antibiotika-surveillance - uk-essen.de · die analyse der antibiotika-verbräuche sollte in...
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Antibiotika-Surveillance Gesetzliche Vorgaben und ihre praktische Umsetzung
Dr. Jochen U. Schnurrer Apotheke Universitätsklinikum Essen Leitender Apotheker A|B|S – Experte
Hintergrund
Ein Rückblick auf eine 70-jährige Geschichte ...
Högberg LD, Heddini A, et al. The global need for effective antibiotics: challenges and recent advances. Trends Pharmacol Sci. 2010 Nov;31(11):509-15
Hintergrund
Resistenzen ... (k)ein neues Phänomen
Analyse der rRNA von Baktieren, die aus einem 30.000 Jahre alten Permafrostboden gewonnen wurden: Es wurden Gene identifiziert, die Resistenzen
gegen ß-Lactam-Antibiotika, Tetracykline und Glykopeptide codieren.
Die strukturelle und funktionelle Verwandtschaft mit „modernen“ Genvarianten konnte nachge-wiesen werden.
Ergebnis: Antibiotika-Resistenz-Gene sind als natürliches
Phänomen weit verbreitet. Durch den Einsatz von Antibiotika werden die
bereits resistenten Bakterien selektiert. D'Costa VM, King CE, Kalan L, Morar M, Sung WWL, Schwarz C, et al. Antibiotic resistance is ancient.
Nature. 2011;477(7365):457-61.
Hintergrund
Die Antibiotika-Pipeline trocknet aus ...
Ursachen: Niedrige Marktpreise, Akuttherapie, wenige
Patienten Andere Indikationsgebiete sind wirtschaftlich
attraktiver
EM
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– Technical Report - The bacterial challenge:
time to react - 2009
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1.
Hintergrund
ND4BB – New Drugs 4 Bad Bugs
Antibiotika-Surveillance
Strategien zur Minimierung von Resistenzen
2001 European Community Strategy Against Antimicrobial Resistance (EU Kommission) Empfehlungen zum umsichtigen Umgang mit Antibiotika inkl. der Forderung nach der Etablierung von Surveillance-Systemen
2001 European Surveillance of Antibiotic Consumption (ESAC)
2008 „European Antibiotic Awareness Day“ (EAAD) Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Themen Antibiotika-Resistenz und Rationaler Antibiotika-Einsatz
2008 Deutsche Antibiotika-Resistenz-Strategie (DART)
2011 „Action plan against the rising threats from antimicrobial resistance“ (EU Kommission) 12-Punkteplan zur Bekämpfung der Resistenzentwicklungen in der EU (5-Jahresplan)
2011 „Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Gesetze“ Grundlage für Gründung der Kommission ART – Antiinfektiva-Resistenz-Therapie
Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Antibiotika-Surveillance
IfSG § 23 Abs. 4 Satz 2 Darüber hinaus haben die Leiter (von Krankenhäusern …) sicherzustellen, dass die nach § 4 Abs. 4 Satz 2 Buchstabe b festgelegten Daten zu Art und Umfang
des Antibiotika-Verbrauchs fortlaufend in zusammengefasster Form aufgezeichnet,
unter Berücksichtigung der lokalen Resistenzsituation bewertet und sachgerechte Schlussfolgerungen hinsichtlich des Einsatzes von Antibiotika
gezogen werden und dass die erforderlichen Anpassungen des Antibiotikaeinsatzes dem Personal
mitgeteilt und umgesetzt werden. Die Aufzeichnungen nach den Sätzen 1 und 2 sind zehn Jahre nach deren Anfertigung aufzubewahren. Dem zuständigen Gesundheitsamt ist auf Verlangen Einsicht in die Aufzeichnungen, Bewertungen und Schlussfolgerungen zu gewähren.
Gesetzliche Grundlage
IfSG - Festlegung der Anforderungen
IfSG § 4 Abs 2. Satz 2 Buchbstabe b Das Robert-Koch-Institut hat entsprechend den jeweiligen epidemiologischen Erfordernissen die nach § 23 Abs. 4 zu erfassenden ... Daten zu Art und Umfang des Antibiotikaverbrauchs festzulegen, …
Gesetzliche Grundlage
IfSG - Festlegung der Anforderungen
Antibiotika-Surveillance
Zu berücksichtigende Antiinfektiva-Gruppen
Antiinfektiva-Gruppen
Antibiotika (J01, A07AA, P01AB) Antimykotika (J02) Tuberkulostatika (J04A) Antivirale Mittel (J05)
Antibiotika-Surveillance
Organisationseinheiten
Hausebene
Fachbereiche - Stationstypen Normalstationen Chirurgie Normalstationen Innere Medizin Intensivstationen Chirurgie Intensivstationen Innere Medizin
Einzelne Stationen
Praktische Empfehlung Verwendung des Fachabteilungs- bzw. Fachbereichsschlüssels, der zur Erstellung der strukturierten Qualitätsberichte Anwendung findet. [Datenübermittlung nach § 301 Abs. 3 SGB V Anlage 2, Schlüssel 6: Fachabteilungen (BPflV)]
Antibiotika-Surveillance
Zeitliche Intervalle
Minimalanforderung: einmal jährliche Auswertung
In Abhängigkeit von A|B|S Fragestellungen halbjährlich quartalsweise
Praktische Empfehlung Das zeitliche Intervall sollte die Zielsetzung des Abgleichs mit der lokalen
Resistenzsituation berücksichtigen. Statistisch relevante Aussagen sind erst ab 30 getesteten Isolaten pro Spezies
möglich ... zu kurze Zeitintervalle sind daher nicht sinnvoll!
Antibiotika-Surveillance
Erstellung der Berichte
Eigenständige Erstellung
Teilnahme an Surveillance-Projekten ADKA-if-RKI-Projekt (Normal- und Intensivstationen)
SARI, SARI light (Intensivstationen)
RKI-Charité Projekt (in Vorbereitung)
Praktische Empfehlung Eigenständige Erstellung sollte angestrebt werden, da so KH-individuelle
A|B|S-Fragestellungen zeitnah berücksichtigt werden können. Die Teilnahme an Surveillance-Projekten sollte parallel dazu angestrebt
werden.
Antibiotika-Surveillance
Eigene Erstellung der Berichte Apotheke
SAP-Verbrauchsdaten
Controlling Patiententage / Fälle
Stationen / Fachbereiche
Apotheke Zusammenführung der Daten und
Erstellung der Berichte
A|B|S-Team Interpretation der Berichte
Information des Klinikpersonals
Praktische Empfehlung Die Erstellung der Reporte sollte in der Apotheke erfolgen, da die Verbrauchs-
daten zunächst in die für den Report erforderliche Form überführt werden müssen
Antibiotika-Surveillance
Individualisierte Berichte
Beantwortung konkreter A|B|S – Fragestellungen
Die Krankenhaus-interne Erstellung der Verbrauchsberichte bietet die Möglichkeit zeitnah individualisierte Reports zu erstellen ... Organisationseinheit (Haus – Fachbereich – Station)
Stationstyp (alle – Normalstation – Intensivstation)
Zeitintervall (quartalsweise – halbjährlich – jährlich)
Berechnungsgrundlage (DDD pro 100 PT – DDD pro Fall – RDD pro 100 PT – RDD pro Fall)
Applikationsform (alle – oral – parenteral – inhalativ)
Antibiotika-Surveillance
DDD - RDD - PDD
DDD - Definded Daily Dose ist eine reine Rechengröße, ist relevant für internationale Arzneimittelverbrauchsstudien, weicht von den therapeutisch üblichen Dosierungen z.T. deutlich ab.
RDD - Recommended Daily Dose ist ebenfalls eine Rechengröße, die aber die Dosierungsgewohnheiten in
Deutschland stärker berücksichtigt.
PDD - Prescribed Daily Dose entspricht der tatsächlich verordneten Dosierung, ist aufgrund fehlender elektronischer Verordnungen in der Regel nicht verfügbar.
Antibiotika-Surveillance
DDD versus RDD versus PDD
de With K, Bestehorn H et al, Comparison of Defined versus Recommended versus Prescribed Daily Doses for Measuring Hospital Antibiotic Consumption, Infection 2009; 37: 349–352
Antibiotika-Surveillance
DDD versus RDD versus PDD
de With K, Bestehorn H et al, Comparison of Defined versus Recommended versus Prescribed Daily Doses for Measuring Hospital Antibiotic Consumption, Infection 2009; 37: 349–352
Antibiotika-Surveillance
DDD versus RDD versus PDD
Praktische Empfehlung Die Verwendung der DDD ist vom RKI vorgeschrieben Parallele Verwendung der RDD um die tatsächliche Verordnungsdichte
realistischer abzubilden.
Antibiotika-Surveillance
Bezug der DDD
Antibiotika-Surveillance
Bezug der DDD
Antibiotika-Surveillance
Antibiotika-Verbrauchsdichte (DDD/100 PT)
𝑨𝑨𝑨𝑨𝑨𝑨𝑨𝑨𝑨𝑨𝑨𝑨 𝑫𝑫𝑫𝑫𝑫𝑫 = Gesamtmenge des Wirkstoffes in g
DDD in g
𝑫𝑫𝑫𝑫𝑫𝑫 𝒑𝒓𝒐 𝟏𝟎𝟎 = 𝑨𝑨𝑨𝑨𝑨𝑨𝑨𝑨𝑨𝑨𝑨𝑨 𝑫𝑫𝑫𝑫𝑫𝑫 ∗ 100
Anzahl Pflegetage 𝑷𝑻
Auswertung auf Ebene der Kostenstellen
KstBez Klinik 1 MatNr MatBez Verbrauchmg
pro Ampmg
VerbrauchDDD
(WIdO)DDD
Verbrauch
Station 1 Klinik 1 150847 GENTAMICIN AMP 40 MG 130 Amp 40 mg 5.200 mg 240 mg 21,67 DDD
Station 2 Klinik 1 150847 GENTAMICIN AMP 40 MG 630 Amp 40 mg 25.200 mg 240 mg 105,00 DDD
Station 3 Klinik 1 150847 GENTAMICIN AMP 40 MG 20 Amp 40 mg 800 mg 240 mg 3,33 DDD
Summe: 780 Amp 31.200 mg 130,00 DDD
Antibiotika-Surveillance
Antibiotika-Verbrauchsdichte (DDD/100 PT)
Ø 0,73
KstBez Klinik 1 MatNr MatBezDDD
VerbrauchPflege-
tageDDD *100 /
PT
Station 1 Klinik 1 150847 GENTAMICIN AMP 40 MG 21,67 DDD 2.194 PT 0,99
Station 2 Klinik 1 150847 GENTAMICIN AMP 40 MG 105,00 DDD 9.148 PT 1,15
Station 3 Klinik 1 150847 GENTAMICIN AMP 40 MG 3,33 DDD 8.196 PT 0,04
Auswertung auf Ebene der Kostenstellengruppen
KstGr Klinik 1 MatNr MatBez Verbrauchmg
pro Ampmg
VerbrauchDDD
(WIdO)DDD
VerbrauchStationen
1,2,3Klinik 1 150847 GENTAMICIN AMP 40 MG 780 Amp 40 mg 31.200 mg 240 mg 130,00 DDD
KstGr Klinik 1 MatNr MatBezDDD
VerbrauchPflege-
tageDDD *100 /
PTStationen
1,2,3Klinik 1 150847 GENTAMICIN AMP 40 MG 130,00 DDD 19.538 PT 0,67
Antibiotika-Surveillance
Antibiotika-Verbrauchsdichte (DDD/100 PT)
Praktische Empfehlung Der Mittelwert der Anwendungsdichte verschiedener Stationen oder
Stationsgruppen führt zu falschen Ergebnissen! Die Anwendungsdichte muss für jede Station, Stationsgruppe und das
Gesamthaus separat berechnet werden!
Antibiotika-Surveillance
Tabellarische Darstellung
Antibiotika-Surveillance
Graphische Darstellung (Quelle: ADKA-IF-RKI-Projekt)
Antibiotika-Surveillance
Bewertung
Interdisziplinäre Aufgabenstellung Die Analyse der Antibiotika-Verbräuche sollte in interdisziplinärer Zusammen-arbeit von behandelnden Ärzten und Vertretern der Bereiche Infektiologie, Mikrobiologie, Hygiene, Antibiotic Stewardship und Apotheke erfolgen.
Fragestellungen Bewertung der Antibiotika-Verbräuche verschiedener Stationen innerhalb
eines Krankenhauses Antibiotika-Verbrauchsdichte Abgleich der mikrobiologischen Befunde mit den eingesetzten Antibiotika Abgleich der codierten Infektionen mit den eingesetzten Antibiotika
Entwicklung der Antibiotika-Verbräuche im zeitlichen Verlauf Vergleich der Antibiotika-Verbräuche des eigenen Hauses mit Verbräuchen
anderer Häuser