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ACR Innovationsradar 2015 Aktuelle Technologietrends für KMU Nachhaltiges Bauen

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Technologietrends für KMU

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ACRInnovationsradar 2015

Aktuelle Technologietrends für KMU

NachhaltigesBauen

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ACR Innovationsradar Nachhaltiges Bauen 2015

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung................................................................................................................................. 5

2 Intensive Solarenergienutzung im Gebäudekontext................................................................. 7

2.1 Das moderne Sonnenhauskonzept ........................................................................................... 8

2.2 Gebäudeintegrierte bzw. bauteilintegrierte Photovoltaik (BIPV) .......................................... 10

2.2.1 Aktuelle Trends bei BIPV.............................................................................................. 10

2.2.2 Forschungsbedarf: PV für historisch gewachsene Dachlandschaften und andereBestandsgebäude (Städte) .............................................................................................. 11

3 Thermische Bauteilaktivierung .............................................................................................. 13

3.1 Das Wärmespeichervermögen von Baustoffen...................................................................... 13

3.2 Behaglichkeit ......................................................................................................................... 14

3.3 Selbstregulierungseffekt ........................................................................................................ 14

3.4 Bauteilaktivierung pro Energieeffizienz ................................................................................ 15

3.5 Speichermassenbewirtschaftung von thermisch aktivierten Bauteilen .................................. 16

3.6 Ziegel-Wandtemperierung ..................................................................................................... 17

3.7 Energiespeicher Beton ........................................................................................................... 18

3.8 Die praktische Umsetzung und ihre Herausforderung ........................................................... 19

3.9 Forschungsprojekte ................................................................................................................ 21

3.9.1 Simulationsraum Beton .................................................................................................. 21

3.9.2 Rechenkern Bauteilaktvierung ....................................................................................... 26

3.9.3 Praxisdetails in Erforschung........................................................................................... 26

3.9.4 Wissensbasis „Energiespeicher Beton“ .......................................................................... 28

4 Innovation für effiziente und sichere Pelletheizung............................................................... 29

5 Farben für Infrastrukturflächen.............................................................................................. 31

5.1 Überhitzungsschutz durch Albedoeffekt im Straßenbau........................................................ 31

5.2 Energieeffizienz durch helle Oberflächen bei Tunnelbauwerken.......................................... 31

6 Naturkatastrophen ‒ Schadensprävention durch Materialauswahl ........................................ 33

6.1 Die Hagelgefährdungskarte ................................................................................................... 33

6.2 Mit der Hagelsimulationsmaschine zu den Hagelwiderstandsklassen von Bauprodukten .... 34

6.3 Das Hagelschutzregister......................................................................................................... 34

7 Neue Prüfnorm für haufwerksporigen Beton......................................................................... 37

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1 Einleitung

Das Innovationsradar 2015 ist nunmehr die vierte Auflage des ACR Innovationsradars. Die vorgestell-ten Inhalte stellen eine Ergänzung bzw. Erweiterung der vorangegangenen Ausgaben dar. Das The-menfeld des nachhaltigen Bauens umfasst sehr viele Unterthemen, sodass es ein nahezu unmöglichesUnterfangen ist, ein Innovationsradar dazu zu verfassen. Es kann also immer nur einen kleinen Aus-schnitt aus der breiten Palette von Innovationen wiedergeben, andere Fragen müssen offen bleiben.

Ein Fokus liegt diesmal an der Schnittstelle von Themen des nachhaltigen Bauens zur Nutzung erneu-erbarer Energien. Überscheidungen mit Teilbereichen des Innovationsradars Umwelttechnik und Er-neuerbare Energien sind daher sehr wahrscheinlich. Den ersten Abschnitt, Kapitel 2, bildet die Be-trachtung einer intensivierten Solarenergienutzung im Gebäudekontext, einerseits von Solarthermie,andererseits von Photovoltaik. Kapitel 3 befasst sich mit dem Gebäude selbst, denn zunehmend wer-den Bauteile als Energiespeicher eingesetzt, indem sie thermisch aktiviert werden. Wir betrachtendazu den gegenwärtigen Stand des Wissens sowie aktuellen Forschungstätigkeiten.

Sicherheitsrelevante Neuentwicklungen bei Pelletsheizungen werden in Kapitel 4 vorgestellt. Kapitel5 erhellt Fragen zur Farbgebung von Tiefbauwerken: den Albedo-Effekt von Straßenoberflächen unddie Energierelevanz von Oberflächenfarben für Tunnelbauwerke. Über die Dauerhaftigkeit von Bau-materialien gibt das Hagelregister Auskunft, welches in Kapitel 6 besprochen wird. Und schließlichwerfen wir einen Blick in das Normungsgeschehen: Eine neue Prüfnorm für haufwerksporige Betoneist entstanden.

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2 Intensive Solarenergienutzung im Gebäudekontext

Die Nutzung von Sonnenenergie im Zusammenhang mit Gebäuden ist eine seit vielen Jahren gängigeMöglichkeit, Strom und Wärme aus der Sonnenstrahlung dort umzusetzen, wo unmittelbare Abnehmervorhanden sind. Ein dafür bekanntes Gebäudekonzept ist das Sonnenhaus. In Deutschland wurdenschon über 1.500 Sonnenhäuser errichtet, in der Schweiz einige Dutzend. Außerdem wurden bereitseinige Wohn- und Nichtwohngebäude mit einer hundertprozentigen Solarversorgung realisiert. In Ös-terreich wurden rund 100 Sonnenhäuser gebaut, rund 55 Objekte sind derzeit im Bau bzw. in der Pla-nungsphase.

Per Definitionem ist ein Sonnenhaus ein Gebäude, das mindestens 50 Prozent seines Heizwärmebedar-fes aus einer solarthermischen Anlage decken kann. Das Gebäude selbst wird als Niedrigenergiehausausgelegt, hat also einen berechneten Heizwärmebedarf von maximal 40 kWh/m2 Bruttogeschoßflächeim Jahr. Das ist unabhängig von der Bauweise oder den verwendeten Baumaterialien; ein Sonnenhauskann in jeder Bauweise konzipiert werden.

Die solaren Erträge dienen vorrangig der Warmwasseraufbereitung und unterstützen die Raumhei-zung. Im Pufferspeicher, einem großen Stahltank am besten im konditionierten Gebäudebereich, kanndie Solarwärme auf einem relativ hohen Niveau über mehrere Wochen gespeichert werden. Das er-möglicht einen hohen Nutzungsgrad der Sonnenenergie als Primärenergieträger. Im Kernwinter wirdmeist über wassergeführte Biomasseöfen wie Scheitholz- oder Pelletskessel der zusätzliche Wärmebe-darf gedeckt und im Bedarfsfall der Pufferspeicher damit aufgeladen. Auch Kachelöfen mit Absorber-technik können zum Einsatz kommen.

Durch die Nutzung von Sonnenenergie und Biomasse ist das Sonnenhaus im Betrieb nahezu CO2 neut-ral. Die massiven, wärmespeichernden Bauteile sorgen für ein behagliches Raumklima im Winter undverhindern weitgehend eine Überwärmung im Sommer. Das bedeutet aber nicht, dass auf Verschat-tungsmaßnahmen vollständig verzichtet werden kann. Eine sorgfältige Planung ist auch hier in jedemFall erforderlich. Die Regulierung der Frischluftzufuhr für ein Sonnenhaus erfolgt üblicherweise überFensterlüftung; wer auch eine Lüftungsanlage nicht verzichten möchte, dem stehen trotzdem alle Mög-lichkeiten offen. Die Gesamtenergieeffizienz von Sonnenhäusern liegt weit über jener von normalenNiedrigenergiehäusern. Der hohe Anteil an erneuerbaren Energieträgern spiegelt sich in der Ökobilanzund in den niedrigen Betriebskosten von Sonnenhäusern wieder. Dies belegt auch das Forschungspro-jekt „Innovative Gebäudekonzepte im ökologischen und ökonomischen Vergleich über den Lebens-zyklus“, das von mehreren ACR Instituten in Zusammenarbeit mit der TU Graz realisiert wurde. Ab-bildung 1 zeigt einen beispielhaften Vergleich der Primärenergieverbräuche verschiedener Gebäude-standards im Betrieb.

(Quelle: Sonnenhaus Institut)

Abbildung 1: Primärenergiebedarf unterschiedlicher Bauweisen gemäß deutscher Richtlinien

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2.1 Das moderne Sonnenhauskonzept

Neue Entwicklungen beim Sonnenhauskonzept beziehen zunehmend andere technische Möglichkeitenzur Energiebewirtschaftung eines Gebäudes ein. Neben der Solarthermie in Kombination mit einerErgänzungsheizung für Biomasse kommen als ergänzende Speichermedien thermische aktivierte Bau-teile und Photovoltaikanlagen mit Stromspeichern für den Solarstrom zum Einsatz (siehe Abbil-dung 2). Für höhere solare Deckungsgrade wird ein Heizwärmebedarf von 25-30 kWh/m2a angestrebt.

(Quelle: Sonnenhaus Institut)

Abbildung 2: Das moderne Sonnenhauskonzept und seine Komponenten

Je nach Intensität der Solarnutzung für die Beheizung eines Gebäudes muss ein unterschiedlich großerSpeicher eingeplant werden. Das erforderliche Volumen des Pufferspeichers reicht von mind.200 Litern bis max. 1.000 Liter pro m2 Sonnenkollektor. Die Speicherhöhe soll mindestens 3,5-4 Me-ter betragen bzw. der Speicher eine bestimmte Schlankheit aufweisen, damit ein Schichtungseffekteintreten kann.

Die solarthermische Bauteilaktivierung von massiven Bauteilen wie Decken und Wänden ermöglichtdie Nutzung von niedrigeren Temperaturniveaus und damit einen höheren Nutzungsgrad der Solaran-lage. Während in den Pufferspeicher erst bei einer Kollektortemperatur von 5 Kelvin über der unterenSpeichertemperatur eingespeist werden kann, sind in Betondecken Vorlauftemperaturen vom 24-28 °Cmöglich. In und an der Außenseite von Außenwänden sind in Abhängigkeit von der Lage auch niedri-gere Temperaturen nutzbar. Durch die Aktvierung von Außenwänden soll der Wärmedurchgang durchdie Außenwand vom Innenraum zum Außenraum gebremst werden, und das mit solarer Wärme, dieandernfalls ungenutzt bleibt. Das Thema thermische Bauteilaktivierung wird in Kapitel 3 genauer be-sprochen.

Inzwischen werden immer mehr Schwerkraftheizungen in Sonnenhäusern vorgesehen. Diese funktio-nieren im Umlaufsystem über die unterschiedliche Dichte des Heizmediums ohne Pumpe und benöti-

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gen daher keine elektrische Steuerung. Dafür sind nur geringe Rohrdurchmesser nötig (siehe Abbil-dung 3 und Abbildung 4).

(Quelle: Initiative Sonnenhaus Österreich)

Abbildung 3: Leitungsverlegung für eine Schwerkraftheizung

(Quelle: Initiative Sonnenhaus Österreich)

Abbildung 4: System einer Schwerkraftheizung eines Sonnenhauses

Das Vital Sonnenhaus Pro

Zurzeit entsteht in Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen und Fachexperten das Vital Sonnen-haus Pro. Das Konzept ist auf eine stufenweise Energieautarkie des Gebäudes hin ausgearbeitet. ImVollausbau, also der Endstufe, wird das Gebäude vollständig ohne externe Energiezufuhr aus demNetz auskommen. Es wird derzeit anhand eines konkreten Objektes zur Marktreife entwickelt. ZuBeginn dient das Modellprojekt in Schwertberg (OÖ) für Bürozwecke, wird aber später als Wohnhausgenutzt werden.

Dazu gehört eine sinnvolle Speichermassenbewirtschaftung der Bauteile aus Beton. Die Bauteilakti-vierung zu Heizzwecken ist zunehmend ein Thema im Baubereich, wenngleich es noch zahlreichemethodische und ausführungstechnische Fragestellungen gibt, für die Lösungen nötig sind. Im VitalSonnenhaus Pro wird ein Stufensystem zur Speicherung von PV-Strom installiert und ermöglicht soeine individuelle Gestaltungsmöglichkeit für den Kunden auf dem Weg zu seiner Energieunabhängig-keit. Ein wichtiger Bestandteil des Konzeptes ist die stromerzeugende Pelletsheizung, mit integriertem

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Stirlingmotor, der wahlweise aktiviert werden kann und in Wechselwirkung mit der PV-Anlage fürEigenstrom im Gebäude sorgt. Diese Kombination von Solarthermie, Bauteilaktivierung, Pelletskesselund elektrotechnischen Systemkomponenten muss ganz neuen Herausforderungen gerecht werden.Nordseitig ist außerdem eine Außenwandaktivierung am Ziegelmauerwerk vorgesehen. Die Steuerungdieser hochkomplexen Anlage ist das Herzstück des Vital Sonnenhaus Pro. Es handelt sich dabei umeine frei programmierbare Universalsteuerung, die modular aufgebaut werden kann. Die Anlage ver-fügt außerdem über eine Anlagenvisualisierung, Internetanbindung, PC-Software, Can-Bus-Erweiterungen, verschiedenste Sensoren und ein Funksystem.

2.2 Gebäudeintegrierte bzw. bauteilintegrierte Photovoltaik (BIPV)

Weltweit sind aktuell (Anfang 2014) schon PV-Anlagen mit 150 GWp installiert und die Zahlen stei-gen weiter rasant [1]. Obwohl der Installation von PV-Anlagen am Gebäude, also direkt beim Ver-braucher, schon seit Jahren der große Durchbruch vorausgesagt wird, sind bis 2014 nur 0,1 GWp derPV-Anlagen in die Gebäudehülle integriert, aber zumindest 8 GWp PV-Anlagen an Gebäuden ange-bracht [2]. Abbildung 5 zeigt die weltweite Entwicklung des BIPV Marktes bis zum Jahr 2020.

Abbildung 5: Weltweiter BIPV Markt bis 2020

In Österreich waren 2012 beispielsweise 2,2 Prozent aller installierten PV Anlagen gebäudeintegriert,davon 1,6 Prozent dachintegriert; der fassadenintegrierte Anteil betrug 0,6 Prozent (3.850 kWp) [3].

2.2.1 Aktuelle Trends bei BIPV

In Österreich stehen aktuell die Zeichen sehr gut, dass sich ein BIPV Schwerpunkt ausbildet [4]:

Gut abgestimmte Innovationsszene Langfristiges F&E Programm für BIPV Internationale Anbindung (EU, IEA PVPS, ...) Erhöhte Marktförderung für BIPV

BIPV als wichtiger Teil von großen Energiestrategien (Smart City, ...)

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Abbildung 6: Varianten von BIPV

Was die Kosten betrifft, so darf man bauteilintegrierte PV-Elemente nicht mit billigen „Standard-Modulen“ aus China vergleichen, sondern als echte Baumaterialien – als Teile der Gebäudehülle, dieneben der Funktion als Dach- oder Fassadenelement auch die Zusatzfunktion der Stromerzeugungerfüllen. Viele BIPV-Elemente Verfügung über weitere Funktionen wie z.B. Verschattung oderSchalldämmung.

Durch das Inkrafttreten der neuen EU-Gebäuderichtlinie 2020 [5] wird nun der verstärkte Einbau vonPV-Anlagen in Gebäude auch über die Gesetzgebung verlangt. Bis 2020 sollen laut EU-Gebäuderichtlinie „Fast-Nullenergie-Gebäude“ zum Standard werden. Mit dem Datum müssen alleneuen Gebäude – auch im privaten Wohnbau – nahezu energieautark sein. Öffentliche Gebäude vonBund, Land und Gemeinden müssen diese Vorgabe bereits ab 2018 erfüllen. Die Richtlinie greift auchbei Sanierungen, die mehr als 25 Prozent der Gebäudehülle betreffen.

Auch die Stadt Wien hat diesbezüglich schon reagiert und soeben den Wiener Solarleitfaden publiziert[6]: Neue Dienstleistungsgebäude (z.B. Bürogebäude) müssen künftig zur Erhöhung des Anteils anerneuerbarer Energie in Wien beitragen. Mit der Novelle der Bauordnung wird der neue „Wiener So-larstandard“ eingeführt. Im Neubau soll auf bislang brach liegenden Fassaden- und Dachflächen solareEnergieträger an der Außenhülle der Gebäude angebracht werden.

2.2.2 Forschungsbedarf: PV für historisch gewachsene Dachlandschaften und andere Be-standsgebäude (Städte)

Obwohl für Neubauten schon gute technische und auch wirtschaftliche Lösungen für die Integrationvon Photovoltaik existieren, gibt es bis jetzt kaum befriedigende Ansätze zur Integration von PV-Anlagen in die bereits gebaute Umgebung. Da die Gebäudeerneuerungsrate in Österreich aber nuretwa 1 Prozent beträgt, kommt dem Einbau von Photovoltaik an bzw. in bestehende Gebäude (Altbe-stand) ganz wesentliche Bedeutung zu. Bis jetzt installierte PV-Module werden aber meist additiv inForm von Standardmodulen an Gebäuden und da v.a. auf Dachflächen angebracht: in Form von aufge-ständerten Standard-Modulen auf Flachdächern bzw. „Auf-Dach-Lösungen“ von Standard PV-Modulen auf bestehende Schrägdächer. Allerdings ergeben diese Auf-Dach-Lösungen oft ästhetischfragwürdige Objekte, die langfristig und bei höherer Verbreitung – wie das z.B. in Bayern bereits beo-

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bachtet werden kann – optisch störend wirken und deshalb zu einer schlechten Akzeptanz dieserTechnologie in der Gesellschaft führen. Vor allem für historisch gewachsene Städte wie z.B. Wiensind solche Installationslösungen nicht denkbar. Die optische und bauliche Integration der stromlie-fernden PV-Anlagen ins Gebäude sind hier gefordert. Erfolgreiche Verbindungen von modernen PV-Anlagen in historische Bauten existieren, sind jedoch seltene Einzelfälle (Abbildung 7).

Abbildung 7: Beispiele von BIPV an historischen Gebäuden

Daraus ergibt sich ein grundsätzlicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf in Richtung flexibler PV-Lösungen für bestehende Gebäude in folgenden Bereichen [7]:

Technische PV-Lösungen mit hoher Flexibilität in Farben, Formen und Größen für die ästhe-tisch verträgliche Integration in historische Altbauten und Gründerzeitbauten

Gewachsene Dachlandschaften als Herausforderung für den Anlagenbau in puncto Montage,Traglast, Verschattung usw.

mit den Schwerpunkten: Erweiterte Trägermaterialpalette für PV-aktive Einheiten Flexible Trägermaterialien erfordern Dünnschichtzellen mit akzeptablem Wirkungsgrad und

guter Langzeitstabilität Neue Verschaltungskonzepte Flexible Modulgrößen und -formen Ästhetische Verträglichkeit mit Architektur und Ortsbild: farblich und materialtechnische Ab-

stimmung von PV-Modulen/Einheiten Multifunktionalität von Teilen der Gebäudehülle (Zusatznutzen)

Ergänzende Informationen zu BIPV sind im Innovationsradar Umwelttechnik & erneuerbare Energiennachzulesen.

Literatur

[1] IEA, International Energy Agency 2014, http://www.iea.org/publications/freepublications /publication/technology-roadmap-solar-photovoltaic-energy---2014-edition.html

[2] TASK 15 Expert Workshop Acceleration of BIPV, Amsterdam, September 23rd, 2014, Michiel Ritzen et al.

[3] Innovative Energietechnologien in Österreich, Marktentwicklung 2012, (P.Biermayr, M.Eberl, R. Ehrig, H.Fechner, C.Kristöfel,K.Leonhartsberger, S.Martelli, Ch.Strasser, W.Weiss, M.Wörgetter, Berichte aus Energie und Umweltforschung; 17/2013; Marktent-wicklung Photovoltaik s.85)

[4] Workshop „Integration von PV in Fassaden“, 10.2014 Wien; „Marktüberblick und Zukunftstrends“ H.Fechner.

[5] RICHTLINIE 2010/31/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 19. Mai 2010; über die Gesamtener-gieeffizienz von Gebäuden (Neufassung)

[6] Solarleitfaden der Stadt Wien: https://www.wien.gv.at/rk/msg/2013/08/13006.html

[7] Sondierungsstudie im Auftrag des Bundesministeriums BMVIT, Zur Positionierung eines Schwerpunktes GIPV/BIPV in Österreich,2013, Fechner et al.

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3 Thermische Bauteilaktivierung

Nicht nur im Sonnenhaus wird zunehmend die thermische Bauteilaktivierung ein Thema. Versucheund Pilotprojekte sind bereits realisiert. Ein hoher Wärmedämmstandard ist aber eine wichtige Vo-raussetzung. Bauteilaktivierung arbeitet mit niedrigen Vor- und Rücklauftemperaturen, was die Effizi-enz von thermischen Solaranlagen zur Heizungsunterstützung sowie von Wärmepumpensystemenerhöht. Durch die thermische Aktivierung von Betondecken, Bodenplatten oder Außenwänden kannniederschwellige Solarwärme nutzbar gemacht, die noch nicht in den Pufferspeicher eingespeist wer-den kann. In den Verteilleitungen kommt es zu geringeren Wärmeverlusten als bei höheren Tempera-turniveaus und die niedrigen Rücklauftemperaturen erhöhen die Effizienz von Fernwärmenetzen, dadie Systemtemperaturen besser ausgenutzt werden können. Nachteilig wirkt sich allerdings die größereWassermenge aus, die aufgrund der niedrigen Systemtemperaturen und der geringen Temperatursprei-zung durch das Verteilnetz gepumpt werden muss. Anwendungen mit höherem Temperaturbedarf sindnur als Kompromisslösungen in das System integrierbar.

3.1 Das Wärmespeichervermögen von Baustoffen

Um die Temperatur eines Körpers zu erhöhen muss seine thermische Energie vergrößert werden. Ver-schiedene Stoffe lassen sich unterschiedlich leicht erwärmen, das heißt, den einen muss mehr, denanderen weniger Wärmeenergie zugeführt werden, damit sich eine bestimmte Masse um beispielswei-se ein Kelvin erhöht. Man spricht hier von der der spezifischen Wärmespeicherkapazität eines Stoffes.Die Konstante der spezifischen Wärmespeicherkapazität ist cp (bei konstantem Druck) und beschreibtjene Energiemenge, die nötig ist, 1 kg Masse m eines Stoffes um 1 Kelvin [K] (= 1 °C) zu erwärmen.Ihre Maßeinheit ist Joule pro Kilogramm und Kelvin [J/kgK]. Die aufgenommene bzw. abgegebeneWärmemenge Q eines Körpers ist das Produkt aus der spezifischen Speicherkapazität, seiner Masseund der Temperaturdifferenz, die erreicht wurde (siehe Formel 1).= × × ∆ Formel 1

Tabelle 1 listet die spezifische Speicherkapazität gängiger Baustoffe verglichen mit anderen Stoffenund zeigt in der Grafik ihre Größenordnung zueinander.

Tabelle 1: Spezifische Wärmespeicherkapazität verschiedener Stoffe

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3.2 Behaglichkeit

Die erwärmten Bauteile sorgen für eine großflächige Verteilung und Abgabe der Wärme und gleich-zeitig zu erhöhten Oberflächentemperaturen als bei nicht thermisch aktivierten Bauteilen. Eine Tempe-raturdifferenz von bis zu 4 Kelvin zwischen Raumluft und umgebenden Oberflächen wird als behag-lich empfunden. Ist der Temperaturunterschied höher, können Zugerscheinungen die Behaglichkeit imInnenraum deutlich einschränken. Abbildung 8 zeigt die Abhängigkeit der Wohlfühlzone von der mitt-leren Wandtemperatur und der mittleren Raumlufttemperatur. Die empfundene Temperatur ist derMittelwert aus Raumlufttemperatur und mittlerer Oberflächentemperatur. Um sich wohlzufühlen, soll-te diese 24 °C betragen. Die blauen Pfeile zeigen die Temperaturverteilung bei einer herkömmlichenKonvektorheizung (Raumtemperatur 25 °C). Die roten Pfeile zeigen die Temperaturverteilung beieiner Ziegelwand-Temperierung (Raumtemperatur 21 °C).

Abbildung 8: Zusammenhang von Oberflächentemperaturen und Raumtemperatur für die Behaglichkeit in In-nenräumen

In Abhängigkeit von der Temperatur des Wassers in den Rohrmodulen steigt die Oberflächentempera-tur des aktivierten Bauteils. Bei einer Vorlauftemperatur von 35 °C beträgt die Oberflächentemperatur27 °C.

Voraussetzungen für die Behaglichkeit in Innenräumen sind:

Gleichmäßige Oberflächentemperaturen (hoher Dämmstandard!!!) Gleichmäßige Lufttemperatur Selbsttätiger Temperaturausgleich durch Regeltechnik und/oder Speichermassen

3.3 Selbstregulierungseffekt

Unterschiedliche Temperaturen der raumumgrenzenden Bauteile sowie der Raumluft gleichen sichstetig aus. Die Wärmeenergie fließt immer vom höheren Energiepotential (wärmere Zone, wärmererKörper) zum niedrigeren Energiepotential (kältere Zone, kälterer Körper). Heizt die Sonne den Raum

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auf, gibt der aktivierte Bauteil keine Wärme mehr ab, kühlt die Raumluft über die Fensterflächen ab,liefern die thermisch aktivierten Bauteile Wärme an die Raumluft nach (Abbildung 9).

(Quelle: Zement + Beton)

Abbildung 9: Selbstregulierungseffekt von thermisch aktivierten Bauteilen

3.4 Bauteilaktivierung pro Energieeffizienz

Da es sich bei der Bauteilaktivierung um eine Flächenheizung/-kühlung mit großen Wärmeabga-be/-aufnahmeflächen handelt, sind nur geringe Temperaturunterschiede zwischen Raumluft und Bau-teil für die erforderliche Heiz-/Kühlleistung nötig. Thermische Bauteilaktivierung arbeitet daher mitniedrigen Medientemperaturen (Vorlauf- und Rücklauftemperaturen) und sichert so eine hohe Behag-lichkeit im Innenraum. Durch die niedrigen Systemtemperaturen ergeben sich Vorteile und Nachteile:

Vorteile Niedrige Systemtemperaturen verringern die Verteilverluste über die Rohrleitungen. Niedrige Vorlauftemperaturen erhöhen die Effizienz von thermischen Solaranlagen zu Hei-

zungsunterstützung sowie von Wärmepumpen. Niedrige Rücklauftemperaturen erhöhen die Effizienz von Fernwärmenetzen und thermischen

Solaranlagen. Hohe Wärme-/Kühlleistung der großen Bauteilflächen

Nachteile Geringere Spreizungen zwischen Vor- und Rücklauf erhöhen die erforderliche Wassermenge

(Massenfluss). Anwendungen mit höheren Temperaturniveaus sind nur bedingt integrierbar.

Beispielsweise bei Sonnenhäusern ist die Bauteilaktivierung als Ersatz für einen Teil des Pufferspei-chers anrechenbar. In der Salzburger Wohnbauförderungs-Durchführungsverordnung ist als Faustfor-mel für diese Anrechnung folgende Definition festgelegt:

Pufferspeicher-Volumen: 100 Liter Pufferspeicher pro m² Kollektorfläche; bei über die Mindestanforderunghinausgehender Kollektorflächenausstattung können thermisch aktivierte Bauteile in das Speichervolumen ein-gerechnet werden (100 Liter Wasser entsprechen 1 m³ Beton).

In der Direktzuschussförderung gilt:

Das Speichervolumen hat pro m2 Absorberfläche bei Frischwasseraufbereitung und Boiler mindestens 100 Li-ter zu betragen. Bei Betonaktivierung sind mindestens 1 m3 Beton zu rechnen. Bei Betonaktivierung und Hal-lenbadbeheizung ist zusätzlich ein Pufferspeicher zur hygienischen Warmwasseraufbereitung vorzusehen. Derthermisch aktivierte Beton ersetzt den Pufferspeicher nicht vollständig.

Pro m2 Absorberfläche ist somit 1 m3 Beton als Ersatz für 100 Liter Pufferspeicher anzusetzen.

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3.5 Speichermassenbewirtschaftung von thermisch aktivierten Bauteilen

Wird ein Bauteil mit Rohrleitungen versehen, können diese im Winter zur Erwärmung (Heizung) undim Sommer zur Kühlung eingesetzt werden (Abbildung 10). Die üblichen Vorlauftemperaturen in derHeizperiode liegen bei 26-28 °C, die Sommer-Vorlauftemperaturen bei 19-20 °C, wodurch es zu ei-nem Kühleffekt ohne Zugerscheinungen kommt.

Abbildung 10: Heizdecke im Winter = Kühldecke im Sommer

Eine thermisch aktivierte Kühldecke sorgt für eine ausgezeichnete Querverteilung der Wärmeströmeaufgrund ihrer hohen Wärmeleitfähigkeit, die hohe thermische Speicherfähigkeit von Beton sorgt füreine gute Abfederung von Spitzenkühllasten.

Die thermische Be- und Entladung von Betondecken kann in vier thermodynamischen Prozessen be-schrieben werden:

1. Ladung durch konvektiven und radiativen Wärmetransport in den Bauteilen2. Speicherung im Bauteil3. Entladung durch konvektiven Wärmetransport aus dem Bauteil4. Wärmeabfuhr durch Außenluftwechsel (Nachtlüftung)

Passive Speichermassenbewirtschaftung durch Nachtlüftung hat ein hohes Potential, wenn folgendeRandbedingungen sichergestellt werden:

Hoher Luftwechsel (10-fach!!) Funktionalität in Bezug auf Bedienkomfort, Intimität, Einbruchschutz, Witterungsschutz,

Lärmschutz, Staubemissionsschutz

Zeitliche und örtliche Lastverschiebung durch aktive Speichermassenbewirtschaftung

Im Sommer müssen Wärmelasten aus thermisch belasteten Gebäudebereichen in solche mit verfügba-ren Speichermassen verschoben werden (siehe Abbildung 11). Im Winter hingegen sind interne undsolare Wärmegewinne in Gebäudebereiche mit Wärmebedarf zu verschieben. Speichermassen könnenals Kurzzeitspeicher genutzt werden, indem quasi im Pendelbetrieb bewirtschaftet Wärmegewinnebzw. Wärmelasten in diese aktivierten Speichermassen verschoben werden. Auch eine thermischeAnkopplung an erdberührte Bauteile sorgt für eine ausreichende Entladung im Sommer und stellt er-wärmtes Erdreich im Winter z.B. für den Einsatz einer Erdwärmepumpe bereit.

(Quelle: Zement + Beton)

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(Quelle: Zement+Beton)

Abbildung 11: Aktive Speichermassenbewirtschaftung im Gebäudekontext

3.6 Ziegel-Wandtemperierung

Bei Ziegelwänden kommt die Aktivierung von thermischer Speichermasse bereits zum Einsatz. DieRohrleitungen können an den Außenwänden im (Thermo-)Putz verlegt werden und so den Wärmeab-fluss aus dem Gebäude bremsen, beispielsweise mit niederschwelliger Solarwärme, die für die Ein-speisung in den Pufferspeicher (viel) zu niedrig ist. Das erhöht zusätzlich die Effizienz der Solaranlageund kann bereits bei geringen Vorlauftemperaturen über der Außentemperatur wirksam sein. For-schungsprojekte dazu sind derzeit in Arbeit.

Andererseits werden die Heizrohre im Inneren des Mauerwerks verlegt und praxistaugliche Systemeangeboten (siehe Abbildung 12).

(Quelle: Rehau, Wienerberger)

Abbildung 12: Heizungsrohre im Wandinneren zur Ziegelwand-Temperierung

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3.7 Energiespeicher Beton

Beton eignet sich aufgrund seiner hohen Materialdichte besonders gut als Energiespeicher. Die ther-mische Bewirtschaftung von Beton folgt einer einfachen Systematik: Gewonnene Wärme oder Kältewird auf das notwendige Temperaturniveau gebracht, den Betonbauteilen zur Nutzung zugeführt unddort eingespeichert. Bei großflächigen Betonbauteilen erfolgt bis zu 90 Prozent des Wärmeaustauschesdurch Strahlungswärme, der Rest durch Wärmeströmung (Konvektion) der Raumluft.

Die praktische und flächendeckende Umsetzung dieser Technologie und der geplante sowie gesteuerteEinsatz von ohnehin bestehenden Ressourcen im Gewerbe-, Büro- und Wohnbereich sind bedauerli-cher Weise noch eine Seltenheit in der Baubranche. Hocheffiziente Gebäude können alleine mit ther-mischer Bauteilaktivierung beheizt und gekühlt werden. Das Prinzip der Speichermasse kennt grund-sätzlich jeder. Der Betonbauteil funktioniert beim Erwärmen wie ein Kachelofen, der nach und nachseine wohlige Wärme abgibt. Beim Kühlen ist es umgekehrt und der Betonbauteil wird zum Kühlele-ment.

(Quelle: Zement+Beton)

Abbildung 13: Rohrleitungen einer Betondecke auf der Bewehrung verlegt

Verglichen mit anderen Baustoffen verfügt Beton über eine besonders hohe Wärmespeicherfähigkeit.In Tabelle 2 sind die thermodynamischen Grunddaten von Beton, Ziegel, Holz und Gipskarton ver-gleichend gegenübergestellt.

Tabelle 2: Vergleichende Übersicht der thermodynamischen Grunddaten verschiedener Baustoffe

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Beton punktet vor allem durch sein hohes spezifisches Gewicht (ρ) von rund 2.400 kg/m3, das ist der2,4-fache Wert von Wasser. Gegenüber den anderen Materialien sind auch die Wärmeleitfähigkeit (a)und die dynamische Eindringtiefe (δ) deutlich höher. Das bewirkt einerseits eine rasche Wärmeauf-nahme durch den Beton und andererseits ist durch die hohe Eindringtiefe pro Zeiteinheit deutlich mehrMaterial für die auszugleichende Wärme verfügbar. Das drückt sich folglich im Wert der flächenbezo-genen, wirksamen Wärmekapazität aus (χ′).

Die Kühlleistung bei den typischen Systemtemperaturen einer thermisch aktivierten Betondecke liegtbei 30 W/m2 Deckenfläche, bei Raumtemperaturen um 27 °C steigt die Kühlleistung auf bis zu50 W/m2 Deckenfläche. Diese Steigerung der Kühlleistung ist nur in den veränderten Systemtempera-turen begründet, und nicht in einem höheren Volumenstrom oder geringeren Kaltwasser-Vorlauftemperaturen. Bei einer Bauteildicke von 20 cm liegt die Wärmespeicherfähigkeit von ther-misch aktiviertem Beton bei 130 Wh/m2 Bauteilfläche.

3.8 Die praktische Umsetzung und ihre Herausforderung

In der Praxis zeigen sich immer wieder Problemstellungen, die noch einiger Forschung bedürfen. DerStand der Technik sei hier kurz dargestellt.

Die Heiz-/Kühlrohre werden in der Betondecke verlegt und dazu direkt an der Bewehrung befestigt(Abbildung 14) oder auf Montageschienen, die mit einbetoniert werden.

Abbildung 14: Rohrverlegung auf der Bewehrungsebene

Der Verlegeabstand der Rohleitungen soll 15-20 cm betragen. Bei einer gut gedämmten Fundament-platte werden die Rohre im unteren Drittel verlegt, in der Kellerdecke etwa mittig und in warmen Zwi-schendecken im unteren Höhendrittel (Abbildung 15). Im Heizfall beträgt die Vorlauftemperatur 25-28 °C, der Rücklauf 20-23 °C. Im Kühlfall wird der Vorlauf mit 18-22 °C bedient, der Rücklauf liegtje nach Kühllast bei 20-25 °C.

(Quelle: Zement + Beton)

Abbildung 15: Verlegeposition der Heiz-/Kühlrohre in Betonbauteilen

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Die Verlegung erfolgt in Einfach- oder Doppelmäandern (siehe Abbildung 16).

(Quelle: Zement + Beton)

Abbildung 16: Prinzipskizzen für die Verlegung von Heizrohren zur Bauteilaktivierung

Das gesamte Rohrsystem wird während des Betonierens unter Druck gehalten (2,5 bis 3 bar), wodurchLeckagen rasch erkannt werden können (Abbildung 17). Die hohe Wärmeleitfähigkeit von Beton er-möglicht das Verlegen der wasserführenden Rohre im Abstand von 20 cm und mehr. Eine horizontaleWärmeverteilung ist nicht nötig.

(Quelle: Rehau, Zement + Beton)

Abbildung 17: Anschlussschiene der Heizrohre einer thermisch aktivierten Betondecke mit Manometer

Potentiale und Grenzen der BauteilaktivierungKlare Vorteile von thermisch aktivierten Bauteilen sind der hohe thermische Komfort für die Nutzer,die Zugfreiheit in den Innenräumen, die Geräuschlosigkeit des Heizsystems und der hohe Strahlungs-anteil der Wärmeabgabe. Das hohe Potenzial zur Nutzung von Umweltenergien aus Nachtluft, Erd-reich und Oberflächengewässern ist ein Beitrag zur Energieeffizienz und zum Klimaschutz. Ein weite-res Plus ist die kurzfristige Pufferung von Kühlleistungsspitzen somit die Entlastung der Kälteerzeu-gung und wiederum die Chance zur Nutzung von Umweltenergien. Unter günstigen Rahmenbedin-gungen ist Bauteilaktivierung kostengünstig.

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Allerdings kann nur eine begrenzte Dauerleistung von 30-40 W/m² erzielt werden. Werden die Rohrebeschädigt, sind sie nach dem Einbau kaum zu reparieren und sie sind dauerhaft mit der statischenStruktur eines Gebäudes verbunden. Nach wie vor ist die Einbindung in das gesamt Heizsystem eineregelungstechnische Herausforderung.

Bislang fehlte es an folgenden Punkten: Nachgewiesene Temperaturverläufe in verschiedenen Wandbauteilen Wissenschaftlich bestätigte Rechenmodelle, die eine Vorhersage bzw. Modellierung von

thermisch aktivierten Bauteilen ermöglichen Berücksichtigung der speicherwirksamen Massen in Energieausweis bzw. Norm Fachfortbildungen

Die relevanten Stakeholder sind daher bemüht, in Sachen Forschung, Praxis und Ausbildung konse-quent eine Weiterentwicklung zu forcieren.

3.9 Forschungsprojekte

Aktuelle Forschungsaktivitäten zielen auf die Entwicklung gebäudetechnischer Systeme zur zeitlichenund örtlichen Verschiebung der Wärmelasten mittels aktiver Speichermassenbewirtschaftung ab. Einewichtige Rolle spielt dabei die Ankoppelung von erdberührten Bauteilen und Erdkörpern als Wärme-speicher. Aus Sicht der Regelungstechnik steht ein effizienter und robuster Betriebszustand im Zent-rum der Forschung.

Die Bauteilaktvierung ist seit bald fünf Jahren ein Förderschwerpunkt der Zementindustrie (VÖZ,Zement+Beton). Zu diesem Thema wurden und werden Forschungsprojekte abgewickelt und daraufaufbauend bzw. parallel Lehr- und Ausbildungsunterlagen erstellt. Beispielsweise wurde der Simulati-onsraum Beton der Bauakademie in Salzburg mitfinanziert, aber auch die Ausstattung von diversenHäusern mit Messeinrichtungen. Folgende Ausführungen wurden diversen Publikationen zum Simula-tionsraum Beton entnommen.

3.9.1 Simulationsraum Beton

Damit Theorie rasch Praxis werden kann, vertieft die Österreichische Zementindustrie ihr vorhandenesWissen um die Bauteilaktivierung des Energiespeichers Beton gemeinsam mit Projektpartnern undFördergebern. Mit der Inbetriebnahme des ersten bauteilaktivierten Simulationsraums in Österreichwerden wissenschaftlich gesicherte Daten über die nachhaltige Form des Heizens und Kühlens bereit-gestellt. 2011/2012 wurde auf dem Gelände der BAUakademie Salzburg im Rahmen eines For-schungsprojektes der Simulationsraum installiert (Abbildung 18-19). Dieser soll weitere Forschungs-erkenntnisse für die Praxis bringen und als Demonstrationsprojekt für künftige Nutzer und Auszubil-dende dienen. Projektziel ist die Dokumentation der Energieeffizienz und der thermischen Wohnbe-haglichkeit von Bauten mit Bauteilaktivierung auf Basis intensiver Forschung an innovativen Heiz-und Kühlkonzepten mit dem Energiespeicher Beton. Das EU-Forschungsprojekt wurde 2012 in Part-nerschaft von Land Salzburg, der Europäischen Union und der ARGE „Nachhaltige BAUTEIL-Aktivierung“ gestartet.

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Abbildung 18: Der Simulationsraum Beton (1)

In diesem Simulationsraum wurden ohnehin für das Tragsystem notwendige Bauteile aus Beton einLeitungssystem eingelegt. Durch diese Leitungen wird einem Gebäude je nach Bedarf Wärme oderKälte zugeführt. Diese Bauteile werden thermisch aktiviert und geben diese Energie als Strahlungs-wärme an die angrenzenden Räume weiter. Die große Oberfläche der thermisch aktivierten Deckenund Wände ermöglicht einen Betrieb des Systems mit sehr kleinen Temperaturunterschieden zur ge-wünschten Raumtemperatur ‒ eine gute Voraussetzung für eine sehr wirtschaftliche und energiespa-rende Lösung. Darüber hinaus gleichen die Bauteile aus Beton die Tagesschwankungen des Energie-bedarfs oder Energieanfalls automatisch aus. Anhand der Daten aus dem Simulationsraum sollen inder Folge entsprechende Regelwerke für Berechnung, Planung und Ausführung bis hin zum prakti-schen Unterricht im Rahmen der Berufsausbildung erstellt werden.

Abbildung 19: Der Simulationsraum Beton (2)

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Der Simulationsraum ist ein Betonkubus mit einem 4,6 mal 3,6 m großen Innenraum bei einer Raum-höhe von 2,5 m mit zwei Fenstern und einer Tür. Sämtliche raumbildende Flächen bestehen aus Be-ton: Boden, Decke sowie Wände sind bauteilaktiviert, wobei jede einzelne Fläche individuell steuerbarist, um unterschiedliche Varianten und Extremsituationen zu simulieren. Die Wände bestehen aus18 cm dicken Betonscheiben. Decke (20 cm) und Bodenplatte (35 cm) sowie die beiden Längswändesind mit Rohrleitungen thermisch aktivierbar. Die Rohrleitungen wurden im Abstand von 15 cm ver-legt und mit Kabelbindern an die Baustahlgittermatten befestigt und in die Betonbauteile eingegossen.Vorder- und Rückwand des Kubus werden im Innenputzbereich mit Kupferrohrmatten aktiviert. Durchdiese Bauweise soll auch erforscht werden, wie im Sanierungsfall der Massespeicher funktionierenkann. Die grundlegende Wärmedämmung wurde nach dem neuesten Stand der Technik ausgeführt undbesteht aus 20 cm EPS Außenisolierung für die Wände, 30 cm XPS für die Decke und 20 cm XPSdruckfest für den Bodenbereich (siehe Abbildung 20).

Abbildung 20: Explosionszeichnung des Simulationsraums Beton

01 Betonbauteile: Boden 35 cm, Decke 20 cm, Wände 18 cm bewehrt02 Leitungssysteme

02a 300 m sauerstoffdichte PE-Xa-Mehrschichtverbundrohre mit Kabelbindern befestigt02b Belegung zweier Betoninnenwände mit Kupferrohrmatten (verputzt)

03 Sensorenpakete: 150 Sensoren in allen Betonbauteilen und teilweise in Dämmung04 Bewehrung: Baustahlgittermatten in allen Bauteilen05 Isolierung: im Wandbereich 20 cm EPS bzw. wo feucht XPS, im Bodenbereich 20 cm XPS druckfest, im

Deckenbereich 30 cm XPS06 Simulationsraum: Innenraumabmessungen: 4,6 m lang, 3,6 m breit, Raumhöhe 2,5 m; ausgerüstet mit einer Türe,

zwei Fenstern, Lüftungsanlage und Steuerung für jeden einzelnen Bauteil

150 Temperaturfühler, zusammengefasst in Paketen zu je zehn Sensoren, messen sowohl die Tempera-tur in den Betonbauteilen als auch in der Wärmedämmung und zeichnen die Daten im Simulations-raum rund um die Uhr auf. Ein Beispiel für die Fühleranordnung in der Bodenplatte und Wand zeigenAbbildung 21 und 22.

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Abbildung 21: Anordnung der Temperaturfühler in der Bodenplatte

Abbildung 22: Anordnung der Temperaturfühler in der Wand

Gemessen werden außerdem Luft- und Oberflächentemperaturen, Luftfeuchte, der notwendige Heiz-und Kühlbedarf zur Temperaturhaltung auf gleichem Niveau sowie die zeitlichen Abläufe der Tempe-raturveränderungen. Die Daten werden in Salzburg abgespeichert und täglich in Datenpaketen von derTU Wien abgerufen. Abbildung 23 zeigt die haustechnische Anlage im Simulationsraum Beton.

Abbildung 23: Technikpaket im Simulationsraum Beton

Die über zwei Jahre laufenden Forschungen werden von der Technischen Universität Wien wissen-schaftlich begleitet und liefern gesicherte Daten über die Effizienz und Funktionsweise der Bauteilak-

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tivierung für künftige Nutzer und Aus- und Fortzubildende (z.B. Lehrlinge, Poliere, Baumeister undBauschaffende). Der Simulationsraum wird auch für Demonstrationszwecke eingesetzt. Bei der Bau-teilaktivierung müssen mehrere Gewerke – vom Bauhandwerker über den Installateur bis zum Elektri-ker – Hand in Hand zusammenarbeiten. Das erfordert eine genaue Abstimmung und einheitliche Stan-dards. Nach erfolgreichem Abschluss des Forschungsprojekts ist geplant, praxistaugliche Standardsfür die Bauwirtschaft zu entwickeln und das System dann österreichweit in die Bauausbildung zu in-tegrieren.

Großes Augenmerk soll auf das subjektive Wohlfühlverhalten gelegt werden. Der sommerlichenÜberwärmung und dem Feuchtigkeitshaushalt im Raum – besonders in der Heizperiode – wurde bis-lang zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ziel ist es unter anderem, Gebäude zu entwickeln, die inder Nutzung intelligent sind, lediglich eine minimale technische Ausstattung brauchen und in der Nut-zung einfach begreifbar sind.

Die Gesamtkosten für das zukunftsweisende Projekt werden zur Hälfte vom Land Salzburg und derEuropäischen Union im Rahmen des Wirtschaftsförderungsprogramms „Regionale Wettbewerbsfä-higkeit“ (RWF) getragen. Die zweite Hälfte finanziert die zu diesem Zweck gegründete ARGE „Salz-burger Netzwerk für nachhaltige BAUTEILAktivierung“, eine Gruppe von kleinen bis großen Unter-nehmen entlang der Wertschöpfungskette Massivbau. Übergeordnetes Projektziel der ARGE ist dieDokumentation der Energieeffizienz und der thermischen Wohnbehaglichkeit von Bauten mit Bauteil-aktivierung.

Ergebnisse

Die Messungen im Simulationsraum zeigen, dass Beton auch nach fünf Tagen ohne aktive Heizungund innere Lasten durch Geräte und Personen noch ein behagliches Raumklima sicherstellen kann. DieInnenraumtemperatur sank in diesem Zeitraum nur um bis zu 3 Kelvin ab (Abbildung 24).

Abbildung 24: Temperaturverlauf über 5 Tage im Jänner 2013

Die Messung des Temperaturverlaufes zeigt, dass die gesamte Bauteildicke der Betonwand zur Wär-mespeicherung beiträgt. Der Wandquerschnitt ist vollständig auf einem hohen Temperaturniveau (Ab-bildung 25).

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Abbildung 25: Temperaturverlauf im Außenwandaufbau des Simulationsraumes

3.9.2 Rechenkern Bauteilaktvierung

Auf Grundlage von Simulationen wird in einem Forschungsprojekt an der TU Wien ein validiertesTool für die Bemessung von TBA (thermischer Bauteilaktivierung) erstellt. Dadurch werden Berech-nungs- und Planungsgrundlagen für eine optimierte, breite Anwendung geschaffen. Das Forschungs-vorhaben zur Erstellung eines Rechenkerns für die rechnerische Annäherung an reale Bedingungeneiner Bauteilaktivierung wurde unter der Leitung von Prof. Bednar (TU Wien) durchgeführt und er-folgreich abgeschlossen. Mit dem entwickelten Algorithmus wird die Technologie weiter erforschtund über Simulationen verifiziert, eine wichtige Voraussetzung für die Einarbeitung der Ergebnisse inNormen. Für die praktische Anwendung ist noch eine EDV-Benutzeroberfläche zu erstellen. Zur Eva-luierung der Rechenergebnisse durch entsprechende Messungen dienten u.a. der SimulationsraumSalzburg und ein großes Bürogebäude in Linz. Erste Gespräche hinsichtlich der Einarbeitung in dasNormenwesen wurden begonnen. Zu diesem großen und sehr rechenintensivem Projekt gibt es aller-dings noch keine Veröffentlichungen.

3.9.3 Praxisdetails in Erforschung

Der Abstimmung des Heizungs- und Kühlsystems auf die thermische Gebäudehülle kommt bei hoch-effizienten Gebäuden eine große Bedeutung zu. Damit diese Abstimmung in ausreichender Qualitäterfolgen kann, sind detaillierte Kenntnisse über das thermische Verhalten eines Gesamtsystems undvor allem seiner wärmeabgebenden Elemente (z.B. thermisch aktivierte Bauteile) erforderlich. DerMangel an Antworten auf praxisrelevante Fragestellungen liegt im Fokus der Vereinigung der Öster-reichischen Zementindustrie (VÖZ).

Modellierung von Rohrabstand, Überdeckung und Rohrdurchmesser

In einem von der VÖZ beauftragten Forschungsprojekt hat Prof. Krec (TU Wien, Fakultät für Archi-tektur) solche Praxisdetails wie Rohrabstand, Rohrdurchmesser, Lage der Rohre in der Decke sowieden zeitlichen Verlauf der Temperaturänderung in den Bauteilen (Trägheit des Systems) untersucht.Basierend auf den Erkenntnissen wurden Unterlagen für fundierte Auslegungsberechnungen ausgear-beitet. Außerdem konnten wesentliche Erkenntnisse aus den Messungen im Simulationsraum rechne-risch bestätigt werden. Die folgenden Ausführungen wurden Publikationen von Prof. Krec entnom-men.

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Ergebnisse

Die Voruntersuchungen zeigen, dass der Einfluss der Bewehrung auf das thermodynamische Verhal-ten einer aktivierten Zwischendecke gering ist. Es zeigte sich, dass es wissenschaftlich trotz Vereinfa-chung zulässig ist, nur ein einziges Rohr des Heiz-/Kühlregisters zu modellieren. Im folgenden Bei-spiel wird die Modellierung unterschiedlicher Überdeckungen im Betonbauteil dargestellt (Abbildung26). Die Farbgebung zeigt die berechnete Temperaturverteilung, die vom Rohr ausgehenden Liniensind die Wärmestromlinien im Bauteil, also der Weg der Wärme im Bauteil zu einer kühleren Umge-bung. Je enger die Linien sind, umso mehr Wärme fließt in diesem Bereich ab. Der Simulation wurdeneine Heizmitteltemperatur von 28 °C und eine Raumlufttemperatur von 20 °C zugrunde gelegt. DerWärmestrom zwischen je zwei Wärmestromlinien wurde mit 0,2 W/m definiert.

Abbildung 26: Temperaturverteilung und Wärmestromlinien in modellierten Bauteilen mit unterschiedlicherBetonüberdeckung der Heizrohre

Ein Untersuchungsergebnis der Simulationen ist die Abhängigkeit des flächenbezogenen thermischenLeitwertes Λ [W/m2K] vom Achsabstand [m] der Rohre zueinander bei unterschiedlicher Betonüber-deckung der Heizungsrohre (Abbildung 27).

Abbildung 27: Flächenbezogener thermischer Leitwert bezogen auf den Achsabstand der Rohre

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Bei konstanten Umgebungs- und Systembedingungen ergibt sich die Abhängigkeit des flächenbezoge-nen, thermischen Leitwertes zwischen Rohrregister und dem zu temperierenden Raum von der Lagedes Registers und Achsabstand der Rohre d. Diese Abhängigkeit ist sehr gut mit einem Polynom des2. Grades darstellbar: = ∗ 2+ ∗ + Formel 2

Tabelle 3 zeigt die Regressionskoeffizienten a, b und c zur Berechnung des flächenbezogenen thermi-schen Leitwertes, wie in Abbildung 27 dargestellt.

Tabelle 3: Regressionskoeffizienten zur Berechnung des flächenbezogenen thermischen Leitwertes

Überdeckung[mm]

a[W/m4K]

b[W/m3K]

c[W/m4K]

50 4,5267 -8,0363 5,7018100 3,3653 -6,4566 5,0526150 2,4664 -5,3223 4,5380

Mit der Kenntnis der Regressionskoeffizienten kann im Zuge von Auslegungsberechnungen zum ei-nen bei vorgegebenem Rohrabstand und vorgegebener Registerlage sofort auf die benötigte Heizflächerückgerechnet werden. Außerdem kann bei vorgegebener Heizfläche der erforderliche Rohrabstandrechnerisch ermittelt werden.

Testobjekt Salzburg

In Salzburg steht ein Mehrfamilienhauses vor der Fertigstellung, in welchem die Räume ausschließlichüber die Zimmerdecke thermisch bewirtschaftet werden. Die Funktionsfähigkeit dieses Zugangs istdurch Messungen im Simulationsraum und durch Nachrechnungen von Prof. Krec bestätigt, nun sollder Praxistest erfolgen. Der Vorteil dieser Lösung ist, dass die im Bauwesen eingeführten Deckenauf-bauten unverändert bleiben und damit ein massives Ausführungshindernis wegfällt.

3.9.4 Wissensbasis „Energiespeicher Beton“

Ein Beispiel für Lehr- und Ausbildungsunterlagen ist die zurzeit in Fertigstellung befindliche Wis-sensbasis „Energiespeicher Beton“. Die druckfrische Wissensbasis (samt Schautafeln) wurde inhalt-lich verbessert und auf den letzten Stand der Erkenntnisse gebracht. An einem weiteren Leitfaden fürBaumeister etc. wird derzeit gearbeitet.

Forschungsprojekte aus dem universitären Umfeld beziehen sich häufig auf Grundsatzfragen, die dieBasis für eine weiterführende Forschungs- und Entwicklungstätigkeit mit Praxisbezug sind. Für Ein-richtungen der angewandten Forschung ist es allerdings zunehmend schwierig, neue Methoden undTechniken in die Praxis zu implementieren, da diese Ebene von der Forschungsförderung und denJuroren viel zu wenig berücksichtigt wird. Allzu oft bleiben gute Ideen bei (noch) nicht praxistaugli-chen Leuchtturmprojekten stecken und werden als „zu wenig innovativ“ aus dem Wettbewerb um dieFördergelder ausgeschieden. Eine effektive Implementierung von funktionsfähigen neuen Entwick-lungen in die Praxis ist dadurch noch aufwändiger und langwieriger. Dazu kommt eine gewisse Zer-splitterung des Wissens, die verwirrend wirkt. Projekte, wie die geplante Lehr- und Ausbildungs-grundlage, wirken diesen Problemen gezielt entgegen. Diese kosten in der Regel aber mehr Zeit undGeld als die Beforschung von Grundsatzfragen.

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4 Innovation für effiziente und sichere Pelletheizung

Pelletheizungen liefern Wärme aus erneuerbaren Energiequellen. Österreich und Skandinavien warenin Europa Vorreiter bei dieser Technologie. In Österreich werden Pelletheizungen derzeit in jedemdritten Neubau eingebaut, sie sind auch bei Sanierungen weit verbreitet. Österreich hat mit mehr als100.000 Anlagen die größte Dichte an Pelletheizungen in Europa. Eine Pelletheizung besteht aus ei-nem Heizkessel und einen Lagerraum für die Pellets. Eine der flexibelsten Möglichkeiten, diese Pel-lets automatisch vom Lagerraum in den Heizraum zu befördern, arbeitet mittels eines Saugsystems.Um den Lagerraum möglichst gleichmäßig und vollständig zu entleeren, kommen Brennstoffweichenmit mehreren Ansaugsonden zum Einsatz. Dabei werden die Saugschläuche durch den Brandabschnittzwischen Lagerraum und Heizraum geführt. Dieser Durchgang muss mit einer Brandabschottung ge-schützt werden. Bisher wurden die Brennstoffweichen mit ihren Metallrohren als Brandabschottunggenutzt. Allerdings waren sie stark wärmeleitend und im Falle eines Brandes konnte das Feuer auf denLagerraum übergreifen.

Die Salzburger Firma AWF entwickelte mit dem Institut für Brandschutztechnik und Sicherheitsfor-schung (IBS) eine Brennstoffweiche mit einer separaten Brandabschottung in Form eines komplettenBrandschutzpakets. Dadurch sinken auch die Montagezeiten und -kosten. Die Kunststoff-Förderschläuche werden durch einen fertigen Bausatz geführt, bestehend aus Brandschutzplatten undBrandschutzmanschetten (siehe Abbildung 28).

(Quelle: IBS)

Abbildung 28: Brennstoffweiche mit automatischer Brandabschottung

Die Pellets werden durch Kunststoff-Förderschläuche transportiert. Im Falle eines Brandes wird dieDurchführung durch die Brandschutzmanschetten automatisch, vollständig und sicher verschlossen.Das neu entwickelte System ist geprüft, alle Bestandteile sind vormontiert. Das Brandschutzpaketbesteht aus Brandschutzplatten, Abdeckblechen, Brandschutzmanschetten und dem geeigneten Befes-tigungsmaterial.

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5 Farben für Infrastrukturflächen

Farben wirken auf vielfältige Weise auf unser Leben ein. Auch im Tiefbau macht man sich Gedankenzur Farbgebung von Oberflächen und nutzt helle Farben für unterschiedliche Effekte – von der reinpsychologischen Wirkung bis zur Energieeffizienz.

5.1 Überhitzungsschutz durch Albedoeffekt im Straßenbau

An urbane Verkehrsflächen werden aufgrund der steigenden Verkehrsbelastung, der Zunahme desSchwerverkehrs sowie vielseitiger Nutzung bei beengten Platzverhältnissen immer größere Anforde-rungen gestellt. Ein bisher wenig beachtetes Phänomen stellt die Ausprägung von sogenannten urba-nen Wärmeinseln oder „Heat Islands“ dar. Aufgrund der Bebauungsstruktur in Städten und der Auf-heizung der Flächen kommt es besonders bei austauscharmen, sommerlichen Wetterlagen zu einerstarken Erhitzung. Diese Wärmeinseln sind dann um mehrere Grad Celsius wärmer als der Stadtrand.Dieser unangenehme Effekt kann durch Baustoffe, die ein höheres Reflexionsvermögen besitzen, wiebeispielsweise Beton, reduziert werden (Albedoeffekt). Da Straßen etwa einen Anteil von 10 Prozentder Gesamtfläche einer Stadt in Anspruch nehmen, können hier effiziente, langfristige Maßnahmenzur Reduktion der Überhitzung urbaner Zonen gesetzt werden.

Eine sinnvolle Maßnahme kann hier die Ausführung der „White Topping“ Bauweise sein. Das ist dasEinbringen einer dünnen Betonschichte auf die bestehende Asphaltkonstruktion. Hierbei wird nur dieoberste Straßenschicht durch eine helle dauerhafte Fahrbahndeckschicht aus Beton ersetzt. Aufgrundder Besonderheiten von innerstädtischen Verkehrsflächen gegenüber den Anforderungen des hochran-gigen Straßennetzes, wie z.B. erforderliche Ausleuchtung des Straßenraums mit Beleuchtungskörpern(Straßenlaternen) sowie erforderliche erhöhte Tragfähigkeit und Verformungsstabilität können beidiesem Einsatzgebiet die Vorteile von Beton besonders ausgenützt werden.

5.2 Energieeffizienz durch helle Oberflächen bei Tunnelbauwerken

Die vorhandenen bzw. gewählten Oberflächenhelligkeiten beeinflussen in einem beträchtlichen Aus-maß die Energiekosten (Beleuchtungskosten) von Tunnelbauwerken. Ziel soll es daher sein, die Wahlder Tunneloberflächen wie Fahrbahn und Tunnelwand hinsichtlich der erforderlichen Beleuchtungs-stärke zu optimieren. Von der VÖZ bzw. Smart Minerals werden im nächsten Jahr die Auswirkungenvon unterschiedlichen Oberflächenhelligkeiten unter gleichbleibenden Rahmenbedingungen in einemVersuchstunnel untersucht. Dabei gilt es auch, alternative Baustoffe wie beispielsweise geschliffenenweißen Spritzmörtel auf dessen Reinigungsfähigkeit bzw. positive Auswirkungen auf die Beleuch-tungskosten und Verkehrssicherheit zu untersuchen.

Neben der Darstellung des Einsparungspotentials an Beleuchtungskosten aufgrund der Wahl der ent-sprechenden Oberflächen soll auch die Frage des Einflusses von zunehmend verschmutzten Oberflä-chen auf die Energiekosten beurteilt werden. Es gilt zu klären, ob zwingend eine zweimalige Tunnel-reinigung pro Jahr, wie zur Zeit üblich, durchzuführen ist oder ob eine einmalige Reinigung ausreicht,da – abhängig von den gewählten Oberflächen – die zusätzlich entstehenden Beleuchtungskosten denEntfall einer Reinigung aufwandsmäßig rechtfertigen. Helle Oberflächen tragen insbesondere in Tun-nelbauwerken, wo die Sehleistung des Verkehrsteilnehmers besonders gefordert wird, einen bedeuten-den Teil zur Senkung des Unfallrisikos bei. Abbildung 29 zeigt die markante Verbesserung in derWahrnehmbarkeit von hellen Verkehrsflächen und darauf befindlichen Körpern (z.B. Fußgänger) ge-genüber dunklen Flächen.

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(Quelle: SMG)

Abbildung 29: Sichtbarkeit von Fußgängern bei unterschiedlichen Fahrbahnbelägen

Die dadurch erhöhte Verkehrssicherheit ist in Österreich mit der topografisch bedingten hohen Anzahlan Tunnelbauwerken von großer Bedeutung.

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6 Naturkatastrophen ‒ Schadensprävention durch Materialauswahl

Nicht nur die Häufigkeit, sondern auch die Intensität von Extremwetterereignissen hat stark zuge-nommen. Die Hagelkatastrophe vom 23. Juli 2009 war, seit es Aufzeichnung gibt, das bisher größteSturm-Hagelereignis in Österreich. Die Versicherungswirtschaft geht für diese eine Nacht von einemSchaden von 360 Mio. Euro aus. Hagelkörner in Golf- bis Tennisballgröße verursachten binnen Minu-ten enorme Sachschäden, vor allem an Bauteilen der Gebäudeaußenhülle. Fakt ist, dass diese Hagel-schläge immer flächendeckender und vor allem nur mit sehr kurzer Vorwarnzeit (meist weniger als15 Minuten) jeden treffen können. Um dem entgegen zu wirken, gibt es nun ein Drei-Schritte-Systemzum wirkungsvollen Hagelschutz.

6.1 Die Hagelgefährdungskarte

Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) hat alle in Österreich vorhandenenAufzeichnungen von Hagelschlägen ausgewertet und aufbauend auf diesen Daten eine Hagelzonie-rungskarte erstellt (Abbildung 30). Unter der Internetadresse www.hora.gv.at ist diese kostenlos ab-rufbar.

Mit dieser Hagelzonierungskarten wird für Bauherren, Planer, Architekten und Gemeinden ersichtlich,welche Hagelgefährdung einerseits an einem bestimmten Ort besteht und andererseits welche Hagelre-sistenz die Bauprodukte bieten sollten, um einer möglicherweise auftretenden Hagelkorngröße stand-zuhalten.

(Quelle: ZAMG)

Abbildung 30: Hagelgefährdungskarte Österreich

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6.2 Mit der Hagelsimulationsmaschine zu den Hagelwiderstandsklassen von Bau-produkten

Das Institut für Brandschutztechnik und Sicherheitsforschung (IBS) hat ein Prüfgerät entwickelt, wel-ches es ermöglicht, Baumaterialien der Gebäudehülle auf deren Hagelresistenz zu prüfen und zu klas-sifizieren. Die Prüfung basiert auf bestehenden schweizerisch-österreichischen Festlegungen, den sogenannten „VKF Prüfbestimmungen“, welche eine einheitliche und reproduzierbare Prüfung undKlassifizierung eindeutig regeln.

Mit der Hagelsimulationsmaschine (siehe Abbildung 31) werden die genormten, im Labor produzier-ten Eiskugeln bis zu einem Durchmesser von 70 mm (das entspricht den größten flächendeckend auf-getretenen Hagelschlägen in Österreich) pneumatisch auf eine Auftreffgeschwindigkeit von bis zu140 km/h gebracht.

(Quelle: BVS)

Abbildung 31: Hagelsimulationsmaschine

Nach der Prüfung mittels Hagelprüfmaschine werden die getesteten Produkte sogenannten Hagelwi-derstandsklassen (Tabelle 31) zugeordnet.

Tabelle 31: Aufstellung der Hagelwiderstandsklassen von Bauprodukten

(Quelle: IBS, eGen)

6.3 Das Hagelschutzregister

Jedem Hersteller ist es möglich, sein Produkt aufgrund des Prüfergebnisses des IBS in das bislangeinzige in Europa bestehende, schweizerisch-österreichische Hagelschutzregister eintragen zu lassen(Abbildung 32). Alle Bauteilergebnisse werden transparent, vergleichbar und standardisiert publiziert.Planer, aber auch Konsumenten haben somit eine objektive Vergleichsmöglichkeit, welche Resistenz

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einzelne Bauprodukte in Bezug auf Hagelschlag aufweisen. In Summe listet das Register unterwww.hagelregister.at bereits mehr als 200 Produkte der Gebäudehülle.

Abbildung 32: Listung von Bauprodukten im Hagelschutzregister

Präventive Maßnahmen können nur getroffen werden, wenn man das eigene Gefährdungspotenzialkennt. Dieses Register ermöglicht nun auch einem Laien, geprüfte Produkte zu finden und diese zuvergleichen. Mit drei Schritten zum optimalen Hagelschutz ist durch kostenlose und für jedermanngreifbare Informationsquellen nun möglich.

Welche Vorteile bringt das Wissen aus diesen drei Grundlagen?

Resistenz

Die Widerstandsfähigkeit der einzelnen Baumaterialien ist bekannt, dadurch kann analog zur Ha-gelzonierungskarte auf die Gefahrenzone angepasst gebaut und Produkte gezielt zu dem erwarten-den Hagelschlag ausgewählt werden.

Sicherheit

Die Verwendung geprüfter Baumaterialien minimiert das Risiko von Schäden an der Gebäudehülle.Da viele Bauherren auf die Kompetenz ihrer Fachberater zählen, ist es in Zukunft wichtig, dassPlaner und Ausführende auch das Risiko von schädigenden Hagelschlägen berücksichtigen.

Vergleich und Transparenz

Ergebnisse von Baumaterialien werden werbefrei und für jedermann frei zugänglich publiziert.Dies ermöglicht einen einfachen transparenten Vergleich der verschiedenen Produkte.

(Quelle: www.hagelregister.at)

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7 Neue Prüfnorm für haufwerksporigen Beton

Wenn man abnehmen möchte, kann man verschiedene besondere Diäten, Medikamente usw. probierenoder einfach weniger essen. In Zeiten der Ressourcenschonung ist es sehr wichtig, mit den eingebau-ten Materialien in Bauwerken zu sparen, und jede Maßnahme zur Gewichtsreduktion ist willkommen.Die Diagramme zeigen vergleichend die spezifischen Gewichte der häufigsten Baumaterialien undderen typische Biegezugfestigkeiten (Abbildung 33). Man sieht, dass es nicht nur unter den schwers-ten, sondern auch unter den leichtesten Materialien einige gibt, die sehr gute Festigkeiten besitzen.Das Abnehmen macht also die Baumaterialien nicht unbedingt schwächer.

(Quelle: Ferenc Zamolyi)

Abbildung 33: Vergleich der Biegezugfestigkeit und spezifischen Gewichte in kg/dm³ der häufigsten Konstrukti-onsmaterialien (Die Werte sind nur grobe Näherungen bzw. Durchschnittswerte.)

Haufwerksporiger Beton ist eine Art Abnehmkur für den Beton: 10-30 Prozent des Betonvolumenswird durch Luft ersetzt, ohne an den gewöhnlichen Bestandteilen Zement, Zuschlag und Wasser etwaszu ändern. Dazu braucht man eine spezielle Zuschlagskörnung, ein bestimmtes Gewichtsverhältnis derKomponenten und ein geeignetes Produktionsverfahren, welches je nach Hersteller unterschiedlich ist.Was man als Ergebnis bekommt, ist ein Leichtbeton, der sich bei wichtigen Merkmalen von normalemBeton – das ist Beton mit dichtem Gefüge – wesentlich unterscheidet.

Diese Unterschiede sind in der Bildserie (1)-(4) in Abbildung 34 zusammengefasst:

1. Das hohe Gewicht des Betons ermöglicht eine gute Luftschalldämmung. Durch seine hoheDichte leitet der Normalbeton Klopftöne (Körperschall) jedoch sehr gut. HaufwerksporigerBeton mit Normalzuschlag ist schwer genug, um den Schalldurchgang zu reduzieren,gleichzeitig erfolgt aber durch seine Luftdurchlässigkeit eine starke Schallabsorption.

2. Normalbeton dämmt den Wärmestrom nicht besonders gut, mit haufwerksporigem Beton ausLeichtzuschlagskörnern entsteht aber ein atmungsaktives und gut dämmendes Leichtmaterial.

3. Dank seiner Wasserundurchlässigkeit und Alkalität schützt der Beton die Bewehrungsstäbeund die gute Verbundfestigkeit verleiht dem Stahlbeton eine hohe Tragfähigkeit.Haufwerksporiger Leichtbeton lässt das Wasser durch, ist daher sehr gut geeignet fürDrainbeton. Allerdings dürfen ohne besondere Schutzmaßnahmen nur inerte Materialien wieEdelstahl, Basalt- oder Glasfaserstäbe als Bewehrung eingesetzt werden. Mit denAnforderungen an Fertigteile aus haufwerksporigem Beton beschäftigt sich die europäische

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Norm EN 1520. Diese lässt aber leider die Prüfung der Dauerhaftigkeit offen, und überlässtdiese Frage der nationalen Regelung.

4. Aus dem Bildpaar 4 wird offensichtlich, dass die Dauerhaftigkeitsbeurteilung derhaufwerksporigen Betone gemäß der Frost-Tausalzprüfung von Normalbetonfertigteilen nichtmöglich ist: Nach ÖNORM B 3306 soll auf der Oberfläche des Betonquaders 3 mmTausalzlösung stehen. Die Beurteilungsgrundlage ist die Abwitterungsmenge nach 56 Frost-Tauwechselzyklen mit einer sich täglich wiederholenden, in der Norm dargestelltenTemperaturkurve. Die Tausalzlösung kann aber nicht auf der Oberfläche deshaufwerksporigen Betons stehenbleiben. Sie sickert in die Struktur ein und zerstört den Betonnach wenigen Zyklen. Es stellt sich also die Frage: wieweit ist ein haufwerksporiger Betonüberhaupt dauerhaft? Eine österreichische Norm dazu existiert momentan nicht.

(1) Schalldurchgang und Absorption

(2) Wärmedämmung und Luftdichtheit

(3) Wasserdichtheit und Tragfähigkeit

(4) Dauerhaftigkeit

(5) Geeignetes Prüfverfahren auch fürhaufwerksporige Betone:ÖN B 3306-2

XF1 bedeutet Prüfung im Wasser, ohne SalzXF2 mit wässriger 3 Prozent Kochsalzlö-sung

(Quelle: Ferenc Zamolyi)

Abbildung 34: Bildhafter Vergleich von normalen Betonfertigteilen mit Bauteilen aus haufwerksporigem Beton

Bild (5) der Abbildung 34 skizziert ein auch für die Beurteilung der Dauerhaftigkeit des haufwerkspo-rigen Betons geeignetes Prüfverfahren, welches nun nach allen technischen und demokratischen Pro-zessen einer Normausarbeitung vor der Einführung steht (künftige ÖNORM B 3306-2).

An der Ausarbeitung der neuen Norm waren beteiligt:

Normungsinstitut Verband Österreichischer Beton- und Fertigteilwerke, VÖB Cooperative Leichtbeton

Page 39: ACR Innovationsradar 2015 Bauen

ACR Innovationsradar Nachhaltiges Bauen 2015

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Fertigteilhersteller: MABA Fertigteilindustrie Prüfinstitute

o Bautechnisches Institut, BTIo OÖ Boden- und Baustoffprüfstelle, BPSo Bautechnische Prüf- und Versuchsanstalt, BPV

Sachverständige: Technisches Büro Petscharnig

Das schließlich vereinbarte Prüfverfahren basiert auf der Erkenntnis, dass alle Prüfverfahren, welchedie sich in Wirklichkeit abspielenden Prozesse simulieren – wie das MABA-Spritzverfahren, das BTI-Eintauchverfahren und noch einige modifizierte Methoden zur Bestimmung der Abwitterung mit zyk-lischer Temperaturbeanspruchung – nach wenigen Zyklen zur Zerstörung eines nicht dauerhaftenhaufwerksporigen Betons führen. Im Gegensatz dazu zeigen die wirklich widerstandsfähigen Typennach 28 Zyklen nur ein geringfügiges Abwitterungsvolumen. Hierzu hat die Firma MABA eine um-fangreiche Vergleichsstudie über mehrere europäische Verfahren geliefert, und diese Verfahren ausder Sicht der Gleichwertigkeit verifiziert.

Das Ergebnis ist wie folgt: Die in Österreich bisher eingesetzten Verfahren und Beurteilungskriterienstellen im Allgemeinen eine höhere Anforderung an die Dauerhaftigkeit von haufwerksporigen Beto-nen dar, als jene in den Nachbarländern verwendeten.

Endlich wurde ein Vorschlag des BPV durchgesetzt: Ein modifiziertes CDF-Verfahren (Capillarysuction of de-icing solution and freeze thaw test), welches in Originalform in Deutschland auch für dieNormalbeton-Prüfung verwendet wird. Dieses Verfahren wurde so modifiziert, dass einerseits dieTausalzanhäufung im Beton vermieden wird, anderseits die Lufttemperaturkurve in der Kühlanlagemit der früheren Norm (ÖNORM B 3306) gleich beibehalten wurde. Die letztere Entscheidung ermög-licht das wirtschaftliche Zusammenlegen von Proben aus normalem und haufwerksporigem Beton imTemperaturschrank.

Da für die Beurteilung nach den neu vorgeschlagenen Abwitterungsvolumengrenzen noch keine aus-reichende Anzahl untersuchter haufwerksporiger Betone zur Verfügung steht, erscheint hierzu eininformativer Anhang in der neuen Norm. Rückmeldungen über die gemessenen Abwitterungsvolumi-na von Fertigteilherstellern und Prüfinstituten, die nach dieser neuen österreichischen Norm haufwerk-sporige Betone prüfen, werden ohne Angabe der Herstellerfirmen von BTI, VÖB oder dem Nor-mungsinstitut entgegengenommen. Aufgrund dieser Meldungen können die informativen Abwitte-rungsgrenzen erforderlichenfalls noch justiert und schließlich zum normativen Teil erhoben werden.

AutorInnen dieses Innovationsradars

Petra Johanna Sölkner, BTIMiriam Leibetseder, BVSGabriele Eder, OFIMartin Peyerl, Smart MineralsSebastian Spaun, VÖZFerenc Zamolyi, BTI