein, in denen die Unmöglichkeit der Anpassung der Norm feststeht und die Forderung nach einer Los-sagung von einer ohnehin zur Zeit nicht anwendbaren Norm eine sinnlose Förmelei darstellte. Dies mag bei Regelungsgegenständen, die eine aktiv tätige Belegschaft voraussetzen bei Untergang des Betriebs der Fall sein. Darüber hinaus kann es bei dem Fortfall der für eine ablösende Neuregelung – gegebenenfalls auch nur in Ges-talt eines Übergangsmandats – zuständigen Arbeitnehmervertretung anzunehmen sein, weil eine Anpassung der obsoleten Norm an die veränderten Verhältnisse aus-scheidet. Letzteres kommt insbesondere bei Betriebsübergängen auf ein nicht ge-samtbetriebsratsfähiges Unternehmen für Gesamtbetriebsvereinbarungen in Betrie-ben in Betracht, für die der Gesamtbetriebsrat in Ausübung seiner Zuständigkeit für betriebsratslose Betriebe zuständig war, in denen mangels amtierenden Betriebsrats kein Übergangsmandat entsteht. In anderen Fällen – insbesondere, wenn eine An-wendung der Norm noch möglich aber nicht zweckmäßig ist – wird man es indessen bei der Notwendigkeit einer Lossagung bewenden lassen müssen, da die Entschei-dung über die Aufhebung zweckwidriger Normen Aufgabe des Rechtsetzungsorgans ist, nicht aber die des Rechtsanwenders.

Kommt eine Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung aufgrund Gegenstands-losigkeit nicht in Betracht, kann Raum für eine Transformation gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB bleiben. Zwar scheint es, als müsse die Gegenstandslosigkeit einer Erfüllung des Normbefehls sowohl kollektiv- als auch in-dividualrechtlich einheitlich entgegen stehen. Die Gegenstandslosigkeit bei Entfallen des Anwendungsbereichs – zum Beispiel im Falle der Eingliederung eines Betriebs- oder Betriebsteils in einen anderen Betrieb – einer Gesamtbetriebsvereinbarung, de-ren Regelungen an eine aktiv tätige Belegschaft anknüpfen, zeigt jedoch, dass eine Geltung als Individualrecht durchaus möglich ist. Gleiches gilt bei Notwendigkeit ei-ner Anpassung der Norm an veränderte Umstände beim Erwerber, jedoch fehlender Möglichkeit einer Anpassung mangels bestehender zuständiger Arbeitnehmervertre-tung. Gerade in diesen Fällen kann die individualrechtliche Geltung weiter gehende Auslegungsspielräume eröffnen und dem durch § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB bezweck-ten Bestandsschutz Rechnung tragen. Während die äußerste Grenze der Auslegung der Normen aus Gesamtbetriebsvereinbarungen grundsätzlich der Wortlaut der Re-gelung ist633, richtet sich die Auslegung der zum Individualrecht transformierten Norm mangels Beteiligung weiterer Rechtssubjekte an dem Rechtsverhältnis nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB über die Auslegung von Verträgen. Bei dieser kommt eine weiter gehende Auslegung in Betracht, die eine Berücksichtigung des Parteiwillens zulässt. Gegebenenfalls kann auf diesem Wege beispielsweise eine

ge einer ablösenden Neuregelung kommt allerdings nicht in Betracht, da das Betriebsverfas-sungsrecht die Inkraftsetzung von Rechtsnormen nur durch die Betriebsparteien gestattet.

632 Siehe S. 33ff. 633 Siehe S. 143.

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Auslegung von Leistungsansprüchen (zum Beispiel auf Zugang zu bestimmten Ein-richtungen des Veräußerers) als Verschaffungs- oder wertgleiche andere Leistungs-ansprüche in Betracht kommen, etwa eine Kostenübernahme der Nutzung einer frei zugänglichen öffentlichen Einrichtung.634

4. Zwischenergebnis

Liegen die Voraussetzungen einer Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen nach einer Betriebsveräußerung vor, können veränderte Umstände im Unternehmen des Erwerbers zu einer Unmöglichkeit oder Zweckwidrigkeit der Erfüllung des Norm-befehls einer Gesamtbetriebsvereinbarung führen. Da sich die Auslegung von Ge-samtbetriebsvereinbarungen nach den Grundsätzen über die Auslegung von Geset-zen richtet, kommt eine anpassende Auslegung nur dann in Betracht, wenn der Wortsinn des Regelungswerks für diese Auslegung wenigstens einen Anhalt enthält. Im Regelfall gelten Gesamtbetriebsvereinbarungen auch bei Unmöglichkeit oder Zweckwidrigkeit der Erfüllung des Normbefehls fort. Es ist dann nach den Grundsät-zen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Anpassung der Normen zu su-chen. Ist auch dies nicht möglich, enden Gesamtbetriebsvereinbarungen grundsätz-lich erst nach Ausübung eines Lossagungsrechts. Eine Ausnahme kann eingreifen, wenn die Anpassung einer Gesamtbetriebsvereinbarung, deren Normbefehl nicht mehr erfüllt werden kann, von vornherein ausscheidet, etwa weil keinerlei Arbeit-nehmervertretung existiert, die für eine ablösende Neuregelung zuständig wäre.

II. Konkurrenzen mit geltenden Normen beim Erwerber

Gelten Gesamtbetriebsvereinbarungen in den veräußerten Betrieben oder Be-triebsteilen beim Erwerber fort, können sich dort Konkurrenzfragen zu den beim Er-werber bereits geltenden Rechtsnormen stellen.

Unproblematisch ist das Verhältnis zu Tarifverträgen, die beim Erwerber gelten, wenn deren Geltungsbereich den erworbenen Betrieb oder Betriebsteil umfasst. Die Vorschriften über den Tarifvorrang in §§ 77 Abs. 3, 87 Abs. 1 BetrVG stellen klar, dass konkurrierende Tarifverträge der Geltung von Betriebs-, Gesamtbetriebs- und Konzernbetriebsvereinbarungen zu solchen Regelungsgegenständen entgegenste-hen, die tariflich geregelt sind.635 Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags ist eine Gesamtbetriebsvereinbarung zu demselben Regelungsgegenstand unwirksam. Sie wird unwirksam, wenn das Konkurrenzverhältnis erst nach Inkrafttreten der Ge-samtbetriebsvereinbarung entsteht636, wie im hier interessierenden Fall der Betriebs-veräußerung.

634 BAG vom 05.10.1993 – 3 AZR 586/92 – AP Nr. 42 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen;

Meyer, DB 2000, 1174, 1175. 635 Meyer, DB 2000, 1174, 1179; im Anwendungsbereich des § 77 Abs. 3 BetrVG genügt bereits Ta-

rifüblichkeit einer Behandlung des Regelungsgegenstands. Für die Beurteilung konkreter Konkur-renzverhältnisse ist dies jedoch ohne Belang.

636 BAG vom 21.01.2002 – 1 ABR 9/02 – AP Nr. 1 zu § 21a BetrVG 1972; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 99.

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Näherer Erörterung bedarf jedoch das Verhältnis fortgeltender Gesamtbetriebsver-einbarungen zu Betriebs- Gesamtbetriebs- und Konzernbetriebsvereinbarungen, die beim Erwerber bereits gelten.

Die Frage einer Konkurrenz von fortgeltenden Gesamtbetriebsvereinbarungen des Veräußerers mit Regelungen beim Erwerber stellt sich erst, wenn mehrere Regelun-gen in demselben Bereich Geltung beanspruchen. Ein Konkurrenzverhältnis mit Be-triebsvereinbarungen des Erwerbers ist deshalb nicht denkbar. Die Frage kann sich allenfalls in Eingliederungsfällen stellen, in denen Betriebe oder Betriebsteile des Ve-räußerers in Erwerberbetriebe eingegliedert werden, in denen Betriebsvereinbarun-gen gelten. In diesen Fällen scheidet eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinba-rungen des Veräußerers in den übertragenen Betieben oder Betriebsteilen jedoch aus637. Ein Konkurrenzverhältnis entsteht nicht.

Gleiches gilt für Gesamtbetriebsvereinbarungen beim Erwerber. Da der Geltungsbe-reich von Gesamtbetriebsvereinbarungen nicht im Wege der Auslegung auf weitere Betriebe ausgedehnt werden kann638, scheidet ein Konkurrenzverhältnis mit Ge-samtbetriebsvereinbarungen des Erwerbers aus. Gesamtbetriebsvereinbarungen des Veräußerers können nur in dessen Betrieben fortgelten. Solche des Erwerbers kön-nen gleichfalls nicht in den bisherigen Veräußerbetrieben gelten. Sie gelten neben-einander, konkurrieren miteinander jedoch nicht.

Nichts anderes gilt für Konzernbetriebsvereinbarungen beim Erwerber. Ebenso wie bei Gesamtbetriebsvereinbarungen bedarf es für die Feststellung eines Konkurrenz-verhältnisses bei Konzernbetriebsvereinbarungen vorrangig der Auslegung, ob die erworbenen Betriebe oder Betriebsteile in ihren Geltungsbereich fallen. Ein konkreter Bestand an Betrieben innerhalb der Konzernunternehmen wird bei Abschluss einer Konzernbetriebsvereinbarung in der Praxis regelmäßig eine weniger gewichtige Rolle spielen, wenngleich eine solche Anknüpfung selbstverständlich nicht ausgeschlossen ist. Allerdings steht einer Erweiterung des Geltungsbereichs einer Konzernbetriebs-vereinbarung auf hinzu kommende Betriebe bei Betriebsübergängen, die nicht inner-halb eines Konzerns stattfinden, ein Legitimationsdefizit entgegen. Es gilt nichts an-deres, als bei der Erweiterung des Geltungsbereichs einer Gesamtbetriebsvereinba-rung.639 Betriebe, die nicht bereits zuvor in den Zuständigkeitsbereich des Konzern-betriebsrats fielen, waren weder durch ihren Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat im Konzernbetriebsrat vertreten (vgl. §§ 55 Abs. 1, 54 Abs. 2 BetrVG) noch hatten sie die Möglichkeit hierzu. Bei Betriebsübergängen innerhalb des Konzerns steht einer Erweiterung des Geltungsbereichs zwar nicht die fehlende Legitimation des Kon-zernbetriebsrats entgegen. Sowohl bei Betriebsübergängen innerhalb wie außerhalb des Konzerns ist eine Erstreckung des Geltungsbereichs einer Konzernbetriebsver-einbarung auf Betriebe, für die sie nicht in Kraft gesetzt wurde, aber aufgrund der Betriebsbezogenheit der Geltung von Konzernbetriebsvereinbarungen ausgeschlos-

637 Siehe S. 130ff. 638 Siehe S. 147. 639 Siehe S. 147.

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sen.640 Konzernbetriebsvereinbarungen können nur für Betriebe gelten, für die sie in Kraft gesetzt wurden. Insoweit gilt nichts anderes, als bei Gesamtbetriebsvereinba-rungen. Konkurrenzverhältnisse entstehen nicht.

III. Zwischenergebnis

Bisherige Gesamtbetriebsvereinbarungen des Veräußerers gelten beim Erwerber grundsätzlich in ihrem bisherigen Geltungsbereich mit ihrem bisherigen Inhalt fort. Änderungen der Normsituation rechtfertigen regelmäßig nur eine Anpassung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage oder eine Lossagung durch eine Betriebspartei. Gelten beim Erwerber kollektivrechtliche Regelungen zu demselben Regelungsgegenstand, stehen die Regelungswerke nebeneinander. Die Geltungsbereiche überschneiden sich nicht. Konkurrenzverhältnisse gelangen nicht zur Entstehung.

640 Siehe S. 164.

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G. Exkurs: Konzernbetriebsvereinbarungen

Nach den gewonnenen Erkenntnissen gelten Gesamtbetriebsvereinbarungen, nicht anders als Betriebsvereinbarungen, bei Betriebs- oder Betriebsteilveräußerungen weitgehend in den veräußerten Betrieben oder Betriebsteilen fort. Grundlage ist die Betriebsbezogenheit von Betriebs- wie von Gesamtbetriebsvereinbarungen, die es rechtfertigt, eine Anknüpfung der Geltung beider Normentypen in dem Fortbestand eines räumlichen Geltungsbereichs ohne Rücksicht auf das veräußernde Unterneh-men anzunehmen. Eine Fortgeltung von Gesamtbetriebs- wie von Betriebsvereinba-rungen wirft die Frage auf, ob Gleiches für Konzernbetriebsvereinbarungen gilt, oder ob diese aufgrund des weiter gehenden Zuständigkeitsbereichs an den Konzern oder die Unternehmen des Konzerns anknüpfen.

I. Begriff und Rechtscharakter der Konzernbetriebsvereinbarung

Eine gesonderte Regelung über Konzernbetriebsvereinbarungen trifft das Gesetz nicht. Die Vorschrift des § 59 Abs. 1 BetrVG verweist für den Konzernbetriebsrat auf die für den Gesamtbetriebsrat geltende Vorschrift des § 51 Abs. 5 BetrVG, die ihrer-seits auf die Vorschriften über Rechte und Pflichten des Betriebsrats verweist. Damit gelten die Regelungen des § 77 BetrVG über Betriebsvereinbarungen auch für die Normsetzung durch den Konzernbetriebsrat.641 Entsprechend einer Betriebsverein-barung handelt es sich deshalb bei einer Konzernbetriebsvereinbarung um eine zwi-schen Arbeitgeber und Konzernbetriebsrat getroffene Vereinbarung.642 Der Rechts-charakter einer Konzernbetriebsvereinbarung unterscheidet sich von dem einer Be-triebs- oder Gesamtbetriebsvereinbarung nicht. Konzernbetriebsvereinbarungen kommen durch eine Willenseinigung der Betriebsparteien auf der Repräsentations-stufe des Konzerns zustande, bei der sich die Betriebsparteien als bipolare Verhand-lungspartner gegenüber stehen. Nicht anders als bei Betriebs- und Gesamtbetriebs-vereinbarungen folgt daraus, dass auch Konzernbetriebsvereinbarungen Normenver-träge sind. Ebenso wie bei Gesamtbetriebsvereinbarungen folgt daraus aber nicht, dass die Geltung von Konzernbetriebsvereinbarungen an den Bestand der Betriebs-parteien gebunden wäre. Der Normencharakter gebietet vielmehr eine vom Bestand des Rechtsetzungsorgans unabhängige Geltung der Normen.

II. Geltungsbereich von Konzernbetriebsvereinbarungen

Wie bei Betriebs- und Gesamtbetriebsvereinbarungen ist bei dem Geltungsbereich einer Konzernbetriebsvereinbarung, für den die Norm ihre Gestaltungswirkung entfal-tet, zwischen dem räumlichen und dem personellen Geltungsbereich zu unterschei-den. Der räumliche Geltungsbereich einer Konzernbetriebsvereinbarung ergibt sich wiederum einerseits aus der getroffenen Regelung, andererseits aus der Zuständig- 641 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 2; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 59, Rn. 49. 642 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 58, Rn. 34; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 58, Rn. 49; Richardi/Annuß in: Richardi, § 58, Rn. 45.

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keit der Betriebsparteien auf der Repräsentationsstufe des Konzernbetriebsrats.643 Der personelle Geltungsbereich erstreckt sich auf die jeweiligen Arbeitsverhältnisse innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs.644 Maßgebendes Kriterium für die Be-stimmung des Geltungsbereichs der Norm ist damit der räumliche Geltungsbereich. Besteht dieser nach einer Betriebsveräußerung fort, kommt eine Fortgeltung der Konzernbetriebsvereinbarung in Betracht. Besonderes Gewicht kommt der Frage zu, ob Konzernbetriebsvereinbarungen – ebenso wie Betriebs- und Gesamtbetriebsver-einbarungen – in den Betrieben der (Konzern-) Unternehmen gelten, weil sich nach einer Betriebsveräußerung allein eine betriebliche Struktur beim Erwerber fortsetzt. Bei einer konzern- oder unternehmensbezogenen Geltung wäre eine Fortgeltung da-gegen zweifelhaft.

1. Konzernbegriff gemäß § 54 Abs. 1 BetrVG

Mit der Errichtung von Konzernbetriebsräten trägt das Betriebsverfassungsrecht dem Umstand Rechnung, dass mitbestimmungsrelevante Entscheidungen in abhängigen Unternehmen eines Konzerns häufig nicht autonom in diesen Unternehmen getroffen werden, sondern durch strategische Entscheidungen des herrschenden Unterneh-mens determiniert sind.645

Deshalb ist die Errichtung eines Konzernbetriebsrats nur für einen Unterordnungs-konzern im Sinne des § 18 Abs. 1 AktG möglich. Die Verweisung auf § 18 Abs. 1 AktG stellt klar, dass die Errichtung eines Konzernbetriebsrats nicht für einen Gleich-ordnungskonzern im Sinne des § 18 Abs. 2 AktG in Betracht kommt.646 Ein Unter-ordnungskonzern liegt gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG vor, wenn ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst sind. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG sind Unternehmen, zwischen denen ein Beherrschungsvertrag besteht oder von denen das eine in das andere eingegliedert ist, als unter einheitlicher Leitung zusammengefasst anzusehen. Für das Abhängigkeitsverhältnis genügt es im Übri-gen gemäß § 17 Abs. 1 AktG, wenn das herrschende Unternehmen die Möglichkeit hat, einen beherrschenden Einfluss auf das beherrschte Unternehmen auszuüben. Aus § 17 Abs. 2 AktG folgt eine Vermutung für eine Abhängigkeit, wenn ein Unter-nehmen im Mehrheitsbesitz eines anderen steht. Die Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG stellt wiederum eine Vermutung auf, dass abhängige Unternehmen mit einem herrschenden Unternehmen einen Konzern bilden. Mit der Verweisung des § 54 Abs. 1 BetrVG auf § 18 Abs. 1 Akt hebt das Betriebsverfassungsgesetz damit die beson- 643 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 34; Richardi in: Richardi, § 77, Rn. 127. 644 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77, Rn. 35. 645 Annuß in: Richardi, Vorb. § 54, Rn. 1; Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 54

BetrVG, Rn. 1; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 54, Rn. 3; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 54, Rn. 4; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 54, Rn. 2.

646 BAG vom 22.11.1995 – 7 ABR 9/95 – AP Nr. 7 zu § 54 BetrVG 1972; Annuß in: Richardi, § 54, Rn. 3; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 54, Rn. 9; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 54, Rn. 8; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 54, Rn. 13.

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dere Bedeutung der Abhängigkeit in einem betriebsverfassungsrechtlich relevanten Konzern hervor.647

2. Mitbestimmungsgegenstände der Repräsentationsstufe des Konzernbe-triebsrats

Ein gewichtiges Argument gegen eine Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats auf einer besonderen Ebene des Unternehmens ist die Wahrnehmung von Mitbestim-mungsgegenständen durch den Gesamtbetriebsrat, die nicht spezifische Angelegen-heiten des Unternehmens betreffen, sondern bei fehlender Gesamtbetriebsratsfähig-keit alternativ durch örtliche Betriebsräte in den Betrieben behandelt werden können. Eine entsprechende Frage stellt sich für die Mitbestimmungsgegenstände auf der Repräsentationsstufe des Konzernbetriebsrats. Bestimmt dieser über Mitbestim-mungsgegenstände mit, für deren Behandlung alternativ Gesamtbetriebsrat oder Be-triebsrat zuständig sind, stellt dies einen spezifischen Konzernbezug der Mitbestim-mung durch den Konzernbetriebsrat in Frage, weil die Angelegenheiten durch Ge-samtbetriebsrat und Betriebsrat auf betrieblicher Ebene behandelt werden können.

a) Verhältnis der Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats zur Mitbestim-mung des Gesamtbetriebsrats und des Betriebsrats

Gegen einen Konzernbezug der Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats würde es zunächst sprechen, wenn Mitbestimmungsrechte des Konzernbetriebsrats alternativ durch Gesamtbetriebsrat oder Betriebsrat wahrgenommen werden könnten.

Das Betriebsverfassungsgesetz trifft keine eindeutige Aussage über das Verhältnis der Zuständigkeiten von Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat. Das Verhältnis der Arbeitnehmervertretungen ist vorrangig geprägt durch eine weisung-sunabhängige Ausübung ihrer Zuständigkeiten. Ebenso wenig, wie Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat einen unmittelbaren Einfluss auf die Ausübung von Mitbestim-mungsrechten für das jeweils andere Gremium haben, besteht im Verhältnis von Ge-samt- und Konzernbetriebsrat ein Über- oder Unterordnungsverhältnis.648

Eine allgemeine Aufgabenzuweisung für den Konzernbetriebsrat findet sich in §§ 59 Abs. 1, 51 Abs. 5 BetrVG. Gemäß §§ 59 Abs. 1, 51 Abs. 5 BetrVG gelten die Vor-schriften über Rechte und Pflichten des Betriebsrats entsprechend für den Konzern-betriebsrat, soweit das Betriebsverfassungsgesetz keine besonderen Vorschriften enthält. Das Gesetz stellt damit die Qualität der beteiligungspflichtigen Angelegenhei-ten für Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat gleich.649

647 Annuß in: Richardi, § 54, Rn. 4. 648 BAG vom 12.11.1997 – 7 ABR 78/96 – AP Nr. 2 zu § 58 BetrVG 1972; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 58, Rn. 5; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 58, Rn. 7; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 58, Rn. 3.

649 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 54, Rn. 3; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 58, Rn. 8; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 58, Rn. 3.

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Die Regelungen der §§ 59 Abs. 1, 51 Abs. 5 BetrVG werden konkretisiert durch § 58 BetrVG über die Abgrenzung der Zuständigkeiten des Konzernbetriebsrats.650 Ge-mäß § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Konzernbetriebsrat zuständig für die Behand-lung von Angelegenheiten, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und die nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Un-ternehmen geregelt werden können. Insoweit erstreckt sich die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats auch auf Unternehmen, die einen Gesamtbetriebsrat nicht ge-bildet haben, sowie auf Betriebe der Konzernunternehmen ohne Betriebsrat, § 58 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG. Gemäß § 58 Abs. 2 BetrVG kann der Gesamtbe-triebsrat darüber hinaus den Konzernbetriebsrat mit der Behandlung einer Angele-genheit für ihn beauftragen.

Die Regelungen des § 58 BetrVG sind der Zuständigkeitstrennung zwischen Be-triebsrat und Gesamtbetriebsrat in § 50 BetrVG nachgebildet.651 Aus denselben Gründen, die zu einer zwingenden Trennung der Zuständigkeiten von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat führen652, schließen sich deshalb auch eine Zuständigkeit des Betriebsrats, Gesamtbetriebsrats und Konzernbetriebsrats zwingend aus.653 Die Zuständigkeiten dieser Arbeitnehmervertretungen stehen sich nicht im Verhältnis ei-ner konkurrierenden Mitbestimmung gegenüber, die eine Zuständigkeit des Gesamt-betriebsrats solange zuließe, wie der Konzernbetriebsrat noch nicht tätig geworden ist.654 Daran ändert auch die im Gegensatz zur Errichtung eines Gesamtbetriebsrats nur fakultative Errichtung des Konzernbetriebsrats655 nichts, weil der Wortlaut des § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ebenso, wie der des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auf eine Regelungsunmöglichkeit der Gesamtbetriebsräte abstellt.

Es spricht deshalb auch viel dafür, dass im Falle der fehlenden Errichtung eines Konzernbetriebsrats trotz Konzernbetriebsratsfähigkeit Mitbestimmungsrechte unge-nutzt bleiben, die einem Konzernbetriebsrat im Falle seiner Errichtung zugewiesen wären.656 Ebenso wie die Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG beinhaltete § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG demnach eine negative Kompetenznorm bei bestehender Mög-lichkeit der Errichtung einer Arbeitnehmervertretung auf höherer Repräsentationsstu-fe.

Aufgrund der zwingenden Errichtung eines Gesamtbetriebsrats stellt sich diese Fra-ge im Verhältnis der Mitbestimmung von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat aller-dings nicht. Im hier interessierenden Zusammenhang des Verhältnisses der Mitbe- 650 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 58, Rn. 4. 651 Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 58 BetrVG, Rn. 1. 652 Siehe S. 51ff. 653 BAG vom 20.12.1995 – 7 ABR 8/95 – AP Nr. 1 zu 58 BetrVG 1972; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 58, Rn. 8; Joost in: Münchener Handbuch zum Ar-beitsrecht, Band 3, § 313, Rn. 42; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 58, Rn. 8; Richardi/Annuß in: Richardi, § 58, Rn. 21.

654 Dies befürwortet wiederum Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 58, Rn. 19. 655 Annuß in: Richardi, Vorb. § 54, Rn. 2; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 54, Rn. 38. 656 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 58, Rn. 8; a.A. Richardi/Annuß in:

Richardi, § 58, Rn. 21.

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stimmung von Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat bedarf es keiner abschlie-ßenden Stellungnahme, weil diese Betrachtung für eine konkurrierende Zuständigkeit erst recht nichts hergibt.

b) Einfluss der Zuständigkeit eines Konzernbetriebsrats auf Mitbestim-mungsgegenstände der Repräsentationsstufe des Gesamtbetriebsrats

Im Verhältnis der Zuständigkeiten von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat wurde festgestellt, dass ein spezifischer Unternehmensbezug der Mitbestimmung des Ge-samtbetriebsrats aus den Kompetenzen des Gesamtbetriebsrats nicht hergeleitet werden kann, weil ein Betriebsrat diese Kompetenzen bei fehlender Gesamtbetriebs-ratsfähigkeit in seinem Zuständigkeitsbereich wahrnimmt. Für die Mitbestimmungs-gegenstände des Konzernbetriebsrats gilt nichts anderes.

Fehlt es an der Konzernbetriebsratsfähigkeit bzw. ist ein Konzernbetriebsrat nicht errichtet, ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der einzige Gesamtbetriebsrat oder Betriebsrat in einem Konzern in seiner Zuständigkeit eingeschränkt sein sollte. Es gilt nichts anderes, als entsprechend der Zuständigkeitsverteilung zwischen Be-triebsrat und Gesamtbetriebsrat. Nichts spricht dafür, eine Angelegenheit, die sich über die Betriebe eines Unternehmens hinaus auswirken kann, der Zuständigkeit von Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat nur deshalb zu entziehen, weil im theoretisch denkbaren Fall der Wahl eines Betriebsrats in einem anderen Konzernunternehmen und der damit einher gehenden Konzernbetriebsratsfähigkeit ein Konzernbetriebsrat errichtet werden könnte, der für die Wahrnehmung der Angelegenheit zuständig wä-re. Dies wird ersichtlich auch von niemandem vertreten. Die Entziehung der Zustän-digkeiten unter ihrer Übertragung auf den Konzernbetriebsrat durch die Regelung des § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfolgt systematisch allein bei Vorliegen der Voraus-setzungen des § 54 Abs. 1 BetrVG. Sie dient nach Sinn und Zweck einer effektiveren Vertretung der Arbeitnehmer durch eine zusätzliche Arbeitnehmervertretung dort, wo mitbestimmungsrelevante Entscheidungen vorgegeben werden.657 Dem liefe es zu-wider, der Regelung bei fehlender Konzernbetriebsratsfähigkeit eine Einschränkung von Mitbestimmungsrechten entnehmen zu wollen. Im Ergebnis folgt aus der Zu-ständigkeitsverteilung zwischen Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebs-rat, dass der Konzernbetriebsrat Mitbestimmungsgegenstände behandelt, die bei fehlender Konzernbetriebsratsfähigkeit durch einen Gesamtbetriebsrat und bei feh-lender Gesamtbetriebsratsfähigkeit durch einen Betriebsrat wahrzunehmen wären. Ein spezifischer Konzernbezug kommt den Aufgaben des Konzernbetriebsrats damit nicht zu.658

657 Annuß in: Richardi, Vorb. § 54, Rn. 1; Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 54

BetrVG, Rn. 1; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 54, Rn. 3; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 54, Rn. 4; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 54, Rn. 2.

658 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 54, Rn. 3; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 54, Rn. 4; Richardi/Annuß in: Richardi, § 58, Rn. 1; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 54, Rn. 8.

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Schließlich gibt auch die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats kraft Delegation nichts für einen Konzernbezug der Mitbestimmung durch den Konzernbetriebsrat her. Nicht anders als bei der delegierten Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG schließt der Konzernbetriebsrat im Falle der Zuständigkeit gemäß § 58 Abs. 2 BetrVG eine Gesamtbetriebsvereinbarung659 bzw. im Falle einer Weiter-gabe der bereits delegierten Zuständigkeit660 des Betriebsrats gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG eine Betriebsvereinbarung ab.661 Die Zuständigkeitsebene der delegierenden Arbeitnehmervertretung wird nicht verlassen.

c) Konzernbezug der Mitbestimmungsgegenstände der Repräsentationsstufe des Konzernbetriebsrats kraft gesetzlicher Anordnung

Den Mitbestimmungsgegenständen des Gesamtbetriebsrats kommt ein Unterneh-mensbezug nicht zu, obgleich das Gesetz in der Zuständigkeitsregelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG von einer Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für Angele-genheiten des Gesamtunternehmens spricht. Vor dem Hintergrund, dass die Zustän-digkeitsregelung des § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für den Gesamtbetriebsrat nachgebildet ist662, besteht keine Veranlassung anzu-nehmen, § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG transportiere bei Konzernbetriebsratsfähigkeit Mitbestimmungsgegenstände des Betriebsrats bzw. Gesamtbetriebsrats auf die E-bene des Konzerns.663 Der Begriff einer Angelegenheit der Zuständigkeit des Kon-zernbetriebsrats im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betrifft, ist entsprechend der Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG so zu verstehen, dass der Konzernbetriebsrat zuständig ist, wenn eine Angelegenheit sämtliche Betriebe des Konzerns oder Betriebe mehrerer Kon-zernunternehmen betrifft.

Etwas anderes folgt nicht aus der kumulativen Voraussetzung für eine Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, nach der eine Behand-lung der Angelegenheit durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte nicht möglich sein darf. Bei der entsprechenden Regelung für die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats im Falle der fehlenden Möglichkeit einer Regelung durch die Betriebsräte darf dieses Kriterium nicht dazu führen, dass eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats vollen Umfangs ausscheidet, weil die Mitbestimmungsgegenstände alternativ stets einem örtlichen Betriebsrat zugewiesen wären, der eine Regelung treffen kann, die für an-dere Betriebe präjudizierend wirkt. Deshalb lässt es die ganz herrschende Meinung im Rahmen des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genügen, wenn ein zwingendes Erforder-

659 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 58, Rn. 49. 660 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 58, Rn. 25 m.w.N. 661 Siehe S. 48ff. 662 Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 58 BetrVG, Rn. 1; Fit-

ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 58, Rn. 10; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 58, Rn. 2; Richardi/Annuß in: Richardi, § 58, Rn. 5; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 58, Rn. 2.

663 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 54, Rn. 3; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 54, Rn. 4.

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nis für eine einheitliche Regelung besteht.664 Nichts anderes gilt für das Erfordernis einer fehlenden Regelungsmöglichkeit durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte im Rahmen der Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.665 So wird als Beispiel einer Zuständigkeit des § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Form, Ausgestaltung und Verwaltung einer konzernweiten Sozialeinrichtung ge-nannt.666 Fehlte es an der Zuständigkeit eines Konzernbetriebsrats, weil nur ein Ge-samtbetriebsrat oder Betriebsrat im Konzern existierte, stünde es außer Zweifel, dass diese Angelegenheit durch den Gesamtbetriebsrat oder Betriebsrat mitbestim-mungspflichtig wäre, wenn nicht nach § 87 Abs. 1 Ziffer 8 BetrVG667, dann doch zu-mindest gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG.668 Gleiches gilt etwa für die Einführung eines konzernweiten Personalwirtschaftssystems.669 Theoretisch sind regelmäßig gebündelte Betriebsvereinbarungen oder Gesamtbetriebsvereinbarungen zu dem-selben Regelungsgegenstand denkbar. Eine spezifische Angelegenheit des Kon-zerns wird aus einer konzerneinheitlichen Regelung deshalb aber nicht.670 Auf wel-cher dogmatischen Grundlage und aus welcher Veranlassung die Zuständigkeits-norm des § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eine Mitbestimmung auf die Konzernebene transportieren sollte, ist nicht ersichtlich.

d) Zwischenergebnis

Die Mitbestimmungsgegenstände der Repräsentationsstufe des Konzernbetriebsrats sind – nicht anders als die des Gesamtbetriebsrats – alternativ den einzelnen Be-triebsräten zugewiesen. Ein spezifischer Konzernbezug folgt weder aus der Natur der Mitbestimmungsgegenstände des Konzernbetriebsrats, noch aus der Zuständig-keitsregelung des § 58 BetrVG.

3. Kein Widerspruch zur Repräsentationsstufe des Amts

Ebenso wie für die Ansiedelung des Amts des Gesamtbetriebsrats viel für eine Ar-beitsgemeinschaft der Betriebsräte spricht, die an die Ebene der Betriebe des Unter-nehmens nicht aber an das Unternehmen selbst anknüpft671, gilt dies für das Amt des Konzernbetriebsrats.

664 Siehe S. 64. 665 BAG vom 20.12.1995 – 7 ABR 8/95 – AP Nr. 1 zu 58 BetrVG 1972; Eisemann in: Erfurter Kom-

mentar zum Arbeitsrecht, § 58 BetrVG, Rn. 3; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 58, Rn. 11; Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 58, Rn. 22ff; für § 58 BetrVG ebenfalls zustimmend Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 58, Rn. 24, der a.a.O., § 50, Rn. 29, für die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats die gegenteilige Auffassung vertritt.

666 BAG vom 21.06.1979 – 3 ABR 3/78 – AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung; Fit-ting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 58, Rn. 12; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 58, Rn. 23.

667 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 87, Rn. 346 m.w.N. zum Meinungsstand. 668 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 87, Rn. 346. 669 Eisemann in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 58 BetrVG, Rn. 5. 670 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 54, Rn. 3; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 54, Rn. 4. 671 Siehe S. 72.

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Bereits die Errichtung des Konzernbetriebsrats durch Entsendung von Mitgliedern aus den Gesamtbetriebsräten, die sich aus Mitgliedern der Betriebsräte zusammen-setzen, oder im Falle des § 54 Abs. 2 BetrVG sogar eine Entsendung aus den Be-triebsräten selbst, knüpft an die betriebliche Ebene an, § 55 Abs. 1 BetrVG. Eine Le-gitimation über den Konzern ist nicht ersichtlich, insbesondere nicht durch Wahlen im Konzern. Nichts anderes folgt aus der Regelung des § 56 BetrVG über den Aus-schluss von Konzernbetriebsratsmitgliedern durch ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer der Konzernunternehmen. Da das Gesetz auf die Wahlberechtigung der Arbeitnehmer abstellt, knüpft es wiederum an die Arbeitnehmer der Betriebe der Konzernunternehmen an, weil nur in ihnen ein betriebsverfassungsrechtliches Wahl-recht im Rahmen der Wahlen zum Betriebsrat besteht.672 Über die Ausübung dieses Wahlrechts bzw. die Möglichkeit hierzu ist die Mitbestimmung durch den Konzernbe-triebsrat gleichzeitig legitimiert. Letzteres schließt eine Ansiedelung des Amts auf Konzernebene zwar nicht zwingend aus, vermag aber ebenso wenig einen Bezug des Amts des Gesamtbetriebsrats zur betrieblichen Ebene zu widerlegen.

Insbesondere die Stimmengewichtung im Konzernbetriebsrat knüpft wie die im Ge-samtbetriebsrat an die betriebliche Ebene an. Gemäß § 55 Abs. 3 BetrVG knüpft die Stimmenzahl der einzelnen Mitglieder des Konzernbetriebsrats an die Stimmen der Mitglieder des entsendenden Gesamtbetriebsrats an. Diese richtet sich ihrerseits gemäß § 47 Abs. 7 Satz 1 BetrVG nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer, die in die Wählerliste bei den Wahlen zum Betriebsrat in den einzelnen Betrieben eingetragen sind.673 Knüpft die Stimmgewichtung im Konzernbetriebsrat aber an die betriebliche Legitimation der Betriebsräte an, die ihrerseits im Gesamtbetriebsrat rep-räsentiert sind, der schließlich Mitglieder in den Konzernbetriebsrat entsendet, spricht dies erheblich für eine Behandlung des Konzernbetriebsrats als Arbeitsgemeinschaft der Gesamtbetriebsräte und mittelbar – im Falle des § 54 Abs. 2 BetrVG auch unmit-telbar – der Betriebsräte. Ein Amt auf Konzernebene ist nicht zu begründen.

Auf eine Zuordnung des Amts des Konzernbetriebsrats zur Konzernebene kommt es letztlich aber auch nicht an. Dies stellte – wie bei der Parallele der Ausübung der Mitbestimmung durch den Gesamtbetriebsrat – keinen Widerspruch zu einer Mitbe-stimmung des Konzernbetriebsrats für die Betriebe des Konzerns dar. Eine Mitbe-stimmung von der Ebene des Konzerns für die Ebene der Betriebe des Konzerns wäre bei der delegierten Zuständigkeit durch den Gesamtbetriebsrat gemäß § 58 Abs. 2 BetrVG, der gegebenenfalls seinerseits durch einen Betriebsrat gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG beauftragt ist674, unausweichlich und vermag für den Bereich der ori-ginären Mitbestimmung gemäß § 58 Abs. 1 BetrVG keine unterschiedliche Betrach-tung rechtzufertigen.

672 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 210f. 673 Kreutz in: Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 55, Rn. 21. 674 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 58, Rn. 25 m.w.N.

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4. Zwischenergebnis

Wie der Gesamtbetriebsrat nimmt der Konzernbetriebsrat Angelegenheiten für die Ebene der Betriebe des Konzerns wahr. Konzernbetriebsvereinbarungen gelten in den Betrieben des Konzerns als räumlichem Geltungsbereich. Eine Geltung auf der Ebene des Konzerns lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.

Die Mitbestimmungsgegenstände des Konzernbetriebsrats sind auf betrieblicher E-bene angesiedelt und weisen keinen spezifischen Konzernbezug auf. Für eine Gel-tung in den Betrieben des Konzerns kommt es schließlich nicht darauf an, ob das Amt des Konzernbetriebsrats auf der Ebene des Konzerns angesiedelt ist. Dies stünde einer Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats für die Ebene der Betriebe des Konzerns nicht entgegen.

III. Voraussetzungen des Fortbestands des räumlichen Geltungsbereichs von Konzernbetriebsvereinbarungen

Ist damit festgestellt, dass Konzernbetriebsvereinbarungen in den Betrieben des Konzerns gelten, wie auch Gesamtbetriebsvereinbarungen in den Betrieben des Un-ternehmens, stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen an einen Fortbestand dieses räumlichen Geltungsbereichs aufzustellen sind. Während nicht ersichtlich ist, wie sich die innerbetrieblichen Voraussetzungen einer Fortgeltung von Konzernbe-triebsvereinbarungen von denen einer Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarun-gen und Betriebsvereinbarungen unterscheiden sollen, und insoweit auf die dortigen Ausführungen675 zu verweisen ist, stellt sich die Frage, ob für die Fortgeltung von Konzernbetriebsvereinbarungen außerbetriebliche Voraussetzungen aufzustellen sind. Bei Gesamtbetriebsvereinbarungen konnten solche nicht festgestellt werden.

1. Fortbestand der Konzernbetriebsratsfähigkeit oder -zuständigkeit

Die Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen ist weder von einer fortbeste-henden Gesamtbetriebsratsfähigkeit noch -zuständigkeit abhängig.676 Da Konzernbe-triebsvereinbarungen – ebenso wie Gesamtbetriebsvereinbarungen – aufgrund ihrer Betriebsbezogenheit nicht anders wirken, als ein Bündel gleichlautender Betriebs-vereinbarungen, ist es zweifelhaft, ob die Fortgeltung von Konzernbetriebsvereinba-rungen eine fortbestehende Konzernbetriebsratsfähigkeit oder -zuständigkeit voraus-setzt.

Ein qualitativer Unterschied von Konzernbetriebsvereinbarungen gegenüber Ge-samtbetriebsvereinbarungen ist ebenso wenig ersichtlich, wie ein qualitativer Unter-schied von Betriebsvereinbarungen zu Gesamtbetriebsvereinbarungen besteht.677 675 Siehe S. 97ff. 676 Siehe S. 81ff. 677 BAG vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 – NZA 2003, 670, 674f; LAG Düsseldorf vom 28.04.2004 –

17 Sa 1952/03 – NZA-RR 2004, 480, 481; Richardi/Annuß in: Richardi, § 50, Rn. 70; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 217; Kreutz in: Fabrici-us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 50, Rn. 68.

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Die Mitbestimmungsgegenstände sind für den Konzernbetriebsrat dieselben, wenn auch quantitativ für einen noch umfassenderen räumlichen Geltungsbereich.678

a) Konzernbetriebsratsfähigkeit

Zunächst kann es nicht auf eine fortbestehende Konzernbetriebsratsfähigkeit an-kommen. Ein unternehmensübergreifender Koordinationsbedarf, der den Fortbe-stand einer Bündelung von Betriebsvereinbarungen zu rechtfertigen vermöchte, ist mit der Konzernbetriebsratsfähigkeit nicht verbunden. Ein Bedarf an unternehmens-übergreifender Koordination besteht nicht aufgrund der Gesamt- oder Konzernbe-triebsratsfähigkeit eines Unternehmens, sondern aufgrund der gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG im Einzelfall festzustellenden Notwendigkeit einer bestimmten unternehmensübergreifenden Regelung. Ist eine solche festzustel-len, eröffnet das Betriebsverfassungsrecht bei Errichtung eines Konzernbetriebsrats die Möglichkeit und Notwendigkeit unternehmens- bzw. betriebsübergreifender Koor-dination durch den Abschluss einer Konzernbetriebsvereinbarung, §§ 58 Abs. 1 Satz 1, 59 Abs. 1, 51 Abs. 5, 77 BetrVG. Die Konzernbetriebsvereinbarung knüpft nicht nur an die Konzernbetriebsratsfähigkeit an, sondern darüber hinaus an eine überbe-triebliche Regelungsnotwendigkeit für den konkreten Regelungsgegenstand im Ein-zelfall. Aus der Konzernbetriebsratsfähigkeit folgt noch nichts für die Möglichkeit ei-ner Regelung durch Konzernbetriebsvereinbarung.

b) Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats

Auf eine fortbestehende Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats kommt es aber eben-falls nicht an. Wie bei einer Gesamtbetriebsvereinbarung ist für die Geltung einer Konzernbetriebsvereinbarung eine Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats allein zum Zeitpunkt des Abschlusses der Konzernbetriebsvereinbarung maßgebend.679

Dies zeigt sich erneut bei der praktisch wohl nie relevanten, aber theoretisch interes-santen Konstellation des gleichzeitigen Entfallens der Zuständigkeit sämtlicher Ar-beitnehmervertretungen, bei der eine fortbestehende Zuständigkeit des Konzernbe-triebsrats ebenso wenig relevant sein kann, wie im Parallelfall der Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung.680 Mit dem Wegfall sämtlicher Betriebsräte enden die Ämter sämtlicher Gesamtbetriebsräte und damit das Amt des Konzernbetriebsrats. Der Wegfall des Konzernbetriebsrats als Rechtsetzungsorgan ist nach der hier ver-tretenen Auffassung für das Schicksal einer Konzernbetriebsvereinbarung bedeu-tungslos. In einem vollständig betriebsratslosen Konzern bestehen weder Zuständig-keiten eines Betriebsrats, eines Gesamtbetriebsrats noch eines Konzernbetriebsrats. Eine hypothetische Betrachtung der Zuständigkeitsverteilung ist nicht möglich, weil allein die Arbeitnehmer der Betriebe entscheiden, keinen, einen oder mehrere Be-triebsräte zu wählen und dadurch eine Zuständigkeitsverteilung zwischen Betriebsrä-

678 Vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 54, Rn. 3; Kreutz in: Fabrici-

us/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber, § 54, Rn. 4. 679 Siehe S. 75f. 680 Siehe S. 81.

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ten, Gesamtbetriebsräten und Konzernbetriebsrat eintritt oder nicht. Wählen die Ar-beitnehmer keinen einzigen Betriebsrat im Konzern, ist ein Wille der Arbeitnehmer zur Wahl eines oder aber mehrerer Betriebsräte nicht feststellbar und es wäre willkür-lich, eine Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Betriebsräten, Gesamtbetriebsrä-ten und Konzernbetriebsrat anzunehmen oder abzulehnen. Anknüpfungspunkt kann allein die frühere Zuständigkeitsverteilung sein. Auf eine fortbestehende Zuständig-keit des Konzernbetriebsrats kommt es nicht an.

Aber auch dann, wenn eine Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats nicht fortbesteht, sondern eine andere Arbeitnehmervertretung für die Behandlung der in einer Kon-zernbetriebsvereinbarung geregelten Angelegenheit zuständig wird, ist die Geltung einer Konzernbetriebsvereinbarung als solcher nicht berührt. Die Zuständigkeit zur Behandlung der Angelegenheit fällt zwar einem verbleibenden Betriebsrat oder Ge-samtbetriebsrat für seinen örtlichen Zuständigkeitsbereich zu. Zuständigkeiten von Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat schließen sich zudem gegen-seitig aus. Mit dem Entfallen der Konzernbetriebsratszuständigkeit ist eine Rechtset-zung für die zu behandelnde Angelegenheit nur noch durch Betriebsrat oder Ge-samtbetriebsrat möglich. Darauf kommt es aber ebenso wie bei der Geltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung im Verhältnis zur Zuständigkeit des Betriebsrats nicht an, weil eine Zuständigkeit des Rechtsetzungsorgans zum Zeitpunkt der Rechtset-zung gegeben sein muss und Normen nach ihrem Inkrafttreten autonom und unab-hängig von einer fortbestehenden Zuständigkeit des Rechtsetzungsorgans weiter gelten.681 Der neuen Zuständigkeitsverteilung wird dadurch Rechnung getragen, dass die Zuständigkeit zur Ablösung und Kündigung der Konzernbetriebsvereinba-rung der Arbeitnehmervertretung zusteht, die zum Zeitpunkt der Ablösung oder Kün-digung für die Behandlung der Angelegenheit zuständig ist.682

2. Fortbestand der organisatorischen Zusammensetzung der Betriebe und des bisherigen räumlichen Geltungsbereichs

Veränderungen der organisatorischen Zusammensetzung der Betriebe oder des bis-herigen räumlichen Geltungsbereichs wirken sich auf die Geltung von Gesamtbe-triebsvereinbarungen nicht aus.683 Bei Konzernbetriebsvereinbarungen besteht kein Anlass für eine hiervon abweichende Beurteilung.684 Insbesondere in solchen Fällen, in denen der Betriebsübergang innerhalb des Konzerns auf ein Unternehmen erfolgt, dessen Betriebe bereits zuvor in den Geltungsbereich der Konzernbetriebsvereinba-rung fielen, ändert sich für die Geltung in dem veräußerten Betrieb regelmäßig nichts.685 Änderungen in der organisatorischen Zusammensetzung der Betriebe oder 681 Siehe S. 75. 682 Siehe S. 75f. 683 Siehe S. 87f. 684 Vgl. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 241; Meyer, DB

2000, 1174, 1176. 685 Boecken, Rn. 160; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn.

240; Gaul, NZA 1995, 717, 724; Steffan in: Ascheid/Preis/Schmidt, § 613a BGB, Rn. 116; Trittin in: Däubler/Kittner/Klebe, § 58, Rn. 15a; Zwanziger in: Kittner/Däubler/Zwanziger, § 613a BGB, Rn. 77.

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des bisherigen räumlichen Geltungsbereichs mögen bei Betriebsübergängen inner-halb des Konzerns, aber auch bei Betriebsübergängen auf ein außerhalb des Kon-zerns stehendes Unternehmen, dazu führen, dass der Normbefehl der Konzernbe-triebsvereinbarung nicht oder nicht mehr zweckmäßig umgesetzt werden kann. Diese These lässt sich indessen weder verallgemeinern686 noch rechtfertigt eine – womög-lich nur vorübergehende – Unmöglichkeit der Erfüllung des Normbefehls einen Un-tergang der Norm. Vielmehr kann sie zu einem Anpassungsanspruch der nunmehr zuständigen Arbeitnehmervertretung führen, ein Lossagungsrecht einer Betriebspar-tei begründen oder in seltenen Einzelfällen zu einer den Geltungsverlust begründen-den Gegenstandslosigkeit führen.687 Im Regelfall berühren Veränderungen der orga-nisatorischen Zusammensetzung der Betriebe oder des räumlichen Geltungsbe-reichs die Geltung von Konzernbetriebsvereinbarungen aber ebenso wenig, wie die Geltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen.

3. Zwischenergebnis

Der Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs einer Konzernbetriebsvereinba-rung knüpft – nicht anders als der einer Gesamtbetriebsvereinbarung – nicht an au-ßerbetriebliche Voraussetzungen an. Es kommt weder auf eine fortbestehende Kon-zernbetriebsratsfähigkeit noch -zuständigkeit an. Veränderungen der organisatori-schen Zusammensetzung der Betriebe oder die Notwendigkeit von Einschränkungen oder Erweiterungen des räumlichen Geltungsbereichs beim Erwerber berühren den Geltungsbereich einer Konzernbetriebsvereinbarung nicht. Maßgebend ist das Vor-liegen der innerbetrieblichen Voraussetzungen, die denen einer Gesamtbetriebsver-einbarung entsprechen.

IV. Umfang der Fortgeltung von Konzernbetriebsvereinbarungen beim Erwer-ber

Ebenso wie bei Gesamtbetriebsvereinbarungen kommt demnach eine Fortgeltung von Konzernbetriebsvereinbarungen bei Betriebs- und Betriebsteilübergängen in Be-tracht, wenn der räumliche Geltungsbereich der Normen beim Erwerber fortbesteht. Ebenso wie Gesamtbetriebsvereinbarungen können Konzernbetriebsvereinbarungen beim Erwerber auf völlig andere Umstände, aber auch auf konkurrierende Rechts-normen treffen.

1. Veränderte Umstände im Erwerberunternehmen

Die Betriebsparteien treffen Regelungen durch Konzernbetriebsvereinbarungen nicht anders als solche durch Gesamtbetriebsvereinbarungen regelmäßig mit Blick auf die für den konkreten Regelungsgehalt bedeutsamen Umstände. Diese Umstände wer-den beim Erwerber möglicherweise nicht oder nicht in der bisherigen Gestalt vorlie-gen. Es ist wiederum vorrangig eine Frage der Auslegung, mit welchem Inhalt und mit welcher Reichweite die Konzernbetriebsvereinbarungen beim Erwerber fortgel-

686 Siehe S. 143ff. 687 Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25, Rn. 241; siehe S. 148ff.

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ten.688 Die regelmäßigen Zweifelsfragen werden sich unter Heranziehung der Grund-sätze für die Auslegung betriebsverfassungsrechtlicher Normen kaum beantworten lassen, weil der Wortlaut der Normen regelmäßig keine entsprechenden Spielräume offen lässt, auf einen Parteiwillen der Betriebsparteien zu schließen, der eine Geltung der Regelung in einer angepassten Gestalt rechtfertigt.689

Dies gilt nicht nur für den Inhalt, sondern auch für die Reichweite des Geltungsbe-reichs einer Konzernbetriebsvereinbarung. Während eine einschränkende Auslegung des Geltungsbereichs denkbar ist, scheidet eine Erweiterung des Geltungsbereichs einer Konzernbetriebsvereinbarung aus. Ihr steht eine fehlende Legitimation des Konzernbetriebsrats für hinzu kommende Betriebe und/oder die fehlende Inkraftset-zung der Rechtsnormen für diesen Geltungsbereich entgegen690.

Erfordert die zweckmäßige Fortgeltung der Konzernbetriebsvereinbarung eine An-passung, obliegt es im Übrigen den Betriebsparteien beim Erwerber, diese Anpas-sung im Wege einer ablösenden Regelung zu treffen. Nur in Fällen sowohl einer Unmöglichkeit der Anwendung der Norm als auch ihrer Anpassung kann in seltenen Ausnahmefällen ein Geltungsverlust infolge Gegenstandslosigkeit der Norm in Be-tracht kommen.691

2. Konkurrenzen mit geltenden Normen beim Erwerber

Gelten Konzernbetriebsvereinbarungen in den veräußerten Betrieben oder Be-triebsteilen beim Erwerber fort, können sich dort Konkurrenzfragen zu den beim Er-werber bereits geltenden Rechtsnormen stellen. Unproblematisch ist allein das Ver-hältnis zu Tarifverträgen.692

Die Frage einer Konkurrenz von fortgeltenden Konzernbetriebsvereinbarungen des Veräußerers mit Gesamt- und Konzernbetriebsvereinbarungen beim Erwerber stellt sich wiederum erst, wenn mehrere Konzern- oder andere Gesamtbetriebsvereinba-rungen in demselben Bereich Geltung beanspruchen. Da der Geltungsbereich von Konzernbetriebsvereinbarungen, die bereits beim Veräußerer galten, nicht im Wege der Auslegung über den bisherigen Geltungsbereich der Konzernbetriebsvereinba-rung hinaus ausgedehnt werden kann, kommt ein Konkurrenzverhältnis nicht in Be-tracht.693

V. Zwischenergebnis

Eine Fortgeltung von Konzernbetriebsvereinbarungen bei Betriebs- oder Betriebsteil-übergängen kommt grundsätzlich in Betracht. Maßgebend ist der Fortbestand des bisherigen betrieblichen Geltungs- und Anwendungsbereichs. Eine Ausdehnung des 688 Siehe S. 143ff. 689 Siehe S. 143ff. 690 Siehe S. 154. 691 Siehe S. 150ff. 692 Siehe S. 153. 693 Siehe S. 154.

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Geltungs- und Anwendungsbereichs über den beim Veräußerer hinaus kommt nicht in Betracht. Konkurrenzverhältnisse entstehen deshalb regelmäßig nicht.

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H. Ergebnisse

Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist im Wesentlichen zu folgen.

Betriebs-, Gesamtbetriebs- und Konzernbetriebsvereinbarungen sind Normenverträ-ge. Sie werden aufgrund Willenseinigung der Betriebsparteien durch vertraglichen Rechtsetzungsakt in Kraft gesetzt. Nach ihrem Inkrafttreten gelten die Normen auto-nom fort.

Die Geltung von Betriebs-, Gesamtbetriebs- und Konzernbetriebsvereinbarungen beinhaltet ungeachtet ihrer Geltungsdauer eine Maßgeblichkeit für Sachverhalte, die der Norm während ihrer Geltungsdauer zuzuordnen waren. Diese Zuordnung erfolgt für den Geltungsbereich der Normen. Es ist zwischen dem personellen und dem räumlichen Geltungsbereich zu unterscheiden.

Der personelle Geltungsbereich erstreckt sich bei Abschluss-, Beendigungs-, Inhalts- und Betriebsnormen auf den Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, bei betriebsverfas-sungsrechtlichen Normen auf die Betriebsparteien als Normadressaten. Die Ausfül-lung des personellen Geltungsbereichs ist einem stetigen Wandel unterworfen. Die Abgrenzung, welche Normadressaten einer Regelung zuzuordnen sind, liefert der räumliche Geltungsbereich. Er ist der einzige feststehende Bezugspunkt der Rechts-geltung. Die Norm gilt für diesen räumlichen Geltungsbereich.

Eine Fortgeltung von Betriebs-, Gesamtbetriebs- und Konzernbetriebsvereinbarun-gen ist von einem Fortbestand ihres räumlichen Geltungsbereichs abhängig. Dem Bundesarbeitsgericht ist darin zu folgen, dass es dagegen auf einen Fortbestand der Betriebsparteien als Rechtsetzungsorgane nicht ankommt. Rechtsnormen gelten nach ihrer Inkraftsetzung autonom.

Dem Bundesarbeitsgericht ist darin zu folgen, dass Gesamtbetriebsvereinbarungen in den Betrieben des Unternehmens gelten, nicht aber auf einer gesonderten Ebene des Unternehmens. Der räumliche Geltungsbereich sowohl von Betriebs-, Gesamt-betriebs- als auch Konzernbetriebsvereinbarungen ist der Betrieb. Gesamtbetriebs- oder Konzernbetriebsvereinbarungen kommt ein spezifischer Unternehmens- bzw. Konzernbezug nicht zu. Dies folgt bereits aus der Wahrnehmung der Aufgaben des Gesamtbetriebs- oder Konzernbetriebsrats durch den Betriebsrat, wenn die Voraus-setzungen einer Errichtung von Gesamtbetriebs- oder Konzernbetriebsrat nicht vor-liegen. Gesamtbetriebs- oder Konzernbetriebsrat nehmen keine Aufgaben wahr, de-nen ein spezifischer Unternehmens- bzw. Konzernbezug zukommt. Ein solcher spe-zifischer Unternehmens- oder Konzernbezug wird ebenfalls nicht durch die Regelun-gen über die Zuständigkeit von Gesamtbetriebs- oder Konzernbetriebsrat in §§ 50 Abs. 1 Satz 1, 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hergestellt. Eine Mitbestimmung auf Ebene des Unternehmens oder Konzerns ist zudem nicht unter dem Gesichtspunkt einer effektiven Mitbestimmung erforderlich, weil etwa eine Mitbestimmung für die Ebene der Betriebe des Unternehmens bzw. Konzerns hinter einer Mitbestimmung für das Unternehmen bzw. den Konzern zurück bliebe. Vielmehr werden bei einer Mitbe-

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stimmung auf Ebene der Betriebe sämtliche Normadressaten erfasst. Eine Mitbe-stimmung für die Ebene der Betriebe würde nicht einmal bei einer Ansiedelung des Amts von Gesamtbetriebs- oder Konzernbetriebsrat auf Ebene des Unternehmens bzw. Konzerns in Frage gestellt. Eine Mitbestimmung von der Ebene des Unterneh-mens bzw. Konzerns für die Ebene der Betriebe wäre bei einer delegierten Zustän-digkeit gemäß §§ 50 Abs. 2, 58 Abs. 2 BetrVG ebenso unumgänglich. Schließlich ist eine Mitbestimmung für die betriebliche Ebene nicht aufgrund einer Willensbildung für eine gesonderte überbetriebliche Ebene notwendig, um den Willen der örtlichen Betriebsräte überwinden zu können. Auf den Willen der Betriebsräte kommt es nicht an, wenn Gesamtbetriebs- oder Konzernbetriebsrat zuständig sind. Sollte es zu einer Zuständigkeitsverlagerung auf den Betriebsrat kommen, ist dieser Funktionsnachfol-ger in der Zuständigkeit und zur Ablösung oder Kündigung der Gesamtbetriebs- oder Konzernbetriebsvereinbarung für seinen örtlichen Zuständigkeitsbereich berechtigt.

Die Fortgeltung von Betriebs-, Gesamtbetriebs- und Konzernbetriebsvereinbarungen hängt deshalb vom Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs auf betrieblicher Ebene ab. Außerbetriebliche Voraussetzungen bestehen nicht. Dem Bundesarbeits-gericht ist nicht darin zu folgen, dass die Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinba-rung von der Übertragung einer gesamtbetriebsratsfähigen Zahl von Betrieben ab-hängt und anderenfalls allein eine Fortgeltung als Betriebsvereinbarung in Betracht kommt. Es kommt weder auf eine fortbestehende Gesamtbetriebs- oder Konzernbe-triebsratsfähigkeit, noch –zuständigkeit an. Zuständigkeitsverlagerungen wirken sich allein auf die Ablösungs- oder Kündigungsberechtigung, nicht aber auf die Geltung wirksam in Kraft gesetzter Normen, aus.

Maßgebend ist das Vorliegen der innerbetrieblichen Voraussetzungen für einen Fortbestand des räumlichen Geltungsbereichs. Auf einen Fortbestand des Betriebs kommt es für die Fortgeltung allerdings nicht an, wenn Normen Angelegenheiten be-handeln, die nicht eine fortdauernde Betriebszugehörigkeit voraussetzen. Dies folgt sowohl aus dem Gesichtspunkt des Vertrauens der Normunterworfenen in die Konti-nuität des Rechts, als auch der zeitlichen Dimension der Rechtsgeltung, nach der die Norm nach dem Ende ihrer zeitlichen Geltungsdauer noch Gültigkeit für geregelte Sachverhalte beansprucht. Setzt sich der geregelte Sachverhalt nach dem Rege-lungsinhalt der Norm über die Dauer des Fortbestehens des räumlichen Geltungsbe-reichs hinaus fort und sind die Betriebsparteien zu einer solchen Regelung berech-tigt, besteht kein Anlass, eine Geltungsbeendigung mit dem Untergang des Betriebs anzunehmen. Der räumliche Geltungsbereich entfällt lediglich als Anknüpfungspunkt einer normativen Wirkung für zukünftige Sachverhalte.

Der räumliche Geltungsbereich als Anknüpfungspunkt einer normativen Wirkung für zukünftige Sachverhalte setzt sich nach Betriebs- oder Betriebsteilveräußerungen fort, wenn der Betrieb als solcher beim Erwerber fortbesteht oder Teile des Betriebs als selbständige Betriebe fortgeführt werden. In beiden Fällen gibt das bisherige be-triebliche Substrat dem Betrieb beim Erwerber das Gepräge, so dass sich die bishe-rigen Repräsentationsstrukturen und damit der räumliche Geltungsbereich beim Er-werber fortsetzen. Dem Bundesarbeitsgericht ist darin zu folgen, dass es auf einen

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Fortbestand des Betriebs in seiner ursprünglichen Gestalt nicht ankommt. Anderes gilt dagegen bei einer Eingliederung oder Zusammenfassung von Betrieben oder Be-triebsteilen. Hier können sich zwar Teile der bisherigen Repräsentationsstrukturen beim Erwerber fortsetzen. Sie treffen aber auf eine andere betriebliche Repräsentati-onseinheit und müssten (auch) in dieser fortgelten. Eine entsprechende Regelungs-befugnis fehlt den Betriebsparteien, in andere Repräsentationsbereiche einzugreifen. Eine Fortgeltung scheidet damit aus.

Ob und mit welchem Inhalt Betriebs-, Gesamtbetriebs- oder Konzernbetriebsverein-barungen beim Erwerber fortgelten, ist eine Frage der Auslegung, des Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder in seltenen Fällen einer Gegenstandslosigkeit.

Die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB schließlich steht der Annahme einer kollektivrechtlichen Fortgeltung nicht entgegen. Sie dient dem Bestandsschutz von Inhaltsnormen in den Fällen, in denen eine kollektivrechtliche Fortgeltung mangels Wahrung der innerbetrieblichen Geltungsvoraussetzungen ausscheidet. Diesem Normzweck liefe ein stetiger Ausschluss der kollektivrechtlichen Fortgeltung zuwider. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ist demnach einschränkend auszulegen, dass der Rege-lung ein bloßer Auffangcharakter für Fälle zukommt, in denen eine kollektivrechtliche Fortgeltung nicht möglich ist.

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Juristische Reihe TENEA/ Bd. 106

ERWIN SALAMON

Das Schicksal von Gesamtbetriebsvereinbarungenbei Betriebs- und Betriebsteilveräußerungen

ISBN 3-86504-156-6 30 €

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Die kollektivrechtliche Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen knüpft nach ge-festigter Rechtsprechung und herrschender Lehre an eine fortbestehende Identitätdes Betriebs an. Das Bundesarbeitsgericht hat zwischenzeitlich auch für die Fort-geltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen an eine Identitätswahrung auf betrieb-licher Ebene abgestellt. Die überwiegende Lehre hatte bis zu diesem Zeitpunkt dieGesamtbetriebsvereinbarung auf Unternehmens-, nicht aber betrieblicher Ebeneangesiedelt.

Die vorliegende Arbeit analysiert die Anknüpfungspunkte der Geltung vonGesamtbetriebsvereinbarungen im Bereich der originären wie der delegierten Zu-ständigkeit des Gesamtbetriebsrats. Ausgehend vom Normencharakter wird zu-nächst die Geltungsweise von Gesamtbetriebsvereinbarungen, eine Anknüpfungan originäre Angelegenheiten des Unternehmens, eine Rechtsetzung auf Unter-nehmensebene sowie generell das Verhältnis der Mitbestimmung durch Gesamt-betriebsrat und Betriebsrat untersucht.

Im Rahmen einer anschließenden Darstellung der Voraussetzungen der kollek-tivrechtlichen Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen werden zunächstdie denkbaren Sachverhaltskonstellationen der Betriebsveräußerung beleuchtet.Danach wendet sich die Arbeit der Frage zu, ob als innerbetriebliche Vorausset-zung eine Wahrung der Identität des Betriebs maßgebend ist, anhand welcher Kri-terien eine Beurteilung der Identität des Betriebs überhaupt möglich sein soll undwelche Wertungen das Betriebsverfassungsrecht selbst für die Beurteilung auf-stellt, ob »derselbe« Betrieb als Geltungsbereich einer Norm fortexistiert. Im Ergeb-nis wird anhand dieser Wertungen ein Modell entwickelt, das der Normsetzungfür den Betrieb als betriebsverfassungsrechtlich relevante Einheit Rechnung trägt,einheitliche Maßstäbe für die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen wieGesamtbetriebsvereinbarungen ermöglicht und für die Praxis die mit dem Begriffder »Identität« des Betriebs verbundenen Rechtsunsicherheiten weitgehend ver-meidet.

Abschließend behandelt die Arbeit Auswirkungen von Veränderungen derNormsituation, die Auflösung von Konkurrenzen und die Frage der Übertragbar-keit der Ergebnisse auf Konzernbetriebsvereinbarungen.

Erwin Salamon wurde 1974 in Elmshorn geboren. Er studierte Rechtswissenschaf-ten in Hamburg, wo er auch seine juristischen Staatsprüfungen absolvierte. SeitAnfang 2003 ist er als Rechtsanwalt in Hamburg tätig, wo er neben der anwaltli-chen Tätigkeit promovierte.

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UmschlagJuraweltSalamon 09.02.2006 10:49 Uhr Seite 1