6. thermische und kalorische stoffeigenschaften realer … · schmelzgebiet (gleichgewicht zwischen...

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1 6. Thermische und kalorische Stoffeigenschaften realer Stoffe Die allgemeinen Beziehungen der Thermodynamik wie der erste und der zweite Hauptsatz können in der Praxis nur angewandt werden, wenn die physikalischen Ei- genschaften der Stoffe, die in die Rechnungen eingehen, bekannt sind. Diese Eigen- schaften der Stoffe sind in der thermischen und kalorischen Zustandsgleichung zu- sammengefasst. Während die thermische Zustandgleichung eines Stoffes durch Messung der Zustandsgrößen p, T und v bestimmt werden müssen, können die kalo- rischen Zustandgrößen auf der Basis der Beziehungen des 2. Hauptsatzes aus einer bekannten thermischen Zustandsgleichung berechnet werden (vgl. Baehr, 1973, S.157). 6.1 Das p,v,T-Diagramm für reine reale Stoffe Wie wir bereits in Abschn. 2.3 gesehen haben, gibt es für die Gleichgewichtszustän- de eines jeden Stoffes eine thermische Zustandsgleichung der Form F(p,v,T) = 0. Sie lässt sich geometrisch als Fläche im dreidimensionalen p,v,T-Raum darstellen, indem man über der v,T-Ebene den Druck p = p(v,T) als Ordinate aufträgt. Für den einfachen Modellfall des idealen Gases führt dies zu einer einfachen Zustandsfläche mit hyperbolischer Gestalt, siehe Abb. 2.9. Da im Gegensatz zum idealen Gas alle realen Stoffe in den Aggregatzuständen oder Phasen fest, flüssig und gasförmig vorkommen, nimmt die Zustandsfläche für diese Stoffe eine weitaus komplexere Gestalt an. Wie in Abb. 6.1 zu erkennen ist, lassen sich verschiedene, durch Knicke in der p,v,T-Fläche abgegrenzte Bereiche unter- scheiden. Neben den Einphasengebieten – das sind die Flächen, auf denen der Stoff gasförmig, flüssig oder fest vorliegt – gibt es Gebiete, in denen zwei Phasen gleich- zeitig vorhanden sind. Bei diesen so genannten Zweiphasengebieten handelt es sich um das Nassdampfgebiet (hier sind Gas und Flüssigkeit im Gleichgewicht), das Schmelzgebiet (Gleichgewicht zwischen Festkörper und Flüssigkeit) und das Subli- mationsgebiet (Gleichgewicht zwischen Festkörper und Gas). Die Grenzlinien zwi- schen den einzelnen Gebieten tragen unterschiedliche Bezeichnungen. So heißt z. B. die Linie zwischen dem Gebiet des Festkörpers und dem Schmelzgebiet Schmelzlinie und diejenige zwischen dem Schmelzgebiet und dem Gebiet der Flüs- sigkeit Erstarrungslinie. Das Gebiet der Flüssigkeit ist vom Nassdampfgebiet durch die Siedelinie und das Nassdampfgebiet vom Gebiet der Gasphase durch die Kon- densationslinie (Taulinie) getrennt. Die Siedelinie und die Kondensationslinie laufen mit steigenden Drücken und Temperaturen aufeinander zu und treffen sich im so ge- nannten kritischen Punkt K. Die Isotherme und die Isobare, die durch diesen Punkt laufen, werden als kritische Isotherme T = T k und als kritische Isobare p = p k be- zeichnet. Die kritische Temperatur T k , der kritische Druck p k und das kritische spezi- fische Volumen v k sind für jeden realen Stoff charakteristische Größen.

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6. Thermische und kalorische Stoffeigenschaften realer Stoffe Die allgemeinen Beziehungen der Thermodynamik wie der erste und der zweite Hauptsatz können in der Praxis nur angewandt werden, wenn die physikalischen Ei-genschaften der Stoffe, die in die Rechnungen eingehen, bekannt sind. Diese Eigen-schaften der Stoffe sind in der thermischen und kalorischen Zustandsgleichung zu-sammengefasst. Während die thermische Zustandgleichung eines Stoffes durch Messung der Zustandsgrößen p, T und v bestimmt werden müssen, können die kalo-rischen Zustandgrößen auf der Basis der Beziehungen des 2. Hauptsatzes aus einer bekannten thermischen Zustandsgleichung berechnet werden (vgl. Baehr, 1973, S.157). 6.1 Das p,v,T-Diagramm für reine reale Stoffe Wie wir bereits in Abschn. 2.3 gesehen haben, gibt es für die Gleichgewichtszustän-de eines jeden Stoffes eine thermische Zustandsgleichung der Form F(p,v,T) = 0. Sie lässt sich geometrisch als Fläche im dreidimensionalen p,v,T-Raum darstellen, indem man über der v,T-Ebene den Druck p = p(v,T) als Ordinate aufträgt. Für den einfachen Modellfall des idealen Gases führt dies zu einer einfachen Zustandsfläche mit hyperbolischer Gestalt, siehe Abb. 2.9. Da im Gegensatz zum idealen Gas alle realen Stoffe in den Aggregatzuständen oder Phasen fest, flüssig und gasförmig vorkommen, nimmt die Zustandsfläche für diese Stoffe eine weitaus komplexere Gestalt an. Wie in Abb. 6.1 zu erkennen ist, lassen sich verschiedene, durch Knicke in der p,v,T-Fläche abgegrenzte Bereiche unter-scheiden. Neben den Einphasengebieten – das sind die Flächen, auf denen der Stoff gasförmig, flüssig oder fest vorliegt – gibt es Gebiete, in denen zwei Phasen gleich-zeitig vorhanden sind. Bei diesen so genannten Zweiphasengebieten handelt es sich um das Nassdampfgebiet (hier sind Gas und Flüssigkeit im Gleichgewicht), das Schmelzgebiet (Gleichgewicht zwischen Festkörper und Flüssigkeit) und das Subli-mationsgebiet (Gleichgewicht zwischen Festkörper und Gas). Die Grenzlinien zwi-schen den einzelnen Gebieten tragen unterschiedliche Bezeichnungen. So heißt z. B. die Linie zwischen dem Gebiet des Festkörpers und dem Schmelzgebiet Schmelzlinie und diejenige zwischen dem Schmelzgebiet und dem Gebiet der Flüs-sigkeit Erstarrungslinie. Das Gebiet der Flüssigkeit ist vom Nassdampfgebiet durch die Siedelinie und das Nassdampfgebiet vom Gebiet der Gasphase durch die Kon-densationslinie (Taulinie) getrennt. Die Siedelinie und die Kondensationslinie laufen mit steigenden Drücken und Temperaturen aufeinander zu und treffen sich im so ge-nannten kritischen Punkt K. Die Isotherme und die Isobare, die durch diesen Punkt laufen, werden als kritische Isotherme T = Tk und als kritische Isobare p = pk be-zeichnet. Die kritische Temperatur Tk, der kritische Druck pk und das kritische spezi-fische Volumen vk sind für jeden realen Stoff charakteristische Größen.

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Abb. 6.1: p,v,T-Fläche eines reinen realen Stoffes (vgl. Baehr, 1973, S. 158) Die in Abb. 6.1 eingezeichnete Zustandsänderung führt auf einer Linie p = konst. vom Gebiet der Flüssigkeit (1) durch das Nassdampfgebiet bis ins Gebiet der Gas-phase (5). Sie wird durch Zufuhr von Wärme verursacht und läuft folgendermaßen ab:

(1) → (2): Erwärmung der Flüssigkeit bei konstantem Druck: Die Temperatur steigt an, das spezifische Volumen nimmt leicht zu. Im Zustandspunkt (2) wird die Siedelinie erreicht.

(2) → (4): Weitere Wärmezufuhr, dabei Durchquerung des Nassdampfgebietes: Die Flüssigkeit siedet, und es bildet sich Dampf. Im Zustandspunkt (3) ist etwa die Hälfte der Flüssigkeit verdampft. Bei konstantem Druck bleibt während des Verdampfungsvorgangs auch die Temperatur konstant (Siedetem-peratur). Das spezifische Volumen nimmt stark zu. Im Zustandspunkt (4) wird die Kondensationslinie erreicht. Der Stoff besteht nun vollständig aus Dampf (Gas).

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(4) → (5): Weitere Wärmezufuhr bei konstantem Druck: Die Temperatur steigt nun wieder an, das spezifische Volumen nimmt weiter zu, allerdings nicht mehr so stark wie im Nassdampfgebiet.

Abb. 6.2: p,v-Diagramm eines realen Stoffes mit den Grenzkurven der Zwei-

phasengebiete und den Isothermen T = konst. (Baehr, 1973, S.160) Eine ebene Darstellung der p,v,T-Fläche aus Abb. 6.1 erhält man im p,v-Diagramm, Abb. 6.2. Es entsteht durch Projektion der p,v,T-Fläche auf die p,v-Ebene und enthält neben den Grenzkurven der Zustandsgebiete die Isothermen T = konst. als Parame-terlinien. Die Isothermen fallen im Nassdampfgebiet, im Schmelzgebiet und im Sub-limationsgebiet mit den Isobaren zusammen, laufen dort somit horizontal. Projiziert man die p,v,T-Fläche auf die p,T-Ebene, so erhält man das p,T-Diagramm, Abb. 6.3. Hierin lassen sich wieder die Gebiete des Festkörpers, der Flüssigkeit und der Gasphase unterscheiden. Sie sind in diesem Diagramm durch die Schmelz-druckkurve, die Dampfdruckkurve und die Sublimationsdruckkurve voneinander ge-trennt. Die Schmelzdruckkurve entsteht aus der Schmelzlinie und der Erstarrungsli-nie des p,v,T-Diagramms. Durch die Projektion fallen die beiden Linien im p,T-Diagramm zusammen. Ebenso vereinen sich im p,T-Diagramm die Siedelinie und die Kondensationslinie zur Dampfdruckkurve sowie die Sublimations- und Desublima-tionslinie zur Sublimationsdruckkurve.

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Abb. 6.3: p,T-Diagramm eines realen Stoffes mit den Grenzkurven der drei

Phasen und den Isochoren v = konst. (Baehr, 1973, S. 161) Im p,T-Diagramm treffen sich die Dampfdruckkurve, die Schmelzdruckkurve und die Sublimationsdruckkurve in einem Punkt, der als Tripelpunkt bezeichnet wird. Er ist die Projektion der Tripellinie aus dem p,v,T-Diagramm und entspricht jenem einzigen Zustand, in dem alle drei Phasen eines realen Stoffes — Gasphase, Flüssigkeit und Festkörper — miteinander im thermodynamischen Gleichgewicht stehen. Für Wasser liegt dieser Zustand bei Ttr = 273,16 K und ptr = 6,11⋅10-3 bar. Die Dampfdruckkurve endet im kritischen Punkt K, weil sich hier die Siede- und die Kondensationslinie tref-fen. Bei höheren Drücken als dem kritischen Druck wird das Gebiet der Flüssigkeit von dem der Gasphase formal durch die kritische Isotherme getrennt. Eine scharf definierte Grenze existiert allerdings nicht. Die Flüssigkeit geht dort praktisch un-merklich in die Gasphase über; man spricht von Phasenkontinuität. 6.2 Thermische Zustandsgleichungen für Feststoffe und Flüssigkeiten Die Zustandsfläche eines realen Stoffes lässt sich aufgrund ihrer Komplexität nicht mehr mit einer einzigen thermischen Zustandsgleichung beschreiben. Deshalb müs-sen für jedes der Zustandsgebiete auf der p,v,T-Fläche eigene Gleichungen formu-liert werden. Alle diese Gleichungen sind recht kompliziert und nur mit Computer-programmen handhabbar. Mit ihrer Hilfe hat man die Zustandsgrößen für technisch wichtige Stoffe in weiten Temperatur- und Druckbereichen berechnet und in Tafeln zusammengestellt. Lediglich für den Bereich der Feststoffe und näherungsweise für Flüssigkeiten lassen sich praktikable thermische Zustandsgleichungen formulieren.

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Feststoffe — Das Zustandsgebiet des Festkörpers liegt auf der Zustandsfläche des p,v,T-Diagramms bei kleinen spezifischen Volumina, Abb. 6.1. In diesem Bereich ändert sich das spezifische Volumen selbst bei großen Druckänderungen kaum. Le-diglich bei Zunahme der Temperatur ist erfahrungsgemäß eine Ausdehnung des Festkörpers, d. h. ein Anstieg seines Volumens und damit auch seines spezifischen Volumens zu verzeichnen. Geht man von einem Bezugsvolumen V0 bei der Tempe-ratur t0 aus, so lässt sich die Abhängigkeit des Volumens V von der Temperatur t nä-herungsweise durch folgende lineare Beziehung beschreiben:

( )[ ]V V t V t t= = + ⋅ −( ) 0 0 01 β (Gl. 6.1)

In dieser Gleichung ist der Proportionalitätsfaktor β0 der thermische Volumenausdeh-nungskoeffizient des betreffenden Stoffes. Er muss experimentell bestimmt werden und ist abhängig von der jeweiligen Bezugstemperatur t0. In vielen technischen Fäl-len ist nur die Dehnung in einer Koordinatenrichtung von Interesse. Zu diesen Zweck kann Gl. 6.1 eindimensional geschrieben werden:

( )[ ]L L t t= + ⋅ −0 0 01 α (Gl. 6.2)

Hierin ist L0 die Bauteillänge bei der Bezugstemperatur t0 und L die Länge des Bau-teils bei der Temperatur t. Der Proportionalitätsfaktor α0 ist der von der Bezugstem-peratur t0 abhängige lineare Ausdehnungskoeffizient. Für einen isotropen Festkörper gilt der Zusammenhang α0 = 1/3 β0. Flüssigkeiten — Für reale Flüssigkeiten ändert sich das Volumen nicht nur bei ei-ner Zu- oder Abnahme der Temperatur. Auch bei einer Zu- oder Abnahme des Dru-ckes ist eine geringfügige Veränderung des Volumens zu verzeichnen. Da die Zu-standsfläche des Flüssigkeitsgebietes für Drücke p < pk und Temperaturen T < Tk in weiten Bereichen nur schwach gekrümmt ist, siehe Abb. 6.1, kann das Zustandsver-halten der Flüssigkeit in diesem Bereich durch einen linearen Ansatz beschrieben werden. Zu diesem Zweck wird die für den Festkörper gültige Gl. 6.1 um einen Aus-druck erweitert, der die Abhängigkeit des Volumens vom Druck berücksichtigt:

( ) ( )[ ]V V t p V t t k p p= = + ⋅ − − ⋅ −( , ) 0 0 0 0 01 β (Gl. 6.3)

In Gl. 6.3 ist k0 der für den Referenzpunkt geltende isotherme Kompressibilitätskoef-fizient. Er muss für jede Flüssigkeit experimentell bestimmt werden, hängt aber vom Druck praktisch nicht und im Gegensatz zum thermischen Volumenausdehnungs-koeffizienten β0 von der Temperatur nur geringfügig ab (vgl. Baehr, 1973, S.194).

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6.3 Der isobare Verdampfungsvorgang Der Phasenübergang Flüssigkeit — Dampf und das zweiphasige Nassdampfgebiet haben große technische Bedeutung. Deshalb wird zur Verdeutlichung der in Abschn. 6.2 kurz angesprochene Phasenübergang bei konstantem Druck am Beispiel von 1 kg Wasser näher betrachtet. Das Wasser befindet sich zu diesem Zweck in einem beheizbaren Zylinder, der durch einen frei verschiebbaren Kolben verschlossen ist, Abb. 6.4. Der Kolben dichtet das System zur Umgebung hin ab und verhindert die Vermischung von Wasserdampf und Umgebungsluft.

Abb. 6.4: Verdampfung bei konstantem Druck Im Ausgangszustand (1) liegt das Wasser in der flüssigen Phase vor. Bei Erwärmung steigt die Temperatur bei lediglich geringer Volumenausdehnung. Ab einer bestimm-ten Temperatur, die bei einem Druck von p = 1,0 bar bei ts = 99,63 °C liegt, bilden sich die ersten Dampfblasen, und das Wasser beginnt zu sieden, Zustandspunkt (2). Das spezifische Volumen der flüssigen Phase bei Siedebeginn wird mit v’ bezeich-net. Bei weiterer Wärmezufuhr bilden sich immer mehr Dampfblasen am beheizten Zylin-derboden. Sie steigen in der siedenden Flüssigkeit auf und führen zu einem wach-senden Dampfvolumen unter dem Kolben, Zustand (3). Der während des Verdamp-fungsvorgangs im Phasengleichgewicht mit der siedenden Flüssigkeit stehende Dampf wird als gesättigter Dampf oder als Sattdampf und das heterogene Gemisch aus siedender Flüssigkeit und gesättigtem Dampf als Nassdampf bezeichnet. Die Temperatur liegt während des Phasenübergangs konstant bei ts = 99,63 °C. Das spezifische Volumen vx des Nassdampfes nimmt jedoch erheblich zu.

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Im Zustandspunkt (4) ist der Verdampfungsvorgang gerade abgeschlossen und der letzte Flüssigkeitstropfen verschwunden. Das System besteht nun vollständig aus gesättigtem Dampf. Sein spezifisches Volumen wird mit v’’ bezeichnet. Wird der Sattdampf vom Zustandspunkt (4) aus weiter erwärmt, so steigt seine Tem-peratur bei gleichzeitiger Volumenzunahme weiter an. Man spricht nun von überhitz-tem Dampf oder von Heißdampf, was lediglich eine andere Bezeichnung für die Gas-phase ist. Der beschriebene Prozess kann auch in umgekehrter Richtung ablaufen, wenn man dem Dampf ausgehend vom Zustand (5) Wärme entzieht. Im Zustandspunkt (4) wird dann der erste Flüssigkeitstropfen auftreten und im Zustand (2) die letzte Dampfbla-se kondensieren. Sowohl der Verdampfungsprozess als auch der Kondensationspro-zess durchlaufen die gleichen Werte der thermischen Zustandsgrößen. Auch die Be-träge der beim Verdampfungsprozess zu- bzw. beim Kondensationsprozess abzufüh-renden Wärmen sind gleich.

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6.4 Die Zustandsgrößen im Nassdampfgebiet Bei der Verdampfung einer Flüssigkeit unter konstantem Druck bleibt, wie wir wissen, die Siedetemperatur der Flüssigkeit konstant. Die Höhe dieser Temperatur hängt von dem Druck ab, bei dem das Sieden bzw. die Verdampfung stattfindet. Zu jeder Sie-detemperatur gehört ein ganz bestimmter Siededruck, tS = tS(pS), bzw. umgekehrt. Ebenso ist das spezifische Volumen der siedenden Flüssigkeit und das des Satt-dampfes von diesem Druck abhängig, v’ = v’(pS) bzw. v’’ = v’’(pS). Für Wasser fin-det man diese Größen in den so genannten Dampftafeln tabelliert, siehe Abschn. 6.5.

Abb. 6.5: Isobarer Verdampfungsprozess im p,v-Diagramm Da im Nassdampfgebiet die siedende Flüssigkeit und der Sattdampf im Gleichge-wicht nebeneinander auftreten, benötigt man zur Beschreibung der Systemzusam-mensetzung eine geeignete zusätzliche Größe. Hierzu wird der relative Massenanteil des während des Verdampfungsprozesses aktuell vorhandenen Sattdampfes heran-gezogen. Er wird als Dampfgehalt x bezeichnet und ist nur im Nassdampfgebiet defi-niert:

x mm m

=+

''' ''

(G. 6.4)

Entsprechend lässt sich der als Flüssigkeitsgehalt bezeichnete relative Massenanteil der aktuell vorhandenen siedenden Flüssigkeit berechnen:

y x mm m

= − =+

1 '' ''

(Gl. 6.5)

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Auf der Siedelinie gilt x = 0 wegen m’’ = 0, und auf der Kondensationslinie ist x = 1 wegen m’ = 0. Aufgrund dieses Zusammenhangs ist im p,v-Diagramm der Abb. 6.5 die Siedelinie mit x = 0 und die Kondensationslinie mit x = 1 bezeichnet. Neben die-sen beiden Grenzlinien sind dort weitere Linien konstanten Dampfgehaltes x = konst. mit 0 < x < 1 eingetragen. Den Dampfgehalt x findet man auch unter den Darstellun-gen der Abb. 6.4 angegeben. Mithilfe des Dampfgehaltes x kann nun das spezifische Volumen des Nassdampfes berechnet werden. Für das extensive Volumen gilt:

V V V m v m vx = + = ⋅ + ⋅' '' ' ' '' ''

und für das spezifische Volumen:

vVm

m v m vm m

mm m

v mm m

vxx

x

= =⋅ + ⋅

+=

+⋅ +

+⋅

' ' '' ''' ''

'' ''

' ''' ''

''

Somit folgt für das spezifische Volumen

( )v x v x vx = − ⋅ + ⋅1 ' '' (Gl. 6.6)

bzw. nach kurzer Umformung

( )v v x v vx = + ⋅ −' '' ' (Gl. 6.7)

Ebenso wie das spezifische Volumen des Nassdampfes lassen sich die spezifische Enthalpie und die spezifische Entropie von Nassdampf berechnen. Allerdings müs-sen hierzu die Werte der spezifischen Enthalpie und der spezifischen Entropie auf der Siedelinie, h’ und s’, bzw. auf der Kondensationslinie, h’’ und s’’, bekannt sein. Für die siedende Flüssigkeit werden diese Werte wieder mit einem Strich und für den gesättigten Dampf gleicher Temperatur und gleichen Drucks mit zwei Strichen ge-kennzeichnet. Für Wasser findet man diese Größen wieder als Funktion des Siede-drucks, z. B. h’ = h’(ts), in den Dampftafeln tabelliert, siehe Abschn. 6.5. Dann gilt

( ) ( )h x h x h h x h hx = − ⋅ + ⋅ = + ⋅ −1 ' '' ' '' ' (Gl. 6.8)

und

( ) ( )s x s x s s x s sx = − ⋅ + ⋅ = + ⋅ −1 ' '' ' '' ' (Gl. 6.9)

Die Differenz der spezifischen Enthalpien von gesättigtem Dampf und siedender Flüssigkeit bei gleichem Druck und gleicher Temperatur nennt man die spezifische Verdampfungsenthalpie ∆hV. Beim Wasser wird die spezifische Verdampfungs-enthalpie aus historischen Gründen mit r bezeichnet. Somit ist

( )∆h r h hV bzw. = −'' ' (Gl. 6.10)

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Die spezifische Verdampfungsenthalpie ist identisch mit der spezifischen Wärme q, die erforderlich ist, um 1 kg einer Flüssigkeit bei konstantem Druck vom Zustand x = 0 bis zum Zustand x = 1 zu verdampfen. Die spezifische Verdampfungsenthalpie hängt in einfacher Weise mit der spezifi-schen Verdampfungsentropie zusammen. Aufgrund der bei konstantem Druck eben-falls konstanten Temperatur im Nassdampfgebiet gilt

( ) ( )∆h r h h T s sV Sbzw . '' ' '' '= − = ⋅ − (Gl. 6.11)

Man beachte, dass es sich in Gl. 6.11 bei Ts um die Thermodynamische Temperatur und nicht um die CELSIUS-Temperatur handelt. Für die Berechnung von Verdampfungsprozessen in geschlossenen Systemen wird bei der Anwendung des ersten Hauptsatzes die Änderung der spezifischen inneren Energie bei der Verdampfung benötigt. Sie lässt sich mithilfe der bekannten Definiti-onsgleichung der spezifischen Enthalpie, h = u + p⋅v, wie folgt ermitteln:

( )u u h h p v v'' ' '' ' '' '− = − − ⋅ − (Gl. 6.12)

6.5 Die Zustandstafeln für Wasser Wie bereits in Abschn. 6.3 erwähnt, lässt sich das Zustandsverhalten der realen Stof-fe für die einzelnen Phasengebiete nicht in einfacher Weise durch leicht handhabba-re Gleichungen beschreiben. Aus diesem Grund werden dem Anwender die Zu-standsgrößen der realen Stoffe in Form von Tabellen zur Verfügung gestellt. Derarti-ge Zustandtafeln gibt es für technisch wichtige Stoffe, so auch für Wasser. Die Zu-standstafeln für Wasser werden aus historischen Gründen auch als Wasserdampfta-feln oder einfach als Dampftafeln bezeichnet. Diese Tafeln enthalten zwei Gruppen von Tabellen, die Tafeln für das Nassdampfgebiet und die Tafeln für die homogenen Gebiete Flüssigkeit und Dampf. Tafeln für das Nassdampfgebiet (Nassdampftafeln) mit dem Druck oder der Tem-peratur als der einzigen unabhängigen Zustandsgröße:

a) Nassdampf-Drucktafel: Sie enthält in Abhängigkeit vom Druck Werte der Siede- bzw. Sättigungstemperatur ts(p) sowie Werte des spezifischen Volumens, der spezifi-schen Enthalpie und der spezifischen Entropie auf der Siedelinie und der Kondensa-tionslinie, also die Funktionen v’(p), v’’(p), h’(p), h’’(p), s’(p) und s’’(p). Zusätzlich fin-det man Werte der spezifischen Verdampfungsenthalpie r(p). Ein Auszug aus der Nassdampf-Drucktafel für Wasser ist in Tab. 6.1 zu sehen.

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p ts v’ v’’ h’ h’’ r s’ s’’

bar °C m³/kg m³/kg kJ/kg kJ/kg kJ/kg kJ/(kg K) kJ/(kg K)

0,01 6,98 0,00100 129,209 29,3 2514,4 2485,0 0,1060 8,9767 0,10 45,83 0,00101 14,6746 191,8 2584,8 2392,9 0,6493 8,1511 1,00 99,63 0,00104 1,69373 417,5 2675,4 2257,9 1,3027 7,3598 5,00 151,84 0,00109 0,37468 640,1 2747,5 2107,4 1,8604 6.8192

10,00 179,88 0,00113 0,19429 762,6 2776,2 2013,6 2,1382 6,5828 20,00 212,37 0,00118 0,09954 908,6 2797,2 1888,6 2,4469 6,3367 50,00 263,91 0,00129 0,39429 1154,5 2794,2 1639,7 2,9206 5,9735

100,00 310,96 0,00145 0,01804 1408,0 2727,7 1319,7 3,3605 5,6198 150.00 342,13 0,00166 0,10340 1611,0 2615,0 1004,0 3,6859 5,3178 200.00 365,70 0,00204 0,00588 1826,5 2418,4 591,9 4,0149 4,9412 221,20 374,15 0,00317 0,00317 2107,4 2107,4 0,0 4,4429 4,4429 Tab. 6.1: Grober Auszug aus der Nassdampf-Drucktafel b) Nassdampf-Temperaturtafel: Sie enthält in Abhängigkeit von der Temperatur Werte des Dampf- bzw. Sättigungsdrucks ps(t) und die Funktionen v’(t), v’’(t), h’(t), h’’(t), s’(t), s’’(t) und r(t). Ein Auszug aus dieser Tafel ist in Tab. 6.2 dargestellt. So-wohl die Nassdampf-Temperaturtafel als auch die Nassdampf-Drucktafel enthalten dieselben Informationen, da sie dasselbe Zustandsgebiet beschreiben.

t ps v’ v’’ h’ h’’ r s’ s’’

°C bar m³/kg m³/kg kJ/kg kJ/kg kJ/kg kJ/(kg K) kJ/(kg K)

0,01 0,0061 0,00100 206,162 0,0 2501,6 2501,6 0,0000 9,1575 50,00 0,1234 0,00101 12,0457 209,3 2592,2 2382,9 0,7035 8,0776

100,00 1,013 0,00104 1,67299 419,1 2676,0 2256,9 1,3069 7,3554 150,00 4,75 0,00109 0,39245 632,1 2745,4 2113,2 1,8416 6,8358 200,00 15,55 0,00116 0,12716 852,4 2790,9 1938,6 2,3307 6,4278 250,00 39,78 0,00125 0,05004 1085,8 2800,4 1714,7 2,7935 6,0708 300,00 85,93 0,00140 0,02165 1345,1 2751,0 1406,0 3,2552 5,7081 330,00 128,63 0,00156 0,01299 1526,5 2670,2 1143,6 3,5528 5,4490 350,00 165,35 0,00174 0,00880 1671,9 2567,7 895,7 3,7800 5,2177 370,00 210,54 0,00221 0,00497 1890,2 2342,8 452,6 4,1108 4,8144 374,15 221,20 0,00317 0,00317 2107,4 2107,4 0,0 4,4429 4,4429 Tab. 6.2: Grober Auszug aus der Nassdampf-Temperaturtafel

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Nullpunktvereinbarung — Für die spezifische Enthalpie und die spezifische Ent-ropie lassen sich keine Absolutwerte sondern lediglich Differenzen angeben. Zur ta-bellarischen Darstellung dieser Zustandgrößen in Abhängigkeit von der Temperatur und vom Druck muss deshalb ein Nullpunkt festgelegt werden. Für die Wasser-dampftafeln hat man als Nullpunkt den Tripelpunkt des Wassers vereinbart. Für t = ttr = 0,01 °C und für p = ptr = 6,11 ⋅ 10-3 bar gilt damit h(t,p) = 0 und s(t,p) = 0. Tafeln für die homogenen Zustandsgebiete (Gas und Flüssigkeit) mit dem Druck und der Temperatur als den unabhängigen Zustandsgrößen:

In diesen Tafeln sind die Angaben nach Isobaren p = konst. über einen weiten Druckbereich geordnet. Für jede tabellierte Isobare findet man in Abhängigkeit von diskreten Werten der Temperatur Werte von v, h und s. Tab. 6.3 zeigt ein Beispiel für die Isobaren p = 7,5 bar und p = 10,0 bar.

t p = 7,5 bar p = 10,0 bar °C ts= 167,76 °C ts = 179,88 °C

v h s v h s m³/kg kJ/kg kJ/(kg K) m³/kg kJ/kg kJ/(kg K)

v’ = 0,001112

h’ = 709,3

s’ = 2,020

v’ = 0,001127

h’ = 762,6

s’ = 2,138

v’’ = 0,255427

h’’ = 2764,8

s’’ = 6,682

v’’ = 0,194293

h’’ = 2776,2

s’’ = 6,583

0 0,001000 0,8 0.000 0,001000 1,0 0.000 5 0,001000 21,8 0.076 0,001000 22,0 0,076

10 0,001000 42,7 0.151 0,001000 43,0 0.151 15 0,001000 63,7 0.224 0,001000 63,9 0.224 20 0,001001 84,6 0,296 0,001001 84,8 0,296

: : : : : : : 100 0,001043 419,6 1,306 0,001043 419,7 1,306 125 0,001065 525,3 1,581 0,001065 525,5 1,581 150 0,001091 632,3 1,841 0,001090 632,5 1,841 175 0,260884 2782,5 6,721 0,001121 741,1 2,091 200 0,279055 2841,4 6,849 0,205918 2826,1 6,692 225 0,296462 2897,7 6,965 0,219617 2886,2 6,815 250 0,313355 2952,2 7,072 0,232748 2943,0 6,926 : : : : : : : 800 0,659385 4155,2 8,633 0,494296 4154,1 8,500 Tab. 6.3: Auszug aus den Wasserdampftafeln für die homogenen Gebiete Flüssigkeit und überhitzter Dampf

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In den Tafeln ist das Gebiet der Flüssigkeit von dem des überhitzten Dampfes (Gas-phase) durch waagerecht durch das Zahlenfeld verlaufende Linien getrennt. Bei-spielsweise liegt für p = 7,5 bar diese Linie zwischen den Temperaturen 150 und 175 °C, siehe Tab. 6.3. Hinter diesen Linie verbirgt sich das gesamte Nassdampfgebiet. Somit liegt die Trennlinie für p = 7,5 bar exakt bei der Siedetemperatur ts(7,5 bar) = 167,76 °C. Nähert man sich der Trennlinie von der Flüssigkeitsseite, d. h. von den niedrigeren Temperaturen her, dann erreicht man die Siedelinie mit den Werten v’, h’ und s’. Nähert man sich der Tennlinie dagegen von der Heißdampfseite, d. h. von den höheren Temperaturen her, dann erreicht man die Kondensationslinie mit den Werten v’’, h’’ und s’’. Es ist nicht nötig, die Werte für ts, v’, v’’, h’, h’’, s’ und s’’ in den Nassdampftafeln nachzuschlagen; man findet sie für jede Isobare im Kopf der Tabellen für die homogenen Zustandsgebiete. Gegebenenfalls muss man beim Gebrauch der Tafeln für die homogene Zustands-gebiete zweifach, d. h. in Richtung p und in Richtung t interpolieren, um die Werte für v(p,t), h(p,t) und s(t,p) zu erhalten. Bei Interpolationen für p = konst. in t-Richtung ist darauf zu achten, dass in der Tabelle die Trennlinie zwi-schen dem Flüssigkeitsbereich- und dem Bereich des überhitzten Dampfes nicht überschritten wird. Es darf immer nur bis an die Trennlinie, d. h. bis an die Siedelinie bzw. die Kondensationslinie, heran interpoliert werden. Beispiel 6.1: Ein ölgefeuerter Flammrohr-Rauchrohr-Kessel zur Versorgung eines Krankenhauses mit Sattdampf wird zum Anfahren vorbereitet.

Der Kessel hat einen Wasserraum-Inhalt von 12 m³, der im Zustand (1) zu 75 % mit siedendem Wasser und zu 25 % mit Satt-dampf gefüllt ist. Der Druck beträgt p1 = 2 bar. Eine Zufuhr von Speisewasser und eine Entnahme von Sattdampf findet nicht statt.

Durch Inbetriebnahme des Brenners wird dem Kessel Wärme zugeführt. Das Kes-

selwasser wird aufgeheizt, und der Druck steigt an. Nach Erreichen von p2 = 16 bar wird der Brenner wieder abgeschaltet. Für Berechnungen steht mit Tab. 6.4 ein Auszug aus den Wasserdampf-Tafeln zur Verfügung.

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p

bar ts °C

v I m³/kg

v II m³/kg

h I

kJ/kg h II

kJ/kg

2,0 120,230 0,0010608 0,885441 504,7 2706,3 4,0 143,623 0,0010839 0,462224 604,7 2737,6 6,0 158,837 0,0011009 0,315473 670,4 2755,5 8,0 170,414 0,0011150 0,240257 720,9 2767,5

10,0 179,884 0,0011274 0,194292 762,6 2776,2 12,0 187,961 0,0011386 0,163200 798,4 2782,7 14,0 195,042 0,0011489 0,140721 830,1 2787,8 16,0 201,371 0,0011586 0,123686 858,6 2791,7 18,0 207,111 0,0011678 0,110317 884,6 2794,8 20,0 212,374 0,0011766 0,099536 908,6 2797,2

Tab. 6.4: Wasserdampf-Tafel für das Nassdampfgebiet (Auszug)

Zu berechnen ist:

a) für den Zustand (1) der Dampfgehalt x1, das spezifische Volumen v1 und die spezifische Enthalpie h1,

b) für den Zustand (2) der Dampfgehalt x2, das spezifische Volumen v2 und die spezifische Enthalpie h2,

c) die Wärme Q12, die dem Kessel während der Aufheizphase zugeführt wird,

d) die erforderliche Brennstoffmasse mB, wenn Heizöl mit einem spezifischen Heiz-wert von Hu = 42 MJ/kg zum Einsatz kommt und der Kesselwirkungsgrad ηK = 0,9 beträgt.

Zu a): Im Zustand (1) ist das siedende Kesselwasser mit dem Sattdampf im thermodynami-schen Gleichgewicht. Es liegt Nassdampf vor. In der Nassdampf-Drucktafel findet man für p1 = 2 bar:

ts,1 = ts(2 bar) = 120,23 °C vI

1 = vI(2 bar) = 0,0010608 m³/kg vII1 = vII (2 bar) = 0,885441 m³/kg

hI1 = hI(2 bar) = 504,7 kJ/kg hII

1 = hII (2 bar) = 2706,3 kJ/kg

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Nun gilt:

VI1 = 0,75 ⋅ V = 0,75 ⋅ 12 m³ = 9 m³

VII1 = 0,25 ⋅ V = 0,25 ⋅ 12 m³ = 3 m³

und

vVm

mVv

'''

''' ,

,11

11

1

1

90 0010608

8484 16= → = = =m

m / kgkg

3

3

vVm

mVv

''''''

'''''' ,

,11

11

1

1

30 885441

3 39= → = = =m

m / kgkg

3

3

Die Gesamtwassermasse im Kessel ist somit:

m m m= + = + =' '' , , ,1 1 8484 16 3 39 8487 55kg kg kg

Damit berechnet sich der Dampfgehalt im Zustand (1) zu

xm

m11 3 39 0 0004= = =

'' , ,kg8487,55 kg

kg Sattdampfkg Wasser

Für das spezifische Volumen im Zustand (1) gilt.

v Vm1

12 0 001414= = =m

8487,55 kgmkg

3 3

, oder auch

( )v v x v v1 1 1 1 1= + ⋅ −' '' '

( )v1 0 0010608 0 0004 0 885441 0 0010608 0 001414= + ⋅ − =, , , , ,mkg

mkg

mkg

3 3 3

Analog ergibt sich die spezifische Enthalpie im Zustand (1):

( )h h x h h1 1 1 1 1= + ⋅ −' '' '

( )h1 504 7 0 0004 2706 3 504 7 505 6= + ⋅ − =, , , , ,kJkg

kJkg

kJkg

Zu b): Auch im Zustand (2) ist das siedende Kesselwasser mit dem Sattdampf im thermo-dynamischen Gleichgewicht. Jedoch befindet sich das System nun auf einem höhe-ren Druckniveau, wodurch sich sämtliche Werte vI, vII sowie hI und hII verändert ha-ben. In der Nassdampf-Drucktafel findet man für p2 = 16 bar:

ts,2 = ts(16 bar) = 201,37 °C vI

2 = vI(16 bar) = 0,0011586 m³/kg vII2 = vII (16 bar) = 0,123686 m³/kg

hI2 = hI(16 bar) = 858,6 kJ/kg hII

2 = hII (16 bar) = 2791,7 kJ/kg

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Während der Zustandsänderung (1) > (2) wird kein Speisewasser zugeführt und kein Sattdampf entnommen. Das Volumen des Wasserdampfsystems im Kessel bleibt konstant, die Zustandsänderung ist isochor. Es gilt somit v2 = v1 = v = 0,001414 m³/kg. Da der Zustandspunkt (2) im Nassdampfgebiet liegt, gilt analog zum Zustandspunkt (1):

( )v v x v v2 2 2 2 2= + ⋅ −' '' ' ,

woraus sich der Dampfgehalt im Zustand (2) berechnen lässt:

xv v

v v22 2

2 2

=−−

''' '

x20 001414 0 00115860 123586 0 0011586

0 0021=−−

=( , , )

, , ),m kg

( m kgkg Sattdampf

kg Wasser

3

3

Mit dem Dampfgehalt x2 folgt für die spezifische Enthalpie im Zustand (2):

( )h h x h h2 2 2 2 2= + ⋅ −' '' '

( )h2 858 6 0 0021 2791 7 858 6 862 7= + ⋅ − =, , , , ,kJkg

kJkg

kJkg

Zu c): Die während der isochoren Zustandsänderung (1) > (2) zugeführte Wärme ergibt sich aus dem 1. Hauptsatz für geschlossene Systeme:

( )Q m u u12 2 1= ⋅ −

( )[ ]Q m h h v p p12 2 1 2 1= ⋅ − − ⋅ −

( ) ( )Q1228487 55 505 6 0 001414 16 2 10= ⋅ − − ⋅ − ⋅

, , ,kg 862,7 kJ

kgmkg

kJm

3

3

( )Q12 8487 55 3014099= ⋅ − =, kg 357,1 1,98 kJkg

kJ = 3014,1 MJ

Zu d): Der Kesselwirkungsgrad ist ein energetischer Wirkungsgrad. Definiert ist er als Ver-hältnis von energetischem Nutzen zu energetischem Aufwand. Für ihn gilt stets 0 ≤ ηK ≤ 1.

Beim Kessel ist der energetische Nutzen die an das Wasserdampfsystem übergebe-ne Wärme. Der energetische Aufwand ist die in Form von Brennstoff zugeführte Energie. Die Differenz zwischen den beiden Werten ist der energetische Verlust. Das

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ist die Energie, die vom Kessel in Form von heißem Abgas an die Umgebung abge-geben und deshalb auch als Abgasverlust bezeichnet wird.

Es gilt:

ηK = =⋅

QE

Qm HB B u

12 12 und somit

mQ

HBu

=⋅

=⋅

=12 3014 1 79 74ηK

MJ0,9 42 MJ kg

kg, ,

6.6 Die kalorischen Zustandsdiagramme T,s-Diagramm — Das T,s-Diagramm eines realen Stoffes zeigt Abb. 6.7. Siedelinie (x = 0) und Kondensationslinie (x = 1) streben zu höheren Temperaturen hin aufei-nander zu und bilden im kritischen Punkt ein Maximum. Unterhalb der beiden Grenz-kurven liegt das Nassdampfgebiet. Dort gilt auf einer Linie T = konst. auch p = konst..

Abb. 6.7: T,s-Diagramm realer Stoffe (Hahne, 1993, S. 243) Im Nassdampfgebiet verlaufen die Isobaren gemeinsam mit den Isothermen horizon-tal. Im Flüssigkeitsgebiet, das zwischen der Ordinate T und dem Nassdampfgebiet liegt, steigen die Isobaren mit wachsender spezifischer Entropie s an. Sie liegen dort sehr eng beieinander und schmiegen sich an die Siedelinie an. Im Gasgebiet sind die Isobaren mit wachsendem s progressiv steigende Kurven. Die Isochoren sind im Nassdampfgebiet degressiv steigend, die Linien konstanter spezifischen Enthalpie – die Isenthalpen – degressiv fallend. Im Gasgebiet verlaufen die Isochoren ähnlich wie die Isobaren, sie sind jedoch steiler als diese.

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Im T,s-Diagramm erscheint die bei einem isobaren Verdampfungsprozess erforderli-che spezifische Wärme als Rechteckfläche unter der Zustandsänderungslinie. Da die Zustandsänderungslinie eine Isobare ist, stellt diese Fläche gleichzeitig die spezifi-sche Verdampfungsenthalpie dar. Es gilt:

( )q q h T s sV V S12 = = = ⋅ −∆ '' ' (Gl. 6.13)

Die spezifische Verdampfungsenthalpie wird deshalb auch als spezifische Verdamp-fungswärme bezeichnet. Anhand von Abb. 6.7 lässt sich nachvollziehen, dass die Rechteckfläche mit zunehmender Temperatur bzw. zunehmendem Druck immer hö-her, aber auch immer schmaler wird. Je näher man dem kritischen Punkt K kommt, desto kleiner wird die Fläche. Im kritischen Punkt verschwindet sie schließlich. Dort gilt sI = sII und damit ∆hV = 0. h,s-Diagramm — Das h,s-Diagramm wurde 1904 von R. MOLLIER eingeführt. Durch die Wahl seiner Koordinaten verknüpft es die Aussagen des ersten und zwei-ten Hauptsatzes. Dabei stellen sich die spezifischen Größen des ersten Hauptsatzes als senkrechte Strecken dar. So lässt sich mithilfe eines Diagramms für Wasser-dampf z. B. die technische Arbeit von Dampfturbinen auf einfache Weise bestimmen.

Abb. 6.8: h,s-Diagramm für einen realen Stoff (Hahne, 1993, S. 243) Auch im h,s-Diagramm trennen die Siedelinie und die Kondensationslinie die Zu-standsgebiete von Flüssigkeit und Gas vom Nassdampfgebiet. Der kritische Punkt stellt sich allerdings nicht mehr als Maximum der beiden Grenzkurven dar. Er liegt auf dem mit wachsender spezifischer Entropie ansteigenden Ast der Grenzkurven und fällt dort mit deren Wendepunkt zusammen, siehe Abb. 6.8.

K

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Die Isobaren schmiegen sich im Flüssigkeitsgebiet sehr nah an die Grenzkurven. Im Heißdampfgebiet sind sie progressiv ansteigende Kurven, die umso steiler verlaufen, je höher der Druck ist. Im Nassdampfgebiet sind die Isobaren ansteigende Geraden. Je höher die Siedetemperatur und damit der zugehörige Dampfdruck ist, desto steiler steigen sie an. Die Isothermen fallen im Nassdampfgebiet mit den Isobaren zusam-men. An der Kondensationslinie knicken sie ab und verlaufen im Heißdampfgebiet mit wachsender spezifischer Entropie immer flacher, bis sie in einiger Entfernung von der Kondensationslinie schließlich in die Horizontale übergehen. Für ideale Gase unterscheidet sich das h,s-Diagramm vom T,s-Diagramm nur durch den Ordinatenmaßstab. Da die spezifische Enthalpie idealer Gase nur von der Tem-peratur und nicht vom Druck abhängt, gilt für T = konst. bei idealen Gasen somit auch h = konst.. log–p,h-Diagramm — Im log–p,h-Diagramm lassen sich isobare Zustandsänderun-gen besonders einfach darstellen, da die Isobaren horizontale Linien sind. Der Druck ist logarithmisch aufgetragen, um einen größeren Druckbereich zu

Abb. 6.9: log–p,h-Diagramm eines realen Stoffes (Baehr, 1973, S. 190) erfassen. Abb. 6.9 zeigt den typischen Aufbau eines log–p,h-Diagramms mit den Zu-standsgebieten der reinen Phasen und dem Nassdampfgebiet. Neben den Isother-men enthält es noch die Isentropen als Parameterlinien, womit es dem h,s-Diagramm praktisch gleichwertig ist. Das Diagramm ist für Prozesse der Kältetechnik von besonderem Interesse. Sowohl die Verdampfung eines Kältemittels, z. B. im Kühlaggregat eines Kühlschranks, als auch seine Rückkühlung und Kondensation, z. B. im Wärmeübertrager auf der Rück-

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seite eines Kühlschranks, verlaufen nahezu isobar. Die dabei umgesetzten Wärmen lassen sich in dem Diagramm als waagerechte Strecken ablesen. Kontrollfragen 6.1 Warum kann ein realer Stoff nicht mit der thermischen Zustandsgleichung des

idealen Gases beschrieben werden?

6.2 In welchem Aggregatzustand liegt ein reiner Stoff im Tripelpunkt vor?

6.3 Wodurch unterscheidet sich Sattdampf von Nassdampf?

6.4 Wie groß ist der Dampfgehalt für Sattdampf?

6.5 Was stellt die spezifische Verdampfungsenthalpie eines Stoffes anschaulich dar?

6.6 Wie groß ist die Verdampfungsenthalpie im kritischen Punkt?

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Übungsaufgaben 6.1 Für eine Wärmebehandlung wird ein erhitzter Stahl in ein offenes Ölbad von

VÖl,1 = 0,2 m³ getaucht, dessen Druck überall mit dem Umgebungsdruck von pamb = 1 bar identisch ist. Das Ölbad dehnt sich dabei bis auf VÖl,2 aus, und seine Temperatur steigt von tÖl,1 = 20°C bis auf tÖl,2 = 70°C an. Der thermische Volumenausdehnungkoeffizient des Öls beträgt βÖl = 850 · 10-6 m³/(m³ K).

Welches Volumen VÖl,2 in m³ nimmt das Ölbad nach der Erwärmung durch den Stahl ein?

6.2 Die Beheizung der Montagehalle eines Industriebetriebes erfolgt mit einem

dampfbetriebenen Lufterhitzer:

Dem Apparat werden hierzu V•

1 = 150000 m³/h Luft aus der Umgebung zuge-führt. Er erwärmt sie bei konstantem Druck von p = 1 bar von t1 = 20 °C auf t2 = 60 °C:

Der Heizdampf steht vor dem Regelventil mit p3 = 3 bar und t3 = 150 °C zur Verfügung. Er wird im Lufterhitzer bei p = 2 bar kondensiert. Das Kondensat verlässt den Apparat um 20 K unterkühlt (d. h., seine Temperatur liegt 20 K unter der Siedetemperatur).

Alle Anlagenteile seien nach außen adiabat, äußere Energien sind zu ver-nachlässigen!

a) Geben Sie die Temperatur t4 des abströmenden Kondensates in °C und seine spezifische Enthalpie h4 an.

b) Berechnen Sie den Luftmassenstrom mL

. c) Welchen Wärmestrom Q

12 nimmt die Luft auf?

d) Wie groß ist der erforderliche Massenstrom mD

des Heizdampfes?