dialog 04-06_2013

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April/Mai/Juni 2013 issn 2193-8849 Gemeinsam glauben, leben, handeln – die Hochschule im Gespräch Warum ich in Friedensau lehre und forsche Seite 2 Soziale Arbeit – Die barmherzige Seite der Gesellschaft? Seite 4 Der schwere Weg aus der Sucht Seite 6 Studieren und leben in Friedensau Seite 7 Berichte aus der Hochschule und vieles mehr ... FRIEDBERT NINOW Das Sommer-Special in Friedensau Dank an Bibliothekar Ralph Köhler Seite 12 Seite 15 Friedensauer Sommerakademie 30.07. - 03.08.2013

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Das Hochschulmagazin der Theologischen Hochschule Friedensau

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April/Mai/Juni 2013

issn 2193-8849

Gemeinsam glauben,

leben, handeln –

die Hochschule

im Gespräch

Warum ich in

Friedensau lehre

und forsche

Seite 2

Soziale Arbeit –

Die barmherzige Seite

der Gesellschaft?

Seite 4

Der schwere Weg

aus der Sucht

Seite 6

Studieren und leben

in Friedensau

Seite 7

Berichte aus der

Hochschule

und vieles mehr ...

FRIE

DB

ERT

NIN

OW

Das„Sommer-Special“

in Friedensau

Dank an

Bibliothekar

Ralph Köhler

Seite 12

Seite 15

F r i e d e n s a u e r S o m m e r a k a d e m i e30.07. - 03.08.2013

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von Bernhard Oestreich

In Friedensau lehre ich Neues Testa-ment, und das schon lange. Als Dozent andieser Hochschule ist es meine Aufgabe,die Bibel zu erforschen und die Studentenzu lehren, es ebenfalls zu tun. Warummache ich das? Ich hätte Gelegenheitgehabt, in eine andere Tätigkeit zu wech-seln. Ich bin geblieben, weil ich meineArbeit in Friedensau liebe. Dafür gibt esmehrere Gründe:

1. Entdeckungen in der BibelDie Bibel ist ein faszinierendes Buch. Es

kommt aus einer anderen Zeit und eineranderen Kultur. Darin zu lesen, das ist, wieeine Weltreise zu unternehmen, wo manDinge sieht, die man sich nicht im Traumvorgestellt hätte. Da begegnet man Men-schen, die dieselben Fragen haben wie wir,die aber völlig anders damit umgehen undauch zu völlig anderen Antworten kom-men – wenn es eine Antwort gibt. DieMenschen der Bibel essen und schlafen,freuen sich und trauern, streiten und lie-ben, genau wie wir. Aber sie essen ande-res, zum Beispiel Heuschrecken (Mt 3,4),sie schlafen als ganze Familie auf Mattenim erhöhten Teil des einzigen Raumes ihresHauses (Lk 11,7), wenn sie feiern, dannölen sie sich die Haare ein (Ps 23,5; Lk7,46), wenn sie trauern, reißen sie ihrGewand am Halsausschnitt ein (1Kön21,27; Mt 26,65), im Streit werden sie ger-ne richtig laut und drastisch (Apg 11,2;15,7 – nun gut, das machen wir manchmalauch) und wenn sie der Liebsten ein Kom-pliment machen, dann sagen sie: „DeineNase ist wie der Turm, der nach Damaskusschaut“ (Hld 7,5). Natürlich klingt das allessehr fremd. Aber das ist ja das Spannende

Liebe Leserin,lieber Leser,nach welchen Kriterien suchen sichMenschen Beruf und Arbeitsstelleaus? Welche Voraussetzungen stehenganz vorne in der Skala ihrer Wün-sche? Was erwarten sie, was erwarteich von meinem Job: Geld, Aufstiegs-möglichkeiten, Macht, Selbstver-wirklichung, Anerkennung, Freude,Glück? Gewiss hat hier jeder seineeigenen Präferenzen und eine guteMischung aus allem wäre uns sicherlieb. Das Wichtigste, das uns eineArbeit geben kann, fasst ein irischerSegenswunsch zusammen: „Mögedie Freude dein Herz erwärmen,wenn du an deine Arbeit gehst.”

Ob wir Lernende oder Lehrende sind,die Freude an dem, was wir tun, istder Schlüssel zu unserem eigenenGlück und ist auch das, was unserUmfeld positiv beeinflusst.

Mit der Frage nach dem Motiv unse-rer Studierenden und Lehrenden,nach dem Grund ihrer Entscheidung,Friedensau als Studien- bzw. Arbeits-ort zu wählen, wollen wir auch einenkleinen Einblick in die Berufe geben,die über ein Studium an der ThHFergriffen werden können. Sie habenalle vorrangig mit Menschen zu tun.Wer hier studiert oder in einem dieserden Menschen zugewandten Berei-chen lehrt, hat sich entschieden,auch für den Anderen da zu sein.

Menschen, die sich professionell umdiejenigen kümmern, die Hilfe, Weg-weisung und Zuspruch benötigen,sind heute gefragter denn je. Sieüben Berufe aus, die befriedigen underfüllen. Karriere und Geldverdienenallein bringen nicht die stärkendeund nachhaltige Zufriedenheit, diewir doch alle anstreben.

So sind wir hier in Friedensau auchsehr glücklich darüber, dass wir die-sen Dienst für unsere Gesellschaftund unsere Kirche leisten dürfen undmit 150 Jahren im Rücken voll Ver-trauen in die Zukunft schauen kön-nen. Dank allen, die die TheologischeHochschule Friedensau mit ihrenGaben und Gebeten in ihrer Arbeit sosehr unterstützen.

Martin Glaser

DIALOG-Redaktion

Warum ichin Friedensau

lehre undforsche

daran. Wenn wir nur das sehen und erle-ben wollten, was wir kennen, weil wirdamit aufgewachsen sind, dann dürftenwir keine Reisen machen. Wie langweilig!Wenn uns die Bibel nicht zunächst fremderscheint, dann haben wir sie nicht so gele-sen, dass sie zu ihrem eigenen Rechtkommt. Wie unfair!

Allerdings, wenn uns die Bibel in einefremde Welt führt, dann muss man damitrechnen, dass sie nicht einfach bestätigt,was wir sowieso denken. Das kann unan-genehm sein. Zum Beispiel kann esgeschehen, dass ein vertrauter Bibelspruchgar nicht das sagt, was ich immer dachte.Wie war ich erschrocken, als ich feststellte,dass die Sprache in Psalm 139,5 Kriegsbil-der der Antike verwendet: „Von allen Sei-ten umgibst du mich“ – wie eine vomFeind umzingelte Stadt, die so lange bela-gert wird, bis sie ausgehungert ist undkapitulieren muss. „Und deine Hand liegtschwer auf mir“ – so drückte man es aus,wenn eine Stadt unterjocht wurde und Tri-but zahlen musste (Ri 1,35; vgl. 1Sam5,6 f.; Ps 32,4). Zwar ist der Vers so ver-standen kein Spruch für eine Postkarte, istaber im Zusammenhang des Psalms vielplausibler, denn der Beter setzt fort:„Wohin soll ich fliehen?“ (V. 7). Natürlich,wenn die Stadt belagert ist, wenn dieÜbermacht zu groß ist, dann kann mannicht entkommen. Man kann dem all-mächtigen Gott nicht entkommen – nichteinmal durch Selbsttötung (V. 8), wie Jonaes versuchte (Jona 1,12).

Wenn die Bibel in eine fremde Weltführt, dann kann es auch geschehen, dasseine Argumentation oder eine Handlungs-weise, die ich aus der Bibel erkannt oderfraglos übernommen habe, gar nicht so

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fraglos richtig ist. Das ist noch unange-nehmer. Dann muss ich mich korrigierenlassen.

Ich vergesse nie eine Predigt, die ich amAnfang meines Predigtdienstes gehaltenhabe. Damals, vor etwa 40 Jahren, habeich über die „Zeichen der Zeit“ gespro-chen und den Hörern vor Augen geführt,wie gefährlich nahe das Ende ist. Ich habeihnen Angst gemacht. Das war damals soüblich. Später ist mir bewusst geworden,dass die Endzeitrede Jesu das Gegenteilbewirken will. Sie will die Angst und dieAufregung reduzieren, damit wir beiAlarmmeldungen gelassen bleiben (Mt24,4–5.23–25). Vor allem habe ichgelernt, dass der Kern der Endzeitrede dieVorfreude ist (Lk 21,28). Ich schäme michnoch heute meiner verkehrten Predigt.Aber – was wäre das eigentlich für eineBibel, die uns nicht korrigieren würde, dieniemals sagen könnte, dass wir uns geirrthaben? Wir sind doch alle nur Menschen.Ein Unfehlbarkeitsdogma haben wir nicht.Das gehört zum Erbe unserer Kirche, dassunsere Väter und Mütter im Glauben dieihnen überkommenen Glaubenslehrenhinterfragt und an der Bibel geprüfthaben. Sollen wir heute hinter diesen Geistdes Fragens und Forschens zurückfallen?

Nicht unwichtig ist etwas anderes, wasich beim Studium der Bibel entdecke. Vie-le Texte sind schön. Da entdeckt man diesprachliche Kunst der Autoren, ihre Sorg-falt beim Formulieren der Gedanken, ihreKompetenz im Kommunizieren mit Zuhö-rern. Wie könnte es anders sein: Eine schö-ne Botschaft verlangt auch eine schöneForm. Aber es steckt noch mehr darin. Einesprachliche Äußerung vermittelt nicht nureinen sachlichen Inhalt, sondern zugleich

Bernhard Oestreich, Ph.D., ist Dozent fürNeues Testament an der Theologischen Hochschule Friedensau

etwas über die Person des Sprechers.Wenn man die Texte genau liest, dann hörtman nicht nur, worüber sie informieren,man hört die Freude und das Leid derAutoren, man hört, worüber sie sich aufre-gen, was sie gelassen macht und woraufsie ihr Leben gründen. Die Bibel zu lesen,das ist nicht wie das Studium eines Fahr-plans, um zu wissen, wann man losgehenmuss und wann man ankommt. Bibelstu-dium ist das Kennenlernen von Menschen,ist das Hören ihrer Stimme, die durchlebendigen Atem entsteht, ist das Lau-schen auf ihren Herzschlag, der etwas vonihrem inneren Wesen offenbart. Man lerntMenschen kennen, die mit ihrer ganzenPersönlichkeit bezeugen, was sie mit Gotterlebt haben und worauf sie sich nun ver-lassen.

Noch mehr: Wer etwas sagt, der infor-miert nicht nur über einen Sachverhalt, ergibt nicht nur etwas von sich selbst zuerkennen, sondern er macht etwas mitdenen, die zuhören. Das ist für das Bibel-studium wichtig, weil die biblischen Texteaus einer Kultur kommen, in der – andersals heute – das gesprochene Wort vielwichtiger war als das geschriebene. Manhat die Texte vor der Gemeinde oder ande-ren Zuhörern vorgetragen (1Thess 5,27;Offb 1,3). Immer waren Menschengrup-pen beteiligt, nie einzelne Hörer. Was woll-te der Schreiber bewirken, was sollte beimZuhören passieren? Sollten sich die Zuhö-rer miteinander versöhnen, sollte sich dieGemeinde von bestimmten Leuten distan-zieren, sollten sie jemandem helfen, solltensie gemeinsam singen oder fester zusam-menrücken? Wenn wir heute die Bibelallein und für uns selbst studieren, dannmerken wir oft gar nicht, was die eigentli-che Absicht des Schreibers war. Dabei gibtes so unendlich viel zu entdecken.

2. Forschung über MethodikWie versteht man, was im Text gemeint

ist, wo er doch aus einer uns fremden Zeitund Kultur kommt? Wie sieht man dieSchönheit des Textes? Wie entdeckt manden Pulsschlag des Verfassers im Bibeltext?Wie merkt man, was beim Vortragen desTextes mit den Zuhörern passiert ist?Natürlich, man muss genau hinsehen. Undman muss den ganzen Text lesen, nichtnur ein paar Sätzchen herauspicken.Soweit ist es einfach – sollte man meinen.Aber kann es nicht geschehen, dass maneine Bedeutung in den Text hineinliest, diegar nicht drinsteht? Woher weiß man, dassder Verfasser eine bestimmte Wirkung beiden Zuhörern erreichen wollte? Landenwir da nicht bei wilden Spekulationen? Wirbrauchen verlässliche Methoden. UnsereMethoden müssen dem Bibeltext entspre-chen, also ihn zu Wort kommen, ihn aus-reden lassen. Es müssen Methoden sein,die uns helfen, unsere Denkvoraussetzun-gen, unsere modernen Fragen und unserefertigen Antworten zunächst zur Seite zusetzen, damit der Text sagen kann, was ersagen will. Nicht selten benutzen wir bib-lische Texte, damit sie uns unsere Gedan-ken bestätigen oder unsere Fragen beant-worten. Was aber, wenn unser Denken

daneben liegt oder unsere Fragen falschgestellt sind? Das sind Probleme, die michintensiv beschäftigen. Welche Möglichkei-ten bieten die bisherigen Methoden derBibelauslegung, wo sind ihre Grenzen?Was kann zum Beispiel die beliebte Metho-de leisten, Sätze aus verschiedenenBüchern der Bibel zusammenzutragen, umeinen Gedanken zu „beweisen“? Was gehtbei dieser Methode verloren? In den letz-ten Jahren habe ich – zusammen mit ande-ren Forschern – intensiv daran gearbeitet,eine neue Methode der Bibelauslegung zuentwickeln, die damit ernst macht, dassman damals die Texte nicht still für sichselbst gelesen hat, sondern hörbar (vgl.Apg 8,30) und in Gemeinschaft (Offb 1,3).Es ist schön, Neues zu entdecken und inden Texten den Menschen zu begegnen,die damals geschrieben, vorgelesen undzugehört haben.

3. Lehren der StudentenEs macht viel Freude, die Bibel zu stu-

dieren, aber es ist nur halbe Freude, wennman es nicht weitergibt. Was ich in denTexten entdecke, aber vor allem, welcheWege zu beschreiten sind, um in der Bibeletwas zu entdecken, das gebe ich an dieStudenten weiter und an Lernwillige in denGemeinden. Das ist eine wunderbareArbeit. Schon deshalb, weil ich nichtimmer dasselbe sagen muss. Studium istWachstum – gerade auch bei mir selbst.Ich habe in meiner Zeit in Friedensauimmer wieder die Kurse verändert, erwei-tert, auch neue Lehrfächer konzipiert. Mei-ne Lehre ist gewissermaßen mit meinerForschung mitgewachsen. Was mich selbstbegeistert hat, erreicht die Studenten. Sielernen Bewährtes und Neues. So soll essein (Mt 13,52).

Aber es gibt noch einen wichtigerenGrund, warum das Lehren etwas Wunder-bares ist: Ich profitiere von den Studenten.Jedes Jahr kommen neue. Kaum zu glau-ben, wie verschieden die Jahrgänge sind.Ich habe solche Gruppen erlebt, die kri-tisch und rebellisch waren. Anstrengendwar das – aber vor allem schön! Solche Stu-denten fordern heraus. Sie fragen und fra-gen, sie nehmen nichts selbstverständlich,sie finden die schwachen Stellen. Und dasist gut. Ich habe ihnen viel zu danken. Ichhabe Studenten erlebt, die waren leicht zuführen, dankbar und lernwillig. Wir hatteneine gute Zeit zusammen. Und dann gabes Gruppen, die hatten es schwer zu ler-nen. Sie forderten viel Überlegen, wie dieInhalte zu vermitteln sind, sodass alles gutverstanden wird. Ihnen habe ich viel zudanken, weil an ihnen meine Lehrmetho-den gewachsen sind. Vor allem habe ichdenen zu danken, die intensiv mitgedacht,die meine Anregungen aufgegriffen habenoder eigenen Forschungsfragen nachge-gangen sind. Von ihnen habe ich beson-ders viel gelernt.

Noch etwas ist wichtig: Die Studentensind (fast) immer jung. Immer wieder kom-men neue mit einem neuen Blick auf dieWelt. Sie bringen immer das mit, was gera-de läuft, den letzten Trend, die geradebrennenden Fragen, die aktuellen Proble-

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Soziale Arbeit –

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me der Gesellschaft und auch der Gemein-de. Sie bringen nicht nur Gutes mit nachFriedensau. Aber sie bewahren uns davor,stehenzubleiben. Wer in Friedensau lehrt,bleibt am Puls der Zeit. Auch das schätzeich an meiner Arbeit.

4. Gottes Stimme hörenNun das Wichtigste, was mich an mei-

ner Arbeit in Friedensau fasziniert: Das For-schen in der Bibel und das Lehren ist eineChance, Gottes Stimme zu hören. Ich glau-be, dass uns in der Bibel das Wort Gottesbegegnet. Vor allem begegnet uns dortChristus selbst, der das Wort Gottes ist (Joh5,39). Aber was heißt das. Es heißt nicht,dass uns das Wort Gottes einfach in dieHand gegeben ist, wie man ein Buch zurHand nehmen und lesen kann. Wäre es so,Gottes Wort wäre uns ausgeliefert, unserenMissverständnissen, unseren Manipulatio-nen, auch dem Missbrauch für unsere Inte-ressen und unserem Machtstreben. Habennicht immer wieder Kirchen und einfluss-reiche Personen Menschen unterdrücktund ausgenutzt und dazu Bibeltexte als„Gottes Wort“ zitiert? Niemand ist vor sol-chem Missbrauch sicher. Nein, wir habenGottes Wort nicht in der Hand. Wenn Gottes nicht schenkt, dass wir seine Stimmeheute hören, dann bleiben wir nur beiunseren eigenen Ideen und Auslegungen.Aber Gottes Wort ist nicht Sache unserereigenen Auslegung (2Petr 1,20) – undwäre sie noch so gelehrt oder akribisch.Deshalb muss Gott selbst aktiv werden,und zwar durch seinen Heiligen Geist.

Genau das ist das Wunderbare beim Stu-dium der Bibel. Wenn Gott es will, dannwird es geschenkt, dass uns das Wort derBibel anspricht, dass es ein Wort für unsheute ist, obwohl der Text aus einer ande-ren Zeit und Kultur stammt. Das sind wun-derbare Momente. Nicht selten geschiehtes, wenn wir das Wort gemeinsam studie-ren. Ich verdanke viel den Studenten, ihrenFragen und ihrer Aufmerksamkeit auf dasWort. Da erkennen wir, dass nicht wir Got-tes Wort zur Hand nehmen, sondern dasses uns in seine Hand nimmt. Wir legennicht fest, was es uns zu sagen hat und wel-che Idee es zu bestätigen hat, wir pickennicht Bibelverse heraus, die wir anhörenwollen und andere nicht. Wir setzen unsdem Wort aus, indem wir es zu Wort kom-men lassen, indem wir es gründlich und imZusammenhang studieren, indem wir dieandere Zeit und fremde Kultur beachten –und indem wir Gott bitten, das zu tun, waswir nicht tun können, nämlich uns zu zei-gen, was er uns heute mit diesem altenund fremden Wort sagen will. Bibelstudi-um ist immer Gebet, vertrauensvollesGebet. Gott hat versprochen, durch seinenGeist sein Wort für uns lebendig zumachen (das ist gemeint in Joh 14,26 und16,13–15). Darauf vertraue ich. Und esgeschieht. Was mir das Wort Gottes gesagthat, das kann ich bezeugen im Hörsaal undin der Predigt. Das ist das, was meineArbeit so schön macht: „Dein Wort warmeine Speise, sooft ich's empfing, unddein Wort ist meines Herzens Freude undTrost“ (Jer 15,16). n

barmherzigedie Seite der Gesellschaft

von Friedegard Föltz

Als Dozentin im Fachbereich ChristlichesSozialwesen lehre ich Soziale Arbeit undarbeite mit Studierenden, die sich auf dieAufgabe vorbereiten, Menschen und sozia-len Organisationen in unterschiedlichsterArt und Weise eine Stütze und Hilfe zu sein.Die Studierenden haben sich entschieden,ihre persönliche barmherzige Seite vonden Notlagen der Menschen und Schiefla-gen der Gesellschaft anrühren zu lassenund beruflich zu verfolgen.

Von Königin Victoria in England wirdberichtet, dass sie bei einem Ausritt an dieSlumbezirke Londons geriet und erschro-cken über das unerwartete Elend sich ihrenFächer vor die Augen hielt. „Der Fächer derKönigin“ kann ein Symbol sein für dasNicht-wissen-wollen, für das Verschließender Augen vor sozialem Elend. SozialeArbeit, die den Fächer zur Seite schiebtund auf Missstände hinweist, macht sichnatürlich auf der anderen Seite unbeliebt.Sie ist das schlechte Gewissen der Gesell-schaft. Soziale Arbeit gibt es, weil es einemTeil der Gesellschaft schlecht geht. WelcherArt ist eine Gesellschaft, die so etwaszulässt? Auf der anderen Seite dient Sozia-le Arbeit gerade deswegen zur Entlastungund zum Aufbau eines „guten Gewissens“

des Sozialstaates, weil sie tätig wird undTeilhabe an der Gesellschaft ermöglichenmöchte (Mühlum 2007, S. 19).

Durch die Jahrhunderte hindurch bisheute ist das Ziel Sozialer Arbeit, den Ein-zelnen oder auch Gruppen in die Gemein-schaft oder Gesellschaft (wieder) zu inte-grieren. Soziale Arbeit versucht, Antwortenund Lösungen für kritische Lebenslagenanzubieten, in die Menschen jeden Altersin dieser Gesellschaft kommen können.

Soziale Arbeit ist eine Humandienstleis-tung in Arbeitsfeldern wie Erziehung, Bil-dung, Beratung, Administration oder imGesundheitswesen. Wie viele andereHochschulen auch bildet Friedensau fürden Bereich Sozialwesen aus. Der Fachbe-reich „Christliches Sozialwesen“ umfasstunterschiedliche Studiengänge, die teil-weise auch berufsbegleitend angebotenwerden. Sie reichen vom Bachelor in Sozia-ler Arbeit, in Gesundheits- und Pflegewis-senschaften (in Kooperation mit dem Kran-kenhaus Waldfriede), dem Master Interna-tional Social Sciences (Internationale Ent-wicklungszusammenarbeit), Counseling(Beratung), Sozial- und Gesundheitsmana-gement bis zur Musiktherapie. Wertehal-tungen vor dem Hintergrund eines christ-lichen Menschenbildes bestimmen die

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Friedegard Föltz, M.A., ist Dozentin für Sozialpädagogik an derTheologischen Hochschule Friedensau

Vorgaben für einen Umgang mit Men-schen. Der Mensch wird als ein in allenAspekten von Gott gewolltes und geschaf-fenes Wesen begriffen, als eine Einheit vonKörper, Seele und Geist. Dieser holistischeAnsatz prägt die Einstellung zum Men-schen und zu all seinen Bedürfnissen. Sieschafft die Verpflichtung, ihm in allenLebenslagen bis zu seinem Lebensendehelfend beizustehen. Die Bibel berichtetvon vielen Begebenheiten, in denen Gottsich um die Menschen kümmert, die inirgendeiner Weise Hilfe benötigen, die„anders“ sind oder am Rande leben. Jederkann sich in ganz besonderer Weise seinereigenen menschlichen Existenz bewusstwerden, wenn er bedürftigen Mitmen-schen begegnet, wahrnimmt, dass sie aufseine Hilfe angewiesen sind und sich aufdie Herausforderung einlässt.

Soziale Arbeit versucht, mit den ihr eige-nen Ambivalenzen von Berufsarbeit undNächstenliebe, Ethik und Pragmatik, Pro-blem und Lösung, Integration und Desin-tegration, Hilfe und Kontrolle, Hilfe undoder Nichthilfe umzugehen (vgl. Kleve2000/2007). Dies wird immer auch Arbeitund Prozess in der Sozialen Arbeit bleiben.Dazu braucht es ein fundiertes Fachwissenund professionelle Kompetenzen. Es gilt,für alle Lebensalter etwas mehr Gerechtig-keit und menschliche Wärme in das indivi-duelle Leben zu bringen oder oftmals auchnur für den Erhalt eines Status quo zukämpfen. Soziale Arbeit ist damit nicht nurArbeit mit Individuen, Gruppen oder inStadtteilen, sondern auch politischeArbeit. Ziel ist die nachhaltige Verbesse-rung von prekären Lebenslagen bzw.deren Prävention.

Inzwischen nehmen auch immer mehrfremdberufserfahrene Erwachsene ein Stu-dium der Sozialen Arbeit auf. Sie orientie-ren sich teilweise völlig um, nachdem vie-le Lebensbereiche bereits festgefügt sind.Äußere oder innere Umstände lassen eineBilanz ziehen: Was habe ich bisher in mei-nem Leben gemacht/erreicht? Was möch-te ich tun? Warum habe ich das eine oderandere nicht oder noch nicht verwirklicht?Was wird auf meiner Beerdigung übermich gesagt werden können?

Erfreulich für das Sozialwesen ist auch,dass sich zunehmend männliche Studie-rende für diesen Bereich interessieren. Daaktuell die Bedürfnisse von Jungen in denElementarinstitutionen ins Blickfeld treten,könnten hier Mädchen und Jungen durchmännliche Vorbild- und Bezugspersonen inihrer Identitätsbildung profitieren.

Als Motivation für das Studium gebenStudierende zum Beispiel an: „Ich war inden Naturwissenschaften zu Hause, aberich habe gemerkt, dass ich etwas mit Men-schen machen will“, „ich liebe es, mitMenschen zu tun zu haben“, „ich interes-siere mich für Beziehungen und Interaktio-nen zwischen Menschen“ oder schlicht:„Ich möchte anderen helfen.“

Albert Schweitzer wird der Ausspruchzugeschrieben: „Das einzig Wichtige imLeben sind die Spuren von Liebe, die wirhinterlassen, wenn wir weggehen.“

Etwas Sinnvolles tun im Leben, auf die-ser beruflichen Art Spuren zu hinterlassen,das ist nicht nur der Wunsch Studierender,die sich ganz bewusst noch einmal füreinen beruflichen Richtungswechsel ent-scheiden. Andere merken, dass sie nochZusatzqualifikationen brauchen könnten,um sich in ihrem angestammten sozialenBeruf weiterzuentwickeln und neue Zieleanzugehen. Das entspricht auch demgesellschaftlichen Zug des sogenannten„lebenslangen Lernens“ und dem Phäno-men von diskontinuierlichen Erwerbsbio-grafien. Es bedeutet, dass Menschen sichheute nicht mehr darauf verlassen können,den einmal gewählten Beruf auch ihr gan-zes Leben in dieser Weise ausüben zu kön-nen, selbst wenn sie es wollten. Die Anfor-derungen an die Mobilität und Flexibilitätdes Einzelnen haben mit den gesellschaft-lichen Umbrüchen, mit Arbeitslosigkeit,Europäisierung und Globalisierung starkzugenommen. So soll das Studium imBereich Sozialwesen ebenfalls nicht nur fürEinsatzgebiete innerhalb Deutschlandsqualifizieren, sondern auch für das euro-päische Ausland und globale Einsatzorte.

Einige der Studierenden verlassen fürdieses Studium auch ihr Land, ihr gewohn-tes Umfeld, Freunde und Familie für langeZeit – Friedensau ist sehr international. DieStudierenden haben sich ein großes per-sönliches Ziel gesteckt: sich ausbilden zulassen für den Dienst am Menschen.

Das holistische Verständnis gilt auch „fürden Prozess des Studiums, indem nebender akademischen auch die persönlicheund soziale Verantwortung gefördert wird.Die Studierenden sollen die nötigen Kennt-nisse und Fähigkeiten erwerben, um Auf-gaben in der Gesellschaft zu übernehmen.Dazu gehört ein klares Verständnis für diakonische, ethische, gesellschaftliche,sozialwissenschaftliche, ökologische, wirt-schaftliche, rechtliche, pädagogische, psy-chologische und gesundheitliche Aspekte,die in ihrem interdisziplinären Zusammen-hang gesehen werden müssen“ (Auszugaus der Praktikumsordnung).

Ein Studium verändert – die Umgebung,eine andere Kultur, die Menschen sowiedie Art der Informationen geben die Mög-lichkeit, das Bild von der Welt und von mirselbst zu erweitern. Dazu gehört unteranderem, sich und seine Motive für diesensozialen Beruf auf den Prüfstand zu stellen.Wie in anderen Berufssparten mit viel Men-schenkontakt und hohem ideellem Enga-gement (z. B. LehrerInnen, ÄrztInnen, Pas-torInnen) gibt es in den sozialen Berufenein hohes Risiko für ein Burnout („Aus-brennen“). Persönliche Berufsmotive oderinnere Antreiber zu kennen und eine ent-sprechende Psychohygiene zu betreiben,sind die Voraussetzungen für ein ausbalan-ciertes und effektives Arbeiten. Das meintnicht nur, sich auch wirklich freie Zeiten zunehmen und auf eine Balance von Arbeitund Leben zu achten, sondern, vor allenDingen, gute eigene Grenzen aufzubauenund möglichst klug seine Energien einzu-setzen. Denn nicht nur auf der gesell-schaftlichen Ebene geht es bei Barmher-zigkeit um die möglichst gerechte Vertei-

lung von Ressourcen mit Sinn und Ver-stand, um Nachhaltigkeit zu bewirken.Barmherzigkeit, Helfen-Wollen, einansprechbares Herz für die Nöte andererbieten sich geradezu an, auch ausgenutztzu werden. Diese Gefahr ist die andere Sei-te der Barmherzigkeit. Es bedeutet, sichvon Emotionen leiten zu lassen, den Blickfür eine größere Wirkung zu verlieren. Sichhier unkritisch dienstbar machen zu lassen,bringt es eventuell sogar mit sich, dassUngerechtigkeiten unterstützt werden.Wer kennt nicht den inneren Konflikt beider Frage, ob man spenden soll beimAnblick manch eines Bettlers in Deutsch-land: „wirklich hilfebedürftig oder Abzo-cke“?

Um Ressourcen möglichst gerecht anBedürftige zu verteilen, hat sich in theore-tischen Ansätzen eine ProfessionalisierungSozialer Arbeit mit unterschiedlichenAnsätzen herausgebildet. In der Praxisspielt eine sozialintegrative, professionelleSchau auf Soziale Arbeit die größte Rolle.In deren Tradition steht auch Friedensaugegenüber kritisch-rationalen oder marxis-tisch-materialistischen Ansätzen. Das ganz-heitliche Bild vom Menschen, sein Person-Sein und seine Personenwürde, findetnicht nur im Umgang mit den MenschenEingang, sondern auch in den gewähltentheoretischen Zugängen. Ein Beispiel wäreaus diesem Grund die Ablehnung desAnsatzes eines Vorläufers des sozialdarwi-nistischen Gedankens, des britischen Sozi-alökonomen und Pfarrers Robert Malthus(1766–1834). Er führt aus, dass SozialeArbeit bei menschlichen oder gesellschaft-lichen Problemen nicht eingreifen sollte,denn die Natur regele durch Not undElend soziale Probleme von selbst. DerTisch des Lebens sei eben nicht für allegedeckt (Scherpner 1962, S. 116 f.). Diesist nicht etwa ein Ansatz aus vergangenenEpochen; in Zeiten schwindender finan-zieller Ressourcen wird er nach wie vor inunterschiedlichen Ausprägungen disku-tiert. Sozialintegrative Ansätze demgegen-über bauen mit zunehmender Intensitätder Probleme auf präventiven, kompensa-torischen, kurativen und rehabilitativenMaßnahmen der Hilfe auf (Mühlum 1996,S. 108).

Ziel Sozialer Arbeit ist, entschlossenesund angemessenes Handeln auf die Wahr-nehmung von Hilfebedürftigkeit hin inmöglichst effektive Wege zu bringen. Hel-fen im professionellen Sinn ist damit mehrals „gesunder Menschenverstand“. Oftwird in Situationen deutlich, dass eineGegebenheit vorliegt, die ein besonderesHandeln verlangt. Mit einem normalenpädagogischen Geschick kommt manetwa bei einer generalisierten Angststö-rung oder anderen Verhaltensauffälligkei-ten, wie zum Beispiel dem Aufmerksam-keitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom inAnforderungssituationen wie in der Schu-le, nicht allzu weit. Hier ist Fachwissengefragt. Mit einem normal einfühlsamenHandeln würde man an manchen Stelleneventuell sogar für eine Verschlimmerungder Situation sorgen. So geht es in der pro-fessionellen Sozialen Arbeit auch manch-

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Prof. Dr. med. LotharSchmidt, Dozent für

Sozialmedizin an derTheologischen

Hochschule Friedensau

mal gerade um ein „Nein“, um reflektierteNichthilfe oder eine Strukturierung der Hil-fe.

In unserer heutigen komplexen Gesell-schaftssituation reichen keine einfachenLösungen. Die Probleme sind zu vielfältigund zu individuell. Deswegen ist es heuteauch gang und gäbe, multimodal undinterdisziplinär an Probleme heranzuge-hen. Einzelne Berufssparten können keinMonopol mehr und keinen Anspruch aufalleinige Heilungsgarantie für sich bean-spruchen. Das wird zunehmend ebensobei Krankenkassen spürbar, die immermehr Therapien und Therapiearten inihrem Erstattungskatalog führen. Auch inden unterschiedlichen Fachgebieten, diean die Soziale Arbeit angrenzen oder Über-schneidungen mit ihr aufweisen, ist Fach-wissen gefragt.

Menschen auf ihrem individuellen Weg,ihrem eigenen Lebensentwurf zu begleitenund ihre Potenziale fördern zu helfen,sodass sie für sich selbst und ihr Leben dieVerantwortung übernehmen können, isteine lohnende Aufgabe. Es hat etwas vontätiger Liebe, Menschen jeden Alters aufAugenhöhe zu begegnen und ihnen etwasmitzugeben, was sie sonst vielleicht nichterhalten hätten: sei es materielle Hilfe, seies ein freundliches Entgegenkommen,eine Ermutigung, aber auch manchmaleine Konfrontation.

Albert Schweitzer und viele anderebekannte und unbekannte Menschenhaben ihre Spuren hinterlassen. In diesemSinne ist auch das, was der Einzelne durchdie Mehrdimensionalität in der SozialenArbeit als Beruf in Gesellschaften dazu bei-tragen kann, dass es ein bisschen wärmerund gerechter zugeht, keine idealistischeIllusion. Es wird Realität, wenn die kleinenSchritte dahin gegangen werden. Unddazu möchte Friedensau mit unterschied-lichen Ausbildungen im Dienst für Men-schen auf Grundlage christlicher Werteund Haltungen beitragen. Soziale Arbeit –die barmherzige Seite der Gesellschaft? Ja– und dabei ist unsere Gesellschaft sobarmherzig wie jeder Einzelne, jeder hin-terlässt seine persönlichen Spuren. Wirkönnen es bewusst tun, denn wir habeneinen „Vater der unerschöpflichen Barm-herzigkeiten, der uns nie verzweifeln lässt“(2Kor. 1,3). n

Literatur:

Kleve, Heiko: Die Sozialarbeit ohne Eigenschaf-ten. Fragmente einer postmodernen Professi-ons- und Wissenschaftstheorie Sozialer Arbeit.Freiburg im Breisgau 2000.

Kleve, Heiko: Postmoderne Sozialarbeit. Einsystemtheoretisch-konstruktivistischer Beitragzur Sozialarbeitswissenschaft. Wiesbaden 2007.

Mühlum, Albert: Sozialarbeit und Sozialpäda-gogik. Ein Vergleich. Frankfurt am Main 1996.

Mühlum, Albert: Hat Soziale Arbeit ein Politi-sches Mandat? Ein Rückblick in die Zukunft. In: Manfred Lallinger und Günter Rieger: Repolitisierung Sozialer Arbeit. Engagiert undprofessionell. Stuttgart 2007, S. 15–31.

Scherpner, Hans: Theorie der Fürsorge. Göttingen 1962.

tungsstellen bestätigt. Da diese RegelungProbleme auslöste, experimentiert die Mit-teldeutsche Rentenversicherung mit einemnahtlosen Übergang von der Entgiftung indie Entwöhnung. Nach einer Studie neh-men etwa 45 % der Alkoholkranken in denmitteldeutschen Ländern eine Entgiftungs-behandlung in Anspruch, aber nur knapp5 % eine Entwöhnungsbehandlung. Dadurch Fortsetzung der Krankheitsentwick-lung vermehrt Frühberentungen anfallen,ist die Frage nach den Ursachen der Ableh-nung einer Entwöhnungsbehandlung fürdie Rentenversicherung von großer Bedeu-tung. Sie gab deshalb dem Institut denAuftrag, über die Ursachen aus der Sichtder Betroffenen zu forschen. Um heraus-zufinden, was Alkoholabhängige abhältund was sie motiviert, eine Entwöhnungs-behandlung durchzuführen, wurden 39Interviews und 397 Fragebogen an alko-holkranke Patienten in Entzugs- und Ent-wöhnungseinrichtungen Mitteldeutsch-lands ausgewertet. Die Analyse der Inter-views ergab, dass materielle und sozialeÜberlegungen die Langzeitentwöhnungvon drei Monaten verhindern, zum Bei-spiel die Angst, den Arbeitsplatz, den Part-ner und die Verantwortung für den Alltagzu verlieren. Gehindert wird die Teilnahmeauch durch mangelnde Krankheitseinsicht,durch die Meinung, nicht abhängig zu seinund den Alkoholkonsum selbst wiedersteuern zu können. Hinzu kommt dieAngst, durch die Teilnahme an einer Ent-wöhnungsbehandlung als Alkoholikergesellschaftlich abgestempelt und abge-wertet zu werden. Dagegen zeigt sich,dass die Wahrnehmung der Abhängigkeitund ihrer Folgen, zunehmender Leidens-druck und seelische Tiefpunkte die Bereit-schaft zur Teilnahme fördern.

Alkoholismus ist eine tückische Krank-heit. Sie fängt harmlos an und braucht zurEntwicklung ihres Vollbildes mit deutlicherEntzugssymptomatik viele Jahre, infiltriertund schädigt alle Lebensbereiche und ver-kürzt unbehandelt das Leben. Da Alkohol-kranke sozial immer noch abgewertet wer-den, wehren sich Betroffene, dies zu sein.Zwischen dem ersten Auftreten von Sucht-problemen und der Inanspruchnahme vonBehandlung verstreichen in der Regelmehr als 12 Jahre.

In Deutschland zeigen rund 9,5 Millio-nen einen riskanten und etwa 2 Millioneneinen missbräuchlichen Alkoholkonsum.Etwa 1,3 Millionen Menschen im Alter von18 bis 64 Jahren sind alkoholabhängig;dazu kommen noch etwa 400.000 älterePersonen, die ähnlich konstituiert sind. Dervolkswirtschaftliche Schaden durch Alko-holismus ist im Jahr 2007 auf 26,7 Milliar-den Euro jährlich geschätzt worden.

In Deutschland steht mit Beratungsstel-len, Entzugskliniken und Rehabilitations-einrichtungen ein besonderes Hilfesystemfür Suchtkranke zur Verfügung. Die Kran-kenkassen übernehmen die Kosten für dieEntzugs-/Entgiftungsbehandlung, die Ren-tenversicherungsanstalten für die Entwöh-nungsbehandlung. Am 1. Juli 2001 trateine Vereinbarung über die Zusammenar-beit der Krankenkassen und Rentenversi-cherungsträger in Kraft. Ziele der Behand-lung Alkoholabhängiger sind dauerhafteAbstinenz sowie die Eingliederung inArbeit, Beruf und Gesellschaft.

Nach der Empfehlungsvereinbarungwerden Entwöhnungsbehandlungen nurbewilligt, wenn Maßnahmen der Beratungund Motivation vorangehen. Die Motivati-on wird im Sozialbericht durch die Bera-

Der schwere Weg

aus derSucht

Das Institut für Sucht- und Abhängigkeitsfragen der Theologischen HochschuleFriedensau erhielt den Auftrag, über einen Zeitraum von zwei Jahren Ursachender Widersprüchlichkeit in der Inanspruchnahme von Rehabilitation bei Alkohol-abhängigkeitserkrankung in den mitteldeutschen Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu forschen.

von Lothar Schmidt

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Von den 397 Patienten, die sich an derFragebogenstudie beteiligten, waren 228in der Entwöhnungs- und 169 in der Ent-giftungsbehandlung. In beiden Gruppenbefanden sich 81 % Männer und 19 %Frauen. Das Durchschnittsalter der Patien-ten in der Entwöhnungsbehandlungbetrug 45,2 Jahre, derjenigen in der Ent-giftung 43,3 Jahre. Zwei Drittel der Patien-ten in der Entwöhnungsbehandlungwaren ledig oder geschieden, diesemFamilienstand gehörten unter denen in derEntgiftung 46,1 % der Probanden an. 130(57,3 %) der Patienten in der Entwöhnungwaren arbeitslos, in der Entgiftung 76(46,1 %).

Die Ergebnisse auf die Frage nach denBehandlungsvorerfahrungen ergaben,dass von den 228 Patienten in der Ent-wöhnungsbehandlung 62 % schon meh-rere Entgiftungsbehandlungen durchge-macht hatten, maximal 50. Aber auch vonden 169 Patienten in der Entgiftungsbe-handlung hatten 59 wenigstens eine Ent-wöhnungsbehandlung hinter sich, einigesogar mehrere.

Von den Patienten in der Entwöhnungs-behandlung hatten 71 früher eine solcheabgelehnt. Nach den Gründen gefragt,gaben diese an, sich lange nicht als alko-holabhängig gesehen und geglaubt zuhaben, das Alkoholproblem allein lösen zukönnen. Darum wollten sie auch nichtüber das Problem reden und um Hilfe bit-ten. Es bestanden Ängste, als Alkoholikergesehen und diskriminiert zu werden. Esfehlte an Krankheitseinsicht. Auch der Ver-zicht auf Alkohol wurde abgelehnt.

Von den 169 Patienten in der Entgif-tungsbehandlung waren 74 bereit, aneiner Entwöhnungsbehandlung teilzuneh-men, 30 lehnten eine solche ab, 50 warennoch unentschlossen. Bei 15 fehlten ver-bindliche Aussagen. Unter den Ablehnernglaubten auch die meisten, das Alkohol-problem allein lösen zu können, und dasseine Entgiftungsbehandlung ausreichendsei. Außerdem hatten sie Zweifel an derWirksamkeit einer Entwöhnungsbehand-lung. Das betraf besonders die, die schoneine solche durchgemacht hatten. Als einwichtiger Ablehnungsgrund wurde auchdie lange Behandlungszeit der stationärenEntwöhnungsbehandlung genannt, die zuberuflichen und familiären Störungen füh-ren könnte. Als weiterer wichtiger Ableh-nungsgrund wurde das Angebot alternati-ver Behandlungsformen genannt. Unterden Ablehnern einer Entwöhnungsbe-handlung befanden sich mehr Berufstätigeund Patienten mit guter Schulbildung. Alswichtigster Grund für die Teilnahme aneiner Entwöhnungsbehandlung wurde derWunsch angegeben, das Leben wieder inden Griff zu bekommen.

Als Schlussfolgerung aus der Studie ins-gesamt ist festzustellen, dass es daraufankommt, bei Alkoholabhängigkeit früh-zeitig zu intervenieren, die Rehabilitations-maßnahmen individuell anzupassen, umnach der Entgiftung eine Entwöhnungsbe-handlung anschließen und den Betroffe-nen neue Zukunftsperspektiven aufzeigenzu können und schließlich eine aktiveNachsorge zu betreiben. n

Studieren und leben in

FriedensauUdo Brünner, Student und DIALOG-Redaktionsmitglied, befragteStudierende zu ihrem Studium und zum Studienstandort Friedensau.Hier ihre Antworten:

Samuel Aina (41), NigeriaAls Siebenten-Tags-Adventist war ich

besonders motiviert, meine bisher erwor-benen Erkenntnisse im Studiengang „Mas-ter of Theological Studies“ (MTS) zu ver-tiefen. Ich hatte das Gefühl gehabt, dassdieses Programm mein Wissen erweiternund meinen Glauben an Jesus Christus fes-tigen würde. An Friedensau gefällt mirbesonders, dass hier versucht wird, demVorbild Jesu Christi nachzueifern. Es istkaum ein Unterschied zwischen Lehrernund Nachfolgern Jesu erkennbar. Hier bil-den Dozenten und Schüler eine Einheit. Siewachsen und lernen zusammen. Der Geistder Demut, der bewirkt, dass wir in jederHinsicht vor Gott gleich sind, wird hier vonDozenten und Mitarbeitern gelebt. DieseTatsache wird bei mir einen lebenslangenEindruck hinterlassen. Es ist mein Gebet,nach Abschluss meines Studiums in Frie-densau in Theologie zu promovieren.Dabei spielt es für mich keine Rolle, an wel-chem Ort ich diesen Wunsch in die Tatumsetze. Am wichtigsten ist es für mich,dies gemeinsam mit meiner Familie zu tun.Wenn ich darüber nachdenke, was michdarin bestärkt, meinen Lebensweg zugehen, dann ist es allein die Gnade Gottes,die immer gleich bleibt und die für uns allefrei zugänglich ist: Das ist meine Erfahrung,die ich in den letzten Jahren, als ich Predi-ger war, machen konnte.

Friedensau als einen Ort für das Studiumkann ich nur weiterempfehlen, solange derWille und die benötigten Mittel vorhandensind. Hier in Friedensau habe ich verschie-dene Menschen aus unterschiedlichen Tei-len der Erde getroffen. Diese Tatsache hatmein Verständnis und Wissen in der Hin-sicht erweitert, dass ich sehe, wie Men-schen kulturelle und religiöse Praktiken inihrem Heimatland ausleben. Das gilt auch

für den Umgang mit Menschen, der sich jenach Kultur unterscheidet. Ich habe hierviele Freunde gefunden; schließlich sindwir nicht nur hier, um akademische Zielezu erreichen, sondern um Freundschaftenzu schließen, die für eine Lebenszeit hal-ten. In meiner Freizeit telefoniere ich häu-fig mit meiner Familie oder den Freundenin meiner Heimat Nigeria. Im Internet kannich mich auch immer über die politische,wirtschaftliche und soziale Situation mei-nes Geburtslandes informieren. Es ist mirwichtig, den Kontakt in meine Heimat stetsaufrechtzuerhalten. Mein Wunsch ist es,dass wir immer mehr darum beten undStrategien entwickeln, noch mehr Men-schen mit dem Evangelium in Berührungzu bringen. Dies ist meiner Meinung nacheine existenzielle Aufgabe für uns alsAdventisten. n

Alexander Hummel (22), Amberg (Bayern)

Meiner Mutter verdanke ich die erstenInformationen darüber, dass man hier inFriedensau ein Studium im Bereich SozialeArbeit beginnen kann. Also packte ich mei-ne Sachen, um in dieses versteckte Ört-chen mitten im Wald zu fahren. Natürlichwusste ich auch über die Höhe der Studi-engebühren, doch zum Glück erhalte ichdie finanzielle Unterstützung durch meineEltern. Das ausschlaggebende Kriterium,nach Friedensau zu kommen, war für michdie Lage. Ich finde es gut, weiter weg vonzu Hause zu sein, aber auch gleichzeitignicht zu dicht bei der Stadt zu wohnen.Hier habe ich nicht die Möglichkeit, „Par-ty zu machen“, sondern ich kann michganz auf mein Studium konzentrieren.Deshalb würde ich einem Menschen, derviel auf Partys geht und das Großstadtle-ben gewohnt ist, Friedensau nicht unbe-

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dingt empfehlen. Jedoch ist es eine Oasefür den, der zur Ruhe kommen möchteund Wert auf eine gute Ausbildung legt. Esgibt viele Dinge, die mir an Friedensaugefallen. Da ist zum einen das sportlicheAngebot. Ich spiele sehr gerne Basketballin unserer Turnhalle oder trainiere im Kraft-raum. Es ist außerdem toll, dass man inner-halb weniger Minuten zu den Vorlesungs-räumen gelangt. Alles ist hier dicht andicht. Das gefällt mir. Auch den Umgangmit Studenten und Dozenten schätze ichsehr. Hier kennt jeder jeden beim Namen.Das schafft eine familiäre Atmosphäre. DasVerhältnis zu den Dozenten in Friedensauist wie „reiner Luxus“. Es wird auf die Stu-denten ganz individuell, mit Nachsichtund Freundlichkeit eingegangen. Das istan anderen Unis ganz anders. Natürlichgibt es auch hier das ein oder andere Pro-blem, dennoch ist es ein idealer Ort zumStudieren. Besonders begeistert mich dasgeistliche Angebot. Vom wöchentlichen„ShabbatShalom“ über die verschiedenenHauskreise oder den internationalen Chorist für jeden etwas dabei. Ich habe hierauch schon die eine oder andere Freund-schaft geschlossen: mit Kommilitonen ausmeinem Kurs und mit Leuten aus meinerWohnumgebung. Meine Freizeit verbringeich entweder mit ihnen, hauptsächlichaber mit meiner Freundin. Zum Glückhabe ich ein Auto, so kann ich am Wochen-ende auch mal hinaus, um einen schönenAbend in Magdeburg zu verbringen. Ichbin mir sicher, dass es Gott war, der michhierher geschickt hat. Gern würde ich infernerer Zukunft noch Sozialpsychologiestudieren. Das lasse ich aber auf michzukommen. Mal sehen, vielleicht schlageich auch eine andere Richtung ein. n

Marcel Schneider (23), Öhringen (Baden-Württemberg)

Marcel Schneider studiert derzeit im BA-Studiengang Theologie und hat geradesein drittes Semester erfolgreich hinter sichgebracht. Wir haben Marcel einmal ver-schiedene Fragen zu seinem Studium hierin Friedensau gestellt:

Marcel, was hat dich bewegt, in Frie-densau dein Studium zu beginnen?

Bevor ich nach Friedensau kam, hatteich schon andernorts mit dem Theologie-studium begonnen und war daher neugie-rig, zu sehen, wie es wohl in Friedensau ist.Ich wollte diesen Ort kennenlernen undwissen, wie sich das Studium hier gestaltetund wie das Leben auf dem Campusabläuft.

Was gefällt dir hier besonders gut?Ich finde es wirklich toll, dass ich gute

Freunde unmittelbar um mich herumhabe. Das Schöne daran ist, dass mandadurch eine sehr tiefe Gemeinschaft erle-ben kann. Was mich auch fasziniert, ist dieNatur in direkter Umgebung. So befindetsich zum Beispiel der Campus am Randvon Wäldern, was eine schöne Atmosphä-re ausmacht. Ein weiterer Pluspunkt fürmich ist die Internationalität. Für mich istes spannend, die verschiedenen Kulturenkennenzulernen. Außerdem wird dieMusik und Musikerziehung hier großge-schrieben. Man kann anspruchsvolle Musikgenießen und auch selbst mit anderenmusizieren.

Welche Pläne hast du für die Zeit nach deinem Studium?

Ich will Gott dienen und für ihn arbeiten.Das ist mein Lebensziel und mein Traum.Dies möchte ich möglichst als Predigertun. Von Gott und seiner Liebe erzählenund Menschen zu Jesus führen, sie in ihremGlaubensweg unterstützen – dazu fühleich mich berufen.

Welche Erfahrungen hast du in deinemGlaubensleben gemacht, dass du zudem Entschluss gelangt bist, Predigerwerden zu wollen?

Ich durfte Gott in meinem Leben ken-nenlernen. Irgendwann trat mir immeröfter dieser Beruf vor Augen, weil ichgemerkt habe, dass ich mein Leben mitGott leben möchte. Diese Entscheidunghat sich in einem Prozess gefestigt, in demich viele Erfahrungen mit Gott machendurfte. So konnte ich erleben, wie Gottmich getragen, geführt und geleitet hat.Ich hab' gemerkt, Gott ist ein persönlicherGott, er liebt mich, ich bin ihm wichtig –und er hat auch einen Plan für mein Leben.Diese Erfahrungen will ich gerne weiterge-ben. Ich möchte der Welt zeigen, dass eseinen Gott gibt, der die Menschen liebtund der sich um sie kümmert. Gott ist derEinzige, der uns retten und uns einen Neu-anfang geben kann. Er kann uns hier undjetzt auf dieser Erde verändern, aber er willuns auch ein neues, besseres, ewigesLeben schenken.

Würdest du anderen Menschen das Studium in Friedensau weiter-empfehlen?

Friedensau fordert dich heraus, abergenau das ist deine Chance, um zu wach-sen. Wenn du mit Menschen arbeiten undihnen helfen möchtest, dann kann eineAusbildung in Friedensau dir dabei helfen,dich darauf vorzubereiten, da hier dieGrundlagen für die spätere Praxis im Berufvermittelt werden. Zudem bietet nicht nurdie Hochschule, sondern auch Friedensauals Ort mit seiner warmherzigen Dorfge-meinschaft, geprägt von christlichen Wer-ten, vieles, was man sich zum Studium undzum Ausgleich wünscht.

Verglichen mit anderen Unis ist Frieden-sau klein, aber fein! An einer guten Atmo-sphäre, Freizeitmöglichkeiten und Spaßfehlt es hier nicht. Das Studium hier kannich weiterempfehlen.

Mit welchen Menschen hast du zu tun,wie steht es um das Thema Freund-schaft?

Um Freundschaft zu erleben und zu pfle-gen, ist Friedensau ein super Ort. Man hatauch mit den unterschiedlichsten Men-schen zu tun, die aus den verschiedenstenGegenden Deutschlands und der Weltkommen. Es gibt also zahlreiche Möglich-keiten, Gemeinschaft zu erleben und guteund tiefe Freundschaften zu knüpfen. Sodurfte ich auch viele gute Freunde ken-nenlernen. Das sind Menschen, die einembeistehen in schwierigen Zeiten und miteinem mitgehen. Ja, ich habe hier echteFreunde gefunden.

Wenn du nicht gerade deinen Kopf hinter einem Buch versteckst, wasmachst du in deiner Freizeit?

Welche Freizeit? Man muss sich im Kla-ren darüber sein, dass ein Studium auchsehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Aberman kann auch nicht die ganze Zeit stu-dieren, und natürlich gibt es auch Zeit zumEntspannen und zum Sport treiben. Ichpersönlich genieße diese Zeit gerne mitFreunden oder beim Joggen. Es gibt aberauch viele Sportangebote in Friedensau.Und als ein kleiner Höhepunkt in derWoche bietet sich das Studentenzentrumals Treffpunkt an. Manchmal genieße icheinfach Zeit in der Stille, zum Beispiel beimSpazierengehen im Wald. Worüber ichmich auch freue, ist das reiche Musikange-bot, das ich derzeit als Gesangsschüler nut-ze. n

Valérie Porchet (21), Yverdons-les-Bains (Schweiz)Valérie Porchet lebt mittlerweile schon

seit zweieinhalb Jahren in Friedensau. Siefühlt sich hier sehr wohl; auch ihr habenwir ein paar Fragen zum Thema „Studiumin Friedensau“ gestellt.

Valérie, wie kommt es eigentlich, dassdu hier in Friedensau gelandet bist?

Ich dachte, es ist einfach gut, als Schwei-zerin auch Deutsch sprechen zu können.Für uns aus der französischen Schweiz sinddie Deutschen immer so weit weg, obwohldie meisten aus unserem Land Deutsch alsMuttersprache sprechen. Ich bin der Mei-nung, dass es für meine berufliche Zukunftbesser ist, mehrere Sprachen zu beherr-schen.

Was zeichnet denn Friedensau in dei-nen Augen aus? Was gefällt dir hier?

Für mich ist jeder Ort schön, solange dieMenschen mir das Gefühl geben, willkom-

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men zu sein. Hier in Friedensau habe ichdas erlebt. Der herzliche Umgang mit denMenschen gefällt mir hier sehr.

Hast du schon Pläne für die Zeit nachdem Studium?

Mein Wunsch ist es, einen Masterstu-diengang zu absolvieren. Welchen genau,das weiß ich noch nicht. Vielleicht möchteich, noch bevor die Arbeit so richtig los-geht, ein Jahr im Ausland verbringen.

Wie hast du Gott hier in Friedensau erlebt?

Friedensau ist ein schöner Ort, um sichmit Gott zu treffen. Ich erinnere mich andie zwei ersten Wochen, als ich in Friedens-au war, bevor es mit dem Deutschkurs los-ging. Das war eine Zeit, in der ich ganzalleine auf dem Campus war – und es gabkein Internet in meinem Zimmer! Es warmir so langweilig, aber ich habe mir danndie Zeit genommen, um viel mehr in derBibel zu lesen. Das war für mich persönlicheine schöne Erfahrung, da ich meine Tagesonst so vollpacke, dass ich dafür wenigZeit habe.

Würdest du anderen Menschen emp-fehlen, nach Friedensau zu kommen,um ein Studium zu beginnen?

Das ist eine schwierige Frage. Für michist es hier der Ort, an dem ich mich sehrwohl fühle. Ich habe hier die Gelegenheit,Musik zu machen und an einer Vielzahlsportlicher Aktivitäten teilzunehmen. Hierdurfte ich verschiedene Sachen ausprobie-ren, die ich vorher noch nie gemacht hat-te, wie Reiten oder vor vielen Leuten zu sin-gen. Aber es kann sein, dass es für mancheLeute schwierig ist, etwas abgeschieden,umringt von Wäldern zu leben.

Gibt es für dich Bereiche, in denen dudir Veränderungen wünschst?

Ich wünsche mir, dass Studenten ausden unterschiedlichen Fachbereichenmehr miteinander zu tun hätten. Es istnicht so, dass wir uns in Friedensau nichtkennen, aber man braucht ein bisschenZeit, um sich wirklich kennenzulernen. Wasich in meiner alten Schule in Collongessous Salève in Frankreich gut fand, ist, dasses am ersten Tag des Schuljahres ein gro-ßes Treffen gab. Es wurden Teams erstellt,mit jeweils einer oder zwei Personen jederKlasse und jedes Fachbereiches (Sekundar-schule, Theologie, Französisch-Kurs etc.).Mit dem Team mussten wir einen Parcoursmit verschiedenen Stationen durchlaufen,an denen verschiedene Spiele und Aktivi-täten zu absolvieren waren. Es mag einwenig kindisch klingen, aber an diesemTag konnte jeder ganz natürlich Freund-schaften schließen. Folge davon war, dassjeder zu jedem schon Kontakt hatte, unddaraus resultierte dann ein stärkererZusammenhalt. n

Wir bedanken uns bei allen Studierenden, die uns ihre Erfahrungen mitgeteilt und dazu beigetragen haben, diese Ausgabemitzugestalten. Wir wünschen euch weiterhin eine gesegnete Zeit im Studium!

Am Montag, dem 28. Januar 2013, wur-de die archäologische Sammlung des Insti-tuts für Altes Testament und BiblischeArchäologie an der Theologischen Hoch-schule Friedensau in den Institutsräumendes Wilhelm-Lešovsky-Hauses eröffnet. Ineiner kleinen Feierstunde würdigten Prof.Randall Younker, Leiter des Instituts für Bib-lische Archäologie an der Andrews-Univer-sität (USA), und Prof. Friedbert Ninow, Rek-tor der Theologischen Hochschule Frie-densau, die Beiträge adventistischerArchäologie und die archäologische For-schungstradition, die Siegfried Horn imletzten Jahrhundert begründet hat. Da dieursprünglichen Räume der Ausstellung imMühlengebäude dem Kindergarten wei-chen mussten, konnten jetzt die zahlrei-chen Exponate in den Räumen des Institutseine neue Heimat finden. Der Schwer-punkt der Sammlung liegt darin, einen Ein-blick in die materielle Kultur der biblischenLänder zu geben – angefangen von derZeit der Patriarchen (Ende 3. Jahrtausendv. Chr.) bis in die neutestamentliche Zeit(1. Jahrhundert n. Chr.). Darüber hinauswerden wichtige und bedeutende Fundeder Biblischen Archäologie als Replikenvorgestellt. Einen weiteren Schwerpunktbildet die Vorstellung verschiedener Fundeder Grabungen der Theologischen Hoch-schule Friedensau in Jordanien aus denletzten Jahren.

Die Zeit der Patriarchen (21. bis 16. Jahr-hundert v. Chr./Ende der Frühbronzezeitbis Mittelbronzezeit) wird vor allem durchGrabfunde aus Bab edh-Dhra in Jordanienrepräsentiert: Schüsseln und Schalen,Bronzewaffen, Knochenschmuck undFundstücke, die aus Stein gefertigt wur-den. Die Replik einer anthropomorphenVase aus Jericho zeigt die Kunstfertigkeitder kanaanäischen Bewohner zur Zeit derPatriarchen. Ein besonderes Exponat ist einSkarabäus aus der Periode der Hyksos-Herrschaft (ca. 1650 bis 1550 v. Chr.). Ska-rabäen haben ihren Ursprung in Ägyptenund stellen den Mistkäfer dar. Dieser galtals Symbol der Schöpferkraft und wurdebald als göttlich verehrt und in Form vonAmuletten als Glücksbringer getragen.Diese Skarabäen sind aus Stein geschnittenund an ihrer Unterseite mit Hieroglyphen,Mustern oder symbolischen Darstellungenversehen. Die Hyksos waren eine Gruppevon Einwanderern in Ägypten, die zur Zeitdes Aufenthalts der Nachfahren Jakobs dasLand am Nil beherrschten.

Die Spätbronzezeit (1550 bis 1200 v.Chr./Exodus, Landnahme, Richterzeit)wird durch einige Gefäße repräsentiert, diein Israel gefunden wurden; einige davonsind Importwaren aus dem ägäisch-zyprio-tischen Raum. Eine Replik eines Griffes ausElfenbein, der aus Megiddo stammt und indie Zeit der Landnahme datiert wird, zeigteinen kanaanäischen Herrscher, der auf sei-nem Thron sitzt und die Prozession seinersiegreichen Soldaten nach einer Schlachtempfängt.

Einen breiten Raum der Ausstellungnehmen Exponate ein, die in die Eisenzeit(1. Jahrtausend v. Chr.) datiert werden.Verschiedene Krüge, Schüsseln und Koch-töpfe geben einen Einblick in die Alltags-welt der Israeliten. Daneben finden sicheinige Räuchergefäße, in denen Weihrauch

Archäologische Sammlung in Friedensau eröffnet

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Fortsetzung auf Seite 16

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Die Predigtwerkstatteine Predigtidee von Roland Fischer (Nr. 61)

61Vorbemerkung:

Im Jubiläumsjahr 2013, in dem wir als Siebenten-Tags-Adven-tisten unser 150-jähriges Bestehen feiern, sollen auch die Predigt-anregungen im DIALOG zum Motto des jeweiligen Quartals pas-sen. Somit steht die Predigtidee Nr. 60 im DIALOG des I. Quartals2013 mit der in diesem Quartal und den folgenden Ausgaben 62und 63 in einem gedanklichen Zusammenhang und kann als Pre-digtreihe gehalten werden.

Predigtthema:

„Komm!“Predigtidee:

Die Bitte „Komm!“ drückt Sehnsucht und Erwartung aus. Dieswird sowohl in Bezug auf das alltägliche Leben als auch auf dasGlaubensleben thematisiert. Dabei sollen neben den Inhalten vorallem Empfindungen in der Spannung zwischen Sehnsucht undErfüllung vermittelt werden.

Einleitung:Die Bitte oder der Ruf „Komm!“ kann befehlend, bestimmend,

verlockend, erwartungsvoll, sehnsüchtig oder flehentlich ausge-sprochen werden. Diese Aussage kann begleitet sein durch eineherrische Handbewegung, durch den gekrümmten Zeigefinger,durch ein erwartungsvolles Lächeln oder durch tränennasseAugen. Der Wunsch „Komm!“ kann sich auf Umstände und Ereig-nisse, auf Personen oder eben auch auf Gott beziehen.

1. „Komm, lieber Mai …“„Komm, lieber Mai …,“ heißt es in einem alten Volkslied. Darin

drückt sich der Wunsch nach Frühling, Leben und Sonne aus.Unsere Erwartungen richten sich (ganz weltlich) auf den Wechselder Jahreszeiten, auf Saat und Ernte, auf den Urlaub und die Feri-en, auf die Versetzung, die Beförderung und die Gehaltserhö-hung. So sagen wir sehnsüchtig und zuversichtlich: „Der nächsteFrühling kommt bestimmt!“ und „Wenn doch schon Urlaubwäre!“ oder „Die nächste Versetzung steht vor der Tür“.

2. „Komm, meine Freundin“„Komm, meine Freundin“, so ruft und lockt der Freund seine

Geliebte im Hohelied (Kap. 2,10.13). Und die Freundin sehnt sichgenauso nach ihm: „Komm, mein Geliebter!“ „Komm!“, sagenMenschen zueinander, die sich lieben. Trennung ist schmerzhaft,Nähe wohltuend. Der Wunsch nach Verbundenheit und Intimitätmit dem Partner, den Familienangehörigen und Freunden wirdmit dem zärtlichen und sehnsüchtigen „Komm!“ ausgedrückt.Unsere Vorfreude äußern wir mit einem zuversichtlichen Lächelnund sagen: „Mein Mann kommt!“ oder „Meine Freundin wirdbald da sein!“

3. „Komm in mein Herz“„Komm in mein Herz, Herr Jesu“ singen wir in einem Kirchen-

lied. Immer wieder haben Menschen, die eine Gottesbegegnunghatten oder ihre Bedürftigkeit nach einer Gottesbeziehungerkannt haben, diese Bitte ausgesprochen. Jesus im Herzen habenzu wollen, ist der Wunsch nach einer innigen, liebevollen undlebensverändernden Beziehung zu unserem Herrn. Wenn dieseSehnsucht erfüllt ist, können wir mit Paulus ausrufen: „Ich lebeeigentlich nicht mehr, sondern Christus lebt in mir!“ (Gal 2,10).

4. „Komm, Herr Jesus!“Aus der vertrauensvollen Nachfolge, aus der Lebensgemein-

schaft mit Jesus Christus hier auf Erden erwächst der Wunsch, fürimmer mit und bei ihm zu leben. Christen sehnen sich danach,darum beten sie: „Komm, Herr Jesus!“ Sie wissen: Gott will bei unsMenschen wohnen. Wenn Gott sein ewiges Friedensreich hier aufErden aufrichten wird, ist das Sehnen der Jahrtausende erfüllt.Darauf vertrauen wir, deshalb können wir mutig sagen: „UnserHerr kommt!“

Schluss:„Maranatha“, eines der ältesten Gebete der Christenheit, beten

Gläubige seit fast 2000 Jahren. Wir stehen als Adventisten in die-sem großen Chor, wenn wir seit über 150 Jahren mitbeten. Wirbeten mit inniger Sehnsucht und großer Gewissheit: „Amen.Komm, Herr Jesus!“ (Offb 22,20).

Dr. Roland E. Fischer, Dozent für Praktische Theologie

an der Theologischen Hochschule Friedensau

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Die „Predigtwerkstatt“ wird seit ca. 10 Jahren im DIALOG ver-öffentlicht. Wir überlegen uns, ob und in welcher Form wir die-ses Angebot fortsetzen sollen. Dazu würde es uns helfen, voneuch auf folgende Fragen ein kurzes Feedback zu erhalten:

Ist die Predigtwerkstatt hilfreich für eure eigene Predigtarbeit?

OA1 JA OA2 weniger OA3 NEIN

Habt ihr schon einen Vorschlag für eure eigene Predigtverwenden können?

OB1 JA 1-5x OB2 mehr als 5x OB3 NEIN

Sollte die „Predigtwerkstatt“ so oder ähnlich fortgesetzt werden?

OC1 JA OC2 nicht unbedingt

Wäre eine „Predigtwerkstatt“ auf der Homepage derHochschule ausreichend?

OD1 JA OD2 NEIN

Wünscht ihr euch andere Hilfen zur Predigt? Wenn ja, welche?

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Eine Anfrage

in eigener Sache:Zutreffendes bitte

ankreuzen und Ausschnitt einsenden an:

DIALOG-RedaktionTheologische

Hochschule FriedensauAn der Ihle 19

39291 Möckern-Friedensau

oder per E-Mail:

[email protected] die entsprechenden

violetten Buchstaben mitZahl übermitteln

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Glaube und Marktwirtschaft

Stichwort: Entscheidungsstark

prozesse auf allen Ebenen der Kirche so zuorganisieren, dass sie, unter der Maßgabeder Beteiligung vieler, dennoch effektiv(auf den Auftrag bezogen) und effizient(mit einem vertretbaren Aufwand) gestal-tet werden. Es „ist eine klassische Schwä-che vieler Leitungsgremien: Falls sich keinKonsens ergibt, wird diskutiert und disku-tiert und die Entscheidung vertagt. … Ent-scheidungen müssen fallen, wenn keinKonsens möglich ist. Das erfordert Ent-scheidungsstärke.“3

3. Manchmal höre ich, dass sich Leutemit Entscheidungen deshalb so schwertun, weil sie sich über deren Folgen nichtim Klaren sind. Vielleicht würde man Leu-te verlieren, die anderer Meinung sind,oder das einzugehende Risiko liegt zuhoch. Es ist hierbei hilfreich, den Blickwin-kel zu wechseln: Was passiert, wenn eineanstehende Entscheidung NICHT getrof-fen wird? Wie viele Menschen sind davonbetroffen? Welche Maßnahmen könnennicht durchgeführt werden, welche Zielewerden nicht erreicht? Welche zusätzli-chen Kosten entstehen? In der Abwägungdieser beiden Seiten kann es möglicher-weise doch sinnvoll sein, zu entscheiden,weil eine Veränderung jeglicher Art sich alsbesser erweisen könnte, als den Status quobeizubehalten.

4. Es ist hilfreich, sich die verschiedenenFunktionen bewusst zu machen, die in denWillensbildungsprozessen vor der Ent-scheidungsfindung wichtig sind.4 Hierkönnen die drei wichtigsten unterschiedenwerden: (a) SACH-Funktion – Menschen,die das Problemverständnis fördern, Sach-fragen erörtern und damit Entscheidungenvorbereiten; (b) KONSENS-Funktion –Menschen, die versuchen, Widerständeabzubauen, die bereit sind, Konflikte aus-zutragen und damit die Konsensfindungunterstützen; (c) MACHT-Funktion – Men-schen, die Einfluss nehmen, Interessendurchsetzen und eine Entscheidung her-beiführen möchten.

Diese drei Funktionen haben ihre Bedeu-tung für den Prozess. Werden sie in einer

„Wenn ich in meinem Unternehmen solange für eine Entscheidung benötigenwürde wie ihr in der Kirche, dann könnteich meinen Laden gleich zumachen“, sohöre ich es manchmal von Gemeindeglie-dern, die unternehmerisch tätig sind. Inder Tat scheinen Entscheidungsprozesseinnerhalb der Gemeinde sehr zäh zu seinund viel Zeit zu beanspruchen. Manchmalwird eine Entscheidung gar nicht getrof-fen. Ich möchte im Folgenden einigeGedanken zu Entscheidungsprozessen inder Kirche darlegen:

1. Kirchen sind strukturell betrachtetNon-Profit-Organisationen (NPO), indenen Entscheidungsprozesse äußerstkomplex ablaufen. Das liegt unter ande-rem darin begründet, dass verschiedeneInteressengruppen (z.B. Mitglieder, Spen-der, ehrenamtliche Gemeindeleiter,Dienststellen) ihre Einflussmöglichkeitenwahrnehmen. Zusätzlich stellt das Zusam-menspiel zwischen angestellten (Pastoren,Vorsteher) und nicht angestellten Gemein-degliedern eine Herausforderung dar. Ein„Durchregieren“ von oben nach unten istnicht möglich, da Kirchenmitglieder sicherstens freiwillig in der Kirche engagierenund zweitens die Kirche und auch diehauptberuflichen Mitarbeiter finanzieren.Das bedeutet, dass bei Entscheidungen einmöglichst breiter Konsens hergestellt wer-den muss. Die Gremienstruktur auf denverschiedenen Ebenen, unter Berücksichti-gung der Beteiligung nicht angestellterMitglieder, soll das gewährleisten. Es istkein Wunder, dass Entscheidungsprozessedeshalb häufig sehr langwierig sind.

2. Entscheidungen sind in NPO wie auchin Profit-Organisationen das Kerngeschäftvon Führung: „Entscheidungsfindung und-durchsetzung … ist eine Kernaufgabe desManagements“.1 „Führung muss in Ver-antwortung gehen, etwas Festgefahrenesin Bewegung bringen, die Entscheidbar-keit sichern.“2 Hier entscheidet sich dieHandlungsfähigkeit einer NPO, auch einerKirche. Für die Führungskräfte der Kircheist es deshalb notwendig, Entscheidungs-

Balance gehalten, können auch in NPOEntscheidungen fundiert und in einem ver-nünftigen Zeitrahmen getroffen werden.

5. Bereits Ellen G. White hat im vorletz-ten Jahrhundert die Spannung zwischender Notwendigkeit von Konsensbildungsowie des Treffens von Entscheidungenüberhaupt gesehen. Einerseits betonte siedie Notwendigkeit von Konsensentschei-dungen. Sie meinte, dass nicht eine ein-zelne Person die Macht für die Entschei-dung hätte, sondern viele sollten die Argumente abwägen und entscheiden.5

Andererseits legte sie Wert darauf, dassEntscheidungen zügig getroffen werdensollten, da Zögern nicht zum Ziel führt:„Schnelles und entschiedenes Handeln zurrechten Zeit wird zu herrlichen Siegen füh-ren, während Zaudern und NachlässigkeitMisserfolg und Entehrung Gottes nach sichziehen.“ 6 n

In diesem Spannungsfeld gilt es, die Ent-scheidungsfindung durch Konsenssucheund Entscheidungsmut zu fördern, damitdie Kirche ihren Auftrag auch in Zukunfterfüllen kann.

1 Das Freiburger Management-Modell fürNonprofit-Organisationen. Bern: Hauptverlag1999, S. 85.2 Reinhard K. Sprenger: Radikal führen. Frankfurt: Campus 2012, S. 147.3 Ebd., S. 172.4 Nach dem Freiburger Managementmodell,ebd., S. 89. 5 Ellen G. White: Testimonies for the Church,Vol. 7. Mountain View: Pacific Press 1948, S.259.6 Ellen G. White: Propheten und Könige. CD-ROM. Lüneburg: Adventverlag 1999, S. 476.

von Roland Nickel

Ende Dezember 2012 starbPeter R. Kunze, der ehemali-ge Schatzmeister der Inter-Europa-Division (EUD), nachschwerer Krankheit. PeterKunze hatte mit der Hoch-schule im Rahmen verschie-dener Tätigkeiten zu tun. Inden 1990er Jahren war er alsRevisor in der Buchprüfung

tätig. Seit 2010 hat er als Schatzmeister der EUDmaßgebend die finanziellen Belange der Hochschulemitgestaltet. In den letzten Jahren seiner Amtszeitkonnten durch seine Unterstützung eine Reihe vonInfrastrukturverbesserungen auf dem Campus durch-geführt werden. Dazu gehören der Neubau derBibliothek, die Renovierung des Gästehauses und dieUmgestaltung der alten Bibliothek zu modernenLehrräumen. Peter Kunze hat durch seinen Einsatz dieHochschule wesentlich vorangebracht. Wir werdenihn in guter Erinnerung behalten und freuen uns aufein Wiedersehen mit ihm, wenn Jesus Christus wie-derkommt.

Für die ThHF, Roland Nickel n

Peter R. Kunze †

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12

Vom 25. bis 27. Februar 2013 fand ander Theologischen Hochschule Friedensauein Symposium zur Schöpfung statt, dasvon der Generalkonferenz, der Weltkir-chenleitung der Siebenten-Tags-Adventis-ten, veranstaltet wurde. Als Referentenkonnten Wissenschaftler des GeoscienceResearch Institute (GRI) der Loma-Linda-Universität, Kalifornien, der Andrews-Uni-versität, Michigan, der Generalkonferenzsowie des Seminars Schloss Bogenhofen,Österreich, und der Theologischen Hoch-schule Friedensau gewonnen werden. DieModeration der Veranstaltung lag in denHänden des Rektors der Theologischen

Hochschule, Prof. Friedbert Ninow, der mitSachkenntnis und anregend interdiszipli-när durch das Programm führte.

Bei aller theologischen Präzision, beialler exegetischen Kompetenz und bei allerSouveränität in der Beherrschung der aka-demischen Diskurstechnik durchdrang diegläubige und glaubwürdige Grundhaltungder Referenten die Veranstaltungen. DasVon-der-Schöpfung-Reden blieb nicht nurein akademisch reizvolles Thema, sondernauch immer ein persönliches Anliegen.Reinhard Löw (1949–1994), der Grün-dungsdirektor des Forschungsinstituts fürPhilosophie in Hannover, prägte die Aus-

„Celebrating the Creation“ – die Schöpfung feiern

sage: „Es ist eine Gnade, an den Schöpferglauben zu dürfen.“ Und dies erlebten dieTeilnehmer gleich mehrfach.

Thematisch waren die Vorträge vonTimothy Standish vom GRI sorgsamzusammengestellt worden, wobei derSchwerpunkt des Symposiums nicht aufder gern genutzten Plattform der Ausei-nandersetzung mit der Evolutionstheorieoder dem Evolutionismus lag. Diskutiertwurden die vielfältigen Aussagen der Tex-te der Heiligen Schrift zur Schöpfung undvor allem die Frage nach der persönlichenund geistlichen Relevanz des Glaubens anden Schöpfer. Damit war auch die Rich-tung vorgegeben: Man vermied bewusstDiskussionen wie zum Beispiel die stun-dengenaue Bemessung der Tage in Gene-sis 1.

Ein gutes Beispiel für diese Ausrichtungauf das Wesentliche war der Vortrag vonProf. Rolf Pöhler über den Sabbat. „DieSchöpfung feiern ohne den Sabbat istunmöglich“, war einer seiner Kernsätze.Gott „vollendete, segnete, heiligte undruhte“ am Sabbat. Dies wird uns zum Vor-bild, wenn wir unter der Woche arbeiten,damit wir am Sabbat leben können. In derweiteren Entwicklung des Sabbatverständ-nisses im Alten und Neuen Testament wirdder Sabbat nicht nur zum Erinnerungstagan die Schöpfung, sondern auch zumDokument der Erlösung des Menschen.

Bernhard Oestreich (Ph.D.) referierte anzwei verschiedenen Tagen; einmal überdas „Lob der Schöpfung als adäquate undvernünftige Antwort des Menschen auf

... so steht es am Eingang unserer Biblio-thek in Friedensau. Nach dem verstorbe-nen Architekten, Lehrer und SchriftstellerMichael Brawne ist die Hauptfunktioneiner Bibliothek eine (meist ungestörte)Kommunikation zwischen dem Leser undeiner Publikation. Hier in Friedensau ist dieHochschulbibliothek ein wesentlicherBestandteil des akademischen Betriebes.Sie stellt nicht nur die wichtige Fachlitera-tur für die Studierenden zur Verfügung –sie ist auch ein Ort, der individuelles odergemeinsames Lernen und Studierenermöglicht.

Von 1993 bis einschließlich 2012 standRalph Köhler, Theologe und Wissenschaft-licher Bibliothekar, der Friedensauer Hoch-schulbibliothek vor. In diesen zwei Jahr-zehnten hat die Bibliothek unter seiner Lei-tung nicht nur den Umfang betreffend,sondern auch hinsichtlich räumlicher undqualitativer Nutzungsmöglichkeiten einebeachtliche Entwicklung erfahren. Von15.000 Büchern, die 1993 nur durch einenZettelkatalog erfasst waren, ist der Bestandgegenwärtig auf ca. 110.000 Bücher sowieca. 5.000 andere Medien angewachsen,die für die Nutzer in einem digitalen Kata-log mit der Möglichkeit digitaler Recher-che auch übers Internet nachgewiesenwerden.

„Am Anfang war das Wort“Bis 1993 befand sich die Bibliothek in

zwei Räumen der Neuen Schule (heuteWilhelm-Michael-Haus), von dort wurdesie Anfang 1994 in den Südflügel der AltenSchule (heute Otto-Lüpke-Haus) verlegt,bis sie dann 2008 im Bibliotheksneubauden erforderlichen Raum finden konnte.So hatte der Bibliotheksleiter zwei Umzügezu bewältigen. Bereits bei der Planung undden notwendigen Vorbereitungen für denNeubau wirkte er aktiv mit. Weiterhin ist esdurch seine Initiative gelungen, einenbeachtlichen Beitrag zur Kosteneinsparungdurch die Nachnutzung von Regalsyste-men anderer Bibliotheken zu erreichen.

Unter seiner Leitung erfolgten die Inte-gration des theologischen Bücherbestan-des des Schulzentrums Seminar Marienhö-he in Darmstadt sowie die kostengünsti-gen Bestandserweiterungen durch die Aufnahme der Bestände aus Privatbiblio-theken und aus Bibliotheksauflösungen. Ersorgte außerdem für den Aufbau eines spe-ziellen Buchbestandes für den FachbereichChristliches Sozialwesen.

Die elektronische Einzelsicherung desgesamten Bestandes von über 115.000Medien wurde in seiner Amtszeit durchge-führt. Eine Kinderbibliothek konnte imBibliotheksneubau eingerichtet werden,

die gegenwärtig einen Bestand von 2.000Büchern erreicht hat. Beginnend im Jahre2006 erfolgte durch die Bibliotheksleitungdie Verwaltung und Erschließung desBuchbestandes des Vereins für Freikirchen-forschung mit ca. 3.000 Bänden.

Der Berufsalltag der Bibliothek hat sichin den letzten 20 Jahren stark verändertdurch den Eingang von audiovisuellen,digitalen, elektronischen und Online-Medien. Ralph Köhler hat in seiner Lei-tungstätigkeit diese Herausforderung mitder Erweiterung der Medienvielfalt bestensbewältigt. Ferner gelang es ihm, aus demKreis der Friedensauer Ortsbewohnerehrenamtliche Mitarbeiter für die Biblio-thek zu gewinnen und sie entsprechendanzuleiten. Buchlesungen, die vier- bisfünfmal im Jahr stattfinden, fördern denRuf der Hochschulbibliothek in der Umge-bung. Dazu trug auch die leitende Mitar-beit des Bibliotheksleiters in verschiedenenBibliotheksverbänden im Jerichower Landsowie in Sachsen-Anhalt bei. All das ist nurein Teil der Leistungen von Ralph Köhler inden zwei Jahrzehnten seiner Leitungstätig-keit in der Friedensauer Hochschulbiblio-thek. Dafür gebührt ihm Dank von allen,die diese Einrichtung schätzen und gernnutzen.

Die Hochschulleitung n

Ralph Köhler

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Die Theologische Hochschule Friedensau sucht eine(n)

Leiter(in) Hochschulbibliothek

Arbeitsbeginn ist Januar 2014

Hauptaufgaben: Leitung der Hochschulbibliothek der ThHF, Verantwortungund Organisation aller in der Hochschulbibliothek anfallen-den dispositiven und operativen Aufgaben:

n Management (z. B. Leitung der Bibliothek, Personalbetreu-ung, Controlling, Vernetzung mit anderen Bibliotheken)

n Medienbearbeitung (z. B. Erwerbung, Katalogisierung,technische Medienbearbeitung)

n Benutzung (z. B. Ausleihe, Benutzerbetreuung, Lesesaal,Kopierdienste)

n Informations- und Kommunikationstechnik (z. B. Homepage, elektronische Datenbanken)

Wir bieten: n eine interessante und abwechslungsreiche Tätigkeit in

einem guten Betriebskliman internationale Ausrichtung der Hochschulen Vergütung nach Haustarifn eigenen Verantwortungsbereichn Dienstwohnung bzw. Hilfe bei der Wohnungssuche

Wir erwarten: n Qualifikation als Bibliothekar(in)n Teamfähigkeit, Führungsfähigkeitn sicheren Umgang mit der EDV, insbesondere mit biblio-

theksspezifischer Softwaren sehr gute Englischkenntnisse

Bewerbungen sind zu richten an:Theologische Hochschule Friedensau, Roland Nickel

An der Ihle 19, 39291 Möckern-FriedensauFon 03921-916100, Fax 03921-916120

[email protected]

Gottes Handeln“, wobei er sich besondersauf Psalm 104 bezog, und in einem zwei-ten Vortrag über die Ordnung der Schöp-fung und ihre Auswirkungen auf Ethik undLeben.

In besonderer Weise, gemixt mit einemkräftigen Schuss Lokalkolorit, sprach ArturStele (Ph.D.), Vizepräsident der General-konferenz und Leiter des Biblical ResearchInstitute (BRI), über seine akademischeAusbildung in Friedensau, die ihm eineunersetzbare Grundlage für sein Lebenstellt. Er sprach in Anlehnung an Psalm 33über die herausragende Bedeutung derSchöpfereigenschaft Gottes und kam zudem Schluss, dass die Anbetungswürdig-keit Gottes eben auch in seinem schöpferi-schen Handeln liegt.

Mit insgesamt fünf naturwissenschaftli-chen Vorträgen wurden Ergebnisse eigenerForschungsarbeiten vorgestellt. So sprachRaoul Esperante (Ph.D.) vom GRI über dieFossilisation von Walen und den sichdaraus ableitenden Fragen zur Geschwin-digkeit der Sedimentbildung. Hier deutevieles auf eine sehr schnelle Sedimentationhin. Alle Vorträge vermieden es, anti-evo-lutionistische Munition zu verschießen,sondern tendierten eher dazu, auf alter-native Theorien hinzudeuten, so speziellund begrenzt diese auch sein mögen. DasVermeiden anti-evolutionistischer Darstel-lungen war auch deshalb angemessen,weil es zu einer echten wissenschaftlichenDiskussion gar nicht hätte kommen kön-nen, da Vertreter einer evolutionstheoreti-schen Betrachtung der Entstehung derWelt nicht referierten. Dies stellte sich abernicht als Defizit dar, sondern als eine gute

Entscheidung. So verfing man sich nichtim bekannten und gefürchteten Schlagab-tausch, der nur lähmend wirkt. Im Übrigenwird diese Diskussion an anderer Stelle,zum Beispiel bei der Studiengemeinschaft„Wort und Wissen“, einem gemeinnützi-gen Verein, der sich mit Naturwissenschaftund christlichem Glauben befasst, aufhohem Niveau geführt.

Während des Symposiums wurde dieSchöpfung auch im Gottesdienst gefeiert,nicht zuletzt durch die anspruchsvolleMusik und die Predigt, gehalten vom ehe-maligen Rektor der Theologischen Hoch-schule Friedensau, Prof. Johann Gerhardt.In seiner Ansprache entfaltete er facetten-reich die Schönheit des Glaubens an denSchöpfer und deutete darauf hin, wieintensiv dieser Glaube Menschenbild undMenschenwürde prägt.

Als ein optisches Highlight jener Tagebot sich ein Film dar, der die erstaunlicheWandlung von der Larve über die Raupebis zum Schmetterling in beeindrucken-den Bildern zeigte und so die Perspektiveauf die zu feiernde Schöpfung ergänzte.

Insgesamt war das Symposium ein guterStart für eine wünschenswerte Fortsetzungder Betrachtung des Themas. Die Theolo-gische Hochschule Friedensau bietet dafüreinen idealen Rahmen. Das Thema wirdweiterhin an Bedeutung gewinnen, weildie Argumentation gegen die christlicheSichtweise und Interpretation unvermin-dert fortgeführt wird.

Dr. phil. Dr. rer. nat. Matthias Dorn,Southwestern Adventist University, EarthHistory Research Centre, Keene, Texas n

Neu erschienen:Bernhard Oestreich:

Performanzkritik der PaulusbriefeWissenschaftliche Untersuchungen

zum Neuen Testament 296. Tübingen:Mohr Siebeck, 2012.

Wir lesen die Briefe des Paulus als Schrift-stücke, als wären sie geschrieben, damitein Empfänger sie zur Hand nehmen undlesen kann. Wir arbeiten sie sorgfältigdurch und machen uns Gedanken, wasPaulus wohl gemeint haben könnte. Dafürwerden ja Briefe geschrieben – denken wirund gehen davon aus, dass man damalsmit Briefen genauso umging, wie es heuteüblich ist.

Antike Quellen zeigen: So war es nicht.Was man aufschrieb, diente in der Regeldazu, vor Zuhörern vorgetragen zu wer-den. Wenn Paulus einen Brief schrieb,dann dachte er nicht an einen modernenLeser, sondern an einen, der seine Wortevorträgt, der sie verkörpert durch seineStimme, seine Gestik, seine Blicke und sei-ne Körperhaltung – nach gründlicher Vor-

bereitung natürlich. Und er dachte an einPublikum, das diesen Vortrag erlebt. ZurZeit des Paulus war ein Brief ein gemein-schaftliches Ereignis der versammeltenGemeinde (vgl. 1Thess 5,27).

Was geschieht, wenn man die Paulus-briefe unter dieser Voraussetzung liest?Man muss sich vorstellen, was passiert,wenn die Worte vor dem Publikum gespro-chen werden. Wie werden die Zuhörer rea-gieren? Werden sie erschrecken, werdensie lachen, werden sie begeistert Beifallklatschen oder werden sie sich mächtigaufregen? Und was passiert im Publikum,wenn dort Leute sitzen, die ganz verschie-dene Ansichten haben, vielleicht sogar zer-stritten sind? Werden sich die einen freu-en, während sich die anderen ärgern?Oder werden sie einander verständnisvol-ler ansehen als vorher? Das und noch vielmehr lässt sich aus den Texten erkennen.Viele Details der Briefe werden verständlichoder ganz neu entdeckt, wenn man dieBriefe nicht unter den Voraussetzungenmoderner Schriftkultur liest, sondern sichihnen mit den Augen und Ohren nähert,wie es in der antiken Kultur üblich war.

Das Buch stellt diesen neuen Zugang zurAuslegung der neutestamentlichen Briefevor und zeigt an Beispielen, welches Lebenin diesen Texten steckt und welche Wir-kung sie bei den Empfängern ausgelösthaben. Diese Arbeit ist die erste Monogra-phie weltweit, die zu diesem Themageschrieben wurde.

Stimmen zu dem Werk:

Prof. Dr. Peter Wick, Bochum: „Die-se Arbeit ist von hoher wissenschaftli-cher Qualität. … Der methodischeRahmen überzeugt. Die Anwendungder Performanzkritik auf die Quellen,insbesondere auf die Paulusbriefe,ist äußerst gewinnbringend.“

Prof. Dr. Petr Pokorný, Prag:„Die Monographie ist auf außer-ordentlich tiefer Kenntnis der Lite-ratur gegründet und die These,wonach die Berücksichtigungder Performanz und ihre kritischeRekonstruktion für die Exegese der neutes-tamentlichen Texte hilfreich sein kann, istüberzeugend.“

Prof. Dr. Jörg Frey, Zürich: „…weil ichdas Werk wirklich als eine sehr gute, gelun-gene Monographie ansehe, die eine Lückein der v. a. deutschsprachigen Forschungfüllt und in gewisser Weise Pionierarbeitleistet.“ n

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Am 31. Januar 2013 veranstaltete dieTheologische Hochschule Friedensaueinen Workshop zum Thema „Microfinan-ce“. Ziel des Workshops war es, denMythos Microfinance zu entschlüsseln undPraktikerInnen und WissenschaftlerInnenüber dieses Thema miteinander insGespräch zu bringen.

Zunächst fasste Dr. phil. Philip Madervom Max-Planck-Institut für Sozialwissen-schaften in Köln die kritische Diskussionum Mikrofinanz zusammen und verwiesdabei insbesondere auf negative Auswir-kungen auf die gesamtwirtschaftliche Ent-wicklung (Bangladesch ist heute ein Landvon verarmten KleinhändlerInnen) und dieVerschuldungsfalle, in die viele Kreditneh-merInnen geraten. Der Referent bezog sich

Workshop „Microfinance: Best Practice or Poverty Trap?“

dabei auf seine Erfahrungen in Indien; dorthaben mittlerweile viele Kreditnehmer vierbis fünf Kredite an unterschiedlichen Insti-tuten. Sie müssen zusätzliche Kredite neh-men, um die Raten zurückzahlen zu kön-nen. Dies führte in Indien vor zwei Jahrenzu einer regelrechten Selbstmordwelle vonMenschen, die hoffnungslos durch Mikro-kredite verschuldet waren.

Ein anderer Referent, Dr. Ahmed AjazKhan von Care International, schloss sichder Kritik an bestimmten Mikrofinanzinsti-tutionen an, verwies aber darauf, dassnicht alle Mikrofinanzprogramme glei-chermaßen zu den geschilderten Proble-men beitragen. Neben den großen kom-merziellen Mikrofinanz(-kredit) -anbieterngibt es Organisationen, die nicht nur das

Dr. Daniela GelbrichDozentin für Bibelwissenschaft

Altes Testament

Seit September 2013 arbeite ich alsDozentin für Altes Testament in Friedens-au. Zuvor habe ich in Collonges (Frank-reich) gelebt und dort zwei Jahre das Insti-tut de francais langue étrangère (Spra-chenschule) geleitet und ein Jahr an derFaculté adventiste de théologie Hebräischund Pentateuch unterrichtet. Mein Fach-bereich ist die hebräische Sprache desAlten Testaments und die alttestamentli-che Theologie.

Jens SchwengerStudierendendekan

Ich war 26 Jahre als Pastor in verschie-denen Gemeinden in Süddeutschlandtätig. Im November 2012 sind meine Frauund ich vom Bezirk Ulm nach Friedensauumgezogen, da ich seit Anfang Dezembermeine neue Tätigkeit als Studierendende-kan in Friedensau angetreten habe. Das isteine ganz neue, vielseitige und interessan-te Aufgabe für mich. Friedensau hat fürmich seinen ganz eigenen Reiz mit demHochschulcampus, den internationalenStudenten, der Natur und der Ruhe.

Manuel HaaseLeitung Referat für Marketing und

Öffentlichkeitsarbeit

Nach dem Studium der Musikwissen-schaften und Kommunikationswissen-schaften in Leipzig leite ich seit dem 15.September 2012 das Referat Marketingund Öffentlichkeitsarbeit. Zuvor war ich fürProduktmanagement bei Sony MusicEntertainment und dem Endkundenmar-keting der Porsche AG tätig. Ich freuemich auf eine spannende Zeit, in der ichhelfen kann, die Theologische Hochschuleweiter „auszubauen“.Pe

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Stellenausschreibung

Freiwilliges Soziales JahrKultur (FSJK)

Deine Schulzeit geht zu Ende und du möchtest dichpraktisch ausprobieren?

Die Theologische Hochschule Friedensau bietet fürdie Zeit vom 1. September 2013 bis 31. August 2014

3 spannende FSJK-Arbeitsplätze an:in der Hochschulbibliothek,

der Kindertagesstätte,der Abteilung Marketing und Öffentlichkeitsarbeit

Was darfst du erwarten: � Kontakt mit vielen jungen Menschen aus über zwanzig Ländern

� Leben auf einem attraktiven Campus mit Sport- und Sozialeinrichtungen

� Monatliches Taschengeld von 300,00 € und Sozialversicherung

� Fortzahlung des Kindergeldes

� 25 Bildungstage in Form von Seminaren

� 26 Tage Jahresurlaub

� Ein Zertifikat über die praktizierten Tätigkeiten und erworbenen Fähigkeiten

� Evtl. Anrechnung als Wartesemester bzw. Praxiszeit für Ausbildungszwecke

� Persönliche Beratung und Begleitung durch das Team der LKJ Sachsen-Anhalt e.V. und deinen pädagogischen Betreuer vor Ort

Wir erwarten:Aufgeschlossenheit, Engagement, Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit, Selbstständigkeit, Offenheit gegenüber anderen Kulturen

Bewerbung bitte über das Portal: www.bewerbung.fsjkultur.de

Weitere Infos:zum FSJK in der Hochschulbibliothek:Dirk Schomburg, Tel. 03921-916-192, [email protected]

zum FSJK in der Kindertagesstätte:Roland Nickel, Tel. 03921-916-100, [email protected]

zum FSJK in der Abteilung Marketing und Öffentlichkeitsarbeit:Manuel Haase, Tel. 03921-916-127, [email protected]

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Das„Sommer-Special”

in Friedensau

Vor 150 Jahren wurde die Freikirche derSiebenten-Tags-Adventisten gegründet.Wie sieht der Glaube adventistischer Chris-ten heute aus? Welche Herausforderungenstehen vor uns? Welche Antworten gebenwir auf die Fragen der Zeit? Wie relevant istunser Glaube noch? Wie zeigt er sich imLeben des Einzelnen und der Gemeinde?Wohin führt uns unser Weg?

Das KonzeptDie „Friedensauer Sommerakademie“

bietet ein öffentliches Forum, um über die-se Fragen nachzudenken, Erfahrungen undEinsichten aus der Vergangenheit zugewinnen und Wege in die Zukunft aufzu-zeigen. Alle Interessierten aus den Gemein-den sind eingeladen, gemeinsam mit denDozenten der Hochschule über die Bedeu-tung adventistischen Glaubens und Lebensin der Gegenwart zu reflektieren. Die Vor-träge sind gehaltvoll, aber allgemeinver-ständlich.

Als Hochschulstandort ist Friedensaubestens geeignet, um herausforderndeThemen in entspannter Atmosphäre zuerörtern. Das adventistisch-ganzheitlicheLebenskonzept findet hier praktischeUmsetzung. Die natürliche Umgebung,der familienfreundliche Campus und diegeistliche Atmosphäre bieten Ruhe undErholung, aber auch Freizeit und Unterhal-tung. Ein besonderes Programm für Kinderund Jugendliche macht aus der Sommer-akademie ein echtes ‚Highlight’ für Fami-lien. Aber auch Singles, Ehepaare und Älte-re sind willkommen.

Das ProgrammDas umfangreiche Tagungsprogramm

enthält u.a. Vorträge, Workshops, Podi-umsgespräche, Interviews, Exkursionen,Andachten; dazu kommen ein Festgottes-dienst, ein Konzert sowie eine Gedenkfeierzum 150-jährigen Bestehen der Adventge-meinde. Für Kinder, Teenies und Jugendli-che werden gesonderte Programme ange-boten (Kinder-Uni, Lesenacht, Xtra-Work-shops u.a.m.).

Den persönlichen Glauben stärken,adventistische Identität vertiefen, zum Mit-und Weiterdenken anregen – das ist dasZiel der Friedensauer Sommerakademie.

Ein Angebot der Hochschule für die ganze Familie

ganze Spektrum von Mikrofinanzproduk-ten (Kredite, Sparverträge und Versiche-rungen) anbieten, sondern auch im loka-len Kontext eingebettet sind und sozial-verträglich agieren. Er erklärte in diesemZusammenhang das Potenzial von islami-schen Finanzinstitutionen, die den islami-schen Finanzprinzipien verpflichtet sind(Zinsverbot, das Verbot, die Rückzahlungzu erzwingen, das Gebot, Gewinne undVerluste zwischen Kreditnehmern und Kre-ditgebern zu teilen). Auch Kwaku Arhin-San von der Theologischen HochschuleFriedensau, der seine Masterarbeit über einMikrofinanzprojekt von Adventist Deve-lopment und Relief Agency (ADRA) in Gha-na geschrieben hat, verwies darauf, dassMikrofinanzinstitutionen divers anzusehensind. Sein Schwerpunkt lag auf der Frage,warum sich Kreditnehmer für einebestimmte Mikrofinanzinstitution (undgegen andere) entscheiden. Wie Dr. AjazKahn betonte er in diesem Zusammen-hang das Potenzial von Faith Based Organisations (FBOs). In seiner Untersu-chung dokumentiert er die Argumente derKreditnehmer, die sich für das ADRA-Pro-jekt entschieden hatten, zum Beispieldamit, dass es sich bei ADRA-Geld um„clean money“ handelt, während das Geldanderer Organisationen oftmals alsschlechtes Geld betrachtet wird. In denbeiden Beiträgen der Referenten GihanAdam Abdalla von der FU Berlin und Prof.Dr. Ulrike Schultz von der TheologischenHochschule Friedensau über Mikrofinanz-projekte im Sudan wurde deutlich, dassindividuelle Erfolgsgeschichten im Kontextvon Mikrokrediten eher die Ausnahmesind. Zugleich musste konstatiert werden,dass es wichtig ist, Projekte grundsätzlichan die lokalen Bedingungen anzupassen.Gleichzeitig werden jedoch im Sudan häu-fig unlautere Kreditverträge diktiert, Zin-sen erhoben und die Rückzahlung von Kre-diten mit Rechtsbeugung, zum Beispieldurch Verhaftung des Kreditnehmers,erzwungen. Allerdings können Vorstellun-gen von moralisch gutem (islamischem)Wirtschaften unter bestimmten Bedingun-gen auch als Korrektiv dienen.

In der Abschlussdiskussion, in der sichauch viele Studierende des InternationalSocial Science (ISS) zu Wort meldeten,bestand Übereinstimmung darin, dassMikrofinanzprojekte kein Ersatz für sozialeSicherung und den freien Zugang zuSchulbildung und Gesundheitsversorgungsein können. Darüber hinaus sollten Mikro-finanzinstitutionen ihre Angebote auf klei-ne und mittlere Unternehmen ausdehnen,um wirtschaftliche Entwicklung und dieSchaffung von Arbeitsplätzen im formellenSektor zu unterstützen. Gleichzeitig wurdeübereinstimmend konstatiert, dass Mikro-finanzprojekte kein Allheilmittel gegenArmut und Unterentwicklung sind. Kon-trovers blieb die Diskussion darüber, obMikrofinanzprojekte und -institutionenabgeschafft oder ob sie abgespeckt, sozialverträglich und an die lokalen Bedingun-gen angepasst weiter ein wichtiges Instru-ment in der Entwicklungszusammenarbeitbleiben sollen.

Prof. Dr. Ulrike Schultz n

Die Themen� Biblisch glauben und denken

� Sozial handeln und planen

� Missionarisch leben und fühlen

� Authentisch sein und bleiben

� Ganzheitlich denken und leben

Die Anmeldung ist ab Anfang April über Informationsmaterial in den Gemeinen und auch über die Homepage der Hochschule möglich!

F r i e d e n s a u e r S o m m e r a k a d e m i e30.07. - 03.08.2013

Adventist sein

im 21. Jahrhundert

Page 16: DIALOG 04-06_2013

Die Theologische Hochschule Friedensau ist eine Einrichtung der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten

DIALOG wird herausgegeben von der Theologischen Hochschule FriedensauMarketing und ÖffentlichkeitsarbeitAn der Ihle 19, 39291 Möckern-FriedensauFon: 03921-916-127, Fax: 03921-916-120 [email protected]

Spendenkonto: Friedensauer Hochschul-StiftungBank für SozialwirtschaftBLZ 810 205 00, Konto 1899

Gesamtverantwortung: Prof. Friedbert Ninow

Redaktionsleitung: Martin Glaser

Redaktion: Udo Brünner, Andrea Cramer, Manuel Haase, Roland Nickel, Prof. FriedbertNinow, Prof. Rolf Pöhler, Szilvia Szabó, KarolaVierus

Gestaltung und Produktion: advision Design + Communication, Ockenheim

Druck: Thiele & Schwarz, Kassel

DIALOG erscheint vierteljährlichAusgabe: April/Mai/Juni 2013ISSN 2193-8849

www.thh-friedensau.de

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KulturkalenderVeranstaltungen April-Juni 2013

Die Zeitschrift DIALOG berichtet über dieTheologische Hochschule Friedensau und willzur Reflexion über Themen gegenwärtigerRelevanz anregen. Die Meinungen, die vonden Autoren vertreten werden, entsprechennicht automatisch der Position der Hoch-schulleitung, sondern sind als Beiträge zurDebatte zu verstehen.

Leserzuschriften sind an die Abteilung fürMarketing und Öffentlichkeitsarbeit zu rich-ten. Zur Veröffentlichung sollten die Beiträgeeine Länge von 2.000 Anschlägen nicht über-schreiten. Die Redaktion behält sich vor, Bei-träge zu kürzen. Die Autoren erklären sichdurch die Manuskripteinreichung mit der Ver-öffentlichung auch im Internet einverstanden.

08.-13.04.2013„Gott neu begegnen“Besinnungswoche der Hochschule

19.-21.04.2013RPI-Wochenende

28.04.2013„Join the Adventure“lautet das Motto des „Abend der Kultu-ren”. Eni nicht nur kulinarisches Pro-gramm aus verschiedenen Kulturkreisen.

verbrannt wurde und die in verschiedenenkultischen Kontexten in Israel Verwendungfanden. Figuren und Repräsentationen vonAsherah und anderen Göttern vermittelndie Göttervorstellungen, die im Alten Isra-el existierten. Weitere wichtige Funde die-ser Epoche werden als Repliken gezeigt:

• die 11. Tafel des Gilgamesh-Epos: Die-ses alt-babylonische Werk ist eine der ältes-ten überlieferten literarischen Dichtungender Menschheit. Es beschreibt die Helden-taten des Königs Gilgamesh auf der Suchenach der Unsterblichkeit. Die 11. Tafel die-ses Epos enthält die babylonische Versionder Geschichte von der großen Flut.

• die Tel-Dan-Stele: Fragmente einerInschrift in aramäischer Sprache zur Erin-nerung an den Sieg eines aramäischenKönigs über Israel, die auf dem Siedlungs-hügel von Tel Dan im Norden Israelsgefunden und in das 9./8. Jahrhundert v.Chr. datiert wurde. In der neunten Zeiledieser Inschrift wird auf einen König „ausdem Hause David“ verwiesen!

• der Schwarze Obelisk: Dieses Monu-ment wurde im Jahr 825 v. Chr. vom assy-rischen König Salmanasser III. errichtet. Esverherrlicht die Errungenschaften desKönigs und seines ersten Ministers. Darü-ber hinaus listet es die militärischen Kam-pagnen von 31 Jahren auf und die Tribute,die sie den eroberten Ländern aufzwan-gen. Das zweite Reliefband stellt den israe-litischen König Jehu dar, der sich vor demKönig niederwirft und Tribut darbringt.Dies ist wohl die einzige Darstellung einesisraelitischen Königs, die bekannt ist.

• die Siloah-Tunnel-Inschrift: König His-kia ließ angesichts der Bedrohung durchdie Assyrer im Jahre 701 v. Chr. einen 533 mlangen Tunnel von der Gihon-Quelle biszum Siloah-Teich graben. Die Inschriftbeschreibt, wie die judäischen Arbeiter die-ses Kunststück fertiggebracht haben.

• das Silberamulett aus Jerusalem: Die-ses wenige Zentimeter große Silberröll-chen, das Archäologen 1979 in einemGrab-Repositorium in Jerusalem gefundenhaben, enthält unter anderem einen Teildes aaronitischen Segens aus 4. Mose 6(„Der Herr segne dich und behüte dich;der Herr lasse sein Angesicht leuchten überdir …“). Der Text stimmt genau mit demheutigen hebräischen Text, der auf demCodex Leningradensis (1008 n. Chr.)basiert, überein. Die Inschrift wird in das7./6. Jahrhundert v. Chr. datiert. Somit istdieses Amulett der älteste Textzeuge desAlten Testaments.

• der Kyros-Zylinder: Dieser Tonzylinderenthält in akkadischer Sprache die Prokla-mation des persischen Königs Kyros desGroßen, die er nach 538 v. Chr. abfassenließ. Kyros ordnete an, dass die fremdenVölker in ihre Heimat zurückkehren sollten.Er gab ihnen sogar die geraubten Tempel-schätze zurück. Dieser Erlass machte dieRückkehr des jüdischen Volkes aus derbabylonischen Gefangenschaft möglich.

Aus der römisch-neutestamentlichenEpoche zeigt die Ausstellung Glasgefäße,Tonlampen und Tongefäße, Schmuck undMünzen (wie zum Beispiel einen Silber-schekel, mit dem die Tempelsteuer ent-richtet wurde). Ein besonderes Exponatstellt die aus Ton gefertigte Menora (als sie-benarmiger Leuchter bekannt) dar, dienach der Abbildung auf dem Titus-Bogenin Rom gefertigt wurde. Eine Replik zeigtein Fragment des Papyrus 52, der den grie-chischen Text des Johannes-Evangeliumsenthält. Es ist der älteste Textzeuge desNeuen Testaments und wird auf das Jahr125 n. Chr. datiert.

Eine Auswahl von Funden der verschie-denen Grabungskampagnen der Theolo-gischen Hochschule Friedensau Khirbat al-Balua und Khirbat Mamariya (zentraleMoabitis) werden in weiteren Vitrinen vor-gestellt. Dabei handelt es sich um Haus-

halts- und Grabkeramik des 2. und 1. Jahr-tausends v. Chr. sowie Schmuck und Waf-fen.

So gibt die Ausstellung der archäologi-schen Sammlung dem Besucher die Mög-lichkeit, einen Blick in die materielle Kulturder biblischen Welt zu werfen. Die archäo-logischen Forschungsarbeiten des Institutsfür Altes Testament und Biblische Archäo-logie wollen dazu beitragen, dass ein Ver-ständnis für die Welt, für die Geschichteund Kultur, in der die biblischen Texte ent-standen sind, gewonnen und erweitertwird. Nicht jeder hat die Möglichkeit, denGegebenheiten vor Ort in Israel, Jordanienoder einem anderen biblischen Land per-sönlich nachzuspüren. Die Ausstellungbringt Exponate aus der weiten Welt nachFriedensau.

Kontakt für Informationen und Füh-rungen: 01 75 5 74 26 72

Prof. Friedbert Ninow n

Fortsetzung von Seite 9

09.-12.05.2013Himmelfahrtslager der Adventugend

17.-20.05.2013Pfingstjugendtreffen

08.06.2013Hochschulgemeinde in der Arena