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Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form Auszug aus: Das komplette Material finden Sie hier: Aus für Demokratie und Menschenrechte? School-Scout.de

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Page 1: Aus für Demokratie und Menschenrechte?

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form

Auszug aus:

Das komplette Material finden Sie hier:

Aus für Demokratie und Menschenrechte?

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2.42Die Entwicklungen in der Türkei

Teil 2: Politik

1Ideenbörse Sozialkunde/Politik Sekundarstufe, Ausgabe 42, 11/2017

2.42 Aus für Demokratie und Menschenrechte? – Die Entwicklungen in der Türkei

Ulrike Seitz

Kompetenzen und Unterrichtsinhalte:

Die Schüler sollen � wesentliche Etappen der türkischen Geschichte und vor allem ihre neueste Entwicklung ken-

nenlernen, � verschiedene Facetten der Persönlichkeit des Staatspräsidenten Erdogan untersuchen, � die wichtigen Änderungen, die durch das Verfassungsreferendum entschieden wurden, kritisch

beurteilen, � die Lage der Menschenrechte in der Türkei reflektieren und Handlungsmöglichkeiten erörtern, � die Geschichte und mögliche Zukunft der deutsch-türkischen Beziehungen diskutieren.

Didaktisch-methodischer Ablauf Inhalte und Materialien (M)

I. Einführung: Geschichte der Türkei und aktueller Stand

Um an die Türkei, ein vielen Schülern eher fremdes Land, heranzuführen, sollen einige aktuelle Kennzahlen zum (u.a. wirtschaftlichen) Stand der Türkei veranschaulichen, wie das Land im Vergleich zur Bundesrepublik und der Gesamtheit der EU-Staaten aufgestellt ist.

Danach werden wesentliche Daten aus der Ge-schichte der Türkei vorgestellt. Die Schüler sol-len daran anknüpfend die Entwicklungen seit dem Putschversuch 2016 recherchieren.

Wo steht die Türkei? – Wichtige Kenn-zahlen im Vergleich/M1a (Tabelle)

Von Atatürk bis Erdogan: Wichtige Wegmarken in der türkischen Geschichte/M1b und c (Text)

Lösungsvorschläge/M1d und e

II. Wer ist Erdogan?

Staatspräsident Erdogan ist seit einigen Jahren die prägende politische Figur in der Türkei. Durch seine große Präsenz – auch in den deut-schen Medien – werden die Schüler wohl schon einiges über ihn wissen. Darauf aufbau-end werden in zwei Texten verschiedene Facet-ten der Persönlichkeit Erdogans näher unter-sucht.

Eine Karikatur zeigt die schwierige Persönlich-keitsstruktur des türkischen Staatspräsidenten in ironischer Form.

Machtmensch Erdogan – Versuch eines Porträts /M2a bis e (Foto, Texte, Arbeitsblatt)

Lösungsvorschläge/M2f

Erdogan aus Sicht eines Karikaturisten/M2g (Karikatur)

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2.42 Die Entwicklungen in der Türkei

Teil 2: Politik

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Zur Vertiefung (eventuell durch Schülerrefera-te) eignen sich zwei Texte, die weitere Aspekte thematisieren. Der eine beschäftigt sich mit den Familienbeziehungen Erdogans und deren Verquickung mit politischen Prozessen. Der an-dere handelt von Erdogans Verhältnis zum Is-lam.

Porträt des Erdogan-Clans: Eine schrecklich erfolgreiche Familie/ M2h bis j (Texte)

Erdogan und die Religion/M2k und l (Text)

III. Das Verfassungsreferendum

Das Verfassungsreferendum 2017 war eine wichtige Entscheidung darüber, wie es zukünf-tig in der Türkei weitergeht. Die Schüler sollen die wesentlichen Änderungen, die nun nach und nach in Kraft treten können, kennenlernen und sie in Bezug auf Demokratie und Rechts-staatlichkeit überprüfen.

Um deutlich zu machen, welche Brüche durch die türkische Gesellschaft gehen, wird das Wahlergebnis im Anschluss genauer analysiert.

Abschließend thematisiert eine Karikatur das Referendum und seine möglichen Folgen.

Das Verfassungsreferendum/M3a bis c (Text)

Lösungsvorschläge/M3d

Das Wahlergebnis/M3e und f (Text und Schaubild)

„Umgestaltung“/M3g (Karikatur)

IV. Menschenrechte in Gefahr

Wie problematisch die Entwicklungen in der Türkei aus menschenrechtlicher Sicht sind, wird am Beispiel der Meinungs- und Pressefrei-heit dargestellt. Zunächst erklärt ein eher informierender Text, welchen Repressionen Journalisten in der Tür-kei ausgesetzt sind, wenn sie sich auch nur an-satzweise regierungskritisch äußern. Am Beispiel des Falles von Mesale Tolu wird dann ganz offensichtlich, wie unangemessen und brutal die türkischen Sanktionsmaßnah-men gegenüber unliebsamen Journalisten sind. Es stellt sich die Frage, wie Einzelne, Nichtre-gierungsorganisationen und andere Staaten auf solche Menschenrechtsverletzungen re-agieren können.

Beispiel Pressefreiheit: Gefahren für Systemkritiker/M4a bis f (Texte und Fotos)

Lösungsvorschläge/M4f

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V. Die deutsch-türkischen Beziehungen

Deutschland befindet sich in einer heiklen Lage: Auf der einen Seite kann und will man die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und die kontinuierlichen Provokationen durch den türkischen Staatspräsidenten Erdogan nicht tolerieren, auf der anderen Seite ist man, vor allem wegen des sogenannten „Flücht-lingsdeals“, auf die Kooperation mit der Türkei angewiesen. Die Chronologie der deutsch-türkischen Bezie-hungen und deren Schwierigkeiten werden in einem Text und einer Karikatur präsentiert. Die Schüler sollen, davon ausgehend, überlegen, wie sich die Beziehungen weiterentwickeln könnten.

Die Türkei und Deutschland: Wie soll es weitergehen?/M5a bis c (Text und Karikatur)

Tipp:

• Gottschlich, Jürgen: Türkei: Erdogans Griff nach der Alleinherrschaft (Ein politisches Länderpor-trät), Ch. Links Verlag, Berlin 2016

• Schweizer, Gerhard: Türkei verstehen. Von Atatürk bis Erdogan, Klett-Cotta, Stuttgart 2016• https://www.youtube.com/watch?v=UiMGkRL-VPQ

(Erdogan – im Rausch der Macht; Dokumentation, Frankreich 2016)

Autorin: Ulrike Seitz, Studiendirektorin, geb. 1968, studierte Politologie, Germanistik und Ang-listik an den Universitäten Freiburg, Heidelberg und Reading. Sie ist seit 1998 im Schuldienst des Landes Baden-Württemberg und unterrichtet derzeit die Fächer Gemeinschaftskunde, Wirtschaft, Deutsch und Englisch am Helmholtz-Gymnasium in Karlsruhe. Seit 2005 ist sie Lehrbeauftragte für Gemeinschaftskunde und Wirtschaft am Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Gymnasien) in Karlsruhe, seit 2008 Fachberaterin für Gemeinschaftskunde am Regierungspräsi-dium Karlsruhe. Zusammen mit Wolfgang Sinz gibt sie die Ideenbörse Sozialkunde/Politik heraus.

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Wo steht die Türkei? Wichtige Kennzahlen im Vergleich

Indikator Einheit Jahr Türkei Deutsch-land

EU-28

Bevölkerung 1.000 2017 79.815 82.800 511.805

Wirtschaftswachstum % 2015 6,1 1,7 2,2

Inflationsrate % 2016 7,7 0,4 0,3

Anteil der 30- bis 34-Jährigen mit Hochschulabschluss

% 2016 26,5 33,2 39,1

Arbeitskosten je Stunde, Privatwirtschaft

Euro 2012 6,10 30,90 24,30

Erwerbslosenquote, 20- bis 64-Jährige

% 2016 10,7 4,1 8,4

Treibhausgasemissionen 1990 = 100

2015 226,7 73,4 77,9

(Quelle: Statistisches Bundesamt)

Arbeitsaufträge:

1. Vergleicht die Kennzahlen der Türkei mit denen Deutschlands und aller EU-Staaten: Welche Auffälligkeiten sind zu bemerken?

2. Recherchiert weitere Daten, die euch interessieren, z.B. zur Jugenderwerbslosenquote, zur Lebenser-wartung, zu Export- und Importzahlen etc.

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Von Atatürk bis Erdogan: Wichtige Wegmarken in der türkischen Geschichte

Die vor 93 Jahren gegründete moderne Türkei weist eine Geschichte mit vielen Brü-chen auf. Vier Militärputsche hat das Land hinter sich – drei waren erfolgreich.

Die moderne Türkei, Land an der Schnittstelle zwischen Europa und dem Nahen Osten, blickt auf eine unruhige Geschichte zurück, in der immer wieder das Militär eine entscheidende Rolle spielte. Hier ein Überblick:

1923: Mustafa Kemal (der sich ab 1934 „Atatürk“ nennt) proklamiert die Gründung der Republik Türkei, das Kalifat wird abgeschafft.

1924: Die neue türkische Verfassung tritt in Kraft. Die ersten laizistischen Gesetze werden verabschie-det, die den Einfluss des Islam als Staatsreligion beschneiden.

1945: Die Türkei, während des Zweiten Weltkrieges offiziell neutral, schließt sich den Siegermächten an.

1950: Die ersten freien Wahlen in einem Mehrparteiensystem werden abgehalten.

1952: Die Türkei tritt gemeinsam mit dem Erzrivalen Griechenland der Nato bei.

1960: Erster Staatsstreich durch das Militär. Der gewählte Regierungschef Adnan Menderes wird abgesetzt und hingerichtet.

1971: Zweiter Staatsstreich durch das Militär, das den Rücktritt der gewählten Regierung von Süley-man Demirel erzwingt.

1974: Im Konflikt mit Griechenland um die Vorherrschaft in der Ägäis marschiert die Türkei in Zypern ein und besetzt den Nordteil der Insel. 1983 wird dort die „Türkische Republik Nordzypern“ prokla-miert, die lediglich von der Regierung in Ankara anerkannt wird.

1980: Dritter Staatsstreich durch das Militär. Das Parlament wird aufgelöst; die politischen Parteien werden verboten, führende Politiker festgenommen.

1984: Beginn des Aufstandes der Rebellen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), der bis heute andau-ert und in dessen Verlauf mehr als 40.000 Menschen getötet werden.

1990/1991: Die Türkei beteiligt sich an der Militärkoalition zur Vertreibung der irakischen Streitkräfte aus Kuwait.

1997: Das türkische Militär greift erneut ein und zwingt den islamistischen Ministerpräsidenten Nec-mettin Erbakan zum Rücktritt. Seine Refah-Partei wird aufgelöst.

1999: Ein türkisches Kommando nimmt in Kenia PKK-Chef Abdullah Öcalan gefangen.

2002: Die Türkei leitet demokratische Reformen ein, darunter die Abschaffung der Todesstrafe, um den Anforderungen der Europäischen Union für eine Mitgliedschaft zu entsprechen. Die islamisch-

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konservative AK-Partei von Recep Tayyip Erdogan gewinnt die Wahlen, ein Jahr später wird Erdogan Regierungschef.

2005: Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union.

2007: Erdogans Partei setzt die Wahl des AKP-Politikers Abdullah Gül zum Präsidenten durch; damit steht erstmals ein Vertreter aus der islamischen Bewegung an der Spitze der gemäß Verfassung lai-zistischen Türkei.

2010: Schweres Zerwürfnis mit Israel nach der Erstürmung einer Gaza-Hilfsflotte durch israelische Soldaten und der Tötung von zehn türkischen Aktivisten.

2012: Kampagne der Regierung Erdogan gegen hunderte Militärangehörige. Unter dem Vorwurf, als Teil eines geheimen Netzwerks namens Ergenekon einen Umsturz zu planen, wird zahlreichen Offizieren der Prozess gemacht.

2013: Beispiellose landesweite Protestwelle gegen die Regierung im Mai und Juni. Die Proteste wer-den blutig niedergeschlagen.

2014: Erdogan will in der Türkei ein Präsidialsystem errichten, das ihm größte Machtbefugnisse ein-räumt. Im August wird er erstmals in einer Direktwahl zum Staatschef gewählt.

2015: Widerstrebend schließt sich die Türkei der internationalen Militärkoalition zur Bekämpfung der radikalsunnitischen Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) an. Im Oktober wird Ankara vom schwersten Anschlag in der türkischen Geschichte erschüttert, bei dem mehr als hundert Men-schen getötet werden. Die türkische Führung macht dafür den IS verantwortlich; es folgt eine Serie weiterer Anschläge.

2016: Am Abend des 15. Juli putscht eine Gruppe von Militärs und verkündet die Machtübernahme in der Türkei. Am Tag darauf erklärt die Regierung den Putsch für gescheitert, mehr als 260 Men-schen werden im Zuge der Gefechte getötet.

(aus: http://www.n-tv.de/politik/Wichtige-Wegmarken-in-der-tuerkischen-Geschichte-article18212116.html; 17.07.2016)

Arbeitsaufträge:

1. Lies die kurze Zusammenfassung der Geschichte der Türkei und unterscheide zwischen innen- und außenpolitischen Ereignissen.

2. Informiere dich im Internet:

a) Was passierte in der Putsch-Nacht von 2016 und in den Tagen direkt danach?

b) Welche weiteren wesentlichen Entwicklungen ergaben sich bis zum ersten Jahrestag des Putschver-suchs?

3. Diskutiert: War der Putschversuch für Erdogan eine echte Gefahr oder eine willkommene Möglichkeit, seine Ziele durchzusetzen?

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Jahrestag des Türkei-Putsches: Erdogans Weg zur absoluten Macht

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Im Juli 2016 wollten Putschisten Erdogan stürzen. Ein Jahr später regiert er dank Ausnahmezustand und „Säuberungen“ der Türkei von Regimegegnern de facto als Alleinherrscher. Eine Chronologie der Ereignisse, die Erdogans Weg zum Ein-Mann-Staat ebneten.

Es war ein lauer Sommerabend, das Wochenende stand vor der Tür, als das Unerwartete ge-schah: Kampfjets bombardierten Ankara, Panzer rollten durch Istanbul, Soldaten schossen auf Zivilisten. Bald wurde an jenem 15. Juli 2016 klar, dass Teile des türkischen Militärs gegen Prä-sident Recep Tayyip Erdogan zu putschen versuchten – und dass der Versuch scheitern würde. Ein Jahr ist seit der Niederschlagung des versuchten Aufstandes vergangen. Ein Jahr, das die Türkei geprägt hat wie kaum ein anderes in der jüngeren Vergangenheit – und das Erdogan stark gemacht hat wie nie zuvor.

Schon am vergangenen Dienstag begannen die Gedenk-Feierlichkeiten, sechs Tage lang soll im ganzen Land an die Ereignisse von damals erinnert werden. Höhepunkt ist eine Ansprache Erdogans im Parlament am frühen Sonntagmorgen um exakt 02.32 Uhr – jenem Moment, als die Putschisten vor einem Jahr die Volksvertretung bombardierten. Damals waren Abgeord-nete aller vier im Parlament vertretenen Parteien anwesend. Alle vier Parteien verurteilten den Putschversuch einmütig.

Erdogan macht für den Putsch mit offiziell 249 Todesopfern den im amerikanischen Exil leben-den Prediger Fethullah Gülen verantwortlich. Bis zum offenen Zerwürfnis 2013 waren Erdogan und Gülen Weggefährten. Gülen dementiert, dass er mit dem Umsturzversuch etwas zu tun hatte. Auch westliche Staaten hegen Zweifel. Tatsächlich sind bis heute viele Fragen offen – zum Beispiel die, ab wann die Behörden von den Putschplänen der Militärs wussten.

Erdogan sagte bereits am Morgen des 16. Juli, der Putschversuch sei „letztendlich ein Segen Gottes“. Er verhängte den Ausnahmezustand, der ihn ermächtigt, per Dekret zu regieren. So-fort begannen die von Erdogan so bezeichneten „Säuberungen“, die bis heute andauern. Sie treffen nicht nur jene, die unmittelbar am Putschversuch beteiligt gewesen sein sollen. Auch beschränken sich die Maßnahmen nicht auf echte oder vermeintliche Gülen-Anhänger. Längst geht Erdogan auch gegen andere Regierungskritiker vor, etwa gegen ausländische Journalisten, in der Regel wegen Terrorvorwürfen, die häufig hochgradig fragwürdig wirken.

Der Putschversuch ebnete Erdogan auch den Weg dafür, per Verfassungsreferendum das von ihm angestrebte Präsidialsystem einzuführen, das seine Gegner als Schritt zu der befürchteten Ein-Mann-Herrschaft ablehnen. Auch ein Jahr nach dem gescheiterten Putsch ist die Türkei noch immer nicht zur Ruhe gekommen.

Die wichtigsten Ereignisse seit dem gescheiterten Putsch

15. Juli 2016: Teile des Militärs beginnen einen Putsch, der am Tag darauf niedergeschlagen wird. Präsident Recep Tayyip Erdogan macht den in den Vereinigten Staaten lebenden Prediger Fethullah Gülen verantwortlich.

20. Juli: Gleichschaltung von Militär, Polizei und Justiz: Erdogan ruft den Ausnahmezustand aus, der am Tag darauf in Kraft tritt. Mehr als 100.000 Staatsbedienstete werden in den Fol-

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gemonaten entlassen, mehr als 50.000 Menschen inhaftiert. Seit dem Putschversuch wurden bislang mehr als 2.400 Richter und Staatsanwälte festgenommen, darunter Dutzende Mitglie-der der obersten Gerichte. Auch zwei Verfassungsrichter wurden inhaftiert. Ersetzt wurden sie oftmals durch junge, unerfahrene Juristen. Anwaltsverbände beklagen, dass die Unabhängig-keit der Justiz ebenso wie ihre Funktionsfähigkeit wegen der massenhaften Entlassungen nicht länger gewährleistet sei. Da das Militär als Drahtzieher des Umsturzversuchs gilt, wurden au-ßerdem fast 7.000 Soldaten festgenommen, darunter mehr als 160 Generäle und Admiräle. Zahlreiche Offiziere setzten sich nach Deutschland ab und beantragten Asyl. Bei der Polizei, die nach Darstellung der Regierung besonders von der Gülen-Bewegung infiltriert worden sein soll, gab es 8.800 Festnahmen.

9. August: Die Türkei und Russland legen ihre Krise wegen des Abschusses eines russischen Kampfflugzeugs bei. Elf Tage später billigt das türkische Parlament auch die Aussöhnung mit Israel.

24. August: Kampf gegen Kurden: Türkische Truppen marschieren in Nordsyrien ein. Sie be-ginnen eine verlustreiche Offensive gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS), bekämpfen aber auch kurdische Milizen, die der PKK nahestehen. Erdogan sieht die kurdischen Rebellen, die in Syrien kämpfen, ebenfalls als Feinde und Bedrohung seiner Machtposition an. Er will um jeden Preis eine autonome syrische Kurdenregion verhindern – aus Angst, die in der Türkei le-benden Kurden könnten sich dann ebenfalls abspalten.

4. November: Schlag gegen die Opposition: Ein Gericht verhängt Untersuchungshaft gegen Selahattin Demirtas, den Chef der zweitgrößten Oppositionspartei HDP. Neben Demirtas wer-den mehrere weitere HDP-Abgeordnete inhaftiert.

10. Dezember: Bei einem Anschlag in Istanbul sterben 45 Menschen, die meisten davon Polizisten. Zu der Tat bekennt sich die TAK, eine Splittergruppe der verbotenen kurdischen Ar-beiterpartei PKK. Der Anschlag liefert Erdogan einen abermaligen Vorwand, um noch rigoroser gegen die Kurden im eigenen Land vorzugehen und weitere Repressalien gegen die PKK zu verhängen.

13. Februar 2017: Kampf gegen die kritische Presse: Der deutsch-türkische „Welt“-Korres-pondent Deniz Yücel wird in Istanbul unter Terrorvorwürfen festgenommen. 13 Tage später wird Untersuchungshaft gegen ihn verhängt. Neben Yücel und der deutschen Journalistin Me-sale Tolu sitzen mehr als 150 weitere Journalisten in der Türkei im Gefängnis – mehr als in jedem anderen Land der Welt. Unter dem Ausnahmezustand hat Ankara mehr als 160 Medien ge-schlossen, Tausende Journalisten verloren ihren Job. Neben Medien, die der Gülen-Bewegung nahestehen sollen, traf es vor allem kurdische Sender und Publikationen. Die Organisation Re-porter ohne Grenzen spricht von einer „Hexenjagd“.

16. April: Wichtigster Schritt zu quasi unbeschränkter Machtfülle: Erdogan gewinnt das Ver-fassungsreferendum zur Einführung eines Präsidialsystems knapp. Davor kommt es wegen Nazi-Vergleichen Erdogans zu schweren Spannungen mit Deutschland.

21. Mai: Erdogan wird wieder zum Vorsitzenden der Regierungspartei AKP gewählt. Nach der Verfassungsreform darf der Präsident wieder einer Partei angehören. Der türkische Präsident ist endgültig am Ziel.

(aus: http://www.faz.net/aktuell/politik/tuerkei/die-wichtigsten-ereignisse-seit-dem-tuerkei-putsch-15105980.html; 15.07.2017)

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