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Geschichte der Juden in Teplitz. Bearbeitet von Rb. Dr. Friedrich Weihs, Teplitz. Im Jahre 1925 hat Dr. Paul Wanie, Gymnasial- professor in Teplitz-Schönau, eine „Geschichte der Juden von Teplitz" nach vorhandenen Archivalien herausgegeben J ). Sie enthält in kurzen Zügen die Geschichte der Teplitzer Judengemeinde seit der ältesten Zeit ihres Bestehens; allerdings sind vor- nehmlich die politischen Verhältnisse behandelt, die Beziehungen der Juden zur Herrschaft, der sie unter- standen, zur Stadtgemeinde und ihre geschäftlichen und Erwerbsverhältnisse. Die innerhalb der Juden- Alt-Teplitz (Judengasse) gemeinde sich abspielenden Ereignisse, das Leben und Geschehen in der Judengasse, im Tempel, in der Ge- meindestube, die Persönlichkeiten, die in der Ge- meinde wirkten und das jüdische Leben geformt oder beeinflußt haben, die kleinen und großen Sorgen und Aufgaben im Haushalte der Judengemeinde sind natürlicherweise kaum kurz erwähnt und bedürfen, wenn wir ein vollkommenes Bild der Entwicklung der jüdischen Gemeinde in Teplitz zeichnen wollen, einer ergänzenden Darstellung. Es wird somit vor allem notwendig sein die Gemeindegeschiohte in der neueren Zeit, also etwa seit dem Eintreten der deut- schen Judenheit in die durch die französische Revo- lution sich wandelnden Verhältnisse darzustellen. Wir werden ungefähr 150 Jahre, bis auf das Jahr 1780, zurückgreifen und diese Zeitspanne jüdischen Gemeindelebens in Teplitz in den Kreis unserer Be- trachtungen ziehen. An archivalischen Quellen liegen vor: 1. Ein Protokoll der Gemeinde vom Jahre 1737. In schlechtem Hebräisch, in Kursivschrift. 2. Ein Protokoll hebräisch und deutsch in jüdischen Lettern, welches recht fehlerhaft geschrieben, beson- ders in seinem deutschen Teil noch stark jargonisie- rend ist. Dieses reicht bis etwa zum Jahre 1780. Teplilz 1 3. Ein Protokoll vom Jahre 1799 beginnend, schon in deutscher Sprache. 4. Die Sitzungsprotokolle der neueren Zeit bis auf die Gegenwart mit Ausnahme der etwa vom J. 1840 bis 1884. 5. Die israelitischen Geburts-, Trauungs- und Sterbe- matriken. Diese reichen in tadelloser Ordnung bis zum Jahre 1840, zum Teil bis 1815 zurück (s. w. u.). 6. Ein Verzeichnis der seit d. J. 1794 bis z. J. 1887 inbegriffen Verstorbenen mit der Angabe der Sterbe- daten und ihres Grabplatzes auf dem Friedhof. Bis zum Jahre 1875 hebräisch, bzw. deutsch, in jüdischen Lettern, von diesem Jahre ab deutsch mit den deut- schen Namen der Beerdigten. 7. Ein Verzeichnis aller auf dem alten Friedhof Be- erdigten mit der durchgehends beigefügten Angabe der Sterbedaten und Aufzeichnung vieler Grabstein- inschriften. Dieses Verzeichnis, dem auch ein Namens- index beigefügt ist, enthält 923 Namensnennungen, welche mit der letzten Beerdigung v.om 4. 10. 1863, also mit dem letzten auf diesem Friedhofe Beerdigten, abschließen. Zu diesem Verzeichnis ist zu bemerken, daß viele der Inschriften auf den Grabsteinen vo>r einigen Jahr- zehnten von einem Gemeindebeamten geradezu bis %JT Unverständlichkeit übermalt worden sind, sodaß die Aufschriften mancher Grabsteine, ihre Abschriften und der Index mit äußerster Vorsicht zu verwenden sind. Viele Namen von Verstorbenen fehlen im Verzeichnis. 8. Die große Anzahl der auf dem alten und auf dem neuen Friedhofe befindlichen Grabdenkmäler ist eine wertvolle Fundgrube zur Erforschung der Ge- schichte unserer Gemeinde. 9. Das Gedenkbuch der Beerdigungsbrüderschaft der israelitischen Kultusgemeinde Teplitz 1866. Dieses Gedenkbuch, ein stattlicher Band, enthält nur eine Skizze vom Rabbiner Dr. A. Rosenzweig: „Allgemeines zur Geschichte der hiesigen jüdischen Gemeinde." Sie ist, soweit die ältere Geschichte in Betracht kommt, eine kurze Darstellung aus alten Quellen, wie sie auch Wanie anführt, und reicht bis z'nr Abberufung Dr. Rosenzweigs nach Berlin (1. Sep- tember 1887). Diese Arbeit schließt rückschauend, auf sein Wirken in Teplitz mit einem Ausblick in die Zukunft der Teplitzer Judengemeinde im Tone der Resignation und der Sorge. 10. Ein Verzeichnis der auf dem neuen Friedhofe Beerdigten. Es sei also für die ältere Geschichte auf die oben genannte Darstellung von Wanie ausdrücklich hinge- wiesen. In neuester Zeit erschien überdies ein wert- volles Quellenbuch von August Müller „Urkundenbuch des Teplitzer Bezirkes". * Die Juden von Teplitz zeigen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, wie überall im westlichen Europa, das Streben nach Angleichung in Sprache und Ge- bahren an ihre christliche Umgebung. Mehr und mehr dringt mit zunehmender Bildung die deutsche Sprache in die Judengasse und in die Gemeindestube ein. Die Gemeindeberatungen sind allerdings ein klarer Beweis dafür, daß bei allem Bildungsstreben der Ju- den dennoch das religiöse Leben die herrschende Rolle inne hatte. Den Aufgaben, welche Religion und Kultus, Ritualinstitutionen und die Obsorge für ihre Erhaltung der Gemeinde aufbürdeten, gelten in erster Reihe die Beratungen der führenden Persönlichkeiten. Die Aufbringung der zur Erhaltung der Gemeinde notwendigen Mittel, die Erfüllung finanzieller Ver- pflichtungen gegen Herrschaft, Stadt und die Be- amten und Angestellten der Gemeinde bilden immer wieder den Mittelpunkt der Beratungen. Einige Einrichtungen religiöser Art oder solche zu wirtschaftlichen Zwecken bildeten durch lange Jahr- zehnte eine starkbegehrte Einnahmsquelle für die Gemeinde wie für die Pächter. Das rituelle Bad, das Schächtrecht, der Fleisch- verkauf (der Fleischpardon), der Gemeindebackofen, und die Aschengrube der Judengasse wurden durch Versteigerung dem Meistbietenden verliehen. Doch auch in diesen engen Kreis der Teplitzer Ju- dengasse dringen zuweilen die Wellen der großen Er- eignisse der Welt und auch.in der Beratungsstube der Judengemeinde finden Kriegsgeschehnisse, Teuerung, Einquartierungen und Kontributionen ihr Echo. Er- eignisse politischer Art und Verwaltungsmaßnahmen der Regierungen beeinflussen auch die Judenschaft in ihrer Stellung zur Außenwelt und in ihrem ge- meindepolitischen Leben. Der Tod bedeutender Männer der Gemeinde, die Einführung geistlicher und weltlicher maßgebender Persönlichkeiten ins Amt, Ereignisse in der Juden- gasse und im Tempel, die allmähliche Einbürgerung und bürgerliche Gleichstellung der Juden spiegeln sich in vielen Berichten. Daneben sind tausend kleine, uns kleinlich anmutende Dinge des Alltags- lebens und der Gemeinde Gegenstand der Beratun- gen; aber auch der Charakter unserer Stadt als einer Sladt der Thermen und als Ort wachsender In- dustrie, das Aufblühen der Stadt und der Juden- gemeinde in ihr, das Eindringen eines großzügigeren Lebens, das Verweilen hoher Persönlichkeiten in den Mauern von Teplitz und nicht zuletzt das un- aufhaltbare Eindringen neuzeitlichen Denkens in den Kreis des religiösen Lebens, in Synagoge, Schule und Haus, die Reform des Gottesdienstes durch Orgel, Chor, deutsche Predigt, das alles schafft mit den wachsenden humanitären Aufgaben der Gemeinde eine Fülle ernster, nicht immer leichterfüllbarer Arbeit, welche der Gemeinde und ihren Führern obliegt. Zur älteren Geschichte der Teplitzer Jiulengemciiulc. Teplitz ist eine alte Wohnstätte der Juden. Da die ältere Geschichte unserer Gemeinde mehrmals dar- gestellt ist 2 ), sei nur kurz erwähnt, daß die alte An- dachtstätte schon um 1550 bestand 3 ), daß sie nach einer alten Überlieferung von 18 Hausvätern erbaut worden sei 3 ), daß um die gleiche Zeit ein Friedhof hinter dem heutigen Theater lag, der im J. 1669 von der Grundobrigkeit gesperrt wurde, daß sicherlich auch ein rituelles Bad schon damals vorhanden war; denn die Tatsache, daß Schwenkfeldt in seiner Be- schreibung der Thermae Theplicenses 1607 die Juden- bäder nicht erwähnt, ist kein Gegenbeweis*). Wie Synagoge und Friedhof, so gehörte das rituelle Bad zu den Kultuseinrichtungen der Gemeinde. (Auch in den Statuten der gegenwärtigen Gemeinde ist der Bestand eines rituellen Bades vorgesehen.) Zweifellos war schon in früher Zeit für Arme und kranke einheimische und fremde Juden gesorgt und vielleicht gab es auch schon ein Spital, denn in spä- terer Zeit wird von diesen Einrichtungen als von selbstverständlichen Dingen gesprochen. Die Gemeinde war von geistlichen und weltlichen Führern geleitet, und führte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts natürlich ein streng religiöses Leben, bis die neue Zeit auch in die Judengassen ihren Ein- zug hielt. Teplitz erlangte im 17. Jahrhundert, nach dem 30 jährigen Kriege, für die Juden eine große Be- deutung, weil es die Zuflucht vieler Ausgewiesenen wurde. : Nach dem Ausnahmsgesetze des böhmischen Land- Ghetto tages, nach welchem Juden nur dort wohnen durften, wo sie bereits 1618 seßhaft waren, wurden sie in Dux, Komotau, Karlsbad, Eger, Saaz, Bilin, Brüx, Kloster- grab, Graupen, Karbitz, Trebnitz, Leitmeritz, Tet- schen, Kainnitz, Bensen und an anderen Orten nicht geduldet (Rosenzweig, Gedenkbuch) und deshalb bildete Teplitz die Insel im Meere der Heimatlosig- keit. So wird auch die Bitte der Teplitzer Bürger- schaft 1667 an die fürstliche Herrschaft um Aus- Weisung der Juden bis auf 100 verständlicher"). Erst im 18. Jahrhundert beginnt die Geschichte der Gemeinde für uns klarere Gestalt anzunehmen, füh-

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Geschichte der Juden in Teplitz.Bearbeitet von

Rb. Dr. Friedrich Weihs, Teplitz.

Im Jahre 1925 hat Dr. Paul Wanie, Gymnasial-professor in Teplitz-Schönau, eine „Geschichte derJuden von Teplitz" nach vorhandenen ArchivalienherausgegebenJ). Sie enthält in kurzen Zügen dieGeschichte der Teplitzer Judengemeinde seit derältesten Zeit ihres Bestehens; allerdings sind vor-nehmlich die politischen Verhältnisse behandelt, dieBeziehungen der Juden zur Herrschaft, der sie unter-standen, zur Stadtgemeinde und ihre geschäftlichenund Erwerbsverhältnisse. Die innerhalb der Juden-

Alt-Teplitz (Judengasse)

gemeinde sich abspielenden Ereignisse, das Leben undGeschehen in der Judengasse, im Tempel, in der Ge-meindestube, die Persönlichkeiten, die in der Ge-meinde wirkten und das jüdische Leben geformt oderbeeinflußt haben, die kleinen und großen Sorgen undAufgaben im Haushalte der Judengemeinde sindnatürlicherweise kaum kurz erwähnt und bedürfen,wenn wir ein vollkommenes Bild der Entwicklungder jüdischen Gemeinde in Teplitz zeichnen wollen,einer ergänzenden Darstellung. Es wird somit vorallem notwendig sein die Gemeindegeschiohte in derneueren Zeit, also etwa seit dem Eintreten der deut-schen Judenheit in die durch die französische Revo-lution sich wandelnden Verhältnisse darzustellen.Wir werden ungefähr 150 Jahre, bis auf das Jahr1780, zurückgreifen und diese Zeitspanne jüdischenGemeindelebens in Teplitz in den Kreis unserer Be-trachtungen ziehen.

An archivalischen Quellen liegen vor:1. Ein Protokoll der Gemeinde vom Jahre 1737. In

schlechtem Hebräisch, in Kursivschrift.2. Ein Protokoll hebräisch und deutsch in jüdischen

Lettern, welches recht fehlerhaft geschrieben, beson-ders in seinem deutschen Teil noch stark jargonisie-rend ist. Dieses reicht bis etwa zum Jahre 1780.

Teplilz 1

3. Ein Protokoll vom Jahre 1799 beginnend, schonin deutscher Sprache.

4. Die Sitzungsprotokolle der neueren Zeit bis aufdie Gegenwart mit Ausnahme der etwa vom J. 1840bis 1884.

5. Die israelitischen Geburts-, Trauungs- und Sterbe-matriken. Diese reichen in tadelloser Ordnung biszum Jahre 1840, zum Teil bis 1815 zurück (s. w. u.).

6. Ein Verzeichnis der seit d. J. 1794 bis z. J. 1887inbegriffen Verstorbenen mit der Angabe der Sterbe-daten und ihres Grabplatzes auf dem Friedhof. Biszum Jahre 1875 hebräisch, bzw. deutsch, in jüdischenLettern, von diesem Jahre ab deutsch mit den deut-schen Namen der Beerdigten.

7. Ein Verzeichnis aller auf dem alten Friedhof Be-erdigten mit der durchgehends beigefügten Angabeder Sterbedaten und Aufzeichnung vieler Grabstein-inschriften. Dieses Verzeichnis, dem auch ein Namens-index beigefügt ist, enthält 923 Namensnennungen,welche mit der letzten Beerdigung v.om 4. 10. 1863,also mit dem letzten auf diesem Friedhofe Beerdigten,abschließen.

Zu diesem Verzeichnis ist zu bemerken, daß vieleder Inschriften auf den Grabsteinen vo>r einigen Jahr-zehnten von einem Gemeindebeamten geradezu bis

%JT Unverständlichkeit übermalt worden sind, sodaßdie Aufschriften mancher Grabsteine, ihre Abschriftenund der Index mit äußerster Vorsicht zu verwenden sind.Viele Namen von Verstorbenen fehlen im Verzeichnis.

8. Die große Anzahl der auf dem alten und aufdem neuen Friedhofe befindlichen Grabdenkmäler isteine wertvolle Fundgrube zur Erforschung der Ge-schichte unserer Gemeinde.

9. Das Gedenkbuch der Beerdigungsbrüderschaftder israelitischen Kultusgemeinde Teplitz 1866.

Dieses Gedenkbuch, ein stattlicher Band, enthältnur eine Skizze vom Rabbiner Dr. A. Rosenzweig:„Allgemeines zur Geschichte der hiesigen jüdischenGemeinde." Sie ist, soweit die ältere Geschichte inBetracht kommt, eine kurze Darstellung aus altenQuellen, wie sie auch Wanie anführt, und reicht bisz'nr Abberufung Dr. Rosenzweigs nach Berlin (1. Sep-tember 1887). Diese Arbeit schließt rückschauend, aufsein Wirken in Teplitz mit einem Ausblick in dieZukunft der Teplitzer Judengemeinde im Tone derResignation und der Sorge.

10. Ein Verzeichnis der auf dem neuen FriedhofeBeerdigten.

Es sei also für die ältere Geschichte auf die obengenannte Darstellung von Wanie ausdrücklich hinge-wiesen. In neuester Zeit erschien überdies ein wert-volles Quellenbuch von August Müller „Urkundenbuchdes Teplitzer Bezirkes".

*

Die Juden von Teplitz zeigen seit dem Ende des18. Jahrhunderts, wie überall im westlichen Europa,

das Streben nach Angleichung in Sprache und Ge-bahren an ihre christliche Umgebung. Mehr und mehrdringt mit zunehmender Bildung die deutsche Sprachein die Judengasse und in die Gemeindestube ein.

Die Gemeindeberatungen sind allerdings ein klarerBeweis dafür, daß bei allem Bildungsstreben der Ju-den dennoch das religiöse Leben die herrschendeRolle inne hatte. Den Aufgaben, welche Religion undKultus, Ritualinstitutionen und die Obsorge für ihreErhaltung der Gemeinde aufbürdeten, gelten in ersterReihe die Beratungen der führenden Persönlichkeiten.Die Aufbringung der zur Erhaltung der Gemeindenotwendigen Mittel, die Erfüllung finanzieller Ver-pflichtungen gegen Herrschaft, Stadt und die Be-amten und Angestellten der Gemeinde bilden immerwieder den Mittelpunkt der Beratungen.

Einige Einrichtungen religiöser Art oder solche zuwirtschaftlichen Zwecken bildeten durch lange Jahr-zehnte eine starkbegehrte Einnahmsquelle für dieGemeinde wie für die Pächter.

Das rituelle Bad, das Schächtrecht, der Fleisch-verkauf (der Fleischpardon), der Gemeindebackofen,und die Aschengrube der Judengasse wurden durchVersteigerung dem Meistbietenden verliehen.

Doch auch in diesen engen Kreis der Teplitzer Ju-dengasse dringen zuweilen die Wellen der großen Er-eignisse der Welt und auch.in der Beratungsstube derJudengemeinde finden Kriegsgeschehnisse, Teuerung,Einquartierungen und Kontributionen ihr Echo. Er-eignisse politischer Art und Verwaltungsmaßnahmender Regierungen beeinflussen auch die Judenschaftin ihrer Stellung zur Außenwelt und in ihrem ge-meindepolitischen Leben.

Der Tod bedeutender Männer der Gemeinde, dieEinführung geistlicher und weltlicher maßgebenderPersönlichkeiten ins Amt, Ereignisse in der Juden-gasse und im Tempel, die allmähliche Einbürgerungund bürgerliche Gleichstellung der Juden spiegelnsich in vielen Berichten. Daneben sind tausendkleine, uns kleinlich anmutende Dinge des Alltags-lebens und der Gemeinde Gegenstand der Beratun-gen; aber auch der Charakter unserer Stadt als einerSladt der Thermen und als Ort wachsender In-dustrie, das Aufblühen der Stadt und der Juden-gemeinde in ihr, das Eindringen eines großzügigerenLebens, das Verweilen hoher Persönlichkeiten inden Mauern von Teplitz und nicht zuletzt das un-aufhaltbare Eindringen neuzeitlichen Denkens in denKreis des religiösen Lebens, in Synagoge, Schule undHaus, die Reform des Gottesdienstes durch Orgel,Chor, deutsche Predigt, das alles schafft mit denwachsenden humanitären Aufgaben der Gemeindeeine Fülle ernster, nicht immer leichterfüllbarerArbeit, welche der Gemeinde und ihren Führernobliegt.

Zur älteren Geschichte der TeplitzerJiulengemciiulc.

Teplitz ist eine alte Wohnstätte der Juden. Da dieältere Geschichte unserer Gemeinde mehrmals dar-gestellt ist2), sei nur kurz erwähnt, daß die alte An-dachtstätte schon um 1550 bestand3), daß sie nacheiner alten Überlieferung von 18 Hausvätern erbautworden sei3), daß um die gleiche Zeit ein Friedhofhinter dem heutigen Theater lag, der im J. 1669 vonder Grundobrigkeit gesperrt wurde, daß sicherlichauch ein rituelles Bad schon damals vorhanden war;denn die Tatsache, daß Schwenkfeldt in seiner Be-schreibung der Thermae Theplicenses 1607 die Juden-

bäder nicht erwähnt, ist kein Gegenbeweis*). WieSynagoge und Friedhof, so gehörte das rituelle Badzu den Kultuseinrichtungen der Gemeinde. (Auch inden Statuten der gegenwärtigen Gemeinde ist derBestand eines rituellen Bades vorgesehen.)

Zweifellos war schon in früher Zeit für Arme undkranke einheimische und fremde Juden gesorgt undvielleicht gab es auch schon ein Spital, denn in spä-terer Zeit wird von diesen Einrichtungen als vonselbstverständlichen Dingen gesprochen.

Die Gemeinde war von geistlichen und weltlichenFührern geleitet, und führte bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts natürlich ein streng religiöses Leben,bis die neue Zeit auch in die Judengassen ihren Ein-zug hielt.

Teplitz erlangte im 17. Jahrhundert, nach dem30 jährigen Kriege, für die Juden eine große Be-deutung, weil es die Zuflucht vieler Ausgewiesenenwurde. :

Nach dem Ausnahmsgesetze des böhmischen Land-

Ghetto

tages, nach welchem Juden nur dort wohnen durften,wo sie bereits 1618 seßhaft waren, wurden sie in Dux,Komotau, Karlsbad, Eger, Saaz, Bilin, Brüx, Kloster-grab, Graupen, Karbitz, Trebnitz, Leitmeritz, Tet-schen, Kainnitz, Bensen und an anderen Orten nichtgeduldet (Rosenzweig, Gedenkbuch) und deshalbbildete Teplitz die Insel im Meere der Heimatlosig-keit. So wird auch die Bitte der Teplitzer Bürger-schaft 1667 an die fürstliche Herrschaft um Aus-Weisung der Juden bis auf 100 verständlicher").

Erst im 18. Jahrhundert beginnt die Geschichte derGemeinde für uns klarere Gestalt anzunehmen, füh-

rende Persönlichkeiten treten hervor. G emeindeälteste und geistliche Lehrer werden genannt. Wermag nun der erste Rabbiner von Teplitz gewesensein? Die U rkunden schweigen leider allzusehr.

I n dem Inschriftenverzeichnis des „alten Friedhofes", der die zweite jüdische Begräbnisstätte vonTeplitz ist (eröffnet 16698) , wird ein Rabbi SimonSpira genannt, 1655 verstorben. Die VermutungRosenzweigs 7 ) , daß der älteste Leichenstein auf diesem Friedhof aus dem Jahre 1653 datiere, daß alsoschon vor der Überweisung dieser Stätte an die Judenschaft oder vor dem Statthaltereierlaß, der infolgedes Streites über die Schließung des ältesten Friedhofes hinter dem heutigen Theater erging8) . Judenauf dem „breiten Stein" beerdigt worden seien, ist somit nicht von der H and zu weisen. Es wäre demgemäß Rabbi Spira zumindest als einer der erstenRabbiner an der damaligen Synagoge zu betrachten.Er wäre der Vorgänger des Rabßi Löbl Baum, der 1654,also kurz vor Spiras Tode, sein Amt antrat. Ichglaube nicht, daß dieser Rabbi Löbl, den RosenzweigLöwe nennt, der erste °) Rabbiner von Teplitz gewesen sei. Seine G rabinschrift ist bisher nicht festgestellt. Als N achfolger Rabbi Löbl Baums, also alsden dritten Rabbiner, betrachte ich Rabbi Jakob,Sohn des Dajja.n (G erichtsbeisitzers) Rabbi Manes,der hochbetagt 1717 starb. Seine G rabinschrift (N r.338) lautet: , ,

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Seine F rau Keile starb 1722.Aus dem Jahre 1720 ist uns Rabbi Nathan JJtitz

als U rkundenmann bekan n t ö ) ; er scheint der Nachfolger des Rabbi Jakob Manes gewesen zu sein. SeinG rabstein ist nicht bekannt, dagegen findet sichN r. 303 der G rabstein der „Riwka, Tochter desRabbi N athan U titz, des G erichtsvorsitzenden unsererG emeinde, gestorben 3. Ellul 1785" 1 0 ) . Um 1746 starbR. Abraham Poppers, ein Schüler des R. JonathanEibenschütz11) . .

Es folgt im Amte des Rabbiners Rabbi Simcha Poppers aus Prag, auch ein Schüler des großen RabbiJonathan Eibenschütz. Da die G emeinde damals, etwaum das Jahr 1738, aus 73 Familien bestand 12) undwenig leistungsfähig war, erlegte Rabbi Simcha Poppers 200 G ulden, welche die H errschaft für seinenAmtsantritt verlangt hatte, für die G emeinde als Darlehen. Er trat warm für seinen Lehrer Rabbi Jonathan Eibenschütz ein, um ihn gegen den Vorwurf derKetzerei zu verteidigen (siehe Rosenzweig, Gedenkbuch) und wurde während seiner Wirksamkeit vonRabbi Beer H erz Emden H eilpern als Dajjan unterstützt. Rabbi Simcha starb um 1760. Seine G rabinschrift (N r. 143) ist erhalten.

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nathan Eibenschütz, Abraham Isah Eisig KolischLiebna (aus Lieben), der samt seinem Sohne sogar'mitdem Synagogenbanne gegen die F einde des Eibenschützvorgegangen war und, wie Rosenzweig berichtet, deshalb als Anhänger Sabbatei Zewis verschrieen wurde.Isak Kolisch war sehr verehrt; von der tiefen Trauerder G emeinde über seinen Tod (7. Adar 1781) gibtsein G rabstein Zeugnis (Nr. 97).

Rabbi Eisig Kolisch Liebnas G rabinschrift (nachdem Abschriftenverzeichnisse des alten F riedhofes):

„H ier ruht ein F ürst der Tora. Isak war ein vollkommenes Opfer. Vollkommen in seinen Taten. SeineWege waren Wege der Lieblichkeit und rühmlich warer gebunden an den Altar mit allen Äußerungenseines Lebens. Viele Brunnen lebendigen Wassersgrub er und schöpfte und tränkte die durstigen edlenSchüler. Er wich nicht aus dem Zelte der Lehre, umzu jedem Augenblick und zu jeder Zeit die Grenzmaße der Tora zu lehren. Seinem Munde entströmten Edelsteine und viele neue liebliche Erkenntnisse,süßer als Honig und Honigseim. Sie hat gesammeltund in die Tat umgesetzt der Mann, dessen Lebenreich an Werken nach allen vier Seiten des Tischeswar (eine Anspielung auf umfassende G esetzeskunde),das ist unser H err und Lehrer, unsere Leuchte, unsereZierde und P racht: D er fromme und bescheideneRabbi und Lehrer Rabbi Abraham Isak Eisig KolischLibna, Vorsitzende des G erichtes unserer G emeindeund des Kreises, sie möge blühen, und man nannteseinen N amen Isak, damit er ihm Richtlinie und Gedanke sei."

Auf der Rückseite des Steines: „Und vordemwar sein Amtssitz zwischen erhabenen und hochedlen in der heiligen G emeinde Prag, in der Stadtder großen G eisteshelden, im großen Lehrhause, wohin eine große Anzahl kam, die un ter den Gewöhnlichen schon als große und berühmte G elehrte galtenund nachher wurde er aufgenommen in die berühmteG emeinde Stampfen. Er starb durch einen G otteskußund seine Seele ging in Reinheit und Heiligkeit vonihm. Am Todestage Moses, der uns die heilige Toraals Erbe hinterlassen hat, Sonntag den 7. Adar desJahres 541 (1781). F riede sei mit ihm."

Sein Nachfolger war sein ehemaliger Rabbinatsbeisitzer, der später weitberühmte Rabbi NuphtaliHerz Emden Heilpern, der vorher Rabbiner der altenJudengemeinde Eidlitz bei Komotau gewesen ist 1 3 ) .H erz Emden starb nach 13 jähriger Tätigkeit inTeplitz am 14. Siwan 5560 (1800) und ist auf demhiesigen alten Friedhofe beerdigt (G räbst. N r. 96).Sein Tod wurde tief betrauert.

Auch seine F rau Sara G ütel Emden ist hier gestorben und beerdigt. Es ist uns auch sein Jahresgehalt bekannt. Er bezog 208 G ulden. Seine Witwe88 G ulden.

G rabinschrift des Rabbi H erz Emden H eilpern:

11,1" I M iö. i 723

p pt r n näD innü 7;n 7̂ 7.3,11

Auf ihn folgt wiederum ein Schüler des Rabbi Jo

22 inötw .ISJP p2ři yy&p"D i"> ,injö in x 'p ro t r

vta 'K or in inü7 7HJi m m ••— upn n n *^ n jr p^o

Im Verzeichnisse der Verstorbenen ist ihm eingleich ehrender N achruf gewidmet.

Als Nachfolger Rabbi Emdens ist Rabbi JosefLeipen1*), der Sohn Rabbi Abrahams, des ehemaligenRabbiners in Böhm. Leipa, anzusehen. Nach der Inschrift seines G rabsteines N r. 103 ist er auch um 1800gestorben. Die Inschrift bedarf der genauen Nachprüfung, da das Todesjahr bisher als das gleiche gelesen wurde wie das seines Vorgängers H erz Emden.Allerdings bezeichnet Rosenzweig im G edenkbuchdas Jahr 1796 als Sterbejahr H erz Emdens l r ' ) . DieG rabschrift Josef Leipen besagt (N r. 103):

„H ier ruht der Lehrer, unser Rabbiner, der Vorsitzende des G erichtshofes Rabbi Josef s. A.,der Sohn des großen G elehrten Rabbi Abrahams,G erichtsvorsitzenden der G emeinde Leipen, gestorbenund beerdigt am Montag den 26. Nissan 560 (1800)."

D er darauffolgende Lehrer war Rabbi Isaias Lö'wi,der nach Rosenzweigs Aufzeichnung von stillem,frommen Charakter gewesen ist, nur in religiösenDingen nicht zur N achgiebigkeit neigte. Die Wirkungen der Aufklärung unter Jo sef I I . und die Nachwirkung Mendelssohnschen G eistes, die sich natürlich auchin der Teplitzer Judenschaft bemerkbar machten,scheinen dem geistlichen Oberhaupte mancherleiWiderwärtigkeiten bereitet zu haben, sodaß er inseinem Testamente den Wunsch äußerte, es mögenauf seinem schlichten G rabsteine nur sein N ame,G eburtsort und Todesdatum angegeben werden, aberjeder Titel und irgendwelche Bezeichnung als Rabbiner seien zu unterlassen. Nach Rosenzweig 10) hat dieG emeinde später zu F üßen des G rabes noch einenzweiten G edenkstein aufstellen lassen, dessen Aufschrift dem Wesen und Wirken dieses Mannes gerecht wird. Sein Todesdatum 25. Schewat 591 (1831).G rb. 129 a. 1807 starb s. G attin Rifka, 6. Ijjar 5567(siehe Sterbeverz.).

Nach ihm verwaltet Rabbi David Kulb aus Deutschland bis zum J. 1832 das Rabbinat. David Kulb, deruns auch sonst in der G emeinde als Pächter verschiedener öffentlicher Einrichtungen begegnet und dasAmt eines Mohel bis zum Jahre 1841 ausübte, erlangte die Rabbinatswürde kraft seines anerkanntengroßen Wissens und seines guten und frommen Charakters. Sein G rabstein N r. 30 erzählt uns davon. Erstarb, 75 Jahre alt, 11. Adar. 21./ 2. 1842. In der TotenMatrike ist er als „Beschneider" eingetragen (Judeng.N r. 28).

Mit dem Jahre 1832 trit t Rabbi Dr. Zacharias Frankel, geb. 1801, als erster graduierter Rabbiner am26. April sein Amt an. Merkwürdigerweise enthaltendie Archivschriften keinerlei N otizen über das Wirken dieses bedeutenden Geistes, der, wie man erzählt, bei seiner für die damalige Zeit immerhin fortschrittlichen G esinnung durch verschiedene Anordnungen im G ottesdienste sich heftige F einde erworben hatte. Es ist sogar die Kunde erhalten 1 ) , man habeeines Tages dem LTnmute durch Steinwürfe gegen dieF enster der Rabbinerwohnung Ausdruck verliehen.Nach bloß vierjähriger Wirksamkeit verließ er Teplitzund folgte einem Rufe als Oberrabbiner nach Dresden, von wo er als D irektor des jüdisch theologischenRabbinerseminares nach Breslau berufen wurde.

Noch im selben Jahre 18,36 übernahm Rabbi DavidPick das Amt des Teplitzer Rabbiners. In seine Wirksamkeit fällt die Zeit der Umwandlung und Erneuerung unseres G ottesdienstes, über die wir weiter untenim Verlaufe unserer D arstellung noch ausführlichersprechen werden. Vorderhand sei nur erwähnt, daßRabbi David Pick, der fast 40 Jahre hier wirkte,während dieser unruhigen Zeit der Umwandlung desKultus durch sein kluges, mitunter auch nach

giebiges Verhalten äußerst verdienstlich gewirkt hat,daß ihm vom damaligen Kaiser F ranz Josef I . ahseinem 70. G eburtstage das goldene Verdienstkreuzverliehen wurde. Die Alten unserer G emeinde erzählten noch^ wie Rabbi David Pick während des Gebetes für den Kaiser plötzlich vom Tode ereilt wurde;am Sabbath, den 5. Tamus 5638, 6. Juli 1878 (Herzschlag) 1 7 ) . Seine G attin Antonie Pick starb 1897.

In seiner Amtszeit wandelt sich auch die politischeund soziale Stellung der Judenschaft des damaligenÖsterreich. Die Juden werden Bürger mit demRechte der Freizügigkeit, wirtschaftlich und auf demG ebiete der Wissenschaft treten viele Juden auchaus unserer G emeinde ihren Höhenweg an. Zur Vervollständigung dieser übersichtlichen kurzen Geschichte des Teplitzer Rabbinates seien auch die folgenden Verwalter dieses Amtes genannt. Vom Jahre1878 bis zum 2. April des Jahres 1887 versah D r.Adolf Rosenzweig das Rabbinat. Mit 28 Jahren trater sein Amt an. Ich darf ihn am besten selbst übersein Wollen und Wirken in Teplitz sprechen lassenund führe die Schlußworte an, die er am Ende seineröfter genannten D arstellungen über Teplitz im Gedenkbuche uns hinterlassen hat. „ Ich habe das Rechteangestrebt. Mit idealen G edanken trat ich, 28 Jahrealt, mein Amt an — G ott als Weltenvater und H errdes Lichtes zu lehren, war mein Vorsatz und Ziel.Ich habe meine religiöse Anschauung nicht geändert.Ich habe redlich gearbeitet. Ich kannte nicht Schmeichelei, Reichtum imponierte mir nicht, Machtschreckte mich n ic h t . . .

Ich habe mit Ernst gearbeitet und bin für allesG ute und Edle eingetreten, das ist mein Bewußtseindas ist mein L o h n . . . und wenn nicht allenthalbendas erreicht wurde, was ich und andere erwarteten,so liegt es an den eigenartigen Verhältnissen unsererG emeinde. Ich scheide nicht mit G roll, aber nichtohne Betrübnis. D er Indifferentismus nagt an unsererG emeinde, der es leider an Männern fehlt, die ihreIntelligenz selbstlos děni D ienste der Gemeinschaftzuführten.

Erwählet euch weise, biedere, charaktervolle Männer, solche sollen G emeinden leiten. Mit eurer Ehrebegründet ihr die Ehre Israels! P lato hat recht, nurweise Männer sollen herrschen! Die Torheit der Menschen ist ihre Sünde! Unwissenheit äußert sich hierals D ummheit, dort als Bosheit — Dummheit undBosheit sind die geschworensten Feinde aller Kulturund aller wahren Religion.

Möge G ott euch mehren tausendfachund euch segnen, wie er verheißenMit Lust und Liebe und F rieden.

Amen!Teplitz, 1. Sept. 1887." '".:

Ihm folgte im Amte Professor D r. Adolf Kurrein,der bis zu seinem Tode im Oktober 1919 hier gewirkt hat und am 13. August 1920 wurde der Verfasser dieser D arstellung, D r. F riedrich Weihs, in dashiesige Rabbinat eingeführt 18) .

Vorsteher der älteren Zeit.Über die Vorsteher der G emeinde aus früherer Zeit

erfahren wir aus den Quellen sehr wenig. Es werdenin einem Vertrag von der G emeinde mit der StadtElias Josef und N athan Jud genannt, später Josef benIsak (siehe weiter un ten), ferner am Ende des17. Jahrhundert die bereits von Wanie 19) erwähntenG emeindevorsteher Samuel Schmul, Judel G laser.

^arxiL ivumi, .uazar Keiner, Löbl Priesen und vermutlich als Temipelvorsteher Abraham Horwitz, IsakKohn und Karl P ollak2 0) . 1662. Aus dem Jahre 1687werden uns als Judenälteste überliefert Valentin Laberl, David Nosse, Markus Benedix 10) und aus demAnfang des 18. Jahrhunderts Herschel Moises undSalomon Elias 2 I ) .

seit dem Jahre 1800

und Poli

Von Vorstehenbekannt:

hak Horwitz, Synagogenzeivorsteher.

Benjamin Liebling bis 1813, KassierJuda Popper und später Josef Wagner.

Nathan Herschel, Synagogenvorsteh eru m l820.

David Kulb, Synagogenvorsteher,1824.

Joachim Perutz, 1836, Vorstehers. 1821.

Samuel Hirschel.Aron Stern, 1843.Josef Kaskeline, um 1859.S. Landesmann, um 1864.Ludivig Glogau.Ignaz Bauer (1865—1877).Simon Epstein.Anqelus Pick (1878—1880).Dr. Oskar Willner (1881—1882).Angelus Pick (1883—1894).Dr. Oskar Willner (1894—1901).Ernst Steinwald (1901—1906).Dr. Emil Stein (1906—1914).Dr. Ernst Cantor seit 1914.

Die Friedhöfe der Gemeinde.

sind

erwähnt, von der Grundherrschaft Fürst HieronymusClary den Juden 1669 auf dem breiten Stein — jetztzwischen Königstraße und protestantischer Kirche —angewiesen worden war, ist eine Sehenswürdigkeitunserer Stadt. Über 920 G rabstätten sind dort zuzählen. Viele interessante Grabdenkmäler fesseln dieAufmerksamkeit des kundigen Besuchers. Manchedieser Grabsteine zeichnen sich durch künstlerischeForm, wie auch durch bemerkenswerte Inschriftenaus2 4) . In die Mauer dieser Ruhestätte, rechts vom

Eingang, sind 3 Grabsteine eingelassen, welche ausdem oben erwähnten ersten und ältesten Friedhofeunserer Ge.mrin la „f.,™ T^*«wu uucu crwannten ersten und ältesten Friedhofe

,„ unserer Gemeinde stammen. Diese nebenstehend abDer älteste") Friedhof befand sich hinter dem g e m ld e t e n drei Steine sind der einzige Rest dieses

heutigen Theater, nahe dem Graupensehen Tore, ältesten TudenfnVrl! >nf»° 2Sy> rt • ~u.^mc »mu aer einzige Rest diesesältesten Judenfriedhofes23). Der eine Stein stammtaus dem Jahre 1585 vom Grabe des Vorstehers JosefBen Isak. Seine Inschrift lautet:

n pnw p pr rop: na,rm pnu &" \̂ s4 r^n"1 ,̂1 "Tra m n i bnpn

jtic nr omp mytr "2 r a avi : a>"j

„H ier liegt begraben Josef, der Sohn Isaks, mitdem Beinamen Senwill. Er war ein rechtlicher, frommer Mann und war Haupt und Führer der Gemeindeund lehrte den Weg des Rechts und die Jalire seinesLebens betrugen 53 und seine Erlösung fand stattam 15. des Monates Tewet, 2 Stunden vor Sabbathanbruch. Im Jahre 5340: „G ott gebe ihm Leben imGarten Eden!''' Amen Sela.

Der zweite Grabstein trägt die Inschrift:

Aller Friedhof, i,n Hintergründe der neue Tempel(F oto Rudi Weihs)

heute ein Teil des „Kurgartens". Der :

řptpj ltr'Bj ppi nirra j

b e S r a b e " « Le hrer, der H err Josef

! Ä

Teptllz 5

lÜüi

Grabsteine i»om «/ ie;i Friedhof(F oto Rudi Weihs)

Der dritte, im Jahre 1632 gesetzt, stand auf demGrabe der F rau des Vorerwähnten und lautet:

rwa rwöta na n~to nn 2"rc

050

^T iö nn ns is"öna natyi18. Tewet. „Hier ruht eine edle und vornehme

Frau, treu in ihren Werken und ihr Name ist Frumet,die Tochter des H errn Mordechai . . . .

Viele bedeutende Männer haben auf diesem Friedhofe hinter der Königstraße ihre letzte Ruhestättegefunden, auch aus umliegenden und fernen Orten,unter andern aus Prag, Halberstadt —• (Isak Lekisch,1747), Isak Eisig Brody, Lehrer in Dresden, 1750,Rabbi Simon aus Prag, Gr. Nr. 120, Frau Ester, dieEnkelin des Rabbi Jonathan Eibenschütz, Rabbi Ja / ^—,kob, Sohn des Rabbi Salman Rappaport, aus Brody, L^O /Gr. Nr. 98"') (gestorben 1817) und viele andere2").

* * TeplUz 6

Viele Steine sind im Verlaufe von bald 300 Jahrenverwittert, die Inschriften unleserlich geworden unddie oben erwähnte vor Jahrzehnten durchgeführteÜbermalung der Buchstaben hat überdies eine be-dauerliche Verschlimmerung des Schriftsatzes herbei-geführt, so daß vielfach der Text verdorben, jageradezu unverständlich wurde. Es wird die Aufgabeeiner späteren Prüfung sein, die Inschriften diesesalten ehrwürdigen Friedhofes zu erfassen und zuenträtseln. Der letzte in diesem Hause des LebensBeerdigte war David Birnbaum am 4. d. 10. 1862.Mit einer feierlichen Ansprache des damaligen Orts-rabbiners Rabbi David Pick wurde diese Ruhestätteam 23. Oktober 1862 geschlossen und der neue Fried-hof eröffnet. Diese Predigt ist uns handschriftlich er-halten in dem oben genannten Sterbe-Verzeichnis derVerstorbenen und auch im Drucke erschienen.

In einsamer Schönheit liegt dieser alte Friedhof,fern dem Lärme der Stadt und im Hintergrunde ragtdie gewaltige Kuppel unseres herrlichen Tempelsempor, den Besuchern des Friedhofes ein stimmungs-volles Symbol der sich erneuernden Lebenskraft desJudentums.

Dieses alte Erbe unserer Gemeinde steht, wie derneue Friedhof, unter der treuen Obhut des vor eini-gen Jahren gegründeten Vereines zur Erhaltung undVerschönerung der jüdischen Friedhöfe in Teplitz.An einigen Tagen des Jahres öffnet sich die Pfortedes guten Ortes dein öffentlichen Besuche und Judenund Christen besuchen die heilige Stätte, um die ausLippmann Samels „Teplitzer Judengeschichte" be-kannten Grabstätten Noteis, Frumets, Resel Mache-weks und Peierl Fleischhackers zu besuchen27).

Einfache Denkmäler aus älterer Zeit und kostbareaus der jüngsten Vergangenheit reden ihre eindring-liche Sprache, kündet vom Vergehen der Generationenundi von der Wahrheit des Talmudwortes, daß dieErde, die uns geboren, unaufhörlich nach ihren Kin-dern ruft: gib, gib! Immer weiter erstreckt sich derbelegte Raum.

Der neue Friedhof, eröffnet im Jahre 1862, birgt bisheute gegen 2200 Grabstätten, darunter die Ruhestätteetlicher Aschenurnen. Schlichte Denkmäler und künst-lerisch hervorragende weisen auf die hier Ruhenden:Der Friedhof zeigt dank der Fürsorge des genanntenVereines eine tadellose Erhaltung aller Grabstätten;auch die Ärmsten und der Hinterbliebenen Entbehren-den finden sorgsame Betreuung ihrer Ruhestatt.

Die Gemeinde hatte um 1818 ein neues Gemeinde-haus gebaut, welches auch als Armen- und Kranken-haus diente. Es enthielt zu ebener Erde 2 Zimmer undKüche mit 2 Backöfen, „worin die Pächter verbundensind die sogenannten Barches, das Sabbathessen, wiesonst gewöhnlich gegen gebührende Zahlung, und dieOsterkuchen zu backen" und außerdem im erstenStock 2 Stuben, eine Kammer und eine Küche. Imzweiten Stock 1 Stube, einen Alkoven und 1 Küche.Ein flotter Wettbewerb unter den Juden Juda Golden-stein, Beer Pérutz, Benedikt Kantor, Abraham Hor-witz, Josef Herschel und Rafael Freudenberg erweistden Erstgenannten als zahlungsfähigsten Pächter desGemeindehauses auf 3 Jahre (160 Gulden pro Jahr),wobei in guter altjüdischer Fürsorge für fremde undArme dem Moses Steinhauer nebst einem Zimmer fürsich und für „ordentliche arme Fremde" auch eineParterrestube für fremde Bettelleute überlassen wird.Überhaupt hat die Gemeinde, wie es wohl überall derFall war, für die Bedürftigen und Durchwandernden

Teplitz 7

in der Weise Vorsorge getroffen, daß die BaaleBatim, die Familienväter, nach einer bestimmten Ord-nung „Boletten" (Speisemarken) übernahmen, die denArmen übergeben, ihnen Speise und Trank in denFamilien für eine gewisse Zeit sicherten. Schlaf-stätten fanden sie ja im Armenhaus. Die Armenpflegescheint gut organisiert gewesen zu sein. Wir findenim Jahre 1811 Isaias Popper als Armenvorsteher, demdie Aufsicht und Führung der Armenpflege überant-wortet war. In späterer Zeit wird diese Armenfür-sorge weiter organisiert und wir finden dann eineAnzahl von humanitären Vereinen, welche, wie wirsehen werden, verschiedene Versuche zur Zentrali-sierung der gesamten Armen- und Krankenpflegemachen, darüber a. a. 0. Die Fleischpacht (derFleischpardon), war 1801 an Simon Blumberg über-gegangen, der mit 665 Gulden die andern Bewerberschlug. Die Pacht des Bades hatte in diesen JahrenJosef Steinhauer für 680 Gulden, nach dessen Todeseine Witwe, die Steinhauerin, übernommen, derallerdings das Pachtquantum i. J. 1810 bedeutenderniedrigt wird, da die Einkünfte des Bades „durchdie eingefallenen Kriegsumstände" viel Schaden ge-litten und auch der Magistrat dem Pächter vonseinem Pachtschilling ein Ansehnliches nachgesehenhatte. Übrigens bürgte sie ja nicht nur mit ihremVermögen für den Zins, sondern auch ihr Schwieger-vater Moses Steinhauer diente ihr mit seinem Tem-pelsitze als „Cavent" gegenüber der Gemeinde.

Es würde zu weit führen, im einzelnen die wech-selnden Pächter dieser Gemeindeinstitutionen aufzu-zählen und es sei nur bemerkt, daß oftmals Bäder,Fleischkreuzer und Gemeindehauspacht unter fastimmer gleichen Bedingungen in einer Hand vereinigtwaren und daß uns als Pächter des Fleischpardonsüberliefert sind:

David Kulb, der, wie schon oben bemerkt, be-reits im Jahre 1801 das Rabbinat übernommenhatte, Josef Horwitz, Josef Steinhauer, NathanFleschner, Rafael Freudenberg, Beer Perutz, Mi-chael Ochs, Moses Spira, Ephrajim und RafaelFreidenberg (sie), Koppelmann Kantor und JudaOchs. Als Badepächterin mitunter auch als Gemeinde-hauspächterin nie oben genannte Wittib Steinhauerin,Witwe nach Josef Steinhauer, der Schutzjud Abra-ham Spitz, Esther Zunz, Klara Wienerin, Josef undKaroline Wienerin, Moses Eilenburg, Josef Herschel,Emanuel Steinhauer. Im Jahre 1809 d. d. 20. Jännerhat die K. K. jüdische Steuerdirektion in Prag eineneue Verordnung bezüglich der Besteuerung erlassen,welche laut der Wien 9. November 1808 angeordne-ten Verzehrungsšteuerabgaibe ab 1. Hornung 1809 dieVerzehrungssteuerabgabe verpachtet. 950 Guldenwerden als Pauschalquantum der Judenschaft an denKassier Benedikt Kantor abgeführt, der sich Bezirks-steuereinnehmer tituliert. Damit hört das Recht derGemeinde auf Besteuerung der Eßwaren auf, derFleischpardon endet und es wird dafür die Verzeh-rungssteuer verpachtet, welche das erste Mal mit1591 Gulden an Rafael Freudenberg übergeht, wobeidie Orte Sensomitz und Türmitz in den Steuerkreiseingezogen werden.

Mancher heute führende Name in Gemeinde undIndustrie findet sich schon um die Wende des 18.Jahrhunderts, freilich als Schutzjude der Herrschaft,als Familiant, d. h. als Inhaber einer der Nummernhiesiger Judenfamilien, deren Zahl nur mit behörd-licher Genehmigung der Herrschaft überschrittenwerden durfte und deren Söhnen, außer dem Erst-geborenen, eine Heirat im Orte nur dann erlaubt war,

wenn eine Familiennummer frei geworden war. Inden israelitischen Matriken wiederholen sich die Be-zeichnungen „Schutzjud oder Familiant" dauernd undreichen bis zum Jahre 1849. Interessant ist das Bitt-schreiben des „Treugehorsamsten Schutzjuden Ephra-jim Freudenberger" mit eigenhändigem abschlägigemBescheid des Johann, Fürsten Clary vom, Jahre 1809.

Das Gotteshaus aller dieser Generationen ist der inder heutigen Karlsgasse gelegene Tempel, der seitdem 16. Jahrhundert28) bis zum Jahre 1882 als An-dachtstätte diente und seitdem in wenig würdigerWeise als Magazin und zeitweise als Arbeitstätte ver-pachtet, immer mehr einem traurigen Verfalle ent-

T 7

Innenansicht des orthodoxen Tempels

gegen ging, bis er im Jahre 1925 wieder seinem heili-gen Zweck zugeführt wurde und seitdem einerGruppe von Ostjuden, dem Vereine Bene Emunah, inverjüngter Schönheit als Andachtstätte dient; darüberwird später noch berichtet. Das Leben in den Gassender Judenstadt, wie die Beratungen in der Gemeinde-stube spielen sich durch Jahrzehnte in fast unverän-derten Formen ab und die Probleme der Verhand-lungen bleiben nahezu dieselben. Es wiederholen sichdie Beratungen über die Verpachtung des Fleisch-pardons, der Gemeindehäuser, der Judenbäder unddes Aschenhauses.

Die Gemeindeausgaben sind auch seit der Wendedes Jahrhunderts sehr gestiegen. Hatien die Ausgaben1807 im ganzen 696 Gulden 41 Kreuzer betragen,so waren sie jetzt auf 1234 Gulden 81 Kreuzer ge-stiegen, und hatten die Einnahmen beträchtlich über-stiegen. Synagogenvorsteher Isak Hórwitz — dennlaut Patent für die Juden in Böhmen vom Jahre1797 gab es außer Prag keine Judengemeindeund keine Gemeindevorsteher — und Adam Willner,der als Ausschußmann zeichnet, haben für die Ein-bringung des gesteigerten Gemeindebedarfs zu sorgen.Die Pacht der Gemeindeeinrichtungen mußte öffent-lich im jüdischen Genieindehause ausgeschrieben wer-den, worüber Isak Horwitz als „Polizeivorsteher" zuwachen hat. Der Rabbiner R. Naftali Hirz Emden,der 1799 208 Gulden und 6 Gulden 30 KreuzerAkzidenzien pro Jahr erhalten hatte, bezog jetzt572 Gulden und 5 Gulden Holzgeld, wofür er unteranderem „2 Predigungen" zu halten hatte. Sehen wiruns die Ausgaben des Jahres 1799, also am Ende desJahrhunderts, einmal an. Da heißt es im Protokollvom 3. März 1799.

Baccalauri . . . . . . . - .Rabiner Gehalt . . . . . .Demselben Accidenzien . . . . .Jüdischdeutscher Lehrer Gehalt . . .Beysteuer zum Hauszins . . . .Zins für deutsche Schulzimmer . . .Zu beheizen .Gemeindediener Moses Steinhauer Gehalt

AccidDem Schuldiener Salomon Weis Gehalt .Demselben für Vorlesen der Thora . .Josef MünznerKircheninteressen jährlich . . . .An löbl. Stadtmagistrat jährlich . . .Dem Schulsinger Menasse Singer Gehalt

samt AkzidenzienFür Pa ten ten Abschreiben . . . .NachtwächterBaademannFreywillige Geschänke, welche von jeher

gewöhnlich waren . . . . .RöhrbohrerBeitrag als Interesse für das Kapital d.

Seeligen Marcus David z. JüdischenKinderunter r icht im jüdischen Fach .

Kassierer Gehalt wie bisher jährlich . .In Summa . . .

172086

1561540151241241288

90422

.55—30—~.—.— _—307V2301630——

—3030

20 —2 30

12 —22 30

1332 28

Sämtliche Abgaben zu deliehen Renten jährlich .

Regens Chori

hochfürst- 1- kr.. . . 648 —

7 10

Das Protokoll ist dein löbl. Oberamt zur Bestäti-gung vorzulegen. Teplitz obigen Dato.

Bemerkenswert in diesem Protokolle ist die Tat-sache, daß wir also schon am Ende des 18. Jahrhun-derts in Teplitz eine jüdischdeutsche Schule besaßen,die Lehrräume befanden sich im zweiten Stock desGemeindehauses. Sie wird in den Protokollen auchals Normalschule bezeichnet. Der Schulsinger warauch der Schächter. Josef Münzner war Gemeinde-diener neben Moses Steinhauer. Der Röhrbohrer be-sorgte die Reinhaltung der Wasserzuleitungen zu denjüdischen Bädern. Der Rabbiner und der Lehrerwohnten im Gemeindehause, der Vorbeter und Ge-meindediener auch dort in der „Hintern" Judengasse,jetzt Breitegasse.

In späteren Protokollen werden auch ein Laternen-anzünder der Gemeinde erwähnt, der sein „Lantern-geld" aus dem Gemeindesäckel bezog, ebenso wiedie jüdische Hebamme. Die Gemeinde umfaßte20)damals etwa 435 jüdische Seelen unter ungefähr 1450Einwohnern 30), als Vorsteher zeichnet in diesen JahrenBenjamin Liebling. Als Kassier wird genannt JudaPopper, der wie bisher für 3 Jahre ,,gegen Deme, dasser sich nach der Ihm vom löbl. Oberamte zugetheiltwerdende Instruktion benehme". Ihm folgte JosefWagner in diesem Amte. Der Name des deutschenLehrers ist uns unbekannt. Das oben genannte Pro-tokoll aus diesem Jahre ist von 34 Unterschriftengefertigt, die uns eine ansehnliche Reihe von Ge-meindemitgliedern bezeugen. Ich lasse sie folgen:Elias Philipp Zunz, David Liebling, Isaak Straszer,Salamon Straszer, David Goldenstein, Nathan Her-schel, Juda Herschi, Abraham Gersuni", Marcus Blu-menberg, Juda Goldenstein, Jacob Dasch, LöwyLandesmann, Juda Popner, Jeremiáš (?) Conjirsch,Isaias Popper, Joachim Colin, Jacob Colin, BenediktCantor, Elias Fischer (in hebräischen Lettern), Mi-chael Stern, Josua Stern, Moses Stern, SeligmanTeichner, Josef Goldenstein, Moses Zunz, BenjaminLiebling, Veuth Hirschmann, David Nagler, JosefHeller, Lazer Koller, Naphtali Lieberts, Moses Nag-ler, Abraham Spitz, Joachim Ullmann, und füge wei-

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tere Familiennamen aus einem Protokoll desselbenJahres hinzu, und zwar: Josef Katz, Angelus Dasch,Berr Perutz (sie!), Abraham Horwitz, Isak Horwit2,Adam Willner, und aus dem Jahr 1803 werden unsnoch genannt Wolf H orwitz, Juda F röhlich, EliasOppenheimer und Samuel Bacher. Als Oberamtmannunterzeichnet Emanuel Reich. In allen diesen Jahren finden wir Aufnahmsprotokolle, mit welchendie Familienväter ihren Ein trit t in die G emeinde unddie N utznießung der G emeindeeinrichtungen miteinem gewissen Betrage (Hakdamageld) erkaufen.

Diese Aufnahmsbriefe haben fast ausnahmslos folgenden Wortlaut. „H eut unter gesetzten D atum sindEndesgefertigten bei öffentlicher Versammlung aufdem jüdischen G emeindehause mit laut hochobrigkeitlichem D ekret ddto Schloss Teplitz den 24. Juni1810 hier aufgenommenen Schutzjuden (Michel Wantoch) in Ansehung dem Mitgenuss der hiesigen Judengemeinde besitzenden Realitäten dahin gutwillig übereinkommen, dass er eine gänzliche Summe 120 fl.W. W. jüdisch Rendten zu erlegen hat, worauf derselbe bereits 20 fl. W. W. erlegt und übrige 100 fl.W. W. binnen einem Jahr nach dato in vier gleichevierteljährige Termine an den jüdischen G emeindekassier sich hiermit feyerlichst verbindet."

Teplitz, den 18. April 813.

Der Krieg wirft seine Schatten auch in die Gemeindestube, denn als am 26. April 1809 G emeindehaus und Bäder verpachtet werden sollen, heißt esun ter den Bedingungen, daß ,.im Falle ein Kriegin den k. k. Erbländern entstehen sollte, jeder Pächter verbunden sei, gegenwärtige Pacht ohne, mündeste Einrede und Einwendung festzuhalten und dieRückstände von Repartitionszettel (Steuerzettel)wegen die gewöhnlichen Ausgaben sowohl als auchfür die Einquartierungsbeiträge seien auf Anordnungdes Wirtschaftsamtes mit der schärfsten amtlichenExekution einzutreiben" (25. Dezember 1809). RafaelF reidenberger und der G emeindekassier David Kulbwerden auf Anordnung der H errschaft als „Contritor" . angestellt. D er bisherige Pächter des Fleischkreuzers, eben dieser Rafael F reudenberg, legt unterdem D rucke des Patentes, daß das Pauschalquantumder Verzehrungssteuer in Einlösungsscheinen oder der5 fache Betrag in Bankozetteln zu zahlen sei, diesePacht nieder. Die Teuerung schreitet fort und. mußdamals sehr arg gewesen sein, denn ein Zirkular desk. k. Kreisamtes empfiehlt 5. Dezember 1812 „die Lehrer durch die Zeit der fürchterlichen Teuerung entweder in Geld oder N aturalien zu unterstützen" und „Rabbiner und Lehrer", so berichtet eine Eingabe, „findensich beschwört, dass sie mit dem hier bestimmtenG ehalt bei der drückenden Teuerung nicht lebenkönnen, welches sie als Menschlichkeit mit einsehendund für billig und recht halten, deren jährliches Gehalt zu verstärken und dass in Betreff d. G ehaltesdes H errn Rabbiners und des Lehrers eine andere\ ersammlung bestimmt werden soll, um ihren ausgemässen G ehalt festzusetzen".

So .werden uns als Aufnahmskanclidaten genannt.*.'Israel Vietd, Marcus Stranzki, Marcus Braszloff,Moses Bauer (aus dem Jahre 1804) u. v. a. Wir wollennoch erwähnen, daß um das Jahr 1810 ein einzigerF leischhauer, Seeligmann Teichner, mittels Pachtvertrag die G emeinde mit rituellem Fleisch versorgteund daß die beiden Schächter Michael Levi und AronWittenstein mit Handschlag beim Rabbiner verpflichtet wurden, ohne Erlaubnisschein des F leischpächter„nicht das Messer zu ziehen", um nicht das Patentder Verzehrungssteuer v. J. 1808 zu verletzen. Die

Bestimmungen, welche die G emeinde i. j . ü vy amherrschaftliche Anordnung zur Deckung der Gemeindeauslagen getroffen hatte, waren ja noch inG eltung. Danach sollte „ jeder hierortige Jude verbunden seyn, jedes Pfund bankmässiges Koscherfleischum einen Kreutzer theuerer, als die jedesmal höhernOrts bemessen werdende F leischtax vorschreibt, unweigerlich zu bezahlen, wofür aber die hieszigen jüdischen F leischhauer, als auch jeder einzelne Jude,welcher in der Christlich Bank schlachten lässt, gehalten seyh solle, der hieszigen Judenschaft mit bankmassigem Koscherfleisch zu versehen". F ür dasSchlachten eines Rindes wurde ein G ulden 30 Kreuzer, eines Kleinviehes 7X> Kreuzer, für jedes Saugzickel oder Sauglamm 1X> Kreuzer, ob koscher odertrefe an den Pächter abgeführt und fremdes Fleischdurfte nur im N otfalle gegen Entrichtung eines Kreuzers an den Pächter abgeführt werden.

Wir haben bereits erfahren, daß die Bäder eine derEinnahmsquellen der G emeinde bildeten. Es gabalte und neue Bäder. Es sind genaue Bestimmungenüber die Benützung der Bäder getroffen. Das neueBad mußte auch bei „ Kuhrzeiten" von 7 bis 8 fürhiesige Männer für einen Kreuzer per Stunde zugänglich sein. „Sollte aber ein hiesiger die Kuhrgebrauchen wollen, so ist derjenige schuldig 12 Kreuzer per Stunde zu zahlen."

„Was aber die alten Bäder betrifft, müssen selbefür hiesige überhaupt und für arme fremde Baadegäste und D urchreisende unentgeltlich frey bleiben,unter fremde Arme verstehen sich solche, welchevon der G emeinde mit freiwilliger Kost gegen sogenannten Poletěn versehen werden." Es sei bemerkt,daß beispielsweise die oben genannten EmanuelSteinhauer und Beer Perutz, für 800 Kronen diePacht des Badehauses bei der Lizitation erhalten.(1809.) Das F rauenbad war natürlich von denMännerbädern getrennt. In den neuen Bädiern zahlenhiesige F rauenzimmer 9 Kreuzer, Kinder 3 Kreuzer.

Auch die Pacht für die Badehäuser wurde im Laufeder Jahre erhöht.

Das oben genannte Aschenhaus fand als Pachtobjekt durch Jahrzehnte eifrige Bewerber. Die ganzeJudenstadt trug die Asche dorthin, eine Bestimmung,die der Feuersgefahr steuern sollte.

Im Jahre 1811 sollte auf dem Friedhofe ein„Zaddikhäusel" gebaut werden. Moses Eilenberg spendete dazu 25 G ulden. Der Bau war aber aus unsunbekannten G ründen unterblieben.

Die G emeinde empfand das Bedürfnis den G ottesdienst schöner zu gestalten und so wird dem Schulsinger Lazar Singer, dem inzwischen gekündigt worden war, der aber nach wie vor seines Amtes waltete,im Jahre 1811 Joachim F ink als Bassist beigestellt.Dieser Joachim F ink scheint ein unsicherer Kantonist gewesen zu sein, denn die Anstellungsbedingungen sind äußerst scharf und für den Fall einer Pflichtverletzung oder eines heimlichen Entlaufens sei ihmeine Strafe von 500 G ulden auferlegt. Auch demSchulsinger wird, nachdem ihm die Wohnung im Gemeindehause 1815 zugewiesen worden war, energischans H erz gelegt, „dass er oder seine F rau Anna denH errn Kreisrabbiner, der ebenfalls sein Heim dorthatte, nicht im mindesten beleidige oder sonst schickaniere, im G egenteil in der Besten Eintracht mit ihmharmoniere, dass das Wasser von oben nicht heruntergeschüttet werde, sondern zum Abzucht hingetragenwerden müsste".

Bemerkenswert sind die vorzüglichen Anstellungsbedingungen, die dem im Jahre 1815 neu aufgenom

Teplilz 9 654

Rb. Dr. Zacharias FranU KRb. David Pick Rb, Prof. Dr. Adolf Kurrein Rb. Dr. Adolf Rosenzweig

lln I) / ;,..,/ ;• /, Hiiks Benjamin Seew LippmannSohn Abrahams

Eduard Rindskopf Dr. Oskar Willner

Ernst Steinwald Rat Ernst Bechert Adolf Karpeles Dr. Ernst Cantor

Berthold Perutz Balduin Helle Geh. S. R. Dr. Tgnaz Hirsch Karl Freund

655 Teplitz 10

ux^iion juuisuiiueuiscnen i_.eňrer lsak Stern gewährtworden sind. N ebst der Wohnung im G emeindehause,die schon längst reserviert war, und wo ja, wie wirwissen, die Schule sich befand, erhält er 4 G uldenWochengehalt, den Teuerungszuschlag, den Schulgroschen, d. h. von jedem Schulkind proi Woche einenG roschen, welchen der von der G emeinde bestimmteOrtsschulinspektor, damals Moses Eulenburg, wöchentlich oder monatlich einzusammeln hat. DieserSchuldistriktsoberaufseher, wie er auch genannt wird,erhält für seine jährlichen Visitationen der Schule5 G ulden, der Lehrer bekommt Prüfungstaxen, ferner„bei der jedesmaligen. Aufbiethung von den zuheurathsgedenkenden Partheien u. bei Feilbietungenseine gehörigen Taxen und jede edel denkende Person wird von selbst einsehen, in wie weit der Lehrerseine Schule mit dem grössten Fleisse betreibt, demselben alle sonstigen Accidencien zuziehen". In derFerienzeit wird ihm an Stelle des entfallenden Schulgroschens doppelter G ehalt gewährt. Bei öffentlichenVersammlungen der G emeinde hat er alle Schreibereien zu verrichten, wofür ihm seitens des Gemeindevorstehers Sportein zu gebilligt werden. D er Lehrerführt die Matrike,»als G ebühren sind ihm zuerkannt:für die Eintragung eines Knaben 12 Kreuzer, einesMädchens 6 Kreuzer, bei Trauungen erhält er je 30Kreuzer vom Bräutigam wie von der Braut, Sterbefälle sind unentgeltlich einzutragen. Als Vorsteherhatte bis 1813 Benjamin Liebling gezeichnet. Nachihm Isaac H orwitz. D er Lehrer fertigt jedesmal nebenden Vorstehern und Ausschußmännern die Protokolle als Schriftführer.

Die Schäden der jüngst vergangenen Kriegsjahresind überwunden. Ruhig spielt sich das Leben in derJudéngásse ab. Die G emeindeberatungen bieten kaumAnregung und Stoff, die Verpachtungen der Bäder,des G emeindehauses usw. wechseln je nach dem Angebot; erst das Jahr 1821 schafft der Judengemeindeeinige Aufregungen, da die H errschaft die restierenden Renten von 1608 G ulden zurückfordert. EineDrosselung aller nicht unbedingt nötigen Ausgaben,die öffentliche, möglichst vorteilhafte Versteigerungaller G emeindenutzungen, zum Teil in der herrschaftlichen Amtskanzlei, die H eranziehung aller in Teplitzlebenden Juden zur Zahlung des Hakdamageldes wirdnotwendig. D er Rabbiner hat auf herrschaftliche Forderung vom P arterre in den ersten Stock in die Wohnung des Schulsingers zu ziehen, dieser verlegt seinHeim ins H interhaus, die Parterrewohnung wird inein Gewölbe umgewandelt, sodaß 5 bis 600 G üldenMiete herausgeschlagen werden kann. Diese Rabbinerwobnung' mieteten Joachim und Judith Willner mit400 fl., die Bäder gingen für 1212 fl. 30 kr. an diebisherigen Pächter Josef und Karoline Wiener über,das Aschengewölbe hatte Rafael F reudenberger für500 fl. und David Kulb hatte schon 1816 für dieFleischpacht 367 fl. zu zahlen. Überdies erwartet dieG rundobrigkeit „von den im Teplitzer Schutz fremdherrschaftlich aufgenommenen Juden eine Schenkung", ein Ausschuß sorgt für die D urchführung, dieTeuerungszulagen des Schulsingers hören auf. Oberamtmann Skupmann zeichnet diese herrschaftlicheF orderung. •

Das Jahr 1821 brachte, der G emeinde eine zweiteunangenehme Ü berraschung, der Lehrer lsak Sternhatte den Rabbiner beleidigt und nach manchen Unzukömmlichkeiten den Dienst quittiert. F reilich „supmit t iert" er sich gegen die G emeinde und „bittet seinübereiltes Entlassungsgesuch ihm zugute zu haltenund ihn in seinem Amte zu lassen. Er sei bereit, dem

H errn Kreisrabbiner Abbitte zu leisten und sich mitden G emeindemitgliedern aufs beste zu vertragen".Er beantragt eine Minderung seines G ehaltes undverpflichtet sich, Strafen über die Schüler nur mitBeiziehung des Schulaufsehers zu verhängen.

Vom Jahre 1821 können wir sagen, daß allerschlechten Dinge drei sind, denn als drittes Übeldieses Jahres trat eine Stockung des Wasserzulaufesin die Bäder ein. Die G emeinde sah sich genötigt, denD rexler Lorenz Liebisch zur Instandhaltung derWasserröhren für jährlich 8 fl. zu verpflichten, aberbald ergab sich die N otwendigkeit einen Umbau derG emeindebäder in Angriff zu nehmen und 7 Mitglieder der G emeinde liehen die hiefür erforderlichen600 fl. und die Beerdigungsbrüderschaft leistet dazuund später für Reparaturzwecke einen Vorschuß. Das gleiche Jahr 1821, das schon mehrfacheAufregung gebracht hatte, zeigt eine merkwürdigeBegebenheit, die für damalige Zeit die G emüter ingroße Erregung versetzt hat.

Jakob Mendel, vom G emeindevorsteher berufen,seine Eintritts und N utzungstaxe von 50 fl. Bankozettel zu bezahlen, behauptet, sie bereits dem verstorbenen Synagogenvorsteher Nathan Herschel entrichtetzu haben. Da der gegenwärtige Ausschuß „solchesnicht annehmen will, so entsagt sich besagter JakobMendel freywillig und ungezwungen aller Rechte derhiesigen jüdischen G emeinde, nämlich allen zeremoniellen G ebrauch in und ausser der Synagoge, dannallen N utzungen der hiesigen jüdischen G emeinde,nämlich das N ützen der Bäder und allen übrigen Gemeinderealitäten, unter welchem Namen sie immersein mögen, als auch allen Ausgaben, sowohl H errnRabbiner, Schulsinger, Schächter, G emeindedienerschaft, dann zum Pauschalquantum für die hochobrigkeitlichen Renten, sodass er sich von allem mitausnähme des gesetzlich deutschen Lehrers lossagtund zwar kein Recht an den G emeindeeinkünften zuhaben verlangt, jedoch mit Vorbehalt der N utzungdes jüdischen G ottesackers, weil derselbe ein Vorrecht darauf zu gründen vermeint".

D er Ausschuß überläßt die Angelegenheit dem löbl.Oberamte zur U ntersuchung und bittet, es dem JakobMendel zu erklären, „dass er auch an der N utzungde« G ottesackers nichts zu suchen habe, weil auchdieser eine jüdische Realität ist und er zu allen stipulierten G emeindeausgaben beitragen müsse".

Die G emeindekasse befindet sich in schlechtem Zustande, so daß nach dem Tode des SynagogendienersMichael Lb'ivi 1824 sein N achfolger Benedikt Fischer,der auch die Toravorlesung zu vollziehen hat, aus derSynagogenkasse mit jährlich 16 fl. 16 kr. vom damaligen Synagogenvorsteher David Kulb bezahlt werden muß.

Die Teplitzer sind aber ihrer G emeinde in ihrerG eldnot in Treue behilflich. Als nämlich 1827 dashochfürstliche Rentamt eine Schuld von 700 fl. aufkündigt und eine Schuld von 500 fl. an Michael Wantoch zurückzuerstatten ist, werden diese Beträge vonetlichen Mitgliedern vorgeschossen, wobei das Gemeindehaus als Schuldpost Sicherheit gewährt.

Die Judenschaft hat inzwischen an Zahl zugenommen. Wir dürfen für die Zeit 1827—1830 etwa an500 Seelen annehmen 3 1 ) . Es wird die feste Anstellungeines zweiten Schächters notwendig. Auf Veranlassungdes Kreisrabbiners Isaias Löwi wird Samuel Oesterreicher aus Soborten als zweiter Schächter aufgenommen und da Aron Wittenstein, der bisherigeSchächter, damit unzufrieden, seines Amtes enthobenwird, übernimmt der Sobortner Schächter Samuel

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Löwi die Aufsicht, um bald nach Entlassung SamuelOesterreichers die gesamte Schechita zu übernehmen.Zu seiner U nterstützung wird auf Wunsch vorzüglicher G emeindekontribuenten der Teplitzer SamuelHerschel, Sohn des Josef Herschel, herangezogen.

Die Teplitzer Juden sind damals nicht nur guteund opferwillige Mitglieder ihrer" G laubensgemeindegewesen, sondern auch anhängliche und kluge Söhneihrer H eimat. Wenn sie auch noch keine Bürgerrechte besaßen und an H errschaft und Stadtgemeindeihre Abgaben und Steuern leisten mußten, so ist dochdas Verhältnis zwischen Juden und Stadtgemeindeein verträgliches und erträgliches gewesen. Wir besitzen aus dem Jahre 1828 ein Zeugnis des guten Einvernehmens zwischen Stadt und Judengasse.

Die Judengemeinde erbietet sich, gern auf Aufforderung des Magistrates „aus H ochachtung" einenKanal in der hintern Judengasse bauen zu lassen,wozu 25 Mitglieder je 10 fl. als Baubeitrag unverzinslich auf ein Jahr vorschießen.

Beginn der Kultusreform.

Die« Umwälzungen der dreißiger Jahre im politischen^'Leben und der Kulturkampf in den jüdischenG roßgemeinden D eutschlands und Österreichs zwischen den Anhängern eines streng traditionellen Kultus und den Vorkämpfern einer freieren religiösenAnschauung, die Wirkung des Auftretens des Schulreformers Israel Jakobsohn und der Einführung derdeutschen Predigten und deutscher G ebete, die Persönlichkeiten eines G eiger und Jellinek, eines Sulzerund Lewandowski strahlten aus den Zentren jüdischen Lebens auch auf die Provinzgemeinde aus undnicht zuletzt wandelte die Einführung der Orgel undgeschulter Chöre das religiöse Leben und die Liturgieim G otteshause um. So war auch in dem Jahrhundertealten Tempel der Teplitzer Judengemeinde die neueZeit eingezogen.

Predigt, Orgel und Chor sollten dem G ottesdiensteerhöhte Weihe schaffen, eine straffere Zucht undstrengere Ordnungsmaßregeln die Würde und dieRuhe bei der Andacht verbürgen.

Zwischen 1830 und 1836 trugen sich diese tiefgreifenden Änderungen zu:

Am 2. Juni 1836 werden der Sehulsänger Singer,der Bassist Fink, der Synagogendiener Benedikt Fischerund der G emeindediener Moses Walter auf diese Neuordnung nach Wiener Vorbild in Liturgie, Gesängenund Tempelordnung ausführlich und eindringlichaufmerksam gemacht und auf ihre Beobachtung verpflichtet.

D er bisherige „Schulsinger" unterschreibt mit demneuen Titel eines „ Oberkantors" das Protokoll.

D er bisherige Rabbiner Isaias Löwi war 1831 32) gestorben, und da die hohe Landesstelle auf Anstellungdes substituierenden Kreisrabbiners des LeitmeritzerKreises, Rabbiners David Pick aus Čkyn drang, soeinigt sich der Vorstand am 3. Juli 1836 auf dessenAnstellung als substituierender Lokalrabbiner vonTeplitz auf die D auer seiner Kreisrabbinatssubstitution. Man verpflichtet ihn, „zur größeren Feierlichkeit unseres nach gegenwärtigem Zeitgeist geregeltenKultus" mindest alle 14 Tage eine Sabbathpredigt inreindeutscher Sprache, zweimal im Jahr eine Drascha,d. i. einen Lehrvortrag nach altherkömmlicher Weisezu halten, dem hebräischen U nterrichte der Jugendseine besondere Aufmerksamkeit zu widmen und,wie es im Vertrage heißt, „die Bildung und Erziehungder israelitischen Jugend dem Zeitgeiste gemäß zu

leiten". Dafür erhält er nebst freiem Quartier imvorderen G emeindehause 5 fl. 20 kr. Conv. M.wöchentlich und die üblichen Emolumente.

Überdies trit t als „ Kultusdirektor" Aron Stern inTätigkeit, dem der Ausschuß die Überwachung derOrdnung und die Aufsicht und Einhaltung der • vorgezeichneten Richtlinien beim G ottesdienste überantwortet.

D er Vertrag ist vom Vorsteher Joachim Perutz, denAusschußmännern Jüda H irschl und Salomon Katzund 20 G emeindemitgliedern und dem Lehrer Sterjigefertigt, überdies von Egidi Teschauer, als Abgeordneten Oberämtl. Kommissär.

Auffallenderweise verwahrt sich Juda H irschlgegen die Aufnahme des neuen Lokalrabbiners undgegen die N euregelung des Kultus. D er Rabbinerscheine ihm zu jung, und der Kultus stimme mit seinengewohnten Religionsgrundsätzen nicht überein.

Kreisrabbiner David Pick trat am 15. Juli 1836sein Amt an.

Tagsvorher hatten sich Gemeinde und Synagogenvorstand mit der Beerdigungsbrüderschaft, deren .Vorsteher Benjamin Liebling war, in bezug auf ältereF orderungen der G emeinde an die Chewra und hinsichtlich bestimmter G ebührennachlässe für dieChewrabrüder und deren Rechte auf gewisse Ehrenfunktionen bei Festgottesdiensten geeinigt.

Auch der Schulsinger legte wohl im Zusammenhangmit der Kultusreform sein Amt nieder, wurde aberauf sein Ansuchen mit einer G ehaltserhöhung undunter offizieller Verleihung des Oberkantortitels imDienste belassen mit dem ausdrücklichen Hinweis aufdie Einhaltung der im Juni dieses Jahres festgelegtenG ottesdienstreform.

Diese Reform wurde nunmehr durch die am 3. Juli1837 erfolgte Einstellung einer Orgel erweitert. JosefGoldstein aus Groß Kanizsa in U ngarn wirdi als zweiterKantor und, Adalbert Haftstein als Organist angestellt. D er letztere wird wegen Nachlässigkeit im März1839 durch Franz Tschuschiner ersetz.J. G oldsteinsollte nach der Resignation des Oberkantors Singerim September 1837 an dessen Stelle treten. Da* abervermutlich G oldsteins Vater den Amtsantritt seinesSohnes Josef nicht billigte, übernimmt Simon Lüstigaus Milchdorf in U ngarn, der in Wien sechs Jahre undein Jahr in Prag als Tempeltenorist gewirkt hatte,die Stelle des Oberkantors mit einem Monatsgehaltvon 48 fl. W. W. Zunächst wird er durch acht Wochen als Tenorist am Chore erprobt und ab 16. Jänner1838 für ein Jahr aufgenommen, wobei sieben Gemeindemitglieder einen Beköstigungsbeitrag von10 fl., jedes Vierteljahr, garantieren. ,• '• •"

Die Obsorge für die Ausgestaltung des modernisierten G ottesdienstes und besonders des Chores bewog den Vorstand, Nathan Schießer, kgl. preuß.Staatsbürger aus Groß Glogau, der zu P essach eineProbe glänzend bestanden hatte und beste Zeugnissevorwies, als Sänger und Regenschori ab 12. April1838 auf drei Jahre anzustellen, „da der Vorstanddie Wünsche der G emeindemitglieder, die G ebete demZeitgeiste näherzuführen, der Verwirklichung gerneentgegen bringt". Er hatte die Pflicht, die Chorknabenim Singen und in der Musik zu unterrichten undvon Zeit zu Zeit für neue, den gegenwärtigen Ritusangemessene Gesänge Sorge zu tragen. Sein G ehaltbetrug wöchentlich 14 fl. 24 kr. W. W. und 100G ulden Quartierbeitrag jährlich; dieser Vertragwurde dann im Jahre 1840 auf weitere sieben Jahreerneut.

Das Jahr 1839 brachte eine vom Oberamte erlassene,

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N euerung in Bezug auf die Pflichten und Rechte desG emeindevorstehers. Dieser habe unter dem Titel eines„Polizei und Bezirksvorstehers''' sowohl für die Interessen der G emeinde alles Bestehende aufrecht zuerhalten, dien Kultus zu heben, die Wohltätigkeitsanstalten zu unterstützen und das G emeindeeinkommen zu steigern, aber auch das Polizeiliche zu handhaben und alle vier Wochen eine Beratung über alleG emeindeangelegenheiten mit dem Ausschluß zu halten.

D rei G emeindemitglieder wurden laut Erlaß desOberamtes für diese Polizeistelle vorgeschlagen.Samuel H irschel, Benedikt Nagler, Wolf Blumberg.Hirschel wurde vom Oberamte als Vorsteher gewähltund trat somit an die Stelle des seit 1821 als Vorsteher amtierenden Joachim Perutz (1. Nov. 1839),welchem weiterhin als Synagogenvorsteher Aron Sternund als Ausschußmänner Josef, Hahn und MarcusBirnbaum nebst dem Lehrer Stern zur Seite stehen.Das Oberamt hatte auch die Wahl eines andernSynagogenvorstehers an Stelle Sterns vorgeschlagen,die G ründe dafür sind nicht zu ersehen und obwohlder Kreisrabbiner David Pick mit äußerst anerkennenden Worten den bisherigen Synagogenvorsteher zubelassen bat, stimmten einige Ausschußmitglieder dafür, daß dem Auftrage des Oberamtes Folge zu leistensei. Vielleicht hatte die schlechte finanzielle Lage derG emeinde Anlaß zu Unstimmigkeiten gegeben, dennin einem Rechtsstreit der Judengemeinde mit demMagistrat um die „Ausästung" der Sackgasse, die vonder Judengasse nach links abzweigt, verweist der Vorstand auf den Schuldenstand, „ohne zu wissen, wiesolcher getilgt werden könne. Es sei überdies Pflichtdes Magistrates auch des Ausbaues der Judenstadt,von d,er er Einkommen bezieht, sich anzunehmen".Schließlich bewilligt die Judengemeinde 120 fl. C. M.D er Magistrat übernahm damals (1840) das neue Badund sollte dem bisherigen Pächter Jakob Meilnr fürden Verdienstentgang eine Entschädigung zahlen, dadie G emeinde dazu nicht in der Lage sei. Das Oberamt hat offensichtlich in dieser Zeit die Angelegenheiten der Judengemeinde unter schärfere Kontrollegenommen. Die israelitische Armenkasse, deren Kassiere Wolf Blumberg und zuletzt David Birnbaumgewesen, wurde über amtlichen Auftrag von der Gemeinde selbst übernommen und Samuel Herrschmannamtlich als Kassier bestimmt, nach dessen ResignationSigmund Lederer 1841 als Kassier zeichnet.

Im selben Jahre beauftragt die H errschaft die Neuwahl des Vorstehers. Vorgeschlagen waren: AronBaum, Moses Kantor, Simon Strasser, Samuel Hirschel, A. M. Birnbaum, Abraham Glogau, MarcusHeller, Wolf Blumberg, Naphtali Katz, David Popper,Joachim Perutz und Josef Hahn. Simon Strasserwurde zum Vorsteher gewählt und um die Bestätigung beim Oberamte angesucht. D er G ewählte lehntmit Rücksicht auf die „schmählichen N achreden beiseinem Abtritte als Synagogenvorsteher ab". Da auchder vorgeschlagene David Kohn eine Wahl refüsiert,übernimmt Leopold Kohn dieses Amt, legt es aberschon im August 1842 nieder und Aron Stern übernimmt als neugewählter G emeindevorsteher dieF ührung der G emeinde und die Verwaltung ihresEigentumes.

Worin bestand denn der Besitz der Judengemeinde?Da war 1. das G emeindehaus N r. 5, 2. das G emeindehaus in der Sackgasse N r. 24—25, 3. das Aschenhaus,4. das Badehausgebäude samt dem Judenbad, 5. dieSynagoge, 6. der Friedhof, 7. die Requisiten derjüdischdeutschen Schule, 8. die Requisiten zur Mazziit—bereitung unter Aufsicht des Isak Sonnewald.

Die Einnahmen lauten auf 4821 fl. 54 kr. W. W.,die Ausgaben auf 3414 fl. 35 kr., somit der Kassenstand auf 1/07 fl. 19 kr. Die Krankenpflegeinstitutionzeigt einen Kassenstand von 245 fl. 31 kr. und dieFremdenkassa von 33 fl. 38 kr. und zwei Staatsschuldenverschreibungen (im Jahre 1842).

Mit diesen Feststellungen enden die Aufzeichnungen des G emeindeprotokolls v. J. 1799 mit der H inzufügung, daß mit der Übergabe des Protokolls vonStern und E. L. Landesmann an G ottlieb H orwitz,d. i. bis zum 21. September 1849, kein Protokoll mehrin dieses Buch eingeschrieben und ein neues zumAnkauf bestimmt wurde.

Es ist bedauerlich, daß trotz aller Bemühungendie Protokolle vom Jahre 1842 bis zum Jahre 1885bis zum heutigen Tag unauffindbar sind. G erade dieseJahrzehnte sind ja die Zeit des Überganges aus dervormärzlichen Zeit zur neuen G estaltung der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Zustände. Es mußder Zukunft vorbehalten bleiben, diese Epoche jüdischen Lebens und innergemeindlicher Entwicklung imeinzelnen darzustellen, bis ein glückliches G eschickuns hoffentlich doch in den Besitz der Aufzeichnungen bringen wird.

Ich verweise deshalb ganz kurz auf die in WaniesD arstellung gebrachte Notizen aus nichtjüdischenQuellen. Die Judengemeinde wächst. Lebten um1850 500 Juden in Teplitz, so sind ihrer 1870 schon1280 unter 10.155 Einwohnern; 1880 bereits 1718,1890 ist die Zahl jüdischer Einwohner auf 1865 gestiegen bei 17.500 E in wohn ern 3 3) . Wir müssen unsbegnügen, einzelnes, was wir feststellen konnten,hier zu erwähnen. Im Jahre 1836, als Dr. Z. Frankeldas Rabbineramt in Teplitz übernahm, begründeteNaphtali Katz dias Badehospital, welches, wie dieAufschrift über dem Portal noch heute zeigt:

„Badehospital für in und ausländische armeIsraeliten. Errichtet durch N ephtali Katz im Jahre1836."bestimmt war und dessen Entwicklung ein Bild edlerWohltätigkeit und uneigennütziger H ilfsbereitschaftsowohl von Seiten der leitenden Ärzte, wie auchseitens der führenden Männer bietet. Als ersterPrimararzt wirkte viele Jahre Dr. Gottfried Schmelkes, der auch im Rate der Stadt wirkte. Damals lagdiese Wohltätigkeitseinrichtung noch in ihren Anfängen. Im Jahre 1831 war das Institut mit wenigenBetten im G emeindehause untergebracht worden underst später übersiedelte es in das von N ephtali Katzangekaufte größere Heim in der Lindenstraße. SeinenD irektoren, unter denen Josef Rindskopf einer derersten war, gelang es, durch Errichtung frommerStiftungen seitens wohltätiger Juden und diurch klugeund energische Aktionen das Institut immer weiterauszubauen und tausenden Kranken im Laufe derJahrzehnte die Wohltat der Teplitzer Thermen angedeihen zu lassen. Bis zum Jahre 1932 hatten weitan 10.000 Kranke unentgeltliche Verpflegung undärztliche Behandlung während der Sommermonate genossen, die sich aus verschiedenen Staaten Europasrekrutieren.

In diesem Jahre wurde einem der edelsten Menschen unserer Stadt und unserer G emeinde, demG eheimen Sanitätsrat Dr. Ignaz Hirsch, im Vorräumedes H ospitals von dankbaren Patienten eine ehrendeG edenktafel gewidmet und am 10. August 1909, demersten Jahrestage seines Todes, un ter Anwesenheitzahlreicher Ehrengäste aus den Kreisen des politischen Amtes, des G erichtes, der Stadt, der Fachgenossen und der Kultusgemeinde feierlichst enthüllt,

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wobei der Rabbiner Prof. D r. Kurrein die abschließende Festansprache hielt. G eheimrat Hirsch,der auch dem Stadtverordnetenkollegium angehörteund sich wissenschaftlich betätigte, hatte nahezu40 Jahre selbstlos als Chefarzt des H ospitals denKranken seine ausgezeichneten D ienste gewidmet. Ererhielt 1878 den Titel eines Kgl. Preußischen Sanitätsrates, 1883 den Preußischen Roten Adlerorden,1893 den Titel G eheimer Sanitätsrat, 1898 vom damaligen Kaiser das Ritterkreuz des F ranz Josefsordens, im Jahre 1908 vom ehemaligen deutschenKaiser den Preußischen Kronenorden 3. Kl. undwurde 1908 als ehemaliges Mitglied des Stadtrates underster Jude Ehrenbürger der Stadt Teplitz. Am10. August 1908 starb er im Alter von 74 Jahren,nachdem ihm ein Jahr vorher seine G attin Pauline,geb. Mendel, nach 44 jähriger glücklichster Ehe imTode vorangegangen war. Er gedachte noch in seinemTestamente des H ospitals mit einem Legate.

Dem großen Beispiele des Vaters folgend, versiehtDr. Rudolf Hirsch seitdem das verantwortungsvolleAmt des Chefarztes im H ospitale in bewunderungswerter und gütiger Weise, nachdem er schon seit demJahre 1897 an der Seite seines Vaters als zweiterArzt gewirkt h a t t e 3 4 ) . . .

Als D irektoren wirkten im H ospitale Josef Rindskopf, Moritz Steiner und nach dem frühen AblebenLudwig Rotschilds (gest. 9. Jänner 1927). Dr. JosefPolaček, der seitdem umsichtig und fördernd dieAgenden des Institutes leitet. Das alte G ebäude wurdegründlich renoviert und durch die Aufsetzung eineszweiten. Stockwerkes die Möglichkeit geschaffen, dieBettenanzahl zu vermehren.

Kehren wir wieder in die Vergangenheit unsererG emeinde zurück. In den vierziger Jahren , in denen,wie wir bereits erfahren haben, David Pick das Rabbinat inne hatte und die Kultusreform, wenn auch begrenzt durch die Widerstände konservativer G emeindemitglieder, weitere F ortschritte machte, wurde dasEheschließungsrecht erweitert (1843), das israelitischeLokal Armeninstitut in Teplitz gegründet, dessen Direktor Rabbiner Pick war und dessen Verwaltung A.M. Birnbaum, David Popper und H ieronymus Perutzübernahmen. Die Judensteuer fiel 1846. Die Judenwurden aus der U ntertanenklasse entlassen, verschiedene Ausnahmsbestimmungen waren mit dem Revolutionsjahre 1848 hinweggefegt, die Juden erhalten volleBürgerrechte. 1849 ziehen die Juden erstmalig alsBürger in die Stadtgemeinde ein, die Judengasse wirderweitert, beleuchtet und gepflastert. Im Jahre 1861vollzieht sich der völlige Anschluß der Juden an dieStadtgemeinde mit gleichen Rechten und gleichenP flich ten 3 5) . Die jüdische G emeinde hört auf eineKommune in der Kommune zu bilden, sie zahlt andie Stadtgemeide 30.000 fl., wogegen diese sich verpflichtet, den jüdischen G emeindemitgliedern dasBürgerrecht zu verleihen, die jüdische Schule mitzwei Lehrkräften in dem städtischen Schulgebäude zuerhalten, und den städtischen Sitzungssaal der Gemeinde im Bedarfsfall zur Verfügung zu stellen.

Dafür übernimmt die jüdische G emeinde die Fürsorge für ihre Armen. Die Wasserversorgung der Judengasse, welche später den N amen Karlsgasse erhielt,wird durchgeführt, das Sofienbad bleibt im Besitzeder Judengemeinde, die es an die Stadt verpachtet.Es sei erwähnt, daß in diesen Jahrzehnten die Beerdigungsbrüderschaft, deren Bestand wir schon am Anfang des 19. Jahrhunderts aus den Quellen kennenund deren Anfänge natürlich auch in T ©plitz auf eineweit frühere Zeit zurückreichen, nach wie vor ihre

pietätvolle Tätigkeit gegen Tote und Lebende übt.Ihr verdienstvoller Vorsteher .war damals SamuelFürth.

' Es wirkten in den fünfziger Jahren auf humanitärem G ebiete der Verein „Bikkur Cholim", dessen Vorsteher Ludwig Hahn war, der „Frauenverein", der„Verein frommer Frauen', über die wir noch einigesberichten werden, der „Brautaussteuerverein" uiiterVorsitz von Rosa Perutz, der Verein „Talmud Thora",dessen Leitung Leopold Samel inne hatte, der „Tempelverein" mit David F ischer und Moritz Taussig ander Spitze, der „G ewerbeverein" unter Führung VonLudwig H ahn, die „Philipp Spitzsche Chanuka Stiftung zur Bekleidung armer Kinder am Chanukafest",die vom Stifter geleitet wurde. Wir haben in densechziger Jahren schon an 60 größere und kleinereStiftungen 36) .

D er Vorsteher der G emeinde in den vierziger Jahren war Aron Stern, der Lehrer an der jüdischenSchule war zu jener Zeit Daivid Sohr.

Als Vorbeter wird uns in diesen Jahren LippmannDeller und Josef Mayer, als Tempeldiener Isak Sonnewald (1840) und Jesaias Walter (1846) genannt.

Die G eschichte der israelitischen Privatschule wirdeiner besonderen Betrachtung weiter unten überlassen. •

In dieser Zeit finden wir eine durchaus geordneteMatrikenführung in unserer G emeinde, und in ihremKreise. Die Matriken sind ornungsgemäß seit 1840geführt. Wir haben aber regelmäßige Aufzeichnungender Trauungen seit 1789, der G eburten und Sterbefälle seit 1815. Die Eintragungen werden, wie überall,auch in Teplitz nunmehr nicht mehr vom Lehrer derdeutschen Judenschule wie ehedem, sondern vomRabbiner durchgeführt und vom D echanten regelmäßig kontrolliert. So zeichnet 1840 und folgendeJahre Pater Hikisch, D ekan Administrator, 1847 Dechant Dobisch.

Aus den Matrikenbüchern ergibt sich, daß eine bedeutende Anzahl von Ortschaften zum Gemeindebezirke der Teplitzer Matriken gehörte. Es sind diesPeterswald, Sensemitz, Dorf Prassetitz, Dorf Turn,heute die bedeutende Industriestadt, die mit Teplitzbaulich verbunden ist, Dorf Schönau, Aussig, Türmitz, Dorf Kulm, Dorf Schobritz, Krzemusch, Garditz, Stadt Türmitz, Dorf Mosern der H errschaftPriesnitz, Dorf N iematschken der H errschaft Kostenblatt, Dorf Pokau, Auf der Königshöhe, H aan, DorfKostenblatt, Arbesau, Spansdorf, Stadt Bilin.

Beerdigt wurden in Teplitz Personen, die mitunteraus weiterer Entfernung stammten, so aus Prag, Dresden, Leipzig. Es mag auch der eine oder der andereals H eilungsuchender hier gestorben sein und hierseine letzte Ruhestätte gefunden haben.

Eine Episode aus der Amtszeit des KreisrabbiriéřsPick verdient festgehalten zu werden. Im Jahre 1847erhoben die Ausschußmänner mit anderen Gemeindemitgliedern eine Beschwerde 37) gegen den Kreisrabbiner, welche, sofern nicht persönliche G ründe den Anlaß gaben, geradezu einen Kulturkampf jener Tage inder Judengemeinde Teplitz darstellt. Die Beschwerdewurde erhoben, weil er, „durch die von ihm besuchteRabbinerversammlung in Breslau aufgeregt, sich alsReformator aufspiele, weil er ferner katholische geistliche Kleidung getragen, mit semer F rau auf öffentlicher Promenade am Arme spazieren gegangen seiund weil er schließlich sich um die rituelle G ebahrungder G emeinde zu wenig kümmere, die Erziehung derJugend vernachlässige und in seinen Predigten dierabbinischen G esetzesschriften und G ebräuche ver

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spotte und herabsetze, die Würde des Gottesdienstesund der hebräischen Gebete verhöhne, sich überhauptden althergebrachten Anschauungen durch allzu be-tonte Einführung neuer und deutscher Gebete gegenden Geist des Judentums erhebe, kurz seines Amtesunwürdig sei". Der Kreisrabbiner wendet sich an denAdvokaten Dr. Franz Strádal, der in seiner Einredean das löbl. Justizamt der Herrschaft Teplitz im Jän-ner 1848 gegen die Beschwerden Stellung nimmt.Der christliche Rechtsanwalt, für dessen Charakterund Lebensanschauung das seinem Namenszuge bei-gefügte Siegel mit der Umschrift „Grad und scharf"um einen kurzen Dolch so bezeichnend ist, weist dieAngriffe der Kläger in dieser äußerst interessanten-Gegenschrift energisch zurück und bezeichnet unterAufstellung überzeugender Gegengründe diese Ankla-gen als unberechtigt und als Ausdruck persönlicherFeindseligkeit gegen den wohl fortschrittlich gesinn-ten, gebildeten und durchaus im; Dienste wie in derLebensführung korrekten und von der weitaus größe-ren Anzahl der Gemeindemitglieder sehr verehrtengeistlichen Führer.

Der Rabbiner verblieb ja auch in seinem Amte.Wir haben schon früher erwähnt, daß gerade Pickin dieser gährenden Zeit äußerer und innerer Um-wandlung, die gewiß der Amtsführung mancherleiSchwierigkeiten brachte, die Gegensätze zu über-brücken wußte. Sein 40 jähriges verdienstvolles Wir-ken in unserer Gemeinde ist bis zum heutigen Tageunvergessen.

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts und in denfolgenden Jahrzehnten lebten Juden und Christen, wieüberall nach den 48er Jahren, miteinander in bestemEinvernehmen. Diese Zeit liberalster Gesinnung imehemaligen Österreich-Ungarn vereinigte die verschie-denen Konfessionen, sie hatte ihnen allen gemeinsamevaterländische, sittliche und wirtschaftliche Ziele ge-setzt und die höheren gesellschaftlichen Kreise undVereine in Teplitz zeigten ein durchaus harmonischesZusammenleben der verschiedenen Glaubensbekenner.Erst mit dem Auftreten Schönerers, der am Versöh-nungstage 1879 in Teplitz in öffentlicher Versamm-lung Anhänger für die christlichsoziale Partei zu ge-winnen suchte, und mit der in diesen Jahren ein-setzenden antisemitischen und rassenarischen Bewe-gung wurde dieses gute Einvernehmen zwischen Chri-sten und Juden gestört.

Fürst Edmund Clary Aldringen verkehrte leutseligmit der Bürgerschaft, ohne einen. merkbaren Unter-schied zwischen Juden und Christen zu machen. Nurder Männergesangverein nahm keine Juden auf. KarlBéamt, der später als einer der liebenswürdigstenMänner vornehmer Gesinnung im Leben dier Ge-meinde und in gemeinnützigen Vereinen mitwirkte,trat als erster Jude in das Schützenkorps ein.

Manche jüdische Familie wußte sich in bester Weisein industriellen Kreisen Geltung zu verschaffen undes ist kaum möglich alle die Namen zu nennen, diedamals in allen Kreisen einen guten Klang hattenund von denen manche bis heute bedeutend bliebenund im öffentlichen Leben und in ihren Berufen einehervorragende Stellung einnehmen 3S).

So sei hervorgehoben Beer Rindskopf, kgl. sächsi-scher Kommerzialrat, Aron Marcus Birnbaum unddessen Sohn Leopold, Chef der Gummiwarenfabrik.Beer Perutz, dessen Sohn Landtagsabgeordneter,Mitgründer und Sprechwart des ersten TeplitzerTurnvereines gewesen, Balduin Heller, Gründer derMetallwarenfabrik, Leopold Samel, die Familien Men-zel, Salomon Landesmann, I. Stern, Nathan Bechert,

dessen Sohn Ernst Stadtrat wurde, Wolf Blumberg,I. u. W. Hauser, die alte Familie Sonnewald, derenAhne Josua ehedem als tolerierter Jude in Teplitzals ansässig zugelassen wurde, dessen Sohn Isakund Enkel Leopold Sonnewald, Dr. Oskar Will-ner, Angelus Pick, Ignaz Bauer, die Familie DavidKopetzki, die Familie Wilhelm Kantor, langjährigerSekretär der Kultusgemeindie, der vom Prager Ober-landesgericht als Dolmetsch für französische undenglische Sprache beeidet war, Philipp Kirchen-berger, Philipp Oesterreicher, Jakob Willner, Bank-direktor Veilchenfeld, der dann einer der bedeutend-sten Wiener Finanzmänner wurde, Simon Pruesker,der einzige jüdische Major in der österreichischenArmee, Moritz Birnbaum, der kluge Nathan Bechert,die alte Familie Askonas, eine der ältesten TeplitzerJudenfamilien, sehr bekannt und beliebt war derMitbegründer der Feuerwehr Josef Horwitz u. v. a.

Ihrer vornehmen Gesinnung wegen standen auchmanche christliche Familien in jüdischen Kreisen inhoher Achtung, so Bürgermeister Uherr und KarlStöhr, Stadtrat Missel, Eduard Günther, Familie Strá-dal, Bürgermeister Siegmund Heroux u. a. m.

Bedeutende Ärzte lebten auch damals in Teplitz.Dr. Langbein, Dr. Landau, Dr. Musil, Dr. Rezek, derbeliebte Dr. Moritz Löwy und der verehrte GeheimeSanitätsrat Dr. I. Hirsch, dessen Wirken wir bereitsgebührend dargestellt haben.

Bedeutende Männer aller Berufskreise gingen ausder Teplitzer Judenstadt hervor und bewahrten ihrauch in der Ferne ihre Liebe.

Im Jahre 1862 war der alte Friedhof, auf dembreiten Stein, nach dem er nahezu durch 200 Jahreder Teplitzer Judenschaft als letzte Ruhestätte ge-dient hatte, geschlossen wordien. Der neue Friedhofwar eröffnet.

Der neue Tempel.Inzwischen war mit dem Wachsen der Stadt die

Anzahl der Juden bedeutend gestiegen und mehr undmehr machte sich der Mangel eines genügend großenGotteshauses, besonders für die Festtage, geltend.

Der Vorstand mußte daran denken, ein Gotteshausin zureichenden Ausmaßen auch für die Zukunft zuschaffen, zumal das alte in der Judengasse gefahr-drohende Spuren des Verfalles aufwies.

Nach eingehendsten Beratungen unter der Leitungdes Gemeindevorstehers Dr. Oskar Willner wurdendie vom Architekten und Baumeister Stiasny aus Wienvorgelegten Pläne genehmigt und im Jahre 1880 anden Bau des neuen großen Tempels, des zweiten inTeplitz, geschritten. Im Laufe von kaum zwei Jahrenwurde das neue Gotteshaus in den Payeranlagenunter der Bauleitung der Architekten David Ferberund Richard Rudolph mit einem Kostenaufwandevon 100.000 fl. geschaffen. Die neue Synagoge,eine der schönsten Bauten unserer Stadt, bietet inihrer großzügigen, dabei feingegliederten Architektureinen wundervollen Anblick. Hoch ragt die Haupt-kuppel, vom Davidsterne gekrönt, und von den vierkleineren Eckkuppeln, die auch den Davidsterntragen, flankiert, wie eine gewaltige und bergendeFestung des Glaubens empor. Kilometerweit istunsere Synagoge, die auf einem der hochgelegenenPunkte der Stadt steht, zu erblicken. Ihrer äußerenFormenschönheit entspricht die Innenarchitektur.Durch die geräumige Vorhalle, an deren beidenSeiten die Treppenaufgänge zu den Emporen sichbefinden, betritt man den Innenraum, der, drei-schiffig, den Ausblick zu dem an der Ostséite ÚÚV

Theodor Hirsch Karl Béamt Moritz Freud (Dax) Josef Rindskopf

Richard Weiss Jarosl. Robitschek Ing. Wilhelm Buchwald Rat Rudolf Zentner

Fanny Rindskopf Ludmilla Lan sie Louise Menzel Oberlehierin Irma Klein

bietet. An den drei Seiten zieht sich, von hohenSäulen getragen, die erste Frauengalerie entlang undschlanke Säulen stützen die hochgelegene zweiteFrauenempore. Hoch über dem Mittelschiffe wölbtsich der Hohlraum der Kuppel. Die Synagogenein-richtung wurde zum größten Teile von Mitgliedernder Gemeinde kostenlos beigestellt und wertvolleSpenden bildeten den Grundstock der edlen „heiligenGeräte und des heiligen Schmuckes".

Im Verlaufe der Jahre wurden einige Heinere bau-liche Veränderungen, besonders im Treppenhause,notwendig und die Synagoge, welche nach ihrer Fer-tigstellung viele Jahre obne den Schmuck einer wür-digen Wand- und Deckenbemalung verblieb — ver-mutlich aus Mangel an Mitteln — erlangte ihre ganzeSchönheit und eine faszinierende Wirkung erst späterdurch die reiche Innenausstattung, über die wir baldim Verlaufe dieser Darstellung berichten werden.Noch fehlen Beheizung, Malerei und elektrischesLicht. Gaskandelaber und Wandgaslampen bieten dienotwendige Beleuchtung.

Inzwischen hatte Kreisrabbiner David Pick mitseinem letzten Gebete seine Seele ausgehaucht(1878) und am 2. April 1879 trat sein NachfolgerDr. A. Rosenzweig sein Amt an.

Wir haben schon in der übersichtlichen Darstellungder Rabbinerfolge über sein ernstes und zielbewußtesWirken in Teplitz gesprochen und aus seiner FederWorte des Abschiedes kennen gelernt.

Das Jahr 1885 zeigt uns folgendes Bild des Vor-standes. Vorsteher sind Angelus Pick, Fleischhauer inTeplitz, Stellvertreter Eduard Rindskopf, Repräsen-tanten S. Askonas, David Kopezki sen., Moritz Taus-sig, Berthold Perutz, Lippmann Samuel, David Fi-scher, Philipp Oesterreicher, Ersatzmann HermannBloch. Tempelvorsteher David Kopezki; Beamte:Rabbiner Dr. A. Rosenzweig, Oberkantor Lazarus,zweiter Kantor Em. Kohn; Lehrer an der israeliti-schen Schule seit 25 Jahren David Sohr; im selbenJahre wird Hermann Freund als Religionslehrer anVolks- und Bürgerschulen, ebenso Lehrer Simon ingleicher Stellung angestellt, Gemeindeschächter istKohn, Chordirigent Tausche, Gemeindediener Her-mann und Dasch, Sekretär Horwitz, Organist ist Kaylund Totengräber Klausnitzer. Die Ausgaben dieserJahre betragen etwa 7845 fl., die Einnahmen rund7600 fl. Der Synagogenbedarf beträgt an 1150 fl. AnWohltätigkeitsanstalten bestehen in dieser Zeit einGewerbeverein, die Beerdigungsbrüderschaft, derTempelverein, der Verein frommer Frauen, dasLokalanneninstitut, das Krankeninstitut, der Kran-kenunterstützungsverein, der Verein Talmud Thoraund viele Stiftungen.

Das religiöse Leben nimmt seinen Verlauf in dervon jener gemäßigten Reform gewiesenen Richtung.Zur größeren Würde des Gottesdienstes wurde derSegenspruch nach den Toralesungen (mischeberach)auf einen beschränkt, außer bei besonderen Anlässen,das deutsche Kaisergebet bei offener Toralade ein-geführt, das deutsche Seelengebet gekürzt und auchbeim Morgengebet der betreffenden Tage angeord-net, 2 Torabehälter nach Wiener Muster zum Ab-stellen der Torarollen angeschafft, der Predigtstuhlzur besseren Vernehmbarkeit des Predigers an einemgeeigneten Platze gebaut, dem Tempelchore und derAusbildung der Sänger besondere Aufmerksamkeitzugewendet, die Laubhütte renoviert, die Friedhofs-wege in Ordnung gebracht und vom Tempelverein einbronzenes Gitter um den Altar gestiftet, humanitäre

üuuuugeu wuraen genehmigt, der Bau einer Zeremo-nienhalle auf dem Friedhofe war vom Vorsteher ange-regt worden, zu welchem die Chewra Kadischa einenBeitrag zu leisten hätte-. Ja sogar der Bau eines neuenGemeindehauses war geplant. Das alte Aschemhaus, dasdurch viele Jahrzehnte ein begehrtes Pachtobjekt ge-wesen war, wird nun an K. Gärtner verkauft und derErlös von 6000 fl. sollte als Fond zu diesem Neubaudienen. Der Unterricht in der israelitischen Schulewird durch regelmäßige Inspektionen, auch vonSeiten des Rabbiners durch Schulprüfungen gefördert.Ein Einbruch in die Synagoge veranlaßt Sicherungs-maßnahmen für den Tempel.

Die Vertretung für den nach Berlin berufenenRabbiner Dr. A. Rosenzweig übernimmt Dr. Porges,Karlsbad, bis im Jahre 1888 Dr. Adolf Kurrein ausBielitz unter 26 Bewerbern das Rabbinat erhält. Ober-kantor Lazarus erteilt den Unterricht an den Mittel-schulen. Im. Drachmann war als erster Kantor vor-gesehen, gibt jedoch sein Amt in Teplitz binnen kür-zester Zeit wieder auf, das am 1. September 1890J. Großkopf gegen 1400 fl. Jahresgehalt übernimmt,der aber nur zwei Jahre hier amtiert. Die Tep-litzer Gemeinde war eine der größten Böhmens ge-worden, bemühte sich vergebens in die Landesjuden-schaftrepräsentanz zu gelangen, um in der Frage derRegelung der Verhältnisse der Religionsgenossen mit-telst eines von Dr. Willner verfaßten und durchbe-ratenen Entwurfes ein günstiges Resultat zu erzielen.Auch die Verhandlungen mit dem Teplitzer Reichs-ratsabgeordneten Sigmund führen vorderhand zu kei-nem Ziele.

Zwischen der Stadtgemeinde und dem Vorstandwerden in dieser Zeit vielfache Verhandlungen ge-pflogen, die einen Vergleich zeitigen, wonach dieGemeinde 8000 fl. für das Sofienbad an die Stadt-gemeinde bezahlt, wofür ihr das Servitut des Wasser-bezugsrechtes sicherzustellen sei; die Forderung derStadtgemeinde an die Judenschaft, anläßlich derQuellenkatastrophe im Jahre 1879 im Betrag von10.000 fl. gilt als erloschen und der im Jahre 1861vereinbarte Vertrag bezüglich der Erhaltung derisraelitischen Schule durch die Stadt und der jüdi-schen Armenpflege durch den Vorstand der Juden-gemeinde sei als erfüllt zu betrachten.

Im Jahre 1890 legte der langjährige Vorsteher A.Pick aus Gesundheitsrücksichten sein Amt nieder,der bisherige Vertreter Ed. Rindskopf rückte an seineStelle, Dr. Willner wurde Stellvertreter. D. Kopetzkiblieb Tempelvorsteher, Moritz Taussig wurde seinVertreter.

Der Armenfürsorge wendete man dauernd volleAufmerksamkeit zu. Am 20. März 1890 beschlossenunter dem Vorsitze des Kultusvorstehers die DamenFrau Henriette Cantor und Eva Samel vom frommenVerein der Frauen, Sophie Glogau und Pauline Katzvom Frauenunterstützungsverein, und Rabbiner Dr.Kurrein für das Armeninstitut, Ludwig Hahn für dasKrankeninstitut, S. Fürth, H. Bloch und Dr. Glässnerfür d. Beerd. Brüderschaft, die Vereinigung derArmenpflege (auch zugunsten der Passanten) und dieAnstellung eines Armenarztes in der Person des Dr.Moritz Löwy gegen 200 fl. Jahresgehalt.

Der Leiter der israelitischen Privatschule regt an,das öffentlichkeitsrecht für sie beim Magistrat an-zustreben, das freilich erst nach geraumer Zeit zu-erkannt wird.

Das 40 jährige Regierungsjubiläum des damaligenKaisers wurde zum Anlaß genommen, das Gemeinde-haus in der Breitengasse nach einem zweckgemäßen

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.Umbau zu einem Armenhause für arme, einheimischeIsraeliten zu widmen.

• Auf Ersuchen der Kultusgemeinde nimmt die Be-zirkshauptmannschaft eine Abgrenzung der Gemeinde-bezirke Teplitz und Soborten in der Weise vor, daß,da die Städte Teplitz und Turn einander zugewachsensind, die Ortschaften rechts der Dux-BodenbacherBahn und die Stadt Turn bis zum Flößbache zurTeplitzer Kultusgemeinde gehören.

Das Jahr 1890 hatte das neue Kultusgesetz ge-bracht, welches eine Änderung der Gemeindestatutennotwendig machte.

Unter dem am 17. November 1890 neu gewähltenVorsteher Dr. Willner — Vertreter war Ed. Rindskopf,Tempelvorsteher Philipp Spitz und M. T. Taussig —wurde 1892 eine Vergrößerung des Friedhofsgrundesdurchgeführt, ein Teil davon für den angrenzendenprotestantischen Friedhof käuflich abgegeben, einFriedhofsfond gegründet und zur leichteren Beglei-chung des Grundpreises verkäufliche Familiengrüftevorgesehen.

Die Verhandlungen über den Verkauf des Sofien-bades, dessen Pacht seit Jahren Scheuer inne hatte,für 30.000 fl. an die Stadtgemeinde sind vorderhandresultatlos, da die Stadtgemeind'e die Erhaltung derisr. Schule abstoßen will.

Kantor Kohn wird, von dem am 15. August 1893neu eintretenden Siegfried Kulka aus Kolin in seinemAmte als Vorbeter und Schächter unterstützt.

Im Laufe der Jahre hatten sich in der NachbarstadtDux eine Anzahl jüdischer Familien angesiedelt undsich unserer Kultusgemeinde angeschlossen. An denFeiertagen war durch Moritz Freud, welcher durchJahrzehnte sich der Förderung des religiösen Lebensin Dux warmherzig annahm, ein Privatgottesdiensteingerichtet, endlich wird im Jahre 1894 ein Betlokalim Liehmschen Hause gemietet und ein Tempelbau-verein dank dem Eintreten Freuds gegründet. HerrSternfeld, später Israel Rindskopf, Moritz Mandl undSamuel Friedl wurden als Lehrer und Vorbeter inDux von der Teplitzer Kultusgemeinde angestellt.Damit war in dieser Filialgemeinde für die religiösenBedürfnisse Sorge getragen, bis nach etwa 25 Jahrenmit dem Tode Freuds am 3. Februar 1924 der Gottes-dienst aufhörte, zumal der Plan eines Tempelbaues

. in Dux nicht zur Ausführung gebracht wurde.Das religiöse Leben in den jüdischen Familien von

Teplitz war vor 30 Jahren noch reger und gefestigterals heute. Es berührt uns wehmütig, wenn wir hören,daß damals noch weit über 100 Parteien den Wunschäußerten, zu Sukkoth den Lulab (den Palmzweig) mitdem Esrog ins Haus gebracht zu sehen, um in allerFrühe den Segensspruch darüber sprechen zu können.— Die Anteilnahme der Gemeindemitglieder an denVorgängen in der Gemeinde war eine herzliche.

So nahm die Gemeinde mit dem Vorstand gerneAnlaß Sanitätsrat Dr. Hirsch zum 25 jährigen Jubi-läum seiner Tätigkeit im Badehospital den Dank aus-zusprechen, dem Festgottesdienste zur 50 jährigen Be-standesfeier des Lokalarmeninstitutes, dessen Rech-nungsführer Ernst Bechert, seit dem Jahre 1890 war,in der Synagoge beizuwohnen, den Vorbereitungenzur feierlichen Begehung des 50 jährigen Regierungs-jubiläums des Kaisers, für welches der Vorstand500 fl. als Fond ausgesetzt hatte, interessiert zu fol-gen und der Anstellung des Oberkantors Eugen Da-vidsons am 1. Juli 1894 ihre ganze Aufmerksamkeitzuzuwenden.

Die Gründung des Gemeindebundes, zu welchereine Delegation des Kultusvorstandes nach Prag ent-sendet wurde, am 13. Juni 1895, erweckte frohe

Hoffnungen auf die Förderung jüdischen Lebensauch, in Teplitz. .

Das neue Gemeindestatut war 1896 genehmigt wor-den und die erste Wahl nach seinen. Statuten brachteMoritz Taussig die Ehrenstelle des ersten Synagogen-vorstehers, der aber kurz darnach 1896 verschiedenist und in einem Ehrengrab beigesetzt wurde. Hein-rich Nettel war der erste, Leopold Kusiener der zweiteSynagogenvorsteher geworden.

Dr. Emil Stein übernahm 1906 die Führung der Ge-meinde, Dr. Carl Kraus war sein Stellvertreter.

Um die Verwaltung der Gemeinde zu intensivieren,wurden Sektionen begründet. Eine Tempelbau-,Armen- und Finanzsektion, je eine für Rechtsangele-genheiten, die Verwaltung des Armenhauses; die Tal-mud Thora, Synagoge, Stiftungen, die R e a l i t ä t e n -v e r w a 11 u.n g ; die Synagoge und der Religions-unterricht in Dux werden mit je einer Sektion be-dacht. Das Armenwesen, das seit jeher einen nichtunbedeutenden Teil der Gemeindearbeit und der Aus-gaben in Anspruch nimmt und dessen Zentralisie-rungsbestreben in früherer Zeit wir schon kennenlernten, sollte wieder einmal auf Antrag GeorgBlumbergs vereinigt werden. Diese Versuche reichenbis in die neueste Zeit3l>).

Unsere Gemeinde, deren Seelenzahl zusehendswuchs, konnte vor allem an den Feiertagen seit lan-gem auch in der neuen Synagoge nicht mehr Platzfinden. Deshalb wurde für die folgenden Jahre imKursalon (Kaiserbad) an den hohen Feiertagen einFilialgottesdienst eingerichtet, bei welchem ein Kan-didat auch die Predigten hielt.

Man mußte auch daran denken, den Andächtigenden Aufenthalt in der Synagoge während der kaltenJahreszeit erträglicher zu'gestalten. Nach vielen Ver-handlungen mit Fachleuten und in der Ratsstubewurde im Jahre 1905 die Beheizung des Tempelsmittels Dampf durch die Firma Fianz Wagner inEger um 10.437 K durchgeführt.

Zur Deckung dieser großen Ausgaben und dergleichzeitig notwendigen Einsetzung von Doppel-fenstern wurde bei der Bank Perutz und Söhne inTeplitz eine schwebende Schuld von 20.000 K auf-genommen, außerdem übernimmt die Gemeinde dieGarantie für ein vom Tempelverein aufgenommenesDarlehen in gleicher Höhe bei derselben Bank, wel-ches zur Deckung der Kosten für die Ausmalung desTempels dienen sollte. Denn dev Tempelverein hatteunter dem Vorsitze seines damaligen Obmannes ErnstBechert im Einverständnis mit dem Gemeindevorstandnach vielen mühevollen Unterhandlungen, Sitzungenund Versuchen schließlich diese Arbeit der FirmaWeygand und Thümel um den Betrag von 27.000 Kübertragen, nachdem eine farbige Skizze vom k. k.Baurat Stiassny, Architekt Rudolf mit anderen Fach-leuten begutachtet und empfohlen worden war.

Das Gotteshaus war durch diesen schönen Farben-schmuck eine noch würdigere Andachtstätte ge-worden. Die stimmungsvolle, reiche Bemalung derInnenräume wurde gehoben durch die Bekleidung derWände vom Fußboden 85 cm. hoch mit rötlichenMarmorplatten, das Gestühle des Tempels erhieltneuen Anstrich, das Orgelgehäuse, die Beleuchtungs-körper und Luster wurden reich vergoldet, und dieBeleuchtung der hochragenden Kuppel sollte dieVerschönerung der Synagoge krönen. Leider mußtediese Absicht wegen der mangelnden Tragfähigkeitdes Kuppelgewölbes aufgegeben werden und wurdeerst in neuerer Zeit ausgeführt. Der Tempelvereinhat sich durch diese großartige Leistung ein dauern-des Andenken gesichert. Bald darauf dienten die

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weihevollen Räume des Tempels einer religiösen Mu-sikaufführung, die der iTempelverein veranstaltete,um wenigstens teilweise seine großen Ausgaben zudecken, widmete jedoch einen Teil der Einnahmendem jüdischen Hospital.

Nun treten wir mit dem Beginn unseres Jahrhun-derts in die letzte Phase der bisherigen Gemeinde-entwicklung ein.

Die neueste Zeit (1900-1932).Aus den Neuwahlen des Jahres 1902 ging an Stelle

des bisherigen Vorstehers Ed. Rindskopf der Fabri-kant Ernst Steinwald als Kultusvorsteher hervor,Dr. Siegmund Hahn wurde sein Stellvertreter undJulius Hahn, Simon Taussig und Marcus Lederer wa-ren die Tempelvorsteher. Für den Religionsunterrichtin Dux, wo nunmehr I. Rindskopf als Religionslehrerfungiert, wird Dr. L. Bäcker -und nach seinem kurzdarauf erfolgten Tode Dr. Fischer als Ortsschulratnominiert.

Gemeinde-Sekretär war der rührige Berthold Hor-witz bis 1913.

Der wohltätige Sinn der Gemeinde wurde nochim selben Jahre durch eine von der Wiener israelit.Allianz angeregte Sammlung in Anspruch genommen,von der 8000 K für die notleidenden russischen Judenund 200 K anläßlich einer Judenverfolgung in Ru-mänien Verwendung fanden.

Auch die Abbrändler in der benachbarten Berg-stadt Graupen wurden unterstützt40).

Die Gemeinde konnte anläßlich des 25 jährigenDienstjubiläums den Tempeldiener Dasch und balddarauf den Diener Hermann mit einer wohlverdien-ten Ehrung erfreuen.

Der rührige Tempelverein denkt daran, den not-wendigen Bau eines Gemeindehauses in die Wege zuleiten, aber dieser wohlgemeinte Plan wird definitivzurückgestellt und ist tatsächlich bis zum heutigenTasre unausgeführt geblieben.

Die Zeremonienhalle auf dem Friedhofe wird durcheine schlichte Decken- und Wandmalerei mit demOrte entsprechenden Bibelsprüchen zu einer würdi-geren Stätte ausgestattet und Ludwig Adler von derChewra zum Friedhofsverwalter bestellt 41).

Die rührige Arbeit unserer Gemeindekorporationenwird aber auch durch mehrere betrübliche Vorkomm-nisse gestört. Eine Differenz zwischen RabbinerDr. Kurrein und dem Vorstand wegen des Wider-standes des Rabbiners gegen den Religionsunterrichtam Sabbath führt zu einer zeitweisen Resignation desKultusvorstehers Steinwald, der Armenarzt Dr. Löwytritt zurück, für den Dr. Oskar Ábeles dieses Amtübernimmt, Eduard Rindskopf stirbt und der Tod desDuxer Religionslehrers Israel Rindskopf nötigt dieGemeinde Ersatz zu schaffen, der in Moritz Mandlgefunden wird. Fräulein Neumann veranlaßt durchihre Kündigung die Neubesetzung der Lehrerstelle ander isr. Volksschule in Teplitz mit Fräulein IrmaKlein, die derzeit als Schulleiterin und Lehrerin ander Anstalt noch tätig ist.

Nach wie vor versucht der Stadtrat die Last, dieihm diese Schule aufbürdet, abzuschütteln und rich-tet nun wieder ein Ansuchen um Aufhebung dieserPrivatschule an den Vorstand (a. a. 0.).

Aber weit mehr wird die Gemeinde beunruhigtdurch die jungjüdische Bewegung des Zionismus, dienun auch in Teplitz Fuß faßt.

Eine Broschüre des Dr. Emil Margulies gibt denjüdischen Mitgliedern der deutschen Fortschritts-

partei in Teplitz Anlaß, in der Vorstandssitzung aufdie Unliebsamkeit derartiger Veröffentlichungen hin-zuweisen. Aber die Versicherung" eines zionistischenVorstandsmitgliedes, „daß es keinem Mitgliede desZionsvereines einfalle, gegen die FortschrittsparteiStellung zu nehmen und daß alle nach wie vor" — soheißt es im Protokolle — „als Deutsche fühlen", läßtvorderhand die Ruhe wieder eintreten.

Immerhin hält „Zion." die Gemüter in Bewegung.Durch Monate entspinnt sich ein mitunter sehr hef-tiger Kampf um die Bewilligung von Toraspendenbeim Gottesdienste für zionistische Zwecke. Scharfund heftig prallen die gegnerischen Stimmen derZionsfreunde, unter denen Ernst Bechert der Ruferim Streite ist, und der deutschliberalen Zionsgegneraufeinander. Dieser Widerstreit der Meinungen dauertdurch Jahre. Wenn auch derzeit, Dank der klugenNachgiebigkeit, von beiden Lagern und nicht zuletztinfolge der konzillianten Führung seitens des Vor-sitzenden der Gemeinde, des Präsidenten Dr. ErnstCantor. beide Parteien seit langem den Frieden wah-ren, so ist doch „weder die Eroberung der Gemeinde"noch die Abwehr der Liberalen gegen den zionisti-schen Gedanken ganz aufgegeben worden. Das Ver-ständnis für den Aufbau Palästinas ist auch in Teplitzin weitere Kreise gedrungen und zionistischerseits hatman mit der Zeit auf anders eingestellte Kreise unse-rer Gemeinde resignieren gelernt. Die Stellung desRabbiners inmitten der beiden Lager war freilich seitdemgewiß nicht angenehmer und mancherlei Gegnerschaftaus politischer Stellungnahme erwuchsen dem geist-lichen Führer und gestaltete ihm das Amt nicht leichter.

Bei der Neuwahl des Vorstandes im Jahre 1906wurden Dr. Stein I. Vorsteher und Emil RindskopfII. Vorsteher; Dr. Karl Kraus, Simon Taussig undMoritz Langer Tempelvorsteher. Nach dem TodeLangers übernimmt für kurze Zeit Adolf Laufer, nachdessen Resignation Adolf Karpeles diese Ehrenfunk-tion, der seit dem Jahre 1924 gewissenhaft diesesAmt des Tempelvorstehers bis zum Jahre 1930 versah undgleicherweise seit vielen Jahren die Ehrenfunktion in derBeerdigungsbrüderschaft in würdiger Weise aus-übte42).

Adolf Karpeles, der bis zu seinem vollendeten 75.Lebensjahr vorbildlich in der Gemeinde gewirkt,wurde wegen seiner Verdienste zum Ehrenvorsteher,ferner zum Ehrenobmann der heil. Brüderschaft undzum Ehrenmitglied des fempelvereines ernannt undKarl Freund an seine Stelle gewählt. Neben ihmwirken Dr. Emanuel Sachs und Dr. Paul Kohn in Dux.

Der Verein „Bene Emunah".Unsere Gemeinde ist im Verlaufe der letzten

Jahrzehnte auch der Sitz einer Gemeinde von Ost-juden geworden, deren ältere Generation die strengreligiöse Richtung treu bewahrt. Schon in den vier-ziger Jahren hatte Seligman Ungerleider hier seinenWohnsitz genommen, der als erster nach demJahre 1848 aus dem Ghetto in die Stadt gezogenwar. Zu ihm kam als junger Mann HeinrichUngerleider aus Michalovce der hier im Kreiseder streng religiösen Juden, die sich im Laufe derJahre hier ansiedelten, eine führende Stellungerlangte und auch in der Gemeinde durch seine viel-seitige Tätigkeit besonders im Verein zur Erhaltungder Friedhöfe sich große Verdienste erworben hat.—• Etwa im Jahre 1907 hatte sich eine Anzahl Fami-lien strenggläubiger Gesinnung hier angesiedelt undbald wurde von Heinrich Ungerleider, Elias Semmel,Chajim Kalb, M. H. Unger u. a. ein Privatgottes-

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dienst in der Eichwalderstraße eingerichtet, derspäter vom Gemeindevorstand als ein Hausgottes-dienst anerkannt wurde. Aus der ehemaligen Ge-meinde Seltsch bei Saaz, aus Prag und aus Dünaburgin Rußland stammen die Torarollen und die Opfer-freudigkeit der wachsenden religiösen Vereinigunggestattete die Betstätte geziemend aus.

Während des Krieges wuchs die Anzahl der Be-sucher dieser Gottesdienste und als ein Teil derFlüchtlinge sich in Teplitz ansässig machte, ergabensich räumliche Schwierigkeiten, so daß unter derFührung von Heinrich Ungerleider, M. H. Unger undChajim Kalb u. a. ein neuer religiöser Verein „BeneEmunah" ins Leben gerufen wurde, welcher die Auf-gabe auf sich nahm, eine zweite würdige Andachts-stätte zu finden. Im Vorstande dieses Vereines wirktseit seinem Bestände besonders Rechtsanwalt Dr.Bruno Ungerleider, der Sohn Heinrich Ungerleidersin selbstloser Weise.

Den Bemühungen der genannten gelang es unterOpfern den verfallenen „alten Tempel'' in der Bade-gasse von der Kultusgemeinde zu übernehmen, zurenovieren und aus der Ruine eine sehenswerte An-dachtstätte zu schaffen, welche beim Freitag-Abend-Gottesdienste am 28. August 1925 feierlich eingeweihtwurd,e. Der Kultuspräsident Dr. Cantor sprach imNamen der Gemeinde, Unger als Obmann des Ver-eines Bene Emunah, der Gemeinderabbiner Dr. Weihshielt die Weiherede und Chajim Kalb sang die Li-turgie. So ist, wie wir bereits früher erwähnt haben,der alte Tempel, dieser Zeuge jüdischen Lebens ver-gangener Jahrhunderte, wieder zu einer Stätte desGebetes geworden 4S).

Auch das Privatbethaus im Hause Pesach Wein-gartens in der Eichwalderstraße hat viele treueFreunde sich zu wahren und sie zu mehren gewußt.

Die Anzahl der strenggläubigen Juden in Teplitz,welche im Rahmen der Großgemeinde nunmehr ihrreligiöses Eigenleben führen, ist inzwischen bedeutendgewachsen und wird heute auf etwa 700 geschätzt.

Sie bilden einen bedeutsamen und regsamen Teilunseres jüdischen Lebens und haben in jüngster Zeiteine Talmudtora eingerichtet. Als Lehrer wirkt anderselben eifrig H. Maulkorb (bis 1932).

Das rituelle Frauenbad war von ihnen schon imJahre 1923 neu hergestellt unter Anwesenheit desPrager Oberrabbiners Dr. H. Brody als Gast und desOrtsrabbiners. Die strenggläubigen Vereine dürfendank ihrer zielbewußten und' opferwilligen Arbeit,wenn die wenig religiöse Gesinnung weiter Kreise derjüdischen Jugend nicht auch die ostjüdische Jugenderfaßt, auf eine günstige Weiterentwicklung in unsererStadt hoffen.

*In den jüdischen Gemeinden Österreichs machte

sich in diesen Jahren ein lebhaftes Streben nach demAusbau der Gemeindeverfassungen und der Stärkungdes jüdischen Gemeindesinnes geltend. Ein Gemeinde-bund sollte als Organ aller jüdischen GemeindenÖsterreichs mit einem „Obersten Judenrat" in Wienals Beirat im Ministerium für Kultus und Unterrichtgebildet werden, und Verbandsgruppen einen Beiratfür jüdische Angelegenheiten am Sitze der Landes-regierung stellen.

Am 27. April 1908 waren Dr. Carl Kraus vomVerein freisinniger Juden in Teplitz und Nathan Blochzur Tagung dieses österreichischen isr. Bundes alsVertreter der Kultusgemeinde entsendet worden mitder ausdrücklichen Weisung zu einer strikten anti-zionistischen Stellungnahme.

Die Gemüter waren beunruhigte Der Landtagsabge-crdnete Prof. Eduard Reichel hatte im Hausbesitzer-verein eine Aufsehen erregende Rede gehalten, dieKultusvertretung sich, gegen die Angriffe Reicheisdurch eine Protestresolution verwahrt; im Schöße derGemeinde scheinen ebenfalls unliebsame Vorgängesich abgespielt zu haben, denn Kompetenzfragen zwi-schen Rat und Vertretung führten zu einer Statuten-änderung bezüglich der Geschäftsordnung; eine neun-gliedrige Kommission beriet über die Pflichten desRabbinates, eine Disziplinarordnung wurde geschaf-fen, die Regelung der Ansprachen bei Beerdigungenseitens Nichtbeamteter wurde beraten. Dir. Perutzlegte die Stelle des Direktors am Hospital nieder. DieKoscherfleischerversorgung, ein stets wenig artigesSorgenkind der Gemeindeverwaltung, führte zu schar-fen Mahnschreiben an die jüdischen Fleischhauer, derAntrag Ernst Becherts, die Kultusgemeinde stattisraelitisch „jüdisch" zu benennen, die Ablehnung derbeabsichtigten Ausstellung der palästinischen Bezalel-Schule und die Resultatlosigkeit des von Dr. GustavWeiß in Dux angeregten und ins Leben gerufenenTempelbauvereines in Dux — es ist bis heute nochkein Tempel errichtet — und schließlich die an-dauernde Beunruhigung durch die junge nationaleBewegung gaben in diesen Jahren immer wieder An-laß zu heftigen Debatten und schufen eine Atmo-sphäre der Erregtheit. Das einzige Erfreuliche dieserJahre war die anläßlich des 60 jährigen Regierungs-jubiläums des Kaisers begründete Studentenstiftungmit einem Kapital von 5000 K und der 1912 erfolgteBeitritt der Gemeinde zum Zentralverein für jüdischeWanderfürsorge mit einer Subvention von 1200 K.

Inzwischen war das erste Jahrzehnt des neuenJahrhunderts beendet.

Lehrer Simon, der schon im Jahre 1906 krankheits-halber vom Lehrer Adolf Kahn zeitweise an derjüdischen Volksschule vertreten worden war und imFeber 1911 sein 25 jähriges Lehrerjubiläum feierndurfte, trat nunmehr nach 46 jähriger Dienstzeit inden wohlverdienten Ruhestand, der ihm bis zu seinemam 10. Oktober 1920 erfolgten Tode vergönnt war.Jakob Frankfurter wird als Lehrer angestellt und hatdas Lehramt bis zu seinem 1920 erfolgten Ausscheideninne. Rabbiner Dr. Kurrein übernimmt weiterhin denUnterricht an den Teplitzer Mittelschulen, Ober-kantor Davidson am Gymnasium in Dux. WilhelmHeller wurde 1913 als Gemeindesekretär angestellt.Nach der Resignation Ludwig Adlers werden GustavTaussig, Siegfried Brunner und Ferdinand LöwyTempelvorsteher und im Jahre 1914 übernimmtFerdinand Löwy das Amt des ersten Tempelvorste-hers, welches er viele Jahre führt. Nach dem 1914für den abtretenden Siegfried Brunner eine kurzeZeit Isidor Kohn als zweiter Tempelvorsteher fungierthatte, übernimmt Gustav Pick dieses Ehrenamt bis zuseinem 1920 erfolgten Tode.

Das Jahr des Kriegsausbruches 1914 bringt eineeingreifende Veränderung infolge des Rücktrittes desenergischen und umsichtigen Vorstehers Dr. E. Stein;der als Beirat dem Kultusvorstande verbleibt.

Der Weltkrieg fordert auch von unserer GemeindeOpfer. Ein Antrag des Dr. Kraus, sie durch eineVotivtafel im Tempel zu ehren, wird in richtigerErwägung, daß dieser Akt der Pietät verfrüht wäre,auf einen späteren Zeitpunkt zurückgestellt.

Am 15. Februar 1914 wird das Amt des Gemeinde-vorstehers Dr. Ernst Cantor übertragen. Die WahlDr. Cantors zum Gemeindepräsidenten in dieserschweren Zeit war für die Gemeinde von weittragen-der Bedeutung.

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Die hervorragende Beredsamkeit des neuen Präsi-denten fandi bald Gelegenheit zur Betätigung. DerTod des Kaisers und der Regierungsantritt des Thron-erben wurden von Seite des Gemeindepräsidenten mitwürdigsten Worten bedacht. Schwere Aufgaben lastenwährend der Kriegszeit auf seinen Schultern, denndie Führung der Gemeinde, die durch die steigendeTeuerung notwendig gewordene Erhöhung derSteuern, die Versorgung verarmender Familien, dieGehaltserhöhungen der Gemeindebeamten und An-.gestellten, die Zeichnung der Kriegsanleihen, dieFürsorge für die Flüchtlinge und all die Erscheinun-gen, die im Verlaufe des Krieges störend und lastendauf der Öffentlichkeit liegen, waren in erster Reihevom Präsidenten der Gemeinde zu tragen. Die Kultus-gemeinde und die Stadt Teplitz, welchen Dr. Cantorselbstlose Dienste geleistet hat, betrachten ihn alseinen ihrer wertvollsten und verdienstvollsten Bürger.

Herr Dr. Cantor, dem die Gemeinde in dankbarerAnerkennung seiner Arbeit für die Öffentlichkeit beijeder Wahl seither das Amt des Kultuspräsidientenübertragen hatte, führt heute noch die Gemeinde,getragen v o n d e m v o l l s t e n V e r t r a u e n allerKreise. Anläßlich seines 60. Geburtstages am 13. Feber1925 wurde in der Ansprache des Vizepräsidenten RatErnst Bechert und in der Festrede des RabbinersDr. Weihs im Tempel Dank und Verehrung festlichzumj Ausdruck gebracht.

Stiller wird es in der Kultusgemeinde. Die Sorgender Bevölkerung während des Krieges, die Not unddie Trauer in seinem Gefolge spiegeln sich in den Be-ratungen der Gemeinde, die nunmehr seltener stattfinden.

Schleppend wird, wie das öffentliche Leben, auchder Gang der Gemeindegeschäfte.

Viele Söhne und Väter stehen im Felde, garmanche sterben dort und in den Spitälern, anderekommen als Invalide heim und manchen kann dieGemeinde später nur mit einem Ehrengrabe danken.

Flüchtlinge finden, wie die einfachen von der Ge-meinde gewidmeten Grabsteine bezeugen, hier dasEnde ihres heimatfernen Lebens.

Der Friedhof, der auch manchem ehrenwerten Mit-gliede unserer Gemeinde in diesen Jahren zur letztenRuhestätte wird (so starb Dr. C. Kraus 1917), wirderweitert, die beschädigten Mauern hergestellt.

Erst nach Friedensschluß atmet auch die jüdischeGemeinde auf, allmählich weichen die Sorgen. EineAnzahl der in Teplitz weilenden Flüchtlinge kehrtim Laufe der Zeit in ihre Heimat zurück. Die Juden-schaft trägt ihr gut Teil an den schweren Naohkriegser-scheinungen und fügt sich in die neuen Verhältnisse,die durch die Schaffung der TschechoslowakischenRepublik gegeben sind, vertrauensvoll ein. Die Per-sönlichkeit des ersten Präsidenten T. G. Masaryk,dessen Eintreten für Recht und Wahrheit in dankbarerErinnerung geblieben war, erfüllt die Judenschaft mitfrohester Hoffnung auf ein friedliches und harmoni-sches gemeinsames Schaffen im neuen Staate, zumalder nationalgesinnte Teil der jüdischen Bevölkerungdurch die Anerkennung der jüdischen Nationalitätvon Seite der obersten Staatsstelle in seinen politi-schen und kulturellen Bestrebungen gefördert wird.

So lenken Handel und! Wandel allmählich wiederin die gewohnten Bahnen ein und der Friede in derGemeinde wird durch das vorsichtige, auf Versöhnungder Gegensätze gerichtete Verhalten des Gemeinde-präsidenten k a u m ernstlich gefährdet.

Der geistliche Führer Prof. Dr. Kurrein, der beialler Treue zum Zionsgedanken mit zunehmendemAlter mehr und mehr dem öffentlichen Leben ferneblieb und sich nur seinem beruflichen Pflichtkreise

gewissenhaft widmete, war nach längerem Leiden am23. Oktober 1919 zur ewigen Ruhe eingegangen. DieGemeinde ehrte das pflichtbewußte und charakter-volle Wirken ihres Rabbiners durch einen Nachruf desPräsidenten 44), und die Anbringung einer ehrendenGedenktafel oberhalb seines Sitzes im Tempel,welche die Inschrift trägt:

Dem Andenken unseres hochverehrtenRabbiners Herrn Prof. Dr. Adolf Kur-rein, der vom 1. März 1888 bis zum23, Oktober 1919 selbstlos, pflichtgetreuin unserer Gemeinde wirkte, bis er unsam i*Vvi>n £"3 5680 durch den Tod ent-

rissen wurde.

Auf dem Friedhofe birgt ein Ehrengrab die sterb-lichen Reste dieses Mannes, der durch seine ernste,unbeugsame Festigkeit in seinem Amte, als Obmanndes Rabbinerverbandes und als geistlicher Lehrer sichein ehrenvolles Gedenken erworben hat 45).

Wir stehen, nunmehr vor der Darstellung des jüdi-schen Lebens unserer Gemeinde im letzten Jahr-zehnte. Zuvor haben einige wichtige und -wertvolleInstitutionen, deren Anfänge tief in der Vergangen-heit wurzeln, die aber auch noch in der Gegenwartbewährte Arbeit leisten, ein Recht auf Würdigung.

Die israelitische Schule und ihre Geschichte.Ein alter Besitz unserer Gemeinde ist die Israeli-

tische öffentliche Schule.Wir wissen, daß schon am Ende des 18. Jahrhun-

derts eine jüdisch-deutsche Schule in Teplitz be-stand 40) und daß die Gemeinde von jeher einengroßen Wert auf ihre Erhaltung und Ausgestaltunggelegt hat. Verschiedene Male hat die Stadtvertretung,welche, wie erwähnt, laut Vertrages die Erhaltungder Schule übernommen hatte "), versucht diese Lastabzuwälzen. Erst in der jüngsten Zeit ist von Seitegewisser Gruppen ein vergeblicher Vorstoß unter-nommen worden.

Die Entwicklungsgeschichte der Öffentlichen isr.Schule ist erst seit dem Jahre 1885 in einer Chronikniedergelegt, der wir die wichtigsten Daten entneh-men wollen 48),

Am 5. Mai 1885 wurde mit stadträtlichem Dekretder bisherige Religionslehrer an der Volks- und Bür-gerschule in Teplitz Hermann Freund zum Leiter derisr. Schule bestellt49). Neben ihm wirkt als Unter-lehrerin Frl. Malvine Karpeles.

Das Ansuchen des Leiters um definitive Anstellungwird vom Magistrate abgelehnt, da die Schule nichtöffentlich sei, demnach die Lehrer nicht öffentlicheBeamte. Im Jahre 1888 verheiratet sich die LehrerinKarpeles, für welche Frl. Regina Altschul eintritt.Die Kultusgemeinde richtet ein vom Bezirksschulratbefürwortetes Ansuchen um das öffentlichkeitsrechtfür die Schule an den Landesschulrat (1889), welcheserst geraume Zeit später erteilt wird.

Im Jahre 1890 erhält die Schule zwei Zimmer imSchulgebäude am Schulplatz. Eine Zeitlang vertrittLehrer Simon die beurlaubte Lehrerin Altschul imReligionsunterricht, Josef Kohn übernimmt dann denUnterricht für sie, Frl. Olga Popper erteilt den Hand-arbeitsunterricht 1892. Aushilfsweise war auch 1888Frl. Anna Fiedler an der Schule tätig. Am 14. Okto-ber 1904 stirbt die Lehrerin Regina Altschul, Katha-rina Swoboda und Isabella Neumann treten an ihreStelle.

Noch immer wartet die Schule auf das öffentlich-fceitsrecht, das ihr endlich mittels Dekretes vom -24.

Aftß

Oktober 1906 erteilt wird rückwirkend vom Anfangdes Schuljahres an.

Seit 17. September 1906 ist Frl. Irma Klein durchstadträtliches Dekret als Lehrerin an der Schule50).Der äußerst bewährte Schulleiter Hermann Freundtritt am 1. August 1909 mit belobender Anerkennungdes Bezirksschulrates und des Rabbinates in den wohl-verdienten Ruhestand, für welchen der bisherigeHilfslehrer an der Kommunalhandelsschule AdolfKahn als provisorischer Leiter eintritt.

Der Ausbruch des Krieges veranlaßte natürlich auchfür die jüdische Schule fühlbare UnregelmäßigkeitenVerlegungen der Schulräume, Ausfall von Unterrichts-stunden, einen Zuzug von Flüchtlingskindern, für diein Turn eine besondere Flüchtlingsschule eröffnetwurde und erst 1918 trat mit Rückverlegung derUnterrichtsräume in die ehemalige Schule in derAlleegasse wieder ein geregelter Unterricht ein.

Oberlehrer Adolf Kahn Oberlehrer Hermann Freund

Im Jahre 1928, nach der dem Leiter Adolf Kahnerteilten Genehmigung der angesuchten Pensionierung,übernimmt Frl. Klein die provisorische Leitung, unter-richtet bis zum Eintritte der Aushilfslehrerin FrauHedwig Ungerleider im Herbst 1929 in allen Klassenund übernimmt mit stadträtlichem Dekret vom 20.August 1929 die Leitung der Schule.

Frl. Klein konnte also mit dem verflossenen Schul-jahre auf 25 Jahre gewissenhafter, mühevoller Tätig-keit an dieser Unterrichtsanstalt zurückschauen. AmBeginne des Schuljahres 1930/1931 trat Frl. MargitBrecher ihren Dienst an dieser Schule an, nach derenAbgang im Jahre 1931 Frau Ungerleider wieder andieser Schule tätig ist.

Die Frequenz an dieser Schule zeigt eine interes-sante Linie.

Hermann Freund beginnt seine Lehrtätigkeit 1885mit 28 Zöglingen (16 Knaben und 12 Mädchen), 1893hat die Schule die bisher höchste Schülerzahl von109 Kindern (60 Knaben und 49 Mädchen) und seit-dem sinkt der Besuch mit Ausnahme der Kriegsjahre,in welchem die Flüchtlingskinder die Besuchszifferbis auf 100 wachsen lassen. Nur das Jahr 1908/10zeigt mit über 100 Zöglingen die höchste Zahlund das Jahr 1925/26 die niedrigste Ziffer mit 34:seitdem nimmt der Besuch wieder zu. Im Schuljahre1929/30 war die Schule in ihren zwei Klassen mit jezwei Abteilungen von 64 Schülern (31 Knaben und33 Mädchen) besucht.

Die Schule wurde in der früheren Zeit von denInspektoren und außerdem von den von der Kul-tusgemeinde 1890 beauftragten OrtsschulaufsehernJosef Rindskopf und Dr. Karl Kraus und LudwigSteiner (1910) beaufsichtigt. Das Rabbinat hält nochjetzt die alljährlichen Religionsprüfungen am Endedes Schuljahres ab.

Unsere jüdische Schule bildete seit jeher eine wert-volle Stätte, an welcher neben einem gründlichenUnterrichte in den allgemeinen Fächern auch der jü-dischen und religiösen Geistes- und Herzensbildungder Kinder gebührende Aufmerksamkeit geschenktworden ist.

Da die Schule am Sabbath geschlossen ist und seitdem Jahre 1919/20 auch Sonntags der Unterricht ent-fallen muß, ist sie auch ein religiös :zu bewertenderFaktor unseres jüdischen Lebens, dem eine weiteregedeihliche Entwicklung zu wünschen ist. Jedenfallswird die Gemeinde allen Bestrebungen, dieses altejüdische ideale Besitztum zu schädigen, zu begegnenwissen.

Vereine.Zu den ältesten Einrichtungen unserer Gemeinde

zählen auch wohltätige Institute, die schon über 100Jahre, z. T. vermutlich schon weit älter sind.

Die Aufgaben der Gemeinde in religiöser Bezie-hung werden zum Teile erfüllt von der ehrwürdigenalten

„Chewra-Kadischa",der heil. Beerdigungsbrüderschaft.

Die Geschichte dieser Brüderschaft, deren Ursprungweit zurückgreift — wir begegnen ihr in unsererDarstellung schon am Anfang des 19. Jahrhunderts,aber sie ist gewiß viel älter —, bedarf noch der ein-gehenden Erforschung und Darstellung.

An ihrer Spitze steht seit dem Jahre 1931 Inge-nieur Wilhelm Buchwald, der, wie sein VorgängerDr. Glässner, mit seinen Mitarbeitern die Aufgabendieses religiösen Vereines gewissenhaft und würdigversieht. Einer der verdienstvollsten Mitbegründerder jetzt noch bestehenden Chewra und ihr Führerwar Abraham Lippmann und zur Zeit der AmtierungDr. Rosenzweigs Samuel Fürth.

Die Chewra ist •— wohl geleitet — der Kreis, inwelchem in unserer Gemeinde noch ein Rest altjüd.Geistes sich erhalten hat. Unter der würdigen Leitungdes Obmannes Ing. Buchwald übt sie in vorbildlicherWeise unter treuer Mitarbeit ihres Vorstandes undder Brüder die Pflichten, die ihr Statuten und Reli-gion auferlegen, aus. Wir haben die pflichtgetreueArbeit des derzeitigen 1. Tempelvorstehers AdolfKarpeles in ihr bereits erwähnt51). Es würde Zweckund Rahmen dieser Arbeit weit überschreiten, alledie Männer aufzuzählen, die seit Jahrzehnten undJahren opferfreudig den Aufgaben der Chewra die-nen. Besonders erwähnt seien Friedrich Robitschek,Rudolf Adler, Rudolf Steiner, Richard Robitschek,Rudolf Stein, die diesem Ehrenamte hingebend obliegen.

Im Jahre 1929 vereinigte nach 14 jähriger Unter-brechung ein Brudermahl (Chewra Seudah) die Brii-

• der und Freunde, wobei der Obmann Ingenieur Buch-wald einen Rückblick auf die Entwicklung entwarfund der Dank der Gemeinde in anerkennenden Wor-ten vielfach und herzlich zum Ausdrucke kam.

Alljährlich am Vorabend der ersten Schewat, demGründungstag der Chewra, findet ein Bußgottesdienstmit einer Predigt der Rabbiners statt.

Seit vielen Jahrzehnten sind mehrere Vereine inunserer Gemeinde tätig, welche r e l i g i ö s - h u m a -n i t ä r e n A u f g a b e n sich widmen.

Einer der ältesten ist das

„Israelitische Lokalarmeninstitut"welches anläßlich des fünfzigsten Geburtstages KaiserFerdinand V. am 19. April 1843 gegründet worden

ist. Die Verwaltung führten damals KreisrabbinerPick, A. M. Birnbaum, David Popper und Hieronymus Perutz. Das Gründungsvermögen betrug 489 fl.,wuchs bald und es wurden in den 70er Jahren an1700 fl. jährlich verteilt. Das Israelitische Lokalarmeninstitut wird laut Statut von einem jeweiligenRabbiner als Direktor geleitet, neben ihm amtierender Armenvater, dessen Stellvertreter ein Rechnungsführer und der jeweilige Vorsteher der Gemeinde.

So waren nach dem Rabbiner Pick, nach welchemauch eine Stiftung des Institutes den Namen führt,die Rabbiner Rosenzweig und Kurrein Direktoren.

Als Armenväter werden aufgeführt seit der Gründung des Vereines A. M. Birnbaum, nach seinem Todedessen Sohn Leopold Birnbaum und gleichzeitig wirdder bisherige Stellvertreter Philipp Spitz Armenvater;ferner erscheinen in diesem Amte seit 1885 SiegmundRindskopf, Ernst Rindskopf bis 1900, Ludwig Birnbaum bis 1905 und dessen Neffe Paul Birnbaum undAlbert Rode. Als Rechnungsführer sind uns bekanntIgnaz Hauser bis 1884, Ignaz Spitz bis 1891, ErnstBechert bis 1894, Ernst Willner bis 1895, ErnstRindskopf 1897, Georg Blumberg bis 1900 und ab1900 Albert Rode.

1902 verschmilzt das Institut mit der Armensektionder Gemeinde und ein Armenrat unter dem Vorsitzdes jeweiligen Kultusvorstehers übernimmt die Agenden des Lokalarmeninstitutes unter Hinzuziehungseiner jeweiligen Vertreter.

An Stelle der überhaupt abgeschafften Tempelspende i für das Institut wird eine Ersatzquote bewilligt

Den Werken der Nächstenliebe widmet sich seitJahrzehnten auch der Verein

„Bikkur Gholim",dessen Vorsteher um 1870 Ludwig Hahn war, unddessen Leitung nun der Kultuspräsident mit inne hat.

Zwei Frauenvereine haben in altjüdischer Weise dieHilfstätigkeit zu ihrer Aufgabe gemacht.

Der „Israelitische Frauenunterstützungsverein''' undder „Verein frommer Frauen".

Der Unterstützungsverein ist hervorgegangen auseinem schon vorher bestandenen Vereine für Unterstützung verschämter armer und kranker Frauen inTeplitz.

Er wurde anfangs des Jahres 1878 gegründet. Dieerste Vorsitzende war Frau Emilie Blumberg, Vertreterin Rosette Steiner, Beiräte Mina Lederer, Antonie Pick, Rosa Hahn, Johanna Rindskopf, AnnaPick, Rosa Willner. Den Sitzungen wohnte stets derKreisrabbiner Pick bei. Der Jahresbeitrag betrug1 fl., der Verein verwaltete mehrere Stiftungen, darunter die Marie Cantorstiftung und S. Katzstiftung.

Als Vorsitzende werden uns später genannt: JudithWillner, Anna Mendl und Anna Bloch bis zum Jahre1890. Antonie Rindskopf und deren VertreterinnenSophie Glogau bis 1896, dann Emilie Herschel, undPauline Rindskopf, die an Stelle der 1892 verstorbenen Pauline Katz die Kassierstelle führt. 1924 legtFrau Antonie Rindskopf nach 40 jähriger Führungdes Vereins den Vorsitz nieder und wird Ehrenmitglied. Zugleich wird Frau Emilie Herschel zumEhrenmitglied ernannt.

1924 übernimmt Frau Louise Menzel den Vorsitz,Frau Rosa GrÜJi die Vertretung, Frau Else Kohn dasKassieramt. Beiräte sind die Damen Antonie Nettel,Anni Hirsch, Klara Kann, Antonie Rindskopf.

Im Jahre 1930 bilden den Vorstand dieselben Damen, den Beirat die Damen Anni Hirsch, Klara Kann,

Helene Kohner und Adele Werner. Die segensreicheTätigkeit fügte sich bei der jüngst vorgenommenenZentralisierung der Hilfsaktionen diesem Zentralkomitee ein. Die Ausgaben des Vereines betrugen imJahre 1932 über Kč 10.109'—. Die Mitgliederzahl beträgt 602.

Der . „„verein frommer trauen

Naschim zidkoniot wurde 1868 gegründet. Den Vorsitz führte der Vorsteher der Gemeinde.

Die Statuten vom Jahre 1877, genehmigt vomKreisrabbiner David Pick, Kultusvorsteher AngelusPick und der Statthaltern, bestimmen die Rechte undPflichten des Vereines.

Die ersten Vorsteherinnen nach der Gründung waren Frau Anna Mendel und deren Vertreterin FrauAnna Bloch. Als Vorsteherin wird in früherer Zeitauch Frau Marie Popper genannt. Der Verein zählte1868 122 Mitglieder. Im Jahre 1877 bildeten den Vorstand die Damen Judith Willner, Anna BlocH und Babette Dasch, als Kassierin und als Beiräte die DamenMarie Scheuer, Emilie Meiler, Amalie Bechert, SelmaKohn, Karoline Löbl.

Im Jahre 1880 übernimmt Frau Anna Mendel denVorsitz und die Damen Auguste Epstein, Anna Bloch,Jetti Cantor bilden den Beirat, welcher 1888 außerdem die Namen aufweist: Anna Landesmann, SophieSteiner, Marie Fischer, Emilie Meiler, Marie Scheuerund Josefine Bloch. Als Vorstandsdamen aus dieserZeit sind noch genannt Eva Samel, Agnes Hahn undRosa Askonas. Schriftführer Gemeindesekretär Berth.Horwitz, Vereinsarzt Dr. M. Löwy (1890).

Die Vorsitzende des Vereines frommer Frauenwar durch lange Jahre Frau Ludmilla Langer, jetzt

Fanny Küchler Selma Kohn

Frau Fanny Küchler, langjährige Kassierin FrauSelma Kohn.

Früher bestand neben diesen Vereinen noch der„Brautaussteuerverein",

dessen Leitung ehedem in den Händen von Frau RosaPerutz, derzeit von Frau Anna Grüner liegt.

Der Verein ,,Talmud Thora", welchen der Stifterder Leopold Sameischen Waisenstiftung verwaltet,ein ..Gerverbeverein", von Ludwig Hahn geleitet, die„Philipp Spitzsche Chanukastiftung" zur Bekleidungarmer Kinder, die „Eduard Sternsche" zu gleichemZwecke und noch heute ist der

„T empelverein"einer der rührigsten und verdienstvollsten Helfer imLeben der Gemeinde.

Wir haben bereits seine Verdienste um die Ausgestaltung unseres Gotteshauses und seine Verschöne

rung durch die Ausmalung gewürdigt und erst injüngster Zeit (1927) hat sich der Tempelverein, andessen Spitze vor einem halben Jahrhundert DavidFischer und Moritz Taussig standen, durch die Einführung einer neuen elektrischen Lichtleitung, neuerkünstlerischer Beleuchtungskörper an Stelle der Gasbeleuchtung und durch die Anschaffung eines kostbaren, der Architektur der Kuppel angepaßtenLusters, der mit dem Emblem dies Davidsternes ausder Höhe sein mildes Licht in den ganzen Tempelraum ausgießt, herzliche und dauernde Anerkennungerworben.

Rat Ferdinand Löwy, der derzeitige Obmann, undder verstorbene unvergeßliche Carl Béamt, der vorher durch Jahre den Verein geleitet hat, haben mitden andern Vorstandsmitgliedern sich ein großes Verdienst erworben.

Das religiöse Leben einer so bedeutenden Gemeindefindet natürlich auch in der Tätigkeit vieler andererVereine seinen Ausdruck.

So ist auch Teplitz der Sitz einer großen Anzahlvon Vereinen, welche neben den oben genanntennur religiöser Art sich als humanitäre, kulturelle, politische, wirtschaftliche und gesellige Vereine betätigen, deren Arbeitsgebiete, die natürlicherweise nichtscharf abgegrenzt sind, sich berühren.

Als erster werde der„Verein zur Erhaltung und Verschönerung der jüdi

schen Friedhöfe"in Teplitz Schönau genannt.

Während der Kriegsjahre hatten sich die Schäden,die sich im Laufe der Jahre auf dem alten und neuenFriedhof zeigten, besonders geltend gemacht. Um demabzuhelfen, hat sich über Anregung des verstorbenenHeinrich Ungerleider s. A. im Jahre 1920 dieserVerein gegründet; außer dem Zwecke, die Friedhöfeund die dazugehörigen Gebäude instand zu halten,wendet er seine Aufmerksamkeit der Instandsetzungund Pflege der Gräber und Grabsteine zu, besonders,wo es an Sorgfalt seitens Hinterbliebener daranmangelt oder wo Hinterbliebene nicht vorhanden sind.

Der erste Obmann war Heinrich Ungerleider, dessen Stellvertreter Frau Ludmilla Langer. Nach dem

" Ableben beider fungieren derzeit als Obmann H errHandelsrat Rudolf Zentner und als Stellvertreter Dir.i. R. Wilhelm Düx, der bis zur Bestellung eines Sekretärs auch als Schriftführer tätig war. Der Verein'umfaßt 29 Gründer, etwa 600 Mitglieder und 5 Ehrenmitglieder, u. z. Handelrat Rudolf Zentner, Dir.W. Dux, Rudolf Steiner, Emil Schmoll und FriedrichRobitschek.

Der Verein findet allseits warme Anerkennung vonSeiten des Vorstandes wie auch seitens der Gemeindemitglieder, welche bei seinen Generalversammlungenwiederholt zum Ausdruck gebracht wurde.

Des verdienstvollen Wirkens des „Isr. Badehospitales" ist bereits oben gedacht worden.

Seit dem Jahre 1921 hat der Verein die Leitungund Erhaltung des Hospitales übernommen, dessenderzeitiger Direktor Dr. Pollaček sich warmherzigund erfolgreich der Fürsorge für die Pfleglinge annimmt. Die ärztliche Leitung hat, wie erwähnt, derChefarzt Dr. R. Hirsch über.

Im Interesse der Jugend arbeitete der Verein„Teplitzer Ferienheim".

Seit dem Jahre 1908 sendet er mit Ausnahme derKriegsjahre während der Schulferien alljährlich an100 Kinder in sein schönes Heim nach Gersdorf, wosie unter Aufsicht bei sorgfältiger Verpflegung durch

4 Wochen teils unentgeltlich, teils gegen mäßige Bezahlung köstliche Tage verleben. Das Patronát hatdie Loge „Bnai Brith" inne.

Der

„Verein jüdischer Kriegsinvaliden für Böhmen"

hat seinen Sitz in Teplitz Schönau ; gegründet wurdeer im Jahre 1918 mit dem Zwecke, jüdischen Invaliden Existenz zu schaffen, bedürftigen Kameraden,Witwen und Waisen nach gefallenen jüdischen Kriegsteilnehmern zu helfen, Verstorbenen, denen keinGrabstein gesetzt ist, dieses Ehrenmal zu stiften.

Erster Obmann war Josef Fleischmann, seit demJahre 1919 führt ihn Ernst Neumann.

Der„Verein jüdischer Handwerker der ČSR."

mit dem Sitze in Prag gründete im Jahre 1928 eineOrtsgruppe in Teplitz Schönau. Unter dem ersten Obmann Richard Weiß, Glasermeister, gewann der Vereinsofort 31 Mitglieder, welche den verschiedentliehstenGewerben angehören. Der Zweck des Vereines ist dieHebung des jüdischen Handwerkerstandes und dieHeranbildung eines tüchtigen Nachwuchses und dieUnterstützung in Not geratener Kollegen; in dieserBeziehung hat der Verein seinen Kräften entsprechend bereits Gutes geleistet.

Die Logen.Einen bedeutenden Anteil an allen humanitären

Arbeiten haben die Logen.Die Loge

„Freundschaft",J. 0. B. B., Teplitz Schönau, wurde im Jahre 1912gegründet. Sie gehört zum tschechoslowakischenDistrikt des unabhängigen Ordens Bnai Brith undzählt gegenwärtig 131 Mitglieder. Sie hat den Zweck,den geistigen und sittlichen Charakter der Juden zuheben und die Grundsätze der Humanität zu üben.Sie patronisiert nachstehende Vereine: das JüdischeBadehospital in Teplitz Schönau, das Ferienheim inGersdorf und unterstützt das Israel. Knabenweisenhaus in Prag und das Jüdische Asyl für Lungenkranke in Meran.

Die Loge Teplitz Schönau des Bruderbundes

„Hort"

ist eine der Schwesterlogen des im Jahre 1909 in Wiengegründeten Schutzvereines. Nach der Schaffung derČSR. wurde eine selbständige Bundesleitung in Praggegründet. Die Pflege der Freundschaft, brüderlicherHilfe auf wirtschaftlichem Gebiete, der Wohltätigkeitund die Teilnahme an allen kulturellen und ethischenBestrebungen des Judentums ist ihre Aufgabe, undschließlich die Loge

„Societě"im Bruderbunde „Société" der Großloge Prag. Gegründet im Jahre 1922 mit 30 Mitgliedern, umfaßtheute 108 Brüder. Seit ihrer Gründung — von MaxMüller als Obmann geleitet — lebt sie der Aufgabe,Brüderlichkeit unter den Mitgliedern zu pflegen undFürsorge für sie in jeder Lebenslage zu leisten undalle kulturellen und humanitären Bestrebungen desJudentumes zu unterstützen.

Der zionistische

,Volksverein Zion" (/ •in Teplitz Schönau wurde durch die Einberufung einerVersammlung von Ernst Bechert und Dr. S. Epler am5. Jänner 1904 ins Leben gerufen und am 24. Feber

1904 konstituiert. Er hat in früheren Jahren in begeisterter schwerer Arbeit die Idee und Bewegunghier und in N achbarorten Bahn und Aufstieg geschaffen. Seine Vorsitzenden waren Dr. S. Epler,Ludwig Steiner, E. Bechert, Ing. W. Buchwald, Dr. Fr.Hahn, viele Jahre wiederholt Dr. H. Birnbaum, Dr.Felix Seidemann und Carl Freund; die Ämter desSchriftführers, Kassiers und N ationalfondskommissärswaren öfter von einigen der G enannten bekleidet,außer welchen noch Ad. Kann, Max Lederer, ErwinZentner als N ationalfondskommissäre, Viktor Freund,Dr. Mautner, besonders Ernst Seidemann und Dr.Tauber als Schriftführer und H. L. Fischer als Kassier sich verdient machten. Im Jahre 1929 wurdedie 25 jährige G ründungsfeier begangen, 1928 das70 jährige Fest des sehr verdienten Rat E. Bechert.durch ein F estbankett und Ernennung zum Ehrenmitglied gefeiert. Im Jahre 1931 wurde G ustav Seidemann zum Ehrenmitglied ernannt.

Kulturellen Zielen widmet sich der jüdische Kulturverein

„Tarbut",

der im F eber 1928 von einigen hier wohnhaftenOstjuden gegründet wurde. Zweck des Vereines istdie Pflege und Verbreitung jüdischer Kulturgüter,besonders der hebräischen Sprache unter der Jugend.Es wurden eine Lesehalle, eine Bibliothek, eineSchachgruppe und eine hebräische Schule gegründet.Die Schaffung eines „Beth H aam" wird angestrebt.

In unserer G emeinde besteht auch eine G ruppe von

„Blau Weiß",

die mit jugendlichem Eifer und lebendigem Interesseihren Zielen: der Belebung und Stärkung jüdischenBewußtseins, der Einführung in die Probleme derjüdischen G egenwart, der Pflege jüdischer Literaturund der kameradschaftlichen Zusammenfassung junger Juden und Jüdinnen zustrebt. Aus ihren Reihensind bedeutende und führende Persönlichkeiten hervorgegangen.

Die jüdische Renaissance hat auch in Teplitz einejüdische Turnbewegung ins Leben berufen. Im November 1920 wurde hier der jüdische Turn undSportverein

„Makkabi"gegründet.

In einem anfangs von Semi Kohn und F ranz Bradageleiteten Turnbetriebe für sämtliche Altersstufen,der seit 1925 von einem besoldeten Turnlehrer unterrichtet wird, hat der Makkabi sich erfreulich entwickelt und in Teplitz, Karlsbad, Brunn, Prag,Leipzig, Mähr. Ostrau sich bei turnerischen Veranstaltungen ausgezeichnet, vor einigen Jahren wurdehier ein Klubhaus mit zwei Tennisplätzen geschaffen.Er hat stets an allen kulturellen und zionistischenVeranstaltungen in Teplitz und an der jüdisch geistigen und sozialen Arbeit teilgenommen.

Die Leitung des Vereins lag seit seiner G ründungin H änden von Ingenieur Felix Reichmann, F ritzF lusser, Kurt U ngerleider s. A., D r. Bruno Ungerleider u. D r. Karl Alter, seit 1926 bekleidet D r. ErnstLustig die Obmannstelle. Zu Pfingsten 1930 hat derMakkabi sein 10 jähriges Bestandesjubiläum festlichbegangen.

In unserer musikfreudigen Stadt wurde am 1. Oktober 1923 auf Anregung des H errn Emil Schmoll,Buchdruckereibesitzers, eine G esangsvereinigung unterdem N amen

„Musiksektion des Teplitzer Tempelvereins"

begrün det 5 2) . Aufgabe des Vereines war die Pflegeder Musik zur Verherrlichung des G ottesdienstesund zur Veranstaltung von selbständigen Konzerten.D er Tempelverein genehmigte diesen Beschluß. Obmann war Bernhard Schlesinger, Stellvertreter EmilSchmoll, Chormeister Karl F ischer, OrchesterleiterKonzertmeister Löwental. Seit 1924 ist Emil SchmollObmann. 1925 löste sich der Verein vom Tempelverein los und bildet einen selbständigen Verein, den

,.Teplitzer Singverein".Er umfaßt heute 100 aktive Sänger und Sängerinnen.Im Tempel bei G ottesdiensten und außerhalb desTempels bei jüdischen Vereinsfestlichkeiten in Teplitz und in anderen Städten, durch die Aufführungvon Chorwerken, besonders der Oratorien „ Elias"von Mendelssohn 8. November 1926, „Samson" und„ D ebora" von H ändel und Mitwirkung bei verschiedenen musikalischen Aufführungen und im Theaterund einem Musikabend im N ovember 1900 hat sichdieser Verein die Achtung weiter jüdischer undchristlicher Kreise erworben. U nter der bewährtenF ührung strebt er immer größeren Zielen erfolgreichzu und bemüht sich, unter seinen Mitgliedern eineschöne G eselligkeit zu pflegen. H err Obmann Schmolllegte im Dezember 1929 die Obmannstelle nieder undwurde das erste Ehrenmitglied des Vereines, Prof.D r. F ritz Seidner übernahm die Obmannschaft.

Vor etwa 4 Jahren wurde hier eine Ortsgruppe der„Wizo"

(Women's International Zionist Organisation) gegründet, die sich im Rahmen dieses Weltverbandesdie Aufgabe stellt, die soziale, humanitäre und geistige Arbeit aller jüdischen F rauen und Mädchen zuvereinen und zu fördern und die auch den Aufbauarbeiten in Palästina ihre Aufmerksamkeit und Hilfstätigkeit zuwendet.

Im Vorstande waren außer F rau Dr. MirjamScheuer die Damen Melanie Pollaček, die vor kurzemallzu früh verstorbene F rau Josefine Buchwald, F rauOlga Liebstein. Rabbinersgattin Emmy Weihs, F rauInspektor Rosenberger, F rau Franziska Seidemann,F rau Ada Herrmann, F rau Feig und Irma Friedltätig. s

D er „Verein jüdischer Frauen und Mädchen", dersich in früheren Jähren der Pflege sozialer Aufgabenund der Verbreitung jüdisch literarischer Kenntnissewidmete, hat etwa seit dem Jahre 1922 seine Tätigkeit eingestellt.

Vor einigen Jahren hatte sich eine G ruppe jungerJuden und Jüdinnen zusammengetan, die eine Zeitlang durch Vorträge und Diskussion ihr Wissen überJudentum vertiefen wollte, sich aber nur kurze Zeitlebensfähig erwies.

Die „Liga für das arbeitende Erez Israel" wurdie imJahre 1930 von Eugen P ropper und Max Oliner gegründet mit dem Ziele, die jüdische Jugend von Teplitz für das Aufbauwerk in Palästina zu interessierenund sie mit der Arbeiterbewegung bekannt zu machen.Sie zählt 40 Mitglieder.

Juden in nichtjüdischeii Körperschaften.

Die Judenschaft von Teplitz nimmt auch heute wiein früheren Jahrzehnten hervorragend teil an dempolitischen, industriellen, wissenschaftlichen undkünstlerischen Leben dej Stadt und des Bezirkes.

Seitdem die Juden im Jahre 1861 in die Stadtgemeinde eingezogen sind, haben hervorragende Vertreter dem Wohle der Öffentlichkeit ihre reichen Kräftegewidmet 53) . Zu den bedeutesten Mitgliedern desStadtrates gehörte Eduard Stern, der sich auch sonstvielseitig im öffentlichen Leben betätigte.

Eine Teplitzer Straße führt ihren N amen nachDr. Gottlieb Schmelkes, der als Stadtrat verdienstlichgewirkt hat. Wie als Arzt, so hat auch als Stadtratder G eheime Sanitätsrat Dr. Ignaz Hirsch sich eindauerndes ehrendes Andenken erworben. In den letzten Jahrzehnten haben der derzeitige KultuspräsidentDr. Cantor im Stadtrate und später Rat Ernst Bechertder Stadt als F inanzobmann und G ründer der städt.H andelsakademie in den schweren Kriegs und Nachkriegsjahren ihre anerkannten Dienste gewidmet.

In der jüngsten Zeit arbeitet der langjährige Obmann des Vereines Zion Dr. Herbert Birnbaum imKreise der Stadträte.

Als Stadtverordnete betätigen sich im öffentlichenLeben Adolf Perutz, Josef Rindskopf, der um die Errichtung des Gymnasiums sich sehr verdient gemachthat, Ludwig Glogau, der langjährige KultusvorsteherAngelus Pick, / . L. Landesmann, Josef Kaskeline,Moritz Steiner, Dr. Emil Stein und Dr. Felix Seidemann. Die beiden letztgenannten Ernst Bechert undD r. H . Birnbaum vertreten mit gleicher Liebe dieInteressen der Badestadt wie gegebenenfalls die ihrerGlaubens und Stammesgenossen.

Da Teplitz nicht nur bestrebt ist, als Kur undBadestadt die ehemalige H öhe wieder zu erreichen,sondern auch der Sitz bedeutender Industrie undeiner regsamen Kaufmannschaft ist, bilden die Judeneinen bedeutsamen Teil dieser Kreise und sind inihren Körperschaften und Vertretungen mit an leitender Stelle. Als Mitglieder der Bezirksauschüsseseien genannt Adolf Perutz, Josef Rindskopf undEduard Stern, die wir schon als Mitglieder städtischer Körperschaften früherer Jahrzehnte kennengelernt haben, und derzeit unter besonderer Wertschätzung H andelsrat Rudolf Zentner.

Im H andelsgremium waren tätig Eduard Stern,I. L. Landesmann, Moritz Steiner, Bernhard Mayer,Beer Rindskopf, Josef Kaskeline, die im J. 1868 zu

Kantor Siegfried Kulka Oberkunlor Eu°en DavLson

seinen G ründern gehörten und in letzter Zeit Berthold Perutz und Ernst Bechert, welche beide wieLandesmann als Präsidenten des G remiums eine hervorragende und erfolgreiche Tätigkeit entwickelten.

Kunst und Wissenschaft, für welche die Judenimmer regstes Interesse zeigten, fanden auch in unserer Stadt an den jüdischen Bewohnern begeisterteund opferfreudige Träger und F örderer. Wir erinnernan die hervorragenden Ärzte in früherer Zeit, derenN amen wir schon im Verlaufe dieser D arstellung be

gegneten, an die bewährten Ärzte und Spezialisten,deren Können auch heute allgemein anerkannt ist,an die jüdischen Mitarbeiter der Lokalpresse, vondenen Redakteur Freund genannt sei (1854 geboren,verstorben 1928), der sich durch seinen hervorragenden Charakter, seine G üte und Vornehmheit in fast50 jähriger Tätigkeit als Mitarbeiter der TeplitzerPresse ein dauerndes ehrendes G edenken erwarb, undder Oberkantor Eugen Davison als Opernreferentund Musikschriftsteller umfassenden Fachwissens; undwenn dereinst die G eschichte unseres Theaters geschrieben wird, so werden nicht nur ernste undechte jüdische Künstler, sondern auch das opferwillige und kunstfreudige jüdische Publikum einenEhrenplatz einnehmen.

*In allen kaufmännischen oder kulturellen und po

litischen Vereinen, soweit sie nicht ausdrücklichjudenfeindlich eingestellt sind, finden sich Glaubensgenossen als tätige Mitglieder.

Im Verwaltungsausschuß, im Vorstand und in denSonderausschüssen der „Deutschen Jugendfürsorge"im Bezirke Teplitz, im Vereine reisender Kaufleute,im D eutschen Kulturverband, im Ersten deutschenTurnverein, in Sportvereinen, im G ebirgsverein, imStenographenverein und im Tierschutzverein sindJuden, zum Teile auch in führenden Stellungen. Inden politischen Parteien und den deutschdemokratischen, sozialistischen Vereinen und in dem Vereine„Arbeiterhilfe" spielen Juden auch führende Rollen.

*D ie Teplitzer Juden haben seit alter Zeit zur Pflege

edler Musik in unserer Stadt viel beigetragen und siegehören sicherlich auch zu dem Teil der Bevölkerung,der im häuslichen Kreise Musik und Gesang zu schätzen weiß. Unser Kurorchester besitzt im Konzertmeister Hugo Löwental einen der besten Künstler.

In diesem Zusammenhange sei nur kurz erwähnt,daß auch der Tempelchor seit der Einführung einesfortschrittlichen G ottesdienstes und der Orgel amAnfang der 30 ger Jahre d. vor. Jahrh. einen ununterbrochenen künstlerischen Aufstieg darstellt, der seitdem Amtsantritt seines musikalischen Leiters vor36 Jahren, des Oberkantors Eugen Davison, einen weitüber die G renzen unserer Stadt bekannten erstklassigen Ruf sich erworben hat und durch den Reichtumseines Könnens ein aufbauender und mittragenderF aktor unseres synagogalen G ottesdienstes geworden ist.

Seit der Erkrankung Davisons (1931) hat Oberkantor Deszö Rothstein dieses musikalische Erbeübernommen, das zu erhalten seine ernste und dankbare Aufgabe ist.

Von dem aufstrebenden jungen „Teplitzer Singverein" unter Karl F ischers feinsinniger Leitung istschon gesprochen worden. Er stellt heute schon einengeachteten Teil des musikalischen Lebens in Teplitzvor.

Inwieweit mosaische G laubensgenossen am kulturellen und parteipolitischen Leben der Tschechen teilnehmen, die seit 10 Jahren in unserer Stadt in größerer Anzahl leben, läßt sich vorderhand nicht erfassen.

Es sei nur bemerkt, daß das Verhältnis der tschechischen Beamtenschaft und der Tschechen in TeplitzSchönau zu der jüdischen Bevölkerung und ihrenKörperschaften und Vereinen bisher ein durchausvornehmes und entgegenkommendes ist.

*

Es erübrigt nun einen Blick auf die G estaltung

unserer G emeinde in den letzten 10 Jahren nach ihrerpolitischen, kulturellen und religiösen Einstellung zuwerfen und die wichtigeren G eschehnisse der letzten10 Jahre festzuhalten.

Die Aufgaben der G emeinde, ihre Verwaltung unddie Rechte und Pflichten ihrer Beamten und Angestellten, wie die ihrer Mitglieder, und die Bestimmungen für den H aushalt der G emeinde und ihreSteuern usw. sind in dem von der Statthalterei inPrag vom Jahr« 1912 genehmigten Statut festgelegt.

Die jüdische G emeinde Teplitz Schönau, heute diezweitgrößte Gemeinde Böhmens, ist der Sitz desPräsidenten des Verbandes jüdischer G emeinden mitdeutscher Verwaltungssprache in Böhmen. D er derzeitige Vorsitzende dieses Verbandes, Kultusgemeindepräsident D r. Cantor, ist als solcher Mitglied des„Obersten Rates".

Die Beamtenschaft bilden^ derzeit Rabbiner D r.F riedrich. Weihs 5 4 ) , Oberkantor Deszö Rothstein, Kantor Siegfried Kulka, Religionslehrer Wilhelm D uxund Samuel Friedl und die Sekretäre Leo Schornstein, Platschek, der seit 1932 das Sekretariat innehat und Hilfsbeamtin F riedl Vog el, Bernhard Löwy,Kustos der Beerdigungsbrüderschaft; die Stellendes ersten und zweiten Tempelkustos sind nach Abgang Gustav Jellineks (1929) und dem Tod AdolfSchneiders (1930) mit Ignatz F ettmann besetzt worden

Als Schächter fungiert an Stelle de« gemeindeamtlich bestellten Kantors Kulka mit G enehmigung" desVorstandes der vom Vereine Bene Emunah aufgenommene orthodoxe Moses H irschorn.

Zur G emeinde gehören derzeit aus dem G erichtsbezirke Teplitz ein Teil der Stadt Turn , rechts, vomFlößbache und die Ortsgemeinden Boreslau, H ertine.Kladrob, Klein Aujezd, Schallan, Settenz, H undorf,Teplitz Schönau und Wisterschan, und aus dem Gerichtsbezirke Dux die Ortschaften Dux, Ladowitz,Liquitz, Loosch, Maria Ratschitz, Soberzsan, Janeggund Ullersdorf.

Die G emeinde zählt jetzt über 1200 Steuerzahlermit mehr als 5000 Seelen. D er Vorstand setzt sichzusammen aus dem Kultusrat (12 Mitgliedern) und24 Mitgliedern des Ausschusses. Kultuspräsident:Dr. Ernst Cantor, Stellvertreter: G ewerberat ErnstBechert, Tempelvorsteher: Carl Freund, Dr. EmanuelSachs und Dr. Paul Kohn und deren Stellvertreter.

Die Ausgaben im J. 1931 betrugen Kč 376.430"—Präliminar für das Jahr 1932 .G ehaltePensionenChorErhaltung des TempelsIsrael. Schule (Beitrag)Armenpflege: für PfründnerWanderbettelG esamtbetrag f. Armenpflege (ohne

Wanderfürsorge) Kč 90.000'—Die soziale. H ilfstätigkeit in diesem Jahrzehnt ist

wie seit jeher eine bedeutende. G roße Summen ausjüdischen H änden fließen allgemeinen Hifsvereinenzu, der deutschen Jugendfürsorge, der städtischenArmenkassa, kaufm. Witwen und Waisenfonds, aberauch den jüdischen Armen und Kranken und Hilfskassen strömen ununterbrochen bedeutende Beträgezu.

Im vergangenen Jahre ist diese H ilfstätigkeit, dieimmer wieder trotz aller Zentralisierungsversuche,wie mit N aturgewalt auch ihre eigenen Wege sucht,wieder einmal straffer geeinigt worden.

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393.090 —156.930 —

38.100'—25.100 —

5.000 —10.00070.732 —4.630

Es ist selbstverständlich, daß die G emeinde derZentralfürsorge, deren Sitz in P rag ist, als Mitgliedangehört.

*Das r e l i g i ö s e L e b e n in unserer G emeinde

bietet das Bild, wie es uns in Böhmen überall begegnet.

Von den G ruppen gesetzestreuer Ostjuden abgesehen, welche, wie wir oben ausgeführt, in ihrenbeiden Andachtstätten und im Familienkreise ihrreligiöses Eigenleben führen, steht die G emeinde aufliberal religiösem Boden.

Seit einem Jahrhundert wandelt sie diese Wege.In der Synagoge finden wir auch heute noch einen

gemäßigt fortschrittlichen G ottesdienst, mit gelegentlichen deutschen G ebeten, deutschen Predigten, dievon einer lebhaft interessierten meist sehr zahlreichen Zuhörerschaft mit Aufmerksamkeit verfolgtwerden, mit gepflegtem Chorgesang, der sich mit demVortrage des Vorbeters zu einer harmonischen Klangeinheit formt.

Die täglichen G ottesdienste am Morgen und Spätnachmittag, die Freitagabendr, Sabbath und Festtagsandachten, besonders die an den hohen Feiertagen,vereinen auch heute noch den größeren Teil derJuden im G otteshause.

Die rituellen Formen und G esetze des Judentumsfinden, zumal seit Kriegende, weniger Bewertungund Beobachtung, das Kaschruth wird außer in ostjüdischen Kreisen nur noch in wenigen Familienbeobachtet.

Manche alte, ehedem religiöse Teplitzer Judenfamilie ist in Stamm und Zweigen seit Jahrzehntender Väterreligion entfremdet, einige dieser alten ehemaligen Säulen der Teplitzer Judenschaft sind inTrümmer gegangen.

Konfessionslosigkeitserklärungen finden in denletzten Jahrzehnten, wie überall, auch in Teplitz häufiger statt — sie haben in den letzten Jahren sicherfreulich vermindert. Mischehen und standesamtliche Eheschließungen haben zugenommen B 5 ) . Die Einäscherung von Leichen wird häufiger.

Bei all dem scheint das religiöse Leben in unserergroßen G emeinde einen gewissen stetigen Verlauf zunehmen und immer gewinnen Einheimische, wie Auswärtige den Eindruck, daß unsere G emeinde, wie altsie auch ist, auch in der G egenwart festgefügt undvon starken Lebenskräften getragen, geistig hochstehend und entwicklungsfähig ist; dank der gewissenhaften, zielbewußten und oft selbstlosen Arbeitvon Vorstand und Beamtenschaft und nicht zuletztdank der allen Teplitzer Juden innewohnenden Liebezu ihrer G emeinde darf sie hoffen, aus der schwierigen Vergangenheit trotz der gefahrvollen Strömungen der G egenwart in eine schöne Zukunft zuschreiten.

Die jüdische Vergangenheit und ihr Schaffen demlebenden G eschlechte nahe zu bringen, maßvollenForderungen der G emeinde jeweils gerecht zu werden, das alte religiöse und geistige G ut zu erhaltenund zu fördern, — das war seit jeher Inhalt undZiel jüdischen G emeindelebens.

Und darin liegt der tiefste Sinn jüdischen Seins:„G ott ehren, seine Lehre fördern, den Menschen Liebes und G utes erweisen, und dem F rieden dienen.'*

Das wird auch fernerhin die vornehmste Aufgabeunserer altehrwürdigen Judengemeinde in Teplitzbleiben.

Dem Andenken der dem Weltkriege1914 1918

zum Opfer gefallenen jüdischen Soldaten.

Richard ÁbelesArnold BondyAlfred BrandeisPhilipp BrennerTheodor DuxErwin EcksteinHeinrich EhrlichLeopold F edererJosef F ischerMax FischlG ottlieb F reundViktor F reundWilly F reundKarl FuchsAlfred G ärtnerWilhelm G rimmLouis HacklKarl HahnMUDr. Hans H ellerF ranz Josef H ellerPaul HellerLeo HoitaschOtto IlchmannMax KlauberSigmund KlauberIgnaz KleinerRobert KlempererAdolf KohnEmil KohnRichard KohnSigmund KohnJU D r. H arry Lang

Josef LauberF ritz LecknerAlbert LedererJU D r. Emil LedererErich LedererHans LedererMÜDr. Richard LedererF ritz LichtensternArtur LöblKarl LöblF ritz LöwyAlfred MandelikBruno MenzelSigmund MonscheinRudolf PickErnst PollakHugo PollakJosef Pollak

• Wilhelm RiemerF riiz RothschildGeorg RothschildJosef SalusKarl SalusLeopold SalusOskar SeidemannErnst SchillerJosef SpiegelErnst SteinKarl SteinerArtur SternAlfred Wantoch

*) D r. P au l Wanie, G esch ich te der Juden von Teplitz,Kaaden 1925. Verlag Vinzenz U hl.

"') Wan ie (un d iu diesem Werke von demselben .)3) Vgl. Wanie, a. a. O., S. 8 u. f.4) Rosenzweig, G eden kbuch .5 ) Vgl. Wan ie, a. a. O., S. 8 u. f.°) Siehe Wanie, a. a. O., S. 17 u. f') Vgl. Rosenzweig, „ G eden kbu ch ".

ö ) Ü ber die F r iedh öfe, a. a. St.°) Wanie, S. 12.l u ) Vgl. n äheres bei Rosenzweig, a. a. 0 .

) D er G rabstein ist abgebrochen un d die I n schrift schwerleserlich .

' ) Wanie, a. a. O., S. 33.l") I n m ein em Besitze befin det sich ein H an dsch reiben H erz

Emdens, in dem er ein em R eb Moses, Sohn des verst . D avid(F alken au in E id litz den C hawer T itel (E h ren t it e l) verleih t .Ausgestellt in E idlitz im J . ,TI2f Pl 528 = 1768.

" ) Aus „ Leipa". I m selben J ah r 1800 D 'D r i findet sich imSterbeverzeichn is die N otiz „ d er Vorbeter 'un d Sch äch ter derG em ein de M anasse — der Simchas Tora starb.

l a ) I m Sterbeverzeichn isse findet sich weder 1796 n och 1800eine diesbezügliche E in t ragun g.

1 6 ) a. a. 0 .1 7 ) N ach R osen zweig, G e d e n kbu c h .

1 S) Ü ber be id e a. a. S t . ' .1 0 ) E ben d ase lbst , S. 13.2 0 ) Wan ie , a. a. 0 . , ' S . 8.2 L) E ben d ase lbst , S. 28.2 2 ) Vgl. d a r ü be r Be r ic h t des T e p l i t ze r M useum s, Abt . : „ H e i

m a t k u n d e ", v. 15. J ä n n e r 1922 — ü be r Ske le t t fu n d e be im Baudes T h ea t er Saa les : „ Sc h o n beim Bau e des a bge br a n n t e nT h e a t e r s wu r d e n Ske le t t e gefun den , im G r u n d e jen es Teiles,d er als Verbin d u n gsweg von d er K ö n igst r a ß e zu den T h e a t e rga r d e r o ben fü h r t e . Alle L e ic h en von West n ach Ost sch räggegen d ie K ö n igst r a ß e . "

2 3 ) Sieh e Wa n ie , a. a. 0 . , S. 17 u n d 18. "4) Vgl. d ie e in le i t e n d e n B e m e r k u n ge n ü b e r d ie „ Verbesse

r u n g" a n vie len G r a bst e in e n u n d d ie N o t iz we i t e r u n t e n ."5) Au ch im St erbeverze ich n isse a n ge fü h r t : beerd igt n e be n R.

E isig K o lisch L iebn a .**) D iese fü h r t R o sen zweig a n : E s war m ir bish er n ic h t mög

lich alle G e n a n n t e n aus d en vo r h a n d e n e n Q uellen zu be legen .2 7 ) L ip p m a u u Sa m e l: „ E in e T ep li t ze r J u d e n ge sc h ic h t e , " e in e

N ovelle , d ie n o c h h e u t e viel gelesen , , D ic h t u n g u n d Wa h r h e i taus d e r a l t en J u d en gasse m en gt . I h r We r t liegt in d e r gu t enSch ild eru n g des M ilieus ve r ga n gen en jü d . Leben s in T ep li t z .

2 8 ) Sieh e Wa n ie , a. a. O., S. 8.2 0 ) Sieh e Wan ie , a. a. O., S. 37.3 0 ) Wan ie , a. a. O., S. 51.3*) Wan ie , a. a. O., S. 51 .3 2 ) Sieh e oben .3 3 ) Wan ie , a. a. O., S. 52.3 4 ) Vergle ich e d e n Aufsa t z ü be r das Ba d eh o sp i t a l u . G eil.

San . R a t D r . J . H i r sc h s. A. von G o t t l ieb K ö n ig in d er jü d isc h enJu gen d ze i t sch r ift J u n g J u d a , J a h r ga n g 10, 1918.

> 5) R osen zweig, G e d e n kbu c h .3 6 ) Vgl. R o sen zweig, G e d e n kb u c h , S. 37 u . f.3 7 ) D e r Akt be fin d e t sich bei d en Ak t e n des T e p l i t ze i

R abbin a t es.3 8 ) H e r r Lu d wig K e t t n e r in K ar lsbad , ein t r e u e r Soh n se in er

T ep li t ze r H e im a t st a d t , h a t auf m e in e An r egu n g „ E r i n n e r u n ge n "gesch r ieben u n d sie m ir fr eu n d l. über lassen , in we lc h en ere in e F ü lle von P e r so n e n aus T e p l i t ze r jü d isch en K r e isen derach t ziger J a h r e des vo r igen J a h r h u n d e r t s in a n r egen d st e r , ofth u m o r vo lle r Weise d a r st e l l t u n d m a n c h e r le i G esch eh n isse u n dE r lebn isse aus d er T ep li t ze r Ju d en gasse m it G eist u n d Liebezu sch ild ern ve r st eh t . Es ist le id e r n u r m öglich , ein iges d iesenlesen swer t en E r in n e r u n ge n zu e n t n e h m e n . D ie D a t st e l lu n g ind iesem Absch n it t d ieser Arbe i t st ü t z t sich auf se in e Ausführu n gen , die vie lle ich t sp ä t e r e in m al in vo ller Au sfü h r lich ke itd em D r u c ke ü be r geben we r d en kö n n e n . I c h sch u ld e H e r r nK e t t n e r für sein e fr eu n d lic h e M ü h ewa lt u n g D a n k.

"") I n jü n gst e r Z eit ze it igt e d iese Z en t r a l i sie r u n g gu t eE rfo lge u n d h a r r t des we i t e r e n Ausbaues.

4 0 ) 1903 su c h t en d ie J u d e n von K a r b i t z um Au fn ah m e in . d ieG em ein d e an . D ie Ve r h a n d lu n ge n fü h ren zu ke in em R esu l t a t e .

4 1 ) D ie d am als sich e in fü h r en d en F e u e r b e st a t t u n ge n n ö t igt e nd ie Beerd igu n gsbrü d er sc h a ft ih r e Au fm erksam ke it d ieser T a tsach e zu zu wen d en u n d Best im m u n gen zu t reffen .

4 2 ) I m J . 1929 k o n n t e n Vo r st an d , K o r p o r a t io n e n , R a b b iu a lu n d G em ein d e ih m zu se in em 75. G ebu r t st a ge ih r en D a n k un dih re G lü c kwü n sc h e be ku n d e n .

4 3 ) H e r r M . H . U n ge r h a t zu d ieser D a r st e l lu n g d a n ken swer t e r Weise sein e Au fze ich n u n gen zu r Verfügun g gestellt .Ü ber d ie T em p e le in we ih u n g be r ic h t e t d e r T ep li t z Sc h ö n au erAn zeiger vom 5. Se p t e m be r 1927.

4 4 ) Au c h im D r u c k e r sc h ie n e n .4 5 ) Sein L e be n u n d Wi r k e n u n d d ie von ih m im D r u c k er

sc h ie n e n e n R e d e n u n d Au fsä t ze sin d von se in e m So h n eD r . Vik t o r K u r r e i n , R a b b i n e r in L in z, im H ic kls jü d i sc h e nVo lkska le n d e r f. d. J . 5690 (1929/ 30) gewü rd igt . P ro f. K u r r e i nwar auch der Gründer der Gemeindebibliothek, die vor allemder Jugend dienen soll. „

40) Vgl. oben, S. 26.4?) Vgl. oben, S., des öfteren.w) Ich danke der Leitung der israelit. Volksschule für die

mir gewährte Einsichtnahme in die Akten.4I)) Gestorben 9. April 1927.• '•") Siehe oben, S. 50.5 l) Siehe über die Tätigkeit Adolf Karpeles, oben S. 58."'') Es soll der Vergessenheit die Tatsache entrissen werden,

daß in Teplitz in den achtziger Jahren ein Gesangverein „Harmonie" bestand, dessen Vermögen laut Weisung der Bezirkshauptmannschaft nach seiner Auflösung 1884 dem israelit.Lokal Armeninstitut zufiel...... cn

53) Diese Angaben verdanke ich Herrn Staatsgewerberat ErnstBechert und Herrn Präsidenten Dr. Cantor.

Sohn des Rabbiners Israel Weihs, dessen fast 60 jähriges Wirken in der alten Judengemeinde Eidlitz und deren Tochtergemeinde Komotau unvergessen bleibt, in Eidlitz geboren, wurdenach Vollendung seiner Gyinnasialstudien in Komotau, seinerrabbinischeu und philosophischen Studien i. J. 1909 zum Rabbiner in Eger gewählt, wirkte dann bis zum Jahre 1920 als

Nachfolger Dr. Joachim Ungers in Iglau in Mähren, währenddieser Zeit war er 9 Monate als Feldrabbiner in Wien, WienerNeustadt tätig, meldete sich dann freiwillig an die italienischeFront, wo er über 2 Jahre die Militärseelsorge ausübte. NachFriedenschluß kehrte er in sein Amt nach Iglau zurück, vonwo er 1920 als Nachfolger des verstorbenen Prof. Dr. A. Kureinnach Teplitz Schönau berufen wurde.

56) In diesem Zusammenhange sei bemerkt, daß soweit bekannt, die meisten Neugeborenen aus standesamtlich geschlossenen jüdischen, oder Mischehen in die israelitische Geburtsmatrike eingetragen werden. \ .

I ;i <

G eschichte der Juden in Tetschen und Bodenbach.Bearbeitet von

Direktor Emil Mauder, Bodenbach a./ E.

LLn Bodenbach (č. Podmokly), da» bis 1850 einDorf war, welches zur G erichtsgemeinde Weiher(jetzt Ortsteil von Bodenbach) gehörte, dürften bisetwa 1700 kaum Juden ansässig gewesen sein. Tetschen, das schon im 12. Jh t . von Županen verwaltetwurde, besaß zwar kein Privilegium, nach welchemden Juden verboten war, sich niederzulassen, aber esübte seit jeher einen stillen Widerstand gegen derenAnsiédlung aus. Aus einigen urkundlichen Aufzeichnungen aber gellt hervor, daß polnische Juden schonim 17. Jh t . mit Waren in Tetschen handelten und Bensner Papier aus der dortigen Papiermühle in osteuropäische Länder schafften. N achweisbar wohnte zwischen 1720 bis 1756 ein Sa(li) oder Sa(inuel) Rosenzweig in Weiher, im H ause N r. 26, unter dem NamenF ranz Wernher, der Kleinhandel nach U ngarn undRumänien betrieb. Er war oft ein ganzes Jalir unterwegs, täuschte durch sein glatt rasiertes Gesicht undseine rotblonden H aare die Ortsbewohner und wahrscheinlich auch die Behörden und soll seine Familie,die in der P rager Judenstadt wohnte, verlassen haben.(Aufzeichnung des F abrikanten Adolf Pächter, Bodenbach.)

D er e r s t e Jude, der sich um 1865 i n T e t s c h e nniederließ, war der aus D resden stammende MoritzM a n n s f e l d , der einen schwunghaften G etreidehandel betrieb und seinen Kahn bis nach H amburgfahren ließ, von wo er andere Waren nach Tetschenbrachte.

In B o d e n b a c h wohnte ein Jakob S o n n t a gum 1863, der anfänglich G renzpolizist war, aber imJahre 1867 ein Wechselgeschäft und später ein Bankhaus errichtete, bei dem auch der nachmalige BankierDavid T a u s s i g in der Lehre war. Letzterer errichtete 1885 ein eigenes Bankgeschäft in Bodenbach, dasi. J. 1905 vom der Anglobank übernommen wurde,später als „Allgemeiner Böhmischer Bankverein" undschließlich als „Böhmische U nionbank" in den gleichen Räumen in der Poststraße bis jetzt weitergeführtwurde. (David Taussig, geboren 1853, gestorben 1916,erwarb sich um das Bankwesen in B. große Verdienste. N achdem er seine Bank an die Anglobank abgegeben hatte, bekleidete er dortselbst die F unktioneines Bankdirektors bis 1908, in welchem Jahre erselbst wieder ein Bankgeschäft errichtete, das er 1914an den Wiener Bankverein, F iliale Bodenbaoh, verkaufte. Bei dieser Bank bekleidete er die Stelle einesAufsichtsrates bis zu seinem Ableben.)

Als einer der ersten Juden, die in B. geboren worden sind, dürfte der bekannte Anwalt und Verfechterder Interessen der deutschen Bewohnerschaft in Prag,D r. J o s e f E c k s t e i n (seinerzeit auch Stadtratvon Prag), zu nennen sein. Er wurde 1866 in B. imKeller des Laubischen Hauses (NC. 20) am selbenTage geboren, als gerade die Preußen in B. einzogen.Sein Vater hatte eine kleine Branntweinbrennerei mitAusschank im selben H ause.

Schon vom Jahre 1874 an kamen die Juden in denWohnungen der G laubensgenossen zusammen, um ihreAndacht zu verrichten. Im J. 1885 schritt man an dieG ründung eines Bethausvereines und stellte F abrikantAdolf P ä c h t e r in seinem Besitztum (Steingußknopffabrik in Bodenbach) einen G artenpavillon alsBetsaal zur Verfügung, den er zweckentsprechend

Gottfried Pick Karl Heller

aus eigenen Mitteln einbauen ließ. Da sich jedochdieser Raum für die G laubensgenossen namentlich zuhohen Feiertagen zu klein erwies, mußte an Festtagen der G ottesdienst im Saale des Zeughauses (bis1888) und später im Saale des H ohen Hauses (späterArbeiterheim, jetzt Volkshalle NC 344) abgehaltenwerden.

D ie G ründer des Israelit. Kultusvereines, der sicham 30. Juli 1887 konstituierte, waren: Adolf P ä c ht e r , Bodenbach, Siegmund B r a u n e r , Tetschen,G ottfried P i c k , Weiher, Karl H e l l e r , Tetschen,Moritz F r a n k l , Weiher, Zum Präsidenten wurdeAdolf P ä c h t e r gewählt; T. V. war G ottfried Pick.Die Zahl der Mitglieder betrug im G ründungsjahre48, die Seelenzahl 162.

Schon 5 Jahre vor der gesetzlichen Bestimmung,welche die G emeinden vernflichtete. für Beistellnm?