geschichte ungarndeutsche

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    I. Geschichte der Ungarndeutschen

    DezsSzab

    1.Einfhrung: Typologie, geographische und chronologische Abgrenzung des Unter-richtsgegenstandes

    1.1. Wie entsteht eine Minderheit?

    Das Deutschtum war im Karpaten-Becken nicht von Anfang an beheimatet. Es ist keine ein-heitliche, feste Gemeinschaft, deren Mitglieder nicht zum gleichen Zeitpunkt, aus verschiede-nen Gebieten in unterschiedlichen Zahlen eingewandert sind. Sie lieen sich zerstreut in Un-garn nieder, deshalb bilden sie keine enge wirtschaftliche, politische, kulturelle Einheit. Nur

    bestimmte Gruppenbewusstseinselemente verbinden sie, wie etwa die "gemeinsame" Sprache,diese unterscheiden sich aber in ihrer Qualitt und Funktion stark vom heutigen Nationalit-tenbewusstsein.

    Die Ausbreitung der deutschen Siedlungen in Ungarn konnte erfolgen:1. durch Eroberung, Zurckdrngung oder langsames, allmhliches Einverleibender frheren, alteingesessenen Bevlkerung

    2. durch Ansiedlung und Aufnahme von Kolonisten seitens der einheimischenStaatsmacht und durch die Besiedlung bestimmter Gebiete des Landes

    1.2. Die Namensproblematik

    Man begegnet verschiedenen Benennungen der Deutschen in Ungarn, wobei chronologischals erste Sammelbezeichnung der Name Germane noch zu der Zeit der Vlkerwanderungauftaucht. (vom lateinischen germanus). Bereits im Mittelalter folgt die Bezeichnung Sach-

    se, wobei hier darauf hingewiesen werden muss, dass diese wie auch schon die Namengermanus, teutsch oder noch spter schwab keine Herkunftsbezeichnung, sonderneine Art pars pro toto-Benennung darstellen. Bei dem Wort sachse handelte es sich um dasschsische Stadtrecht, das von den Gsten mit nach Ungarn genommen wurde. Auch das Wortschwabe galt als Synonym fr "deutsch". Hier verweist das Wort darauf, dass die erstenKolonisten nach der Trkenzeit aus dem heutigen Oberschwaben nach Ungarn gekommenwaren. Neueren Datums ist die Sammelbezeichnung Donauschwabe, die aus dem Jahre1923 stammt. Politische Konnotationen haben die Benennungen Ungarndeutsch undVolksdeutsch, beide sind zwar Selbstbezeichnungen der im Karpatenbecken lebenden deut-schen Minderheit, doch wurde das Wort Volksdeutsch vor allem im 20. Jahrhundert stark

    politisch geprgt.

    1.3. Rumliche Abgrenzung:

    1. Leitha-Gebiet (Wieselburg/Moson)2. Raaber Gegend (denburg/Sopron und Eisenburg/Vas)3. Bakonyer-Wald (Wesprim/Veszprm)4. Schildgebirge (Weienburg/Fehrvr, Komorn/Komrom)5. Mecseker Gegend (Tolnau/Tolna, Branau/Baranya)6. Sd-Ungarn (Batsch/Bcs, Torontal/Torontl, Temesch/Temes, Arad/Arad)7. Krasna-Gebiet (Sathmar/Szatmr)8. Tatra-Gebeit (Zips/Szepessg)9. Fatra-Gebiet (Turotz/Trc, Neutra/Nyitra, Barsch/Bars)10. Kroatien/Horvtorszg

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    Es ist wichtig, zu unterstreichen, dass es sich hierbei um das historische Ungarn handelt, vieleder behandelten Regionen gehren heute zu sterreich, zu dem ehemaligen Jugoslawien, zuRumnien, zu Tschechien oder zu der Slowakei. Weiterhin muss klargestellt werden, dassman hier nicht automatisch von der bereinstimmung mit den Siedlungsgebieten der Donau-schwaben auszugehen hat.

    1.4. Zeitliche Abgrenzung: Es gab drei klar abgrenzbaren Epochen der deutschen Ostsied-lung

    Karolingerzeit (9.Jahrhundert): Besiedlung der Pannonischen Mark zur Zeit Karls desGroen)

    11.-14. Jahrhundert deutsche Ost- und Sdostsiedlung 17.-18. Jahrhundert donauschwbische Siedlungsgebiete

    Der ungarische Staat gilt als der Bereich, in dem die politische Geschichte als Prozess ab-luft, whrend die einzelnen Menschen, die einen neuen sozialen Zusammenhang in der Formeiner Nationalitt aufbauen als Akteuren der Gesellschaftsgeschichte und in Hinsicht auf dieIntelligenz als die Trger der Kultur auftreten.

    Begriffe: Minderheit, Mehrheit, Nationalitt, Region, Identitt, Kolonisten

    2. Die Deutschen im mittelalterlichen Ungarn

    2.1. In der Epoche vor der ungarischen StaatsgrndungSchon im Laufe des 9. Jahrhunderts erschienen die ersten ostfrnkischen Sippen infolge derstlichen Expansion des Frankenreiches in Pannonien. Nach dem Verfall des Awarenreichessiedelten die Franken sich durch die Zurckdrngung der Awaren und der anderen Vlker an.Andererseits wurde die frhere, eingeborene Bevlkerung von ihnen langsam, aber sicher

    assimiliert. Die germanischen Stmme, vor allem die Baier, aber auch die "Sueven" (Schwa-ben) strebten nach Sden und bildeten Stammesverbnde. Dies markiert den Anfang der deut-schen Ostsiedlung, die oft mit Einzelgeschehnissen begann. Bereits im 6. Jahrhundert waren

    bayerische Mnche und Siedler bis zum Neusiedlersee vorgedrungen. Die Klster warengeistliche, kulturelle und wirtschaftliche Zentren eines greren Gebietes.

    Kirchlich gehrte das Donauland zu Passau und zu Salzburg. Der frnkische Kaiser Karl derGroegrndete zwei Markgrafschaften auf dem Gebiet Pannoniens die Ostmark und Friaul

    , sie sollten die Ostgrenzen des Frankenreichs schtzen. (Das Frankengebirge und Franken-stadt erhielten in dieser Zeit ihre Namen. Auch Esztergom=Ostarringun)

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    Infolge der stlichen Expansion des Frankenreichs lie sich eine Bevlkerung mit frnkischerund bayerischer Sprache auf dem Gebiet Pannoniens und des Gromhrischen Reiches nieder.Die whrend des 9. Jahrhunderts gegrndeten deutschen Siedlungen waren in der Gegend desPlattensees und Fnfkirchens/Pcskonzentriert. Am Anfang des 10. Jahrhunderts wurden die

    beiden erwhnten Markgrafschaften durch die Angriffe der Mhren und Ungarn zerstrt. Diesbedeutete, dass es im Ungarn des 10. und 11. Jahrhunderts im Wesentlichen keine deutscheBevlkerung mehr gab. Ob man also ber eine Kontinuitt der deutschen Prsenz seit derVlkerwanderung sprechen kann, bleibt noch fraglich.

    2.2.Nach der ungarischen StaatsgrndungDie ungarische Staatsgrndung brachte eine Vernderung aus der Sicht der deutschen Ansied-lung und es lieen sich Deutsche als Gste (hospites) wieder in grerer Zahl im Karpaten-

    becken nieder. Vor allem kamen Ritter, Priester, Mnche und Bauern nach Ungarn, und sie

    spielten eine bedeutende Rolle in der um Jahrtausendwende begonnenen ChristianisierungUngarns. Die deutschsprachige Bevlkerung erhielt eine wichtige Rolle im militrischen, po-litischen, kirchlichen und wirtschaftlichen Leben des Landes.

    Die wichtigsten Grnde fr die deutsche Besiedlung einiger Teile Ungarns im Mittelal-

    ter waren:

    die Christianisierung Ungarns enge verwandtschaftliche Beziehungen zwischen ungarischen und deutschen Herr-

    scherhusern die deutschen Siedler hatten einen Wissensvorsprung in der Landwirtschaft und im

    Handwerk

    Ungarn brauchte deutsche Siedler, um das Land urbar zu machen und um die Wirt-schaft und den Handel zu beleben

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    die Siedler erhielten freie Gerichtsbarkeit die ungarischen Herrscher schmckten sich gern mit der deutschen Kultur

    Frst Geisa(Gza) nherte sich dem Deutschen Reich, umgab sich mit einer Leibgarde ausbayerischen Ritter und begnstigte das missionarische Wirken der Bischfe Wolfgang von

    Regensburg, Pilgrim von Passau und Adalbert von Prag. Sein Sohn, Stephan (Istvn) nahmdas Christentum an (er wurde in Kln getauft) und heiratete eine bayerische Prinzessin (Gise-la, die Tochter von Heinrich des Zankers). Knig Stephan erkannte die Strke und die blei-

    bende Macht eines durch deutsche Ritter, Geistliche, Mnche und Bauer (als Gste-Hospi-tes) untersttzten Herrschers, und behielt diese in seinem Schutz.

    Mahnbrief Stephans an Emerich: in diesem empfiehlt der Knig seinem Sohn die

    Aufnahme von auslndischen Gste, weil diese dem Lande ntzen, ein Reich sei ohnehin

    schwach mit nur einer Sprache und Sitte!

    Fortan sollte die Politik der ungarischen Knige von diesem Grundsatz geleitet werden, und

    der Zufluss der deutschen Bevlkerung kontinuierlich bleiben. Die entlang der Flsse Krasznaund Beretty angesiedelten Deutschen verteidigten schon im 11. Jahrhundert das "Meszes-Tor" gegen die Angriffe der Nomadenvlker aus dem Osten. Die ungarische berlieferungerwhnt 1052 einen deutschen Burgsoldaten namens Zothmund(nach der ungarischen ber-lieferung "Bvr Kund"), der auf der Donau bei Pressburg die zur Belagerung der Stadt auf-gefahrenen deutschen Schiffe versenkte. Die Stadt Pressburg hatte bereits im 11. Jahrhundertdeutsche Einwohner. 1074 gab Knig Salamon die Stadt Wieselburg (Moson) seinem Schwa-ger, dem Kaiser Heinrich IV. Der Kaiser bergab dann dieses Gebiet kirchlichen und weltli-chen Grogrundbesitzern.

    2.3. Die Ansiedlung der Sachsen

    Der rasche Anstieg der westeuropischen Bevlkerung ab 11. Jahrhundert fhrte zu der Ab-wanderung des deutschen Bauerntums Richtung Osten nach sprlich bevlkerten Gebieten.Als sich um 1100 die bairische Siedlung vorgeschoben hatte, begannen die ungarischen Kni-ge mit einer Gegenansiedlung von deutschen Bauern im Burgenland (Westungarn). Noch heu-te verraten in Ungarn 35 "Nmeti" (=deutsch) -Orte durch ihren ungarischen Namen das ur-sprngliche Vorhandensein einer deutschen Einwohnerschaft. Wenn man von den westunga-rischen Komitaten absieht, dann entstanden vor allem zwei geschlossene deutsche Territorien,nmlich in Siebenbrgen (Erdly) und in der Zips (Szepessg). Unter Geisa (Gza) II.(1141-1162) begann die groe Einwanderung der Deutschen nach Ungarn. Die Zips umfasstdas von den Sachsen bewohnte Gebiet, das entlang der stlichen und sdstlichen Abhnge

    der Hohen Tatra und entlang des Flusses Popern liegt. Der Name des schsischen Gebietes inSiebenbrgen wird auf die Belehnung durch Gza II. zurckgefhrt. Der Knigsboden wardurch die Flsse Mieresch, Gro-Kokeln, den Alt und durch das Hermannstdter Gebirge

    begrenzt. Die Siedler kamen nicht als Eroberer, sondern wurden vom Knig gerufen und er-hielten ihr Siedlungsgebiet auf die Anweisung des Landesherrn.Die Hauptaufgabe der deut-schen Siedler war: die sprlich bevlkerten Gebiete zu bevlkern, zu bebauen und sie zu ver-teidigen. Dabei setzte man die Hoffnungen auf ihre fortschrittliche Handwerkstechnik, auf dieeffektiveren Methoden des Ackerbaus und damit im Zusammenhang auf hhere Steuerein-nahmen. Durch Binnenkolonisation und neue Zuzge entstanden dann weitere deutsche An-siedlungen. So wurde im Jahre 1211 der aus dem Heiligen Land verdrngte deutsche Ritter-orden im Burzenland(Barcasg) angesiedelt. Der Deutsche Ritterorden siedelte seinerseits

    weitere deutsche Kolonisten im Burzenland an. Dieses Gebiet lag sdlich des Alts, nrdlichdes Kronstdter (Brass) Gebirges (des Trcswarer Passes und der Tmscher Enge) und

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    wurde durch den Ritterorden zu einem System von Burgen und Festungen ausgebaut. Infolgedieser Ttigkeit entstanden die deutschen Drfer des Nsnerlandes und die schsischen Ge-meinden im Burzenland, hnlich wie frher auf dem Knigsboden. Als der Deutsche Ritteror-den durch die Strkung seiner Lage nach der Abtrennung des ganzen Gebietes von Ungarnund nach der Grndung eines selbstndigen Ordenstaates strebte, und als er das von ihm be-

    herrschte Gebiet zum Lehen des Papstes erklren wollte, wurde er von Andreas II. 1225 ver-trieben. Die Siedler brauchten allerdings eine Zusicherung bestimmter Rechte und Freiheitenund der ungarische Knig, Andreas II.war auch bereit, diese auch schriftlich zu garantieren.Im Jahre 1224 erfolgte die Regelung der rechtlichen Lage der Deutschen auf dem Knigsfeldmit dem groen Freiheitsbrief, dem so genannten Andreanum. Damit wurden die Rechte derSiedler auf einem Niveau garantiert, wie keiner anderen Gruppe in Osteuropa. Die Gltigkeitdieses Briefes wurde im 14.-15. Jahrhundert auf den Verwaltungsbezirk Bistritz-Naszd(Beszterce-Naszd) und auf das Burzenland, 1486 auf die gesamte schsische BevlkerungSiebenbrgens ausgedehnt und stellte das Grundgesetz der Siebenbrger Sachsen fr vieleJahrhunderte dar. Die Siebenbrger Sachsen wurden als eigene Nation anerkannt, die untereigenen gewhlten Richtern und dem von Knig ernannten, in Hermannstadt (Nagyszeben)

    residierenden Sachsengrafen leben durfte.Die Anfnge der deutschen Siedlung im Ungarischen Oberland nehmen sich hnlich zu Sie-

    benbrgen aus. Auch hier waren einige Orte von Kreuzrittern besiedelt, auch hierher wurdenSiedler gerufen, die vor allem wegen ihrer handwerktechnischen Kenntnissen und Flei be-gehrt waren und auch hier gab es einen Sachsengrafen, der in der Stadt Leutschau (Lcse)seinen Sitz hatte. Und auch sie hatten vom ungarischen Knig garantierte Privilegien. Dergroe Freiheitsbriefder Zipser Sachsen stammt aus der Zeit Knig Stephan V.aus dem Jah-re 1271. Dieser Freiheitsbrief fasste 24 Zipser Stdte zusammen.

    Welche waren die Gebiete des mittelalterlichen Ungarns, an denen Deutsche sesshaft

    wurden?

    Was motivierte die ungarischen Herrscher?

    Die Punkte der vergebenen Freiheitsrechte:

    bestimmte Freiheiten (libertas) besttigen oder erneuern die Unabhngigkeit von den Komitatsbehrden die unmittelbare Verbindung zur kniglichen Macht weitgehend unabhngige Gerichtsbarkeit und Verwaltung die freie Wahl der Beamten der unteren Stufe und aus eigenen Reihen die Wahl der Geistlichen

    in Heeresorganisation: Aufstellung getrennter Truppen spezifisch geregelt Steuerleistungen und Abgabenverpflichtungen

    Freiheitsbrief Knigs Bla IV. fr die Gste in Pest

    Andreanum

    2.4.Die Entwicklung der deutschen Bevlkerung der StdteDie Entwicklung eines Adels aus den eigenen Reihenwurde durch mitgebrachtes Gewohn-heitsrecht und durch die knigliche Regelung (die kniglichen mter der unteren Stufe wur-den zu Wahlmtern) verhindert. Von besonderer Bedeutung fr die Stdte war das Stadtrecht.Es regelte das Zusammenleben der Brger, ihre wirtschaftliche Belange und ihr Verhltnis zurLandesbevlkerung. Diese Stadtrechte waren schon vom 12. Jahrhundert an aufgezeichnetund von einer Stadt zur anderen bertragen worden. Bei der weiteren bertragung auf die im

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    Osten neugegrndeten Stdte bildeten sich zusammenhngende Stadtrechtslandschaften. InUngarn spielten vor allem die Wiener, Nrnberger und die Iglauer Stadtrechte eine wichtigeRolle. Die Landesherren waren an einem einheitlichen Stadtrecht an ihrem Hoheitsgebiet in-teressiert, deshalb deckten sich die Stadtrechtslandschaften meistens mit den Territorien derdamaligen Zeit. Einen Bruch in der Entwicklung der deutschen Siedlungsgeschichte bedeutete

    das Eindringen der Mongolen in den Karpathenbecken, denn erst nach dieser Gefahr konntedie Siedlungspolitik der ungarischen Knige fortgesetzt und neue Siedler ins Land gerufenwerden. Die ungarischen Herrscher unterhielten rege Kontakte zu den deutschen Frst- undKnigshusern, allen voran zu dem bayerischen Knigshaus (bekanntlich kam frher schonKnigin Gisela aus Regensburg), zu dem Haus Andechs-Meranien (hier sollte auf die negati-ve Figur des bekannten ungarischen Dramas Ban Bank, an die Knigin Gertrud, die Ehefrauvon Andreas II. erinnert werden). Elisabeth die Heilige, die Ehefrau von Ludwig von Th-ringen war eine ungarische Knigstochter und wurde in deutschen Lndern wie in Ungarn zueiner der populrsten Heiligengestalten des europischen Mittelalters. Der Sachsengraf Wil-helm wurde der Grnder der Fnfkirchener Universitt und an die Universitt von Buda beriefman Professoren aus Wien. Auf der anderen Seite studierten zahlreiche Studenten aus Ungarn

    an deutschen Universitten.Im Laufe des 14. Jahrhunderts erlebten die Stdte eine gewaltige wirtschaftliche Entwick-

    lung. Diese Entwicklung betraf in erster Linie die schsischen Stdte von Siebenbrgen. Ne-ben Syrmien in Sdungarn zhlten die Siebenbrger Sachsensthle zu dieser Zeit zu denhchstentwickelten Gebieten Ungarns. Dies wird auch durch die zahlenmige Zunahme derZnfte anschaulich. 1376 gab es in vier schsischen Stdten Hermannstadt/Nagyszeben,Schburg/Segesvr, Mhlbach/Szszsebes und Broos/ Szszvros schon 19 Znfte. DieseEntwicklung wird auch dadurch widergespiegelt, dass Knig Sigismund 1402 Bartfeld/Brtfa,Leutschau/Lcse, Tyrnau/Nagyszombat, Pressburg/Pozsony und denburg/Sopron mit demStapelrecht ausstattete und ihren Brgern das Recht des Freihandels auf dem GesamtgebietUngarns gewhrte. Auf die ununterbrochene Entwicklung der Stdte weist hin, dass KnigSigismund im Jahre 1405 mit einem besonderen Gesetz die Rechte der Stdte regelte; indemselben Jahr wurde auch das deutschsprachige Gesetzbuch der Stadt Ofen/Buda kompi-liert. Das Ofener Gesetzbuch, das keine einheitliche Konzipierung hatte und in mehreren Pha-sen entstand, fasste die Elemente der Rechte der westlichen Stdte, vor allem die Elementedes Magdeburger Rechtes, die Privilegien, die Satzungen, die Zunftordnungen und zum Teildas Gewohnheitsrecht der Stadt Ofen/Buda in ein System zusammen. Dieses Gesetzbuchwurde dann zu einem landesweit befolgten Modell. Im Grunde genommen beinhaltete es diefreie Richterwahl, die Bildung eines Rates mit 12 Geschworenen (von denen nur 2 Ungarnsein durften). Bemerkt werden sollte hier, dass die meisten ungarischen Stdte in der Epocheverdeutscht waren, daher gab es auch keine Nationalittengegenstze, denn die Ungarn waren

    aus der Fhrung ausgeschlossen. Die Wrdentrger konnten nur reiche deutsche Personensein Zu ersten Unruhen fhrte dies in den 1430er Jahren, als es 1438 zu einem Aufstand kam,der vom Ofener Dichter, Chippenwerger beschrieben wurde.

    Neben den Stdten nahmen auch die Marktflecken eine schwungvolle Entwicklung. Aller-dings mischte sich die Politik in die organische Entwicklung der deutschen Siedlungen imKarpatenbecken hinein. Knig Sigismund verpfndete 1412 dem polnischen Knig Wladis-law II. zur Finanzierung des Krieges gegen Venedig die Stdte Lublau/Lubl, Gnez-da/Gnzda, Podolin, die Burgdomne von Lublau/Lubl, sowie weitere 13 Zipser Stdte. DieStdte unter polnischer Herrschaft bewahrten bis zum Ende ihre Selbstverwaltung und auchdas Bewusstsein, zu Ungarn zu gehren. Dank ihrer Entwicklung bauten die Stdte neben derwirtschaftlichen Fhrungsposition auch ihre politische Macht aus und ab 1430 konnten sie

    auch an den Versammlungen der Stnde, an den spteren Stndetagen teilnehmen. Daherknnen auch die Siegel der Stdte Pressburg/Pozsony und denburg/Sopron auf der Urkunde

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    des Stndetages aus dem Jahre 1438 gefunden werden. Dieser Stndetag whlte Albrecht vonHabsburg zum Nachfolger von Knig Sigismund. Der ungarische Handel erlebte in dieserZeit mit den (sd)deutschen Stdten einen Aufschwung, es drang deutsches Kapital in dieStdte ein. Die Rolle Nrnbergs, spter Augsburgs stellvertretend sollen hier die FamilieFugger (der Name "fukar"), Marcus "der Nrnberger" und Johannes Siebenlinder erwhnt

    werden. Letzterer wurde finanzpolitischer Berater des Knigs. Die Stdte erhielten in den1430-er Jahren das Standesrecht (sie wurden als Stand anerkannt) und somit eine Vertretungim Landtag.

    2.5. Die Kultur

    Das Deutschtum stand jedoch nicht nur in lebhaftester Handelsbeziehung mit dem deutschenMutterland, auch die Wechselbeziehungen auf kulturellem und politischem Gebiet warenselbstverstndlich. Davon zeugt eine groe Anzahl von deutschen Lehnwrtern in der ungari-schen Sprache, aber ebenfalls gro war der Einfluss der deutschen Literatur (Hussiten, Evan-gelienbersetzungen, Chroniken). Knig Albrechts Witwe, Elisabeth lie die ungarische K-nigskrone stehlen, und die Geschichte wurde von ihrer Hofdame, Helene Kottaner erzhlt.

    Der denburgerin verdanken wir das lteste Frauenmemoire der deutschen Literaturgeschich-te. In dieser Zeit verfasste Jakob Gugelweit, Notar von denburg (Sopron) ursprnglich indeutscher Sprache das lteste bekannte ungarische Liebeslied, das so genannte "Soproni Vi-rgnek" (Blumenlied von denburg).

    Begriffe: Mark, Ansiedlung, Siedlungsgebiet, Stadtrecht, Freiheitsrecht, Freiheitsbrief, An-dreanum, Sachsen, Binnenmigration

    3. Die Ungarndeutschen in der Frhneuzeit

    3.1. Das dreigeteilte Land (1541-1686)

    In der Entwicklung der ungarlndischen Stdte bedeuteten die Angriffe der Trken, die amEnde des 14. Jahrhunderts begannen und vom 15. Jahrhundert an immer hufiger wurden,einen Bruch. Die Streifzge der Trken bedrohten vor allem Sdungarn und Siebenbrgen,und so fielen die schsischen Stdte in Siebenbrgen den Verwstungen der Trken zum Op-fer. All dies veranlasste die Siebenbrger Sachsen zur Organisation ihrer Selbstverteidigungund zu einem in Europa einzigartigen Unternehmen, nmlich dazu, Kirchen mit einer gutenstrategischen Lage zu Wehrkirchen und zu Festungen auszubauen. Das Resultat dieser Ttig-keit war ein Festungsgrtel, der am Ende des 15. Jahrhunderts mehr als 300 Wehrkirchen ein-schloss. Von diesen Festungen erhielten sich bis heute immerhin noch 150. Die Stdte unddamit auch die Sachsen stieen in der Person des Knigs Matthiasauf einen Befrworter mit

    groer Macht. Als Ergebnis der Politik des Knigs Matthias wurde die zweihundert Jahre alteBestrebung des Siebenbrger Deutschtums im Jahre 1486 erfllt: der Knig erweiterte die imAndreanum festgelegten Privilegien generell auf die schsische Bevlkerung Siebenbrgens.So verwirklichte sich endlich die siebenbrgische schsische Nation, die schsische Universi-tt (Universitas Saxonum Transsylvaniae). Die im 16. Jahrhundert einsetzende Reformationvernderte grundstzlich die religise und demzufolge auch die politische Einstellung derBevlkerung in den Stdten. Im 16. und im 17. Jahrhundert verbreitete sich das evangelischeBekenntnis unter den Deutschen und nahm ein solches Ausma an, dass diese Richtung desProtestantismus im Ungarn der Reformation auch deutsches Bekenntnis genannt wurde. Mitder rapiden Verbreitung des Protestantismus wurde die reformierte Konfession unter der un-garischen Bevlkerung das strkste Bekenntnis und wurde als ungarischer Glaube bezeich-

    net.

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    Die Herrschaft der Trken, die groe Teile Ungarns besetzten, und die mit dieser Herr-schaft eng verbundenen Heimsuchungen bedeuteten fr die Menschen dieses Zeitalters nebender konfessionellen Spaltung die grte Belastung. In Europa war die Richtung der trkischenEroberung Ungarn, und auer Ungarn das Heilige Rmische Reich Deutscher Nation. DieStreitkrfte des mittelalterlichen ungarischen Staates erlitten am 29. August 1526 in der

    Schlacht bei Mohatsch/Mohcs eine vernichtende Niederlage. Das Land fiel durch die Erobe-rung von Ofen/Buda am 29. August 1541 der Macht der Trken als reife Frucht in den Scho.Nach dem Zusammenbruch des ungarischen Knigreiches wurde das Land dreigeteilt. Die

    Deutschen Siebenbrgens traten fr ein Zusammengehen mit den Habsburgern ein, so konn-ten sie ein eigenstndiges Leben entfalten. Die Zipser erlebten eine wirtschaftliche Bltezeit.Die mittelalterlichen deutschen Siedlungen in Innenungarn sind noch im 16. Jahrhundert un-tergegangen: durch Plnderungen, die Verwstung, die Wegwanderung der Bevlkerung unddurch die parasitre Wirtschaftsweise der Trken, die keine Konzepte zur Frderung vonLandwirtschaft, Gewerbe und Handel hatten wurden riesige Gebiete entvlkert. Die Entwick-lung der Stdte hielt auf, die Bevlkerungszahl ging zurck. Hinzu kam eine Reihe von std-tefeindliche Anordnungen der politisch kurzsichtigen ungarischen Stnde in den Jahren 1492,

    1504, 1523 und selbst im Jahr der Katastrophe, 1526. Die Verbreitung der Reformation inSiebenbrgen wurde durch die in Europa noch unbekannte gegenseitige religise Duldung(Toleranz) in groem Mae leichter gemacht. In diesem Sinne wurde schon 1534 auf demLandtag zu Mediasch/Medgyes ein Beschluss gefasst. Die entscheidenden Schritte in dieseRichtung waren die Thorenburger/Tordaier Landtage der Jahre zwischen 1557 und 1571, wodie Stnde beschlossen, dass die vier katholischen, kalvinistischen, evangelischen und unita-rischen Konfessionen frei ausgebt werden durften, die orthodoxe Kirche wurde nur gedul-det.

    Siebenbrgen stand zwar unter trkischem Protektorat, trotzdem konnten die Regionen Sie-benbrgens die Verwstungen der Trkenkriege und die durch diese Kriege verursachte Hun-gersnot und Epidemien nicht vermeiden. Wegen dieser Umstnde blieb die Entwicklung, ein-geschlossen die Entwicklung der schsischen Stdte und der schsischen Siedlungsgebiete,stehen. Die Siebenbrger Sachsen konnten allerdings trotz all dieser Ereignisse noch weiterezweihundert Jahre lang erfolgreich gegen die Concivialitt das Recht der Ansiedlung dernichtschsischen Bevlkerung in den von den Sachsen bewohnten Stdten und auf ihren Sied-

    lungsgebieten ankmpfen. Neben Siebenbrgen blieben die wichtigsten deutschsprachigenSiedlungsgebiete des Karpatenbeckens weiterhin die Zips und Westungarn (das sptere Bur-

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    genland). Auf dem Gebiet des Kniglichen Ungarn, in Oberungarn, erlebten die Stdte im 16.Jahrhundert durch den bedeutenden Erzbergbau, im Gegensatz zu Siebenbrgen wieder eineBltezeit. Neben der wirtschaftlichen Entwicklung spielte auch die religise Erneuerung, dieReformation eine bedeutende Rolle beim Ausbau und bei der Bewahrung des eigenen Schul-systems und der Unabhngigkeit der Nationalitten, die auf diesem Gebiet lebten, vor allem

    der deutschen. Aber auer den besetzten und siebenbrgischen Gebieten erreichten die trki-schen Einflle auch die Stdte in Oberungarn und in der Zips. Neben den bestndigen Kmp-fen mit den Trken nahm die Gegenreformation in der zweiten Hlfte des 16. Jahrhundertsihren Anfang und nahm ab 17. Jahrhundert einen groen Aufschwung.Im 16. und 17. Jahrhundert verbreitete sich also der lutherische Glaube, vor allem unter denDeutschen berall in Ungarn. Der Lutherische Glauben wurde auch als "deutscherGlauben"

    bezeichnet, whrend der Kalvinismus sich eher bei den Ungarn durchsetzen konnte. Im Ge-gensatz zu Siebenbrgen versuchte Wien die Gegenreformation im habsburgisch verwaltetenOberungarn mit voller Gewalt durchzusetzen. Das brutale Vorgehen gegen die Protestantenfhrte zu Aufstnden. Die deutschen lutherischen Einwohner der Stdte (Leutschau/Lcse,Kaschau/Kassa, Ksmark/Ksmrk, Bartfeld/Brtfa, Preschau/Eperjes) standen wegen der

    Verteidigung ihres Glaubens gegen die Habsburger an der Seite von Bocskai, Bethlen undGyrgy Rkczi, Thkly und Ferenc Rkczi II. (Jakob Krayaus Ksmark, Mrton Lnyi- der Ratsherr, Samuel Topperczer - der Brger, Urban Czelder- der einzige Brigadier br-gerlicher Herkunft). Mit Ausnahme einiger Zipser Stdte traten die ehemals lutherischenBergstdte wieder zum katholischen Glauben ber.

    Was war charakteristisch fr die Ansiedlung der Deutschen im MA?

    Was fr Privilegien hatten Sie?

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    3.2. Die Ansiedlung der Ungarndeutschen nach der Trkenzeit

    3.2.1. Historische Voraussetzungen im Knigreich Ungarn

    Im Schwunge der Begeisterung nach der siegreichen Abwehr der osmanischen Belagerungvon Wien 1683, ergriff das kaiserliche Heer die Initiative und drngte die Trken aus dem

    Donauraum.1686 konnte auch Ofen befreit werden. Die Folge war eine gewaltige Machtver-schiebung; der gesamte mittlere Donauraum kam an das Habsburgerreich. Allerdings kam eszur Grenzstabilisierung erst nach dem Frieden vonPassarowitz (Pozsaverc), im Jahre 1718.Das Ergebnis der Trkenkriege schuf die Voraussetzungen fr eine Wiederaufnahme deut-scher Kolonisation in Sdosteuropa. Die Trkenherrschaft warf die Entwicklung des Landesum Jahrhunderte zurck. Nach Mohatsch geriet Ungarn in die Interessensphre zweier Gro-mchte und es wurde eine Pufferzone zwischen Ost und West. Charakteristisch waren derVerlust von Produktionsmitteln und Arbeitskrften, die Verschleppung und Flucht der Bevl-kerung, die Verwstung und Verwilderung der Kulturlandschaft. Dies alles hatte zur Folge,dass sich die frhkapitalistische Produktion nicht hat herausbilden knnen. Die abziehendenTrken und die vordringenden kaiserlichen Truppen plnderten die Ortschaften und steckten

    sie in Brand. Der starke Bevlkerungsrckgang fhrte zum Zerfall der alten Siedlungsstruk-tur. Die neue Struktur wurde dann von der berlebensstrategie der Bevlkerung geprgt. DieEntvlkerung traf besonders die mittleren und sdlichen Gebiete des Landes. Die Kriege ver-schlungen den natrlichen Zuwachs, die ethnische Struktur des Landes nderte sich im Laufeder Trkenherrschaft grundlegend, weil die Kriege hauptschlich die von Ungaren bewohntenGebiete betrafen. Die noch labilen Besitzverhltnisse lockten viele Migranten in die wieder-eroberten Gebiete an.

    Es gab verschiedene Formen der Einwanderung- die sdslawische Einwanderung- spontane Rckwanderung der Ungarn- andere Ethnien aus der Peripherie (Rumnen, Slowaken, Ruthenen, Juden)- die Grundherren griffen zum wirksamsten Mittel: Anwerbung von Kolonisten, zu einerManahme, die seit dem Mittelalter Traditionen in Ungarn hatte.

    3.2.2. Warum? Mgliche Grnde

    Die wichtigste Ursache fr die Auswanderung war die wirtschaftliche Not in Europa nachdem 30jhrigen Krieg. Etwa drei Viertel der Bevlkerung waren in der Landwirtschaft be-schftigt, deren Existenz mageblich von guten und schlechten Jahren, von der jeweiligenErnte bestimmt war. (Missernte, Teuerung, Arbeitslosigkeit, Krieg=Steuerlast, Vorspann,Einquartierung). Aber die Dichtbesiedlung, die berbevlkerung (=kleinbuerliche Parzel-

    lenwirtschaft, damit Bodenstckelung) und auch politischer Druck und religiser Zwang ge-hrten in Sdwestdeutschland zu den Auswanderungsgrnden. Den entscheidenden Anstogab jedoch die Kolonisationspolitik der Habsburger. Die Auswanderung hatte zwei Aspekte:Wegzug der Person und Abzug von Vermgen. Erhielt jemand die Genehmigung zur Aus-wanderung, so musste er sich zuerst von seinem Herrn loskaufen. Er brachte die Bitte beimrtlichen Vogt an, der sein Ansuchen mit einer Begleitschrift weiterleitete. Das Oberamt teiltedaraufhin die Entscheidung mit und stellte gegebenenfalls eine Urkunde (Manumissionsbrief)aus, die dem Bittsteller nach dem Bezahlen der Abzugsgebhren ausgehndigt wurde. da-durch hatte man die Mglichkeit, die Auswanderung zu verhindern. Eine groe Untertanen-zahl galt nmlich als grundlegendes Merkmal fr den hohen Stand von Macht und Reichtumdes Landes.

    Fr die Auswanderung sind zusammenfassend vier Grnde zu nennen: Die Anwerbung erfolgte meist mit Versprechen auf Land und ein besseres Leben

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    Wirtschaftliche Not in der alten Heimat Lange Friedenszeit in Ungarn nach der Trkenzeit bis zu den Napoleonischen Kriegen

    im sonst von Unruhen und Revolutionen heimgesuchten Europa des 18. Jahrhunderts Die Mglichkeit eines Nachzuges von Verwandten und Bekannten aus der alten Hei-

    mat

    3.2.3.Welche Grnde bewegten den Staat?

    3.2.3.1. Politisch-militrische Grnde

    Die niedrige Bevlkerungsdichte forderte eine vom Staat systematisch betriebene Bevlke-rungspolitik. Auch das Ergebnis der Trkenkmpfe schuf die Voraussetzungen fr eine erneu-te deutsche Kolonisation. Als erstes sind hier militrische berlegungen zu nennen. ZumSchutz der neuen Grenzen sah man die Widerbevlkerung der ungarischen Festungen mitdeutschen Soldaten, Veteranen vor. Allmhlich bildete sich eine stdtisch-brgerliche Gesell-schaft heraus. Entlang der Grenzen wurden Wehrsiedlungen angelegt, deren Bewohner zumMilitrdienst verpflichtet waren.

    3.2.3.2.. Wirtschaftliche Grnde

    Die vorherrschende Theorie der Epoche war die Populationistik und der Merkantilismus.Die-se Wirtschafttheorie forderte die Steigerung der Produktivitt in der Landwirtschaft und imGewerbe sowie eine aktive Handelsbilanz. Wichtig war dazu die Vermehrung der steuerzah-lenden Untertanen nach dem Motto Ubi populus, ibi obulus (Wo die Menschen, dort dasGeld). Zur Hebung der Bevlkerungszahl bot sich als kurzfristig wirksame Mglichkeit dasHeranziehen auslndischer Arbeitskrfte an. Die Menschen nahm man eben dorther, wo sie ingroer Zahl und mit den besten Fachkenntnissen zur Verfgung standen.

    3.2.4. GermanisierungsabsichtenSicherlich waren sie vorhanden, auch die ungarischen Groherren siedelten Deutsche an. Mansetzte sich die Frderung der Volksvermischung zum Ziel. Dabei gab es unterschiedliche Auf-fassungen:-das eine Lager erstrebte die schnelle Erhhung der Bevlkerungszahl durch direkte Metho-den an (man nannte diese auch Kameralisten)- das andere Lager sah die Erschlieung des Bodens als Hauptziel an, wollte deshalb auchAnsiedler, die leicht zu bekommen waren.

    3.2.5. Wohin? Geographische Voraussetzungen

    Die Ansiedlungsgebiete befanden sich im historischen Ungarn bzw. im Karpathenbecken, derknftige Lebensraum der Siedler umfasste den westlichen und sdlichen Teil des pannoni-schen Beckens, wobei die Grenzen im Westen der Fluss Raab, im Osten die Schwarza (Cer-na), im Sden die Flsse Sau und Drau und im Norden die Karpaten bildeten. Man sechsSiedlungsgebiete unterscheiden:

    o Das Bergland zwischen Raab, Donauknie und Plattensee mit den kulturell-wirtschaftlichen Zentren Ofenpest/Pest, Weibrunn/Veszprm, Stuhlweien-

    burg/Szkesfehrvr, Gran/Esztergom und Waitzen/Vc.o Die Schwbische Trkei zwischen Plattensee, Donau, Drau (Schomo-

    dei/Somogy, Tolnau/Tolna, Branau/Baranya) mit den Zentren Fnfkir-

    chen/Pcs, Sexard/Szekszrd, Bonnhard/Bonyhrd, Ruppertsburg/Kaposvr.

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    o Syrmien und Slawonien zwischen Drau, Donau und Sau mit den ZentrenRuma, India, Semlin/Zemjn.

    o Die Batschka zwischen den Unterluien der Donau und Thei mit den ZentrenNeusatz/jvidk, Apatin und Werba/Verbsz.

    o Das Banat zwischen Thei, Donau, Sdkarpaten und Mieresch mit den Zen-

    tren Temeschwar/Temesvr, Lugosch/Lugos, Reschitz/Resicabnya und Pant-schowa/Pancsova.o Sathmar und Transtisien zwischen Mieresch und Samisch mit den Zentren

    Arad Growardein/Nagyvrad und Grokarol/Nagykroly.

    Der gesamte Siedlungsraum hatte eine groe Ausdehnung: eine Flche von 140.000 qkm, aufder am Ende des 19. Jahrhunderts rund 1,5 Millionen Donauschwaben wohnten. Auer dengenannten Stdten hatten folgende Stdte einen berwiegenden deutschen Anteil: Sege-din/Szeged, Sombor/Zombor, Esseg/Eszk, Komorn/Komrom, Agram/Zgrb, Erlau/Eger.

    3.2.6. Wie? Anwerbung und Reisemodalitten

    Die Anwerbung der Siedler wurde fr die Zeit schon mit sehr modernen Mitteln durchgefhrt.Es kostete eigentlich nicht viel Geld. ffentliche Bekanntmachungen von Einwanderungspa-

    tenten, Werber, Agenten die durchs Land zogen, sowie Werbezettel sollten die Bevlkerungdes Deutschen Reiches mit groen Versprechungen zur Auswanderung bewegen. Allerdingsmeldete sich bei der Anwerbung auch eine Konkurrenz anderer europischer Lnder, die e-

    benfalls an der Heranziehung von deutschen Kolonisten interessiert waren.Der Reiseweg der Kolonisten nach Ungarn bestand aus zwei Etappen: die eine vom Heimatort

    bis Wien, die zweite von dort bis zum Ansiedlungsziel. Die erste mussten die Kolonistenselbst organisieren, die zweite wurde von den Staatsbehrden und/oder den Grundherren fi-nanziert und auch kontrolliert. Den grten Teil machten die Kolonisten auf der Donau. Diewichtigsten Sammelpltze waren Ulm, Regensburgund Gnzburg. Die Schiffe fuhren nacheinem festen Fahrplan wchentlich jeden Sonntag (nach einer Messe) und verkehrten bis

    Wien bereits seit 1696 ab Regensburg, seit 1712 ab Ulm, seit 1750 ab Donauwrth, 1769Gnzburg. Man benutzte flache Boote (Ulmer Zillen oder Pltten, Regensburger Kehlheimer,Ulmer Schachtel). DieUlmer Schachteln waren 20-25 Meter lang, 4-5 Meter breit. Die Httehatte nur eine Lnge von 6-8 Meter. Im 16. Jahrhundert hatten sie Wein und andere Gter vonUlm nach Wien transportiert. Im 18. Jahrhundert brachten sie auch Kolonisten die Donau ab-wrts, es gab allerdings sehr wenig Platz fr Gepck: nur Kleidung, Essensvorrte, Saatgut,Handwerkszeug, Kleinvieh konnte mitgenommen werden. Die Bezeichnung kam erst in derzweiten Hlfte des 19. Jahrhunderts auf, die Ulmer Schiffsmeister wandten sich sogar ent-schieden gegen eine solche Bezeichnung ihrer Fahrzeuge. Es war eine gefhrliche Reise:schwierige Donaustrecke, nicht ausgebaut, Stromschnellen, hufige Hochwasser mit groenberschwemmungsgebieten (Malariamcken). Von Ulm brauchte man bei gutem Wetter etwa6-9 Tage, denn in der Nacht wurde selten gefahren. Es wurde in Gasthfen bernachtet. Beischlechtem Wetter (Wind u. Nebel) dauerte die Reise 12-14 Tage. Die meisten Kolonisten

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    whlten zur Abfahrt die Monate Mai und Juni, wo es weder zu hei noch zu kalt war. Manzahlte fr die Reise gewhnlich einen Kreuzer je Meile und Kopf also bedeutete dies fr einefnfkpfige Familie bis Wien 8 Gulden. Es galt, grndliche Vorbereitungen fr die weite Rei-se zu treffen, fr die meisten Familien war es eine enorme Belastung. Vom Heimatort bis Ulmoder Regensburg galt es neben den Fuhrwerkkosten noch Nchtigungen und Verpflegung zu

    bezahlen. Nicht alle Kolonisten bentzten die fahrplanmig verkehrenden Schiffe, vielmehrbediente sich ein Teil der Auswanderer fr ihre Reise auf der Donau billigerer Gelegenheits-schiffe. Es kam auch vor, dass eine Gruppe ein ganzes Fahrzeug mietete und so gnstiger da-vonkam. Diese Schiffe waren von leichterer Bauart, nur fr eine Reise gebaut, dann in Wienals Brennholz (oder spter zum Bau der Kolonistenhuser) verwertet, daher auch gefhrlicher.Besonders die Strecke nach Linz galt als sehr gefhrlich, da die Durchfahrt durch den ge-frchteten Donaustruden bei Grein bevorstand. Ein groer Felsen inmitten der Donau, gegenden das Wasser mit voller Wucht schoss, verursachte damals noch einen groen Wirbel. Andieser Stelle mussten sich die Schiffe der Strudenfahrer bedienen. Im Frhjahr 1770 kamenhier 300 Menschen ums Leben.Die Schiffe erreichten Wien nach der Einfahrt bei Nussdorf und legten an den Ufern der Ros-

    sau an, wo die Passagiere an Land gingen, sich beim Wassermautamt meldeten und von dortdie ersten Anweisungen erhielten. Manche bernachteten auf dem Schiff oder bei gutem Wet-ter auf der damals noch unbebauten Rossau unter freiem Himmel. Jene, die es sich leistenkonnten, gingen in die Leopoldstadt hinber, um in den dortigen Gasthfen fr einige TageQuartier zu beziehen. Dann erhielten die Kolonisten ihr Reisegeld und wurden fr die einzel-nen Gebiete verteilt. Spter setzte man einen Kommissar ein, der die Psse kontrollierte, dieLeute ber Beruf, Herkunft, Alter, Religion, Vermgen befragte. Dies alles war schnellstenszu erledigen, da man vermeiden wollte, dass die Leute unntig ihr Geld in Wien ausgeben.Sofern sie weitermussten (von Wien oder von Buda aus) machten sie den Rest auf Fuhrwer-ken. Der Weg der Kolonisten ber die ungarische Puszta dauerte dann vier bis sechs Wochen,denn nichts war vorbereitet, auf die Wagen musste man oft tagelang warten, gengend Le-

    bensmittel waren fr so viele Menschen auch nicht bereitgestellt. Viele verhungerten und ver-dursteten im heien Sommer der verdeten Puszta. Zahllose Insekten und das ungeniebareTrinkwasser verursachten bald die gefhrliche "ungarische Krankheit" unter den Auswandern,so dass viele schon zugrunde gingen. Die meisten gaben ihr Geld schon unterwegs aus, muss-ten anfangs praktisch betteln. Viele versuchten in die Heimat zurckzukehren. Dort wollteman sie nicht zurckhaben, denn man hatte groe Angst vor der Seuche.

    3.2.7. Wer kam nach Ungarn? Herkunftsgebiete der deutschen Siedler

    Zuerst kamen die Siedler aus der nchsten Nachbarschaft, nachher griff die Auswanderungs-welle westwrts auf Bayern, das Schwbische-, Badische-, Main-, und Rheinfrnkische Ge-

    biet, dann auch auf Elsass, Lothringen, der Pfalz, Saar und Mosel. Die meisten der Auswande-rer des 17. und 18. Jahrhunderts waren junge Familien mit mehreren Kindern, deren Motiva-tion durch die Aussicht zur Besserung der wirtschaftlichen und sozialen Verhltnisse geprgtwurde. Zweitens bedeutete die Entscheidung, nach Ungarn zu fahren keine Auswanderung imklassischem Sinne des Wortes, die Betroffenen blieben im selben Staatsgebilde, unter derHerrschaft des gleichen Kaisers, sie zogen nur von der Sdwestgrenze des Reiches an dieSdostgrenze. Nicht selten wanderte man mit anderen Emigranten aus der gleichen Ortschaftin geschlossene Gruppe aus. Grnde fr die Gruppenauswanderung waren erstens die gezielteWerbung und zweitens, um so die Schwierigkeiten und Gefahren sowie natrlich Kosten derlangen Reise zu verringern. Insgesamt schtzt man die Zahl der zwischen 1686 und 1829 nachUngarn ausgewanderten Siedler auf rund 150.000. Da sie immer wieder auf mehrere Sied-

    lungsgebiete Ungarns verteilt worden waren, schmolzen infolge der Vermischung die Stam-mesunterschiede auf ein Minimum zusammen. Obwohl sprachlich und herkunftsmig das

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    frnkische Element berwogen haben drfte, bezeichneten sich die deutschen Siedler weitge-hend selbst als Schwaben und wurden auch von den andersnationalen so genannt. Das WortDonauschwabe oder Schwabe ist demnach eine Kollektivbezeichnung. Erst Spter erfolgtedas Zusammenwachsen zu einem neuen Volksstamm. Der Name fand erst nach dem I. Welt-krieg allgemeine Verbreitung.

    3.2.8. Was war anders fr die Kolonisten im Vergleich zu der Heimat?

    Die Kolonisten wurden mit einer Reihe neuen Begebenheiten in der neuen Heimat konfron-tiert. Ihre alte Heimat war durch die Kleinrumigkeit und die groen landschaftlichen Vielfl-tigkeit, groe Waldbestnde, meist Laub- und Mischwald, kleinere Tlern und Beckenland-schaft, zahlreiche Burgen, kleinere und grere Stdte, viele Drfer gekennzeichnet. Die

    Neue Heimat wies eine Reihe anderer Gegebenheiten auf: sie war viel grorumiger aberauch einfrmiger. Die neue Umwelt war in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht sowie ihrerBevlkerung nach andersartig. Das Erlebnis der Nachbarschaft mit Vlkern, von denen sie

    bisher nichts gewusst hatten, die Berhrung mit der Lebensart, religiser Andersartigkeit mitden Madjaren, Sdslawen, Trken bedeuteten allesamt eine neuartige Erfahrung. Es gab ande-

    re Grundherrschaftsverhltnisse, andererseits viele Grundherren, die in Wien beheimatet wa-ren und mit ihren deutschen Untertanen ein gutes Verhltnis anstrebten. Noch dazu waren dieSiedlungsgebiete nicht nur national, sondern auch konfessionell gemischt, entvlkert, wirt-schaftlich schwach, wobei die Verhltnisse noch nicht ganz konsolidiert waren, es bestandimmer noch die Gefahr, dass die Trken zurckkehren, es gab Hungersnte, die Kolonistenhatten sich an ein anderes Klima anzupassen. Diese Faktoren demonstrieren auch die Richtig-keit des damals verbreiteten Spruches:Der erste hat den Tod, der zweite die Not, der dritte das Brot

    Nr. 29 Tafferner

    Wie beschreibt der Autor den Zustand von Ofen?Warum ist es nicht mglich, Leute zum Wiederaufbau heranzuziehen?Was msste getan werden?

    Nr. 40 Tafferner

    Was wurde versprochen?

    3.2.9. Siedlungsaktionen

    in Ungarn

    Man kann zwischen derstaatlichen und der privaten

    Kolonisation unterscheiden.Die staatliche Siedlungst-tigkeit fand unter der Herr-schaft der Habsburg Kni-ge statt

    Die Herrscher whrend derAnsiedlungszeit:Leopold I.1658-1705Joseph I. 1705-1711Karl VI.1711-1740

    Maria Theresia1740-1780Joseph II. 1780-1790

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    Es gab verschiedene Vorstellungen zu der Wiederbesiedlung des Landes. Die Ungarn ar-

    beiteten einen Plan unter der Leitung von Frst Paul Esterhazy (Palatin) und Gyrgy Szeche-nyi aus. Ihr Ziel war es, die staatliche Integritt des Landes wiederherzustellen und die Vor-rechte der Stdte zu sichern. Ursprnglich sollten die nrdlichen und die westlichen Komitate

    ihre berschssige Bevlkerung an die sdlichen Komitate abgeben, aber auch Neusiedlerherangezogen werden. Man erhoffte die Vermehrung der Einnahmen der Ungarischen Hof-kammer durch die Beibehaltung der rckeroberten Kammergter und durch die Erweiterungder staatlichen Monopolrechte. Auf der Seite der Habsburger wurde Bischof Graf LeopoldKollonich mit der Ausarbeitung der Plne beauftragt. Kollonich reichte nach einer15monatigen Arbeit sein 500 Seite umfassendes "Einrichtungswerk" ein. Dieses Werk enthieltdie grundlegend reorganisierte Verwaltung und die Germanisierung Ungarns. Der Erzbischofhatte die Meinung, dass die ganze Monarchie daran ein Interesse haben sollte, jeder Provinzdie eigene Autarkie auszubauen. In diesem Sinne sollte auch Ungarn zur Selbstversorgungfhig gemacht werden: Es mu bevlkert und reich gemacht werden, es mu mit Militr, mit

    Burgen, mit Einkommen und mit Regalien versorgt werden. Auch dieser Entwurf war vom

    Merkantilismus durchdrungen. Die meisten Vorschlge des Entwurfs von Kollonich wurdenzwar nicht angenommen, aber in Bezug auf die Ansiedlung der Deutschen in Ungarn wurdeseine Konzeption verwirklicht. Durch eine Reihe von Aufstnden der Ungarn im 17. Jahrhun-dert kam vom Standpunkt des Habsburger Hofes der Vermischung der Ungarn mit anderen

    Nationalitten eine besondere Bedeutung zu. Hier sollen vor allem die Germanisierungsbe-strebungen betont werden. Der Erzbischof Graf Leopold Kollonich formulierte in seinemEntwurf weiter: damit das Knigreich oder wenigist ein groer Theil dessen nach und nachgermanisieret, das hungarische zu Revolutionen und Unruhen geneigte Geblt mit dem teut-schen temperiret und mithin zur bestndigen Treu und Lieb ihres natrlichen Erbknigs und

    Herrn aufgerichtet werden mchten. Kollonich ging von ungarischen und nicht von gesamt-staatlichen Interessen aus, er hielt die gerechte Neuverteilung der Steuer innerhalb der Monar-chie und die Neubesiedlung Ungarns sowie die Hebung des Wohlstands fr unerlsslich. DerAusschuss in Wien unter Frst Ferdinand Dietrichstein empfahl dem Kaiser nur einige Punk-te, so die Kolonisation daraufhin am 11. August 1689: das erste habsburgische Impopulati-onspatent. Rechtsgrundlage: Gesetzartikel des ungarischen Landtags 1722/23. Die in den Ge-setzartikeln garantierten Rechte der Kolonisten wie die Freizgigkeit, die Befreiung von staat-lichen Steuern, die Arbeiten, die Einquartierung des Militrs wurden in der Praxis durch An-siedlungskontrakte zwischen Herrschaft und Kolonisten geregelt.

    Die Grundlage der deutschen Ansiedlung in Ungarn war der Gesetzartikel 103 (1723).Dieser legte fest, freie Personen in das Land zu rufen. Der Kaiser und Knig wurde bevoll-mchtigt Ansiedler ins Land zu rufen und Einladungspatente zu erlassen. Eigentlich begann

    die grozgige staatliche Ansiedlung nach dem Passarowitzer Frieden (1718) Von da an bliebdie Grenze stndig die Sawe und Donau! Die Kolonisation umfasste einen Zeitraum von fast150 Jahren, doch kann man Periode unterscheiden, wie etwa die drei Schwabenzge.Am Anfang man warb um Kolonisten im habsburgischen Vordersterreich und in den an-grenzenden Territorien, z. B. in Oberschwaben, wo der Widerhall anfangs so stark war, dassmancherorts fast die ganze Gemeinde auswanderte. Die planmige und organisierte Koloni-sation wurde mit der Besiedlung des Banats begonnen, mit Kolonisten u. a. aus Schwaben,dem Oberen Neckargebiet und aus dem Frstentum Frstenberg. Nach dem RegierungsantrittMaria Theresias begann eine erneute Einwanderung in das Banat, die Batschka und nachSlowenien aus ganz Sdwestdeutschland. Das von Joseph II. erlassene Toleranzedikt ermg-lichte den protestantischen Emigranten erst nach 1781 in grerer Zahl sich in Ungarn anzu-

    siedeln. Damals wurde auch Wrttemberg von der Ungarnwanderung erfasst. Viele Wrttem-berger lieen sich in der Schwbischen Trkei, in der Batschka und in Syrmien nieder.

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    3.2.9.1.Der erste groe Schwabenzug. Das Beispiel Banat

    Knig Karl III. beauftragte mit der Einrichtung der kaiserlichen Herrschaft Feldherr ClaudiusFlorimund Graf Mercy. Dieser legte 1719 seine Vorschlge vor. Er betrachtete neben dermilitrischen Absicherung den wirtschaftlichen Aufbau des Gebietes als seine dringendste

    Aufgabe. Mercy wollte die Binnenmigration zum Stillstand bringen und zugleich die Einwan-derung frdern. 1722 startete er eine gro angelegte Kolonisation. Nach seinem Plan solltendie deutschen Kolonisten zum Teil in bestehenden Ortschaften angesiedelt werden. Um effek-tiver zu sein, nahm man die Ansiedlung aus dem regulren Behrdensystem heraus und unter-stellte sie zwei Verwaltungsbeamten.Die Bedingungen waren nicht gnstiger als im Landesinnern, denn Mercys Forderungen zu-nchst streng waren. Er musste dies bald einsehen und erhhte die Anzahl der steuerfreienJahre von drei auf vier-fnf, nach wenigen Jahren bereits positive Vernderungen. Wien un-tersagte in dieser Zeit noch die Ansiedlung von Protestanten, weil man befrchtete, dass diereligise Toleranz die staatliche Macht schwchen knnte. Nach der Trockenlegung derSmpfe und der Kanalisierung des Flusses Bega entstand ein 92 Km langer Schiffskanal, eine

    der wichtigsten Verkehrstraen des Banats, welche die Stadt Temeschwar ber die Thei unddie Donau mit Wien verband. In zahlreichen Vorschriften versuchte die Landesadministrati-on, die Bauern zur Einfhrung modernerer Wirtschaftsmethoden und zum Anbau hherwerti-ger Getreidesorten zu bewegen. Um das Niveau der Agrarproduktion zu erhhen rief manitalienische Fachleute ins Land, zur Belehrung der Wirte wurden Musterwirtschaften einge-richtet und unter ihnen Fachbcher verteilt. Auch der Bergbau und die gewerblich-industrielleProduktion wurden gefrdert, Manufakturen wurden gegrndet, weil die Rohprodukte desBanats im Lande verarbeitet und der eigene Bedarf gedeckt werden sollte. (Tuch-, Leder- undSeidenverarbeitung, Mehl- und Papiermhlen). Der Handel konnte bald eine erfreuliche Bi-lanz aufweisen. Mercy fhrte die Preis- und Qualittskontrolle ein, untersttzte die Bildungvon Handelsgesellschaften, sorgte fr eine gute Verwaltung und fr eine vorbildliche Ord-nung, es gab sichere und gute Straen. Er frderte den Bau von profanen und kirchlichen Ge-

    buden vor allem in Temeschwar. In jeder Gemeinde wurden Schulen eingerichtet und dieKinder zum Schulbesuch angehalten.Mercy erwarb auch bei der Neubesiedlung der Schwbischen Trkei groe Verdienste. Erkaufte 1722 eine Domne von 25 Drfern und fllte diese gleich mit Kolonisten an. Erschickte seine Agenten nach Wien, wo er die in geordneten Zgen dort angekommenen undzur Rast ans Land gesetzten Kolonistengruppen dazu berredete, sich anstatt im entferntenBanat, auf seinen Gtern niederzulassen. Mercy hatte seine Erfahrungen aus seiner BanaterZeit einsetzen knnen. Er lie die ungarische Bevlkerung von der deutschen getrennt nieder-lassen, auerdem rief er auch Protestanten mit Vorliebe.

    3.2.9.2. Der zweite groe Schwabenzug (1763-1773)

    Unter Maria Theresias Herrschaft (1740-1780) kam es zu der zweiten groen Welle der Kolo-nisation. Es gab zunchst Schwierigkeiten wegen dem Siebenjhrigen Krieg, doch am25. Februar 1763 wurde das Kolonisierungspatent der Kaiserin erlassen, welches die Fortset-zung ermglichte.

    Tafferner Nr. 123

    Die Knigin forderte in ihrem Patent die ausgedienten Soldaten des Siebenjhrigen Krie-ges auf, sich als Siedler in Ungarn niederzulassen. Der Militrgouverneur des Banats war Ge-

    neral Graf Ferdinand Alois Kolowrat, der in Fortsetzung der Politik Mercys versuchte, dieSiedler vor allem ins Banat zu locken. Aber die Knigin Maria Theresia machte das Banat zur

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    Strafkolonie und Wien schickte seine unerwnschten Brger hierher ins Exil. So wurde dieBatschka zu dieser Zeit zum ersten Ziel der 1763 begonnenen Ansiedlung. In der zweitenHlfte des 18. Jahrhunderts stieg das Interesse an deutschen Kolonisten weit und breit in Eu-ropa: Preuen, Russland und Spanien versuchten, deutsche Siedler ins Land zu ziehen. Derinternationale Wettbewerb um deutsche Kolonisten fhrte schlielich dazu, dass der Wiener

    Hof im Gegensatz zur Siedlungspolitik der 1720-1730-er Jahre die religisen Beschrnkungenabschaffte. Die Gewinnung der protestantischen deutschen Bevlkerung wurde auch dadurchweiter angereizt, dass die Frsten und die Aristokraten des Deutschen Reiches die Auswande-rung ihrer wohlhabenden Untertanen in groem Mae verhinderten. Somit kam der grteAnteil der in Ungarn angekommenen Kolonisten aus den rmeren Schichten; all dies machteeine staatliche Untersttzung von hherem Ausma ntig. Als Schutz gegen die Besitzlosen,die in immer grerer Anzahl nach Ungarn kamen, verlangte der Hof, dass die Ansiedler berein Vermgen von mindestens 200 Gulden verfgen mssten. Diese Summe stieg in derBatschka auf 500 Gulden. Zwischen den Jahren 1763 und 1773 kamen 40 000 deutsche Kolo-nisten in Sdungarn an, unter ihnen siedelten Bergleute, Steinbrucharbeiter, Eisen- und Kup-ferschmiede aus der Steiermark und aus der Zips in sehr hoher Anzahl an. Die Hauptrichtung

    der Siedlungsaktionen waren das Banat und die Batschka, doch whlten viele Kolonisten auchdie Komitate Tolnau und Branau zum Wohnsitz. 1767 lebten etwa 75.000 Deutsche (13 200Familien) in Tolnau. Die Siedlungsaktion kostete fr die Schatzkammer zwischen den Jahren1763 und 1772 jhrlich 200.000 Gulden. Der Hhepunkt der Ansiedlung fiel in die Jahre1768-1771, als etwa 17.000 Deutsche aus Lothringen, Trier, Elsass, aus dem Schwarzwald,aus Baden-Baden, Schwaben, Tirol und aus der Schweiz nach Ungarn kamen. Wegen derungeheuren Kosten wurde die Siedlungsaktion mit staatlicher Finanzierung von Knigin Ma-ria Theresia 1773 zum Stillstand gebracht. Die dauf folgende Privatkolonisation (siehe dort!)dauerte noch ein-zwei Jahre, dann kam auch sie zum Stillstand. Das Banat geriet im Jahre1778 durch eine knigliche Verordnung von Maria Theresia wieder unter ungarische Verwal-tung, damit wurde der Weg auch fr die ungarischen Ansiedler, die bis zu dieser Zeit aus demBanat ausgeschlossen geblieben waren, erffnet. Dank der Reisen und ausfhrliche Berichtevon vorbildlichen Beratern war man in dieser Zeit besser vorbereitet, man lie Kirchen undSchulen bauen, Spitler einrichten. Die Siedler wurden diesmal in schon bewohnten Ortenuntergebracht, die notwendigen Werkzeuge waren vorhanden, man sorgte fr einen gutenAbsatz der landwirtschaftlichen Erzeugnisse fr die Industrie. Der Widerstand im Banat ge-gen die deutsche Kolonisation wuchs, als Maria Theresia es zur Strafkolonie machte. AusWien wurden unerwnschte Personen (Bettler, Vagabunden, Straenmdchen sowie politi-sche Gefangene) ins Banat geschickt.

    3.2.9.3. Der dritte groe Schwabenzug (1782-1787)

    Nach einer Pause von einigen Jahren kam die Siedlungsaktion durch das am 21. September1782 erlassene Impopulationspatent von Josef II. (1780-1790) mit staatlicher Finanzierungwiederum in Gang, damit begann die dritte Welle, der so genannte groe Schwabenzug, dervon 1782 bis 1787 andauerte. An der Ansiedlung im Zuge des dritten Schwabenzuges warenalle Siedlungsgebiete der Donauschwaben beteiligt. Der Kaiser selbst zeigte reges Interesseam Verlauf der Ansiedlungen. Als einfacher Mann gekleidet besuchte er die Siedlungsgebiete.Unauffllig lie er sich ber die Sorgen und Nte berichten und ordnete Manahmen zu ihrerBeseitigung an. Im Unterschied gegenber der theresianischen Kolonisation wurde hier aufdie sptere Widereintreibung der staatlichen Ausgaben verzichtet; dies bewirkte die Beach-tung modernster Bedingungen (man hatte von frher viel gelernt). Die Kolonisation von JosefII. kostete fr den Hof 4.000.000 Gulden, eine doppelt so hohe Summe wie bei der Siedlungs-

    aktion unter Maria Theresia. Mit der dritten Welle lieen sich mehr als 7 600 deutsche Fami-lien in Ungarn nieder, von ihnen siedelten etwa 6.000 Familien im Banat an. So lebten 1790

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    70.000 deutsche Kolonisten in Sdungarn. Durch die Besiedlung Ungarns im 18. Jahrhundertvernderte sich die ethnische Landkarte des Karpatenbeckens grundstzlich. Am Ende des 15.Jahrhunderts hatte 80-85% der 4-4,5 Millionen Bewohner des Landes ungarische Nationalitt,aber der Anteil der Ungarn erreichte keine 50 Prozent der whrend des 18. Jahrhunderts von3,5 auf 9,2 Millionen angewachsenen Bevlkerung. Als Fazit der Ansiedlungen lebten um die

    Wende des 18. und des 19. Jahrhunderts 1,1 Millionen Deutsche in Ungarn; diese Zahl er-reicht 1,3 Millionen, wenn auch die Juden im Karpatenbecken sie sprachen Jiddisch, unddiese Sprache wurde als deutscher Dialekt betrachtet eingerechnet werden. Infolge der Sied-lungsaktionen verloren die deutschen Siedlungsgebiete des Mittelalters an Bedeutung und frdie Ungarndeutschen wurden die von ihnen frher nicht besiedelten Gebiete bestimmend.Durch die geschlossenen deutschen Siedlungsgebiete so z.B. die Schwbische Trkei,oder einige Teile des Banats -, die sich mit der Ansiedlung herausbildeten, bertraf der Anteilder deutschsprachigen Bevlkerung in einigen Komitaten auch die 50% -Marke. 65 Prozent(zwischen 42-88%) der Bevlkerung waren am Ende des 19. Jahrhunderts in Westungarn(Burgenland)Deutsche. In den Komitaten Tolnau und Branau (Schwbische Trkei)erreichtedieser Prozentsatz sogar 67% (zwischen 39-81%). Im Sden Ungarns war diese Zahl schon

    ein bisschen kleiner. Sie erreichte 44% in der Batschka, 42% im Komitat Temesch und 48%im Komitat Torontal. Im Norden, in der Tatra (die Zips) und in der Fatra (die Komitate Tu-rotz, Neutra und Barsch) betrug die Zahl 37% bzw. 31%.

    Nr. 155 Tafferner Auswanderungspatent Josephs II. fr Ungarn und Galizien

    Johann Eimann: Der deutsche Kolonist S. 52-53

    3.2.9.4. Die private Kolonisation

    Das Interesse an der deutschen Kolonisation hielt whrend des ganzen Jahrhunderts in denHerrschaften an, in denen der Besitzer durch die bessere Infrastruktur und die Nhe zu dengroen Mrkten an der Getreide und Agrarkonjunktur teilhatte. Es spielten auch die famili-ren Traditionen eine ausschlaggebende Rolle. Der Staat stand bei der Privatkolonisation imHintergrund und beschrnkte sich darauf, die Ansiedlungsttigkeit zu begnstigen. 1761 wur-de die Impopulation zum Leitmotiv der Gesamtpolitik. Charakteristisch auf das Verhltnis derstaatlichen und der privaten Kolonisation war, dass die Impopulationspolitik ber die Privat-ansiedlung zu erfolgen hatte, wobei die Kameralansiedlung als Vorbild dienen sollte. Es gabauch eine gewisse Konkurrenz zwischen der Privatkolonisation und der staatlichen Ansied-lung. Die Krone und die Kammer waren die grten und kapitalkrftigsten. Allerdings bot diestaatliche Kolonisation den Privatherren eine gnstige Mglichkeit, Kolonisten abzuwerben.Als Beispiel knnen an dieser Stelle die Raubzge von Graf Grassalkovich angefhrt wer-den: er lie die Banater Schiffe in Ofen anhalten, die Kolonisten auf Wagen verladen und in

    die Batschka transportieren. Zahl. Fr den Staat bedeutete es einen Verlust, fr die Kolonisteneine weitere Chance. Die Mobilitt der deutschen Kolonisten war enorm gro! Die Grundbe-sitzer hatten ein unmittelbaresInteresse daran, die Zahl der Arbeiterkrfte rasch zu vermeh-ren. 1688 Bischof Mtys Ignc Radanay bat als erster um Kolonisten. In vielen Fllenspielte bei der Auswahl der Kolonisten Herkunft und Konfession der Grundbesitzer eine Rol-le. (man wollte meistens Katholiken). Die erste private Kolonisation wurde 1689 vom Pcsva-rader Abt Ferenc Jny eingeleitet. Ebenfalls frh begann die organisierte Ansiedlung imKomitat Pest durch die Familie Zichy(Altofen/buda, Wudige/Budakeszi)

    Tafferner Nr.: 34 Pachtvertrag von Budakeszi;

    Tafferner Nr. 36. Jesuiten in Groturwall

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    Bis 1712 waren dies meistens spontane Aktionen, nachher begann die methodisch entwickel-tere und systematische Privatkolonisation. Die Familie der Krolyishat von 1712 bis 1838ununterbrochen ihre Gter erweitert und deutsche Kolonisten aus Schwaben angesiedelt. Etwa2100 Familien (mehr als 10.000 Personen) wurden in 31 Siedlungen angesiedelt. Dies stelltedie grte Privatkolonisation dar, die von 1712 bis in die 1790-er Jahre das Werk von drei

    Generationen war. Krolyi bentigte zur Kolonisation die Erlaubnis der ungarischen Hofkanz-lei und des Hofkriegsrates. Er begrndete seinen Entschluss mit der Lage im Komitat Sathmarund traf in Pressburg/Pozsony mit den dort eintreffenden Deutschen einen Kontrakt ber dieBedingungen. Amtlich wurde sie am 13. Mrz 1787 eingestellt, 1829 erfolgte die verschrfteWeisung, knftig keine deutschen Zuwanderer ber die Grenzen der Monarchie zu lassen,wenn sie nicht ein Vermgen von 500 fl ausweisen knnen. Zahlreiche deutsche Auswandererwanderten danach nach Russland und Nordamerika

    QUELLE Tafferner Nr. 180

    3.2.10. Das Leben in der neuen Heimat:Die Drfer wurden gewhnlich an einem geschtzten Ort errichtet, und zwar in den Talerneiner Hgellandschaft, in denen man Wasser, fruchtbaren Boden und Schutz vor Wind undSturm fand. Die Ortschaften passten sich dem Gelnde an. Die meisten ungarndeutschen Dr-fer waren Straendrfer. An einer geraden Strae standen auf beiden Seiten Hfe und Hauser.Zwischen den Hauserreihen dieser Siedlungen lagen die Garten und Wiesen, die in der Mittedurch einen Bach getrennt waren. Zur Zeit der organisierten Kolonisation in der zweiten Hlf-te des 18. Jahrhunderts entstanden Schachbrettdrfer mit einer geometrischen Dorfform. Dieersten Siedler wohnten im Zentrum, die Wohnhuser der spteren Siedler befanden sich amRande des Dorfes. generell galt es, dass die einzelnen ethnischen Gruppen voneinander iso-liert lebten. In der Mitte des Dorfes standen die Kirche, das Gemeindehaus, die Schule unddas Wirtshaus. Die katholischen Kirchen mit ihren Barocktrmen wurden Ende des 18. undAnfang des 19. Jahrhunderts gebaut. Viele von ihnen befinden sich auf einer Anhhe, von derman die Umgebung und das Dorf berblicken kann. Heiligenstatuen und Wegkreuze gehrenebenfalls zum Bild eines ungarndeutschen Dorfes; sie dienten als Orientierungspunkte undMarksteine. Auerhalb der Drfer stehen die Weinkeller; nicht im Weinberg, sondern amRande einer Siedlung und bilden dort Kellerreihen. Die Siedler mussten zuerst die Wohnhu-ser bauen, wobei es grundstzlich zwei Haustypen gab: das Kleinhaus mit Kche, Wohnstubeund Kammer und das Langhaus mit Kche, Kammer und Wirtschaftsrumen. An den Giebel

    brachte man oft den Namen des Inhabers oder das Baujahr an. Zum Schutz vor Sonne undRegen baute man ab dem 19. Jahrhundert einen sulengesttzten Gang an die Huser an.

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    Die Huser hatten fast eine gleiche Einrichtung: in den als Schlaf- und Wohnzimmer genutz-ten Kammer standen die Betten jeweils allein an den Wnden gegenber. In der Mitte desZimmers befand sich ein viereckiger Tisch. Zwischen den mit Vorhngen versehenen Fen-stern stand ein Schubladenkasten, ber dem in katholischen Husern der Hausaltar angebrachtwar. Wenn man die soziale Struktur des ungarndeutschen Dorfes nher betrachtet, so siehtman sofort, dass die Selbstverwaltung einer deutschen Gemeinde auch Kirche und Schuleerfasste. Die Protestanten whlten ihre Pfarrer selbst, bei den Katholiken ernannte sie der Bi-schof. whrend die weltlichen Helfer (SyndikusundMesner) von der Gemeinde gewhlt wur-den. Die Versorgung der deutschen Gemeinden mit eigenen Seelsorgen war nicht einfach.Aus der alten Heimat waren nur wenige Priester gefolgt, andere kamen aus lteren deutschenSiedlungen Ungarns (Burgenland, Zips). Bald erfolgte der Nachschub aus den eigenen Rei-hen, vor allem aus den Stdten. Spter berstieg der Anteil der schwbischen Priester denschwbischen Anteil an der Bevlkerung. Nachteilig wirkte aus, dass es fiir die Deutschenkeine deutsche Priesterausbildung gab. Das kirchlich-religise Leben wurde von den Seelsor-gern, und auch von der Tradition aus der alten Heimat geprgt. Der Lehrer war Angestellterder Gemeinde und wurde in Naturalien und Geld entlohnt. Unterrichtet wurde in der Mutter-sprache. Es gab Trivialschulen in den Gemeinden, Hauptschulen in jedem Kreis und Normal-schulen in der Hauptstadt jeder Provinz. Die hhere Schule war eine Lateinschule. Die ltestehhere Schule mit deutscher Unterrichtssprache in Ofen/buda wurde 1770 von den Engli-schen Frulein erffnet. Kaiser Joseph II.: das Deutsche als Staats- und Unterrichtssprache

    eingefhrt, was zu einer Verstrkung der Positionen der Ungarndeutschen fhrte. Die Deut-schen sonderten sich anfangs von den anderen Nationalitten ab. Die erste Generation be-wahrte Kleidung, Sprache, Tradition, die zweite und die dritte betrachtete sich selbst als ein-heimisch; in der zweiten Hlfte des 18. Jahrhunderts lsst sich bereits die Zweisprachigkeitkonstatieren.Die Handwerker hatten berufliche Selbstverwaltung in ihren Znften. Charakteristisch wareine Umgestaltung der feudalen Struktur, wobei die Stdte die strkere eigenstndige Positionhatten. Ihre Verwaltung war autonom, das Recht zur Wahl eigener Beamter und Abgeordne-ten fr den Landtag. Die ersten deutschen Abgeordneten kamen bereits im 18. Jahrhundertsals Vertreter der Stdte in den ungarischen Landtag. Ihrer Stellung nach waren sie freie undunmittelbare k.k. Untertanen. Die Rechtsgrundstze waren festgelegt in den Ansiedlungspa-

    tenten und zwar: fr die Bauern im Urbarium

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    fr die Stdte im Stadtrecht fr die Handwerker in den Zunftprivilegien

    Mit dem deutschen Siedler kam ein Element der Stabilitt in den Stdten. Hingegen in denDrfern kam es oft zur Absonderung vor allem wegen der unterschiedlichen Bewirtschaftungder Felder. Durch die Ansiedlung Ungarns im 18. Jahrhundert vernderte sich die ethnische

    Landkarte des Karpatenbeckens grundstzlich. Am Ende des 15. Jahrhunderts hatte 80-85%der 4-4,5 Millionen Bewohner des Landes ungarische Nationalitt, aber der Anteil der Ungarnerreichte kein 50 Prozent der whrend des 18. Jahrhunderts von 3,5 auf 9,2 Millionen ange-wachsenen Bevlkerung. Als Fazit der Ansiedlungen lebten 1,1 Millionen Deutsche um dieWende des 18. und des 19. Jahrhunderts in Ungarn und diese Zahl, wenn auch die Juden imKarpatenbecken - sie sprachen Jiddisch, und diese Sprache wurde als deutsche Dialekt be-trachtet - eingerechnet sind, erreichte 1,3 Millionen. Infolge der Siedlungsaktionen verlorendie deutschen Siedlungsgebiete des Mittelalters an ihre Bedeutung und fr die Ungarndeut-schen wurden die von ihnen frher nicht besiedelten Gebiete bestimmend. Durch die ge-schlossenen deutschen Siedlungsgebiete - so z.B. die "Schwbische Trkei", oder einige Teiledes Banats -, die sich mit der Ansiedlung herausbildeten, wurde der Anteil der deutschspra-

    chigen Bevlkerung in einigen Komitaten auch das 50% bertroffen. 65 Prozent (zwischen42-88%) der Bevlkerung waren Deutsche am Ende des 19. Jahrhunderts in Westungarn(Burgenland). In den Komitaten Tolnau und Branau (Schwbische Trkei) erreichte dieserProzentsatz sogar 67% (zwischen 39-81%). Im Sden Ungarns war diese Zahl schon ein biss-chen kleiner. Sie erreichte 44% in der Batschka, das 42% im Komitat Temesch und das 48%im Komitat Torontal. Im Norden, in der Tatra (die Zips) und in der Fatra (die Komitate Tu-rotz, Neutra und Barsch) bedeutete diese Zahl 37%, bzw. 31%. Die Ansiedlungen im 18.Jahrhundert vernderten aber nicht nur die nationale Aufteilung der Bevlkerung des Landes,sondern auch das Bild des Landes grundstzlich. Die historischen und ethnographischen For-schungen bewiesen es eindeutig, dass das ungarlndische Deutschtum hher entwickelte Bau-und Wirtschaftsmethoden anwendete und sie eine mehr flexible Betrachtungsweise besa, alsdie ungarische Bevlkerung oder die anderen Ethnien des Karpatenbeckens. Auch die Be-trachtungsweise der in Ungarn angesiedelten Deutschen ber das Leben war radikal von derder anderen Nationalitten des Karpatenbeckens verschieden. Das Ideal der Deutschen warder fleiige, sparsame, tchtige, zielbewusste und unternehmungslustige Brger. In Gegensatzzu den Ungarn und den Sdslawen nahmen auch die Frauen ihren ttigen Anteil an der Arbeitin der Wirtschaft. Ihr Flei und ihre Tchtigkeit in der Arbeit waren besonders charakteri-stisch fr sie.

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    Begriffe: Merkantilismus, Einrichtungswerk, Schwabenzug, private Kolonisation, UlmerSchachtel, Kameralisten, Kolonisierungspatent

    4. Die Ungarndeutschen im XIX. Jahrhundert

    4.1. Die Zeit der nationalen ErneuerungDie Wende des 18/19. Jahrhunderts fllt im ostmitteleuropischen Raum mit dem Anfang dernationalen Erweckung, der nationalen Erneuerungsbewegungen zusammen. Das trat zunchstberall auf kultureller, sprachlicher Ebene auf. Deshalb nimmt es kein Wunder, dass dieSprachverordnung von Josef II., die das Deutsche zur Staatssprache des Reiches machenwollte, unter den nicht deutschsprachigen Vlkern auf heftigen Widerstand stoss, und letzt-endlich Anregung zur Pflege der eigenen Kultur und Sprache gab. Es gab aber auch andereStrungen in der deutschen Zusammenarbeit, da ein modernes ungarisches Brgertum fehlte,wurde der ungarische Adel zum Trger der brgerlich-nationalen Entwicklung. Diese Er-

    neuerungsbewegungen traten, wenn auch mit gewisser Versptung, auch bei allen Nationalit-ten Ungarns auf. Die einander durchkreuzenden nationalen Bestrebungen trugen von Anfangan die Keime der Nationalittengegenstze im 19. Jahrhundert in sich. Im VielvlkerstaatUngarn bildete das Ungartum die grte nationale Gruppe, obwohl sein Anteil aufgrund derVolkszhlung von 1787 die absolute Mehrheit nicht erreichte (unter den 9,2 Millionen Ein-wohnern Ungarns waren nur 3,4-3,7 Millionen, d.h. 37-40% Ungarn, 60-63% gehrten zueiner anderen Nationalitt). Die Nationalitten wurden von den ungarischen Bestrebungen zurSchaffung des eigenen Nationalstaates, die dem Gedankenkreis der franzsischen Revolutionund der brgerlichen Entwicklung entsprangen, immer mehr in die Defensive gedrngt.Im Gegensatz zu den sich entfaltenden und immer strker werdenden nationalen Bewegungender anderen Nationalitten kann man bezglich des Deutschtums in Ungarn im Allgemeinen

    sagen, dass es in dieser Hinsicht fast im ganzen 19. Jahrhundert still war. Das hatte mehrereGrnde: das Deutschtum wohnte im Lande verstreut, seine Gruppen siedelten sich nicht zur

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    gleichen Zeit an, und verfgten ber unterschiedliche Rechtsstellung. Derer entscheidenderAnteil, die im Mittelalter ankamen, waren Stdtebrger mit feudalen Privilegien, whrend imLaufe der neuzeitigen Ansiedlungen neben den wenigen Handwerkern in erster Linie Bauernkamen, die als Leibeigene arbeiteten. Die Diasporasituation und die unterschiedliche sozialeStellung machten einen gemeinsamen Auftritt nicht mglich. Andererseits erlangten die im

    Laufe des 18. Jahrhunderts bzw. Anfang des 19. Jahrhunderts kommenden "schwbischen"Kolonisten den ntigen Grad des nationalen Bewusstseins nicht. Sie waren immer noch mitder Schaffung und Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz beschftigt. Das deutsche Br-gertum der Stdte, das sich noch im Mittelalter angesiedelt hatte, war schon - um seine Positi-on frchtend - in der ersten Phase der Assimilation begriffen und indem es sich mit dem Adelund Komitat ungarischen Bewusstseins und Interesses zusammentat, fhlte sich schon alsungarischer Patriot. Man kann bei diesem Landespatriotismus noch nicht von einer gewaltsa-men Assimilation sprechen. berhaupt gab es im Assimilationsprozess in der Periode 1825-1848 nur wenige Vernderungen. Den Wendepunkt brachten die 1840er Jahre, wobei die Ab-lsung des Lateinischen als Amtssprache durch das Magyarische als Inizialzndung galt, denndies fhrte zur Verschrfung der nationalen Gegenstze. Als Folge dessen wechselte ein

    Groteil des stdtischen deutschen Brgertums in das Lager der national berzeugten Madja-ren.

    Bereits vom 18. Jahrhundert an begann die gesellschaftliche, familire und persnlicheVerflechtung zwischen dem deutschen Brger und dem ungarischen Adeligen - hauptschlichin Oberungarn und in Transdanubien -, das sich auch in der Madjarisierung der Namen zeigte.Eine unterschiedliche Stellung hatte in dieser Hinsicht das Sachsentum in Siebenbrgen, dasseine Autonomie vom Mittelalter wesentlich weiterhin bewahren konnte. Das Bewusstseindes Sachsentums band sich aber viel mehr an die feudalen Privilegien vom Mittelalter, als esim modernen brgerlichen Sinne der nationalen Bewegung des ungarlndischen Deutschtumseine Richtung gegeben konnte. Die wichtigsten Voraussetzungen der nationalen Bewegungdes deutschen Etnikums in Ungarn fehlten aber vornherein infolge der vielfltigen Zerrissen-heit, in der sich die Klassen und Schichten des ungarlndischen Deutschtums schlielich andie unterschiedlichen, oft einander gegenstzlichen Bestrebungen, Krften der Gesellschaft inUngarn anknpften. Dazu trug es auch bei, dass sich die Frage der nationalen Sonderstellungund des Sprachproblems in Bezug auf die Deutschen in Ungarn nie so scharf stellte. DasDeutsche war nmlich die Verwaltungssprache des Gesamtreiches, so neutralisierte die Aus-schaltung der Sprachfrage, die bei den anderen Vlkern eine so groe Rolle spielte, die deut-sche Intelligenz.

    4.2. Beispiele fr das Verhalten der Deutschen

    Das Beispiel des Tolnauer Dechanten JosefPukschkann fr das Verhalten der deut-

    schen Intelligenz noch aus dem Reformzeitalter erwhnt werden. Puksch reichte derWiener Regierung ein Memorandum ein, in dem er zur Sprache brachte, dass die un-garische Sprache im ffentlichen Leben, im Unterricht und im kirchlichen Leben aufKosten des Deutschen gewaltsam verbreitet wird, sowie dass die Staatsbrger deut-scher Nationalitt aus den mtern verdrngt werden. Er verlangte Schutz und Gleich-

    berechtigung und das Recht der Benutzung der Muttersprache.

    Gleichzeitig damit begann sich aber auch das deutsche Bewusstsein zu entfalten, seineWiegen waren der Pressburger Deutsche Kreis und die denburger Deutsche Gesell-schaft. Tobias GottfriedSchrer (1791-1850) als Lehrer des Pressburger evangeli-schen Lyzeums begrte, dass statt des Lateins das Ungarische zur Staatssprache wur-

    de. Er meinte, dass die nicht ungarischen Vlker Ungarns ber keinen nationalen Cha-rakter verfgen, deshalb trat er fr die Madjarisierung ein, wenn sie nicht mit Gewalt

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    erfolgt. Schrer verkrperte eine typische, schwankende Haltung des deutschen Ele-ments in Ungarn. Beachtet werden sollen bei ihm die groe Wirkung von IstvnSzchenyi und der Umstand, dass der nationale Aufbruch der Ungarn auch liberale I-deen verkndete, die dem deutschen Brgertum an sich sympathisch sein mussten!

    Zum Kreis von Schrer gehrte der namhafte Publizist Eduard Glatz (1812-1889),der ab 1845 die Pester Zeitung redigierte. Auch er untersttzte die Madjarisierung so-lange, bis sie die Interessen anderer Vlker nicht verletzt. In seinen Werken stellt erdas Deutschtum als dieBrcke zu Europa dar ein Gedanke, der von ihm als ersterformuliert wurde, der aber zum Trger wichtiger politischen Ideen werden sollte! Sei-ner Meinung nach sollten die einfachen Menschen berall in der Muttersprache unter-richtet werden, deswegen sah er in der Schulpolitik eine groe Chance und fordertedeutsche Volksschulen.

    Auf einem hohen Grad des Selbstbewusstseins standen die Siebenbrger Sachsen. Sieverfgten ber ein weit verbreitetes Unterrichtssystem, ber Vereine und wissen-

    schaftliche Zeitschriften. Ihr Kampf gegen die Madjarisierung verband sich aber mitder Verschanzung ihrer feudalen Privilegien aus dem Mittelalter. Eine hervorragendeschsische Gestalt des Reformzeitalters war der Priester Stephan Ludwig Roth(1796-1849). Seine Ttigkeit war beraus vielseitig, sie umfasste gleichermaen daswirtschaftliche, kulturelle und schulische Leben. Er war als Pdagoge Anhnger vonPestalozzi, als konomist grndete er 1845 den Siebenbrgischen Schsischen Land-wirtschaftsverein. Er trat der ungarischen nationalen Bewegung entschlossen gegen-ber.

    Die kulturelle Erneuerungsbewegung wurde in Ungarn mit dem Anfang des Reformzeitalters(1825/30-1848) zu einer politischen Bewegung. Es ist ein Charakteristikum der ungarischen

    brgerlichen Umgestaltung, dass das Brgertum in Ungarn zu schwach war - und wie gesehengrtenteils auch nicht ungarischer Nationalitt -, um sich an die Spitze der Umgestaltung zustellen. Deswegen wurde der Adel, dem unter den feudalen Produktionsverhltnissen die De-klassierung drohte, der Bannertrger der brgerlichen Interessen. Der grte Teil des deut-schen Brgertums in Ungarn schloss sich der ungarischen nationalen Bewegung an, und imGegenzug erhoffte es die Erkmpfung des selbststndigen ungarischen Marktes und sein ei-genes wirtschaftliches Vorwrtskommen. Das trug aber auch die Mglichkeit seiner Madjari-sierung in sich. Neben den bedeutenden Vertretern des Siebenbrger und ungarlndischenDeutschtums, die wie die oben genannten auf ihrer Nationalitt bestanden, gab es viele,die der Anziehungskraft des ungarischen Liberalismus, der ungarischen Geschichte, Literatur

    und Sprache nicht widerstehen konnten.

    4.3. Die Ungarndeutschen und die Revolution von 1848/49

    Es ist wichtig im Vorfeld klarzustellen, dass es fr die Deutschen weniger um nationale For-derungen, als vielmehr um Freiheit und Liberalismus, um Recht, Ordnung und Gleichberech-tigung ging. Da es fr sie keine entsprechenden Gremien und Funktionen gab, fehlte es auchfr revolutionre Aktionen an der erforderlichen Vertretung. Deshalb nimmt es kein Wunder,dass das ungarlndische Deutschtum whrend der Revolution von 1848 keinen einheitlichenStandpunkt vertrat. Seine groe Mehrheit begrte die Revolutionsereignisse im Mrz. Dasgalt besonders fr das liberale deutsche Brgertum der Stdte. Eine enthaltsamere Haltungnahm die Schicht des deutschen Brgertums ein, das an die Traditionen strker gebunden war.

    Unter den Deutschen in Ofen herrschte im Mrz 1848 eine groe Begeisterung. Auf den Vor-schlag von Gbor Dbrnteiwurden die deutschen Namen des Ofner Berglandes ins Ungari-

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    sche umbenannt. Ludwig Tavasi, ein Lehrer deutscher Abstammung aus der Zips, sagte lautdem zeitgenssischen Bericht der "Pester Modezeitung" (Pesti Divatlap) folgendes: "Unterden Brgern Ungarns gbe es keine Deutschen, nur Deutschsprachige, aber auch diese sindalle Ungarn." "Wie schlug uns das Herz, gab es in diesen Tagen Schneres als Ungar zusein?, erinnerte sich spter ein Pressburger Kaufmann an die Mrztage. Die Treue zum Kaiser

    und die Begeisterung fr die ungarische Revolution schlossen sich einander natrlich nichtaus. Die deutschen Brger von Temeschwar standen am Anfang auf der Seite der Revolution.Als aber der Knig den ungarischen Landtag auflste, und dessen Verordnungen als ungltigerklrte und der Kampf mit Waffen zwischen der ungarischen Regierung und dem Hof aus-

    brach, wandten sie sich gegen Kossuth. Der grte Teil der Siebenbrger Sachsen, unter derFhrung von Hermannstadt (Nagyszeben), stellte sich der ungarischen Revolution und Frei-heitskampf entgegen. Meinungsverschiedenheiten kamen schon in der Frage der Union Sie-

    benbrgens und Ungarns zum Vorschein. Nur das Brgertum von Kronstadt (Brass) unter-sttzte die Union eindeutig. Schlielich stimmten auch die schsischen Abgeordneten auf derDit in Klausenburg/Kolozsvr am 30. Mai 1848 - dank der Agitation der Schburger undKronstdter schsischen Abgeordneten und vor Angst vor den vom Patriotismus durchdrun-

    genen Massen - der Vereinigung der beiden "Brderheimaten" zu. Im September, als der Waf-fenkonflikt unausweichlich zu sein schien, legten die schsischen Abgeordneten mit Ausnah-me von Elias Roth ihre Landtagsmandate nieder. Der Sachsenboden wurde die Basis der Ge-genrevolution. Puchner, der Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen in Siebenbrgen,gruppierte seine Armee um die schsischen Stdte herum. General Bem konnte jedoch bis zurMitte Mrz 1849 die sterreichischen und die inzwischen hineingerufenen russischen Truppenaus dem ganzen Gebiet Siebenbrgens verdrngen. Eines der von den Ungarn aufgestelltenStandgerichte lie den oben schon erwhnten Stephan Ludwig Roth, der whrend der ster-reichischen Herrschaft als Regierungskommissar ttig gewesen war, hinrichten. Auch unterden Sachsen fanden sich aber Persnlichkeiten, die auf der Seite des ungarischen Freiheits-kampfes kmpften. So z.B. Maximilian Leopold Moltke, Herausgeber der Kronstdter Zei-tungund Dichter der Siebenbrger Volkshymne, oder Anton Kurz, der im Laufe des Som-mers als Adjutant von Bem im Kampf fiel.Auch allgemein lsst sich feststellen, dass die Auseinandersetzungen mit den NationalittenFaktoren waren, die das Gesamtgeschehen stark beeinflussten. Der Grund lag in einem gra-vierenden Mangel des Aprilgesetzes von 1848, es fehlten darin nmlich konkrete Sprachver-gnstigungen fr die Nationalitten.

    Der Freiheitskampf war fr das schwbische Bauerntum das erste groe historischeErlebnis, wo es vom ungarischen Patriotismus direkt berhrt wurde. Im von vielen Nationen

    bewohnten Sdungarn litten auch die dortigen schwbischen Siedler viel infolge des imSommer 1848 ausgebrochenen serbischen Aufstandes. Es kam besonders um Weikirchen zu

    heftigen Zusammensten zwischen den bewaffneten serbischen Grenzern und den ihre Hei-me verteidigenden schwbischen Bauern. Die in schwbischen Drfern angeworbenen Natio-nalgardisten erzielten unter ungarischem Kommando mehrere beachtenswerte Erfolge. Das

    Bergmann-Bataillon bestand grtenteils aus Schwaben. Auch unter dem Kommando vonJnos Damjanichkmpften viele Schwaben. Ludwig Kossuthgedenkt ihrer viel spter, ineinem seiner in der Emigration geschriebenen Briefe, wenn Damjanich bei der Musterung der6. Kompanie des 3. Bataillons in Cibakhza seine Soldaten gefragt hatte, ob sie denn Schwa-

    ben seien. Die Antwort lautete: "Jawohl gndiger Herr General, wir sind Schwaben, aberungarische Schwaben!"Auch Gyrgy Klapka lobte die Ausdauer der Schwaben, die unterseiner Anfhrung die Festung von Komorn/Komrom verteidigten. Im Verband der Honvd-Armee kmpften drei deutsche Legionen: die Wiener, und die Tirolerergnzten von ungar-

    lndischen deutschen Freiwilligen ihre Reihen, fr die Totenkopf-Legion wurde in erster Liniein der Zips, in Oberungarn bzw. in der Umgebung von denburg/Sopron und Pest rekrutiert.

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    Die Zipser stellten auch extra freiwillige Truppen auf. General Bemorganisierte im Mai 1849das Banater deutsche Honvdbataillon.

    Auch in der militrischen Fhrung des Freiheitskampfes fanden sich in groer ZahlDeutsche. Klapka stammte aus einer Banater schwbischen Familie. Anton Vetter, Oberbe-fehlshaber der Honvd war ebenfalls deutscher Abstammung, sowie General Maximilian

    Stein, Josef Bayer der Generalstabschef des wiederum Zipser Sachsen Artr Grgey. Unterden 13 in Arad hingerichteten Generlen waren fnf Reichs- bzw. Ungarndeutsche: der Press-burger Ludwig Aulich, Georg Lahner aus dem Komitat Turc, der Reichsdeutsche Karl Lei-ningen-Westerburg, der Wiener Ernst Plt von Pltenberg, Josef Schweidel aus Sombor. EineProklamation von Haynau drckte die Enttuschung des Wiener Hofes von der Haltung derungarlndischen Deutschen: "Es war eine bittere Enttuschung, dass diejenigen, die in ihrerSprache, in ihren Sitten Deutsche sind, nahmen an dem Bau der Phantasmagorie der ungari-schen Republik ebenfalls teil."Das Deutschtum kmpfte allerdings nicht fr eigene politische oder nationale Ziele, es fhltesich unter dem Schutze des Kaisers geborgen, es war auch nicht bereit, fr andere Ziele zukmpfen, sondern wehrte sich seiner Haut. Sie standen zwar zumeist an der Seite der Magya-

    ren, doch kmpften sie auch fr die Monarchie, in der alle Nationalitten geschtzt lebenkonnten.

    4.4. Geschehnisse nach der Revolution

    Im Laufe des Freiheitskampfes bzw. danach trat das Deutschtum in Ungarn das ersteMal mit nationalen Forderungen auf. Der Plan der Habsburg-Macht war in dieser Periode, dieeinzelnen Nationalitten durch Mitverantwortung an das Reich zu binden. Der Beauftragtedes Kaisers, Graf Stadion plante den Staat von seinen wichtigsten Vlkern her neu zu gestal-ten, wobei die Provinzbildung auf ethnographischer und teilweise auf topographischer Grund-lage erfolgen sollte. Graf Stadion erkannte aber auch die Schwchen seines Konzeptes, undzwar in erster Linie darin, dass die Nationalitten noch zu wenig nationales Bewusstsein mitVerantwortung und Tatkraft an den Tag legen. Er hat auch die Gefahr erkannt, die fr dieDeutschen vom ungarischen Nationalismus ausging. Nach dem Erlass der oktroyierten Ver-fassung im Mrz 1849 ersuchte Graf Stadionden Stadtrichter von Pest und den Brgermei-ster von denburg (Sopron), ihre Vorstellungen ber die Neugestaltung des Reiches bekanntzu machen. Franz Wagner von Vghy, Brgermeister von denburg und Landtagsabgeord-nete Georg Tretter von Jry, Stadtrichter von Pest gehrten zu dem Kreis, der sich um Edu-ard Glatz und die Pester Zeitung scharte.

    Graf Stadions drei Fragen am 22. Mrz 1849:

    Welche Manahmen sind notwendig, um die Deutschen zu berzeugen, dass ihre Nationa-litt mit der madjarischen nicht nur teorethisch, sondern auch praktisch gleichberechtigtwird?

    Welche Manahmen sind notwendig, damit die deutsche Nationalitt fr die Zukunft ge-gen madjarische bergriffe gesichert ist? = was ist zu verordnen in Bezug auf Schulen, aufdie politische Verwaltung, Justiz, Geistlichkeit?

    Wie knnen die neuen provisorischen Gesetze, die fr die Gesamtmonarchie erschienen,mit Bercksichtigung der deutschen Nationalitt in Ungarn eingefhrt werden? Nament-lich: wie kann die Gemeindeordnung, die zur Basis allen nachfolgenden Einrichtungendienen muss, in Ungarn in Kraft treten?

    Die Antworten der beiden Vertreter:

    ein Nationalittenstatut sollte konzipiert und eine neue Einwanderung eingeleitet werden deutsche Schulen und deutsche Lehrerausbildung sichern

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    Verwaltung sollte in der Muttersprache (Autonomie) erfolgen die Trennung gemischter Munizipien in nationalen Gemeinden in allen unvermischt oder meist von Deutschen bewohnten Gemeinden soll der Religions-

    unterricht, die Predigt, die Fhrung der Kirchenbcher auf Deutsch stattfinden im Allgemeinen sollte die Mehrheitssprache zur Geltung kommen

    die rtliche Selbstverwaltung sei nur auf der Ebene von Dorf-, Bezirks, und Kreisgemein-den notwendig, da das deutsche Brgertum der Stdte national nicht gefhrdet sei!

    Diese Ideen erwiesen sich als zu wenig realistisch, weil angenommen wurde, dass sich Positi-on und Funktion der deutschen Volksgruppe werde ausbilden und auch ohne eigene autonomeOrgane durchsetzen knnen. Auerdem gengte bei beiden die Erhaltung der deutschen Spra-che im ffentlichen Bereich, und sie brachten keine Vorschlge zu ihrer Sicherung. Wohlge-merkt stellten die anderen Nationalitten in dieser Periode weitaus radikalere Forderungen anden Kaiser. Die Vorschlge der beiden deutschen Vertreter gingen also nicht ber die Forde-rung der Sicherung des Gebrauchs der deutschen Sprache auf Gemeindeebene hinaus, und

    beschftigten sich gar nicht mit den Ansprchen des lndlichen Ungarndeutschtums. DieDeutschen folgten demnach mehr bernationalen, rein politischen berlegungen und wolltenvor allem die Staatseinheit der Monarchie aufrechterhalten. Sie vertraten so weniger ein na-tionales Sonderinteresse als ein berwiegen in der Fhrung des Staates. Die Lsung wre alsoetwa eine Autonomie auf der Grundlage sich selbst verwaltender Volkskrper gewesen. DieDeutschen hatten sich aber fr die Erhaltung der Lnder und ihrer Autonomie entschieden,weil der Landespatriotismus noch eine lebendigere Kraft darstellte, als ihr nationalpolitischesBewusstsein.

    Freilich gab es auch andere Meinungen, vor allem in der Batschka und im Banat. Alsdie erste spontane Willenskundgebung des Batschkaer und Banater Schwabentums knnendie so genannte Bogaroscher(Okt. 1849, Verfasser Josef Nowakkat. Pfarrer und Schulmei-

    ster) und die Hatzfelder (Nov. 1849, einer der Verfasser ebenfalls Nowak) Petitionen be-trachtet werden. Nowak wurde auf einer Volksversammlung mit 133 Vertretern aus 30schwbischen Gemeinden (ca. 50.000 Schwaben!) zum Sprecher gewhlt.

    Was kann man am Text erkennen?

    die Schwaben erkennen sich als eigene Gemeinschaft sie fhlen sich der deutschen Nation stammverwandt sie betonen im Namen aller deutschen Gemeinden in Ungarn zu sprechen sie bejahen den einheitlichen Staat sie haben nichts gegen die Frderungen anderer Vlker sie wollen Rechte und Schutz

    sie wnschen ihre Muttersprache auch in ffentlichen Geschften sie verlangen Gleichberechtigung, eine eigene Vertretung und einen eigenen Fhrer (den

    deutschen Grafen, geplant war Graf Arizy) Anknpfung an Mercy sie anerkennen die Siebenbrger Sachsen als verwandten deutschen Volksstamm und als

    Vorbild

    Die Schwaben verlangten in ihren Petitionen, ihre Angelegenheiten im Bereich der Verwal-tung und der Rechtsprechung unter der Leitung eines - nach dem Vorbild des SiebenbrgerSachsengrafes - Schwabengrafes auf deutscher Sprache besorgen zu drfen. Die sprachliche

    berfremdung und die kulturelle Bedrohung sollte durch die Schaffung eines donauschwbi-schen Territoriums und durch die Bildung einer eigenen Vertretung abgewehrt werden. Die

  • 7/24/2019 Geschichte Ungarndeutsche

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    wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Ungarndeutschen bekam in den Jahrzehntenzwischen Revolution und Ausgleich neue Impulse. Diese goldene Zeit dauerte aber nur biszum Erlass des Oktoberdiploms von 1860, als die frhere ungarische Komitatsverwaltungwieder hergestell