dermatosen in der intensivmedizin

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108 Übersichtsarbeit DOI: 10.1111/j.1610-0387.2008.06753.x JDDG | 2 ˙ 2009 (Band 7) © The Authors • Journal compilation © Blackwell Verlag GmbH, Berlin • JDDG • 1610-0379/2009/0702 English online version on Wiley InterScience Schlüsselwörter Dermatologie Intensivmedizin unerwünschte Arzneimittelreaktion Keywords dermatology intensive care medicine adverse drug reaction Zusammenfassung Obwohl nur wenige Hautkrankheiten per se lebensbedrohlich sind, spielen dermatologische Befunde bei intensivtherapiepflichtigen Patienten eine große Rolle. Dermatosen können dabei sowohl Symptom bzw. direkte Folge der Sy- stemerkrankung als auch Komplikation der Intensivtherapie/-pflege sein. Zu den bedeutsamen Hauterkrankungen in der Intensivmedizin gehören uner- wünschte Arzneimittelreaktionen, Infektionen und bakterielle Toxinkrankhei- ten, Erythrodermien, ANCA-positive Vaskulitiden (z. B. Wegenersche Granulo- matose) sowie Hämorrhagien. Summary Though most dermatoses are not life-threatening, skin diseases play an important role in intensive care medicine. Skin findings in intensive care patients may reflect the underlying disease or be complications of intensive medical care. Most impor- tant are drug reactions, infections, bacterial toxin reactions, erythroderma, ANCA- positive vasculitides (such as Wegener granulomatosis) and bleeding disorders. Dermatosen in der Intensivmedizin Skin diseases in intensive care medicine Matthias Fischer 1 , Thomas William 1 , Johannes Wohlrab 2 (1) Klinik für Dermatologie und Venerologie, HELIOS-Klinikum Aue, Aue (2) Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venereologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale) JDDG; 2009 7:108–116 Eingereicht: 25.1.2008 | Angenommen: 5.3.2008 Einleitung Die moderne Intensivmedizin mit ihren Kerngebieten Anästhesiologie, Chirur- gie, Innere Medizin und Pädiatrie ist be- sonders durch die interdisziplinäre Ver- sorgung der Patienten charakterisiert [1]. Fächern wie der Dermatologie, bei denen eher selten intensivmedizinische Erkrankungsbilder auftreten, kommt in diesem Konzept eher die Funktion einer konsiliarischen Betreuung zu. Dennoch sind Hauterkrankungen unter intensiv- medizinischen Bedingungen durchaus häufig anzutreffen. So fanden Badia und Mitarbeiter bei Patienten einer interdis- ziplinären Intensivstation eine Prävalenz von 10,4 % behandlungsbedürftiger Hauterkrankungen [2]. Darüber hinaus haben intensivtherapiepflichtige Patien- ten, die zusätzlich dermatologisch er- kranken, eine längere Verweildauer auf der Intensivstation und höhere Werte im SAPSII-Score [2] als hautgesunde Patienten. Kutane Infektionen sind unter intensiv- medizinischen Bedingungen mit 29 % die häufigste Dermatose, gefolgt von unerwünschten Arzneimittelreaktionen (21,6 %), Lagerungsschäden (9,7 %), Vaskulitiden (7,1 %), Kontaktdermatiti- den (5,2 %), vorbestehenden Hauter- krankungen (3,7 %) und Exsikkations- ekzemen (1,9 %) [3]. In Einzelfällen (3 %) [3] ist aufgrund der uncharakteri- stischen Klinik keine klare Diagnose zu stellen. Neben diesen häufig in der In- tensivmedizin anzutreffenden Hauter- krankungen, ist der dermatologische Konsilarzt grundsätzlich mit dem gesam- ten Spektrum der klinischen Dermatolo- gie konfrontiert [3, 4]. Dabei wird die klinische Bewertung des Hautbefundes nicht selten durch atypische Morphen und Krankheitsverläufe erschwert, die ei- nerseits der veränderten Immunitätslage der Patienten (multiple organ dysfunc- tion syndrome) [5], andererseits Kofak- toren wie ödematisiertem Gewebe,

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108 Übersichtsarbeit DOI: 10.1111/j.1610-0387.2008.06753.x

JDDG | 2˙2009 (Band 7) © The Authors • Journal compilation © Blackwell Verlag GmbH, Berlin • JDDG • 1610-0379/2009/0702

English online version on Wiley InterScience

Schlüsselwörter• Dermatologie• Intensivmedizin• unerwünschte Arzneimittelreaktion

Keywords• dermatology• intensive care medicine• adverse drug reaction

ZusammenfassungObwohl nur wenige Hautkrankheiten per se lebensbedrohlich sind, spielendermatologische Befunde bei intensivtherapiepflichtigen Patienten eine großeRolle. Dermatosen können dabei sowohl Symptom bzw. direkte Folge der Sy-stemerkrankung als auch Komplikation der Intensivtherapie/-pflege sein. Zuden bedeutsamen Hauterkrankungen in der Intensivmedizin gehören uner-wünschte Arzneimittelreaktionen, Infektionen und bakterielle Toxinkrankhei-ten, Erythrodermien, ANCA-positive Vaskulitiden (z. B. Wegenersche Granulo-matose) sowie Hämorrhagien.

SummaryThough most dermatoses are not life-threatening, skin diseases play an importantrole in intensive care medicine. Skin findings in intensive care patients may reflectthe underlying disease or be complications of intensive medical care. Most impor-tant are drug reactions, infections, bacterial toxin reactions, erythroderma, ANCA-positive vasculitides (such as Wegener granulomatosis) and bleeding disorders.

Dermatosen in der Intensivmedizin

Skin diseases in intensive care medicine

Matthias Fischer1, Thomas William1, Johannes Wohlrab2

(1) Klinik für Dermatologie und Venerologie, HELIOS-Klinikum Aue, Aue(2) Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venereologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,Halle (Saale)

JDDG; 2009 • 7:108–116 Eingereicht: 25.1.2008 | Angenommen: 5.3.2008

EinleitungDie moderne Intensivmedizin mit ihrenKerngebieten Anästhesiologie, Chirur-gie, Innere Medizin und Pädiatrie ist be-sonders durch die interdisziplinäre Ver-sorgung der Patienten charakterisiert[1]. Fächern wie der Dermatologie, beidenen eher selten intensivmedizinischeErkrankungsbilder auftreten, kommt indiesem Konzept eher die Funktion einerkonsiliarischen Betreuung zu. Dennochsind Hauterkrankungen unter intensiv-medizinischen Bedingungen durchaushäufig anzutreffen. So fanden Badia undMitarbeiter bei Patienten einer interdis-ziplinären Intensivstation eine Prävalenz

von 10,4 % behandlungsbedürftigerHauterkrankungen [2]. Darüber hinaushaben intensivtherapiepflichtige Patien-ten, die zusätzlich dermatologisch er-kranken, eine längere Verweildauer aufder Intensivstation und höhere Werteim SAPSII-Score [2] als hautgesundePatienten.Kutane Infektionen sind unter intensiv-medizinischen Bedingungen mit 29 %die häufigste Dermatose, gefolgt von unerwünschten Arzneimittelreaktionen(21,6 %), Lagerungsschäden (9,7 %),Vaskulitiden (7,1 %), Kontaktdermatiti-den (5,2 %), vorbestehenden Hauter-krankungen (3,7 %) und Exsikkations-

ekzemen (1,9 %) [3]. In Einzelfällen(3 %) [3] ist aufgrund der uncharakteri-stischen Klinik keine klare Diagnose zustellen. Neben diesen häufig in der In-tensivmedizin anzutreffenden Hauter-krankungen, ist der dermatologischeKonsilarzt grundsätzlich mit dem gesam-ten Spektrum der klinischen Dermatolo-gie konfrontiert [3, 4]. Dabei wird dieklinische Bewertung des Hautbefundesnicht selten durch atypische Morphenund Krankheitsverläufe erschwert, die ei-nerseits der veränderten Immunitätslageder Patienten (multiple organ dysfunc-tion syndrome) [5], andererseits Kofak-toren wie ödematisiertem Gewebe,

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Dermatosen in der Intensivmedizin Übersichtsarbeit 109

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längerfristiger Bettlägerigkeit oder äuße-ren Verletzungen geschuldet sein kön-nen. Nachfolgend sollen verschiedenehäufige und wichtige Hauterkrankungenauf der Intensivstation aus dem Blick-winkel des dermatologischen Konsilarz-tes vorgestellt werden (Zusammenfas-sung in Tabelle 1). Die Dermatosenkönnen dabei sowohl Ursache, Folge alsauch Komplikation der intensivmedizi-nischen Behandlung sein.

Unerwünschte ArzneimittelreaktionenMit einer Häufigkeit von über 21 % allerFälle stellen unerwünschte Arzneimittel-reaktionen eine häufige, im Einzelfall le-bensbedrohliche, Hauterkrankung beiintensivpflichtigen Patienten dar [3].Das klinische Bild ist meist durch einmakulöses Exanthem geprägt, das nebenden Erythemen vielfach zusätzlich durcheine urtikarielle oder papulöse Kompo-nente geprägt ist. Weitere klinische Cha-rakteristika eines Arzneimittelexanthemssind symmetrische Verteilung, fehlendeInfektprodromi (z. B. Fieber, allgemeinesKrankheitsgefühl) sowie – soweit beur-teilbar – Juckreiz. Häufige Auslöser dieser Arzneimitte-lexantheme sind Antibiotika (meist Peni-cilline) und Chemotherapeutika sowieseltener Antikonvulsiva, Allopurinol,Diuretika und nichtsteroidale Antiphlo-gistika [6–8]. Die Pathomechanismender unerwünschten Arzneimittelreaktio-nen sind vielfältig. Eine generalisierteUrtikaria als Ausdruck einer Intoleranz-reaktion oder allergischen Reaktionenvom Soforttyp ist nach neueren Untersu-chungen bei hospitalisierten Patientenfür 15–25 % der unerwünschten kuta-nen Arzneimittelreaktionen verantwort-lich [6, 7]. Eine Kreislaufdepression bishin zum anaphylaktischen Schock sowieBronchospasmen können hinzutreten.Typisch ist der Beginn der SymptomatikMinuten nach Applikation des auslösen-den Pharmakons. Die Therapie bestehtin der Gabe von Antihistaminika, Glu-cocorticoiden und ggf. Katecholaminen.Wie bei allen anderen unerwünschtenArzneimittelreaktionen auch muss dasauslösende Medikament zukünftig ge-mieden werden. Sehr viel häufiger als eine Urtikaria ent-wickeln sich verzögerte Reaktionen, diemit einer Latenz von Tagen bis Wochenmanifest werden [9, 10] und klinischmeist als Exanthem imponieren. Diesesind zu 90 % harmlose vorübergehende

makulöse oder makulopapulöse Exan-theme [9]. Allerdings gehören auch po-tenziell lebensbedrohliche schwere Arz-neimittelreaktionen zu den verzögertenunerwünschten Arzneimittelreaktionender Haut. Diesen verschiedenen Krank-heitsbildern liegt meist eine Infiltrationder Haut mit T-Lymphozyten zugrunde,wobei eine Dominanz CD4-positiverZellen mit makulopapulösen Exanthe-men zu korrelieren scheint, währendeine Blasenbildung bis hin zurgroßflächigen Exfoliation der Haut mitCD8-positiven zytotoxischen T-Lym-phozyten verknüpft ist [11]. Die Vielge-staltigkeit der T-Zell-vermittelten uner-wünschten Arzneimittelreaktionen istbis heute erst ansatzweise verstanden.Neben der dominierenden T-Zell-Sub-population und der damit verbundenenZytokinausschüttung [9, 12, 13] könnengenetische Faktoren sowie Virusinfektio-nen (EBV, HHV-6, CMV, HIV) bedeut-sam sein [9]. Schweren Zytotoxizitätsreaktionen derHaut liegen meist CD8-vermittelte Arz-neimittelreaktionen zugrunde, die bis zurgroßflächigen Exfoliation voranschreitenkönnen [14]. Große Bedeutung wirdhierbei dem Zytokin TNF-� zugeschrie-ben [15]. In Abhängigkeit der betroffe-nen Fläche unterscheidet man einErythema exsudativum multiforme majus (EEMM), das Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und die toxische epider-male Nekrolyse (TEN; früher: „medika-mentöses Lyell-Syndrom“) (Tabelle 2,Abbildung 1, 2). Derzeit ist für den klini-schen Gebrauch kein gesicherter Parame-ter bekannt, der unter den Patienten mitArzneimittelexanthem jene zuverlässigidentifiziert, die im weiteren Verlauf eineTEN entwickeln. Daher kommt auchweiterhin der kritischen klinischen Beob-achtung von Arzneimittelexanthemeneine zentrale Rolle zu. Klinische Warnzei-chen, die auf die Entwicklung einer sol-chen zytotoxischen Reaktion hinweisenkönnen, sind Schmerzen, ein lividesExanthem, Blasen, Kokarden, Schleim-hauterosionen und Fieber. Eine subklini-sche Blasenbildung lässt sich durch tangentialen Druck auf die Haut (Nikolski-I-Phänomen) überprüfen. Inder Praxis hat es sich zudem bewährt, dieGrenzen einzelner Läsionen mit einemwasserfesten Stift zu markieren, um eineZunahme des Exanthems zu erkennen.Eine Biopsie ermöglicht häufig eine sichere diagnostische Zuordnung. Die

Prognose der TEN kann mit Hilfe desSCORTEN ermittelt werden [16]. Fürdie Behandlung der TEN existiert bislangkein Goldstandard. Während die An-wendung von hochdosierten Glucocorti-coiden bei den meisten T-Zell-vermittel-ten Arzneimittelexanthemen wirksamund das Vorgehen der Wahl ist, ist ihreWirkung bei der TEN begrenzt undführt über ein gesteigertes Infektionsri-siko zu einer erhöhten Mortalitätsrate[17]. Als wirksam beschriebene Therapie-ansätze sind in Tabelle 2 dargestellt [15,17–20]. Hingegen scheint der Einsatzvon Cyclosporin A, Thalidomid und N-Acetylcystein zum gegenwärtigenZeitpunkt bei der TEN nicht erfolgver-sprechend zu sein [17]. Als Basismaß-nahme ist die Elimination des auslösendenMedikaments, Flüssigkeitssubstitution,ggf. Analgesie sowie – analog zu Verbren-nungspatienten – eine Lagerung auf antiseptischen Folien (z. B. Metalline-Folie) sinnvoll [13]. Für eine prophylak-tische antibiotische Abschirmungkonnte bislang kein Überlebensvorteilbeschrieben werden [13], dennoch sinddie Patienten in hohem Maße gefährdeteine Sepsis zu entwickeln, so dass die In-dikation zur antibiotischen Therapiegroßzügig gestellt wird. Neben den genannten zytotoxischenArzneimittelreaktionen existieren Hy-persensitivitätsreaktionen, die neben ei-nem Exanthem bzw. einer Erythroder-mie auch mit Beteiligung innererOrgane einhergehen [21–23]. Hierbeistehen eine Beteiligung der Leber (Trans -aminasenerhöhung) sowie eine Bluteosi-nophilie im Vordergrund. Zusätzlichkönnen Fieber, Lymphadenopathie odereine Niereninsuffizienz auftreten. Fürdieses Krankheitsbild existieren ver-schiedene, letztlich synonyme Begriffe,wobei die derzeit gebräuchlichste Be-zeichnung „Drug Rash with Eosinophi-lia and Systemic Symptoms“ (DRESS)ist. Typische Auslöser eines DRESS sindMinocyclin, Ceftriaxon, Vancomycin,Abacavir, Antikonvulsiva und Allopuri-nol [9, 22, 24]. Die Mortalität wird mit10 % angegeben [21]. Die Pathogeneseist nicht vollständig geklärt. Stoffwech-seldefekte wie eine langsame Acetylie-rung werden diskutiert [21]. Auchscheint im Einzelfall eine Koinfektionmit Viren, insbesondere durch das hu-mane Herpesvirus 6, bedeutsam zu sein.Typischerweise kommt es zwei bis sechs Wochen nach Beginn der

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110 Übersichtsarbeit Dermatosen in der Intensivmedizin

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Tabelle 1: Ausgewählte Leitsymptome und Differenzialdiagnosen häufiger und intensivmedizinisch relevanterHauterkrankungen. Angabe der relativen Häufigkeit der Leitsymptome nach [3]. Die therapeutischen Konsequen-zen sind im Text aufgeführt.

LeitsymptomHäufigkeit

[%] DifferenzialdiagnosenWeitere klinische Charakteristika Histologie Bemerkung

Erythem 34,6

Erysipel / Weichteilinfektion

• Fieber• AZ-Verschlechterung

• klinische Diagnose

Fasziitis necroticans

• Ödem • faltige Hautoberfläche • starke Schmerzen • foudroyanter Verlauf

• klinische Diagnose

• oft Mischinfektion • Muskelenzyme erhöht • Serum-Na erniedrigt • MRT anstreben

Candida-Intertrigo

• bräunliche Erythemeder Hautfalten

• Satellitenherde • ggf. Pusteln

• klinische Diagnose• Nachweis von

Pilzelementen imStratum corneum

Kontaktekzem• Schuppen, Infiltration• ggf. nässende Papeln

• klinische Diagnose• Spongiose, ggf.

Akanthose

Blasen / Exfoliation

19,7

TEN•Schleimhautbeteiligung • vgl. Tabelle 2

• Subepidermale Blasenbildung

•Epidermisnekrose

• SCORTEN für Prognose (siehe Text)

Subcorneales Staphylokokken-Schäl-Syndrom

• keine Schleimhautbeteiligung

• Subcorneale Spaltbildung

• Immunsuppression? • Nierenfunktion?

Exanthem 16,4

Arzneimittelreaktion

• Symmetrie • Juckreiz • akute/subakute

Entwicklung

• vielgestaltig • oft eosinophile

Granulozyten • meist Lymphozyten

erregerbedingtes Exanthem

• Fieber und sonstige Infektzeichen

• klinisch/laborche -mische Diagnose

• ggf. serologische Diagnostik

Hämorrha-gien

5,2

Disseminierte intravasale Gerinnung

• initial Purpura• flächenhafte

Blutungen• (akrale) Nekrosen • foudroyanter Verlauf

• Thromben kleinerGefäße

• Erythrozyten -extravasate

• Nekrosen Epidermisund Dermis

Vasculitis allergica • palpable Purpura• Leukozytoklastische

Vaskulitis

ThrombozytopenischePurpura

• nicht-palpable Purpura• klinisch/

laborchemische Diagnose

• Thrombozytopenie?• Thrombozytopathie

bedenken

Pusteln 4,5AGEP

• flexural betont• ggf. Fieber/AZ-

Verschlechterung

• intraepidermale neutrophile Granulozyten-Nester

• Zytotoxizität im basalen Epidermislager

Follikulitis • follikuläre Bindung • klinische Diagnose• Okklusion• meist Staph. aureus

Ulzerationen 4,5

Dekubitus

• Erythem• umschriebene Epider-

molyse/Blasen• Nekrosen

• klinische Diagnose• Sonderlokalisationen

beachten (siehe Text)

Vaskulitiden• Schmerzen• Livedo racemosa• ggf. Fieber

• vielgestaltig• ggf. Granulome• ggf. Leukozytoklasie

• ANCAs?• Antiphospholipid-

Antikörper?

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Dermatosen in der Intensivmedizin Übersichtsarbeit 111

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Medikamenteneinnahme zu der be -schriebenen Symptomatik [21]. DieTherapie eines DRESS besteht in derGabe von Glucocorticoiden (1mg/kg KGPrednisolonäquivalent) oder in schwe-ren Fällen anti-IL-5-Antikörpern [21, 25].Während es hierunter meist rasch zu ei-ner Besserung des Fiebers und des redu-zierten Allgemeinzustands kommt, kön-nen die Erhöhung der Transaminasenund das Erythem manchmal wochen-lang bestehen bleiben [21]. Eine andere seltene Variante uner-wünschter Arzneimittelreaktionen stelltdie akute generalisierte exanthematischePustulose (AGEP) dar. Klinisch entwickeln sich, meist von den Fle -xuren (Axillen, Leisten) ausgehend,großflächige Erytheme bis hin zurErythrodermie, auf denen massenhaftstecknadelkopfgroße, sterile Pusteln ent-

stehen (Abbildung 3). Die Pusteln neigenzur Konfluenz, so dass einzelne Hauta-reale das Phänomen der Epidermolyseaufweisen können [14]. Selten tretenauch umschriebene lokalisierte Formenauf. Fieber und ein allgemeines Krank-heitsgefühl sind fakultative Symptome,die von einer Leukozytose mir relativerNeutrophilie begleitet sein können [14,26]. Auslöser sind in 80 % der Fälle An-tibiotika (insbesondere ß-Laktamantibio-tika, Makrolide, Chinolone); seltenersind Analgetika, Antimykotika und An-tihypertensiva (Diltiazem) als Induktorenbeschrieben [26]. In einigen Fällen lässtsich eine Typ-IV-Allergie im Epikutantestnachweisen [26]. Die Therapie besteht inder Gabe von Glucocorticoiden, wobei inschweren Fällen mit Epidermolyse auchdie Anwendung von Infliximab indiziertsein kann und wirksam ist [27].

ErythrodermieEine Rötung der Haut von wenigstens90 % der Körperoberfläche wird alsErythrodermie bezeichnet [28]. Es han-delt sich um eine deskriptive Diagnosebzw. um ein Symptom, das durch ver-schiedene Faktoren bedingt sein kann.Häufigste Ursache ist die Exazerbationeiner vorbestehenden chronischen Der-matose, meist einer Psoriasis vulgaris[29], seltener einer atopischen Dermati-tis oder eines seborrhoischen Ekzems.Auch ein Sézary-Syndrom ist als Ursa-che einer Erythrodermie möglich. Zubeachten ist ferner der Anteil idiopathi-scher Erythrodermien, deren Häufig-keit bei etwa 10 % liegt [29]. In der pädiatrischen Intensivmedizin ist zu-sätzlich an das Omenn-Syndrom sowiean hereditäre Verhornungsstörungen zudenken [30]. Hinter den eher akutenVerlaufsformen in der Intensivmedizinverbergen sich meist unerwünschte Arz-neimittelreaktionen im Sinne einesDRESS (s. o.). Die Angaben über dieMortalität der Erythrodermie schwan-ken zwischen 3,75 % und 64 % [29],wobei die Sterblichkeit auch ohneBerücksichtigung maligner Grunder-krankungen grundsätzlich erhöht ist[29, 31]. Ursachen hierfür können eindrastisch gesteigerter transepidermalerWasserverlust sowie Volumenumvertei-lungen mit einem gesteigerten Herzmi-nutenvolumen sein. Für die korrekte diagnostische Einord-nung ist neben der ausführlichen Anam-nese oft eine Biopsie hilfreich. Eine aus-reichende Flüssigkeitssubstitution ist zubeachten. Glucocorticoide sind bei ent-zündlichen Ursachen der Erythrodermie

Tabelle 2: Einteilung der zytotoxischen Arzneimittelreaktionen [modifiziert nach 14, 17].

EEMM SJS SJS/TEN-Übergang TEN mit Maculae TEN auf Erythemen

Klinik

• <10 % KOF betroffen

• Akral betonte Kokarden

• ErosiveSchleimhaut

• < 10 % KOF betroffen• stammbetontes makulöses,

konfluierendes Exanthem• Exfoliation und Erosionen• atypische Kokarden• erosive Schleimhaut

• 10-30 % KOF be-troffen

• Klinik wie SJS

• > 30 % KOF betroffen

• Klinik wie SJS

• > 10 % KOF betroffen• stammbetonte flächige

Erytheme mit Erosionund Exfoliation

• erosive Schleimhaut

Therapie

• GCS• ggf. Aciclovir

• GCS • GCS • GCS? • sonst wie TEN

• IVIG (0,4–1 g/kg KG) • Infliximab (5 mg/kg KG) • Pentoxifyllin? • Cyclophosphamid

EEMM: Erythema exsudativum multiforme majus, SJS: Stevens-Johnson-Syndrom, TEN: Toxische epidermale Nekrolyse, KOF:Körperoberfläche, GCS: Glucocorticosteroide.

Abbildung 1: Toxische epidermale Nekrolyse. Konfluierende Erytheme mit Blasenbildung.

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112 Übersichtsarbeit Dermatosen in der Intensivmedizin

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Therapeutika der Wahl. Sie haben darü-ber hinaus durch ihre vasokonstriktiveWirkung zusätzlich einen günstigen Effekt auf den Gefäßtonus und den vonden Patienten oft beklagten Schüttel-frost.

DekubitusDruckulzera (Dekubitalgeschwüre) sindin der Intensivmedizin ein häufiges Pro-blem und stellen eine typische Kompli-kation, insbesondere bei längerfristigenBehandlungen, dar. Angaben zur Präva-lenz schwanken zwischen 3 % und 29 %[32]. Die Dekubitalulzera werden kli-nisch in vier Grade eingeteilt [33]:

Erythem (I°), Erosion und/oder Blase(II°), Ulkus bis in die Subkutis (III°), Ul-kus mit Schädigung von Knochen/Mus -kulatur (IV°). Als Risikofaktoren für dieEntstehung von Dekubitalulzera sindScherkräfte bei der Lagerung, feuchtesMilieu, Immobilität, Mangelzuständeund eine schlechte Gewebeperfusiondurch Ödeme oder Schock bekannt [33,34]. Ferner können intensivmedizinischeMaßnahmen wie eine Intubation sowieDrainagen und Katheter umschrieben zueiner zusätzlichen Druckbelastung derHaut führen und Nekrosen an Stamm,Hals oder Gesicht verursachen [33]. Diegehäufte Kombination dieser Faktoren

bei intensivmedizinisch behandelten Pa-tienten erklärt, weshalb trotz aller pro-phylaktischen Bemühungen die Wahr-scheinlichkeit eines Dekubitus mit derDauer der intensivmedizinischen Be-handlung signifikant ansteigt [34]. EineAbschätzung des individuellen Risikoszur Entstehung von Druckulzera erfolgtüber verschiedene Score-Systeme wie dieBraden-Skala. Zentraler Punkt der Behandlung ist die Druckentlastung, für die eine Vielzahl technischer Möglichkeiten undLagerungsempfehlungen zur Verfügung stehen [32].

Kutane InfektionenInfektionen der Haut sind die häufigstenDermatosen in der Intensivmedizin [3],wobei der Candida-Intertrigo eine be-sondere Bedeutung zukommt. Die be-troffenen Patienten entwickeln zunächstdurch Reibung, Wärmestau und feuch-tes Milieu eine irritative Kontaktderma-titis in den Umschlagsfalten der Haut[35]. Die so vorgeschädigte Haut ist fürSuperinfektionen anfällig, wobei Can-dida albicans eine herausragende Stel-lung zukommt [36]. Klinisch bestehenbräunliche Erytheme mit einer meistnässend-erosiven Oberfläche, randstän-diger Schuppenkrause, oft Pusteln undStreupapeln in der Umgebung. Die Dia-gnose kann klinisch gestellt und durchden Nachweis der Erreger im Abstrichbestätigt werden. In der Behandlung hatsich im Initialstadium (Intertrigo ohneCandida-Superinfektion) die Anwen-dung von weicher Zinkpaste bewährt,während bei manifester Candida-Besied-lung die Anwendung von Nystatin in einer adstringierenden Grundlage einübliches Vorgehen darstellt [35]. Solltediese Therapie nicht erfolgreich sein, soist differenzialdiagnostisch an ein allergi-sches Kontaktekzem, eine atopische Der-matitis, ein Erythrasma, Zinkmangeloder eine Psoriasis inversa (klinischscharfe Begrenzung, keine Streureaktion)zu denken. In Zweifelsfällen ist eine bioptische Klärung sinnvoll.Bei den bakteriellen Infektionen der Hautsind unter intensivmedizinischen Bedin-gungen nekrotisierende Weichteilinfektio-nen wie die Fasziitis necroticans bedeut-sam. Die Fasziitis necroticans ist dabeimeist Folge einer Infektion mit Streptokokken (eher selten �-hämolysie-rende A-Streptokokken), oft in Kom -bination mit Staphylococcus aureus,

Abbildung 2: Beteiligung des Lippenrots bei TEN.

Abbildung 3: Akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP) mit multiplen Pusteln aufErythemen.

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gramnegativen oder anaeroben Keimen[37]. Durch entsprechend kontaminiertesSalzwasser kann auch Vibrio vulnificus einenekrotisierende Fasziitis auslösen [38]. Alsprädisponierender Faktor gelten Varizellenim Kindesalter als gesichert, während einevorausgegangene Therapie mit nichtstero-idalen Antiphlogistika kontrovers disku-tiert wird [38]. Klinisch besteht ein foud -rouyantes Krankheitsbild, das zunächstunter dem Bild eines Erysipels imponierenkann. Klinisch zeigen sich oftmals eherblasse Erytheme mit gefälteten Hautober-fläche, die unbehandelt in eine kutane Nekrose mit Blasenbildung übergehen können (Abbildung 4). Typisch ist dieausgeprägte Schmerzhaftigkeit („pain outof proportion“). Die Diagnose wird kli-nisch gestellt und durch bildgebende Ver-fahren (CT oder MRT) sowie den Nach-weis einer Leukozytose sowie erhöhterMuskelenzyme gestützt. Typisch ist einezusätzliche Erniedrigung des Serumnatri-umspiegels unter 135 mmol/l [39]. Einetiefe Hautbiopsie sowie bakterielle Kultu-ren können im Rahmen der unumgängli-chen chirurgischen Intervention mitgroßzügigem Debridement entnommenwerden. Die antibiotische Abschirmungerfolgt in Abhängigkeit der nachgewiese-nen Keime, wobei sich als kalkulierte An-tibiose aufgrund der guten Wirkung aufStreptokokken eine Kombination von Pe-nicillin (3 x 10 Mega) und Clindamycin (3 x 600 mg) [40] besonders anbietet. Einehyperbare Sauerstofftherapie kann ergän-zend durchgeführt werden.

Neben bakteriellen Infektionen sind un-ter intensivmedizinischen Bedingungenauch persistierende Herpes-simplex-In-fektionen bedeutsam, zu denen die Pati-enten als Folge ihrer latenten Immunsup-pression neigen [41, 42]. Klinischkommt es perioral, manchmal auch imGenitoanalbereich zu Erosionen undleicht blutenden flachen Ulzerationen[42]. Problematisch ist die bei den meistbewusstlosen Patienten nur schwer zu erfassende Schmerzhaftigkeit, die bei an-sprechbaren Patienten ein wichtiges kli-nisches Symptom darstellt. Die Diagnosewird durch den Erregernachweis mittelsPCR oder Fluoreszenzverfahren bestätigt.Die Therapie besteht in der hochdosier-ten Gabe von Aciclovir sowie einer lokalantiseptischen Therapie. Trotz dieser Be-handlungsmöglichkeit sind die Patientendurch Organbeteiligung wie Pneumonieoder Enzephalitis [43] und gehäufte my-kotische oder bakterielle Koinfektionengefährdet [44].

Bakterielle ExotoxinerkrankungenNeben der direkten Infektion könnenauch extrakutan gelegene bakterielle Fociüber eine Toxinwirkung dermatologischeSymptome mit intensivmedizinischerRelevanz verursachen. Ein typisches Bei-spiel hierfür ist das subcorneale Staphy-lokokken-Schäl-Syndrom (SSSS; frühereBezeichnung: staphylogenes Lyell-Syn-drom oder Morbus Ritter von Ritters-hain). Betroffen sind überwiegend Kin-der, die im Vergleich zu Erwachsenenjedoch hinsichtlich der Mortalität einebessere Prognose haben [45, 46]. Kli-nisch zeigen sich zunächst uncharakte -ristische Symptome wie Fieber und Abgeschlagenheit, denen ein blassrotesErythem mit großflächiger Blasenbil-dung folgt [45, 46]. Die Blasen platzenschon unter minimaler mechanischerBelastung, so dass oft die Exfoliation imVordergrund steht. Ursächlich für dieKontinuitätstrennung sind die vier ver-schiedenen staphylogenen exfoliativenExotoxine ETA-D [45]. Diese führenüber eine Bindung an Desmoglein-1 zueiner intraepidermalen Spaltbildung inHöhe des Stratum granulosum [45, 46].Da dieses Strukturprotein in Schleim-häuten nicht exprimiert wird, sind mu-kosale Erosionen beim SSSS untypisch.Dies stellt am Krankenbett ein wichtigesklinisches Kriterium zur Abgrenzung ge-genüber einer TEN dar. Ausgehend vontierexperimentellen Untersuchungen

galt bislang eine Niereninsuffizienz alswesentlicher Faktor für die Entwicklungeines SSSS, da die auslösenden exfoliati-ven Exotoxine renal eliminiert werdenund sich bei fortgeschrittener Nierenin-suffizienz in die Haut rückverteilen [45].Neuere epidemiologische Untersuchun-gen betonen hingegen die Bedeutungimmunsuppressiver Grunderkrankun-gen [45]. Die Therapie besteht aus derGabe Staphylokokken-wirksamer Anti-biotika und ggf. einer forcierten Diuresebzw. Dialyse.Eine andere intensivmedizinisch rele-vante bakterielle Toxinerkrankung mitkutaner Beteiligung ist das Toxic ShockSyndrome, das durch Staphylokokken,seltener durch Streptokokken, verursachtwird. Vielfach tritt das Krankheitsbild beiFrauen im Rahmen der Menses auf (soge-nannte „Tampon-Krankheit“). Unter in-tensivmedizinischen Bedingungen müs-sen insbesondere die nichtmenstruellenToxin-Schock-Syndrome beachtet wer-den, die ihren Ausgangspunkt von infi-zierten OP-Wunden oder Verbrennungs-verletzungen nehmen können [47]. Dieim Rahmen der Infektion gebildeten To-xine (in 75 % der Fälle: TSST-1) führenzu Fieber und Blutdruckabfall bis hinzum Multiorganversagen [47]. An derHaut zeigt sich, obwohl die Krankheitmeist staphylogen bedingt ist, ein anScharlach erinnerndes Bild mit einemmakulopapulösen Exanthem sowie ei-nem ödematösen Gesichtserythem mitperioraler Blässe. Nach überstandenerKrankheit ist eine handschuhartige Des-quamation der Palmae und Plantae ty-pisch. Neben der symptomorientiertenintensivmedizinischen Behandlung isteine auf Staphylo-/Streptokokken ausge-richtete Antibiotikatherapie essenziell.

Vaskuläre HautschädigungenErkrankungen, die schwerpunktmäßigmit einer Schädigung kutaner Gefäßeeinhergehen, können sich als Einblutun-gen, Nekrosen oder Livedozeichnungäußern. Häufige Ursache einer Purpura ist eineVasculitis allergica, die ein Immunkom-plexgeschehen darstellt. Klinisch bestehtin den abhängigen Körperpartien einepalpable Purpura. Histologisch zeigtsich das Bild einer Vaskulitis mit Zerfallneutrophiler Granulozyten (leukozyto-klastische Vaskulitis). Als Antigene sindmikrobielle Foci, Medikamente und Tumorerkrankungen von besonderer

Abbildung 4: Fasziitis necroticans mit hellrotemErythem und hämorrhagischen Blasen.

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Bedeutung. Wichtige Differenzialdia-gnose der Vasculitis allergica mit palpa-bler Purpura ist eine Purpura im Rah-men einer Thrombozytopenie oder-pathie, die typischerweise jedoch nicht

tastbar ist. Hiervon abzugrenzen ist dasklinische Bild der Purpura fulminans,bei der sich die zunächst kleinfleckigenLäsionen rasch zu flächigen, bizarr kon-figurierten Hautblutungen ausdehnen,die oft mit hämorrhagischen Blasen alsAusdruck einer Nekrose einhergehen[48] (Abbildung 5). Dieses Bild ent-spricht einer disseminierten intravasalenGerinnung, die histologisch durch eineThrombosierung korialer Blutgefäßecharakterisiert ist [48]. Die Auslösersind vielfältig, wobei unter intensivme-dizinischen Bedingungen virale und ins-besondere bakterielle Infektionen (Ta-belle 3) von besonderer Bedeutung sind.Im weiteren Verlauf der Erkrankungentwickeln sich oft akrale Nekrosen

(Abbildung 6), deren Entstehung durchdie parallel vielfach notwendige Gabevon Katecholaminen verstärkt werdenkann. Die Therapie richtet sich nach in-tensivmedizinischen Vorgaben [1].Eine andere Gruppe intensivmedizinischrelevanter Dermatosen, die ihren Aus-gang vom Gefäßsystem nehmen, stellendie Livedoerkrankungen dar. Hierbeihandelt es sich um eine netz- oder ran-kenförmige, livide makulöse Verfärbungder Haut, die Ausdruck einer verminder-ten arteriellen Perfusion ist [49].Während die gleichmäßig netzförmigeLivedo reticularis ein temperaturabhängi-ges funktionelles Phänomen einer durchKälte induzierten Zyanose darstellt, liegtder rankenförmigen Livedo racemosa einstruktureller Schaden der arteriellenStrombahn zugrunde [49, 50]. Lokali-siert findet sich dieses Bild als Folge einerEmbolia cutis durch Cholesterinkristalle,artifiziell intraarteriell injizierte Medika-mente oder – auf der Intensivstation – distal arterieller Zugänge. Hier kann sichin Folge der Embolie eine Nekrose aus-bilden. Derartige Nekrosen stehen beiokkludierenden Vaskulopathien klinischoft im Vordergrund und sind überwie-gend an den Beinen lokalisiert. Hier istdie Livedozeichnung in der Umgebungder Ulcera zu beobachten. Ursachen hierfür können verschiedene Formen von Vaskulitiden (ANCA-positive Vasku-litiden, Antiphospholipid-Antikörper- Syndrom, idiopathische Varianten) aberauch eine Hyperhomocysteinämie odereine Calciphylaxie bei terminaler Nieren-insuffizienz sein [51]. Bei der Wegener-schen Granulomatose kann die korrekteEinschätzung durch parallel bestehendesFieber, das fälschlicherweise an eine infektiöse Ursache denken lässt, erschwertwerden. In jedem Fall ist zur korrektendifferenzialdiagnostischen Einordnungeine histologische Untersuchung wich-tig, wobei sich die Aussagekraft durchmehrere Biopsien (nach eigenen Erfah-rungen mindestens n = 3) deutlich erhöhen lässt.Diese Zusammenstellung häufiger undgewichtiger Hauterkrankungen des in-tensivtherapiepflichtigen Patienten un-terstreicht die Bedeutung der interdiszi-plinären Betreuung intensivpflichtigerPatienten, in die die Dermatologie sinn-voll integriert werden sollte. <<<

InteressenkonfliktKeiner.

Abbildung 6: Akrale Nekrosen bei disseminierter intravasaler Gerinnung.

Abbildung 5: Disseminierte intravasale Gerinnung mit Purpura fulminans. Bizarr konfigurierte Ne-krose mit hämorrhagischer Blase.

Tabelle 3: Häufige bakterielleAuslöser einer Purpura fulminans[nach 48].

• Meningokokken• Staphylokokken• ß-hämolysierende Streptokokken• Pneumokokken• Haemophilus influencae• Rickettsia rickettsii

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KorrespondenzanschriftPriv.-Doz. Dr. med. Matthias FischerKlinik für Dermatologie und VenerologieHELIOS-Klinikum AueGartenstraße 6D-08280 AueTel.: +49-3771-581-416Fax: +49-3771-581-646E-Mail: [email protected]

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