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ENERGIE
BERATENDE INGENIEURE 5/6 ■ 2009 55
Holzvergasungsheizkraftwerk Senden
Hocheffiziente Biomassenutzung von Joachim Sommer und Matthias Vitek
Die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU) planen den Bau eines Holzgasheizkraft-
werkes auf Basis naturbelassenen Holzes. Das innovative Projekt entsteht in
Senden und wird vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (BMELV) mit einem Investitionszuschuss in Höhe von
6,6 Mio Euro gefördert. Die erste derartige Anlage in Deutschland wird in
Sachen Wirkungsgrad und Effizienz von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen mit
Biomasse neue Maßstäbe setzen.
• Holz-/Brennstoffanlieferung per LKW,
• Silolagerung für Biomasse im Anlieferzu-
stand,
• Biomassetrockner in der Ausführung als
zwangsbelüftetes Silo,
• Motorische Produktgasnutzung in Gas-Otto-
Motoren,
• ORC- (Organic-Rankine-Cycle) Prozess zur
weitergehenden Abwärmenutzung und Stei-
gerung des elektrischen Wirkungsgrades.
Das Holzgas-Heizkraftwerk wandelt den Roh-
stoff Holz mit hohem Wirkungsgrad zu Strom
und Wärme um. Aufgrund der gewählten Ver-
fahrensstufen und der energieoptimierten
Verschaltung erreicht die Anlage einen elek-
trischen Wirkungsgrad von rund 32 %. Der ge-
samtwirkungsgrad soll bei rund 80 % liegen.
Als Brennstoff kommen Holzhackschnitzel aus
der Region zum Einsatz, geplant sind auch
Versuche mit anderen Biomassen wie Grün-
schnitt und Kleie.
Die erzeugte Wärme wird vor Ort in das Fern-
wärmenetz der SWU eingespeist. Wesentliche
Anlageparameter der Holzgasanlage sind:
• Feuerwärmeleistung (FWL): ca. 14 MW
• Stromerzeugung: ca. 4,5 MW
• Nutzwärmeabgabe: ca. 6,4 MW
Projektförderung und Ablauf
Die in Ulm geplante Anlage ist eine Weiter-
entwicklung des in Güssing (Österreich) seit
Verfahrenstechnik
Ein Reaktor mit zweigeteiltem Reaktionsraum
bildet die Kernkomponente der Holzgasanla-
ge. In dem einen Reaktionsraum erfolgt die
Biomassewirbelschichtvergasung mit Wasser-
dampf als Vergasungs- und Fluidisierungsmit-
tel. Dieser Prozess läuft endotherm ab. Im
zweiten Reaktionsraum wird der bei der Ver-
gasung übrigbleibende Restkoksanteil unter
Sauerstoffüberschuss und Energiefreisetzung
verbrannt. Der Energieaustausch zwischen
exo- und endothermem Reaktionsraum er-
folgt durch das zirkulierende Bettmaterial Oli-
vin. Die eingesetzte Wasserdampf-Vergasung
führt zu einem – im Vergleich zu luftgeblase-
nen (autothermen) Vergasern – hochwertige-
ren, d. h. teerärmeren sowie heizwert- und
wasserstoffreicheren Produktgas. Dieses Pro-
duktgas wird vor der weiteren Nutzung einer
Reinigung, bestehend aus Heißgasfilterung
und einer Gaswäsche mit Rapsmethylester
(RME), unterzogen. Die weitere Nutzung die-
ses Produktgases kann prinzipiell auf vielfäl-
tige Weise erfolgen, z. B. zur Energiegewin-
nung per Kraft-Wärme-Kopplung oder zur
Kraftstofferzeugung.
Folgende weitere Verfahrensstufen gehören
zu der Anlage der Stadtwerke Ulm:
Verfahrensschema der
Holzgasanlage Senden
Abbildung: REPOTEC
Umwelttechnik, Wien
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ENERGIE
Jahren erfolgreich betriebenen Holzgasheiz-
kraftwerks. Das Projekt wird rund 20 Mio. Euro
teuerer sein als ein vergleichbares Erdgas-
BHKW. Zur Unterstützung dieses Demonstra-
tionsvorhabens stellt das Bundesministerium
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz (BMELV) über die Fachagentur
Nachwachsende Rohstoffe in Gülzow als Pro-
jektträger knapp 6,6 Mio. Euro zur Verfügung.
Das unterstreicht den hohen Stellenwert, der
der Holzvergasungstechnologie auf dem Weg
zu einer effizienteren Bioenergienutzung ein-
geräumt wird.
Bevor Anfang 2011 der Probebetrieb starten
kann, gab und gibt es folgende Projekteckter-
mine:
• Beginn der Projektentwicklung: Ende 2006
• Förderantrageinreichung beim BMELV: Juli
2008
• Zuwendungsbescheid des BMELV: Septem-
ber 2008
• Offizieller Projektstart gemäß Förderbe-
scheid: 1. Oktober 2008
• Immissionsschutzrechtliche Genehmigung:
März 2009
• Baubeginn: August 2009
• Geplante Inbetriebnahme: 4. Quartal 2010
Genehmigungsverfahren
Genehmigungsverfahren für Vergasungsan-
lagen sind eine besondere Herausforderung
für Antragsteller, Planer und Behörden. So
sind in den einschlägigen gesetzlichen Regel-
werken, Verordnungen und der TA-Luft haupt-
sächlich klassische Verbrennungsprozesse ex-
leute, die belastbare Aussagen, z. B. für die
Behörden, liefern könnten.
Bemerkenswert ist auch, dass z. B. in den Im-
missionsschutzverordnungen Abgaskompo-
nenten, wie z. B. CO, zurecht emissionsseitig
auf niedrige Grenzwerte beschränkt und
streng überwacht werden, da sie bei Verbren-
nungsprozessen auf unvollständige, d. h. nicht
optimale Verbrennungsbedingungen hinwei-
sen. Bei der Vergasung hingegen stellt CO bei-
spielsweise eine gewollte – da brennfähige –
Hauptkomponente des Produktgases dar.
Beim hier vorgestellten Projekt Senden wur-
den deshalb der Umfang der Gutachten und
Expertisen sowie die Inhalte des Genehmi-
gungsantrags vor der Einreichung intensiv mit
der Genehmigungsbehörde, der Regierung
von Schwaben, abgestimmt. Durch diese be-
währte Vorgehensweise sowie die äußerst kon-
struktive Zusammenarbeit mit der Genehmi-
gungsbehörde konnte eine recht kurze Ge-
nehmigungszeit von rund 5 Monaten, nach
vollständigem Vorliegen der Unterlagen, er-
reicht werden.
Eproplan-Leistungen im Projekt
Bei diesem komplexen, weil technisch neu-
artigen und innovativen Projekt sind viele Un-
ternehmen einbezogen. Unter anderem wur-
den sieben Fachplaner eingeschaltet. Des Wei-
teren sind Gutachter, Behörden, technische
Überwachungsstellen und Ämter am Vorha-
ben beteiligt.
Zu den Beratungsaufgaben der Firma Epro-
plan GmbH gehören bei diesem Projekt:
Projektbeteiligte
Auftraggeber
Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU)
Planer und Ausführende
Eproplan GmbH, Stuttgart
Meister Architekten, Ulm
REPOTEC Umwelttechnik GmbH, Wien
ETI Energietechnik Ingenieure GmbH, Heidelberg
plizit geregelt. Für Vergasungsanlagen exis-
tieren keine speziellen Regelungen. Außer-
dem wurden die gesetzlichen Regelwerke dem
sich ständig verbessernden Stand der Technik
der Verbrennungsprozesse angepasst, was in
den vergangenen Jahrzehnten zu einer kon-
tinuierlichen Senkung der zulässigen
Emissionskonzentrationen geführt hat.
Vor diesem Hintergrund wird offensichtlich,
dass die Vergasungstechnologie, die erst seit
kurzem eine Renaissance erlebt und nicht
zum gängigen Stand der Technik gehört, auf-
grund fehlender markrelevanter Anlagenin-
stallationen in den vergangenen Jahrzehnten
keine ständigen Verbesserungen erfahren hat.
Außerdem liegen relativ wenig Praxiserfah-
rungen vor und es gibt kaum erfahrene Fach-
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ENERGIE
BERATENDE INGENIEURE 5/6 ■ 2009 57
� Seitenansicht der Holzvergasungsanlage
mit Brennstoffanlieferung und -silos,
Vergaserturm und Werkgebäude
Abbildung: Meister Architekten, Ulm
� Holzgasanlage Güssing
Abbildung: Eproplan, Stuttgart
• Unterstützung der SWU bei der Projektent-
wicklung,
• Fördermittelakquisition und -beratung,
inkl., Förderantragstellung und Behörden-
kommunikation,
• Verfolgung der Förderauflagen, Reporting
und Erstellung von Verwendungsnachwei-
sen,
• Genehmigungsmanagement, d. h. insbe-
sondere Koordinierung der Erarbeitung des
Genehmigungsantrages, Abstimmung der
Antragsinhalte mit den beteiligten Planern,
Gutachtern und den SWU,
• Verfolgung der Genehmigungsauflagen und
Nebenbestimmungen,
• Beteiligung an und Moderation der Bespre-
chungen mit den Behörden,
• Führung der Projektbesprechungen,
• Koordination von planungsbeteiligten Fir-
men und Gutachtern in allen Projektpha-
sen (Maschinen-/Verfahrenstechnik, Bau-
technik, Infrastruktur- und Haustechnikpla-
ner),
• Terminplanung und Terminverfolgung,
• Technische Beratung bei speziellen Frage-
stellungen,
• Vorbereitung technischer Dokumente und
Schreiben in technisch-wirtschaftlicher Hin-
sicht zur Vorlage bei Dritten (z. B. Banken,
Aufsichtsgremien, Fachausschüssen).
• fachliche Beratung zu den erarbeiteten Pla-
nungsunterlagen,
• Unterstützung bei Festlegungen zu den öf-
fentlichen Vergabeverfahren und der Los-
zuschnitte (Schnittstellen).
Zusammenfassung und Fazit
Das Demonstrationsvorhaben zur Holzgaser-
zeugung und energetischen Wandlung der
Stadtwerke Ulm stellt unter anderem aus ge-
nehmigungsrechtlicher, planerischer und tech-
nischer Sicht eine Vielzahl neuer, im Vorfeld
nur schwer abzuschätzender Anforderungen
an die mit der Abwicklung betrauten Unter-
nehmen und deren Mitarbeiter. Bei diesem
komplexen Vorhaben hat es sich gezeigt, das
es sinnvoll ist, auf die Kompetenz von erfah-
renen unabhängigen Ingenieurunternehmen
für die Bauherrenunterstützung zurückzugrei-
fen. Das entlastet die Bauherrschaft und
schafft zeitliche Freiräume, so dass sich der
Bauherr auf die wesentlichen Entscheidun-
gen konzentrieren kann.
Durch Unterstützung der Eproplan GmbH ist
es allen Projektbeteiligten gemeinsam gelun-
gen, die wesentlichen Meilensteine struktu-
riert und zielorientiert zu erreichen.
Der besondere Dank der Autoren gilt dem
Bundesministerium für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz (BMELV) und
dessen Projektträger, der Fachagentur für
Nachwachsende Rohstoffe (FNR) in Gülzow.
AAuuttoorreenn::
DDiippll..--IInngg.. JJooaacchhiimm SSoommmmeerr,,
Projektleiter, Eproplan GmbH, Stuttgart
DDiippll..--IInngg.. MMaatttthhiiaass VViitteekk,,
Projektleiter, Stadtwerke Ulm
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