garten der zukunft

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 29 Gartenpraxis 12-2011 Blütengarten der  Zukunft Unser aktuelles Gemüsesortiment ist recht einge- schränkt, dabei gibt es als Alternativen noch viele ess- bare Wildpflanzen zu entdecken. Neben den konven- tionellen Gemüsegärten wären Rabatten erstrebens- wert, die essbare Pflanzen integrieren. So könnte auch das Ernten von Gemüse oder das Pflücken von Salat zum Abendbrot zu einem Erlebnis werden, das uns das Füllhorn der Natur vor Augen führt. Die Nahrungs- suche im eigenen Garten könnte ein wenig von dem Abenteuer bieten, Essbares in der Wildnis zu finden. Für den traditionellen Gemüsegarten wünsche ich mir , dass sich der heutzutage stark ausgeprägte Trend, Obst und Gemüse für den Eigenbedarf selbst heranzu- ziehen, weiter fortsetzt. Aber um wirklich produktiv zu sein – und dadurch mehr Platz für die Natur im Garten zu schaffen –, müssen wir unsere Angst vor Biotechno- logie verlieren und genmanipulierte Früchte akzeptie- ren. Meine Wunschliste umfasst: krankheitsresistente Kartoffeln, Kohlsorten, die keine Raupen anziehen, Tomat en, die zuverlässig auch in kühlen nordeuropäi- schen Sommern im Freiland fruchten, und Sorten von all den wundervoll schnell zubereitungsfähigen asiati- schen Gemüsen wie Pak Choi und Mizuna, die nicht so schnell verkochen. Der Garten der Zukunft ist nicht allzu schwierig realisierbar . In den Gärtnereien steht bereits ein um- fangreiches Pflanzensortiment zur Verfügung, und die Forschung in der Pflanzenzüchtung macht enorme Fortschritte. Wir müssen lernen, mit der Natur in Einklang zu leben, wobei die Akzeptanz techni- scher Entwicklungen gleicher- maßen wichtig ist. Übersetzung: Kirsten Unshelm Mein Garten der Zukunft  spiegelt als ein Mikrokosmos meine Idealvorstellung von dem Leben auf unserer Erde wider: Sowohl Natur als auch Technik entwickeln sich gleichberechtigt nebeneinander ständig weiter . Unsere Lebenssituation wird zunehmend von dieser Koexistenz geprägt sein. Die expandierende Weltbe- völkerung wird vor allem in den Städten leben. Daher müssen wir lernen, mehr Natur vor allem in die Städte zu integrieren, mit kleinen Parkflächen, begrünten Dä- chern, mit Kletterpflanzen an Gebäudefassaden, mit Gemeinschaftsgärten und intensiv genutzten urbanen Gemüsegärten. In meinem Wunschgarten entwickeln sich Zierpflan- zenkombinationen lebendig und dynamisch: Sie versa- men sich von selbst, keimen, wachsen und vergehen. Einheimische und nicht heimische Pflanzen gedeihen in diesen künstlich geschaffenen Ökosystemen nebenein- ander . Solch ein „globalisierter“ Garten ist zunehmend ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, die multikulturell, sprachlich komplex und vielfältig ist. Diese Gärten sol- len Pflanzengesellschaften anstatt Sammlungen von Einzelpflanzen beheimaten, vielen Tieren eine Lebens- welt bieten und die Voraus setzung für eine Steigerung der Biodiversität sein. Jeder Gärtner sollte davon über- zeugt sein, dass ein gesunder Garten eine reiche Viel- falt in ihrer Gesamtbreite voraussetzt: von Bäumen über Sträucher bis hin zu Stauden und den diversen Bodendeckern, von Einjährigen bis hin zu Zwiebel- und Knollenpflanzen. Pflanzenökologen lehren, dass mehr als 50 Pflanzenarten in einem Quadratmeter Wiese ge- deihen können – im Vergleich dazu sind unsere Gärten ökologische Wüsten. Um eine größere Artenvielfalt zu erhalten, sollten wir lernen, wie Pflanzen mit- und nebeneinander gedeihen und wie wir diese Gemein- schaften erhalten können. Um die Biodiversität im Garten zu steigern, emp- fiehlt es sich, weniger auf geklonte Sorten zu vertrau- en. Pflanzengesellschaften mit genetisch variierenden Individuen sind eine gute Alternative, wenn wir die subtilen Unterschiede in Farbe und Form schätzen ler- nen. Solche Sorten säen sich meist viel effektiver selbst aus. An schwierigen Standorten, bei denen Pflanzen an die Grenzen ihrer ökologischen Anpassungsfähigkeit stoßen, kann sich eine solche lebendige und dynami- sche Pflanzengesellschaft viel besser anpassen. Noel Kingsbury ist Buchauto r , Kolumnist, Dozent und Gartenplaner in England

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29Gartenpraxis 12-2011

Blütengartender  ZukunftUnser aktuelles Gemüsesortiment ist recht einge-schränkt, dabei gibt es als Alternativen noch viele ess-bare Wildpflanzen zu entdecken. Neben den konven-tionellen Gemüsegärten wären Rabatten erstrebens-wert, die essbare Pflanzen integrieren. So könnte auchdas Ernten von Gemüse oder das Pflücken von Salatzum Abendbrot zu einem Erlebnis werden, das uns dasFüllhorn der Natur vor Augen führt. Die Nahrungs-suche im eigenen Garten könnte ein wenig von demAbenteuer bieten, Essbares in der Wildnis zu finden.

Für den traditionellen Gemüsegarten wünsche ichmir, dass sich der heutzutage stark ausgeprägte Trend,

Obst und Gemüse für den Eigenbedarf selbst heranzu-ziehen, weiter fortsetzt. Aber um wirklich produktiv zusein – und dadurch mehr Platz für die Natur im Gartenzu schaffen –, müssen wir unsere Angst vor Biotechno-logie verlieren und genmanipulierte Früchte akzeptie-ren. Meine Wunschliste umfasst: krankheitsresistenteKartoffeln, Kohlsorten, die keine Raupen anziehen,Tomaten, die zuverlässig auch in kühlen nordeuropäi-schen Sommern im Freiland fruchten, und Sorten vonall den wundervoll schnell zubereitungsfähigen asiati-schen Gemüsen wie Pak Choi und Mizuna, die nichtso schnell verkochen.

Der Garten der Zukunft ist nicht allzu schwierigrealisierbar. In den Gärtnereien steht bereits ein um-fangreiches Pflanzensortiment zur Verfügung, und dieForschung in der Pflanzenzüchtung macht enormeFortschritte. Wir müssen lernen, mitder Natur in Einklang zu leben,wobei die Akzeptanz techni-scher Entwicklungen gleicher-maßen wichtig ist.

Übersetzung:

Kirsten Unshelm

Mein Garten der Zukunft spiegelt als ein Mikrokosmosmeine Idealvorstellung von dem Leben auf unserer Erde wider: Sowohl Natur als auch Technik entwickelnsich gleichberechtigt nebeneinander ständig weiter.Unsere Lebenssituation wird zunehmend von dieser Koexistenz geprägt sein. Die expandierende Weltbe-völkerung wird vor allem in den Städten leben. Daher müssen wir lernen, mehr Natur vor allem in die Städtezu integrieren, mit kleinen Parkflächen, begrünten Dä-chern, mit Kletterpflanzen an Gebäudefassaden, mitGemeinschaftsgärten und intensiv genutzten urbanenGemüsegärten.

In meinem Wunschgarten entwickeln sich Zierpflan-zenkombinationen lebendig und dynamisch: Sie versa-men sich von selbst, keimen, wachsen und vergehen.Einheimische und nicht heimische Pflanzen gedeihen indiesen künstlich geschaffenen Ökosystemen nebenein-ander. Solch ein „globalisierter“ Garten ist zunehmendein Spiegelbild unserer Gesellschaft, die multikulturell,sprachlich komplex und vielfältig ist. Diese Gärten sol-len Pflanzengesellschaften anstatt Sammlungen vonEinzelpflanzen beheimaten, vielen Tieren eine Lebens-welt bieten und die Voraussetzung für eine Steigerungder Biodiversität sein. Jeder Gärtner sollte davon über-

zeugt sein, dass ein gesunder Garten eine reiche Viel-falt in ihrer Gesamtbreite voraussetzt: von Bäumenüber Sträucher bis hin zu Stauden und den diversenBodendeckern, von Einjährigen bis hin zu Zwiebel- undKnollenpflanzen. Pflanzenökologen lehren, dass mehr als 50 Pflanzenarten in einem Quadratmeter Wiese ge-deihen können – im Vergleich dazu sind unsere Gärtenökologische Wüsten. Um eine größere Artenvielfalt zuerhalten, sollten wir lernen, wie Pflanzen mit- undnebeneinander gedeihen und wie wir diese Gemein-schaften erhalten können.

Um die Biodiversität im Garten zu steigern, emp-fiehlt es sich, weniger auf geklonte Sorten zu vertrau-en. Pflanzengesellschaften mit genetisch variierendenIndividuen sind eine gute Alternative, wenn wir diesubtilen Unterschiede in Farbe und Form schätzen ler-nen. Solche Sorten säen sich meist viel effektiver selbstaus. An schwierigen Standorten, bei denen Pflanzen andie Grenzen ihrer ökologischen Anpassungsfähigkeitstoßen, kann sich eine solche lebendige und dynami-sche Pflanzengesellschaft viel besser anpassen.

Noel Kingsbury ist Buchautor, Kolumnist,Dozent und Gartenplaner in England

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