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Grußwort der Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz 3
Grußwort der Sächsischen Staatsministerin Christine Clauß 5
Grußwort des Präsidenten der Sächsischen Landesärztekammer Prof. Dr. Jan Schulze 7
1. Einleitung 9
Impressionen 11
2. Impulsreferate
(1) „Von der Gesundheitsförderung und Prävention zur Versorgung“ 12
(2) „Bewegung für gesunde Lebensführung“ 13
(3) „Einfluss von Demografie und sozialem Status auf die Gesundheit“ 16
3. Ausgewählte Beiträge
3.1 Workshop „Versorgung im Gesundheitswesen aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger“
(1) Die Rolle der Patientenzufriedenheit im Krankenhaus 18
(2) Die Rolle der Selbsthilfe im Gesundheitssystem 20
3.2 Workshop „Dresden bewegt sich“
(1) Auswirkungen körperlicher Aktivität auf die Gesundheit – Konsequenzen für die Praxis 22
(2) Projekt „Fit für 100“ der Deutschen Sporthochschule 24
3.3 Workshop „Frühe Hilfen – eine Herausforderung für die Kommune”
(1) Kinderschutz und Frühe Hilfen in Dresden 26
(2) Familienhebammen im Rahmen Früher Hilfen in Dresden 28
(3) Niedrigschwellige, aufsuchende Arbeit durch Familienhebammen – Erfahrungen aus Frankfurt 30
3.4 Workshop „Gesundheitliche Chancengleichheit“
(1) „KiNet“ und „Aufwachsen in sozialer Verantwortung“ des EB Kindertageseinrichtungen 32
(2) Projekt „Kids fit und aktiv in Dresden“, Gesundheitsförderung in der Förderschule 34
(3) Erfahrungen aus den Projekten „GO - Gesund im Osten“ und „AGNES - Aktiv im Alter“ und Weiterführung 36
3.5 Workshop „Suchtprävention“
Suchtprävention in Dresden - Status Quo 38
4. Zusammengefasste zentrale Aussagen der Workshops 41
Sponsoren 44
Inhalt

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Grußwort der Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz
Das übergreifende Ziel des WHO-Netzwerkes ist das Schaffen
gesundheitlicher Chancengerechtigkeit aller
Bevölkerungsgruppen. Die Umsetzung dieses internationalen
Projektes erfolgt auf kommunaler Ebene in Dresden in den
Schwerpunkten „Aktives und gesundes Altern“, „Kinder- und
Jugendgesundheit“, „Förderung der körperlichen Aktivität“ sowie
„Gesunde Stadtplanung“.
Mit dem Bericht „Stadtgesundheitsprofil“ kommt Dresden nicht
einfach nur seiner Verpflichtung zur Vorlage eines Reportes
nach. Wir setzen durch die stadtraumbezogenen Ergebnisse
gezielte Handlungsschwerpunkte für die Stadtteile mit
Nachholebedarf. Lassen Sie mich hierzu drei konkrete Beispiele
nennen.
Im Stadtteil Gorbitz mangelt es, so ein Ergebnis, älteren
Menschen an Bewegung.
Genau an diesem Punkt setzt das Projekt „Stadtspaziergang“ an,
das gemeinsam vom Quartiersmanagement Gorbitz, der
Sächsischen Landesvereinigung für Gesundheitsförderung
sowie dem WHO Projekt entwickelt wurde. Eingeladen sind
Bürgerinnen und Bürger, die mittels Spaziergängen im Frühjahr
und im Herbst einerseits zu Bewegung animiert werden,
gleichzeitig aber auch Interessantes und Wissenswertes über
ihren Stadtteil erfahren. Das ursprünglich für ältere Menschen
konzipierte Angebot, nehmen inzwischen auch immer mehr
Jüngere an.
Spazieren gehen, sich bewegen, ohne Angst und in der Gruppe
stärkt sowohl körperliche, als auch geistige und soziale
Komponenten. Gerade der Gedanke, nicht nur einzelne
Teilbereiche, sondern vielmehr ganzheitliche Aspekte gesunder
Lebensweise zu betrachten, macht den Erfolg dieses Projektes
aus. Es soll nun auf weitere Stadtteile übertragen werden.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Dresdnerinnen und Dresdner,
verehrte Gäste,
„Dresden hat zu viele dicke Frauen“
Das titelte die Dresdner Morgenpost in ihrer Ausgabe vom 25.
August letzten Jahres. Neben der Schlagzeile kehrt eine adipöse
Frau dem Leser ihren Rücken zu. Dieser füllt zwei Drittel der
gesamten Seite aus. Ein erschreckendes Bild.
Sehr geehrte Damen und Herren, warum stelle ich dieses
Beispiel an den Anfang meiner Rede? Etwa 40 Prozent der
Männer und mehr als 20 Prozent der Frauen sind in Dresden mit
einem BMI-Wert zwischen 25 und 30 übergewichtig.
Diese und viele weitere Ergebnisse wurden im vergangenen
Jahr im Stadtgesundheitsprofil 2012 veröffentlicht, welches im
Rahmen des WHO-Projektes „Gesunde Städte“ nun bereits zum
sechsten Mal seit 1997 erarbeitet wurde. Der BMI ist ein Wert,
der Ausdruck darüber gibt, wie gesund ein Mensch ist.
Gesundheit ist ein wichtiger persönlicher aber auch
gesellschaftlicher Wert und heute das zentrale Thema dieser
Fachkonferenz, zu der ich Sie, sehr geehrte Frau
Staatsministerin, Sie, sehr geehrter Herr Prof. Dr. Schulze und
Sie, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sehr herzlich
begrüße.
Seit 22 Jahren ist die Landeshauptstadt Dresden Mitglied im
Europäischen Netzwerk der WHO „Healthy Cities“ und dies
übrigens nach wie vor als einzige deutsche Stadt.
Als Oberbürgermeisterin bin ich stolz, dass dieses Engagement
unserer Kommune deutlich macht, Dresden hat eine
Vorreiterrolle als gesunde und zukunftsfähige Stadt.

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Ein anderes Beispiel:
Ich erinnere noch einmal an die eingangs erwähnte Schlagzeile:
„Dresden hat zu viele dicke Frauen“.
Der Anteil der Menschen mit Übergewicht in Dresden ist relativ
hoch und zudem stadträumlich unterschiedlich. Ein EU-Projekt
greift genau an dieser Stelle an. So werden derzeit in
Kooperation mit dem Sportstätten- und Bäderbetrieb Lauf- und
Walkingstrecken in verschiedenen Stadtteilen erarbeitet und
beschildert.
Ansässige Sportvereine sollen die laufinteressierten
Dresdnerinnen und Dresdner dabei beraten und coachen.
Eine App mit Informationen zur Laufstrecke möchte zudem vor
allem junge Leute an die frische Luft locken.
Mir gefällt besonders, dass das vorerst im Sportpark Ostra,
Bühlau, Weißig und Gorbitz geplante Projekt darauf abzielt,
altersübergreifend und zeitlich unabhängig sowohl körperliche
als auch soziale Komponenten unserer Bürger zu stärken.
Regelmäßige Bewegung und körperliche Aktivitäten sind
gesundheitsfördernd in jedem Lebensalter.
Ein drittes Beispiel:
Das Gesundheitsamt bietet für Schüler der zweiten bis vierten
Klassen das Projekt „Gesunde Lebensweise“ an, eine
Erweiterung des Projektes „Gesundes Pausenbrot“. Über vier
Unterrichtsstunden werden verschiedene Stationen zu den
Themen Ernährung, Bewegung, Mein Körper und
Wasser/Hygiene angeboten. Am Ende des Tages erhält die
teilnehmende Klasse nach der Beantwortung von Fragen eine
Urkunde.
Alle Schulen im Stadtgebiet können sich für das Projekt
bewerben.
Es wird sehr gut von Schulen angenommen und zeigt,
Gesundheitsförderung ist in jedem Alter möglich und
willkommen.
Drei Beispiele habe ich genannt. Eine Reihe weiterer
ambitionierter Projekte ließe sich hier vorstellen. Sie alle
bezwecken, an nachgewiesenen Schwachstellen Anstöße zu
geben, Verhaltensweisen zu überdenken.
Wenn starke Partner am Start sind, die eng zusammenarbeiten
und an einem Strang ziehen, wie in den exemplarisch
vorgestellten Beispielen, sind wir auf einem guten Weg, das
Wohlbefinden, den Gesundheitszustand und das
Gesundheitsverhalten aller Bürgerinnen und Bürger in allen
Stadtteilen auf ein gleich gutes Niveau zu bringen. Das
Gesundheitsbild einer Stadt ist letztlich nur so gut, wie die
Gesundheit jedes einzelnen Bewohners.
Meine Damen und Herren,
ich habe eingangs den relativ großen Prozentsatz von Frauen
und Männer mit einem Body Mass-Index zwischen 25 und 30
benannt. Das Stadtgesundheitsprofil ist im übertragenen Sinne
der City-Mass-Index für unsere Stadt. Nun gibt es noch keine
Formel, die die Anzahl der Einwohner durch den
Gesundheitszustand jedes Einzelnen zum Quadrat nimmt, und
trotzdem lässt sich mein Dank auf einen Nenner bringen:
Ich danke allen Institutionen, Ämtern und Vereinigungen, die
Daten für den Bericht zur Verfügung gestellt haben sowie denen,
die die Daten akribisch ausgewertet und das
Stadtgesundheitsprofil 2012 erarbeitet haben.
Darüber hinaus danke ich der Sächsischen Landesärztekammer,
die diese Konferenz durch die Bereitstellung der Räumlichkeiten
und der Technik maßgeblich unterstützt hat sowie der
Gesellschaft für Gesunde Arbeit Dresden mbH und dem TUMA-
INI-Institut für Präventionsmanagement für das Sponsoring.
Sehr geehrte Damen und Herren,
tragen Sie mit dieser Konferenz dazu bei, dass sich der City-
Mass-Index Dresdens in einem gesunden Bereich bewegt.
Stellen Sie sich der Herausforderung, passgenaue Maßnahmen
zu erarbeiten, die an den festgestellten Schwachstellen gezielt
ansetzen. Behalten Sie auch in Zukunft Ihr Engagement und
Ihren Ideenreichtum für ein gesundes Dresden bei. Ich wünsche
Ihnen einen regen Austausch, konstruktive Diskussionen und
eine erfolgreiche Konferenz.
Helma Orosz
Oberbürgermeisterin
der Landeshauptstadt Dresden

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Grußwort der Sächsischen Staatsministerin Christine Clauß
Kommt, wir bauen eine Stadt, eine wunderschöne Stadt, wo man
nicht nur wohnen, wo man nicht nur arbeiten, sondern wo man
auch lachen kann. Und lachen ist ja bekanntlich gesund und
steht hier symbolisch für Lebensqualität.
Sehr geehrte Damen und Herren,
herzlichen Dank für die freundliche Einladung und Begrüßung.
Gern bin ich Ihrer Einladung gefolgt. Nicht nur, weil ich mich
darüber freue, dass Ihnen die Gesunde Stadt genauso am
Herzen liegt wie mir und ich Sie dabei gern unterstütze. Sondern
auch weil ich neugierig bin. Neugierig, auf Ihre Gedanken und
Ideen. Denn die Gesunde Stadt hat viele Facetten, aus
unterschiedlichen Perspektiven und letztlich versteht jeder etwas
anderes unter einer gesunden Stadt. Aber aus der Summe der
Meinungen entsteht ein Bild, das hoffentlich vielen gerecht wird –
Alt und Jung, Mann und Frau, Entspannten und Gestressten, in
Prohlis und in Striesen. Genetische Disposition, soziale
Sicherheit, medizinische Versorgung und Bildung,
Umweltfaktoren – all dies beeinflusst unsere Gesundheit.
Ernährung. Bewegung. Bandmaß. – Was hält gesund? Was
macht krank? Was ist festgelegt? Was ist beeinflussbar? Diese
Fragen standen Pate bei der Erarbeitung unserer
Gesundheitsziele – sechs an der Zahl. Da ist zum Beispiel das
„Aktive Altern“, mit dem wir Maßnahmen für die Gesundheit
unserer jungen Alten sichern. Oder das Gesundheitsziel
„Gesund aufwachsen“, das mit dem Mittelpunkt Kinderschutz
das Wohlergehen unserer Jüngsten sicherstellt. Wir geben damit
jenen eine Stimme, die noch keiner hört und jenen auf die keiner
mehr hört. Es kommt darauf an, zu individuellem
Gesundheitsverhalten anzuregen und etwaige Defizite des
sozialen Umfeldes und der Umwelt abzubauen. Einflussfaktoren
wollen wir zum Positiven verändern. Dafür kann die Politik von
Freistaat wie Kommunen die Weichen stellen. Das streben wir
im Freistaat Sachsen mit dem Gesundheitszieleprozess seit
2007 an. »Gesund aufwachsen« und »Aktives Altern« sind die
politischen Schwerpunkte, die für die Zielrichtung und das
Engagement des Freistaates zum Gesunderhalt seiner
Bevölkerung stehen. Sie bilden damit einen Kanon mit dem
Stadtgesundheitsprofil Dresdens.
Die im letzten Jahr von unserer Sächsischen Landesvereinigung
für Gesundheitsförderung veröffentlichte Befragung bei den
Gesundheitsämtern in Sachsen hat mein Haus und die
Ausrichtung bestätigt: Die Gesundheitsziele »Gesund
aufwachsen« und »Aktives Altern« sind mehr als nur verbal in
unseren Städten und Landkreisen angekommen. Ein gelungenes
Beispiel dafür, dass Landes- und kommunale
Gesundheitsförderung miteinander harmonieren. Auch Dresden
geht seinen Weg und ist damit Schrittmacher – auch mit der
heutigen Tagesordnung. Ob Gesundheitsförderung oder
Prävention, ob Versorgung oder Bewegung, ob Frühe Hilfen
oder Gesundheitliche Chancengleichheit oder
Suchterkrankungen. Sie haben an alle Themen gedacht. Ich bin
schon sehr gespannt auf die Ergebnisse.
Meine Damen und Herren,
bitte stellen Sie weiterhin den Kinderschutz in den Mittelpunkt
aller Präventionsprojekte. Bitte engagieren Sie sich weiterhin so
aktiv für die Zahngesundheit unserer Kinder. Bitte machen Sie
weiter so. Bitte entwickeln Sie weiterhin so tolle Projekte wie den
Rad-Stadtplan.
Noch zwei Gedanken, die mir am Herzen liegen. Erstens:
Unsere jungen Alten sind da und nutzen die Möglichkeiten der
sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe. Auch unser Altenbild
hat sich geändert. Die Oma sitzt schon lange nicht mehr im
Lehnstuhl und strikt. Sie trägt mini und fährt Mini. Der Opa lässt
sich schon lange nicht mehr die Pantoffeln von seiner
Enkelkindern bringen und erzählt Geschichten von früher. Er ist
mit den Jüngsten aktiv unterwegs und erklärt unsere Flora und
Fauna, erklärt die Welt, wie sie ist und misst sich wie nebenbei
mit den Jüngsten im Laufen.

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Mein zweiter Gedanke: Vernetzen Sie sich. Wie bereits erwähnt,
sind alle wichtigen Themen heute Nachmittag in ihren
Workshops vertreten. Und doch kommt es darauf an, nicht nur
jedes Thema, jedes Alter zu bedenken, sondern auch
Schnittstellen zu finden, Synergien ausfindig zu machen und zu
nutzen und den Weg zur Gesunden Stadt gemeinsam zu gehen.
Gemeinsam können Sie – können wir – viel erreichen, um die
Zukunft unserer Gesellschaft zu sichern. Denn eine gesunde
Stadt ermöglicht allen den Zugang zu einer breiten Vielfalt an
Kenntnissen, Erfahrungen und Dienstleistungen. Mögen sich
Ihren Erfolgen der zurückliegenden 21 Jahre hier in Dresden
viele weitere anschließen. Für Ihre Tagung wünsche ich Ihnen
interessante Vorträge, gewinnbringende Gespräche und
motivierende Ergebnisse. Herzlichen Dank.
Christine Clauß
Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,
wenn wir von Gesundheit, Bürgerschaft und kommunalen
Gestaltungsmöglichkeiten sprechen, bietet sich an, die drei eher
sperrigen Begriffe zunächst in ein Bild zu übertragen. So könnte
man sie unter anderem als Triangel visualisieren, die nur dann
sauber tönt, wenn die Verbindung aus Bürger und Kommune in
ihrem gemeinsamen Angelpunkt – dem der Gesundheit – sicher
und beweglich hält.
Mit diesem klingenden Bild begrüße ich Sie ganz herzlich zu
unserer Gesundheitskonferenz unter dem Motto „Gesunde Stadt
– Gesunde Bürgerschaft“. Diese Veranstaltung ist für mich ein
willkommener Anlass, die Schlagworte jenes Mottos und die
besondere Beziehung dieser Gesundheitsallianz einmal etwas
genauer unter die Lupe zu nehmen.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,
um es in einem vielleicht naiven Verständnis von Demokratie
auszudrücken, könnte der Bürger als der nehmende Teil
verstanden werden, der sein Anrecht auf Gesundheit gegenüber
dem gebenden Part – der Stadt oder dem Land – gelten macht.
Und so naiv ist dieses Verständnis vielleicht gar nicht: Auch das
Bundesverfassungsgerichts spricht in einem Urteil den Bürgern
ein Recht auf Gesundheit zu.
Doch daraus dem Staat, dem Landkreis, der Stadt oder der
Gemeinde eine schlicht gesetzlich abgeleitete Pflicht
zuzuschreiben, für das Wohlergehen Ihrer Einwohner zu sorgen,
geht an den vorherrschenden Wirklichkeiten vorbei. Eine
gesunde Bürgerschaft ist keine Pflicht des Staates, sie ist
logische Voraussetzung seiner Funktionsfähigkeit. Anders
gesagt, ist die Vermeidung von Krankheit, die Aufrechterhaltung
der Gesundheit und damit die Gewährleistung der unge-
brochenen Arbeitsfähigkeit wohl einer der wichtigsten
gesamtwirtschaftlichen Einflussfaktoren und eine der großen
Herausforderungen unserer Zeit geworden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
diese Einschätzung mag Ihnen vielleicht etwas hoch gegriffen
erscheinen, doch zeigen uns die Reporte der Krankenkassen
wie auch verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen zur
betriebswirtschaftlichen Bedeutung von Krankentagen und
Arbeitsausfällen immer deutlicher, welche Dimensionen der
Schaden für ein an sich funktionierendes Systems annehmen
kann, wenn man die Gesundheit seiner Mitglieder
vernachlässigt.
Grußwort des Präsidenten der Sächsischen Landesärztekammer Prof. Dr. med. habil. Jan Schulze
Und hier geht es schon lange nicht mehr nur um die körperlicher
Unversehrtheit unserer Bürger. Psychische Krankheiten klettern
die Liste der klinischen Einweisungsgründe beharrlich nach oben
und durch psychische Störungen verursachte Ausfälle kosten die
Unternehmen Unsummen. Dem Bundesarbeitsministerium nach
stieg die Zahl der Fehltage wegen psychischer Erkrankungen
und Verhaltensstörungen in Deutschland von 33,6 Millionen aus
dem Jahr 2001 auf 53,5 Millionen im Jahr 2010. Der Dresdner
Psychologe Professor Dr. Wittchen zeigte in einer europaweiten
Studie, dass psychische Störungen 2010 mit 27 Prozent der
gesellschaftlichen Gesamtbelastung deutlich mehr Kosten
verursachten als alle körperlichen Erkrankungen.
Allerdings sollte man hier natürlich differenzieren: stressbedingte
Schädigungen der geistigen Gesundheit, die aus einem
Überlastungsgefühl am Arbeitsplatz entstehen, sind zuallererst
auch da zu beheben. Einen motivierten und belastbaren
Mitarbeiter erhält nur, wer auf dessen Bedürfnisse eingeht und
die Voraussetzungen dafür schafft, dass dieser mit einem guten
Gefühl zur Arbeit kommt … und auch wieder geht. Hier sind also
die Unternehmen, sind Arbeitgeber, ist die Wirtschaft an sich in
der Pflicht.
Was aber die Vorbeugung körperlicher Schäden, die Förderung
gesunder Lebens- und Arbeitsbedingungen angeht, kann die
öffentliche Verwaltung, kann Landkreis, Stadt und Gemeinde
durchaus etwas bewirken. Gemeinsam erarbeitete
Gesundheitsziele wie „Aktiv Altern“ oder Initiativen, die der
Gesundheit am Arbeitsplatz dienen, seien hier genannt. Die
Schlagworte dieser Zeit sind Prävention und
Gesundheitsförderung. Denn Vorbeugung von Krankheit geht
Hand in Hand mit der Stärkung des Bewusstseins einer
individuellen Verantwortung für die eigene Lebensqualität. Und
es sind Angebote der Bewegungsförderung wie das des
Qualitätssiegels SPORT PRO GESUNDHEIT oder
suchtpräventive Maßnahmen, die kommunal auf die Beine
gestellt werden und die einen bedeutsamen Beitrag dazu leisten,
die Bevölkerungsgesundheit zu steigern, die gesellschaftliche
Kosten zu senken und die Lebensqualität zu erhöhen.

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,
Wenn wir schon vom „Aktiven Altern“ sprechen, so ist es nur
logisch, dass es auch ein Gesundheitsziel „Gesund Aufwachsen“
gibt, welches gesundheits- und bildungsfördernde Lebenswelten
für unsere Kinder anstrebt. Auch hier plädiere ich dafür, den
Fokus möglichst weit aufzuziehen. Gesundheit beginnt mit einer
behüteten und geordneten Kindheit. Umso mehr freut es mich,
dass ganz aktuell der Ausbau präventiver Angebote der frühen
Hilfe durch Familienhebammen in Dresden angekündigt wurde.
Junge, überlastete oder kranke Eltern mit Hilfe von Familien-
Hebammen auf Ihrem ersten Wegstück zu begleiten, kann
Überforderung, Eskalation und letztlich Gewalt in der Familie
vorbeugen. Die Sächsische Landesärztekammer begrüßt
derartige Projekte von Herzen.
Bei all diesen Themen sollten wir auch Vorausschau halten, um
auf die kommenden Probleme vorbereitet zu sein. Ich spreche
damit vor allem den demografischen wie auch den
geografischen Wandel an. Die Herausforderung an die Städte
wird sich aus zwei Entwicklungen ergeben: Zum einen wird die
Bevölkerungsbewegung vom Land in die Stadt auch weiter
zunehmen. Die Städte als wirtschaftliche Leuchttürme ziehen an
und bieten eine breite medizinische Versorgung. Die steigende
Zahl der Zuwanderer und Pendler bringt aber auch Umwelt-,
Lärm- und Verkehrsbelastungen mit sich. Das sind nicht zu
ignorierende Faktoren. Zum anderen wird die Bevölkerung
immer älter. Und auch wenn Dresden als Geburtenhauptstadt
immer wieder Anlass zur Hoffnung gibt, werden wir uns ernsthaft
damit beschäftigen müssen, wie in den sich ausdünnenden
ländlichen Regionen eine adäquate Versorgung der immer
Älteren zu gewährleisten sein wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,
Sie sehen, die Thematik hat viele Facetten, viel wird bereits
getan, das Bewusstsein ist an vielen Stellen geschärft. Wo es
noch Nachholbedarf gibt, welche Maßnahmen auf den Weg
gebracht werden und mit welchem Erfolg die bereits
Umgesetzten arbeiten, werden wir heute erfahren. Ich bin
gespannt auf die Ergebnisse des Stadtgesundheitsprofils 2012
und freue mich auf die interessanten Workshops. Mögen diese
wieder ein Stück dazu beitragen, dass Stadt und Bürgerschaft
um den Wert der Gesundheit wissen, so dass die Triangel auch
weiter klingt.
Prof. Dr. med. habil. Jan Schulze
Präsident der Sächsischen Landesärztekammer

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1. Einleitung Dr. Peggy Looks Beauftragte WHO-Projekt „Gesunde Städte“
Wie sieht es mit dem Gesundheitszustand und dem
Gesundheitsverhalten der Bürgerinnen und Bürger in Dresden
aus? Mit dieser Frage wird sich in regelmäßigen Abständen im
WHO-Projekt „Gesunde Städte“ beschäftigt. Basis der Arbeit des
WHO-Projektes „Gesunde Städte“ bildet das
Stadtgesundheitsprofil als ein Gesundheitsbericht, der die
gesundheitliche Lage der Bevölkerung zahlenmäßig hinterlegt.
Das Stadtgesundheitsprofil ist Grundlage für die Ableitung von
Handlungsschwerpunkten im Rahmen des Projektes sowie für
das Entwickeln von gezielten Maßnahmen der kommunalen
Gesundheitsförderung.
Das letzte Stadtgesundheitsprofil ist 2007 als Themenheft für die
Darstellung der Gesundheit der Generation 50Plus erschienen.
Im Stadtgesundheitsprofil 2012 wurden hingegen alle
Altersgruppen in Dresden berücksichtigt. Es gibt einen Überblick
über die gesundheitliche Lage der Bevölkerung einschließlich
dem Gesundheitsverhalten sowie der gesundheitlichen
Versorgung. Es wurde versucht, im Rahmen vorhandener Daten
die Analyse möglichst stadträumlich zu differenzieren, um gezielt
Handlungsschwerpunkte eruieren zu können.
Hauptaussagen, die im Stadtgesundheitsprofil getroffen werden
sind zum einen, dass mehr als die Hälfte der Dresdnerinnen und
Dresdner ihren Gesundheitszustand als gut einschätzen. Mit
zunehmendem Alter wird der eigene Gesundheitszustand als
weniger gut beurteilt. Damit lassen sich sicherlich auch die
Unterschiede zwischen den Stadträumen erklären. In
Stadträumen mit einem geringen Altersdurchschnitt wird die
eigene Gesundheit oftmals besser beurteilt.
Stellt man die Frage, wodurch die eigene Gesundheit und das
Wohlbefinden beeinträchtigt wird, dann werden hier neben
persönlichen Faktoren auch Beeinträchtigungen, die aus der
Arbeit bzw. Umwelt resultieren benannt. Hier bieten sich gezielte
Präventions- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen an, die
z.T. auch Gegenstand der Arbeit des WHO-Projektes sind.
Die Gesundheit eines Menschen ist im Wesentlichen auch von
deren Ernährungsgewohnheiten sowie der körperlichen Aktivität
beeinträchtigt. Daher werden ebenfalls die Daten zum Body-
Mass-Index sowie zur körperlichen Aktivität in Dresden
betrachtet. Es ist einerseits erfreulich feststellbar, dass
annähernd 50 Prozent der Frauen und mehr als 40 Prozent der
Männer einen normalgewichtigen BMI-Wert aufweisen.
Allerdings sind auch etwa 40 Prozent der Männer und mehr als
20 Prozent der Frauen mit einem BMI-Wert zwischen 25 und 30
kg/m² übergewichtig. Übergewicht kann erheblich das
Krankheitsrisiko erhöhen, so dass hier präventive Maßnahmen
im Sinne einer Aufklärung bereits frühzeitig ansetzen müssen.
Die Dresdnerinnen und Dresdner halten sich fit. In den
Altersgruppen von 16 bis 74 Jahren treiben über 60 Prozent ein-
oder mehrmals in der Woche Sport bzw. sind körperlich aktiv.
Über 40 Prozent der 16- bis 24-Jährigen treiben sogar
mindestens zwei- bis dreimal in der Woche Sport. Eine
wesentliche Aussage in der Auswertung der Kommunalen
Bürgerumfrage von 2010 ist, dass stadträumliche Unterschiede
bestehen. In einigen Stadträumen sind die Bürgerinnen und
Bürger wesentlich aktiver als in anderen. Auch hier sind in
Kooperation mit anderen Akteuren gezielte Maßnahmen und
Aktionen gestartet worden, um die körperliche Aktivität zu
fördern. Zu nennen sind hier die Stadtteilrundgänge in Dresden-
Gorbitz, der Westhanglauf sowie das Projekt „Kids fit und aktiv in
Dresden“ des Gesundheitsamtes.
Vor dem Hintergrund steigender Kinderzahlen in Dresden, haben
wir im Stadtgesundheitsprofil insbesondere auch die kleinen
Dresdnerinnen und Dresdner im Blick. Die Daten des Kinder-
und Jugendärztlichen Dienstes ermöglichen eine Reihe von
verlässlichen Aussagen über den Gesundheitszustand der
Dresdner Kinder. Bei Betrachtung der Entwicklung von
Sprachauffälligkeiten von Kindern im Kindergartenalter (die
eindeutig von Sprachstörungen abzugrenzen sind), zeigen sich
über den Zeitverlauf deutlich positive Entwicklungen. Dies ist
nicht zuletzt auch durch die qualifizierte Arbeit des Personals in
den Kindertageseinrichtungen wie auch durch das ganzheitliche
Projekt KiNet erreicht worden.
Dennoch gibt es auch weitere Herausforderungen, wenn man
sich die prozentualen Unterschiede der BMI-Werte im Vergleich
der Schultypen anschaut. Hier wurde bereits erkannt, dass
Kinder aus Förderschulen erheblich stärker einen erhöhten BMI-
Wert aufweisen als Kinder anderer Schultypen. Im Rahmen des
Projektes „Kids fit und aktiv in Dresden“ hat man sich dieser
Herausforderung gestellt und in einem ersten Modellvorhaben im
Albert-Schweitzer-Förderzentrum Kinder begeistert, sich
ausgewogen zu ernähren und Spaß an der Bewegung zu haben.
Derzeit stehen Überlegungen an, wie man dieses Modellprojekt
auch in anderen Schulen mit geeigneten Partnern integrieren
kann.

10
Mit der Vorlage des Stadtgesundheitsprofils ist die Arbeit des
WHO-Projektes keineswegs abgeschlossen. Im Rahmen einer
anschließenden Gesundheitskonferenz werden mit politischen
Vertretern, Fachleuten, Vertretern der Sächsischen
Landesärztekammer sowie der Krankenkassen, konkrete
Maßnahmen zur weiteren Förderung der Gesundheit der
Dresdnerinnen und Dresdner entwickelt.
Am 16. März 2013 richtete die Landeshauptstadt Dresden in
Kooperation mit der Sächsischen Landesärztekammer die
Gesundheitskonferenz „Gesunde Stadt - Gesunde Bürgerschaft /
Gesundheit in Kommunen gestalten“ zur Auswertung des
Stadtgesundheitsprofils 2012 aus.
Aus der Vielfalt der Themen des Stadtgesundheitsprofils wurden
folgende fünf Schwerpunktthemen in den Workshops diskutiert:
Versorgung und deren Bedeutung für die Kommune,
Sicherung gesundheitlicher Chancengleichheit,
Bewegungsförderung als präventive Maßnahme,
Suchtprävention und
Frühe Hilfen als kommunale Herausforderung.
In den vorangestellten Hauptreferaten werden die Schwerpunkte
„Versorgung“ durch Herrn Prof. Dr. Joachim Kugler (TU
Dresden), „Gesundheitliche Chancengleichheit“ durch Frau Dr.
Monika Köster (BZgA) sowie „Bewegung für gesunde
Lebensführung“ durch Herrn Dr. Christoph Altmann (SLAEK)
andiskutiert.
Den Abschluss der Veranstaltung bildetet eine
Podiumsdiskussion mit den Moderatorinnen und Moderatoren
der Workshops.
Die vorliegende Dokumentation bildet einen Überblick über die
Hauptreferate sowie die Beiträge in den Workshops. Die
einzelnen Präsentationen finden Sie unter www.dresden.de/who.
Wir wünschen Ihnen eine interessante und informative Lektüre.
Kontakt: Dr. Peggy Looks, Soziologie M.A., Master Ökonomie und Management Beauftragte WHO-Projekt „Gesunde Städte“ Gesundheitsamt Dresden E-Mail: [email protected]

11
Impressionen
Fotos: Sächsische Landesärztekammer, 2013

12
(1) „Von der Gesundheitsförderung und Prävention zur Versorgung“ von Prof. Dr. Joachim Kugler
2. Impulsreferate Im Folgenden sind Kurzfassungen zu ausgewählten Beiträgen der Gesundheitskonferenz „Gesunde Stadt - Gesunde Bürgerschaft“
aufgeführt. Für die Inhalte der Beiträge sind die Autor/innen verantwortlich. Die jeweiligen Präsentationen finden Sie unter
www.dresden.de/who.
Gesundheit ist nicht das Fehlen von Krankheit und Behinderung,
sondern psychisches, körperliches und soziales Wohlbefinden
WHO, 1947
Das deutsche Gesundheitssystem gehört zu den
bestausgestatteten in Europa. Der Gesundheitssektor trägt mit
ca. 11% zum Bruttosozialprodukts bei. Mehr als 290 Milliarden
Euro betragen allein die jährlichen Ausgaben in der gesetzlichen
Krankenversicherung. Die Ausgaben für Prävention nehmen bei
den Gesundheitsausgaben jedoch nur einen kleinen Raum ein
(ca. 4 %).
Daten der Weltgesundheitsorganisation zeigen, dass die
Lebenserwartung in Deutschland in den letzten Jahren unter
dem der europäischen A-Länder liegt. Auch die
Lebenserwartung in Gesundheit erreicht im europäischen
Vergleich allenfalls durchschnittliche Werte. Betrachtet man die
Sterblichkeit für einzelne Altersgruppen, so zeigt sich im
europäischen Vergleich eine Untersterblichkeit bis zum 40.
Lebensjahr und eine Übersterblichkeit für über 40-Jährige in
Deutschland. Dies kann als Indiz gewertet werden, dass das
deutsche Gesundheitssystem gut für die Versorgung von akuten
Krankheiten und Unfälle im Kindes- und frühen
Erwachsenenalter gerüstet ist, jedoch für eine Behandlung
chronisch kranker, multimorbider älterer Patienten Defizite
aufweist.
Internationale Studien legen nahe, dass ca. 50 % der Todesfälle
in industrialisierten Ländern auf vermeidbares Risikoverhalten
zurückführbar ist. Desweiteren sind für viele häufige chronische
Krankheiten (‚Volkskrankheiten‘) Lebensstilfaktoren als Risiko
gut untersucht: z.B. Herzinfarkt, Allergien, Tumore.
Trotz deutlicher Hinweise, dass die Übersterblichkeit neben
struktureller Ineffizienzen auch einem Mangel an
Gesundheitsförderung und Prävention geschuldet sein könnte,
sind z.B. die Daten zum Übergewicht, zum Alkoholkonsum und
zum Rauchen für die Bundesrepublik Deutschland wenig
ermutigend.
Für die Zukunft sind zwei Szenarien denkbar:
a) Der Lebensstil der Bevölkerung ändert sich nicht,
Gesundheitsförderung und Prävention werden auf
dem bisherigen niedrigen Niveau beibehalten, dann
ergibt sich ein zukünftiger Lebenserwartungszuwachs
vorwiegend aus dem medizinisch-technischen
Fortschritt. Ändert sich im Risikoverhalten nichts, wird
der Beginn chronischer Erkrankungen in der
Lebenspanne so bleiben, wie er jetzt sich darstellt.
Das bedeutet für den Einzelnen mehr Lebensjahre in
chronischer Krankheit, da sich die Spanne zwischen
Ausbruch einer Krankheit und dem Tod durch den
medizinisch-technischen Fortschritt verlängert. In
einem solchen Szenario (‚Medikalisierungsthese‘)
werden die Ausgaben im Gesundheitssystem
dramatisch ansteigen.
b) Gelingt es das Risikoverhalten gezielt zu verändern,
werden Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und
Prävention verstärkt, kann die Zeit bis zum Ausbruch
einer Erkrankung (‚Kompressionsthese‘)
hinausgeschoben werden. Die bedeutet, dass die
Lebensjahre in Gesundheit zunehmen, was positiv für
die Lebensqualität des Einzelnen, aber auch für die
Produktivkraft einer Bevölkerung ist. Zudem wird der
Zeitpunkt der Inanspruchnahme von
Gesundheitsleistungen in eine höheres Alter
verschoben. Die Kostensteigerungen in diesem
Szenario würden bei gleichem
Lebenserwartungszuwachs deutlich weniger steigen,
da diagnostische und therapeutische Aufwendungen
bei schon bestehender chronischer Erkrankung teurer
sind als Interventionen zur Änderung des
Risikoverhaltens.
Eine stärkere Betonung der Gesundheitsförderung und
Prävention erscheint eine wichtige Zukunftsaufgabe für das
deutsche Gesundheitssystem. Das WHO-Netzwerk ‚Gesunde
Städte‘ leistet hierzu wichtige Aufbauarbeit auf kommunaler
Ebene.
Kontakt: Joachim Kugler Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Medizinische Fakultät, TU Dresden E-Mail: [email protected]
12

13
(2) „Bewegung für gesunde Lebensführung von Dr. Christoph Altmann
Landesweite Gesundheit ist nur schwer messbar. Sachsen ist
aus verschiedenen Gründen gesundheitlich ein gewisses
Risikogebiet. Sächsische Bürger rauchen zwar im Schnitt
weniger verzollte Zigaretten als der Bundesdurchschnitt. Über
die beiden Staatsgrenzen nach Tschechien und Polen besteht
aber eine ständige Zufuhr von unverzollten Zigaretten, so dass
die gesundheitlichen Auswirkungen insgesamt schwer messbar
sind. Junge Menschen in Sachsen rauchen mehr als in anderen
Bundesländern. Junge Frauen und Mädchen rauchen laut
Tabakatlas 2009 in Sachsen fast doppelt so häufig wie im
Bundesdurchschnitt.
Laut einer Analyse der BEK Gmünder Ersatzkasse gehört
Sachsen, wie alle neuen Bundesländer zu den Gebieten, wo die
gesetzliche Krankenversicherung besonders viel Geld pro
Versicherten aufwendet. Dies lässt sich zwar relativieren, wenn
altersbezogen gewichtet wird oder wenn die Gesundheitskosten
für gleich Kranke verglichen werden (hier liegt Sachsen sogar
eher günstig). Sachsen gehört aber dennoch diesbezüglich zu
den deutschen Problemzonen.
Im Herzreport 2009 hatte das Bundesland Sachsen die höchste
Sterblichkeit an Herzkrankheiten von allen Bundesländern.
Obwohl die Häufigkeit zum Beispiel des Herzinfarktes in
Sachsen eher niedrig liegt, ist die Sterblichkeit am Herzinfarkt in
Sachsen zumindest 2008 / 2009 eine der höchsten in
Deutschland gewesen. Die Gründe hierfür sind nicht letztlich
geklärt, die Statistik ist bereits altersbereinigt. Es liegt
wahrscheinlich einerseits an der Flächenstruktur Sachsens mit
verlängerten Notarztzeiten und zum anderen an der geringeren
Aufmerksamkeit, die sächsische Bürger diesen Erkrankungen
widmen (verlängerte Wartezeit des Patienten).
Umso wichtiger ist es also, dass Prävention und
Sekundärprävention in Sachsen flächendeckend und mit
verstärktem Engagement umgesetzt werden, um die Bürger
entsprechend gesund zu erhalten.
Der vorliegende Beitrag stellt die Rolle der Bewegungstherapie
in der Gesunderhaltung vor.
Bereits seit 1986 wurde in der Harvard alumni study festgestellt,
dass 20 Kilometer zusätzliche Gehstrecke in der Woche, oder
das tägliche Treppensteigen von 5 Stockwerken nach 15 Jahren
die Sterblichkeit um etwa 30 % vermindern kann.
Eine US-amerikanische Studie belegte 2002, dass die
Lebenserwartung gesunder Menschen relativ direkt von der
körperlichen Fitness, gemessen in Wattleistung bei einem
Belastungstest, abhängt. Die Studie zeigte, einen
Überlebensvorteil von 6 Jahren Lebenszeit mit jeder
zusätzlichen Fitness-Stufe im Test.
Regelmäßige sportliche Betätigung schützt auch vor
lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen bei
Überanstrengungen. In einer Studie an Tausenden von Ärzten
wurde im Jahr 2000 nachgewiesen, dass regelmäßiger Sport die
Sterblichkeit nach 12 Jahren um 31 % verringerte und dass
Ärzte, die regelmäßig Sport trieben, auch bei plötzlichen
Überlastungen weitgehend vor lebensbedrohlichen
Rhythmusstörungen geschützt waren.
In einer weiteren großen Untersuchung, die vor allem die
Frauengesundheit betraf (Harvard WHI-Studie 2002), konnte
nachgewiesen werden, dass 5 Stunden Sport pro Woche
innerhalb von 4 Jahren das Risiko für einen Herzinfarkt oder für
einen Schlaganfall um 55 % verminderten. Dabei kam es vor
allem auf die aufgewendete Kalorienmenge an und nicht so sehr
auf die maximale sportliche Intensität. Längeres Gehen war also
genau so nützlich, wie kurzfristige starke sportliche Belastung.
Eine langjährige Beobachtung von Tausenden von
Krankenschwestern über 20 Jahre zeigte, dass 5 Stunden Sport
pro Woche die Sterblichkeit um 37 % absenken konnte.
Diese Studien, deren Wirkungsnachweis weit über die
Möglichkeiten aller bekannter Medikamente hinaus geht,
belegen eindrucksvoll, dass körperliche Aktivität und Bewegung
langfristig Gesundheit sichert und zu einem längeren und
gesünderen Leben führt.
Welche Aufgaben ergeben sich daraus für Entscheidungsträger
und Multiplikatoren?
Den Unbeweglichen in Bewegung bringen.
Den Sportler beraten.
Barrieren erkennen und überwinden.
Beteiligung der Betroffenen auf allen Ebenen.
Freiwilligkeit.
Langfristigkeit und Nachhaltigkeit.

14
Die gesundheitlichen Auswirkungen von Bewegung zu erkennen,
ist allein zu wenig.
Letztendlich bedarf es einer zentralen politischen Willensbildung,
um solche Bewegungskonzepte flächendeckend umzusetzen.
Natürlich müssen solche Konzepte strukturell und finanziell
unterlegt sein, weil sonst am Ende der Bürger gar nicht begleitet
werden kann, um eine solche Lebensstilveränderung im Alltag
zu verwirklichen.
Kostenträger, Krankenkassen, Rentenversicherer, große
Betriebe, Arbeitsmediziner, Medien und Einrichtungen des
Bildungssystems müssen beteiligt werden, damit
flächendeckend Bewegung als gesundheitliches Therapeutikum
in der Bevölkerung umgesetzt werden kann.
Die Wirklichkeit sieht leider trotz der eindeutigen
Studienergebnisse unbefriedigend aus. Krankenkassen-
Bewegungskurse werden im Allgemeinen nur so lange
wahrgenommen, wie auch die Krankenkasse bezahlt. Ärztliche
Empfehlungen zur Bewegung weisen zum Teil nicht die
erforderliche Klarheit auf und werden in der Umsetzung nicht
ausreichend begleitet. Trotz zig-tausender Gesundheitsangebote
der gesetzlichen Krankenkassen und trotz Möglichkeiten für
Ärzte, Bewegung zu verordnen, und Patienten und betreute
Personen in sportliche Angebote zu vermitteln und trotz einer
hervorragenden Infrastruktur der Sportvereine durch die
Möglichkeiten von Sport pro Gesundheit, sind wir in Sachsen
weit davon entfernt, das tägliche Bewegungstherapie im Alltag
der Menschen angekommen wäre. Allein beim Rezept auf
Bewegung zeigen sich enorme Probleme bei der Umsetzung. Es
finden sich keine Vergütungsformen für ärztliche
Gesprächsinterventionen. Es zeigen sich juristische Bedenken
hinsichtlich des Formulartextes an sich und hinsichtlich von
möglichen Verletzungen des Wettbewerbrechtes. Am Ende
kommt bei dem Bürger und bei der Bürgerin keine klare
Botschaft der Entscheidungsträger und Multiplikatoren an.
Wir müssen befürchten, dass am Ende viele Bürger eine
resignative Grundhaltung einnehmen und sich letzten Endes mit
einem sitzenden unbewegten Lebensstil zufrieden geben. Etwas
humorvoll könnte das Lebenskonzept dieser Menschen so
formuliert werden:
„Genieße froh Wein, Weib, Gesang. Den Wein vor allen Dingen.
Und rät der Arzt zur Mäßigung, so lasst so zuerst das Singen.“
Die Begleitung eines Menschen in einen bewegungsfreundlichen
Lebensstil oder die Beratung eines sportlich ambitionierten
Menschen in ein maßvolles gesundheitsorientiertes
Bewegungsverhalten ist eine große pädagogische,
gesundheitspolitische und auch medizinische Aufgabe.
Ausdrücklich warnen möchte ich vor einer zu starken Betonung
des Sicherheitsaspektes und vor zu vielen unnötigen Verboten.
Ein mir gut bekannter Bewegungstrainer formulierte
diesbezüglich einmal den Satz:
„Wir Deutschen sind kein Volk von Bedenkenträgern. Wir sind
ein Volk von risikobewussten Bedenkenträgern!“
Unnötige Verbote zerstören die Motivation und die
Freiheitlichkeit des Bewegungsverhaltens der Bürgerinnen und
Bürger und sollten unterbleiben.
Ich empfehle Verbote nur dann, wenn ein Schaden eindeutig
nachweisbar ist oder wenn der Patient oder der Betroffene das
Risiko der Bewegung weder einschätzen, noch kontrollieren
kann. Zusätzlich muss das Verbot aber auch tatsächlich
umsetzbar sein.
Wenn diese Grundregeln beachtet werden, können Verbote nur
noch einen sehr kleinen Raum im Bewegungsverhalten
einnehmen. Die Hauptaufgabe wäre eine konstruktive und
fachlich ausgewogene Begleitung des Bewegungsverhaltens des
Betroffenen. Grenzbereiche gesundheitlicher Gefährdung
können z.B. in modernen Kampfsportarten, in
leistungssportlichen Aktivitäten jenseits des 30. Lebensjahres
oder in Aufenthalten in großen Höhen über 5.000 Meter oder im
Tauchsport bestehen. Nach meiner Erfahrung ist aber ein
liberales Verständnis der fachlichen Begleitung solcher
Aktivitäten sinnvoller als ein engherziges Verbieten und
Reglementieren. Man darf nicht unterschätzen, dass auch für
manche älteren oder gesundheitlich bereits geschädigten
Personen große sportliche Leistungen eine enorme
Lebenserfüllung, ein Glücksgefühl darstellen und lieber fachlich
begleitet werden sollen, als durch unnötige Verbote,
Lebensfreude und Motivation einzuschränken.
Regelmäßige körperliche Aktivität gehört zu einer der
wirkungsvollsten und kostengünstigsten Maßnahmen in
Prävention und Therapie von zahlreichen Erkrankungen.
So lassen sich depressive Erkrankungen,
Blutfettstoffwechselstörungen, Zuckerkrankheit, Bluthochdruck
und viele andere chronische Erkrankungen unserer Zeit günstig
mit regelmäßigem sinnvollem Bewegungstraining verbessern
oder verhindern.
Es ist kritisch zu hinterfragen, warum diese Maßnahme nur
vergleichsweise selten genutzt wird. Gibt es möglicherweise
keine ausreichenden wirtschaftlichen Interessen oder Anreize für
eine konsequente und flächendeckende Bewegungstherapie?
Die in den Medien ständig präsente Bewerbung gesunder
Ernährung oder diverser Pharmaprodukte zeigt, dass auf diesen
anderen Bereichen offensichtlich besser Geld verdient werden
kann (Statement von Prof. Dr. Leyk, Deutsche Sporthochschule
Köln, Deutsches Ärzteblatt 2009).
Selbst deutlich übergewichtige Erwachsene können mit
entsprechend günstiger Methodik in stabile
Bewegungsprogramme integriert werden und dadurch ihre
körperliche Leistungsfähigkeit und ihr Gewicht deutlich
verbessern (Studie Deutsche Sporthochschule Köln 2008).
Es kommt also vor allem auf die Motivation, auf die
Kommunikation und auf die Umsetzbarkeit im Alltag für die
Betroffenen an, dann sind auch flächendeckende
Bewegungsprogramme machbar!

15
.
Regelmäßige Bewegung sollte eingebettet werden in einen
gesunden Lebensstil, bestehend aus Nichtrauchen, klugem
Umgang mit Stress, ausreichend Schlaf und Ruhe sowie einer
ausgewogenen gesundheitsbewussten Ernährung.
Ausdauersportarten sind zu bevorzugen. Krafttraining und
Muskelaufbau sollten aber in jedem Lebensalter elementare
Bestandteile von Bewegungsprogramm sein.
Leitsätze des gesunden Lebensstils bleiben:
Verzichten aus Prinzip hat keinen Sinn.
Die Spielregeln kennen und gezielt reagieren.
Strategisch und zielorientiert handeln.
Den Körper nicht schlechter behandeln als das
eigene Auto.
Kontakt: Dr. Christoph Altmann Internist Kardiologe Kardiovaskulärer Präventivmediziner DGPR Vorsitzender Landesverband Sachsen für Prävention und Rehabilitation von Herz Kreislauf Erkrankungen Präventionsbeauftragter der Sächsischen Landesärztekammer Email: [email protected]

16
(3) „Einfluss von Demografie und sozialem Status auf die Gesundheit“ von Prof. Dr. Elisabeth Pott & Dr. Monika Köster
Die Lebenserwartung steigt, die Menschen werden älter.
Neugeborene Mädchen haben eine Lebenserwartung von 82,7
Jahren, neugeborene Jungen von 77,7 Jahren. Aufgrund der
ferneren Lebenserwartung können heute 65 jährige Frauen von
weiteren 20,7 Jahren, und 65jährige Männer von weiteren 17,5
Jahren ausgehen. Vor diesem Hintergrund - sowie mit
verursacht durch die in Deutschland niedrige Geburtenziffer -
ändern sich die Zusammensetzung und Struktur der
Gesellschaft. Dies bringt neue Herausforderungen für viele
gesellschaftliche Bereiche und Akteure mit sich. Hinzu kommen
der gesamtgesellschaftliche Wandel und die hiermit einher
gehenden Entwicklungen u.a. bzgl. individueller Lebens- und
Wohnformen, Bildung, Arbeitsmarkt, Einkommen, kulturellem
Hintergrund.
Da immer mehr Menschen ein hohes Alter erreichen, ist es ein
wichtiges Ziel, die gewonnenen Lebensjahre bei möglichst guter
Gesundheit. Selbstbestimmtheit und Lebensqualität zu
verbringen. Hierzu müssen die bestehenden Ressourcen genutzt
und die Möglichkeiten von Gesundheitsförderung und Prävention
ausgeschöpft werden. U.a. muss für eine frühzeitige und
lebensbegleitende sowie Lebensphasen berücksichtigende
Gesundheitsförderung und Prävention Sorge getragen werden.
Es gibt hierzu bereits einige gute Umsetzungsbeispiele und
tragfähige Verbindungen zwischen Handlungsfeldern und
Akteuren der Gesundheitsförderung.
Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung sollte der
Fokus der Gesundheitsförderung noch stärker auf Generationen
übergreifende Ansätze, auf die Aktivität und Teilhabe aller
Generationen (Partizipation) sowie Ressourcen orientiert
ausgerichtet sein. Gleichzeitig gilt es, die zentralen chronisch
degenerativen Erkrankungen, die entsprechenden Risikofaktoren
sowie die im höheren Lebensalter häufig auftretende
Multimorbidität zu berücksichtigen. Alters- und
Gesundheitsmanagement werden zunehmend notwendiger -
dies betrifft u.a. auch Firmen und Unternehmen, die mit älter
werden Belegschaften arbeiten.
Gleichzeitig ist zu beachten, dass die Zielgruppe der älteren und
alten Menschen eine äußerst heterogene Zielgruppe ist. Neben
dem Alter der Menschen sind viele weitere Zielgruppenmerkmale
wie Geschlecht, Bildung, berufliche Situation, Einkommen,
Familiensituation und Migrationshintergrund etc. von Bedeutung.
Mit Blick auf die Gesundheit, auf Morbidität und Mortalität spielen
der biografische und vor allem der sozioökonomische
Hintergrund bedeutsame Rollen. Menschen, die unter sozial
schwierigen Bedingungen leben, sind häufiger und
schwerwiegender krank und sterben in der Regel früher.
So haben Männer der untersten Einkommensschicht eine um ca.
10 Jahre geringere Lebenserwartung, als Männer der obersten
Einkommensgruppe.
In diesem Kontext ist – zielgruppen- und
generationenübergreifend - der kommunale Ansatz der
Gesundheitsförderung bedeutend. Zentrale Akteure des
Gesundheits-, sozialen und Bildungsbereichs auf der
kommunalen Ebene müssen zielgerichtet und Lebensphasen
bezogen zusammenarbeiten und die Übergänge zwischen den
Lebensphasen berücksichtigen. Dies bezieht sich auf den
Bereich der Kinder- und Jugendgesundheit ebenso, wie auf die
Gesundheit von Erwachsenen und älter werdenden Menschen
(z.B. Übergang von der Erwerbstätigkeit in die
Nacherwerbsphase). Die Zusammenarbeit und Vernetzung der
jeweils relevanten Akteure muss unterstützt werden. Bislang gibt
es einige gute Beispiele und auch konkrete Vereinbarungen. Es
stellt sich heraus, dass viele Aktivitäten und Maßnahmen, die in
der Kommune z.B. für Familien mit kleinen Kindern gut und
sinnvoll sind, sich auch für die Zielgruppe der älteren Menschen
als hilfreich erweisen (z.B. abgesenkte Bürgersteige,
ausreichende Beleuchtung, Parkanlagen, Sport- und
Freizeitanlagen etc.). Durch Generationen übergreifende
Maßnahmen können in vielen Bereichen Synergieeffekte in der
Kommune, in den Lebenswelten der Bürgerinnen und Bürger,
erreicht werden.
Die BZgA fördert die Gesundheit unterschiedlicher Ziel- und
Altersgruppen lebenslaufbegleitend in Zusammenarbeit mit
zentralen Partnern auf Bundes-. Länder- und kommunaler
Ebene. Hierbei stehen die Schaffung bzw. Weiterentwicklung
gesundheitsfördernder Strukturen, die sektorübergreifende
Zusammenarbeit, die Vernetzung von Wissenschaft und Praxis,
die zielgerichtete Kooperation von Einrichtungen des
Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesens, das Aufgreifen
bewährter Ansätze (good practice) im Vordergrund. Um Nach-
haltigkeit, und Verstetigung zu erreichen, sind qualitätssichernde
Maßnahmen unabdingbar.
Zur Förderung der gesundheitlichen Chancengleichheit hat die
BZgA 2003 den Nationalen Kooperationsverbund
„Gesundheitliche Chancengleichheit“ initiiert. Gemeinsam mit
inzwischen 58 Akteuren auf der Bundesebene kümmert sich die
BZgA um Fragen der Gesundheitsförderung sozial
benachteiligter Zielgruppen, so z.B. um Kinder und Jugendliche
sowie Erwachsene und ältere Menschen in schwierigen sozialen
Lagen.

17
Ein umfassender Internetauftritt www.gesundheitliche-
chancengleichheit.de stellt Daten, Informationen und praxisnahe
Werkzeuge sowie Beispiele guter Praxis bereit. In enger
Zusammenarbeit zwischen dem Kooperationsverbund
„Gesundheitliche Chancengleichheit“ und dem bei der BZgA
angesiedelten Nationalen Zentrum Frühe Hilfen und
kommunalen Ebene werden Auf- und Ausbau von tragfähigen
Netzwerken unterstützt.
Im Rahmen ihres Programms „Gesund und aktiv älter werden“
arbeitet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
(BZgA) eng mit den Bundesländern und Kommunen zusammen.
Über regionale Konferenzen, über die Bereitstellung von
Materialien und Arbeitshilfen für die Akteure vor Ort sowie eine
Website www.gesund-aktiv-älter-werden.de ist eine bedarfs-
orientierte Unterstützung der Multiplikatorinnen und
Multiplikatoren und der älteren Menschen und ihrer Familien im
Lebensraum Kommune in der Umsetzung.
Kontakt: Prof. Dr. Elisabeth Pott Präsidentin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Email: [email protected]

18
3. Ausgewählte Beiträge
3.1 Workshop „Versorgung im Gesundheitswesen aus Sicht der
Bürgerinnen und Bürger“
(1) Die Rolle der Patientenzufriedenheit im Krankenhaus von Dr. Tonio Schönfelder
Im Rahmen der Qualitätssicherung und -verbesserung im
Gesundheitswesen gewinnt die Perspektive der Patienten in
zunehmendem Maße an Aufmerksamkeit. Gesetzlich geforderte
Qualitätssicherungsmaßnahmen haben die Voraussetzungen
dafür geschaffen, dass Krankenhäuser Patientenbefragungen
als Instrument zur Beurteilung der Leistung und Qualität der
Versorgung nutzen. Die veränderten Ansprüche des Patienten
an den Krankenhausaufenthalt und der gesetzlich forcierte
Wettbewerb zwischen den Einrichtungen führen dazu, dass sich
Kliniken wie Anbieter wirtschaftlicher Produkte verhalten
müssen. Patienten- und somit Kundenbefragungen, wie sie in
anderen Branchen bereits üblich sind, rücken zunehmend in den
Mittelpunkt. Daher stellt bei vielen Zertifizierungsmethoden im
Krankenhausbereich die Messung der Patientenzufriedenheit ein
zentrales Modul dar.
In Deutschland sind Verfahren zur Ermittlung und Verbesserung
der Patientenzufriedenheit Bestandteil von strukturierten
Qualitätsberichten, die Krankenhäuser regelmäßig
veröffentlichen müssen. Diese Berichte haben das Ziel,
Patienten und Ärzte über die Qualität und die Leistungen von
Krankenhäusern zu informieren. Andere Länder gehen einen
Schritt weiter und setzen Patientenzufriedenheit als Instrument
zur Qualitätssicherung im Rahmen von Pay-for-Performance-
Modellen ein. In Großbritannien wird die Zufriedenheit der
Patienten mit deren Behandlung regelmäßig im Rahmen des
NHS National Patient Survey Programmes ermittelt.
Gesundheitseinrichtungen und Hausärzte erhalten hierbei
Bonuszahlungen in Abhängigkeit der Zufriedenheitsergebnisse.
Im staatlichen US-amerikanischen Krankenversicherungssystem
Medicare wurde 2012 ein Vergütungssystem eingeführt, welches
Krankenhäuser für eine hohe Patientenzufriedenheit belohnt.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, weshalb die
Perspektive der Patienten und speziell deren Zufriedenheit mit
der Krankenhausbehandlung so bedeutsam geworden ist.
Internationale Studien haben diesbezüglich verschiedene
positive Effekte sowohl für die Patienten als auch die
Leistungserbringer aufgezeigt.
Die Zufriedenheit mit dem Krankenhausaufenthalt ist ein
wichtiger Einflussfaktor für die Therapietreue und die
Bereitschaft, sich einer weiteren notwendigen Behandlung zu
unterziehen, und hat damit direkten Einfluss auf den langfristigen Behandlungserfolg. Weitere Untersuchungen haben einen
Zusammenhang zwischen Patientenbewertungen und der
Profitabilität von Krankenhäusern gefunden. Dabei haben die
erfolgreichsten Einrichtungen durchschnittlich die zufriedensten
Patienten. Dies wird dadurch erklärt, dass zufriedene Patienten
häufiger in die gleiche Einrichtung zurückkehren und diese
Dritten weiterempfehlen wodurch die Patientenzahlen und damit
der Marktanteil steigen. Die durch Patientenumfragen ermittelten
Zufriedenheitsergebnisse können darüber hinaus zur
systematischen Schwachstellenanalyse in der
Patientenversorgung und zur Verbesserung der Strukturen und
Prozesse in Krankenhäusern genutzt werden. Weitere Studien
haben gezeigt, dass unzufriedene Patienten häufiger aufgrund
von vermeintlichen Behandlungsfehlern klagen. Dieser Aspekt
gewinnt in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Im Jahr 2011
haben sich circa 40.000 Patienten aufgrund von
Fehlbehandlungen an Beschwerdestellen gewandt.
Aufgrund der positiven Effekte der Patientenzufriedenheit, ist es
aus Sicht des Krankenhaussektors von großer Bedeutung
Kenntnisse darüber zu besitzen, welche Aspekte Zufriedenheit
auslösen und bis zu welchem Ausmaß Einrichtungen die
Bewertungen von Patienten selbst beeinflussen können.
Patientenzufriedenheit ist ein multidimensionales Konstrukt, das
sich aus mehreren Faktoren zusammensetzt, deren Bedeutung
für den einzelnen Patienten durch bisherige Untersuchungen
nicht gänzlich erklärt werden kann. Studien haben jedoch
gezeigt, dass sich Patientenzufriedenheit primär aus vier
Komponenten zusammensetzt. Dies sind die subjektiven
Wahrnehmungen verschiedener Aspekte des
Krankenhausaufenthaltes wie beispielsweise die Organisation
von Untersuchungen und die Aufklärung über die Behandlung,
einrichtungsspezifische Variablen wie z.B. die Ausstattung der
Zimmer und die Verweildauer sowie demografische Merkmale
wie Alter und Geschlecht des Patienten.

19
Kontakt: Dr. Tonio Schönfelder Fakultät für Gesundheits- und Pflegewissenschaften Westsächsische Hochschule Zwickau E-Mail: [email protected]
Den letzten Punkt stellen Erfahrungen aus früheren
Krankenhausaufenthalten und daraus resultierende Erwartungen
an die Behandlung dar.
Eine Vielzahl von Studien hat den Zusammenhang zwischen
Patientenzufriedenheit und Variablen, die von Krankenhäusern
im Rahmen der Behandlung beeinflusst werden können (z.B.
Organisation, Freundlichkeit) und Variablen, die nicht beeinflusst
werden können (z.B. Alter, Geschlecht), untersucht. Die
Ergebnisse zeigen, dass aus Patientensicht interpersonale und
organisatorische Aspekte den größten Stellenwert einnehmen.
Die Freundlichkeit der Pflegekräfte, der Ärzte und des übrigen
Krankenhauspersonals haben über die meisten Studien hinweg
den stärksten Einfluss auf die Zufriedenheit. Ein reibungsloser
Ablauf der Einweisung und der Entlassung sowie die
Organisation und der Ablauf von Untersuchungen sind ebenso
von großer Bedeutung. Überraschenderweise sind für die
meisten Patienten die Qualität der Mahlzeiten und die
Zimmerausstattung nach Aussage der Studienergebnisse
wichtiger, als objektive medizinische Qualitätsindikatoren wie
Komplikationen im Anschluss an die Behandlung. Faktoren, die
im Rahmen des Qualitätsmanagements von den
Krankenhäusern nicht beeinflusst werden können, wie
beispielsweise demografische und einrichtungsgebundene
Variablen, haben auf die Patientenzufriedenheit einen
vergleichsweise geringen Einfluss.
Die Erhebung der Zufriedenheit ist keine objektive Messung,
sondern eine subjektive Evaluation, welche im individuellen
Kontext der Patienten stattfindet. Bedingt durch deren
begrenzten medizinischen Kenntnisse stellt sich die Frage, ob
eine subjektive Beurteilung überhaupt Aussagen über die
Qualität der Krankenhausbehandlung zulässt. Diesbezügliche
Studien zeigen eindeutig, dass Patienten dazu in der Lage sind,
die Qualität der Behandlung adäquat einzuschätzen.
Bewertungen von Ärzten und Pflegekräften hinsichtlich einzelner
Aspekte der Behandlung stimmten überwiegend mit
Bewertungen der Patienten überein.
Die Sichtweise der Patienten sollte bei der Evaluation der
Behandlungsqualität routinemäßig Berücksichtigung finden.
Deren Rückmeldungen können objektive Qualitätsindikatoren
wie beispielsweise Mortalitätsraten sinnvoll ergänzen. Die
Erhebung der Behandlungsqualität aus Patientensicht ist nicht
durch Beobachtungen oder betriebswirtschaftliche Kennzahlen
ersetzbar und liefert wichtige Kenntnisse bezüglich
Kommunikationsmustern, Vermittlung von Information über die
Behandlung und Barrieren beim Zugang zu
Gesundheitsleistungen. Die subjektiven Beurteilungen der
Patienten lassen zwar keinen eindeutigen Schluss auf die
objektive Behandlungsqualität der Krankenhäuser zu, die
Ergebnisse von Patientenumfragen zeigen jedoch, in welchen
Bereichen Krankenhäuser den Erwartungen der Patienten
entsprechen und an welchen Stellen noch Nachholbedarf
besteht.

20
(2) „Die Rolle der Selbsthilfe im Gesundheitssystem“ von Marion Panek
Wenn wir heute von Selbsthilfe und deren Rolle im
Gesundheitssystem sprechen, dann geht es uns nicht nur um die
traditionellen institutionalisierten Strukturen der Spitzenverbände
der Selbsthilfe (BAGS, DPWV, DAG SHG, DHS) oder
sozialstaatlicher Organisationen. Wir betrachten die neue
gruppenorientierte Selbsthilfe für beinahe alle gesundheitlichen
Themen und Erkrankungen.
Diese entwickelte sich in der Bundesrepublik zunächst als eine
reformorientierte und kreative Gegenbewegung zum
professionellen Versorgungssystem. In den neunzehnhundert-
siebziger und achtziger Jahren ist die Selbsthilfe zu einer
„Vierten Säule“ im System der gesundheitlichen Versorgung
herangewachsen (neben ambulanter und stationärer Versorgung
und dem öffentlichen Gesundheitsdienst), und sie wird heute von
allen gesellschaftlich relevanten Institutionen anerkannt. Der
Stellenwert der Erfahrungen und Kompetenzen, den die
Selbsthilfe einbringen kann, wächst kontinuierlich. Selbsthilfe
leistet nachweislich einen wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung
und zur Problembewältigung, insbesondere für chronisch kranke
und behinderte Menschen. Das belegen zahlreiche empirische
Untersuchungen. Die Selbsthilfegruppen auf lokaler und
überregionaler Ebene und deren Unterstützungsstrukturen
haben eine besondere Bedeutung als Kooperationspartner für
ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem. Das ist ganz im Sinne
der Ottawa-Charta der WHO zu verstehen. Danach soll
Gesundheitsförderung den Menschen ein höheres Maß an
Selbstbestimmung ermöglichen, damit sie zur Stärkung ihrer
Gesundheit befähigt werden.
Begriff Gruppenselbsthilfe
In Selbsthilfegruppen schließen sich Menschen mit gleicher
Problembetroffenheit (persönlich oder als Angehörige) außerhalb
ihrer alltäglichen Beziehungen zusammen, um sich gegenseitig
zu helfen. Dies geschieht freiwillig, gleichberechtigt und
eigenverantwortlich. Die Gruppe bietet ihren Mitgliedern
emotionale Unterstützung und Hilfestellung bei der
Krankheitsverarbeitung und Alltagsbewältigung.
Erfahrungswissen, d.h. selbsterlebtes Wissen, über die
Erkrankung oder zu einem besonderen Lebensproblem wird aus
der Sicht Betroffener weitervermittelt an Menschen mit gleicher
Betroffenheit. Im Mittelpunkt der Gruppenarbeit steht die
gegenseitige Information über Behandlungsmöglichkeiten,
Therapien oder Erfahrungen mit Medikationen. Es geht nicht
darum, medizinische oder therapeutische Behandlung zu
ersetzen, sondern vielmehr um deren wirkungsvolle Ergänzung.
Selbsthilfegruppen stellen eine geeignete Organisationsform dar,
die dem Wunsch vieler Menschen entsprechen, mit Verbündeten
gemeinsam selbst aktiv an der Problembearbeitung mitzuwirken.
Die meisten Selbsthilfegruppen haben ihren
Themenschwerpunkt in den Bereichen chronische Erkrankung
und Behinderungen sowie zu den verschiedensten
Lebensproblemen und -krisen.
Verbreitung und Strukturen der Selbsthilfe
Hochrechnungen zufolge wird die Zahl der Selbsthilfegruppen in
Deutschland mit 70.000 bis 100.000 mit rund drei Millionen
aktiven Mitgliedern angegeben. Im Vergleich zu rund zwei
Millionen Mitgliedern der im Bundestag vertretenen Parteien hat
die Selbsthilfe damit auch eine beträchtliche quantitative
Bedeutung. Verschiedene Untersuchungen haben ermittelt, dass
etwa fünf Prozent der von einem Problem Betroffenen in
Selbsthilfegruppen engagiert sind - dass ist wiederum
verhältnismäßig wenig.
Die Selbsthilfe hat sehr differenzierte und vielfältige Strukturen.
Den Kern bilden die (informellen) Selbsthilfegruppen auf lokaler
Ebene, wo die unmittelbare persönliche Begegnung und der
Erfahrungsaustausch stattfinden. Daneben gibt es
Selbsthilfeorganisationen und -initiativen, die als
Interessenvertretung chronisch Kranker und behinderter
Menschen auch als Verhandlungspartner mit Politik und
Verwaltung, Leistungsanbietern und Kostenträgern im
Gesundheitswesen auftreten. Parallel dazu entwickelte sich mit
den Selbsthilfekontaktstellen eine Unterstützungsstruktur auf
örtlicher Ebene. Mit der Bewilligung zweier
Bundesmodellprogramme zur Etablierung professioneller
Selbsthilfeunterstützung durch Selbsthilfekontaktstellen erfuhr
die Selbsthilfebewegung eine bedeutende gesellschaftliche und
politische Anerkennung. Inzwischen sind Kontaktstellen
annähernd flächendeckend in Deutschland vorhanden, sie
arbeiten themenübergreifend und fungieren als Schaltstelle
zwischen selbsthilfeinteressierten Menschen, den Selbsthilfe-
zusammenschlüssen und Professionellen.
Gesetzliche Verankerung der Selbsthilfe
Die gesellschaftliche und staatliche Anerkennung von Selbsthilfe
ist auch durch gesetzliche Regelungen in den
Sozialgesetzbüchern verankert. Einerseits ist damit die
finanzielle Förderung festgeschrieben, andererseits bedeutet das
auch Anerkennung der Leistung und des Wertes der Selbsthilfe
für die Gesellschaft:

21
- § 20c SGB V regelt seit dem Jahr 2000 die
Selbsthilfeförderung durch die gesetzlichen
Krankenkassen verpflichtend. Die Fördergrundsätze
des GKV-Spitzenverbandes sind aufgestellt in
einem „Leitfaden zur Selbsthilfeförderung“, von dem
eine neue Fassung zum 1. Juli 2013 zu erwarten ist.
- Im SGB VI (§ 31 Abs. 1 Nr. SGB VI) wird die
Förderung der Selbsthilfe durch die
Rehabilitationsträger geregelt. Auf dieser Grundlage
steht die Pauschalierte Sucht-
Selbsthilfegruppenförderung der Deutschen
Rentenversicherung Bund.
- Das SGB XI enthält Regelungen zur Förderung
niedrigschwelliger Betreuungsangebote,
ehrenamtlicher Strukturen und der Selbsthilfe durch
die Soziale Pflegeversicherung (§§ 45c und 45d
SGB XI). - Mit dem Gesetz zur Modernisierung der
gesetzlichen Krankenkassen, kurz
Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG), wurde
im Jahr 2004 eine Grundlage zur Beteiligung der
Selbsthilfe an der Gestaltung des gesundheitlichen
Versorgungssystems geschaffen (§§ 140f und 140g
SGB V). Damit spielt die Selbsthilfe eine
wesentliche Rolle bei der Patientenvertretung in
Gremien des Gesundheitswesens auf Länderebene
und im Gemeinsamen Bundesausschuss, allerdings
nur mit beratender Funktion.
Ursachen, Wirkungen und Leistungen von
Selbsthilfegruppen
Die Zunahme von Selbsthilfeaktivitäten und deren wachsende
Bedeutung sind in solchen gesellschaftlichen Ursachen zu
sehen, wie
- wachsende Probleme im Gesundheits- und
Sozialbereich - z.B. Zunahme psychischer
Erkrankungen und Probleme, Verlagerung der
Krankheitsschwerpunkte hin zu
Verschleißerkrankungen
- Unzufriedenheit mit den Strukturen im
professionellen Versorgungssystem
- Überforderung und Veränderung sozialer
Netzwerke, wie Familie oder Nachbarschaft
- zunehmendes Problembewusstsein hinsichtlich
Gesundheit und Umwelt
- geänderte Werteeinstellungen, z.B. eine
Verschiebung vom traditionellen Ehrenamt hin zu
einer stärkeren Bürgerbeteiligung.
Aktivierung von Selbsthilfekräften bei den Patient/-innen wird
eine salutogene Wirkung zugeschrieben, d. h. persönliche und
soziale Gesundheitsressourcen werden gestärkt und Gesundheit
gefördert, denn: Mitglieder von Selbsthilfegruppen erfahren
Solidarität, Anteilnahme, Verantwortungsübernahme und
Kooperationsbereitschaft.
Auch in der ambulanten und stationären medizinischen
Rehabilitation wird der Arbeit von Selbsthilfegruppen große
Bedeutung beigemessen. Mehrere Studien belegen eindeutig die
nachhaltige Sicherung des Rehabilitationserfolgs durch
Teilnahme an Nachsorge- und Selbsthilfegruppen. Insbesondere
bei seltenen Erkrankungen und in der Suchtnachsorge können
Patienten profitieren, wenn Ärzte und Psychotherapeuten das
erfahrungsbasierte Wissen der Selbsthilfe ergänzend empfehlen.
Das im Jahre 2001 in Kraft getretene SGB IX verpflichtet die
Rehabilitationsträger zur Einrichtung gemeinsamer
Servicestellen, die Betroffene beraten und dabei auch mit
Selbsthilfegruppen zusammenarbeiten.
Unter Federführung des Paritätischen wurde 2009 das Netzwerk
„Selbsthilfefreundlichkeit und Patientenorientierung im
Gesundheitswesen“ ins Leben gerufen mit der Zielstellung, die
Zusammenarbeit zwischen Selbsthilfe und Ärzten und (Reha-)
Kliniken zu stärken und Selbsthilfefreundlichkeit als
Qualitätsmerkmal in der Patientenorientierung zu verstetigen.
Dabei wurden Qualitätskriterien zur Selbsthilfefreundlichkeit
entwickelt, die bereits in Qualitätsmanagementsysteme von
Gesundheitseinrichtungen einbezogen werden. Das Konzept gibt
wichtige Impulse für den Aufbau und die Pflege von
Kooperationsbeziehungen.
Zusammenfassend kann die Rolle der Selbsthilfe im
Gesundheitswesen so beschrieben werden: Selbsthilfegruppen
erzielen Effekte im Bereich der gesundheitlichen Versorgung,
indem sie das professionelle Versorgungssystem ergänzen, die
Eigenverantwortung und Teilhabe der Betroffenen betonen und
sich als „Kritiker“ mit etwaigen Mängeln der professionellen
medizinischen Versorgung auseinandersetzen.
Zwei Aussagen zur Rolle der Selbsthilfe im
Gesundheitssystem:
„Durch das Gruppenengagement wird nicht nur das eigene
Selbstbewusstsein gestärkt, sondern durch den offensiven
Umgang mit Themen werden auch gesellschaftliche
Veränderungen angestoßen und herbeigeführt.“ (Thiel, Wolfgang,
NAKOS)
„Selbsthilfe in Gruppen hat die Fähigkeit, aus individueller
Betroffenheit sowohl kollektive Erfahrungen und Integration als
auch Teilhabe und Interessenvertretung zu erzeugen.“
(Thiel, Wolfgang, 2007, Selbsthilfegruppenjahrbuch 2007,
Psychosozial-Verlag, Gießen)
Damit werden heilsame Entwicklungen für sich selbst und für
andere in Gang gesetzt. Die Teilnahme an Selbsthilfegruppen
trägt bei den Patient/-innen zu mehr Wohlbefinden, zu einem
positiven Krankheitsverlauf bei, wirkt gegen Vereinsamung und
Ausgrenzung. Psychosoziale Probleme im Zusammenhang mit
chronischen Erkrankungen oder Behinderungen werden besser
bewältigt. Daraus resultiert ein erheblicher volkswirtschaftlicher
Nutzen, denn Teilnehmer von Selbsthilfegruppen verhalten sich
gesünder, gehen seltener zum Arzt, brauchen (meistens)
weniger Medikamente und nutzen gesundheitliche Angebote
gezielter. In der Außenwirkung gehen von Selbsthilfegruppen
viele sozialpolitisch relevante Impulse aus, Expertensicht wird
korrigiert und professionelle Hilfe ergänzt.
Die gesundheitspolitische Bedeutung von
Selbsthilfegruppen und beispielhafte Kooperationen:
Immer mehr Einrichtungen des gesundheitlichen
Versorgungssystems erkennen Selbsthilfefreundlichkeit als eine
Möglichkeit, ihre Patientenorientierung zu verbessern. Das
bedeutet, dass eine selbsthilfefreundliche
Gesundheitseinrichtung ihr ärztliches und pflegerisches Handeln
durch das Erfahrungswissen der Selbsthilfe erweitert, ihre
Patienten auf die Möglichkeit von Selbsthilfe aufmerksam macht
und kooperationsbereite Selbsthilfegruppen aktiv unterstützt.
Aus der gesetzlichen Verpflichtung der Einbindung von
Selbsthilfe in die professionelle Versorgung im SGB V sind
vielfältige Kooperationen und Vernetzungen entstanden. Typisch
für die Zusammenarbeit zwischen Selbsthilfe und
gesundheitlichem Versorgungssystem sind Kontakte mit
Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen und Arztpraxen,
wobei eine strukturelle Verankerung der Zusammenarbeit und
formale Vereinbarungen wichtig sind für lebendige
Kooperationen. So gibt es Kooperationsverträge mit
Gesundheitseinrichtungen, die das Zusammenwirken von
Expertenwissen und Laienkompetenz festschreiben.
Beispielhaft hierfür ist das „Hamburger Modellprojekt
Qualitätssiegel Selbsthilfefreundliches Krankenhaus“ aus den
Jahren 2005/06. Das Projekt bestätigte den Nutzen einer
nachhaltigen Zusammenarbeit für beide Seiten. Es konnte
nachgewiesen werden, dass beide Partner profitieren, wenn es
gelingt, dauerhafte Kooperationen zu initiieren und aufrecht zu
erhalten. Der BKK Bundesverband hat 2008 einen Leitfaden für
interessierte Krankenhäuser mit dem Titel
„Selbsthilfefreundliches Krankenhaus - auf dem Weg zu mehr
Patientenorientierung“ herausgegeben, in dem Anregungen für
eine systematische Zusammenarbeit auf der Grundlage von
Qualitätskriterien für ein selbsthilfefreundliches Krankenhaus
gegeben werden.
Ein weiteres Beispiel sind die Kooperationsberatungsstellen für
Selbsthilfegruppen und Ärzte (KOSA), die an sechs Standorten
bei den Kassenärztlichen Vereinigungen als Bindeglied zwischen
Ärzteschaft und Selbsthilfe eingerichtet wurden. Sie sollen deren
Zusammenarbeit fördern, etwa durch die Einbeziehung der
Selbsthilfe in ärztliche Qualitätszirkel, und so zu einer
Verbesserung der ambulanten Versorgung beitragen.
Empfehlenswerte Literatur:
Trojan/Bellwinkel/Bobzien/Kofahl/Nickel:
Selbsthilfefreundlichkeit im Gesundheits-wesen. Wie
sich selbsthilfebezogene Patientenorientierung
systematisch entwickeln und verankern lässt.
Bremerhaven 2012
Selbsthilfefreundliches Krankenhaus - auf dem Weg
zu mehr Patientenorientierung. Ein Leitfaden für
interessierte Krankenhäuser. BKK Bundesverband
2008
Der Patient im Mittelpunkt - Netzwerk
Selbsthilfefreundlichkeit und Patientenorientierung im
Gesundheitswesen. Berlin 2012
Kontakt: Marion Panek Sozialamt Dresden Email: [email protected]

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3.2 Workshop „Dresden bewegt sich“ (1) Auswirkungen körperlicher Aktivität auf die Gesundheit - Konsequenzen für die Praxis von Prof. Dr. Peter Schwarz
Individuelle Intervention stimuliert Erfolg
Es wird immer wieder diskutiert, ob es wichtiger ist, sich mehr zu
bewegen oder die Ernährung umzustellen. Die wissenschaftliche
Evidenz zeigt heute ganz klar, dass das Entscheidende eine
nachhaltige Lebensstiländerung ist, die individuell umgesetzt
werden muss [1]. Dabei ist es zweitrangig, ob eine Risikoperson
ihre Ernährung umstellt oder sich mehr bewegt. Es ist wichtiger,
dass die Risikoperson nachhaltig ihren Lebensstil in kleinen
Schritten ändert und dabei auf den Aspekt der
Lebensstiländerung setzt, der ihr leichter fällt. Um eine
nachhaltige Lebensstiländerung zu erreichen, werden
strukturierte Interventionsprogramme empfohlen. Die Evidenz
zeigt hierbei, dass die Regelmäßigkeit eines
Interventionskontaktes stärker mit einem Präventionserfolg
assoziiert ist als die Intensität. Das ermöglicht eine gute Chance,
um Interventionsprogramme verstärkt mit Krankenkassen
umzusetzen, die Internet, Telefonanrufe und andere Medien für
einen kontinuierlichen Kontakt einsetzen.
Dem Diabetes davonlaufen
Einiges haben wir in den letzten 2 Jahren im Hinblick auf
Bewegung und Diabetesprävention gelernt. Eine lange Zeit hat
die Bewegung ein Schattendasein hinter der Ernährung geführt.
Wir lernen aber im Moment, dass die Bewegung einen
bedeutsameren Anteil hat. Pathophysiologisch macht das Sinn
[1]. Durch mehr Bewegung baut man mehr Muskelmasse auf
und diese Muskelmasse ist direktes Zielgewebe der
Insulinwirkung. Sie verbessert eine bestehende Insulinresistenz
und nimmt vermehrt Glukose auf, was sich beides direkt positiv
auf eine Verhinderung eines Diabetes auswirkt. Von Thomas
Yates in England wurde im Rahmen der PREPARE Studie
untersucht, wie viele Schritte notwendig sind, um effektiv
Diabetes zu verhindern. Im Rahmen des Programms „Walking
away from Diabetes“ wurde eine größere Gruppe von Probanden
über 2 Jahre verfolgt [2]. Es zeigte sich, dass 1.000 Schritte
zusätzlich am Tag über 1 Jahr den postprandialen
Glukosespiegel stärker senken(1,2mmol/l) als das durch eine
durchschnittliche Diabetestherapie erreicht werden kann. Das
sind sehr gute Ergebnisse, wissen wir doch, dass das
regelmäßige Tragen eines Schrittzählers über einen Zeitraum
von 3 Monaten dazu führen kann, dass Probanden 1.500 –
2.000 Schritte pro Tag mehr laufen.
Das direkte Feedback vom Schrittzähler führt dazu, dass die
Probanden intrinsisch motiviert sind und häufig, ohne es bewusst
wahrzunehmen, mehr Schritte machen, als ohne den
Schrittzähler. Allerdings liegt die durchschnittliche Schrittzahl bei
Deutschen unterhalb von 3.000 Schritten pro Tag. „TIPP:“
Empfohlen für einen aktiven Lebensstil sind 10.000 Schritte
täglich. Auch wenn unser inaktiver Alltag von diesem Ziel weit
entfernt ist, kann das Tragen eines Schrittzählers ein
niedrigschwelliges effektives Interventionsinstrument sein, um
Menschen zu mehr Bewegung anzuhalten und die diskrete
Steigerung des Bewegungsalltags kann sich effektiv auf eine
Verhinderung eines Diabetes auswirken. Damit eröffnet sich eine
neue Chance für die Entwicklung von Interventionsprogrammen,
die einen Schrittzähler einsetzen und Menschen somit
stimulieren, „ihrem Diabetes davon zu laufen“. Eine nachhaltige
Lebensstiländerung, die dazu führt, dass ich täglich 1.000 mehr
Schritte laufe und mehr Ballaststoffe zu mir nehme, hilft
nachweislich, mein Risiko für einen Typ 2 Diabetes zu senken[1].
Praxisbeispiel zur Diabetesprävention Es wird immer wieder darüber diskutiert, ob Diabetesprävention eine ärztliche Aufgabe ist oder in einem ärztlichen Setting stattfinden muss. Wir denken, dass der Bereich erfolgreicher Diabetesprävention außerhalb des ärztlichen Settings sehr groß sein kann, allerdings im ärztlichen Setting der Arzt eine Schlüsselposition in der Motivation der Risikopersonen hat, um sie initial zur Teilnahme an Präventionsmaßnahmen zu bewegen. Wie kann aber ein Praxisbeispiel nicht-ärztlichen Settings aussehen? Stellen Sie sich vor, Sie identifizieren eine Risikoperson mit viszeraler Adipositas (Taillenumfang 103cm) im Alter von 40 Jahren mit einer positiven Familienanamnese und einem FINDRISK Score von 15. Diese Person hat ein deutlich erhöhtes Diabetesrisiko, fühlt sich aber gesund. Macht Diabetesprävention bei dieser Person Sinn? Unbedingt! Statistisch gesehen kann diese Person in den nächsten 5 bis 8 Jahren einen Diabetes mellitus entwickeln und hat jetzt schon eine bestehende Insulinresistenz. Dem kann man am allerbesten mit körperlicher Bewegung und einer gesünderen Ernährung vorbeugen. Was können wir dieser Person empfehlen? Mit 10.000 Schritten, die diese Risikoperson täglich läuft, kann der Taillenumfang um 8 bis 12 cm abnehmen (damit ist die Person im gesunden Bereich) und die Insulinresistenz kann durch eine Reduktion des viszeralen Fettes und Aufbau von etwas Muskelmasse signifikant erhöht werden. Also empfehlen Sie dieser Person einen Schrittzähler und begleiten Sie sie mit einem Interventionsprogramm, einer Schulung, regelmäßigen Newslettern per Email oder auch Telefonanrufen, um sie bei der Stange zu halten, damit sie täglich ihre 10.000 Schritte erreicht. Vielleicht hilft dieser Person auch die Teilnahme an einem Schrittwettbewerb in der Arztpraxis, in der Firma oder im privaten Umfeld. Vielleicht kann diese Person sogar gegen Sie selbst mit ihrem Schrittpensum antreten und so nachhaltig erfolgreich 10.000 Schritte pro Tag umsetzen und ihren Diabetes verhindern.

23
Curriculum für die Ausbildung zum Präventionsmanager
Das Projekt mit dem Akronym IMAGE (Development and
Implementation of a European Guideline and Training Standard
for Diabetes Prevention) ist die erste Initiative, die europäische
Standards für eine konsequente Steuerung der Primärprävention
von Diabetes mellitus Typ 2 entwickelt hat (Schwarz, Gruhl et al.
2007). Wesentliche Ziele des Projektes waren die Erstellung
einer europäischen Leitlinie zur Diabetes-Prävention, die
Entwicklung eines Curriculums für Präventionsmanager und die
Entwicklung einer europäisch einheitlichen Strategie für
Qualitätsmanagement von präventiven
Interventionsmaßnahmen. In vielen Arbeitsgruppen und
Plenarsitzungen haben sich über 100 Experten aus der
europäischen Union und den angrenzenden Ländern zu den
eben genannten Bausteinen Gedanken gemacht. Eines der
Ergebnisse des IMAGE Projektes mit weitreichender praktisch
struktureller Relevanz war die Erstellung eines europäischen
Curriculums für die Ausbildung zum Präventionsmanager [3],
welches nun in Sachsen für interessierte Gesundheitsberufler
vom TUMAINI Institut für Präventionsmanagement (GmbH)
angeboten werden kann.
In erster Linie ist der Präventionsmanager die Person, die ein
Interventionsprogramm in Gruppen mit den zu betreuenden
Risikopersonen durchführt. Darüber hinaus liegt es in der
Verantwortung des Präventionsmanagers, die Kommunikation
mit anderen Partnern in Netzwerkstrukturen aufzubauen und
aufrechtzuerhalten. Bis zu einem gewissen Grad gehören auch
Aufklärung und Screening zu seinen Aufgaben. Ein
entscheidender Teil besteht in der Organisation der
Durchführung von Interventionsprogrammen und deren
Evaluation. Im Rahmen der Intervention liegt der Schwerpunkt in
den Bereichen Verhaltensänderung und Motivation und – darin
einfließend - Lebensstilaspekte mit Ernährungs- und
Bewegungsschwerpunkt.
Die generelle Struktur des Curriculums für die Ausbildung eines
Präventionsmanagers besteht aus einer Vorkursphase, die von
einer E-Learning Plattform unterstützt wird. Wochen vor Beginn
eines Ausbildungskurses kann sich der Präventionsmanager
anhand von vorbereiteten Materialien im Selbststudium mit dem
Fachschwerpunkt auseinandersetzen. Dem schließt sich eine
direkte Schulung an, in der an sieben Tagen der
Präventionsmanager mit den notwendigen Anforderungen
vertraut gemacht wird. Dieser Prozess wird durch Gruppenarbeit
unterstützt und die Gruppen oder der einzelne
Präventionsmanager präsentieren die Ergebnisse vor den
jeweils anderen. Im Anschluss an den Präsenzkurs schließt sich
eine dritte Phase an, während der der Präventionsmanager
schon mit seinem Interventionsprogramm beginnt. Begleitend
hierzu schreibt er eine zusammenfassende Hausarbeit. In dieser
stellt der Präventionsmanager seine Interventionsstruktur, sein
Arbeitsumfeld, sein Netzwerk und seine Schwerpunkte in der
Intervention dar. Das Ziel hierbei ist, dass der
Präventionsmanager seinen eigenen Businessplan erarbeitet,
um damit die Erfolgschancen bei der Umsetzung zu erhöhen.
Alle Kursschritte sollen sich nicht länger als 6 Monate hinziehen
und werden von einem lokalen oder auch europäischen Alumni-
Netzwerk unterstützt. Das Schulungs-Curriculum besteht aus 8
Modulen (7x Schulung + 1x Projektarbeit-Präsentation). Nach
dem Kurs wird vom TUMAINI Institut ein Jahr Supervision für die
Präventionsmanager bei Start ihrer Präventionsprogramme
angeboten und von Qualitätszirkeln unterstützt. Der
Schwerpunkt der Ausbildung liegt auf einem „Skills Training“, da
aus den bekannten Evaluationsstudien ein klarer
Zusammenhang zwischen der Interaktionsfähigkeit des
Präventionsmanagers mit den Risikopersonen und einem
Präventionserfolg zu verzeichnen war. Das Augenmerk in der
Ausbildung liegt dabei auf einer erfolgreichen
Lebensstiländerung und nicht auf dem Aspekt
Wissensvermittlung. Interessierte können sich dazu gerne bei
Autor informieren.
Literatur:
1. Schwarz PE, Greaves CJ, Lindstrom J, Yates T, Davies MJ (2012)
Nonpharmacological interventions for the prevention of type 2 diabetes
mellitus. Nat Rev Endocrinol 8: 363-373.
2. Yates T, Davies MJ, Sehmi S, Gorely T, Khunti K (2011) The Pre-
diabetes Risk Education and Physical Activity Recommendation and
Encouragement (PREPARE) programme study: are improvements in
glucose regulation sustained at 2 years? Diabet Med 28: 1268-1271.
3. Kronsbein P, Fischer MR, Tolks D, Greaves C, Puhl S, et al. (2011)
IMAGE - Development of a European curriculum for the training of
prevention managers. Br J Diabetes Vasc Dis 11: 163-167.
Kontakt: Prof. Dr. Peter E.H. Schwarz Abteilung Prävention und Versorgung des Diabetes, Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden E-mail: [email protected]

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(2) Projekt „Fit für 100“ der Deutschen Sporthochschule von Frank Nieder
„fit für 100“ ist als Projekt in Nordrhein-Westfalen unter
wissenschaftlicher Leitung von Prof. Dr. Heinz Mechling am
Institut für Bewegungs- und Sportgerontologie in der
Trägerschaft der Deutschen Sporthochschule Köln von 2005-
2007 durchgeführt worden.
Vorrangiges Ziel war es, durch ein auf die teilnehmenden
hochaltrigen Menschen abgestimmtes Kraft- und
Koordinationstraining die motorischen und sensorischen
Fähigkeiten sowie die Alltagskompetenzen zu stärken, um die
Mobilität und die Selbstständigkeit zu erhöhen bzw. möglichst
lang zu erhalten.
Die Trainingsgruppen wurden in ambulanten sowie in teil- und
vollstationären Versorgungsstrukturen der Altenhilfe angeboten.
Demenziell erkrankte Menschen wurden in Gruppen integriert
bzw. in 2 Gruppen trainierten ausschließlich Menschen mit einer
Demenz.
Insgesamt absolvierten in der 1-jährigen Untersuchungsphase
152 hochaltrige Menschen zweimal wöchentlich für jeweils 60
Minuten ein Krafttraining. Die Kräftigungsübungen wurden
ergänzt durch Übungen zur Koordinationsverbesserung.
Im Bereich der Schulterbeweglichkeit, der isometrischen
Handkraft, der Beinkraft sowie des Wohlbefindens wurden teils
deutliche Verbesserungen erzielt. Indikatoren der
Pflegebedürftigkeit blieben stabil, dem altersbedingten
Muskelabbau konnte entgegengewirkt und einige Aktivitäten des
täglichen Lebens konnten wiederhergestellt werden.
Fragen zum subjektiven Wohlbefinden der Teilnehmer und zur
Einschätzung des Programms wurden positiver bewertet.
Teilnehmende berichteten immer wieder voller Begeisterung von
ihren persönlichen Erfolgen. In einer Altersgruppe, in der die
Menschen eine Zunahme ihrer Defizite erleiden, ist der Erfolg
von besonderer Bedeutung und stärkt das subjektive
Wohlbefinden und letztendlich die Lebensqualität. Die
Indikatoren der kognitiven Leistung blieben stabil – auch bei
Demenzkranken.
Angeregt und ermutigt durch die Erkenntnisse der ersten
Untersuchung richteten sich die Aktivitäten des Projektteams von
Juni bis Dezember 2007 im Rahmen einer Pilotstudie auf die
Personengruppe der demenziell erkrankten Menschen und deren
Angehörige.
Zum einen, da zwei Drittel der dementiell erkrankten Menschen
zu Hause versorgt werden, zum anderen weil der
gesundheitliche Zustand der pflegenden Angehörigen deutlich
schlechter ist, als bei gleichaltrigen nicht pflegenden Menschen.
Somit sollten die positiven Auswirkungen bewegungsbezogener
Aktivitäten für Therapie und Prävention genutzt werden.
Als Ergebnisse der Pilotstudie kann festgehalten werden, dass:
ein gezieltes Training möglich ist. Die Übungen des
Programms werden gelernt!
ein Trainingsumfang von 60 min realistisch ist!
die subjektiv empfundene Lebenssituation besser beurteilt
wird!
die erlebte Leistungsfähigkeit zu Stolz und Wohlbefinden
führt, die Zuwendung zu Freude!
Ab dem Jahr 2009 wurden die Erkenntnisse der Pilotphase in
„NADiA – Neue Aktionsräume für Menschen mit Demenz und
ihre Angehörigen an einer größeren Zahl von Probanden
untersucht.
Bei NADiA handelt es sich um das 2012 beendete
Forschungsvorhaben von „fit für 100“. In Kooperation mit den
Demenzservice Zentren NRW wurde den noch in der eigenen
Häuslichkeit lebenden demenziell erkrankten Menschen und
ihren pflegenden Angehörigen das Trainingsangebot im Rahmen
niedrigschwelliger Betreuung zugänglich gemacht. Das
gemeinsame Training ist als Ergänzung und Bereicherung der
bestehenden Hilfen für Menschen mit Demenz und ihren
Angehörigen zu verstehen und soll durch seine
Niedrigschwelligkeit den Zugang in das bereits existierende
Hilfesystem erleichtern sowie eine wohnortnahe Nutzung
ermöglichen. Inhaltlich wurden durch das praxisnahe und
evaluierte ff100-Bewegungsprogramm Demenzkranke und deren
Angehörige gleichermaßen trainiert. Eine gesteigerte
Kraftfähigkeit, eine Verbesserung der Reaktions- und
Gleichgewichtsfähigkeit und eine positive Wirkung auf die
geistige Leistungsfähigkeit sollen die Alltagskompetenz der
Demenzkranken verbessern, sowie einen Beitrag zu deren
Sturzprävention leisten. Der Angehörige auf der anderen Seite
profitiert sowohl durch die Stärkung der körperlichen und
psychischen Ressourcen, als auch durch eine Steigerung der
Kraftfähigkeit. Dadurch soll die aktuelle Pflegebelastung
reduziert und der Angehörige optimal auf die zukünftige Pflege
vorbereitet werden.

25
Die bisherigen Ergebnisse zeigen:
1. Es ist möglich, ein progressiv gesteigertes
Krafttrainingsprogramm mit Demenzkranken durchzuführen. Die
Steigerung der Trainingsgewichte war bei den zwei weiteren
Messzeitpunkten signifikant höher im Vergleich zum
Ausgangsniveau. Dies gilt sowohl für die Arm- und Beingewichte,
als auch für Demenzkranke und Angehörige gleichermaßen. Es
zeigte sich, dass bei den Demenzkranken, bei denen die
Trainingsgewichte über die Interventionszeit gesteigert wurden,
die Handkraft konstant gehalten werden konnte. Dagegen nahm
die Handkraft bei den Demenzkranken ab, bei denen die
Trainingsgewichte gleich gehalten oder reduziert wurden. Die
grundsätzliche Trainierbarkeit ist auch bei demenziell erkrankten
Menschen gegeben, grundlegende Trainingsprinzipien sind zu
beachten.
2. Die Rückmeldungen von Teilnehmern und Übungsleitern
zeigten, dass sie die positiven Auswirkungen primär auf der
physischen Ebene wahrnehmen. Allerdings betonten sie auch
die positiven Effekte auf der psycho-sozialen Ebene, wobei der
Austausch untereinander und die Freude an Bewegung im
Vordergrund standen.
3. Durch das Projekt NADiA wurden bis heute 16 als
niedrigschwellig anerkannte Betreuungsangebote geschaffen.
Das entspricht 5632 Betreuungsfällen pro Jahr bezogen auf die
Demenzkranken. Diese Zahl verdoppelt sich bei Hinzurechnung
der Kontakte für die Angehörigen.
Unser Fazit: Bewegungsangebote für eine älter werdende
Gesellschaft müssen nicht alters- sondern fähigkeitsadäquat
bereitgehalten werden. Junge und junggebliebene,
leistungswillige Ältere können deutlich gefordert werden. Ebenso
brauchen Demenzkranke keine Schonräume, sondern
Angebotsräume, in denen sie -auch gemeinsam mit den
pflegenden Angehörigen- tätig werden können. Die Verknüpfung
von entlastenden Angeboten mit gesundheitssportlichen Inhalten
erscheint sinnvoll. Der nicht in erster Linie problemorientierte
Zugangsweg -nicht die Demenz, sondern der Sport stehen im
Vordergrund- erleichtert den Zugang zu diesem
niedrigschwelligen Betreuungsangebot
Kontakt: Frank Nieder Institut für Bewegungs- und Sportgerontologie Deutsche Sporthochschule Köln Email: [email protected]

26
3.3 Workshop „Frühe Hilfen - eine Herausforderung für die Kommune“ (1) Kinderschutz und Frühe Hilfen in Dresden von Viviane Röhr
Kinderschutz ist nicht nur eine Aufgabe des Jugendamtes,
sondern im Grundsatz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Dabei sind insbesondere auch diejenigen Professionen gefragt,
die beruflich mit Kindern, Jugendlichen und Familien in Kontakt
stehen. Diese können Hilfebedarfe und mögliche Gefährdungen
erkennen und Türöffner für Hilfsangebote sein. Das Jugendamt
hat die notwendigen Hilfs- und Unterstützungsangebote bereit zu
stellen, aber auch im Ernstfall das Kindeswohl zu sichern. Dies
impliziert das staatliche Wächteramt.
Netzwerk für Kinderschutz und Frühe Hilfen
Damit diese Kooperation zum Wohle des Kindes gelingen kann,
haben wir in Dresden das Netzwerk für Kinderschutz und frühe
Hilfen. Das Netzwerk für Kinderschutz und Frühe Hilfen fördert
das gesunde körperliche, geistige und seelische Aufwachsen
von Kindern und trägt zu einem effektiven Schutz des
Kindeswohls bei. Daraus ergibt sich eine doppelte
Aufgabenstellung, zum einen Eltern in der Wahrnehmung ihrer
Erziehungsverantwortung zu unterstützen und zum anderen das
Kindeswohl in Risikosituationen durch klare Hilfe- und
Kontrollstrategien zu sichern. Die Koordinierungsstelle für das
Dresdner Netzwerk für Kinderschutz ist beim Jugendamt als
Stabstelle angesiedelt.
Das Forum Kinderschutz als zentrales Gremium repräsentiert
das Netzwerk für Kinderschutz und gibt den Professionen in
Dresden Möglichkeit und Raum für gemeinsame
Kinderschutzarbeit.
Es vereint ämter-, institutions- und professionsübergreifend
Kooperationspartner/-innen und bietet eine Gesprächsplattform,
deren Mitglieder als Multiplikatoren/-innen fungieren.
Regelmäßige Arbeitsgruppentreffen finden seit Beginn 2012
vierteljährlich statt. Aufgaben des Forums sind:
Optimierung bereits vorhandener sowie weiterer
Ausbau von Netzwerkstrukturen
Ausbau und Verbesserung der interdisziplinären
Zusammenarbeit
Informationstransfer durch Multiplikatoren/-innen
Transparenz in den Aufgabenbereichen
Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit
Unterarbeitsgruppen bearbeiten unterschiedliche
Themenkomplexe. Beispielsweise entwickelte die AG
Kindeswohl einen Kinderschutzordner im Sinne einer
Handlungsempfehlung zum Umgang mit Verdacht auf
Kindeswohlgefährdungen.
Das Netzwerk für Kinderschutz hat seit Einführung des
Bundeskinderschutzgesetzes mit dem § 3 KKG eine gesetzliche
Grundlage, die die Grundidee des Netzwerkes stärkt, nämlich
eine Verantwortungsgemeinschaft für das Kindeswohl zu bilden.
Der Freistaat Sachsen unterstützt die regionalen Netzwerke auf
Basis des Sächsischen Handlungskonzeptes für präventiven
Kinderschutz.
Ergebnisse
Auf einige Ergebnisse der Arbeit in den Netzwerken möchte ich
an dieser Stelle verweisen.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit konnte in den letzten
Jahren ausgebaut werden, unter anderen auch durch das
vierteljährliche Forum Kinderschutz als interdisziplinäres
Netzwerkforum und seine Unterarbeitsgruppen. Drüber hinaus
hat das Jugendamt Dresden mit einer Reihe von
Kooperationspartnern Kooperationsverträge abgeschlossen,
die die Zusammenarbeit bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung
regelt, beispielsweise mit dem Eigenbetrieb
Kindertageseinrichtungen (2008), dem Sozialamt (2009), dem
Sächsischer Hebammenverband (2009), dem
Schulverwaltungsamt und Bildungsagentur (2010), dem
Gesundheitsamt (2011), dem Kreissportbund (2011) und dem
Jobcenter (2012).
Der Newsletter des Netzwerks für Kinderschutz erschien
erstmals im Sommer 2011 und seitdem vierteljährlich. Er
informiert über den Stand der Netzwerk- und Kinderschutzarbeit
in Dresden, Arbeitsergebnisse des Forums Kinderschutz und der
Unterarbeitsgruppen, aktuelle Themen und Debatten, Projekte,
Weiterbildungen und vieles mehr.
Mit der seit Ende 2011 bestehenden Kinderschutzplattform
www.dresden.de/kinderschutz werden Informationen zu Hilfs-
und Unterstützungsangeboten zielgruppengerecht bereit gestellt.
Eine ausführliche Rubrik für Fachkräfte behandelt alle relevanten
Kinderschutzthemen. Das Netzwerk für Kinderschutz informiert
auf dieser Seite über den aktuellen Stand der Kinderschutzarbeit
in Dresden. Beispielsweise sind die Protokolle des Forums
Kinderschutz, die aktuelle Netzwerkkonzeption und die
Newsletter des Netzwerks für Kinderschutz einsehbar. Damit soll
für die Professionen Transparenz hergestellt werden.

27
Neben dem jährlichen Netzwerkfachtag finden zur Qualifizierung der Kinderschutzarbeit Informationsveranstaltungen, Workshops und Schulungen statt. Themen sind:
Umsetzung des § 8a SGB VIII
Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung (Definition, Begrifflichkeit, Handlungsoptionen, gewichtige Anhaltspunkte)
Handlungsempfehlungen bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung
hilfreiche Materialien
weiterführende Hilfen
Arbeit des Netzwerks für Kinderschutz
Qualifizierung des Schutzauftrags
Arbeitsweise des Jugendamtes Zur Einschätzung des Gefährdungsrisikos bei Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung können alle Fachkräfte, die mit Kindern, Jugendlichen und Familien beruflich in Kontakt stehen, eine insoweit erfahrene Fachkraft hinzuziehen. Die Stadt Dresden hat dafür eine Fachkräfteliste veröffentlicht. Ein Fachaustausch der insoweit erfahrenen Fachkräfte wird 2 mal jährlich durch das Jugendamt organisiert. Zur Qualifizierung der Kinderschutzarbeit wurden unterstützende Materialien erarbeitet, die im Dresdner Kinderschutzordner zusammengefasst sind. Eine Reihe von Modellprojekten wurden unterstützt und einige konnten dauerhaft verstetigt werden, beispielsweise die Begrüßungsbesuche in Familien nach Geburt eines Kindes.
Frühe Hilfen
Und die Stadt Dresden konnte als eine der ersten Kommunen in Sachsen die Bundesinitiative Frühe Hilfen umsetzen. Die Bundesinitiative Frühe Hilfen bietet die Rahmenbedingungen und finanziellen Voraussetzungen, um Frühe Hilfen qualitativ und quantitativ auszubauen. Neben dem Ausbau der Koordinationsstruktur für den Bereich Frühe Hilfen, entstanden Aufsuchende Gesundheitshilfen am Gesundheitsamt mit Einsatz von Familienhebammen und das Ehrenamtsprojekt "Gemeinsam mit Eltern - Entlastung für Eltern in überfordernder Situation".
Von den 2012 rund 1.750 im Jugendamt registrierten Informationen über eine mögliche Kindeswohlgefährdung waren 178 Mal Säuglinge unter einem Jahr und in 381 Fällen Kleinkinder vom ersten bis zum dritten Lebensjahr betroffen. Damit macht die Altersgruppe der 0 bis 3jährigen ungefähr ein Drittel aller gemeldeten Verdachtsfälle aus...ein deutliches Signal, dass wir uns dieser Altersgruppe zuwenden müssen und ein deutliches Indiz für die Notwendigkeit der Frühen Hilfen, die deshalb ein wesentlicher Schwerpunkt im Netzwerk sind.
„Frühe Hilfen bilden lokale und regionale Unterstützungssysteme mit koordinierten Hilfsangeboten für Eltern und Kinder ab Beginn der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren mit einem Schwerpunkt auf der Altersgruppe der 0- bis 3-Jährigen.“ so die Definition des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen.
Frühe Hilfen sollen, die gesunde Entwicklung von Kindern fördern, die Entstehung von Gefährdungssituationen verhindern, Be- und Erziehungskompetenzen von Eltern stärken sowie Brücken bauen zur Überwindung von Belastungen oder als Zugang ins weitere Hilfesystem. Frühe Kindheit ist die entscheidende Phase für lebenslange psychische Gesundheit und aus verschiedenen Forschungsprojekten weiß man, Frühe Hilfen lohnen sich (Forschungen Pro Kind).
Frühe Hilfen sind ein Beitrag zum präventiven Kinderschutz. Grundsätzlich richten sich Angebote der Frühen Hilfen in Dresden an alle werdenden Eltern und Eltern mit Kindern bis zu 3 Jahren. Da die kindliche Entwicklung in den ersten Lebensjahren besonders sensibel und störanfällig ist, brauchen werdende Mütter und Eltern mit Risikofaktoren besondere Unterstützung und möglichst frühzeitige und passgenaue Hilfsangebote.
Diese Familien zu erreichen, kann nur dann gelingen, wenn Ansprechpersonen und vertraute Menschen aus dem Lebensumfeld zum „Türöffner“ für die Hilfsangebote werden.
Durch die Arbeit im Netzwerk für Kinderschutz ist es inzwischen selbstverständlich, dass Kinderschutzarbeit nur in einer Verantwortungsgemeinschaft gelingen kann. Alle Professionen, die beruflich mit Kindern, Jugendlichen und Familien in Kontakt stehen, haben die Verantwortung, bei Gefährdungen zu reagieren und auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinzuwirken. Doch auch, wenn noch keine Gefährdung vorliegt, ist es nötig, mögliche Risikofaktoren, Unterstützungsbedarfe und Überforderungssituationen zu erkennen und geeignete Hilfen anzubieten. Im Bereich der frühen Hilfen erfordert dies ein kooperatives Zusammenwirken von Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheitswesen, Schwangerenberatungsstellen und Frühförderung. Weitere Informationen zur Kinderschutz- und Netzwerkarbeit in Dresden finden Sie auf www.dresden.de/kinderschutz.
Kontakt: Viviane Röhr Koordinatorin des Netzwerkes für Kinderschutz und Frühe Hilfen Email: [email protected]

28
(2) Familienhebammen im Rahmen Früher Hilfen in Dresden von Ramona Blümel
Die Gesundheit eines Kindes ist besonders in der
Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett bis zum Ende des 1.
Lebensjahrs gefährdet. In dieser Zeit werden wesentliche
Voraussetzungen für die gesunde Entwicklung in der weiteren
Kindheit gelegt. Im 1. Lebensjahr sind die Kinder im besonderen
Maße auf die Fürsorge und Pflege von Erwachsenen
angewiesen. Die Gesundheitsförderung, die
Gesundheitsprävention sowie die Förderung der Mutter-/ Vater-/
Kindbindung sind dabei zentral. Schwierige Lebensumstände
oder Belastungen der Eltern erschweren aber eine ausreichende
Versorgung des Kindes. Eine deutlich zunehmende Zahl von
Familien mit Kindern oder werdenden Eltern muss umfassend
unterstützt und das gesunde und gewaltfreie Aufwachsen der
Kinder gesichert werden. Besonders in der Altersgruppe der 0-
bis 3-jährigen ist in den letzten Jahren eine zahlenmäßige
Zunahme der gemeldeten Kindeswohlgefährdungen zu
verzeichnen. Deshalb wird diese Altersgruppe als Zielgruppe für
die Arbeit des Netzwerkes für Kinderschutz und für die Frühen
Hilfen definiert. Im Zuge der Bundesinitiative Netzwerke Frühe
Hilfen und Familienhebammen wurde in Dresden das Konzept
der Aufsuchenden Gesundheitshilfe entwickelt. Ziel der
Aufsuchenden Gesundheitshilfe der Stadt Dresden ist es,
Familien mit einem erhöhten Unterstützungsbedarf bezüglich
gesundheitlicher, medizinisch-sozialer und psycho-sozialer
Risiken zu erreichen und Kindeswohlgefährdungen in enger
Kooperation mit der Jugendhilfe zu erkennen, zu minimieren und
zu vermeiden. Auf dieser Grundlage wurden Familienhebammen
/Familienkinderkrankenschwestern als Aufsuchende
Gesundheitshilfe an das Gesundheitsamt angebunden. Sie
begleiten diese Familien mit einem erhöhten
Unterstützungsbedarf und binden sie an andere Hilfestrukturen
besonders der Jugendhilfe an.
Familienhebammen / Familienkinderkrankenschwestern
verfügen neben ihrem Grundberuf über eine Zusatzausbildung,
die es ihnen ermöglicht, diese Familien psycho-sozial und
gesundheitlich zu beraten, zu betreuen und zu begleiten. Die 5
Mitarbeiterinnen (0,95 VZK; 0,8 VZK; 0,75 VZK; 2mal 0,5 VZK)
der Aufsuchenden Gesundheitshilfe betreuen mit ihrem
niedrigschwelligen, präventiven Hausbesuchsprogramm Familien
von der Schwangerschaft bis zum 1. Geburtstag des Kindes.
Eine Begleitung durch die Familienhebamme /
Familienkinderkrankenschwester kann jederzeit
- unabhängig vom Alter des Kindes - beginnen.
Ein frühzeitiger Kontakt – am besten in der Schwangerschaft - zu
den hochbelasteten Familien ist eine Chance für frühzeitige
Unterstützungsmöglichkeiten und für eine verbesserte
Ausgangslage für die junge Familie. Originäre
Hebammentätigkeiten werden dabei als Zugangsweg genutzt.
Die Familienkinderkrankenschwester stärkt die elterlichen
Kompetenzen insbesondere von Familien mit behinderten oder
chronisch kranken Kindern, bei Frühgeborenen sowie Kindern
mit Regulationsstörungen.
Die Aufsuchende Gesundheitshilfe begleitet Familien mit einem
besonderen Unterstützungsbedarf bezüglich gesundheitlicher,
medizinisch-sozialer und psycho-sozialer Risiken, wie z.B.
mit Verunsicherung bezüglich der gesundheitlichen
Entwicklung des Kindes
mit höherer Kinderzahl (besonders Kleinkinder)
mit minderjährigem Elternteil
in denen Gewalt- oder Missbrauchserfahrungen
bestehen
die von häuslicher Gewalt bedroht oder betroffen sind
mit Migrationshintergrund und fehlender Einbindung
in das Gesundheitssystem
mit chronischer Erkrankung oder Frühgeburt des
Kindes
mit behinderten Elternteil
mit psychisch- oder suchtkrankem Elternteil
In der präventiv ausgerichteten Begleitung der Familien durch
die Mitarbeiterinnen der Aufsuchenden Gesundheitshilfe liegt
das Augenmerk auf die:
Förderung / Beobachtung der Eltern-Kind-Bindung
Beobachtung der körperlichen, neurologischen und
emotionalen Entwicklung des Kindes
sowie auf die Förderung der Elternkompetenzen und
-ressourcen.
Die Familienhebamme / Familienkinderkrankenschwester hat als
großes Ziel die Gesundheitsprävention und -förderung der
ganzen Familie. Dies schließt die Beratung und Anleitung der
Eltern zur altersentsprechenden Ernährung, Pflege und
Förderung des Kindes sowie das Hinwirken auf die Teilnahme an
Vorsorge- und Präventionsmaßnahmen für Mutter und Kind mit
ein. Eltern mit eingeschränkter Fähigkeit zur Alltagsbewältigung
werden durch die Mitarbeiterin der Aufsuchenden
Gesundheitshilfe unterstützt, betreut und angeleitet. In der
präventiven Begleitung von Familien gilt immer der Grundsatz
der Hilfe zur Selbsthilfe. Ziel der Betreuung ist es, Eltern zu
befähigen, viele Aufgaben und Wege im Laufe der Begleitung
selbst zu übernehmen. Eine anfängliche Begleitung der Eltern zu
Ärzten oder Institutionen ist aber oft erforderlich. Die Netzwerk-
und Kooperationsarbeit der Familienhebamme /
Familienkinderkrankenschwester zur Schließung von
Versorgungslücken nimmt einen großen Teil ihrer Arbeit ein. Sie
fungiert als Lotsin im interdisziplinären Netzwerk zur Betreuung
von Familien.

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Es gilt, die Familien in bestehende Angebote ihres sozialen
Umfeldes zu integrieren oder in weitere Hilfen überzuleiten. Eine
multiprofessionelle Kooperation und Vernetzung von
Institutionen und Angeboten des Gesundheitswesens, der
Schwangerschaftsberatung, der Kinder- und Jugendhilfe sowie
weiterer sozialer Dienste sind für die Integration der
Aufsuchenden Gesundheitshilfe in das bestehende Netzwerk
sowie für die effektive Arbeit der Familienhebamme /
Familienkinderkrankenschwester unabdingbar.
Aufgrund ihres Tätigkeitsprofils wird die Aufsuchende
Gesundheitshilfe in die sekundäre und tertiäre Prävention
eingeordnet. Im Bereich der selektiven Sekundärprävention steht
die Förderung und Hilfe unterstützungsbedürftiger Eltern im
Vordergrund und die Mitarbeiterin der Aufsuchenden
Gesundheitshilfe ist neben anderen Helfersystemen der
Hauptansprechpartner für diese Familie.
Bei einer Kindeswohlgefährdung - also innerhalb der indizierten
Tertiärprävention - agiert die Familienhebamme /
Familienkinderkrankenschwester nur unterstützend zu den
Hilfesystemen der Kinder- und Jugendhilfe. Die Mitarbeiterinnen
der Aufsuchenden Gesundheitshilfe üben keinen Schutzauftrag
nach §8a SGB VIII und übernehmen keine Kontrollfunktion.
Die Stadt Dresden - als Geburtenhauptstadt Deutschlands -
nimmt in Sachsen eine Vorreiterfunktion ein. Als erste Kommune
wurde bereits 2012 mit der Umsetzung der Bundesinitiative
Netzwerke Frühe Hilfen und Familienhebammen begonnen und
mit der Aufsuchenden Gesundheitshilfe ein freiwilliges und
kostenloses Angebot zur Unterstützung von sozialbelasteten
Familien geschaffen. Die Arbeit der Frühen Hilfen am
Gesundheitsamt wird sachsenweit als Beispiel vorgezeigt. Die
Aufsuchende Gesundheitshilfe wurde an das Gesundheitsamt
angebunden und in die Strukturen des Kinder- und
Jugendärztlichen Dienst integriert. Durch ein präventives,
ganzheitliches und teilstrukturiertes Hausbesuchsprogramm
können Familien mit einem erhöhten Unterstützungsbedarf von
der Schwangerschaft bis zum 1. Geburtstag des Kindes begleitet
werden. Die Häufigkeit der Hausbesuche wird dem Bedarf der
Familie angepasst und im Durchschnitt 1-2-mal wöchentlich
betragen. Die Aufsuchende Gesundheitshilfe ist in das Netzwerk
für Kinderschutz integriert und basiert auf einer engen
Kooperation zwischen dem Gesundheitsamt und dem
Jugendamt. Der Zugang zu diesem präventiven
Unterstützungsangebot für die Eltern erfolgt durch die
Selbstmeldung oder durch die Kooperationspartner innerhalb
des Kinderschutznetzwerkes. In den ersten 3 Monaten der
Aufsuchenden Gesundheitshilfe konnten bereits 23 Familien
betreut werden, die zum größten Teil (6 an der Zahl) durch das
Jugendamt vermittelt wurden.
In einer ersten kommunalen Evaluation (16.3.2013) ließ sich
erkennen:
Besonders junge Mütter (18 - 24 Jahre) nahmen die
Hilfe in Anspruch.
Erkrankungen der Mutter (psychische Erkrankungen,
geistige „Einschränkungen“, Drogenerkrankung),
psycho-soziale Belastungen und ein erhöhter Bedarf
des Kindes (Frühgeburt, Mehrlinge) waren am
häufigsten der Anlass für eine Betreuung.
Schwerpunkte der Arbeit der Familienhebammen /
Familienkinderkrankenschwester lagen in den
Bereichen:
Gesundheit des Kindes
Gesundheit Mutter / Vater
Förderung des Kindes
Alltagsstrukturierung
Stärkung der Mutter-/ Vater-/ Elternrolle
Einbindung in das soziale Netz
In den nächsten Monaten gilt es, die vorhandenen
Arbeitsstrukturen und Umsetzungen der Konzeptionsvorgaben
mit den Zielen der Effektivität, der Qualitätsentwicklung und -
sicherung sowie der Evaluierbarkeit weiterzuentwickeln. Die
Mitarbeiterinnen der Aufsuchenden Gesundheitshilfe nutzen die
Möglichkeit der Hospitation, um die Erfahrungen anderer Städte
(bzw. Frankfurt / Main) aus dem Einsatz von Familienhebammen
/ Familienkinderkrankenschwestern in die Entwicklung von
Arbeitsstrukturen in Dresden einfließen zu lassen.
Kontakt: Ramona Blümel KJÄD / Aufsuchende Gesundheitshilfe Dresden Email: [email protected]

30
(3) Niedrigschwellige, aufsuchende Arbeit durch Familienhebammen - Erfahrungen aus Frankfurt von Dr. Peter Neumann
Die Stadtverordnetenversammlung von Frankfurt am Main hat
2007 beschlossen, vom Amt für Gesundheit im Benehmen mit
dem Jugend- und Sozialamt ein Konzept zur Verbesserung des
Kinderschutzes erarbeiten zu lassen. Hierbei sollten die
medizinischen Fachkenntnisse sowie Möglichkeiten aktiv in die
Kinderschutzarbeit eingebracht werden.
Im Spätherbst 2008 konnte das neue Konzept letztendlich
umgesetzt werden. Dem Jugend- und Sozialamt wurden hierfür
13 Stellen neu zugeordnet. Hier wurde ein nahezu rund um die
Uhr fernmündlich erreichbares Team geschaffen, welches
sowohl mit städtischen als auch externen Stellen eng vernetzt
ist.
Im Weiteren wird auf die Arbeit des Teams „Frühe Hilfen“ des
Amtes für Gesundheit eingegangen. Hier wurden der Abteilung
Kinder- und Jugendmedizin 2 Kinderarztstellen sowie 5 Stellen
für Kinderkrankenschwestern bzw. Familienhebammen
zugeordnet, die mit 6 Mitarbeiterinnen besetzt werden konnten.
2012 kamen noch weitere 3 Stellen für Kinderkrankenschwestern
bzw. Familienhebammen hinzu. Die Teams des Jugend- und
Sozialamtes sowie des Amtes für Gesundheit arbeiten eng und
vertrauensvoll zusammen.
Die Kinderkrankenschwestern und Familienhebammen betreuen
gemeinsam mit den Kinderärztinnen und –ärzten des Amtes für
Gesundheit besonders belastete, beratungsbedürftige Familien
präventiv und auf freiwilliger Grundlage, d. h., die Familien
stimmen möglichst schon vor oder kurz nach der Geburt dieser
Betreuung durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtes
für Gesundheit schriftlich und freiwillig zu. Je nach aktuellem
Bedarf erfolgen dann Hausbesuche, bei denen die
gesundheitlichen Aspekte des Kindes im Vordergrund stehen. Es
wird regelmäßig das Körpergewicht und die Körperlänge
überprüft sowie der Ernährungs- und Pflegezustand beurteilt.
Selbstverständlich gehört die Beurteilung von weiteren Faktoren
auch dazu (Versorgung des Kindes mit altersgerechter Nahrung,
Kleidung und Spielzeug, Wohnsituation, Haltung von Haustieren,
Arztbesuche, Zusammenarbeit mit diversen Ämtern, Jobcenter
usw.). Diese rein präventive, bedarfsangepasste Tätigkeit kann
beendet werden, wenn eine tragfähige Mutter-Kind-Bindung
besteht, die körperliche sowie seelische Entwicklung des Kindes
unauffällig sind und die Familie in Weiterbetreuung bspw. eines
freien Trägers übergeht und/oder die präventiven Angebote des
Jugend- und Sozialamtes annehmen kann.
Regelmäßige Teambesprechungen sowohl innerhalb der
Abteilung als auch insbesondere bei Problemen des Schutzes
des Kindeswohls mit dem Kinderschutzteam des Jugend- und
Sozialamts sichern die hohe Qualität der Betreuung.
Selbstverständlich können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
an einer externen Supervision teilnehmen, Teilnahme an
diversen Fortbildungsmaßnahmen wird gewährt und gefördert.
In der Folge werden die Ergebnisse der nach einem Jahr
durchgeführten externen Evaluation des Projekts vorgestellt. Der
sehr kurze Zeitrahmen musste aufgrund der Vorgaben der Politik
eingehalten werden. Bei der Evaluierung wurde eine Analyse der
Falldokumentationen (N=92) im ersten Projektjahr durchgeführt,
die durchschnittliche Betreuungsdauer betrug 22 Wochen, wobei
allerdings rund 1/3 der Familien länger als 33 Wochen betreut
wurden. Es wurde festgestellt, dass
die im Konzept angepeilte Zielgruppe erreicht wurde
die Betreuungsschwerpunkte dem Konzept
entsprachen
Trotz der Kürze des Evaluationszeitraums bereits
eine Verbesserung der Gesamtsituation bei mehr als
einem Drittel der betreuten Familien festgestellt
werden konnte (insbesondere die Ziele „Gesundheit“
sowie „Entwicklung“ des Kindes)
Erwartungsgemäß soziostrukturelle Probleme der
Familien (insbes. Arbeitslosigkeit) kaum beeinflussbar
waren
In über 53% der Fälle eine Verbesserung der
Situation nach 6 – 12 Monaten Betreuungszeit gegen
nur knapp 29% nach einer Betreuungszeit von 2 – 5
Monaten festzustellen war
Besonders belastete Familien überdurchschnittlich
viele Probleme in der schwerbeeinflussbaren
Problemkategorie „Alltag der Mutter“ sowie
„Gesundheit Kind“ aufwiesen
Diese Familien am längsten und am intensivsten
betreut wurden
Sie am häufigsten die Merkmale „ohne
Migrationshintergrund (knapp 67% gegen 47% in der
Gesamtgruppe), „ohne Ausbildung“ sowie
„Drogenkonsum“ aufwiesen
Diese Gruppe 4x so häufig ohne eigenen Haushalt
bei den Eltern lebte
In dieser – sehr belasteten und besonders intensiv
betreuten Gruppe – es erfreulicherweise zu keiner
Inobhutnahme eines Kindes kam

31
In der Zeit von 10/2008 bis 02/2013 wurden insgesamt 444
Familien betreut; derzeit (03/2013) befinden sich 42 Familien in
laufender Betreuung, diese konnte mittlerweile bei 402 Familien
abgeschlossen werden. In 347 Fällen wurden die Familien von
dritter Seite an das Amt für Gesundheit vermittelt, 97 Familien
meldeten sich selbst an.
Die Umsetzung des Konzeptes ist als erfolgreich zu bezeichnen.
Die Anbindung der medizinischen Fachkräfte an das Amt für
Gesundheit war richtig, da dies den Zugang zu den Familien
wesentlich erleichterte und die letztendliche Anbindung auch an
das Jugend- und Sozialamt auch mit seinen präventiven
Angeboten ermöglichte.
Kontakt: Dr. Peter Neumann Gesundheitsamt Frankfurt am Main Email: [email protected]

32
3.4 Workshop „Gesundheitliche Chancengleichheit“ (1) „KiNet“ und „Aufwachsen in sozialer Verantwortung“ des EB Kindertageseinrichtungen von Jenny Matuschke
Das gesunde Aufwachsen von Kindern ist eines der wichtigsten
Anliegen der gesamten Gesellschaft. Neben den Müttern und
Vätern nehmen Kindertageseinrichtungen und Schulen ihre
Verantwortung für die Möglichkeiten und Chancen, wie sich
Kinder entwickeln und entfalten, wahr. Die ungleichen
Aufwachsbedingungen von Kindern fordern Institutionen der
Erziehung, Bildung und Sozialisation zunehmend heraus,
gemeinsam mit Familien und in der ressortübergreifenden
Zusammenarbeit bestehende Strukturen kritisch zu hinterfragen
und einer konzeptionellen, strukturellen und inhaltlichen
Weiterentwicklung Raum zu geben.
Das Modellprojekt „KiNET – Netzwerk für Frühprävention,
Sozialisation und Familie“ und das Handlungsprogramm
„Aufwachsen in sozialer Verantwortung“ sind eine Antwort der
Landeshauptstadt Dresden auf diese Entwicklung und tragen
dazu bei, Kindern ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen.
1. Das Modellprojekt – KiNET 2005-2010
Jugendamt, Kinder- und Jugendärztlichem Dienst, Sozialamt,
Stadtplanungsamt und dem Eigenbetrieb
Kindertageseinrichtungen zu aktuellen Problemkonstellationen
und veränderten Bedarfslagen im Sozialraum. Sie beschrieben
hohe professionelle Unterstützungsbedarfe bei Familien und
Kindern sowie bei Fachkräften im Stadtteil, insbesondere in
Kindertageseinrichtungen.
Ausgehend von den Wahrnehmungen der Akteure und den
alarmierenden Untersuchungsergebnissen der Vierjährigen (Kita-
Screening) im Bereich der Sprache1 wurden Handlungsansätze
formuliert und ein stadteilbezogenes Gesamtkonzept erarbeitet.
Grundlegendes Ziel von KiNET als Projekt mit Modellcharakter
war die Entwicklung eines übertragbaren sozialraumorientierten
Konzeptes für Frühprävention. das empirisch rückgebunden und
begleitet wird, um mögliche Handlungsansätze für Familien,
pädagogische Fachkräfte und weitere Akteure aus dem
Sozialraum Dresden-Gorbitz zu entwerfen.
Zum Aufbau eines „sozialraumorientierten Netzwerkes für
Frühprävention in Stadtteilen mit besonderen
Herausforderungen“ wurde im Sinne der Frühprävention an der
Ebene der Kindertageseinrichtung und der Ebene des
Sozialraum angesetzt, um Risiken zu erkennen bzw. Problemen
vorzubeugen und riskanten Aufwachs- und
Sozialisationsbedingungen entgegen zu wirken.
Dazu wurden zwei grundlegende Thesen verfolgt und
methodisch bearbeitet:
1. Kindertageseinrichtungen sind Orte der Frühprävention,
besonders in sozial benachteiligten Stadtteilen
Stärkung von Institutionen, insbesondere KiTa
2. Vernetzung unterstützt frühpräventives Handeln,
besonders in sozial benachteiligten Stadtteilen
Vernetzung von Kita
In der mehrjährigen Modellprojektphase von KiNET2 wurde eine
differenzierte Problem- und Bedarfsbeschreibung aus
unterschiedlichen Perspektiven bzw. Verantwortungsbereichen
realisiert. Es gelang, Kindertageseinrichtungen auf der Ebene
der Leitungskräfte in einem Netzwerk zusammenzuführen,
Kooperationen aufzubauen und gemeinsame Strategien zu
entwickeln, um mit den Herausforderungen, die sich für
Kindertageseinrichtungen aus der Verortung in einem Stadtteil
mit besonderem Entwicklungsbedarf ergeben, besser
umzugehen3.
2. Das Handlungsprogramm „Aufwachsen in sozialer
Verantwortung“ 2008 - 2012
Kindertageseinrichtungen sehen sich auf Grund der
Lebenssituation von Kindern und Familien besonderen
fachlichen Herausforderungen gegenüber. Im Zuge des
Stadtratsbeschlusses zum Fachplan Kindertageseinrichtungen
und Kindertagespflege wurde der Eigenbetrieb
Kindertageseinrichtungen im Jahr 2007 beauftragt, bis zur
nächsten Fortschreibung des Bedarfsplanes Instrumentarien zur
Feststellung der unterschiedlichen Anforderungen an
Einrichtungen durch Kinder mit erhöhtem erzieherischem Bedarf
zu entwickeln und Maßnahmen zur gezielten Unterstützung bei
erhöhten Anforderungen vorzuschlagen.
Mit dem verabschiedeten Handlungsprogramm „Aufwachsen in
sozialer Verantwortung“ wird die Kindertagesbetreuung
systematisch und praxisorientiert weiterentwickelt. Zur
Umsetzung der Programmziele sind in den 32 beteiligten
Kindertageseinrichtungen zusätzlich Sozialpädagogen/innen im
Umfang von je einer vollen Stelle tätig. Sie entwickeln
gemeinsam mit den Teams entsprechende Konzepte,
Maßnahmen und Angebote, um jedem Kind die bestmöglichen
Voraussetzungen für seine Entwicklung und Entfaltung zu
bieten. Kern und Ziel des Handlungsprogramms ist die Initiierung
eines mehrschichtigen Prozesses, bei dem es darum geht:
Im Jahr 2004 verständigten sich
Praxisakteure der Kinder- und Jugendhilfe
der Stadtteils Dresden-Gorbitz in einer
ämterübergreifenden Zusammenarbeit mit

33
die pädagogische Arbeit mit den Kindern sensibel an
deren sozialen Lebenshintergrund auszurichten
bedarfsangemessene Förderangebote zu entwickeln
und im natürlichen Alltag der Einrichtungen zu
verankern
Unterstützungssysteme für Kinder und deren Familien
in prekären, belasteten, benachteiligenden
Lebenssituationen in der Kindertagesstätte sowie in
Kooperation und Vernetzung mit Akteuren im sozialen
Umfeld zu etablieren
neue Formen der Kombination von bedarfsgerechten
kinder- und jugendhilflichen Leistungen mit dem
Regelangebot von Kindertagesstätten aufzubauen
und die dafür erforderlichen Schnittstellen
auszugestalten
Dabei geht es nicht nur um die „Bearbeitung“ spezifischer
Bedarfe von Kindern, die von (den Folgen) sozialer
Benachteiligung bedroht oder betroffen sind, sondern jedes
einzelne Kind mit seinen Lebenssituationen, Potenzialen,
Wünschen und Neigungen in den Mittelpunkt der pädagogischen
Arbeit zu stellen. Die Einrichtungen werden durch ein
Kompetenz- und Beratungszentrum an der Arbeitsstelle für
Praxisberatung, Forschung und Entwicklung (apfe) e.V. begleitet
und unterstützt.
3. Zusammenfassung
Beide vorgestellten Modellprojekte betrachten den Sozialraum
bzw. die Institution KiTa als Ganzes und mit den spezifischen
Wechselwirkungen. Dazu gehört die Erarbeitung von
Gesamtkonzepten, welche die unterschiedlichen Aufträge und
Teilperspektiven einbeziehen. Die Herausforderung bestand und
besteht darin, konkrete anschlussfähige und bedarfsgerechte
Handlungskonzepte zu entwickeln bzw. vorhandene Systeme
und angemessene Rahmenbedingungen weiterzuentwickeln.
Beide Modellprojekte haben ihre Wirksamkeit für die Kinder, ihre
Familien und die Akteure in der Kita bzw. im Sozialraum unter
wissenschaftlicher Begleitung nachgewiesen. Die leichte
Abnahme von Sprachentwicklungsauffälligkeiten im Jahr
20010/11 im Vergleich zu 2003/04 bei den Vierjährigen in
Dresden-Gorbitz könnten ein weiterer Hinweis hierfür sein.
1Quelle: Landeshauptstadt Dresden, Gesundheitsamt, Abt. Kinder- und Jugendärztlicher Dienst
Nach den überaus positiven Erfahrungen aus dem
Modellprojekt „KiNET – Netzwerk für Frühprävention,
Sozialisation und Familie“ wurde in Zusammenarbeit mit dem
KiNET-Koordinatorenteam, dem Institut apfe e.V. an der
Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit in Dresden und
in Abstimmung mit den beteiligten Fachämtern ein Konzept für
die Übertragung und Verstetigung des Modellansatzes
entwickelt. Der Jugendhilfeausschuss hat im November 2011
beschlossen, das Projekt in Dresden-Gorbitz zu verstetigen
und auf Dresden-Prohlis mit dem Namen „Auf dem Weg zum
Netzwerk für Frühprävention – das Dresdner Modell“ zu
übertragen. Das „Dresdner Modell für Frühprävention“
integriert die Erfahrungen des Projektes und ist zugleich eine
Weiterentwicklung der bereits realisierten Ansätze.
Das Dresdner Programm „Aufwachsen in sozialer
Verantwortung“ hat im Mai 2012 seine erste Fortschreibung in
Form eines Handlungskonzeptes erfahren4. Die
Fortschreibung beinhaltet ein optimiertes Auswahl- und
Beteiligungsverfahren für Kindertageseinrichtungen und ein
weiterentwickeltes Handlungskonzept. Es enthält Aussagen zu
Bedarfen, pädagogischen Leitlinien, institutionellen
Rahmenbedingungen, einrichtungsbezogenen
Entwicklungsprozessen sowie hierzu notwendigen
Rahmenbedingungen und Unterstützungssysteme und bezieht
diese argumentativ aufeinander.
weitere Informationen unter:
www.dresden.de/de/03/01/02/berichte_und_filme.php
www.kinet-dd.de
www.aufwachsen-in-sozialer-verantwortung.de
Kontakt: Jenny Matuschke Netzwerkkoordinatorin KiNET Email: [email protected]
1 Untersuchung des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes 2004 - Sprachentwicklung der
Kinder in Gorbitz (43,4 %) im Vergleich zu Dresden (28,7 %) 2 Phase I von Juli 2005 bis März 2008, finanziert durch die Landeshauptstadt Dresden und Phase II von April 2008 bis Dezember 2010, finanziert durch das Bund-Länder-Programm „Stadtteile mit bes. Entwicklungsbedarf – Die soziale Stadt“ 3 Pfeifer, Schmidt, Müller: Handlungsempfehlung zur Verstetigung und Weiterentwicklung des Netzwerkes für Frühprävention in Dresden-Gorbitz 2011, S. 1 4 vgl. Konzeption für die Fortschreibung des Dresdner Handlungsprogramms „Aufwachsen in
sozialer Verantwortung“ vom Januar 2012

34
(2) Projekt „Kids fit und aktiv in Dresden“,
Gesundheitsförderung in der Förderschule von Eike Schulze
Ein Anliegen der Landeshauptstadt Dresden ist die Förderung
von Gesundheit und Wohlergehen ihrer Bürger.
Seit 1991 ist die LH Dresden Mitglied im Netzwerk der WHO
,,Gesunde Städte“.
Der Gesundheitsförderung unserer ,,kleinen Dresdner“ muss
dabei ein ganz besonderer Stellenwert beigemessen werden.
Denn sie sind unsere Zukunft und wir können nicht früh genug
damit anfangen, sie für einen gesunden Lebensstil zu
motivieren.
Die Einschulungsuntersuchungen des Kinder- und
Jugendärztlichen Dienstes im Schuljahr 2009/2010 ergaben,
dass 10,13 % der Schüler Störungen in der Grobmotorik
aufweisen. Besorgniserregend sind auch die Zahlen unserer
Kinder mit Übergewicht. So erhöht sich der Anteil der
übergewichtigen Schüler mit zunehmendem Alter von 5,78 % bei
der Einschulungsuntersuchung auf 8,16 % in der 2. Klasse und
sogar 12,12 % bei den Untersuchungen in der 6. Klasse.
(Stadtgesundheitsprofil 2012, S.68)
Des Weiteren besteht oft ein enger Zusammenhang zwischen
Armut und niederem Bildungsstand. „Kinder aus
einkommensschwachen Familien besuchen deutlich häufiger
Förderschulen als Kinder aus einkommensreichen Familien.
Diese Aussage lässt sich sowohl auf den elterlichen
Bildungsabschluss, als auch auf den Sozialstatus der Eltern
übertragen: Je niedriger die elterliche Bildung und der
Sozialstatus, umso höher die Wahrscheinlichkeit eines
Förderschulbesuches“ (Bericht zur Entwicklung sozialer
Strukturen und Lebenslagen, Lebenslagenbericht, Dresden
2008, S.118)
Eine wichtige Aufgabe der Abteilung Gesundheitsförderung der
LH Dresden besteht deshalb darin, Einfluss auf die Lebens- und
Ernährungsgewohnheiten der Kinder und Jugendlichen zu
nehmen.
Das Schülerprojekt „Kids fit und aktiv in Dresden“ wurde am 27.
Februar 2012 als Pilotprojekt am Förderzentrum Albert
Schweitzer Schule für Lernbehinderung im Stadtteil Prohlis in der
4. Klassenstufe gestartet und befindet sich derzeit in der zweiten
Erprobungsphase.
Zielsetzung
Hauptziel: gesundheitsfördernde Lebensweise für
Kinder an Lernförderschulen
Teilziele:
gesundheitsförderndes Ernährungsverhalten
Konstanthaltung bzw. Reduzierung des
BMI
Förderung der körperlichen Aktivität/ Spaß an der
Bewegung
Verbesserung der motorischen
Fähigkeiten der Kinder
Stärkung der Sozialkompetenz der Kinder
Steigerung der
Selbststeuerungsfähigkeit und der
Teamfähigkeit
Schulung der Eltern zu gesundheitsbewusster
Lebensweise
Aktive Einbindung der Eltern in die
Projektarbeit „Lebensstilveränderung
in der Familie“
Für jeweils ein Schulhalbjahr nehmen die Schüler derzeit
obligatorisch an den Modulen Ernährungschulung und
Bewegungsförderung teil, in denen sich inhaltlich Bestandteile
der Sozialkompetenz wiederfinden. Im wöchentlichen Wechsel
werden die 16 Moduleinheiten in einem Zeitumfang von 90
Minuten durch die Mitarbeiter der Gesundheitsförderung
vermittelt, sowie 2 Ganztagesveranstaltungen angeboten.
Außerdem nimmt die Elternarbeit einen hohen Stellenwert ein.
Im Schuljahr 2014/2015 soll dieses Projekt flächendeckend für
alle Förderzentren im Bereich der Lernförderung als
Schuljahresprojekt für die Klassenstufe 3 oder 4 angeboten
werden. Die Vorstellung der Projektidee erfolgt persönlich
durch die Mitarbeiter der Gesundheitsförderung an den
Schulleiter der jeweiligen Einrichtung.
Grundlage und Voraussetzung für eine erfolgreiche
Weiterführung des Projektes ist die Bereitschaft der Schulen
mindestens 2- 3 Lehrer/Innen, Erzieher/Innen im Bereich der
gesundheitsfördernden Lebensweise zu qualifizieren, um eine
optimale Umsetzung des Projektes am Förderzentren für
Lernbehinderung zu gewähren.
Die Schulung erfolgt im März/ April des laufenden Jahres
durch Mitarbeiter der Abteilung Gesundheitsförderung, so dass
die Schule mit Beginn des neuen Schuljahres das Projekt
starten kann. Es wird ein Basisseminar angeboten mit den
Bestandteilen Ernährung / Bewegung und Sozialkompetenz.
Der zeitliche Umfang beträgt 2 Tage mit jeweils 8
Unterrichtseinheiten.

35
Die Seminarinhalte und die Stundenbilder für die jeweiligen
Module sind in einer Handreichung zusammengefasst und
werden den Teilnehmern in Anschluss an die Veranstaltung
ausgegeben. Bei Bedarf haben die Teilnehmer die Möglichkeit
noch ein Aufbauseminar von 8 UE zu besuchen, welches sich
gezielt mit einer verstärkten Elternarbeit befasst und der
Gestaltung und Durchführung von Abschlussfesten im Rahmen
des Projektes.
Projektablauf
Vor Projektbeginn findet ein Themenelternabend statt. Die Eltern
werden über Inhalte, Ziele und Ablauf des Projektes durch
Mitarbeiter der GF und die durchführende Lehrkraft / Erzieherin
informiert. Ausgabe eines Fragebogens zum Aktivitätsverhalten
und den Lebensgewohnheiten in der Familie.
Im Projektzeitraum werden drei „aktive Elternnachmittage“
angeboten, an denen sich die Eltern und Kinder gemeinsam
beteiligen. Eltern werden als ,,Helfer“ in den Projektablauf
eingebunden, um gemeinsam die Bildungsziele im Modul
Ernährung, Bewegung und Sozialkompetenz zu erreichen. Ideen
und Eigeninitiative der Eltern werden dabei beachtet. Die Eltern
tragen dazu bei, dass sich z.B. ein gemeinschaftliches gesundes
Frühstück oder Aktionstage realisieren lassen.
Erstellung von „themenbezogenen Newslettern“ für die Eltern.
Auftaktveranstaltung
Projekttag ,,Gesunde Lebensweise“
Wissensvermittlung und Praxis in den Themenbereichen
Bewegung,
Ernährung,
Selbstkompetenz/
Körperwahrnehmung
Durchführung der Module
Fortsetzung des Projektes mit den Modulen Ernährung und
Bewegung, sowie Sozialkompetenz als integrativer Baustein. Im
14 tägigen Wechsel werden die Inhalte mit einem zeitlichem
Umfang von 90 min über ein gesamtes Schuljahr durch die
geschulten Lehrer/ Erzieher mit Unterstützung der Mitarbeiter der
GF vermittelt.
Modul Ernährung:
Wissensvermittlung und Verständnis für die verschiedenen
Lebensmittel / Lebensmittelgruppen
Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten in der
Nahrungszubereitung
Erleben von Tisch- und Esskultur
Gemeinsames Essen zur Stärkung der Sozialkompetenz
Modul Bewegung:
Freude und Spaß am Bewegen
Kennenlernen vielfältiger Bewegungsformen
Spiele zur Stärkung der Teamfähigkeit
Umgang mit Sieg und Niederlage
Stressabbau durch Bewegung
Bewegungsideen für zu Hause
Aktive Elternnachmittage:
Der zeitliche Umfang der Nachmittage beträgt 2-3 Stunden und
setzt sich aus Praxis und Theorie zusammen. Im Bereich
Ernährung und Bewegung und Sozialkompetenz erhalten die
Eltern praktische Anregungen und Tipps. Sie sind aufgefordert
gemeinsam mit ihren Kindern aktiv an den Moduleinheiten
teilzunehmen und sich auszuprobieren. Im Anschluss erhalten
die Eltern eine Handreichung zu den Stundeninhalten.
Vorstellen und Erleben gemeinsamer Eltern-Kind
Spiele
Zwischenmahlzeiten leicht und gesund zubereitet
Kommunikation mit Kindern / Umgang mit Gefühlen
Wandertag:
Durchführung eines gemeinsamen Eltern-Kinder-Wandertags
unter erlebnispädagogischen Gesichtspunkten
Pflanzenkunde (Erkennen von Kräutern und
Getreidearten und deren Nutzung)
Spiele in der Natur ( Spielideen mit Naturmaterialien )
Stärkung der Teamfähigkeit
Abschlussfest:
Gestaltung eines Abschlussfestes (Ideensammlung der Kinder)
Darbietung einer Sportshow durch die Förderschüler
Präsentation eines selbst gestalteten und
zubereiteten Abschlussbuffets der Förderschüler zur
gesunden Ernährung
Finanzierung
Die Finanzierung des Projektes ist ein großes Problem und
bisher ist es noch nicht gelungen Sponsoren für die
Durchführung des Projektes im Schuljahr 2014/2015 zu finden,
vor allem für die Übernahme der Lebensmittelkosten. Derzeit
laufen Gespräche mit der Bildungsagentur zur Finanzierung über
die Ganztagsangebote der Schulen. Verhandlungen mit den
Krankenkassen zur Integration und finanziellen Unterstützung
innerhalb des Projektes erfolgen im Mai 2013.
Kontakt: Eike Schulze Koordinatorin Reha-Sport / Gesundheitsamt Dresden Email: [email protected]

36
(3) Erfahrungen aus den Projekten „GO - Gesund im Osten“ und „AGNES - Aktiv im Alter“ und Weiterführung von Claudia Menkouo
Herkömmliche traditionelle Ansätze der Prävention und
Gesundheitsförderung ermöglichen sozial benachteiligten
Personengruppen keinen ausreichenden Zugang zu
gesundheitsförderlichen Angeboten (Arbeitsgemeinschaft der
Spitzenverbände der Krankenkassen 2004, Razum 2004). Für
eine Steigerung der Gesundheitschancen sozial benachteiligter
Personengruppen sind niedrigschwellige und innovative Ansätze
notwendig. Stadtteile, Nachbarschaften und das unmittelbare
soziale Umfeld bieten besonders für diese Zielgruppen geeignete
Settings für die Gesundheitsförderung. Dort können
gesundheitsfördernde Angebote in bereits vorhandene und von
den Betroffenen akzeptierte Strukturen eingebettet und
Zugangsbarrieren verringert werden (Rosenbrock und Kümpers
2006, Bestmann 2009).
Mit den Forschungsprojekten „GO-Gesund im Osten“ und
„AGNES-Aktiv im Alter“ wurden von 2009 bis 2011/ 2012 im
Stadtteil Leipziger Osten, einem sozialen Brennpunkt, ein
Settingansatz der Gesundheitsförderung umgesetzt. Ziel der
Projekte war die Entwicklung und Evaluation niedrigschwelliger,
partizipativer und stadtteilbezogener Interventionen zur
Verbesserung der gesunden Lebensweise – zum einen von
Kindern aus sozial benachteiligten Familien und Familien mit
Migrationshintergrund (GO) und zum anderen von älteren
Menschen (AGNES). Die Mütter standen im GO-Projekt als
„Gesundheitsmanagerinnen der Familie“ im Mittelpunkt der
Maßnahmen. Ihre gesundheitsbezogenen, praktischen und
sozialen Kompetenzen sollten gestärkt werden, damit sie noch
besser als bisher für eine gesundheitsförderliche Lebensweise
ihrer Kinder Sorge tragen können.
Während der Projektlaufzeit wurden verschiedene verhaltens-
sowie verhältnispräventive Maßnahmen umgesetzt. Für einen
verbesserten Zugang zu sozial benachteiligten Gruppen im
Stadtteil und der Stärkung gesundheitlicher Chancengleichheit
erwiesen sich dabei im Projekt vier Strategien und Ansätze als
erfolgreich. Die hier genannten Erfolgsansätze in der
Verhaltensprävention (Interventionen mit Zielgruppe) und
Verhältnisprävention (Strukturen, Netzwerkaufbau) wirken dabei
eng zusammen.
1. Niedrigschwelligkeit
Niedrigschwelligkeit ist ein Qualitätskriterium in der
Gesundheitsförderung und bezeichnet die Art des Zugangs für
die Nutzung eines Angebotes. Sie gilt als die wahrscheinlich
„entscheidende Kategorie im gesundheitsförderlichen Kontext
milieu- und quartiersbezogener Sozialarbeit“ (Schütte-Bäumner
2007).
Die Konzipierung eines niedrigschwelligen Angebotes orientiert
sich eng an der Lebenswelt der Zielgruppe. Folgende Merkmale
kennzeichnen eine niedrischwellige Arbeitsweise:
Zeitlich und räumlich offene, alltagsnahe Strukturen,
Formale und finanzielle Barierrefreiheit,
Direkte und persönliche Ansprache,
Soziale und kulturelle Zielgruppenorientierung. (Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. 2005, Bunge et al. 2006, Bestmann 2009, Hartung et al. 2010).
Stadtteilbezug, Zielgruppenorientierung und Partizipation, d.h.
die Entwicklung der Angebote im Stadtteil und am Bedarf der
Nutzerinnen orientiert, waren im GO-Projekt entscheidend für
einen erfolgreichen Zugang zu den Müttern.
Der Gesundheitsladen wurde als Anlaufstelle für Nutzerinnen
(sowie Kooperationspartner) im Stadtteil etabliert; er war täglich
geöffnet und hielt gesundheitsförderliche Angebote aus einer
„Komm- und Gehstruktur“ bereit. Das Spektrum der Angebote
reichte von Informationsveranstaltungen mit Expertinnen und
Experten über kostenlose offene Beratung bis hin zu
Freizeitangeboten. Mehr als ein Drittel der Angebote wurde
gemeinsam mit Kooperationspartnern im Stadtteil und in deren
Räumlichkeiten realisiert. Ein Beispiel für niedrigschwellige
Angebote ist das in Kooperation mit dem Internationale Frauen
Leipzig e.V. einmal und monatlich kostenfrei durchgeführte
Frauen-Informationscafé. Die Teilnehmerinnen bestimmten die
Gesundheitsthemen, eingeladene Expertinnen und Experten
vermittelten Wissenswertes im gemeinsamen Gespräch mit den
Teilnehmerinnen. Bei Bedarf standen Sprachmittlerinnen zur
Verfügung. Beim Zugang zu den Angeboten spielte vor allem die
persönliche Ansprache eine Rolle. Zwei Drittel der
Teilnehmerinnen gab an von Freunden, Bekannten oder
Personen in Vereinen, Projekten oder öffentlichen Institutionen
und den Gesundheitsladen selbst angesprochen worden zu sein.
Flyer, Internet, Aushänge und Mitteilungen in der Lokalpresse
spielten dagegen eine untergeordnete Rolle (Grande und Große
2012).
2. Multiplikatorenansatz
Das Erreichen der Zielgruppe über Multiplikatoren, sogenannte
Mittler oder Schlüsselpersonen, hat sich als erfolgreicher Weg
zur Erreichung sozial Benachteiligter, die schriftliche Materialien
weniger eigenständig wahrnehmen, erwiesen (Hartung et al.
2010).

37
In Zusammenarbeit mit dem Quartiersmanagement, dem
Gesundheitsamt und dem Amt für Stadterneuerung und
Wohnungsbauförderung wurden Bürgerforen organisiert, in
denen das Thema „Gesund im Stadtteil“ gemeinsam mit
Stadtteilakteurinnen und – akteuren, Stadtpolitik sowie
Bewohnerinnen und Bewohnern diskutiert wurde, wichtige
Handlungsbedarfe bestimmt und erste Ideen für
Handlungsstrategien gefunden wurden. Die Ergebnisse sind in
offenen Werkstätten aufgenommen und erneut diskutiert worden
und führten zur Gründung des „Netzwerks „Gesundheit im
Leipziger Osten“. Das Netzwerk ermöglicht den Zugang zu
bisher unerreichten Zielgruppen und mündete nicht zuletzt in der
Integration des Themas Gesundheit als eigenständiges
Handlungsfeld im Stadtteilentwicklungskonzept für den Leipziger
Osten(Grande und Große 2012).
Weiterführung: Modellprojekt „Koordinierungsstelle
Gesundheit Leipzig“
Bereits während der Laufzeit der Projekte GO und AGNES
entstand gemeinsam mit dem Gesundheitsamt und dem Amt für
Stadtentwicklung und Wohnungsbauförderung der Stadt Leipzig
die Idee der Weiterentwicklung eines Projektes zur
Gesundheitsförderung. Dabei war die Frage, wie kann man es
schaffen, über die Aktivitäten einzelner Projekte hinaus,
nachhaltige Strukturen und Netzwerke in einer Kommune zu
schaffen, die das Thema Gesundheitsförderung als eine
kommunale Querschnittsaufgabe etablieren, handlungsleitend.
Entwickelt wurde als Antwort darauf das Modellprojekt, das von
Juni 2012 bis Mai 2014 umgesetzt und von der Stadt Leipzig und
der AOK Plus gefördert wird.
Aufbauend auf den Erfahrungen des Projektes „GO-Gesund im
Osten“ soll mit der „Koordinierungsstelle Gesundheit„ die
Entwicklung selbsttragender gesundheitsförderlicher Strukturen
auf Stadtteilebene hin zu gesunden Quartieren unterstützt
werden. Durch die Fortschreibung quartiersbezogener
Gesundheitsberichterstattung und Quartiersdiagnose (in den
Stadtteilen Leipziger Osten und Grünau) sollen detailliertere
Aussagen zur gesundheitlichen Lage der Bewohner/-innen und
Versorgung in einzelnen Stadtteilen möglich sein. Der Aufbau
von Partnerschaften für gesunde Leipziger Stadtteile soll
fortgesetzt und verstetigt und Strukturen für die Umsetzung in
Form ressortübergreifender Zusammenarbeit mit
Kommunalpolitik, Stadtverwaltung, Krankenkassen,
Gesundheits- und Stadtteilakteuren sowie den Zielgruppen
geschaffen werden. Das Handlungsfeld Gesundheit soll in das
Stadtteilentwicklungskonzept integriert werden und eine
dauerhafte Beteiligung und Verantwortungsübernahme der
Kommune gesichert werden. Mit dem Modellprojekt ist eine
„Koordinierungsstelle Gesundheit“ mit entsprechenden
Kompetenzen eingerichtet worden. Die Aufgaben der
Koordinierungsstelle liegen vor allem in der Netzwerkarbeit,
Moderation, Aktivierung, Beteiligung, Öffentlichkeitsarbeit sowie
Berichterstattung. Der deutschlandweite Transfer in die Praxis
soll durch eine umfassende Evaluation gesichert werden.
Kontakt: Claudia Menkouo HTWK Leipzig Email: [email protected]
Zur Förderung der gesunden Lebensweise wurden im GO-
Projekt zwei Ansätze gewählt. Zum einen wurden
Laienmultipliktorinnen als Gesundheitsmittlerinnen ausgebildet
und gesundheitsspezifisches Wissen (Bewegung, Ernährung,
Vorsorge) vermittelt. Zum anderen wurden Gewerbetreibende im
Stadtteil für die Themen „Inanspruchnahme von
Vorsorgeuntersuchungen“ (Nagelstudios) und „Gesundes
Pausenbrot“ (Lebensmittelhändler) aktiviert (Grande und Große
2012).
3. Beiläufige Kompetenzvermittlung
In jüngster Zeit wird in der Arbeit mit schwer erreichbaren
Zielgruppen ein niedrigschwelliger Zugang mit dem Prinzip der
„beiläufigen“ Kompetenzvermittlung verknüpft, der vor allem in
offenen Sozial-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen Erfolg
verspricht (Douma und Kilian 2007, Hartung et al 2010).
Spaßbetonte Angebote, die an der Lebenswelt und dem Alltag
der Zielgruppe ansetzen und handlungsorientiert sind, bieten die
Chance, gesundheitsrelevante Informationen und Kompetenzen
nicht direkt, sondern „beiläufig“ im Austausch oder gemeinsamen
Tun zu erwerben. Die Zielgruppe kann so erfolgreich an
vermeintlich weniger attraktive Gesundheitsthemen herangeführt
werden (Friedrich et al. 2010, Reimann et al. 2010).
Ein Beispiel für ein Angebot ist die im GO-Projekt monatlich
stattgefunden „Interkulturelle Kochgruppe“. Die Teilnehmerinnen
wählten unter Anleitung einer Ökotrophologin Rezepte aus ihren
Heimatländern aus, prüften deren Zusammensetzung und
ersetzten beispielsweise fett- und zuckerreiche Zutaten durch
eine gesündere Variante. Nach dem gemeinsamen Einkaufen
und Zubereiten der Gerichte wurden diese zusammen verzehrt.
Die Kochgruppe wurde intensiv zum Austausch und als Raum für
das Knüpfen sozialer Kontakte genutzt. Eine Befragung der
Teilnehmerinnen zum Grund für die Teilnahme am Angebot
ergab, dass der Aufbau und die Pflege sozialer Kontakte ein
bedeutsames Motiv war. Die Nutzerinnen wollten Freundinnen
treffen und die Küche anderer Länder kennen lernen. Der Erwerb
von Fähigkeiten für die Zubereitung gesunder Gerichte stand
dabei im Hintergrund (Große et al. 2012).
4. Vernetzung im Stadtteil
Entscheidende Faktoren für einen zielgruppengerechten und
erfolgreichen Zugang sind die Vernetzung und Verankerung im
Stadtteil sowie die Anbindung an soziale Einrichtungen und die
Zusammenarbeit mit Vereinen (Bunge et al. 2006).
Professionelle gesundheitsbezogene Netzwerke ermöglichen
fächerübergreifende Kooperation von Akteuren und dient der
Entwicklung gemeinsamer Gesundheitsziele, Strategien und
Maßnahmen sowie der Bildung nachhaltiger Strukturen, mit
deren Hilfe flexibel auf Gesundheitsprobleme und Entwicklungen
im Stadtteil regiert werden kann (Reimann et al. 2010, Trojan
und Süß 2010).
Im GO-Projekt erwies sich die Kooperation mit anderen Akteuren
vor Ort, der Einbezug von Partnern unter Berücksichtigung der
bereits vorhandenen Angebotsstrukturen (siehe Punkt
Niedrigschwelligkeit) und die Initiierung von Netzwerken und das
Nutzen vorhandener Netzwerkstrukturen einschließlich des
Einbezugs relevanter Gesundheitsakteure als erfolgreich. 37

38
3.5 Workshop „Suchtprävention“ Suchtprävention in Dresden - Status Quo von Dr. Kristin Ferse & Anja Maatz
Zur Beurteilung von konkreten suchtpräventiven Bedarfen für
Dresden erfolgte eine Bestandsaufnahme vorhandener
suchtpräventiver Angebote unterschiedlichster Träger (z.B.
Polizei, Krankenkassen, Suchtberatungsstellen, Jugendhilfe).
Dabei wurden nur jene erfasst, die nach Selbsteinschätzung der
Träger einem Konzept folgen bzw. für die ein Konzept vorliegt.
Abb. 1: Ergebnisse der Bedarfsanalyse
Einteilung der vorhandenen Angebote nach unterschiedlichen
Präventionsbegriffen
Zur strukturellen Einordnung der Angebote wurden
unterschiedliche Definitionen von Suchtprävention
herangezogen. Dies ermöglicht es verschiedene Perspektiven im
Blick zu haben.
Im Arbeitskreis „Suchtprävention Dresden“ entwickelte sich auf
dieser Grundlage ein Verständigungsprozess zu Anforderungen,
Inhalten, Evaluationsmöglichkeiten und neuen Bedarfen für die
Suchtprävention.
Um weitere Rückschlüsse ziehen zu können, wurden neben der
bestehenden Angebotsstruktur epidemiologische Daten
betrachtet. Die epidemiologische Situation zur stationären
Versorgung von Dresdner Suchtkranken in Sachsen
(Auswertung der Krankenhausstatistik Sachsen 2011,
Statistisches Landesamt) ergab, dass 2599 Dresdner
PatientInnen auf Grund „Psychischer und Verhaltensstörungen
durch psychotrope Substanzen“ (ICD 10, Kapitel F10 bis F19)
stationär behandelt werden mussten. 81% der Personen sind
wegen Alkohol, 11% aufgrund multiplen Substanzgebrauch und
3% wegen Stimulanzien (u.a. Crystal) behandelt worden. Damit
entspricht die Verteilung der Suchtmittel von Dresdner
PatientInnen dem Durchschnitt der sächsischen PatientInnen.
Der Anteil der Männer liegt bei allen Suchtmitteln (außer
Sedativa) höher. Bei stationär behandelten Störungen nur durch
Alkohol (F 10) waren von den 613 Frauen 15% unter 25 Jahre,
von den 1484 Männern nur 9% unter 25 Jahre alt.
807 DresdnerInnen wurden aufgrund der Diagnose akute
Alkoholintoxikation (F10.0) im Jahr 2011 stationär behandelt.
24% der Betroffenen waren unter 25 Jahre. Von den betroffenen
Frauen (260) waren 32% unter 25 Jahre. Von den betroffenen
Männern (547) 21% unter 25 Jahre. Bei den unter 15jährigen
und 70-75jährigen liegt der absolute Anteil der betroffenen
Frauen sogar höher als bei den Männern. Diesen Vergleich
veranschaulicht nachfolgende Abbildung.
Abb. 2: Anteil Dresdner Frauen und Männer mit
stationärer Versorgung (einschließlich
Stunden- und Sterbefälle) in Sachsen aufgrund einer akuten
Alkohohlintoxikation (F10.0) als Hauptdiagnose im Jahr
2011 (N=807)
Quelle: Krankenhausstatistik Sachsen, Statistisches Landesamt
Auch bei der Diagnose Abhängigkeitsyndroms (F10.2) ist der
Anteil der stationär behandelten Frauen in der Altersgruppe der
unter 25jährigen höher als bei den Männern der gleichen
Altersgruppe. Von 203 Frauen waren bereits 4% unter 25 Jahre,
bei den Männern (513) nur 2%.
Im Rahmen der ambulanten Suchthilfe (Suchtberatungsstellen
der Stadt) zeigt sich ein etwas anderes Bild. Der Anteil der
KlientInnen, die aufgrund von Alkohol eine Beratung suchen ist
zwar immer noch am größten (1803), gefolgt von 884
Konsumenten illegaler Drogen (davon 372 Crystal). Aber
während in der stationären Versorgung 80% wegen Alkohol und
„nur“ 20 % wegen anderer (auch illegaler Drogen) behandelt
werden, beträgt in der ambulanten Versorgung der Anteil der
KlientInnen, die wegen des Gebrauchs illegaler Drogen Beratung
suchen fast 1/3. Dabei steigen vor allem die Crystalkonsumenten
in der Beratung an.
547 5
29 82 52 60 41 54 67 59 39 27 14
9
9
260 6
19 59 26 17 13 20 29 26 16 12 4
10
3
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90%
100%
Insg
esam
t
unte
r 15
15-1
8
18-2
5
25-3
0
30-3
5
35 -
40
40-4
5
45-5
0
50-5
5
55-6
0
60-6
5
65-7
0
70-7
5
75 u
nd ä
lter
Frauen Männer Frauen
Männer

39
Die bisherige Darstellung zeigt, dass präventive Angebote
stärker Frauen (bzw. geschlechtsspezifische Aspekte) und unter
25jährige sowie Crystalkonsumenten in den Blick nehmen
müssen.
Abb. 3: Klientenverteilung in den Dresdner
Suchtberatungs- und Behandlungsstellen 2012
Neben den obigen Quellen wurde auch das in Dresden und
Leipzig installierte Alkoholpräventionsprojekt HaLT-Hart am
LimiT ausgewertet, um Schlussfolgerungen für suchtpräventive
Bedarfe in Dresden ziehen bzw. diskutieren zu können. Im
Rahmen des Projektes werden mit Minderjährigen, die aufgrund
einer Alkoholintoxikation stationär behandelt werden mussten,
noch im Krankenhaus sogenannte Brückengespräche geführt.
Die Auswertung dieser lässt folgende Aussagen zu:
In Dresden und Leipzig sind die meisten eingelieferten Kinder/ Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren alt. Eine früher Konsum von Alkohol erhöht die Gefahr späteren Alkoholmissbrauchs und einer Abhängigkeitserkrankung. So haben Kinder, die mit 13, 14, oder 15 schon regelmäßig Alkohol trinken, ein Risiko von über 40% im späteren Leben alkoholabhängig zu werden. Erst mit 16 sinkt dieses Risiko, bis es sich ab etwa 20 Jahren bei einem Risiko von etwa 10% einpendelt (Laucht et al. 2007 in Batra und Hentsch, 2012).
Für beide Städte ist auffällig, dass etwa die Hälfte der Kinder/ Jugendlichen in einer Familie mit Trennungserlebnissen (bzw. bei nur einem Elternteil) leben.
In Dresden haben mehr Minderjährige Alkohol selber erwerben können (Jugendschutz/Ordnungsamt).
Die Geschlechterverteilung (Abb. 4) zeigt den hohen Anteil der mit einer Alkoholintoxikation eingelieferten Mädchen insbesondere in den jüngeren besonders gefährdeten Altersgruppen. So sind Kinder und Jugendliche und hier v.a. Mädchen eine Risikogruppe auf die Suchtprävention ausgerichtet werden muss
56,94% 1,24%
31,88%
4,87%
1,97%
0,35% 0,89%
1,85%
- Alkohol
- Medikamente
- illegale Drogen
- pathologisches Spielverhalten
- problematischer Mediengebrauch
- Essstörungen
- Tabak
- sonstige Betroffene ohne Angaben
Abb. 4: Vergleich Altersverteilung nach Geschlecht
Leipzig (N=92); Altersdurchschnitt 15,4 Jahre, Jungen: 57%
Dresden (N=147); Altersdurchschnitt: 15,2 Jahre, Jungen 60%
Eine weitere besondere Risikogruppe und damit ein Bedarf an
selektiver Prävention bezieht sich auf Kinder suchtkranker Eltern.
Bundesweit leben 2,65 Mill. Kinder in Familien mit mindestens
einem suchtkranken Elternteil. Jährlich kommen ca. 10000
Neugeborene mit Alkoholschäden auf die Welt. Davon weisen
4000 das Vollbild des fetalen Alkoholsyndroms (FAS) mit
lebenslangen körperlicher und geistiger Schwerbehinderung auf.
Die restlichen 6000 Kinder zeigen fetale Alkoholeffekte, die sich
u.a. in kognitiven und verhaltensbezogenen Einschränkungen
äußern.
Sind suchtkranke Eltern nicht in prä -und perinataler Betreuung,
werden sie nicht dem Jugendamt gemeldet, um Unterstützung zu
organisieren, entstehen hier besonders schwere
Ausgangspositionen für deren Kinder. 1/3 dieser Kinder
entwickeln ebenfalls eine Suchterkrankung, 1/3 erfahren
gesundheitlich-soziale Chancenungleichheiten bei der
gesellschaftlichen Teilhabe. Damit stellen Kinder suchtkranker
Eltern eine Hochrisikogruppe dar, die sich auszeichnet durch:
ein bis zu 6faches Risiko für die Entwicklung substanzbezogener Störungen
andere klinische Auffälligkeiten wie Angststörungen, Depressionen, Störungen des Sozialverhaltens sowie
hyperkinetische Störungen
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
35%
12 13 14 15 16 17
Gesamtfälle 4,40% 4,50% 24,00% 17,40% 19,60% 30,40%
Mädchen 2,20% 2,25% 12,00% 6,50% 4,40% 13,00%
Jungen 2,20% 2,25% 12,00% 10,90% 15,20% 17,40%
Gesamtfälle
Mädchen
Jungen
0,00%
5,00%
10,00%
15,00%
20,00%
25,00%
30,00%
35,00%
12 13 14 15 16 17
Gesamtfälle 2,70% 10,10% 13,40% 24,20% 31,50% 16,80%
Mädchen 0,00% 6,06% 6,03% 8,70% 14,07% 7,39%
Jungen 2,70% 4,04% 7,37% 15,50% 17,43% 9,41%

40
genetische Risiken (z.B. müssen Söhne alkoholkranker Väter mehr Alkohol trinken, um die gleiche berauschende Wirkung zu erfahren wie Kinder nichtabhängiger Väter)
ein Elternhaus, in dem Kälte, Instabilität, ein unberechenbares elterliches Verhalten, häufig chronische Konflikte, Streitsituationen, Kindesvernachlässigung, physische und psychische Gewalt erlebt werden können
Nur 1/3 der Kinder Suchtkranker bleibt dennoch psychisch
gesund und stabil. (Quelle: Sucht, Zeitschrift für Wissenschaft
und Praxis,4, August 2012, S.277- 285 und Info, Dienst für 4_12
Gesundheitsförderung, Sucht, Resilienzförderung bei Kindern
aus suchtbelasteten Familien).
In Dresden sind im Jahr 2012 654 Klienten in Suchtberatungs-
und Behandlungsstellen betreut worden, in deren Haushalt
Kinder leben. Oder: Mindestens 654 Kinder und Jugendliche
sind im Alltag von der Sucht ihrer Eltern bzw. eines Elternteiles
betroffen. Mindestens, weil hier nur die Zahl der in Dresdner
Suchtberatungs- und Behandlungsstellen betreuten KlientInnen,
die mit Kindern im eigenen Haushalt leben erfasst wurde, nicht
aber die Anzahl der Kinder und Jugendlichen. Und das
Dunkelfeld konsumierender und (noch) nicht behandelter Eltern
ist hoch. Das heißt, wir müssen von einer wesentlich höheren
Anzahl von Dresdner Kindern ausgehen, die von der Sucht ihrer
Eltern im Alltag betroffen sind (654 + X).
Für Dresden lassen sich aus bisheriger Sicht nachfolgende
Bedarfe für die Suchtprävention zusammenfassen:
Dresden braucht passgenaue, geschlechtsspezifische
und evaluierbare Konzeptionen (Qualitätsstandards),
die sich an spezielle Zielgruppen richten. Dabei sind
insbesondere Methoden zu wählen, die emotionale
Zugänge zu den Zielgruppen und emotionales Lernen
der Zielgruppen ermöglichen.
Dresden braucht nach derzeitiger Datenlage
spezifische Angebote für folgende Zielgruppen:
Kinder suchtkranker Eltern (z. B. Trampolin)
riskant Alkohol und andere Drogen
konsumierende
Minderjährige ( z.B. Ausbau HaLT)
suchtkranke Eltern
suchtkranke Schwangere und junge Mütter
junge suchtkranke Männer und Frauen unter 25
Jahre
suchtkranke Berufstätige zwischen 45 und 55
Jahren
Crystalkonsumenten
Zielgruppenspezifisch ist die Vernetzung von
unterschiedlichen Professionen (z.B. mit der
Jugendhilfe, mit Frauenärzten) auszubauen.
Die besondere Herausforderung aber liegt darin, dass die
Kommunen keine gesetzlich verankerten Pflichtaufgaben für
gesundheitliche Prävention und damit auch unzureichend
finanzielle Mittel für Suchtprävention zur Verfügung haben. Der
bestehende Referentenentwurf für ein Gesetz zur Förderung von
Prävention macht dies deutlich.
Kontakt: Dr. Kristin Ferse & Anja Maatz Koordination Suchthilfe / Gesundheitsamt Dresden Email: [email protected] [email protected]

41
4. Zusammengefasste zentrale Aussagen der Workshops
Workshop „Versorgung aus Bürgersicht“ Moderation: Prof. Dr. Joachim Kugler (TU Dresden)
Leitthesen:
Angesichts der demografischen Veränderungen wie
die steigende Anzahl von Geburten, der zunehmende
Anteil älterer Menschen sowie der anhaltende Zuzug
insbesondere auch junger Familien in der Stadt
Dresden, ist es die Verpflichtung aller
Verantwortlichen an der Gesundheitsversorgung, sich
diesen gegenwärtigen Veränderungen bewusst zu
sein und in die zukünftigen Überlegungen sowie
Handlungen einzubeziehen.
Besonderes Anliegen aller Verantwortlichen im
Gesundheitssektor sollte die bedarfsgerechte
bürgernahe Gestaltung der Versorgung sein, dies
heißt insbesondere individuelle, wohnortnahe und
fachgerechte Versorgung - sowohl für den
ambulanten wie auch stationären medizinischen und
pflegerischen Sektor - zu gewährleisten.
Definition der betrachteten Settings im Workshop:
Stationäre sowie ambulante medizinische und
pflegerische Einrichtungen
Selbsthilfegruppen/-initiativen
Kommune
Zentrale Aussagen der Diskussion:
Patientenzufriedenheit als beeinflussender Faktor der
Behandlung
Patientenzufriedenheit steht in Zusammenhang mit
Personalzufriedenheit der Versorgungseinrichtung
wichtig ist ein anerkennender, freundlicher Umgang
mit den Patienten
Sicherstellung einer Versorgungsstruktur und -qualität
bei seltenen Erkrankungen
Verzahnung von stationären und ambulanten
Strukturen stärker fokussieren, hier liegen aus Sicht
der Workshopteilnehmer/innen noch viele Potenziale
Selbsthilfe als weitere Säule im Gesundheitssystem
derzeit 225 Selbsthilfegruppen in Dresden, die zu
unterschiedlichen Themen arbeiten
Private Krankenkassen sind nicht an der Finanzierung
der Selbsthilfe beteiligt; Finanzierung der Selbsthilfe
z.T. über Sponsoring
Thema „Patientenzufriedenheit“ und „Selbsthilfe“ mit
in die Arbeit des Seniorenbeirates zum
„Entlassungsmanagement“ einbinden
Workshop „Dresden bewegt sich“ Moderation: Prof. Dr. Peter Schwarz
(TU Dresden/TUMAINI-Institut)
Leitthesen:
Körperliche Aktivität und Bewegung ist ein Bestandteil
einer gesunden Lebensweise vom Kindes- bis zum
Seniorenalter.
Daten aus Stadtgesundheitsprofil belegen, in fast
allen Altersgruppen von 16 bis 74 Jahren treiben über
60 Prozent ein- oder mehrmals in der Woche Sport.
40 Prozent der 16- bis 24-Jährigen treibt sogar
mindestens zwei- bis dreimal in der Woche Sport.
Im Sinne der Prävention, ist Bewegung und
körperliche Aktivität bereits in jungen Jahren
wesentlicher Einflussfaktor für das Entstehen von
Erkrankungen im fortgeschrittenen Erwachsenenalter.
Der Mensch sollte daher bereits frühzeitig körperliche
Aktivität in den eigenen Alltag integrieren.
Die überwiegende Zeit verbringt der Mensch am
Arbeitsplatz. Die positiven Aspekte von Bewegung
und körperliche Aktivität auf mentale und körperliche
Leistungsfähigkeit sowie Wohlbefinden, sind
hinlänglich bewiesen. Der Arbeitgeber, sollte daher
die körperliche Aktivität speziell fördern und
entsprechend unterstützen.
Körperliche Aktivität sollte bis ins hohe Alter gefördert
werden, um ein gesundes und aktives Altern zu
ermöglichen. Auch ein alter Mensch kann körperlich
aktiv sein. Dafür sollten niedrigschwellige Angebote
entsprechend der Zielgruppe vorgehalten werden.
Körperliche Aktivität kann Krankheiten im Alter
vermindern bzw. dem Fortschreiten von
Erkrankungen.
Daten aus dem Stadtgesundheitsprofil belegen, dass
mit zunehmendem Alter, der Anteil an körperlich
Aktiven abnimmt.

42
Definition der betrachteten Zielgruppen im Workshop:
Unternehmen
Generation 50+
demenziell Erkrankte (Frühstadium)
Zentrale Aussagen der Diskussion:
Was bewegt die Nicht-Beweger?
„Beweg Dich“ - jeder Schritt zählt
< 5000 Schritte inaktiver Lebensstil
Ziel: >12500 Schritte (optimal)
Schrittzähler erwerben (30% lassen sich
dadurch motivieren)
Arzt Schlüsselposition
WAP-Projekt:
Walking-Strecken in Dresden als eine
Möglichkeit der Motivationssteigerung
Betriebliche Gesundheitsförderung: es wurde ein
Best-Practice-Fallbeispiel aus einem Unternehmen
vorgestellt
Körperliche Aktivität im Alltag einbinden
Motivation steigern
Wissen vermitteln / austauschen
bereits früh im Lebenslauf ansetzen
Workshop „Frühe Hilfen - eine Herausforderung
für die Kommune“ Moderation: Dr. Elke Siegert (Gesundheitsamt Dresden)
Leitthesen:
Niedrigschwellige, aufsuchende Arbeit vor und nach
der Geburt, trägt zur Verbesserung der Eltern-Kind-
Beziehung bei, um so eine gesunde Entwicklung und
Aufwachsen zu unterstützen.
Ein niedrigschwelliges Angebot sollte insbesondere
für sozial-benachteiligte Familien bereitgestellt
werden, um Wissensdefizite über vorhandene
Hilfestrukturen zu beseitigen und Ressourcen für die
Bewältigung von familiären Situationen sowie für die
Unterstützung der kindlichen Entwicklung zu bieten.
Frühe Hilfen sind eine Form der primären Prävention,
die nur durch stete Vernetzung der Akteure nachhaltig
wirken kann.
Definition des zu betrachteten Setting im Workshop:
häusliche Umgebung von Familien mit besonderen
Bedarfen
Zentrale Aussagen der Diskussion:
Schwierigkeit besteht im Zugang zu den Eltern
als Herausforderung für den Aufbau der Struktur wird
berichtet, dass ein Zusammenspiel unterschiedlicher
Professionen gelernt werden muss
es geht um den Ausbau einer Koordinationsstruktur;
die Anbindung an das Gesundheitsamt bietet den
Vorteil der Nutzung vorhandener Strukturen
Kinderkrankenschwestern und Hebammen mit
Zusatzqualifikation werden als Mitarbeiter der
aufsuchende Gesundheitshilfe eingesetzt
die Strukturierung des Alltags der Mütter ist vorrangig
Aufgabe der aufsuchenden Gesundheitshilfe
Workshop „Gesundheitliche Chancengleichheit“
Moderation: Stephan Koesling
(Sächsische Landesvereinigung für Gesundheitsförderung)
Leitthesen:
Soziale Faktoren beeinflussen die Gesundheit eines
Menschen.
Bürgerinnen und Bürger in schwierigen sozialen
Lebenslagen bedürfen entsprechender
Berücksichtigung bei
Gesundheitsförderungsmaßnahmen. Daher muss es
Aufgabe sein, gesundheitsschädigende
Risikofaktoren in Bezug auf die soziale Lage, wie
z.B. die von erwerbslosen und älteren Menschen
sowie besonders Kindern aus sozial schwachen
Familien, zu mindern.
Es sind vor allem niedrigschwellige Angebote für
sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen von
Bedeutung, um gesundheitliche Ungleichheiten
zwischen Stadträumen und verschiedenen Gruppen
zu verringern.
Die Stadt Dresden besitzt die Verantwortung,
gesundheitliche Chancengerechtigkeit spürbar und
nachvollziehbar zu gestalten.

43
der Preis und Verfügbarkeit von Drogen spielt bei
Prävention große Rolle
Akteure sind an suchtpräventiven Projekten
interessiert
Projekte müssen finanziert werden; Ehrenamt ist
daher gut und erforderlich
in Dresden verzeichnen Suchtberatungsstellen einen
Anstieg an Crystalkonsumenten, dennoch Alkohol auf
1. Platz
es muss über Strukturen / Zugänge nachgedacht
werden, um möglichst viele Patienten erreichen zu
können
Aufbau bestehender Angebote anschauen und diese
effektivieren („mehr vom Selben hilft nicht!“)
zwischen den verschiedenen Institutionen braucht es
eine grundsätzliche Struktur zur Zusammenarbeit
Schule muss mit vielen Themen umgehen, Sucht ist
eines davon, Kontinuität schwierig, da fehlende Zeit
und finanzielle Ressourcen
Thema Sucht sollte ab Geburt im Blick stehen, daher
Vernetzung an Schnittstellen unabdingbar
Reintegration von Schülern mit Psychiatrieerfahrung
ist schwierig
Verjüngung des Klientel, welche Sucht- und
psychische Erkrankungen haben; daher Kooperation
zwischen einzelnen Akteuren notwendig
(Gesundheitsamt / Schule / Jugendamt / stationäre
Hilfe / Ordnungsamt, und weitere Akteure)
Perspektive Altenhilfe:
viele Suchtkranke Bewohner ab 50 - 60 Lj.
neues Tätigkeitsfeld alte Suchtkranke bzw.
suchkranke Alte
gute Zusammenarbeit mit Kliniken
Kernpunkte für Podiumsdiskussion:
zielgerichtete Kooperation und Vernetzung
Suchtprävention muss ansetzten an:
Werten und Regeln (Verhältnisprävention)
sowie gesellschaftlichen Strukturen (Geld
als Steuerunginstrument)
Prävention als gesetzlich verankerte
Pflichtaufgabe notwendig
(Gefährdungsbeurteilung für Gesellschaft)
Definition betrachteten Settings im Workshop:
Kita/Schulen
Förderschulen
Stadträume mit besonderen Bedarfen
Zentrale Aussagen der Diskussion:
es bedarf eines Gesamtkonzeptes Gesundheit, dass
auf einer sauberen methodischen Evaluation der
Projekte und der Reihenuntersuchungen des
KJÄD/Jugendzahnklinik aufbaut und ein
Handlungsprogramm für sozial benachteiligte
Dresdner beinhaltet, dass für jeweilige
Stadträume/Stadtteile ableitet:
Erhöhter Personalbedarf in Kita
Integrierte Sozialplanung
Einbindung notwendiger Angebote
Legitimation durch Gesetzgebung und Einbindung
weiterer Ressourcen (z.B. GKV-SGB V)
Vernetzung einzelner SGB (Stichwort
„Präventionsgesetz“)
Schärfung des Bildungsauftrages für Gesundheit
Workshop „Suchtprävention“ Moderation: Dr. Frank Härtel
(Suchtbeauftragter der Sächsischen Landesärztekammer)
Eingangsreferat zum „Lagebild von Dresden - aktuelle Daten und
Darstellung der Präventionsstruktur“ durch Dr. Kristin Ferse
Zentrale Aussagen der Diskussion:
Suchtprävention als Thema im Stadtgesundheitsprofil
nicht enthalten; Ziel: Aufnahme der Thematik „Sucht“
Suchtprävention ist vielfältig definierbar
Definitionen zeigen verschiedene Perspektiven auf
in Dresden v.a. Begriffe „universell, selektiv, indiziert“
genutzt
Verhaltensprävention setzt am Individuum an;
Verhältnisprävention setzt an gesellschaftlichen
Strukturen an
Erstellung einer Übersicht aller suchtpräventiver
Angebote in der Stadt
Zuordnung zu verschiedenen Definitionen & Abgleich
mit Bedarfen
Ergebnis:
Angebote für Kinder
suchtkranker Eltern fehlen
Angebote für junge Frauen
fehlen

44
Für die freundliche Unterstützung danken wir unseren Sponsoren.
Sponsoren

45

46