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Falk Gastro-Kolleg 3/2019 | 1 Fragenbeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg Genetische Ursachen cholesta- tischer Lebererkrankungen Zusammenfassung Die Gallesekretion stellt eine Schlüsselfunktion der Leber dar. Cholestatische Lebererkran- kungen können Störungen in der Synthese, Sekretion oder des Flusses der Gallensäuren umfassen und zu erhöhten Spiegeln gallepflichtiger Substanzen in der Leber und damit im Serum führen. Die Entstehung oder der Progress cholestatischer Lebererkrankungen kann mit genetischen Varianten assoziiert sein. Genetisch bedingte Cholestasen umfassen ein breites Krankheitsspektrum und reichen von milderen selbstlimitierenden Verlaufs- formen, die erst im Erwachsenenalter manifest werden, bis hin zu schwerwiegenden progressiven Cholestasen, die bereits im frühen Kindesalter zu einem Leberschaden führen können. Als kurative Therapie bleibt bei den progressiven Formen oft nur die Lebertransplantation. Mit dem Aufkommen neuer Sequenziertechnologien werden genetische Untersuchungen zunehmend in die Diagnostik cholestatischer Lebererkran- kungen übernommen. Während die parallele Sequenzierung mehrerer Gene die Analyse des genetischen Hintergrunds beschleunigt und trotzdem kostengünstig ist, stellt die Interpretation der genetischen Varianten eine Herausforderung dar. Schlüsselwörter FIC1 | BSEP | MDR3 | FXR | TJP2 | Myosin 5B | Gallensteine | ICP | BRIC | LPAC | PFIC | Next Generation Sequencing Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege Prof. Dr. med. Verena Keitel Dr. rer. nat. Carola Dröge Prof. Dr. med. Dieter Häussinger Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie Universitätsklinikum Düsseldorf Moorenstr. 5 40225 Düsseldorf *Korrespondierende Autorin Prof. Dr. Dieter Häussinger Prof. Dr. Verena Keitel* Titelbild: Darstellung cholestatisch erweiterter Gallekanalikuli in der Immunfluoreszenz. Gefärbt sind die kanalikulären Transportproteine MRP2 (grün) und BSEP (rot), beide Proteine sind kolokalisiert (gelb). (Aufnahme: V. Keitel) Dr. Carola Dröge

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Page 1: Genetische Ursachen cholesta- tischer Lebererkrankungen · Falk Gastro-Kolleg 3/2019 | 4 bran (FIC1, TJP2, Claudin-1) von Bedeutung sind. Ähnliches gilt für den Cholangiozyten,

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Fragenbeantwortung unter

www.falkfoundation.de

Falk Gastro-Kolleg

Genetische Ursachen cholesta-tischer LebererkrankungenZusammenfassung

Die Gallesekretion stellt eine Schlüsselfunktion der Leber dar. Cholestatische Lebererkran-kungen können Störungen in der Synthese, Sekretion oder des Flusses der Gallensäuren umfassen und zu erhöhten Spiegeln gallepflichtiger Substanzen in der Leber und damit im Serum führen. Die Entstehung oder der Progress cholestatischer Lebererkrankungen kann mit genetischen Varianten assoziiert sein. Genetisch bedingte Cholestasen umfassen ein breites Krankheitsspektrum und reichen von milderen selbstlimitierenden Verlaufs-formen, die erst im Erwachsenenalter manifest werden, bis hin zu schwerwiegenden progressiven Cholestasen, die bereits im frühen Kindesalter zu einem Leberschaden führen können. Als kurative Therapie bleibt bei den progressiven Formen oft nur die Lebertransplantation. Mit dem Aufkommen neuer Sequenziertechnologien werden genetische Untersuchungen zunehmend in die Diagnostik cholestatischer Lebererkran-kungen übernommen. Während die parallele Sequenzierung mehrerer Gene die Analyse des genetischen Hintergrunds beschleunigt und trotzdem kostengünstig ist, stellt die Interpretation der genetischen Varianten eine Herausforderung dar.

Schlüsselwörter

FIC1 | BSEP | MDR3 | FXR | TJP2 | Myosin 5B | Gallensteine | ICP | BRIC | LPAC | PFIC | Next Generation Sequencing

Falk Gastro-Kolleg

Leber und Gallenwege

Prof. Dr. med. Verena KeitelDr. rer. nat. Carola DrögeProf. Dr. med. Dieter HäussingerKlinik für Gastroenterologie, Hepatologie und InfektiologieUniversitätsklinikum DüsseldorfMoorenstr. 540225 Düsseldorf

*Korrespondierende Autorin

Prof. Dr. Dieter Häussinger

Prof. Dr. Verena Keitel*

Titelbild: Darstellung cholestatisch erweiterter Gallekanalikuli in der Immunfluoreszenz. Gefärbt sind die kanalikulären Transportproteine MRP2 (grün) und BSEP (rot), beide Proteine sind kolokalisiert (gelb). (Aufnahme: V. Keitel)

Dr. Carola Dröge

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Genetische Ursachen cholestatischer Lebererkrankungen

Einleitung

Die Bildung von Galle ist eine zentrale Funktion der Leber und dient der Ausschei-dung von Cholesterin und lipophiler endogener und exogener Substanzen. Wichtige Bestandteile der Galle sind Cholesterin, Gallensäuren und Phospholipide, welche ge-meinsam sogenannte gemischte Mizellen bilden. Störungen der Gallensäuresynthese in der Leber, der Gallesekretion aus den Leberzellen in die Gallengänge oder des Galleflusses entlang der Gallenwege in den Dünndarm resultieren in der Erhöhung gallepflichtiger Substanzen in den Leberzellen und folglich im Serum und werden als cholestatische Lebererkrankungen bezeichnet. Im klinischen Alltag ist die Unterschei-dung zwischen mechanisch-obstruktiver intra- und/oder extrahepatischer Cholestase und nicht-obstruktiver intrahepatischer Cholestase gebräuchlich. Häufige Ursachen einer obstruktiven Cholestase stellen Gallensteine oder Tumoren dar, während ange-borene oder erworbene Störungen von Transportmechanismen in Hepatozyten und Cholangiozyten oftmals ursächlich für die Entwicklung einer intrahepatischen Choles-tase sind.

In den letzten 20 Jahren konnte eine Vielzahl genetischer Risikofaktoren identifiziert werden, die die Entstehung cholestatischer Lebererkrankungen wie der primär biliären Cholangitis (PBC) oder primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) begünstigen oder verschiedenen monogenen Cholestasesyndromen zugrunde liegen. Die genetischen Defekte bei monogenen Cholestasesyndromen können die Gallensäuresynthese und -konjugation, hepatobiliäre Transportmechanismen im Hepatozyten und Cholangio-zyten sowie Proteine, die für die Ausbildung von Zell-Zell-Kontakten und der Zellpola-rität von Bedeutung sind, betreffen. Mit steigender Verfügbarkeit und sinkenden Kos-ten für moderne Sequenziertechniken (Next Generation Sequencing, NGS) werden genetische Untersuchungen zunehmend in die Routinediagnostik bei unklaren cho-lestatischen Lebererkrankungen überführt. In diesem Beitrag sollen Krankheitsbilder, denen genetische Defekte der hepatozytären Gallesekretion zugrunde liegen, bespro-chen und der Einsatz genetischer Untersuchungen im Rahmen der hepatologischen Abklärung unklarer intrahepatischer Cholestasen diskutiert und mithilfe eines Fall-beispiels veranschaulicht werden.

Fallvorstellung:Ein 48-jähriger Mann wurde von seinem behandelnden Arzt zur Abklärung erhöhter Cholestaseparameter vorgestellt. Der Patient befand sich in einem guten Allgemeinzu-stand und war zum Zeitpunkt der Vorstellung beschwerdefrei. Als Vorerkrankungen gab er eine Cholezystektomie im Alter von 29 Jahren aufgrund einer akuten Chole-zystitis sowie einen Zustand nach (Z. n.) Choledocholithiasis im Alter von 35 Jahren an. Ansonsten bestünde ein gut eingestellter Hypertonus. Laborchemisch fand sich eine Erhöhung von Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT) auf 71 U/l (Norm bis 35 U/l), von Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT) auf 126 U/l (Norm bis 45 U/l), von γ-Glutamyltransferase (γGT) auf 620 U/l (Norm bis 55 U/l) und von alkalischer Phos-phatase auf 265 U/l (Norm bis 129 U/l). Das Bilirubin war normwertig. Die Lebersyn-theseleistung war unauffällig, die Thrombozyten waren diskret erniedrigt. Sonogra-fisch stellten sich die intrahepatischen und extrahepatischen Gallenwege normal weit dar, sodass eine obstruktive Cholestase ausgeschlossen werden konnte. Zu-sätzlich fanden sich der sonografische Aspekt eines Leberparenchymschadens und eine erhöhte Lebersteifigkeit mit einem Fibroscan-Wert von 22 kPa. Eine erweiterte Autoantikörperdiagnostik und eine endoskopisch retrograde Cholangiografie (ERC) ergaben keinen Anhalt für eine primär biliäre Cholangitis (PBC), primär sklerosierende Cholangitis (PSC) oder sonstige Lebererkrankung, sodass eine Sequenzanalyse des ABCB4-Gens, das für den Phospholipidtransporter MDR3 kodiert, durchgeführt wurde.

P Die Gallebildung ist eine zentrale Funktion der Leber. Varianten in unterschiedlichen Genen, die für die Zellpolarität und Lipidzusammen­setzung der kanalikulären Hepatozyten­membran bzw. für die Gallensäure­synthese und Gallebildung von Bedeutung sind, stellen Risikofaktoren für die Entwicklung cholestatischer Lebererkrankungen dar.

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Gallesekretion im Hepatozyten und Cholangiozyten

Die Synthese der Gallensäuren aus Cholesterin ist ein mehrschrittiger Prozess im Hepatozyten und resultiert in der Bildung der primären Gallensäuren Cholsäure und Chenodesoxycholsäure. Vor der Sekretion in die Gallekanälchen (Kanalikuli) werden die Gallensäuren mit Glyzin oder Taurin konjugiert. Im Darm dienen die Gallensäuren der Resorption der Nahrungslipide sowie fettlöslicher Vitamine. Durch bakterielle De-konjugation und Dehydroxylierung entstehen im Darm aus den primären die sekun-dären Gallensäuren Desoxycholsäure und Lithocholsäure. Etwa 90% der Gallensäuren werden im terminalen Ileum von den Enterozyten rücktransportiert und gelangen über das Pfortaderblut zurück zur Leber. Dieser Vorgang wird als enterohepatische Zirkulation von Gallensäuren bezeichnet. Ein Anteil von Gallensäuren wird bereits in der Leber durch die Cholangiozyten rückresorbiert und gelangt über den sogenann-ten cholehepatischen Shunt direkt zurück ins sinusoidale Blut und damit zur basolate-ralen Hepatozytenmembran. An der Zirkulation der Gallensäuren sind aktive Trans-portmechanismen in den Hepatozyten, Cholangiozyten und Enterozyten beteiligt.

Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Gallesekretion ist der aktive Transport von Gallensäuren durch die Gallensalzexportpumpe BSEP (bile salt export pump) aus den Hepatozyten über die kanalikuläre Membran in den Gallekanalikulus. BSEP ist ausschließlich in der kanalikulären Membran der Hepatozyten lokalisiert und trans-portiert Gallensäuren aktiv entgegen dem Konzentrationsgradienten in die Galle, was in einer über 1000-fachen Konzentrierung der Gallensäuren in der Galle (millimolare Konzentrationen) gegenüber den Gallensäurekonzentrationen im portalvenösen Blut (mikromolare Konzentrationen) resultiert. Die sekretorische Funktion von BSEP ist vom Cholesteringehalt und der Lipidzusammensetzung der kanalikulären Membran, die von der Aktivität der Phospholipid-Flippase FIC1 (ATP8B1) und der Phospholipid-Floppase MDR3 mitbestimmt wird, abhängig. Die Expression von BSEP sowie anderer kanalikulärer und basolateraler Transportproteine im Hepatozyten ist durch den nu-kleären Gallensäurerezeptor Farnesoid-X-Rezeptor (FXR, NR1H4) reguliert. Bei defekter kanalikulärer Exkretion gallepflichtiger Substanzen akkumulieren diese einerseits im Hepatozyten und werden andererseits über alternative Transportproteine in der ba-solateralen Membran wie MRP4 (ABCC4) oder OSTα/OSTβ (SLC51A/SLC51B) zurück ins sinusoidale Blut ausgeschieden. Sowohl die apikalen als auch die alternativen Trans-portmechanismen können durch Ursodesoxycholsäure (UDCA) aktiviert werden. In den Cholangiozyten sind der apical sodium-dependent bile salt transporter (ASBT, SLC10A2), der Chloridkanal cystic fibrosis transmembrane conductance regulator (CFTR, ABCC7) und der Anionenaustauscher AE2 (SLC4A2) in der apikalen (luminalen) Mem-bran lokalisiert. Gallensäuren werden über ASBT aus den Gallengängen in die Cholan-giozyten aufgenommen und über die basolaterale Membran vom Heterodimer-Trans-porter OSTα/OSTβ in den peribiliären Plexus und ins sinusoidale Blut ausgeschieden. Dieser Vorgang wird als cholehepatisches Shunting bezeichnet und könnte zum ei-nen als Sensorfunktion für die Gallensäurekonzentration in der Galle dienen und zum anderen die Gallensäuren-abhängige Sekretionsleistung der Hepatozyten und damit die Exkretion gallepflichtiger Substanzen steigern.

Die Aktivierung von CFTR und AE2 resultiert in einer gesteigerten Bikarbonatsekretion in das biliäre Lumen und bewirkt die Ausbildung eines Bikarbonatfilms (bicarbonate umbrella), der die Cholangiozyten vor der toxischen Wirkung der hohen Gallensäure-konzentrationen in der Galle schützt. In der basolateralen Membran werden die Gal-lensäuren vom Heterodimer-Transporter OSTα/OSTβ ins Blut sezerniert.

Monogenetische Cholestasesyndrome durch Störung der hepatobiliären Sekretion

Die Gallesekretion aus dem Hepatozyten ist abhängig von der Anzahl funktionell akti-ver Transportproteine in der kanalikulären Membran. Genetische Defekte als Ursache einer intrahepatischen Cholestase liegen zum einen in Genen, die für die verschiede-nen Transportproteine selber kodieren (BSEP, MDR3) und zum anderen in Genen, die die Expression (FXR) und die Lokalisation (Myosin 5B) der Transportproteine regulieren oder für die Zusammensetzung und Integrität der kanalikulären Hepatozytenmem-

P Die Gallensäuren werden in der Leber synthetisiert und durchlaufen die enterohepatische Zirkulation, an der aktive Transportmechanismen in Hepatozyten, Cholangiozyten und Enterozyten beteiligt sind.

P Die Gallensalzexportpumpe BSEP (ABCB11) ist essenziell für die hepatobili­äre Sekretion der Gallensäuren. Die BSEP­Expression und ­Funktion werden durch den nukleären Gallensäurerezep­tor FXR (NR1H4) sowie die Lipidzusam­mensetzung der kanalikulären Plasma­membran reguliert.

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bran (FIC1, TJP2, Claudin-1) von Bedeutung sind. Ähnliches gilt für den Cholangiozyten, wo ebenfalls die Transporter selber (CFTR) oder Proteine der apikalen Membran (DCDC2) durch genetische Defekte in ihrer Funktion gestört sein können (Abb. 1).

Lokalisation Cholestase-assoziierter Proteine im Hepatozytenmodell (erstellt von V. Keitel)

ICP, intrahepatic cholestasis of pregnancy; GS, Gallensäuren; BRIC, benign recurrent intra hepatic cholestasis; PFIC, progressive familial intrahepatic cholestasis; LPAC, low phospholipid-associated cholelithiasis; DILI, drug-induced liver injury; NR1H4, nuclear receptor 1H4; FXR, Farnesoid-X-Rezeptor; ABCC2, ATP-binding cassette subfamily C member 2; MRP2, multidrug resistance-associated protein 2; Myo5B, Myosin 5B; ATP8B1, ATPase phospholipid-transporting 8 subfamily B member 1; FIC1, familial intrahepatic cholestasis 1; ABCB4, ATP-binding cassette subfamily B member 4; MDR3, multidrug resistance-associated protein 3; ABCG, ATP-binding cassette subfamily G; TJP2, tight junction protein 2; ABCB11, ATP-binding cassette subfamily B member 11; BSEP, bile salt export pump; SLC, solute carrier family; OST, organic solute transporter; NTCP, Na+-taurocholate co-transporting polypeptide

Genetische Varianten in ein und demselben Gen können hierbei ein breites, kontinu-ierliches Spektrum klinischer Präsentationen verursachen, welche von einem erhöh-ten Risiko für die Entwicklung von Gallensteinen, einer Schwangerschaftscholestase (intrahepatic cholestasis of pregnancy, ICP) oder einer medikamentös toxischen Cho-lestase (drug-induced liver injury, DILI) bis hin zu schwerwiegenden, progressiven Ver-läufen mit Entwicklung einer Leberzirrhose sowie eines hepatozellulären oder cholan-giozellulären Karzinoms reichen. Während die schwerwiegenden Verläufe genetischer Cholestasesyndrome als progressive familiäre intrahepatische Cholestase (PFIC) be-reits im Neugeborenen-, Säuglings- oder Kleinkindalter manifest werden, können mil-dere Verlaufsformen erstmals im Erwachsenenalter symptomatisch werden. Genetische Varianten bei episodischen, selbstlimitierenden und milderen Krankheitsverläufen sind oftmals heterozygote Varianten, Missense-Varianten oder Polymorphismen, die bei mehr als einem Prozent der allgemeinen Bevölkerung zu finden sind. Im Gegensatz dazu werden bei den schwerwiegenden progressiven Krankheitsverläufen vermehrt Nonsense-, Deletions-, Insertions-, Frameshift- oder Spleißstellen-Varianten detektiert, die in diesen Fällen in homozygoter oder compound heterozygoter Form beide Allele des entsprechenden Gens betreffen.

Progressive familiäre intrahepatische Cholestasen (PFIC)

Unter dem Begriff „progressive familiäre intrahepatische Cholestasen“ (PFIC) werden Krankheitsbilder zusammengefasst, die oftmals bereits in den ersten Lebenswochen und -monaten zur Entwicklung einer Cholestase führen und durch Ikterus, Gedeihstö-rungen, Mangel an fettlöslichen Vitaminen und schweren Juckreiz gekennzeichnet sind. Häufig entwickeln die Betroffenen bereits im Kleinkindalter eine fortschreitende

Abb. 1

P Ursächlich für intrahepatische Cholestasen sind genetische Varianten in Genen, die für hepatobiliäre Trans­portproteine kodieren, deren Expression oder Lokalisation regulieren oder für die Zusammensetzung und Integrität der kanalikulären Hepatozytenmembran von Bedeutung sind. Unterschiedliche genetische Varianten in einem Gen können hierbei mit einem breiten, kontinuierlichen Spektrum klinischer Phänotypen assoziiert sein.

P PFIC umfassen Krankheitsbilder, die bereits im Neugeborenen­, Säug­lings­ oder Kleinkindalter auftreten und frühzeitig zur Entwicklung einer Leberzirrhose sowie eines HCC führen können. Bisher konnten Varianten in sechs Genen als Ursache einer PFIC identifiziert werden.

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Lebererkrankung, die eine Lebertransplantation notwendig macht. PFIC werden durch genetische Störungen der hepatozytären Gallesekretion verursacht. Die Prävalenz der drei am längsten bekannten PFIC-Subtypen (PFIC1–3) wird auf 1:100.000 geschätzt, allerdings sind PFIC1–3 deutschlandweit für etwa 10% der neonatalen Cholestasen ver-antwortlich. Durch moderne Sequenziertechniken konnten in den letzten Jahren wei-tere PFIC-assoziierte Gene identifiziert werden und es ist denkbar, dass in den nächsten Jahren noch zusätzliche Gene nachgewiesen werden.

Varianten im ATP8B1 (FIC1, familial intrahepatic cholestasis 1)-Gen liegen dem Subtyp 1 der PFIC (PFIC1, Morbus Byler) zugrunde. FIC1 ist eine Aminophospholipid-Flippase, die Phosphatidylserin von der äußeren in die innere Lipid-Doppelschicht der Mem-bran transportiert und damit für eine asymmetrische Verteilung der Phospholipide in der kanalikulären Hepatozytenmembran sorgt. Varianten im ABCB11-Gen, das für die bile salt export pump (BSEP) kodiert, beeinträchtigen den Transport von Gallensäuren aus dem Hepatozyten über die kanalikuläre Membran und sind ursächlich für eine PFIC2. PFIC2-assozierte ABCB11-Genvarianten sind mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) assoziiert (Tab. 1). Außerdem kann es bei Patienten mit schwerwiegenden ABCB11-Varianten, die zu einem kompletten Fehlen des BSEP-Proteins in der Leber führen, nach erfolgreicher Lebertransplantation zur Ausbildung von Antikörpern gegen BSEP kommen, der sogenannten autoimmu-nen oder Autoantikörper-induzierten BSEP-Defizienz (AIBD). Die Anti-BSEP-Antikörper gelangen in die Gallekanalikuli und inhibieren dort die BSEP-Transportaktivität, was zur Ausbildung einer PFIC2-ähnlichen schwerwiegenden Cholestase führen und kli-nisch wie ein Rezidiv der Grunderkrankung imponieren kann. PFIC3 ist durch Varian-ten im ABCB4-Gen, das für die Phospholipid-Floppase multidrug resistance-associated protein 3 (MDR3) kodiert, bedingt. MDR3 transportiert Phospholipide von der inneren in die äußere Hälfte der Lipid-Doppelschicht der kanalikulären Membran, wo diese durch Gallensäuren aus der Membran in die Galle gelöst werden (Tab. 2).

Übersicht assoziierter Gene und Merkmale der Low-γGT-Cholestasen

Gen ATP8B1 ABCB11 TJP2 NR1H4 MYO5B

Protein FIC1 BSEP TJP2 FXR Myosin 5B

Serum-γGT normal normal normal normal normal

Assoziierte Leberkrankheiten ICP

BRIC1

PFIC1

DILI

ICP

BRIC2

PFIC2

ICP

BRIC

PFIC4

ICP

PFIC5

PFIC6

Lebererkrankung progredient progredient

HCC-Risiko erhöht (15%)

AIBD-Risiko nach Lebertransplantation

schnell progredient

HCC-Risiko erhöht

schnell progredient

hohe Mortalität

langsam progredient

Extrahepatische Manifestation

Diarrhö

Pankreatitis

Schwerhörigkeit

keine pulmonale Symptome

neurologische Symptome

Gerinnungs störung Diarrhö

Gallensteinrisiko unverändert erhöht (ca. 30%) unklar evtl. erhöht evtl. erhöht

Leber Immunhistochemie

BSEP/MDR3 normal lokalisiert

BSEP reduziert oder fehlt

TJP2 fehlt

Claudin-1 reduziert

BSEP fehlt

MDR3 evtl. reduziert

BSEP in subkanali-kulären Strukturen

Tab. 1

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Übersicht assoziierter Gene und Merkmale der High-γGT-Cholestasen

Gen ABCB4 DCDC2 CLDN1

Protein MDR3 DCDC2 Claudin-1

Serum-γGT erhöht erhöht erhöht

Assoziierte Leberkrankheiten

ICP

LPAC

PFIC3

neonatale sklerosierende Cholangitis (NSC)

NSC

Lebererkrankung progredient Cholangiopathie, duktuläre Reaktion, biliäre Fibrose/Zirrhose

Ikterus

55% Lebertransplantation

Cholangiopathie, biliäre Fibrose/Zirrhose, Duktopenie und duktuläre Reaktion

Extrahepatische Manifestation

Bei PFIC3 evtl. kognitive Störungen

Gerinnungsstörung

Nierenerkrankung

(Hörstörung, Dyslexie)

Ichthyose

Hypotrichose (narbige Alopezie)

Zahnabnormalitäten

Gallensteinrisiko erhöht nein evtl. erhöht

Leber Immunhistochemie

MDR3 meist im Kanalikulus nachweisbar

Fehlende DCDC2-Expression in biliary epithelial cell

Zilien, reduzierte Zilien

Fehlende Claudin-1- Expression

In den letzten Jahren konnten zusätzliche PFIC-assoziierte Gene identifiziert werden, allerdings ist die Nomenklatur der weiteren PFIC-Subtypen noch umstritten, sodass im Folgenden das betroffene Gen genannt wird. Das Zell-Zell-Adhäsionsmolekül tight junction protein 2 (TJP2) ist in der Leber im Bereich der Zellkontakte zwischen benach-barten Hepatozyten lokalisiert. Varianten im TJP2-Gen können eine Auflösung dieser Zell-Zell-Kontakte durch toxisch wirkende Gallensäuren begünstigen und damit einen schweren Leberschaden auslösen (PFIC4). Interessanterweise ist das mit TJP2 assozi-ierte Zelladhäsionsprotein Claudin-1 (CLDN1) im Lebergewebe von TJP2-PFIC-Patien-ten immunhistochemisch vermindert oder gar nicht nachweisbar, was zur Diagnostik dieses PFIC-Subtyps genutzt werden kann. Für die bisherigen TJP2-PFIC-Fälle ist eine frühe Manifestation innerhalb der ersten Lebensmonate mit schnell progredientem Verlauf beschrieben (s. Tab. 1).

PFIC-assoziierte genetische Varianten im nukleären Gallensalzrezeptor FXR (NR1H4) sind bisher nur bei zwei Familien detektiert worden und bewirkten einen schwerwie-genden, schnell progredienten Verlauf der neonatalen Cholestase (PFIC5) mit frühzei-tiger Notwendigkeit zur Transplantation und hoher Mortalität (s. Tab. 1). Als Master-Regulator der Gallensäurehomöostase reguliert FXR unter anderem die Expression von BSEP. In den Lebern der betroffenen FXR-PFIC-Patienten war BSEP nicht nachweis-bar. Varianten im MYO5B-Gen sind ursächlich für die microvillus inclusion disease (MVID), die durch therapierefraktäre Diarrhöen gekennzeichnet ist. Myosin 5B spielt eine Rolle für den gerichteten Transport von Proteinen zwischen dem Golgi-Apparat, der apikalen Membran und dem Recycling-Endosom. Varianten im MYO5B-Gen führen zu einer unterschiedlich schweren Störung der Zellpolarität, die insbesondere den Enterozyten, aber auch den Hepatozyten betreffen kann. Etwa ein Drittel der MVID-Patienten entwickelt eine intrahepatische Cholestase, die durch eine fehlerhafte subkanalikuläre BSEP-Lokalisation im Hepatozyten verursacht wird. Kürzlich wurden Myosin-5B-assoziierte PFIC (PFIC6)-Fälle ohne relevante Darmbeteiligung beschrieben, welche durch stark erhöhte Serumgallensäurespiegel gekennzeichnet sind und durch die Fehllokalisation von BSEP infolge der MYO5B-Varianten erklärt werden können.

Extrahepatische Symptome finden sich bei fast allen PFIC-Subtypen, da die zugrunde liegenden Gene in weiteren Geweben exprimiert werden (s. Tab. 1 und 2). Besonders häufig sind extrahepatische Symptome bei ATP8B1 (FIC1)- und Myosin-5B-assoziierter PFIC zu finden, während sie bei ABCB11 (BSEP)-assoziierter PFIC fehlen.

Tab. 2

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Bei ATP8B1 (FIC1)-, ABCB11 (BSEP)-, TJP2-, FXR- und Myosin-5B-assoziierter PFIC sind die Serumspiegel der γGT üblicherweise nicht erhöht (Low-γGT-PFIC/Cholestase). Diese PFIC-Subtypen sind durch eine gestörte Sekretion der Gallensäuren in die Galle, eine Akkumulation von toxischen Gallensäuren im Hepatozyten und einen progredienten Leberzellschaden gekennzeichnet. Durch die im Vergleich niedrigen Konzentrationen von Gallensäuren in der Galle bei diesen Subtypen ist die toxische Wirkung von Gal-lensäuren im Bereich der Gallengänge reduziert. Bei ABCB4-assoziierter PFIC ist die Sekretion der Phospholipide in die Galle gestört, sodass es zu einem Ungleichgewicht bei der Mizellenbildung und zur Erhöhung der Konzentration freier Gallensäuren in der Galle kommt. Dies führt zu einer Schädigung der Cholangiozyten und zur Er-höhung der γGT (High-γGT-PFIC).

Therapie

Eine medikamentöse Therapie der PFIC mit nachgewiesener Verlängerung des trans-plantationsfreien Überlebens existiert bisher nicht. Therapien, die die Auswirkung der zugrunde liegenden Genvariante zielgerichtet beeinflussen, setzen ein tiefgreifendes Verständnis der verschiedenen Varianten und der assoziierten Phänotypen voraus. Mehrere PFIC-Register zur besseren Charakterisierung von Genotyp-/Phänotyp-As-soziationen sowie zur Beurteilung des Genotyp-abhängigen Therapieansprechens befinden sich derzeit im Aufbau. Bei PFIC1 und PFIC2 kann die chirurgische Unter-brechung der enterohepatischen Zirkulation durch Anlage einer partiellen biliären Diversion (PBD) bzw. eines Ileum-Bypasses den Juckreiz reduzieren und oftmals auch den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Bei PFIC3-Patienten kann UDCA, insbeson-dere bei residueller MDR3-Transportfunktion, die Krankheitsprogression hemmen und wird daher als Erstlinientherapie eingesetzt. Außerdem existieren Einzelfallberichte, bei denen 4-Phenylbutyrat erfolgreich zur Therapie bestimmter ABCB11-Missense-Va-rianten eingesetzt wurde. In vitro konnte die Applikation von Rapamycin und Genta-micin die Expression und Transportleistung verschiedener ABCB11-Varianten steigern, während der CFTR-Potentiator Ivacaftor die funktionelle Aktivität einzelner ABCB4-Missense-Varianten erhöhte.

Inhibitoren des intestinalen Gallensäureaufnahmetransporters ASBT (SLC10A2) wurden in Phase-II-Studien bereits erfolgreich zur Therapie des Juckreizes bei PFIC1- und PFIC2-Patienten eingesetzt. Unterschiedliche ASBT-Inhibitoren werden derzeit in Phase-III-Studien bei PFIC1 und PFIC2 (NCT03566238; NCT03353454) zur Juckreiztherapie evalu-iert. Neben PFIC2-Patienten werden in einer der beiden Studien zusätzlich Patienten mit PFIC1, PFIC3 und PFIC4 eingeschlossen. Ob ASBT-Inhibitoren durch Unterbrechung der enterohepatischen Zirkulation und damit des intestinalen FXR-Signalings ähnlich wie eine chirurgisch angelegte PBD Einfluss auf die Progression der Lebererkrankung nehmen können, bleibt abzuwarten.

Benigne rekurrente intrahepatische Cholestasen (BRIC)

BRIC bezeichnet eine schubweise oder episodisch verlaufende intrahepatische Cho-lestase. Die Schübe können jahreszeitlich abhängig sein oder durch Infekte, oftmals der oberen Atemwege, ausgelöst werden. Pruritus und Ikterus stellen die Leitsymp-tome der BRIC dar. In den meisten Fällen wird keine Progression der Erkrankung zur Leberzirrhose beobachtet. Basierend auf den betroffenen Genen, werden ATP8B1 (FIC1)-assoziierte BRIC (BRIC1) und ABCB11 (BSEP)-assoziierte BRIC (BRIC2) unterschie-den. Auch für Myosin-5B-Varianten wurden BRIC-Verläufe beschrieben; daher ist zu erwarten, dass für sämtliche PFIC-assoziierten Gene BRIC-Verläufe beobachtet werden können.

Therapie

Eine etablierte Therapie bei BRIC existiert nicht. Oftmals wird UDCA im Rahmen eines Schubs eingesetzt. Cholestyramin und Rifampicin, ebenso wie die endoskopische An-lage einer nasobiliären Sonde, wurden erfolgreich zur Therapie des BRIC-assoziierten

P Die genetisch bedingten Cholestasen werden in Abhängigkeit der Serum­γGT­Werte in Low­ und High­γGT­Cholestasen unterschieden.

P Die einzige kurative Therapie bei PFIC stellt die Lebertransplantation dar. Eine zielgerichtete medikamentöse Therapie existiert bisher nicht. Bei PFIC3 kann UDCA bei residueller MDR3­ Expression und ­Funktion die Krank­heitsprogression reduzieren. Chirur­gische Unterbrechungen der entero­hepatischen Zirkulation können ebenso wie in klinischen Studien befindliche ASBT­Inhibitoren Juckreiz lindern.

P BRIC sind durch intermittierende Krankheits schübe mit Phasen der Remission gekennzeichnet.

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Juckreizes eingesetzt. Ob diese Medikamente einen Einfluss auf die Dauer eines Schubs haben oder präventiv eingesetzt werden könnten, ist unklar.

Low phospholipid-associated cholelithiasis (LPAC)

Das LPAC-Syndrom bezeichnet ein Gallensteinleiden, das klinisch durch eine sympto-matische Cholezystolithiasis und das Auftreten von zwei der folgenden drei Kriterien gekennzeichnet ist: 1) Auftreten der Symptome vor dem 40. Lebensjahr; 2) Ausbildung einer Cholelithiasis nach erfolgreicher Cholezystektomie und 3) sonografischer Nach-weis von Mikrokonkrementen oder von Sludge in den intrahepatischen Gallenwegen. Frauen sind etwa dreimal häufiger betroffen als Männer und meistens finden sich auch bei erstgradigen Verwandten Gallensteine. Bei 50% der Patienten lassen sich ge-netische Varianten im ABCB4 (MDR3)-Gen als Ursache des LPAC-Syndroms nachwei-sen. Außerdem besteht eine enge Assoziation von LPAC-Syndrom und Schwanger-schaftscholestase (ICP). Ungefähr 50% der Patientinnen mit LPAC-Syndrom hatten bereits bzw. entwickeln im Rahmen einer Schwangerschaft eine ICP. Pathophysiolo-gisch kommt es durch die ABCB4-Defekte zu einer verminderten biliären Phospho-lipidsekretion. Dies bewirkt ein Ungleichgewicht von Phospholipiden, Gallensäuren und Cholesterin, reduziert die Bildung der gemischten Mizellen und resultiert in einer Übersättigung der Galle mit Cholesterin.

Therapie

Die Therapie des LPAC-Syndroms besteht in der lebenslangen Einnahme von UDCA (10–15 mg/kg KG/Tag) unabhängig vom Nachweis einer krankheitsassoziierten ABCB4-Variante. Eine gleichzeitig bestehende Hypercholesterinämie sollte eher mit Statinen als mit Fibraten behandelt werden, da letztere die Lithogenität der Galle fördern. In Zukunft könnten gezielte Therapien (wie FXR-Agonisten), die die Expression von MDR3 in der kanalikulären Hepatozytenmembran steigern, mögliche weitere therapeutische Ansätze darstellen.

Intrahepatic cholestasis of pregnancy (ICP)

Pathophysiologisch spielen erhöhte Spiegel von Östrogen, Progesteron und ihrer Metabolite eine zentrale Rolle in der Entwicklung einer Schwangerschaftscholestase. Bei vorangegangener In-vitro-Fertilisation ist das ICP-Risiko ebenso wie bei Zwillings-schwangerschaften erhöht, was auf die gesteigerten Hormonspiegel zurückgeführt wird. Meistens tritt die ICP im dritten Trimenon auf, Leitsymptom der ICP ist der Pru-ritus. Ein Ikterus findet sich nur bei etwa 10–20% der Patientinnen. Laborchemisch lassen sich erhöhte Werte für Serum-Gallensäuren und GPT nachweisen.

Die ICP ist mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für perinatale Komplikationen wie Frühgeburt, Mekonium im Fruchtwasser, Atemnot, niedrigem Apgar-Score bis hin zur Totgeburt assoziiert. Das Risiko für den Fetus nimmt bei Serum-Gallensäurespiegeln der Mutter oberhalb von 40 µmol/l, welche eine schwere ICP ausmachen und ca. 20% der Patientinnen betrifft, linear zu. Die Symptome mit Pruritus und gegebenenfalls Ikterus sistieren in der Regel innerhalb einiger Tage bis Wochen nach der Entbindung, allerdings ist ein Rezidiv in einer nachfolgenden Schwangerschaft zu erwarten. Die ICP kann durch seltene hetero- sowie homozygote Varianten meistens im ABCB4- (16% der Fälle), aber auch im ABCB11-Gen (5% der Fälle) verursacht werden. Zusätzlich kön-nen Varianten in den Genen ATP8B1, NR1H4, TJP2 und ABCC2 (MRP2) die Entstehung einer ICP begünstigen. Auch häufige Polymorphismen im ABCB4- (p.I237I, c.711A>T, rs2109505) und ABCB11-Gen (p.V444A, c.1331T>C, rs2287622; oder intronisch rs7577650) steigern das Risiko für die Entwicklung einer ICP um das Zwei- bis Dreifache. Bei schwerwiegenden Verläufen und Symptombeginn im ersten oder frühen zweiten Trimenon wurden Kombinationen von Varianten im ABCB4- und ABCB11-Gen beschrieben. Insbesondere der häufige ABCB11-Polymorphismus p.V444A scheint bei gleichzeitig vorhandener seltener ABCB4-Variante das Risiko für eine frühe Manifestation und/oder einen schwe-ren Verlauf zu begünstigen.

P Das LPAC­Syndrom bezeichnet ein Gallensteinleiden, das vor dem 40. Lebensjahr auftritt und nach erfolgter Cholezystektomie rezidiviert. Bei der Hälfte der LPAC­Patienten lassen sich genetische Varianten im ABCB4 (MDR3)­Gen nachweisen.

P Die ICP ist durch Juckreiz und erhöhte Serum­Gallensäuren charakterisiert.

P Serum­Gallensäurekonzentrationen der Mutter über 40 µmol/l kennzeichnen eine schwere ICP, die mit einem erhöhten Risiko für den Fetus assoziiert ist.

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Frauen mit schwerer, frühmanifester ICP sollte eine genetische Beratung und Analyse angeboten werden. Bei entsprechender Genetik haben ICP-Patientinnen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Gallensteinen, einer Cholezystitis, einer Cholangitis oder auch einer Leberfibrose und eines Lebermalignoms. Unabhängig vom zugrunde liegenden Gendefekt haben ICP-Patientinnen außerdem ein statistisch erhöhtes Ri-siko pankreatische, metabolische oder immunvermittelte Krankheiten zu entwickeln. Daher sollte sämtlichen Frauen mit ICP Verlaufsuntersuchungen zur Früherkennung ICP-assoziierter Spätkomplikationen angeboten werden.

Therapie

Zur Erstlinientherapie der ICP wird UDCA (10–15 mg/kg KG/Tag) eingesetzt. UDCA ver-bessert den Juckreiz sowie die Laborwerte der Mutter. Ob UDCA zusätzlich mögliche fetale Komplikationen reduziert, ist derzeit unklar. Bei Versagen von UDCA kann Ri f-ampicin additiv zu UDCA eingesetzt werden. Bei Patientinnen mit nachgewiesener krankheitsassoziierter ABCB4-Variante sollte eine lebenslange UDCA-Therapie in Er-wägung gezogen werden.

MDR3/ABCB4-assoziierte cholestatische Erkrankungen beim Erwachsenen

In der von uns untersuchten Kohorte von Patienten mit vermuteter genetisch beding-ter cholestatischer Erkrankung fand sich bei 20% eine krankheitsassoziierte ABCB4-Variante. Interessanterweise wurde bei 73% der Patienten ohne krankheitsassoziierte Variante mindestens einer der häufigen Polymorphismen detektiert. Dies deckt sich mit Befunden von genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) in Island, bei denen seltene Missense-Varianten, aber auch ein häufiger Polymorphismus im ABCB4-Gen (c.711A>T) eine signifikante Assoziation mit erhöhten GOT-, GPT- und γGT-Werten sowie dem Auftreten von Gallensteinen und einer Schwangerschaftscholestase (ICP) aufwiesen. Die krankheitsassoziierten Varianten bewirkten darüber hinaus ein signifi-kantes, bis zu fünffach erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Leberzirrhose sowie eines hepatozellulären bzw. cholangiozellulären Karzinoms (HCC bzw. CCC). Kürzlich wurde in einer deutschen Kohorte für die häufige ABCB4-Variante p.T175A eine Assozi-ation mit erhöhter Lebersteifigkeit bei Patienten mit chronischen Lebererkrankungen beschrieben.

ABCB4-Varianten können beim Erwachsenen ein breites Spektrum cholestatischer Leber-erkrankungen von ICP, Gallensteinen, LPAC-Syndrom bis hin zu biliärer Fibrose/Zirrhose und HCC bzw. CCC hervorrufen. Darüber hinaus scheinen auch häufige Varianten wie c.711A>T oder p.T175A den Verlauf chronischer Lebererkrankungen zu beeinflussen. Pathophysiologisch wäre denkbar, dass die Reduktion von Phospholipiden in der Galle durch eine ABCB4-Variante durch Erhöhung des relativen Anteils an toxischen Gallen-säuren einen progredienten Schaden der Gallenwege bewirkt und die Entstehung einer biliären Fibrose oder eines CCC begünstigt. Da eine ICP oder ein Gallensteinlei-den bei ABCB4-Varianten zeitlich vor der Entwicklung einer Fibrose oder eines CCC liegen kann, sollte bei ICP-Patientinnen bzw. bei Verdacht auf LPAC-Syndrom ins-besondere bei familiärer Häufung eine weiterführende genetische Abklärung in Er-wägung gezogen werden. Bei Nachweis einer potenziell krankheitsassoziierten (d. h. einer entsprechend der ACMG-Empfehlung als pathogenic oder likely pathogenic klassi-fizierten, s. u.) ABCB4-Variante könnten dann einerseits eine Therapie mit UDCA einge-leitet und andererseits regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden.

P ICP­Patientinnen haben im späteren Verlauf ein erhöhtes Risiko für hepatobiliäre, metabolische oder immunvermittelte Erkrankungen.

P ABCB4­Varianten können beim Erwachsenen die Entstehung von ICP, Gallensteinen, LPAC­Syndrom, biliärer Fibrose/Zirrhose sowie von HCC und CCC begünstigen.

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Fallvorstellung:Der Patient erfüllte mit Z. n. Cholezystektomie im Alter von 29 Jahren sowie mit Z. n. Choledocholithiasis im Alter von 35 Jahren die diagnostischen Kriterien für ein LPAC-Syndrom. Die durchgeführte Analyse des ABCB4-Gens ergab das Vorliegen zweier heterozygoter, krankheitsassoziierter seltener Varianten sowie das hetero-zygote Vorliegen zweier häufiger ABCB4-Polymorphismen (c.711A>T und p.R652G). Somit konnte die Diagnose eines ABCB4-assoziierten LPAC-Syndroms sowie einer ABCB4-assoziierten Leberfibrose/-zirrhose gestellt werden. Es wurde eine Therapie mit UDCA (13–15 mg/kg KG/Tag) eingeleitet. Unter dieser Therapie normalisierten sich die GOT- und GPT-Werte und es kam zu einem deutlichen Abfall der γGT, die allerdings minimal erhöht blieb (1,5-fach der Norm).

Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf genetisch bedingte cholestatische Lebererkrankungen (Tab. 3)

Methoden zur (molekularen) Diagnostik genetisch bedingter Cholestasen

Methode Vorteile Nachteile

Immunhistochemie schnell, kostengünstig Leberbiopsie nötig, keine eindeutige genetische Zuordnung, schwierig wenn Gewebe bereits stark geschädigt

TaqMan SNP Genotyping Assay schnell nur für spezifische SNPs (single nucleotide polymorphisms) oder Hotspot-Varianten hilfreich, käufliche etablierte Assays nur für bekannte Varianten erhältlich

Sanger-Sequenzierung etablierte Methode, einfache Interpretation der Ergebnisse, keine Zufallsbefunde, weiterhin zur Verifizierung von NGS-Daten eingesetzt

Analyse nur von einzelnen Abschnitten/Genen, Analyse mehrerer Gene sehr zeitaufwendig

Next Generation Sequencing (NGS)

Panel-Analysen Analyse benutzerdefinierter Gene/Bereiche, parallele Analyse multipler Gene, schnell, kostengünstig, hohe Sequenziertiefe, große Datenmenge aber noch überschaubar

große Datenmenge/viele Varianten zu interpretieren, nur Identifizierung von Varianten in bekannten Genen

Whole Exome Sequencing (WES) Analyse der kodierenden Bereiche aller Gene, hohe Sequenziertiefe, Identifizierung von Varianten in bisher nicht mit dem Phänotyp assoziierten Genen möglich

größere Datenmenge/mehr Varianten zu interpretieren, Proben von mehreren Familienmitgliedern (bestenfalls generationenübergreifend) hilfreich

Whole Genome Sequencing (WGS) Analyse des gesamten Genoms, hohe Sequenziertiefe, Identifizierung von Varianten auch in nicht-kodierenden Bereichen möglich

nahezu unüberschaubar große Daten-menge/Varianten zu interpretieren, Proben von mehreren Familienmitgliedern (bestenfalls generationenübergreifend) hilfreich

Im Gegensatz zu anderen genetisch bedingten Lebererkrankungen wie der HFE-asso-ziierten Hämochromatose oder dem α1-Antitrypsinmangel, existieren für die gene-tischen Cholestasesyndrome kaum Hotspot-Varianten. Für ATP8B1, ABCB11 und ABCB4 sind jeweils weit mehr als 150 verschiedene, seltene genetische Varianten bekannt, die häufig nur in einer oder sehr wenigen Familien vorkommen und mit einem breiten Spektrum variabler Phänotypen assoziiert sein können. Diagnostisch kann die Höhe der Serum-γGT helfen, die möglicherweise betroffenen Gene einzugrenzen. γGT-Erhöhungen (s. Tab. 2) finden sich bei Defekten in MDR3, DCDC2 sowie Claudin-1. Bei normaler γGT sind Defekte in den jeweiligen Genen unwahrscheinlich.

Tab. 3

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Über die letzten Jahre war die Sanger-Sequenzierung einzelner Gene für die Bestim-mung des zugrunde liegenden Genotyps die Methode der Wahl. Dabei werden meist die kodierenden Bereiche mit flankierenden Intronregionen zunächst mittels Poly-merase-Kettenreaktion amplifiziert und anschließend sequenziert. Der Abgleich mit Referenzsequenzen deckt vorliegende genetische Varianten auf. Mit der Weiterent-wicklung der Sequenziertechniken ermöglichen neue Hochdurchsatztechnologien (Next Generation Sequencing, NGS) die parallele Sequenzierung mehrerer Gene bzw. vieler Genabschnitte. Es besteht die Möglichkeit, spezifische benutzerdefinierte Pa-nels zu erstellen, um die Kosten und Daten für die Analyse zu begrenzen. Die Analyse des gesamten Exoms (Whole Exome Sequencing) oder sogar des gesamten Genoms (Whole Genome Sequencing) ist mittlerweile möglich, allerdings aufgrund der Vielzahl an detektierten Varianten und deren meist unklarer Signifikanz nur in ausgewählten Fällen zielführend. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Proben aus mehreren Generationen für die Analyse vorliegen. Der Vorteil der NGS-Techniken liegt in der schnellen parallelen Analyse mehrerer Gene. Die Herausforderung besteht dabei jedoch in der Bewertung der detektierten Varianten. Die beim Abgleich mit entspre-chender Referenzsequenz angezeigten Varianten müssen bezüglich ihrer Krankheits-relevanz eingestuft und beurteilt werden. Die Beurteilung wird durch den Abgleich mit vorhandener Literatur, mit Datenbanken, den bekannten Allelfrequenzen und dem klinischen Bild des Patienten vorgenommen. Während Nonsense-, Frameshift oder Spleißstellen-Varianten meist einen deletären Effekt auf die Proteinexpression haben, können die Effekte von einzelnen Aminosäureaustauschen (Missense-Varianten) sehr variabel sein. Eine klare Genotyp-Phänotyp-Korrelation ist oftmals nicht eindeutig zu-zuordnen. Auch wenn die genetisch bedingten Cholestasen zu den monogeneti-schen Erkrankungen gehören, können mehrere Varianten in unterschiedlichen Genen den Gesamt-Phänotyp modulieren.

In der Diagnosestellung und zur Bewertung der gefundenen Varianten kann eine im-munhistologische Färbung entsprechender Proteine im Lebergewebe des Patienten hilfreich sein. Die Indikation zur Leberbiopsie ist aufgrund der damit verbundenen Risiken kritisch zu stellen. Nicht alle genetischen Defekte gehen mit einer verminder-ten oder fehlenden Expression des betroffenen Proteins einher. Die in der Immun-histochemie und Immunfluoreszenz möglicherweise sichtbaren Veränderungen bei Varianten der verschiedenen Gene sind in Tabelle 1 und 2 aufgelistet. Während zahl-reiche BSEP-Varianten Einfluss auf die Menge an Transportern in der apikalen Plasma-membran nehmen, haben die meisten MDR3-Varianten keine Lokalisationsänderung zur Folge.

Neben vielen Vorteilen der neuen Hochdurchsatz-Sequenziertechnologien stellt die Interpretation der detektierten Varianten eine Herausforderung dar. Im Jahr 2015 wur-den daher Empfehlungen zur Interpretation genetischer Varianten von Arbeitsgruppen um das American College of Medical Genetics and Genomics (ACMG) herausgegeben. Während bisher permanente Änderungen der Nukleotidsequenz mit einer Allelfre-quenz von unter 1% als Mutationen und häufigere Änderungen als Polymorphismen eingeteilt wurden, wird die einheitliche Bezeichnung als Varianten empfohlen, um irreführende Assoziationen pathogener bzw. benigner Effekte zu vermeiden. Des Weiteren wird die Einteilung der Varianten in fünf Klassen mit folgender Terminologie empfohlen: pathogenic, likely pathogenic, uncertain significance, likely benign, benign. Die Einteilung genetischer Varianten in diese Klassen erfolgt unter Berücksichtigung von In-silico-Vorhersagen, In-vitro-Analysen zu Expression, Lokalisation und Funktion sowie von publizierten mit der entsprechenden Variante assoziierten klinischen Daten.

Etwa die Hälfte der genetischen Varianten hat einen Aminosäureaustausch zur Folge. Um den Effekt speziell von bisher unbekannten Varianten vorhersagen zu können, stehen diverse In-silico-Anwendungen zur Verfügung. Dabei werden beispielsweise die Position (welcher Bereich im Protein ist betroffen) und die Art des Austauschs (Unterschied zwischen den Aminosäuren) berücksichtigt. Homologie-Modelle, z. B. für BSEP und MDR3 anwendbar, geben zudem Aufschluss über die Strukturstabilität und Proteinfunktion. Eine weitere Möglichkeit sind zellkulturbasierte Methoden, bei denen einzelne Nukleotidaustausche in spezifische Expressionsvektoren eingebracht werden und in Zellkulturzelllinien zur Expression gebracht werden können. Diese Ex-perimente erlauben Untersuchungen zu den zellbiologischen Konsequenzen neuer

P Moderne Sequenziertechnologien (NGS) erlauben eine kostengünstige, schnelle Analyse mehrerer Cholestase­assoziierter Gene.

P Eine Herausforderung stellt bei NGS­Analysen die Interpretation der Auswirkung und Klassifizierung der detektierten Varianten dar.

P Zur Einteilung gefundener Varianten sollten die Empfehlung der ACMG berücksichtigt und die Varianten einer von fünf Kategorien zugeordnet werden (pathogenic, likely pathogenic, unknown significance, likely benign, benign).

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Varianten auf mRNA-Ebene, zur Proteinexpression, -lokalisation oder -funktion. Diese In-vitro-Methoden sind jedoch sehr zeitaufwendig und korrelieren nicht immer voll-ständig mit der im Patienten vorliegenden In-vivo-Situation.

Fazit

Die Entstehung genetisch bedingter Cholestasen kann durch Varianten in unterschied-lichen Genen verursacht oder begünstigt werden. Moderne NGS-Techniken ermögli-chen die parallele Analyse mehrerer Gene. Für die meisten detektierten Varianten ist der Krankheitsbezug jedoch noch unklar, was eine Interpretation der genetischen Analysen mitunter schwierig macht. Die Einschätzung der Genetikbefunde sollte vor dem Hintergrund der Gesamtpräsentation des Patienten sowie der Zusammenschau einer Familienanamnese bewertet werden. Mithilfe dieser Technologien konnten in publizierten Kohorten bei 20–50% von jugendlichen bzw. erwachsenen Patienten eine krankheitsrelevante Variante bzw. eine Variante, die die Entwicklung einer cho-lestatischen Lebererkrankung begünstigen könnte, identifiziert. Entsprechend ist zu erwarten, dass die genetische Analyse zukünftig einen noch höheren Stellenwert in der diagnostischen Abklärung unklarer cholestatischer Lebererkrankungen einneh-men wird.

InteressenskonflikteVK, CD, DH erklären, Reisekostenerstattung bzw. Vortragshonorare der Falk Foundation e.V. erhalten zu haben.

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Bitte beachten Sie:Bei der Beantwortung der Fragen ist immer nur 1 Antwort möglich.

Die Beantwortung der Fragen und Erlangung des Fortbildungszertifikats ist nur online möglich. Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage www.falkfoundation.de. Unter dem Menüpunkt Falk Gastro-Kolleg können Sie sich anmelden und die Fragen beantworten. Bitte diesen Fragebogen nicht per Post oder Fax schicken!

Wichtig:Fragenbeantwortung unter

www.falkfoundation.de

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Leber und Gallenwege

Fragen zu genetischen Ursachen cholestatischer Lebererkrankungen

Frage 1:Welche Aussage zu cholestatischen Lebererkrankungen trifft nicht zu?E Im klinischen Alltag wird häufig zwischen mechanisch-obstruktiver und

nicht-obstruktiver/intrahepatischer Cholestase unterschiedenE Gallensteine oder Tumoren stellen häufige Ursachen einer mechanisch-

obstruktiven Cholestase darE Charakteristisch für eine cholestatische Erkrankung ist eine Akkumulation

gallepflichtiger Substanzen in den Leberzellen und folglich im SerumE Eine intrahepatische Cholestase kann durch angeborene oder erworbene Störungen

der hepatobiliären Sekretion in Hepatozyten und Cholangiozyten bedingt seinE Insbesondere bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern spielen genetische

Defekte als Ursache einer progressiven familiären Cholestase eine untergeordnete Rolle

Frage 2:Welche Aussage zur Gallebildung und enterohepatischen Zirkulation ist richtig?E Gallensäuren werden nur in Ausnahmefällen in der Leber neu synthetisiertE Gallensäuren werden hauptsächlich in unkonjugierter Form über die kanalikuläre

Hepatozytenmembran in die Galle sezerniertE Die Gallensalzexportpumpe (BSEP) ist essenziell für die Sekretion der Gallensäuren

aus den Hepatozyten in die GalleE Der größte Anteil der Gallensäuren wird nicht aus dem Darm resorbiert, sondern

über den Stuhl ausgeschiedenE Als cholehepatisches Shunting wird die Rückresorption von Gallensäuren

aus der Gallenblase bezeichnet

Frage 3:Welche Aussage zu hepatobiliären Transportmechanismen trifft nicht zu?E ATP8B1 ist eine Flippase für Aminophospholipide und für die Zusammensetzung

der Lipide in der Lipid-Doppelschicht mitverantwortlichE ABCB4 ist eine Floppase für CholesterinE Ein Defekt der ATP8B1-Funktion führt zu einer Beeinträchtigung der Funktion

weiterer hepatobiliärer Transportproteine (z. B. BSEP oder MRP2)E Der Farnesoid-X-Rezeptor (FXR, NR1H4) ist ein durch Gallensäuren aktivierter

Transkriptionsfaktor, der die Gallensäurehomöostase und den Transport von Gallensäuren in der Leber und im Darm reguliert

E Bei intrahepatischer Cholestase können gallepflichtige Substanzen durch alternative Transportmechanismen über die basolaterale Membran ins Blut ausgeschieden werden

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Leber und Gallenwege

Frage 4:Welche Aussage trifft nicht zu? Genetische Defekte bei monogene-tischen Cholestasesyndromen wurden bisher beschrieben für

EE die Ausscheidung von Gallensäuren über den UrinEE die Ausbildung von Zell-Zell-KontaktenEE die Gallensäuresynthese oder -konjugationEE hepatobiliäre TransportmechanismenEE die Ausbildung der Zellpolarität

Frage 5:Wie viele unterschiedliche Gene sind bisher bekannt, mit einer progressiven familiären intrahepatischen Cholestase (PFIC) assoziiert zu sein?

EE 2EE 3EE 4EE 5EE 6

Frage 6:Bei welcher genetisch bedingten Cholestase treten keine extrahepatischen Symptome auf?

EE FIC1 (ATP8B1)-DefizienzEE MDR3 (ABCB4)-DefizienzEE TJP2-Defizienz EE BSEP (ABCB11)-DefizienzEE FXR (NR1H4)-Defizienz

Frage 7:Welche Aussage zu PFIC trifft nicht zu?

EE Eine PFIC manifestiert sich meist schon in den ersten LebensmonatenEE Eine PFIC kann zu einem hepatozellulären oder cholangiozellulären Karzinom

führenEE Bei PFIC finden sich krankheitsassoziierte genetische Varianten häufig auf beiden

Allelen (homozygot oder compound heterozygot)EE PFIC1–3 machen in Deutschland ca. 10% der neonatalen Cholestasen ausEE Eine PFIC ist immer mit einer normalen γ-Glutamyltransferase assoziiert

Frage 8:Welche Kriterien sprechen für ein LPAC (low phospholipid- associated cholelithiasis)-Syndrom?

EE Symptome vor dem 40. Lebensjahr, rezidivierende Choledocholithiasis oder Hepatolithiasis nach Cholezystektomie, Nachweis von Mikrokonkrementen oder Sludge in den intrahepatischen Gallengängen mittels Sonografie

EE Symptome nach dem 50. Lebensjahr, Choledocholithiasis zum Zeitpunkt der Cholezystektomie, danach keine weiteren Symptome

EE Symptome vor dem 40. Lebensjahr, Nachweis von Mikrokonkrementen oder Sludge in der Gallenblase mittels Sonografie

EE Zustand nach Cholezystektomie und Nachweis eines häufigen ABCB4- Polymorphismus

EE Symptome vor dem 60. Lebensjahr, Z. n. Cholezystektomie, Nachweis von Mikrokonkrementen oder Sludge in den intrahepatischen Gallengängen mittels Sonografie

Page 17: Genetische Ursachen cholesta- tischer Lebererkrankungen · Falk Gastro-Kolleg 3/2019 | 4 bran (FIC1, TJP2, Claudin-1) von Bedeutung sind. Ähnliches gilt für den Cholangiozyten,

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Leber und Gallenwege

Frage 9:Was ist das Leitsymptom der intrahepatischen Schwangerschafts-cholestase (ICP)?

EE IkterusEE FettmalabsorptionEE PruritusEE HepatosplenomegalieEE Fettleber

Frage 10:Welche Aussage trifft nicht zu? Die Therapie mit Ursodesoxychol-säure (UDCA)

EE erhöht die Expression und Sekretionsleistung verschiedener hepatobiliärer Transporter

EE sollte nicht zur Therapie des LPAC-Syndroms eingesetzt werdenEE wird als Therapie bei MDR3 (ABCB4)-Defekten eingesetztEE wird als Erstlinientherapie bei der ICP eingesetztEE kann als lebenslange Therapie fortgeführt werden