der nahe osten von kanada

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as Paradies in der Wildnis ist leicht zu verfehlen. Nur ein winziges Schild an der einsamen Hauptstraße weist auf die Abbiegung zur Schot- terpiste hin. Die windet sich vier Ki- lometer durch den dichten Wald und endet an einer Feriensiedlung mit sieben schmucken Holzhäusern. Ihr zentraler Punkt ist eine rustikale Lodge mit bestem Blick auf die Stel- le, wo der Mersey River in einen See mündet. Andrea Wegerer hat das Haus zusammen mit ihrem Lebens- gefährten Tim Atkins gebaut. Den Stolz auf die Anlage zeigt sie unver- blümt. „Kann man sich einen schö- neren Platz in der Welt vorstellen?“, fragt die Schwäbin beim Frühstück. Wenig später liefert sie den Be- weis. Andrea gibt uns im Bootshaus Paddel und Schwimmwesten. Am nahe gelegenen Steg suchen wir ei- nes der leichten Kanus aus. Die Son- ne lässt im glasklaren, von Seerosen geschmückten Wasser die einsetzen- de leuchtend rote Herbstfärbung der Laubbäume widerspiegeln. Indian Summer in Nova Scotia. Zur vollen- deten Komposition des friedlichen Bildes passt die Stille. Wir lassen uns treiben, schließen die Augen. Kein Zivilisationsgeräusch stört die Stim- mung, die Seele baumelt. 1,5 Millionen Quadratmeter zählt das Grundstück, das Andrea Wege- rer seit 1996 mit einigen Partnern in eine komfortable Urlaubsoase in der Einsamkeit des Kejimkujik-Natio- nalparks verwandelt hat. Tim At- kins, der an den Rollstuhl gefesselt ist, setzte die Vorgaben für eine be- hindertengerechte Ausstattung. „Nach Deutschland wieder zurück?“, greift Andrea Wegerer die Frage auf D und lächelt versonnen. „Wo finde ich daheim diese Ruhe und diese Freundlichkeit?“ Wenn der Shubenacadie River rückwärts fließt Die Größe des Landes, die Einsam- keit und die majestätische Natur mit der steten Nähe des Meeres prägen den Menschen. So wie Heather. Sie ist das Herz von Urbania, einer win- zigen Siedlung eine Autostunde nördlich von Halifax, Provinzhaupt- stadt und Ausgangspunkt unserer Reise. Urbania verdankt seine Exis- tenz der erhabenen Lage oberhalb des Shubenacadie Rivers und des Phänomens Gezeitenstrom. Der drängt bei einsetzender Flut mit sol- cher Macht in das Mündungsgebiet des Flusses, dass dieser plötzlich sei- ne Fließrichtung ändert und eine Fahrt mit dem Schlauchboot zu ei- nem unvergleichlichen Erlebnis wird. „Keine Angst, bis jetzt ist noch niemand ertrunken“, verspricht Hea- ther, bevor wir uns morgens in die gelben Schutzanzüge zwängen. Tat- sächlich haben wir es überlebt, die grollend anrauschende Flut, die über uns wegschwappenden Wassermas- sen, den wilden Ritt auf den bis zu vier Meter hohen Wellen und den Schlamm, der uns nach bestande- nem Abenteuer überzog. Die Bay of Fundy trennt Nova Scotia und New Brunswick. An kei- ner Stelle der Welt ist der Unter- schied zwischen Ebbe und Flut so gewaltig wie an den Küstenstreifen der beiden Provinzen im Nordosten Kanadas. An manchen Stellen be- trägt er bis zu 16 Meter. Zieht sich das Wasser zurück, produziert es bi- zarre Bilder wie Fischkutter, die im Hafengrund festliegen, und Fest- mahle für Zugvögel, die sich im Schlick an Schrimps satt fressen. An den Hopewell Rocks, fantasievoll ge- formten Sandsteinformationen, soll- te man den Strand rasch verlassen, wenn der Atlantik 100 Millionen Tonnen Wasser in die Meerenge drückt und den Pegel um bis zu 16 Meter ansteigen lässt. Leuchttürme umgeben die Küs- tenregionen. Sie sind Wahrzeichen des atlantischen Kanada, und gele- gentlich senden sie ihre Signale auch an Gourmetfreunde aus. So wie in Cape d’Or, wo Darcy Snell das kleine Leuchtturmwärter-Haus in ein exzellentes Restaurant umge- baut hat. Wer die tolle Küche – Spe- zialität: Jakobsmuscheln – und die herausragende Lage oberhalb der Klippen mit herrlichem Blick über die Bay of Fundy genießen will, muss die Unterbringung in einer einfachen Herberge und das durch- dringende Tuten des Nebelhorns in Kauf nehmen. Zweimal pro Minute ertönt es dreimal in Folge. In dieser Nacht reißt der Nebel glücklicher- weise gegen 3 Uhr auf, und das Ge- räusch erstirbt. Am nächsten Tag treffen wir ei- nen Elch. Mitten auf der Straße steht er und scheint ebenso erstaunt wie wir. Nach zwei Schrecksekunden trottet er in den Wald zurück. Auf diese Begegnung sind wir nicht ge- fasst, wohl aber auf ein Schalentier, das nirgendwo so stark den Speise- plan bestimmt wie hier: den Hum- mer. Shediac in New Brunswick gilt als die Lobster-Hauptstadt der Welt. Und Alain Champoux als der am schnellsten zweisprachig die Ge- heimnisse des Hummerfangs erklä- rende Fachmann. Sagenhaft, in wel- chem Stakkatotempo der Franko-Ka- nadier in Englisch und Französisch den Bootsausflug mit Witz und Wis- sen bereichert. Natürlich dürfen wir den frischen Fang kosten. Ob er ge- schmeckt hat? – Na ja. Vielleicht hat doch die richtige Soße gefehlt. Der Prophet Eric Welsh und die Riesensäuger der Ozeane Wild und anmutig ist die Küsten- landschaft, die wir auf dem Weg zwi- schen Moncton und Saint John, den beiden großen Städten New Bruns- wicks, durchfahren. Der Fundy Na- tional Park ist ein Dorado für Wan- derer, die einsamen Strände laden zu langen Spaziergängen ein. Wohl fühlen sich auch die Finnwale im kalten, an Fischfutter reichen Bay of Fundy. Eric Welsh hat eine Nase da- für, wo die bis zu 27 Meter langen und bis zu 80 Tonnen schwere Säu- getiere am liebsten auftauchen. Mit seinem 200 PS starken Schlauchboot „Tide Runners“ startet er von St. An- drews aus. „Zwischen 95 und 100 Prozent“ beziffert der die Chan- ce, Wale zu erleben. Bei uns stimmt jedenfalls die Prophezeiung. Die Schönheit der Natur lockt viele Deutsche an. Axel und Margret Bergner beispielsweise sind 1990 aus dem Ruhrgebiet ausgewandert. In Saint John, der größten Stadt von New Brunswick, führen sie das Opernbistro und freuen sich, wenn ein Ozeanriese wie die Queen Mary seine Touristenheere auf Landgang schickt. „Mehr Arbeit, weniger Kul- turangebot, aber mehr Freiheit“, lau- tet die Zwischenbilanz des Gastrono- menpaares. Über den „unvergleichli- chen Gegenwert des Geldes“ freuen sich Chris und Graziella Aerni aus Luzern. Sie unterhalten das Ross- mont Inn bei St. Andrews. „Ein solch großzügiges Anwesen hätten wir uns in der Schweiz nicht leisten kön- nen“, sagen sie. Jetzt verzaubern sie mit ihren Kochkünsten Gäste an der golfplatzschönen Küste Ostkanadas. Die Princess of Arcadia kennt bes- sere Tage. 38 Jahre hat die Fähre, die täglich zwischen Saint John und Digby verkehrt, auf dem Buckel. Ka- pitän Oral Hamilton ist ein freundli- cher Mensch, erklärt die Technik sei- nes Schiffes, erzählt von einträgli- cheren Zeiten, als die Menschen we- niger auf das Auto setzten und schwärmt von den Jakobsmuscheln, die in Digby die besten der Welt sein sollen. Erinnerungen an Finnlands und Schwedens Küsten Der Reisekreis schließt sich. Nova Scotia hat uns wieder. Wir lassen Lu- nenburg, diese von deutschen Ein- wanderern gegründete und im Kolo- nialstil erhaltene Stadt, auf uns wir- ken. Mit der Blue Nose II legen wir zu einer kurzen Schnupperfahrt ab und bewundern die prächtigen Holzhäuser aus der See-Perspektive. Dann geht es weiter an einer bezau- bernden Küstenlandschaft, die uns nach Finnland oder Schweden zu versetzen scheint. Chester, eine klei- ne Stadt nahe Lunenburg, strahlt an diesem sonnigen Tag mediterranen Charakter aus. Der letzte Höhepunkt vor Halifax ist ein Leuchtturm. Uns wundert das nicht mehr. Doch „Peggys Cove“ ist diesen Zwischenstopp wert. Heraus- ragend ist die Lage des Turms auf ei- nem riesigen Granitsteinblock. Und anmutig wie die schwedische Schä- renlandschaft sind die kleinen Fi- scherorte, die unseren Weg an der Fjordküste begleiten. Kein Wunder, dass es auch hierhin viele heimat- müde Deutsche gezogen hat. Und vielleicht spielt auch mit, dass kein (Flug-)Weg von Nordamerika nach Europa so kurz ist wie von Halifax. Hier gehen fast alle Kreuzfahrtschif- fe auf ihren Atlantik-Routen vor An- ker und lassen ihre Passagiere nur ahnen, welche Schönheiten Nova Scotia zu bieten kann. Wild, charmant und anregend: Nova Scotia und New Brunswick verblüffen mit Natur- und Gourmetfreunden – Begegnungen mit deutschen Auswanderern jenseits des Atlantiks Der nahe Osten von Kanada Farbenprächtige Holzhäuser sind der Blickfang von Lunenburg. Die von Deutschen gegründete Stadt hat ihren ko- lonialen Charme behauptet und steht unter dem Schutz des Weltkulturerbes der Unesco. Herausragende Lage: Das Restaurant am Cape d’Or im umgebauten Leuchtturmwärter-Haus. Wenn die Flut so mächtig wie nirgendwo anders in der Welt in die Bay of Fundy drängt, gehen auch die fanta- sievoll geformten Felsen der Hopewell Rocks baden. Von Hubert Kemper (Text und Fotos) Vollendete Komposition: Wenn sich die beeindrucken- de Färbung der Laubbäume im glasklaren Wasser spie- gelt, darf die Seele des Urlaubers baumeln. Nirgendwo auf der Erde ist der Gezeiten-Unterschied so groß wie an der Bay of Fundy: Bis zu 16 Meter. Die kanadische Atlantikprovinz Nova Scotia (Neuschottland) ist mit rund 60.000 Quadratmetern etwas kleiner als Bayern, zählt aber nur 850.000 Einwoh- ner. Nova Scotia ist eine Halbinsel, die nur durch eine Landzunge mit dem Fest- land verbunden ist. Die Küste hat eine Länge von 7500 Kilometer. New Bruns- wick (Neubraunschweig, 70.000 Quad- ratkilometer, rund 730.000 Einwohner) ist die einzige offizielle zweisprachige kanadische Provinz. 35 Prozent der Be- völkerung sprechen Französisch. Das milde Klima ist durch die Meeresnähe geprägt. Nova Scotia liegt auf dem glei- chen Breitengrad wie Norditalien oder Südfrankreich. Ideale Reise-Monate sind September und Oktober. Anreise: Condor fliegt bis Oktober montags und mittwochs von Frankfurt am Main (mit Lufthansa-Anschlussflügen von Dresden und Leipzig) nach Halifax. Flugzeit: sie- ben Stunden Weitere Informationen: Fremdenverkehrsamt Nova Scotia, Tele- fon: 02104 797454, Internet: www.no- vascotia.com; New Brunswick Tourism & Parks, Internet: www.tourismnewbruns- wick.ca, www.canada.travel REISETIPPS F r eie P r e ss e Besuch auf Neuwerk: Im Wattwagen nach Hamburg Angst vorm Lutherfloh: Mit „Freie Presse“-Reisen unterwegs Spurensuche in Flandern: Rundweg mit Bruegels Werken Entdeckeungen in Peru: Die Rätsel der Wolkenmenschen Reisemagazin Auf den nächsten Seiten lesen Sie: Donnerstag 23. April 2009 Seite A1

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Der nahe Osten von Kanada

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as Paradies in derWildnis ist leicht zuverfehlen. Nur einwinziges Schild an dereinsamen Hauptstraße

weist auf die Abbiegung zur Schot-terpiste hin. Die windet sich vier Ki-lometer durch den dichten Waldund endet an einer Feriensiedlungmit sieben schmucken Holzhäusern.Ihr zentraler Punkt ist eine rustikaleLodge mit bestem Blick auf die Stel-le, wo der Mersey River in einen Seemündet. Andrea Wegerer hat dasHaus zusammen mit ihrem Lebens-gefährten Tim Atkins gebaut. DenStolz auf die Anlage zeigt sie unver-blümt. „Kann man sich einen schö-neren Platz in der Welt vorstellen?“,fragt die Schwäbin beim Frühstück.

Wenig später liefert sie den Be-weis. Andrea gibt uns im BootshausPaddel und Schwimmwesten. Amnahe gelegenen Steg suchen wir ei-

nes der leichten Kanus aus. Die Son-ne lässt im glasklaren, von Seerosengeschmückten Wasser die einsetzen-de leuchtend rote Herbstfärbung derLaubbäume widerspiegeln. IndianSummer in Nova Scotia. Zur vollen-deten Komposition des friedlichenBildes passt die Stille. Wir lassen unstreiben, schließen die Augen. KeinZivilisationsgeräusch stört die Stim-mung, die Seele baumelt.

1,5 Millionen Quadratmeter zähltdas Grundstück, das Andrea Wege-rer seit 1996 mit einigen Partnern ineine komfortable Urlaubsoase in derEinsamkeit des Kejimkujik-Natio-nalparks verwandelt hat. Tim At-kins, der an den Rollstuhl gefesseltist, setzte die Vorgaben für eine be-hindertengerechte Ausstattung.„Nach Deutschland wieder zurück?“,greift Andrea Wegerer die Frage auf

Dund lächelt versonnen. „Wo findeich daheim diese Ruhe und dieseFreundlichkeit?“

Wenn der ShubenacadieRiver rückwärts fließtDie Größe des Landes, die Einsam-keit und die majestätische Natur mitder steten Nähe des Meeres prägenden Menschen. So wie Heather. Sieist das Herz von Urbania, einer win-zigen Siedlung eine Autostundenördlich von Halifax, Provinzhaupt-stadt und Ausgangspunkt unsererReise. Urbania verdankt seine Exis-tenz der erhabenen Lage oberhalbdes Shubenacadie Rivers und desPhänomens Gezeitenstrom. Derdrängt bei einsetzender Flut mit sol-cher Macht in das Mündungsgebietdes Flusses, dass dieser plötzlich sei-ne Fließrichtung ändert und eineFahrt mit dem Schlauchboot zu ei-nem unvergleichlichen Erlebniswird. „Keine Angst, bis jetzt ist nochniemand ertrunken“, verspricht Hea-ther, bevor wir uns morgens in die

gelben Schutzanzüge zwängen. Tat-sächlich haben wir es überlebt, diegrollend anrauschende Flut, die überuns wegschwappenden Wassermas-sen, den wilden Ritt auf den bis zuvier Meter hohen Wellen und denSchlamm, der uns nach bestande-nem Abenteuer überzog.

Die Bay of Fundy trennt NovaScotia und New Brunswick. An kei-ner Stelle der Welt ist der Unter-schied zwischen Ebbe und Flut sogewaltig wie an den Küstenstreifender beiden Provinzen im NordostenKanadas. An manchen Stellen be-trägt er bis zu 16 Meter. Zieht sichdas Wasser zurück, produziert es bi-zarre Bilder wie Fischkutter, die imHafengrund festliegen, und Fest-mahle für Zugvögel, die sich imSchlick an Schrimps satt fressen. Anden Hopewell Rocks, fantasievoll ge-

formten Sandsteinformationen, soll-te man den Strand rasch verlassen,wenn der Atlantik 100 MillionenTonnen Wasser in die Meerengedrückt und den Pegel um bis zu16 Meter ansteigen lässt.

Leuchttürme umgeben die Küs-tenregionen. Sie sind Wahrzeichendes atlantischen Kanada, und gele-gentlich senden sie ihre Signaleauch an Gourmetfreunde aus. So wiein Cape d’Or, wo Darcy Snell daskleine Leuchtturmwärter-Haus inein exzellentes Restaurant umge-baut hat. Wer die tolle Küche – Spe-zialität: Jakobsmuscheln – und dieherausragende Lage oberhalb derKlippen mit herrlichem Blick überdie Bay of Fundy genießen will,muss die Unterbringung in einereinfachen Herberge und das durch-dringende Tuten des Nebelhorns inKauf nehmen. Zweimal pro Minuteertönt es dreimal in Folge. In dieserNacht reißt der Nebel glücklicher-weise gegen 3 Uhr auf, und das Ge-räusch erstirbt.

Am nächsten Tag treffen wir ei-nen Elch. Mitten auf der Straße stehter und scheint ebenso erstaunt wiewir. Nach zwei Schrecksekundentrottet er in den Wald zurück. Aufdiese Begegnung sind wir nicht ge-fasst, wohl aber auf ein Schalentier,das nirgendwo so stark den Speise-plan bestimmt wie hier: den Hum-mer. Shediac in New Brunswick giltals die Lobster-Hauptstadt der Welt.Und Alain Champoux als der amschnellsten zweisprachig die Ge-heimnisse des Hummerfangs erklä-rende Fachmann. Sagenhaft, in wel-chem Stakkatotempo der Franko-Ka-nadier in Englisch und Französischden Bootsausflug mit Witz und Wis-sen bereichert. Natürlich dürfen wirden frischen Fang kosten. Ob er ge-schmeckt hat? – Na ja. Vielleicht hatdoch die richtige Soße gefehlt.

Der Prophet Eric Welsh unddie Riesensäuger der OzeaneWild und anmutig ist die Küsten-landschaft, die wir auf dem Weg zwi-schen Moncton und Saint John, denbeiden großen Städten New Bruns-wicks, durchfahren. Der Fundy Na-tional Park ist ein Dorado für Wan-derer, die einsamen Strände laden zulangen Spaziergängen ein. Wohlfühlen sich auch die Finnwale im

kalten, an Fischfutter reichen Bay ofFundy. Eric Welsh hat eine Nase da-für, wo die bis zu 27 Meter langenund bis zu 80 Tonnen schwere Säu-getiere am liebsten auftauchen. Mitseinem 200 PS starken Schlauchboot„Tide Runners“ startet er von St. An-drews aus. „Zwischen 95 und100 Prozent“ beziffert der die Chan-ce, Wale zu erleben. Bei uns stimmtjedenfalls die Prophezeiung.

Die Schönheit der Natur locktviele Deutsche an. Axel und MargretBergner beispielsweise sind 1990 ausdem Ruhrgebiet ausgewandert. InSaint John, der größten Stadt vonNew Brunswick, führen sie dasOpernbistro und freuen sich, wennein Ozeanriese wie die Queen Maryseine Touristenheere auf Landgangschickt. „Mehr Arbeit, weniger Kul-turangebot, aber mehr Freiheit“, lau-tet die Zwischenbilanz des Gastrono-menpaares. Über den „unvergleichli-chen Gegenwert des Geldes“ freuensich Chris und Graziella Aerni ausLuzern. Sie unterhalten das Ross-mont Inn bei St. Andrews. „Ein solch

großzügiges Anwesen hätten wiruns in der Schweiz nicht leisten kön-nen“, sagen sie. Jetzt verzaubern siemit ihren Kochkünsten Gäste an dergolfplatzschönen Küste Ostkanadas.

Die Princess of Arcadia kennt bes-sere Tage. 38 Jahre hat die Fähre, dietäglich zwischen Saint John undDigby verkehrt, auf dem Buckel. Ka-pitän Oral Hamilton ist ein freundli-cher Mensch, erklärt die Technik sei-nes Schiffes, erzählt von einträgli-cheren Zeiten, als die Menschen we-niger auf das Auto setzten undschwärmt von den Jakobsmuscheln,die in Digby die besten der Welt seinsollen.

Erinnerungen an Finnlandsund Schwedens KüstenDer Reisekreis schließt sich. NovaScotia hat uns wieder. Wir lassen Lu-nenburg, diese von deutschen Ein-wanderern gegründete und im Kolo-nialstil erhaltene Stadt, auf uns wir-ken. Mit der Blue Nose II legen wirzu einer kurzen Schnupperfahrt abund bewundern die prächtigen

Holzhäuser aus der See-Perspektive.Dann geht es weiter an einer bezau-bernden Küstenlandschaft, die unsnach Finnland oder Schweden zuversetzen scheint. Chester, eine klei-ne Stadt nahe Lunenburg, strahlt andiesem sonnigen Tag mediterranenCharakter aus.

Der letzte Höhepunkt vor Halifaxist ein Leuchtturm. Uns wundert dasnicht mehr. Doch „Peggys Cove“ istdiesen Zwischenstopp wert. Heraus-ragend ist die Lage des Turms auf ei-nem riesigen Granitsteinblock. Undanmutig wie die schwedische Schä-renlandschaft sind die kleinen Fi-scherorte, die unseren Weg an derFjordküste begleiten. Kein Wunder,dass es auch hierhin viele heimat-müde Deutsche gezogen hat. Undvielleicht spielt auch mit, dass kein(Flug-)Weg von Nordamerika nachEuropa so kurz ist wie von Halifax.Hier gehen fast alle Kreuzfahrtschif-fe auf ihren Atlantik-Routen vor An-ker und lassen ihre Passagiere nurahnen, welche Schönheiten NovaScotia zu bieten kann.

Wild, charmant und anregend: Nova Scotia und New Brunswick verblüffen mit Natur- und Gourmetfreunden – Begegnungen mit deutschen Auswanderern jenseits des Atlantiks

Der nahe Osten von Kanada

Farbenprächtige Holzhäuser sind der Blickfang von Lunenburg. Die von Deutschen gegründete Stadt hat ihren ko-lonialen Charme behauptet und steht unter dem Schutz des Weltkulturerbes der Unesco.

Herausragende Lage: Das Restaurant am Cape d’Or im umgebauten Leuchtturmwärter-Haus.

Wenn die Flut so mächtig wie nirgendwo anders in derWelt in die Bay of Fundy drängt, gehen auch die fanta-sievoll geformten Felsen der Hopewell Rocks baden.

Von Hubert Kemper(Text und Fotos)

Vollendete Komposition: Wenn sich die beeindrucken-de Färbung der Laubbäume im glasklaren Wasser spie-gelt, darf die Seele des Urlaubers baumeln.

Nirgendwo auf der Erde ist derGezeiten-Unterschied so groß wie an derBay of Fundy: Bis zu 16 Meter.

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Die kanadische Atlantikprovinz NovaScotia (Neuschottland) ist mit rund60.000 Quadratmetern etwas kleiner alsBayern, zählt aber nur 850.000 Einwoh-ner. Nova Scotia ist eine Halbinsel, dienur durch eine Landzunge mit dem Fest-land verbunden ist. Die Küste hat eineLänge von 7500 Kilometer. New Bruns-wick (Neubraunschweig, 70.000 Quad-ratkilometer, rund 730.000 Einwohner)ist die einzige offizielle zweisprachigekanadische Provinz. 35 Prozent der Be-völkerung sprechen Französisch. Dasmilde Klima ist durch die Meeresnähegeprägt. Nova Scotia liegt auf dem glei-chen Breitengrad wie Norditalien oderSüdfrankreich. Ideale Reise-Monatesind September und Oktober. Anreise:Condor fliegt bis Oktober montags undmittwochs von Frankfurt am Main (mitLufthansa-Anschlussflügen von Dresdenund Leipzig) nach Halifax. Flugzeit: sie-ben Stunden Weitere Informationen:Fremdenverkehrsamt Nova Scotia, Tele-fon: 02104 797454, Internet: www.no-vascotia.com; New Brunswick Tourism &Parks, Internet: www.tourismnewbruns-wick.ca, www.canada.travel

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