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Komplexe Wechselstromlehre
Inhaltsverzeichnis
KOMPLEXE WECHSELSTROMLEHRE ................................................. 1
SKRIPT .................................................................................................. 1
1. AUFBAU UND FUNKTIONSWEISE DES OSZILLOSKOPS..................................................1
2. WICHTIGE REGELN FÜR KOMPLEXE ZAHLEN ..............................................................4
2.1 Geometrische Veranschaulichung ................................................................4
2.2 Darstellungen komplexer Zahlen...................................................................4
2.3 Komplexe Konjugation ..................................................................................5
2.4 Rechnen mit komplexen Zahlen....................................................................5 2.4.1 Addition und Subtraktion .............................................................................................6
2.4.2 Multiplikation und Division ...........................................................................................6
3. KOMPLEXE DARSTELLUNG ELEKTRISCHER GRÖßEN ...................................................8
3.1 Zeitfunktion harmonischer Wechselspannungen und Wechselströme...........8
3.2 Zeigerdarstellung ..........................................................................................8
3.3 Ohmsches Gesetz ........................................................................................9
3.4 Widerstände, Kondensatoren und Spulen im Wechselstromkreis ...............10
3.5 Serien- und Parallelschaltung komplexer Widerstände ...............................11 3.5.1 Kirchhoffsche Regeln ................................................................................................11
3.5.2 Ersatzwiderstände .....................................................................................................11
3.6 Darstellung in Zeigerdiagrammen ...............................................................11
3.7 Berechnung der Leistung im Wechselstromkreis ........................................12
3.8 Anwendung auf einfache Schaltungen........................................................13 3.8.1 Tiefpaß ......................................................................................................................14
3.8.2 Verfahren zur Impedanzmessung..............................................................................15
3.8.3 Reihenschwingkreis...................................................................................................17
VERSUCHSANLEITUNG........................................................................... 20
1. DARSTELLUNG EINER WECHSELSPANNUNG MIT HILFE DES OSZILLOSKOPS................21
2. PHASENVERSCHIEBUNG .........................................................................................21
3. IMPEDANZMESSUNG...............................................................................................22
4. FILTERSCHALTUNGEN ............................................................................................23
5. REIHENSCHWINGKREIS ..........................................................................................24
LITERATURVERZEICHNIS .................................................................. 25
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 1
Skript
1. Aufbau und Funktionsweise des Oszilloskops
Schnell ablaufende elektrische Vorgänge, z.B. zeitlich veränderliche Spannungen, kann man
mit einem Elektronenstrahl-Oszilloskop graphisch darstellen.
Abb. 1: Funktionsprinzip eines Kathodenstrahloszilloskops1
Als Meßsystem dient eine Elektronenstrahlröhre (Braunsche Röhre, Abb. 1). Im Inneren des
evakuierten Glaskolbens emittiert eine geheizte Kathode (a,b) Elektronen, die durch die zy-
linderförmige Anode (e) beschleunigt werden. Diese liegt gegenüber der Kathode auf positi-
vem Potential. Ihre kleine Öffnung wirkt als Lochblende. Der Elektronenstrahl (f) erzeugt auf
dem fluoreszierenden Schirm (g) einen Leuchtfleck (h). Die Helligkeit dieses Flecks hängt
von der Geschwindigkeit und der Dichte der auftreffenden Elektronen ab. Man kann sie
durch eine Steuerelektrode, den sog. Wehneltzylinder (c), beeinflussen. Gegenüber der Ka-
thode hat die Steuerelektrode negatives veränderliches Potential. Es gelangen deshalb nur
Elektronen zur Anode, die eine ausreichend hohe Energie haben, um diese Potentialdiffe-
renz zu überwinden. Je größer die Potentialdifferenz ist, desto weniger Elektronen erreichen
den Leuchtschirm, und desto geringer ist die Helligkeit. Im Elektronenstrahl stoßen sich die
negativ geladenen Elektronen gegenseitig ab. Mit Hilfe der Elektronenoptik aus Anode (e)
und Hilfsanode (d) ist es möglich, den Elektronenstrahl mehr oder weniger stark zu bündeln.
Dies verändert den Durchmesser des Leuchtflecks (Punktschärfe) und dient zur Fokus-
sierung. Durch elektrische Felder zwischen den Ablenkplatten (Abb. 2) kann der Elektronen-
strahl in horizontaler (x) und vertikaler Richtung (y) abgelenkt werden. Ohne Spannung sieht
1 [13] S. 283
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 2
man in der Mitte des Schirms einen Leuchtpunkt. Legt man eine Gleichspannung an die y-
Ablenkplatten an, so wird der Leuchtpunkt, je nach Polung der Spannung, nach oben oder
unten verschoben. Die Auslenkung ist proportional zur angelegten Spannung. Beim Anlegen
einer Wechselspannung bewegt sich der Leuchtpunkt im Takt der Wechselspannung. Ent-
sprechendes gilt für die horizontalen Platten.
Abb. 2: Funktionsweise der y-Ablenkplatten2
Um den Leuchtpunkt von links nach rechts über den Bildschirm zu führen (Abb. 3), verwen-
det man eine veränderliche Spannung, die mit der Zeit linear ansteigt. Damit der Punkt dann
wieder an das linke Ende des Schirms springt, muß die Spannung schnell wieder abfallen.
Bei dieser Rückführung wird der Elektronenstrahl verdunkelt. Eine hier beschriebene Span-
nung nennt man Sägezahnspannung. Legt man an die vertikalen Platten eine sinusförmige
Wechselspannung und an die horizontalen Platten eine Sägezahnspannung an, so erscheint
am Bildschirm eine Sinuskurve.
Abb. 3: horizontale Ablenkplatten mit Sägezahnspannung3
Stimmen die Frequenzen der beiden Spannungen überein, so steht das Bild still. Die Auf-
gabe, die Frequenz der Sägezahnspannung an die des Signals anzupassen, übernimmt die
sog. Triggerung. Über- oder unterschreitet das Eingangssignal eine bestimmte Schwelle,
wird die Erzeugung der Sägezahnspannung gestartet. Dabei kann man über einen Schalter
festlegen, ob der Triggerimpuls bei einer positiven (+) oder negativen (-) Flanke des Signals,
also bei ansteigender oder abfallender Spannung, ausgelöst werden soll. Bis zum nächsten
auslösenden Signal bleibt der Strahl in der Ausgangslage. Haben die Signale die gleiche
2 [13] S. 284 3 [13] S. 284
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 3
Form, so erreicht man für periodische oder statistische Signale ein stehendes Bild. Dies be-
zeichnet man als interne Triggerung. Stellt man Signale dar, die z.B. von einem Sinusgene-
rator erzeugt werden, ist es möglich, dem Oszilloskop von außen über den Eingang EXT den
Triggerimpuls zuzuführen.
Im Versuch wird ein Zweikanaloszilloskop verwendet. Das bedeutet, man kann zwei Signale
gleichzeitig darstellen. Dabei unterscheidet man zwei Betriebsarten. Entweder werden die
Spannungsverläufe nacheinander geschrieben (ALT = Alternation mode), was bei schnellen
Signalen sinnvoll ist, oder es wird schnell zwischen den beiden Eingängen hin- und herge-
schaltet, so daß von jeder Kurve immer ein kleines Stück gezeichnet wird (CHOP =
Chopping mode), und langsame Signale gleichzeitig dargestellt werden können. Außerdem
ist es mit einem Zweikanaloszilloskop möglich, das Signal des einen Kanals als Funktion des
anderen darzustellen (x-y-Betrieb), z.B. zur Aufnahme von Kennlinien, bei denen der Strom
über der Spannung aufgetragen wird. Dabei wird die Sägezahnspannung nicht verwendet.
Bei jedem Kanal läßt sich durch einen Drehschalter festlegen, wie groß die dargestellte
Spannung in Volt pro Skalenteilung (V/DIV) sein soll. Genauso läßt sich bei Verwendung der
Sägezahnspannung einstellen, in welcher Zeit der Leuchtpunkt eine Skalenteilung
(TIME/DIV) überstreicht.
Ein Eingang jedes Kanals des Zweikanaloszilloskops ist geerdet. Dies ist bei der Verwen-
dung von geerdeten Spannungsquellen oder Messungen, bei denen beide Kanäle verwendet
werden sollen, zu beachten.
Das Oszilloskop ist geeignet, zeitabhängige Spannungsverläufe darzustellen. Auch der zeit-
liche Verlauf von Strömen läßt sich sichtbar machen, indem man sie durch einen bekannten
ohmschen Widerstand fließen läßt und dann die darüber abfallende Spannung ( U R I= ⋅ )
mit dem Oszilloskop registriert.
Zusammenfassung
! Ein Elektronenstrahl-Oszilloskop eignet sich zur Darstellung zeitlich veränderlicher Span-
nungen. Im Oszilloskop wird ein Elektronenstrahl durch elektrische Felder in horizontaler
und vertikaler Richtung abgelenkt und trifft dann auf einen Leuchtschirm.
! Eine Sägezahnspannung bewegt den Leuchtpunkt in horizontaler Richtung über den
Bildschirm. Die Triggerung paßt die Frequenz der Sägezahnspannung an die des Signals
an, so daß ein stehendes Bild entsteht.
! Ein Zweikanaloszilloskop kann zwei Signale gleichzeitig zeitaufgelöst anzeigen oder im
x-y-Modus die Spannung an einem Kanal als Funktion der Spannung am anderen Kanal
darstellen.
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 4
2. Wichtige Regeln für komplexe Zahlen
In der Wechselstromlehre ist es sehr vorteilhaft mit komplexen Größen, d.h., mit Größen die
durch komplexe Zahlen beschrieben werden, zu rechnen. Im folgenden werden kurz die
wichtigsten Definitionen und Rechenregeln für komplexe Zahlen zusammengestellt und dann
die physikalische Anwendung bei der Berechnung von Strömen, Spannungen etc. darge-
stellt.
2.1 Geometrische Veranschaulichung
Komplexe Zahlen kann man in der
Gaußschen Zahlenebene (Abb. 4)
graphisch darstellen. Die Abszis-
senachse des Koordinatensystems
bezeichnet man als reelle Achse.
Auf ihr liegen die reellen Zahlen.
Die Ordinatenachse nennt man
imaginäre Achse.
Abb. 4: Gaußsche Zahlenebene4
Als imaginäre Einheit wird eine Zahl j eingeführt, deren Quadrat gleich 1− ist, also
j : 1= − . In der Mathematik wird meist an Stelle von j mit i gearbeitet. In der Wechsel-
stromlehre bezeichnet man aber die komplexe Stromstärke mit i und muß deshalb die ima-
ginäre Einheitsgröße mit einem anderen Buchstaben benennen. In der Gaußschen Zahlen-
ebene ist jeder Punkt durch einen Zeiger, der mit der reellen Achse den Winkel ϕ ein-
schließt, eindeutig bestimmt. D.h., jeder komplexen Zahl entspricht genau ein Zeiger, der
vom Ursprung zum betreffenden Punkt führt. Um komplexe und reelle Größen voneinander
unterscheiden zu können, ist es üblich, die komplexen zu unterstreichen.
2.2 Darstellungen komplexer Zahlen
Es existieren verschiedene Darstellungen von komplexen Zahlen. Jede komplexe Zahl z
läßt sich beschreiben durch z a jb= + mit a, b ∈ ! . Dabei wird a Realteil ( Re(z) ) und
4 [10] S.31
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 5
b Imaginärteil ( Im(z)) von z genannt. Für b 0= erhält man also die reellen Zahlen als
Spezialfall der komplexen Zahlen.
Eine Zahl z a jb= + (algebraische Form) ist ein Punkt mit Abszisse a und Ordinate b
(Abb. 4). Verwendet man an Stelle der kartesischen Koordinaten Polarkoordinaten, so kann
man die Zahl durch einen Zeiger, der die Länge z hat und mit der Abszissenachse den Win-
kel ϕ einschließt, beschreiben. Es gilt also z z (cos jsin )= ⋅ ϕ + ϕ (trigonometrische
Form). Dabei heißt 2 2z z a b= = + der Betrag und barctana
ϕ = das Argument der
komplexen Zahl z . Mit der Eulerschen Formel je cos jsinϕ = ϕ + ϕ kann man auch
jz z e ϕ= ⋅ (Exponentialform) schreiben.
Zwei komplexe Zahlen sind definitionsgemäß gleich, wenn jeweils ihre Real- und ihre Imagi-
närteile übereinstimmen. Ansonsten sind sie ungleich. Die Begriffe größer oder kleiner sind
für diese Zahlen genau wie für Vektoren nicht sinnvoll und deshalb auch nicht definiert.
2.3 Komplexe Konjugation
Ändert man das Vorzeichen des Imaginärteils
(Abb. 5), so erhält man die zu z konjugiert
komplexe Zahl * jz a jb ze− ϕ= − = . Diese
entsteht durch Spiegelung der ursprünglichen
Zahl an der reellen Achse. Zweimalige Konjuga-
tion ergibt wieder die ursprüngliche Zahl
( )**z z= .
Abb. 5: Konjugation komplexer Zahlen5
Das Produkt aus der ursprünglichen und der konjugierten Zahl liefert das Quadrat des Be-
trags der komplexen Zahl:
2* 2 2z z (a jb)(a jb) a b z= + − = + =
2.4 Rechnen mit komplexen Zahlen
Die Menge der komplexen Zahlen bildet mit den im folgenden definierten Operationen einen
Körper, den man mit " bezeichnet.
5 [10] S. 33
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 6
2.4.1 Addition und Subtraktion
Da sich die komplexen Zahlen wie Vektoren in zwei
Dimensionen verhalten, wird die Addition und Sub-
traktion wie bei Vektoren durchgeführt (Abb. 6). D.h.,
es werden die Real- und Imaginärteile getrennt ver-
rechnet:
( ) ( )( ) ( )( ) ( )( ) ( )
1 2 1 1 2 2
1 2 1 2
1 2 1 1 2 2
1 2 1 2
z z a jb a jb
a a j b b
z z a jb a jb
a a j b b
+ = + + +
= + + +
− = + − +
= − + −
Abb. 6: Addition komplexer Zahlen6
2.4.2 Multiplikation und Division
Die Multiplikation (Abb. 7) ist definiert durch:
( ) ( )( ) ( )
1 2 1 1 2 2
1 2 1 2 1 2 1 2
z z a jb a jb
a a b b j a b b a
⋅ = + ⋅ +
= − − +
bzw.
( )1 2 1 2j j j1 2 1 2 1 2z z z e z e z z eϕ ϕ ϕ +ϕ⋅ = ⋅ =
Abb. 7: Multiplikation komplexer Zahlen 7
Aus dieser Gleichung geht hervor, daß die Multiplikation eine Drehstreckung ist. Bei der Mul-
tiplikation von 1z und 2z wird der Zeiger 1z mit dem Faktor 2 2z z= gestreckt und in ma-
thematisch positiver Drehrichtung (gegen den Uhrzeigersinn) um den Winkel 2ϕ gedreht.
Die Division ist die zur Multiplikation inverse Operation. In der algebraischen Darstellung
erhält man:
( ) ( )( ) ( )
1 1 1 1 1 2 2 1 2 1 2 2 1 1 22 2 2 2
2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
z a jb a jb a jb a a b b a b a bj
z a jb a jb a jb a b a b+ + ⋅ − + −
= = = ++ + ⋅ − + +
Es bietet sich wieder die exponentielle Darstellung an:
6 [10] S. 33 7 [10] S. 33
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 7
( )11 2
2
j1 j1 1
j2 22
z z e ze
z zz e
ϕϕ −ϕ
ϕ= = ⋅
Hier wird der Zeiger 1z im Uhrzeigersinn um den Winkel 2ϕ gedreht und die Länge des Zei-
gers mit dem Faktor 2
1z
verkürzt.
Zusammenfassung
! Jeder komplexen Zahl entspricht genau ein Zeiger in der Gaußschen Zahlenebene.
! Komplexe Zahlen kann man in verschiedenen Formen schreiben:
( ) jz a jb z cos jsin z e ϕ= + = ⋅ ϕ + ϕ = ⋅
Dabei nennt man a den Realteil, b den Imaginärteil, z z= den Betrag und ϕ das Ar-
gument der komplexen Zahl z .
! * jz a jb ze− ϕ= − = heißt das komplex Konjugierte der Zahl jz a jb z e ϕ= + = ⋅ . Es
gilt: 2*z z z=
! Für die vier Grundrechenarten gilt ( 1j1 1 1 1z a jb z e ϕ= + = , 2j
2 2 2 2z a jb z e ϕ= + = ):
# ( ) ( )1 2 1 2 1 2z z a a j b b+ = + + +
# ( ) ( )1 2 1 2 1 2z z a a j b b− = − + −
# ( )1 2j1 2 1 2z z z z e ϕ +ϕ⋅ =
# ( )1 21 j1
2 2
z ze
z zϕ −ϕ= ⋅
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 8
3. Komplexe Darstellung elektrischer Größen
3.1 Zeitfunktion harmonischer Wechselspannungen und Wechselströme
Nun beschäftigen wir uns mit zeitabhängigen
Spannungen und Strömen. Ändert sich nicht nur
der Betrag, sondern auch die Richtung der ent-
sprechenden Größen, so spricht man von Wech-
selspannungen oder Wechselströmen. Wir be-
schränken uns dabei auf den quasistationären Zu-
stand, d.h. Einschwingvorgänge, die z.B. beim Ein-
schalten von Spannungsquellen entstehen, sollen
bereits abgeklungen sein und werden nicht behan-
delt. Abb. 8: harmonische Wechselspannung8
Die Spannungen sollen außerdem harmonisch sein, also durch eine Sinus- oder Kosinus-
funktion (Abb. 8) beschrieben werden:
( ) ( ) ( ) ( )u iˆ ˆU t U cos t , I t I cos t= ω + ϕ = ω + ϕ
Die Phasenwinkel uϕ und iϕ kennzeichnen den Zeitpunkt des Nulldurchgangs von Span-
nung und Strom. Häufig wählt man den Ursprung des Koordinatensystems so, daß einer der
Phasenwinkel verschwindet, z.B. u 0ϕ = . Definiert man u iϕ = ϕ − ϕ , dann kann man
auch ( ) ( ) ( )ˆ ˆU t U cos t, I t I cos t= ω = ω − ϕ schreiben. Ist 0ϕ > , so sagt man, daß der
Strom der Spannung nachläuft. Im anderen Fall eilt der Strom der Spannung voraus.
3.2 Zeigerdarstellung
Läßt man auf dem Einheitskreis einen Zeiger mit konstanter Winkelgeschwindigkeit rotieren
und projiziert ihn auf die x-Achse, so erhält man den zeitlichen Verlauf einer Kosinusfunktion
(Abb. 9). Umgekehrt kann man aber auch harmonische Wechselspannungen oder –ströme
durch rotierende Zeiger darstellen. Der Momentanwert der Spannung entspricht der Projek-
tion auf die x-Achse. Die Phasenverschiebung von Strom und Spannung wird durch einen
8 [14] S. 10
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 9
konstanten Winkel zwischen dem Strom- und dem Spannungszeiger repräsentiert. Nun deu-
tet man die Ebene als Gaußsche Zahlenebene. Dabei soll die x-Achse der reellen Achse
entsprechen. Die Zeiger werden dann formal beschrieben durch:
( ) ( ) ( )[ ]
( ) ( ) ( )[ ]
u
i
j tu u
j ti i
ˆ ˆu U e U cos t jsin t
ˆ ˆi I e I cos t jsin t
ω +ϕ
ω +ϕ
= ⋅ = ω + ϕ + ω + ϕ
= ⋅ = ω + ϕ + ω + ϕ
Der Momentanwert der Wechselgröße entspricht dem Realteil der komplexen Größe, z.B.
( ) ( ) ( )( ) ( )uj tu
ˆ ˆU t Re u Re Ue U cos tω +ϕ= = = ω + ϕ .
Abb. 9: Zeigerdarstellung harmonischer Größen9
3.3 Ohmsches Gesetz
Bildet man den Quotienten aus Spannung und Strom, so erhält man eine konstante Größe,
den komplexen Widerstand (Impedanz) Z . Dies nennt man das Ohmsche Gesetz des
Wechselstromkreises:
( )
( )( )u
u i
i
j tj j j
j t
ˆ ˆ ˆu Ue U UZ e e Ze R jXˆ ˆˆi I IIe
ω +ϕϕ −ϕ ϕ ϕ
ω +ϕ= = = = = = +
9 [14] S. 11
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 10
Dabei heißt R der Wirkwiderstand, X der Blindwiderstand und
Z der Scheinwiderstand. Auch bei anderen komplexen Größen
wird diese Nomenklatur beibehalten. Mit der Vorsilbe „Wirk“ wird
immer der Realteil, mit „Blind“ der Imaginärteil und mit „Schein“
der Betrag der Größe bezeichnet (Abb. 10). Das Inverse der
Impedanz 1YZ
= nennt man den komplexen Leitwert.
Abb. 10: Bezeichnungen10
3.4 Widerstände, Kondensatoren und Spulen im Wechselstromkreis
Nun wird diese Beschreibung auf Widerstände, Kondensatoren und Spulen angewandt.
Am ohmschen Widerstand R sind Strom und Spannung bekanntlich in Phase. Deshalb ist
j 0R
ˆ ˆU UZ e Rˆ ˆI I⋅= = = .
Für den Spannungsabfall an einer Induktivität L (Spule) gilt dIU Ldt
= . Nun setzt man in
diese Gleichung einen harmonischen Wechselstrom ein:
( ) ( )i ij t j tL
di d uˆ ˆu L L Ie LIj e j Li Z j Ldt dt i
ω +ϕ ω +ϕ= = = ω = ω ⇒ = = ω
Folglich kann die Induktivität mit LZ L= ω und einem Phasenwinkel von
u iL 2πϕ = ϕ − ϕ = beschrieben werden, denn j
2e cos jsin j2 2
π π π= + = .
An einer Kapazität C (Kondensator) gilt Q Q 1C U IdtU C C
= ⇒ = = ∫ .
Nun werden Spannung und Strom in komplexer Form eingesetzt:
( ) ( )i ij t j tC
1 1 1 1 1 jˆ ˆu idt Ie dt Ie i ZC C j C j C j C C
ω +ϕ ω +ϕ= = = = ⇒ = = −ω ω ω ω∫ ∫
Deshalb ist C1ZC
=ω
und u iC 2πϕ = ϕ − ϕ = − , denn j
2e cos j sin j2 2
π− π π= − = − .
10 [11] S. 320
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 11
3.5 Serien- und Parallelschaltung komplexer Widerstände
Enthält eine Schaltung Induktivitäten und Kapazitäten und geht man bei der Berechnung der
Spannung von den Gleichungen dIU Ldt
= bzw. 1U IdtC
= ∫ aus, so ergeben sich Diffe-
rentialgleichungen. Beschreibt man die Bauteile aber durch komplexe Widerstände, was für
harmonische Spannungen und Ströme erlaubt ist, dann erhält man komplexe algebraische
Gleichungen. In der komplexen Darstellung lassen sich die für Gleichstromkreise aufgestell-
ten Gesetze auf Wechselstromkreise anwenden.
3.5.1 Kirchhoffsche Regeln
Die Kirchhoffschen Gesetze übertragen sich auf komplexe Ströme und Spannungen.
! Knotenregel:
Die Summe aller zu- und abfließenden komplexen Ströme in einem Leistungsknoten ist
Null.
! Maschenregel:
Die Summe aller komplexen Spannungen entlang einer Leistungsmasche ist Null.
Dabei bedeutet die Aussage „die Summe ist Null“, daß die Zeiger der entsprechenden kom-
plexen Größe eine geschlossene Kette in der komplexen Ebene bilden.
3.5.2 Ersatzwiderstände
Man kann auch die Ersatzwiderstände für Serien- und Parallelschaltung nach den bekannten
Rechenregeln bestimmen:
Bei der Serienschaltung werden alle Schaltungselemente vom gleichen Strom durchflossen
und der komplexe Gesamtwiderstand ist gleich der Summe der komplexen Einzelwider-
stände.
Bei der Parallelschaltung liegt an allen Schaltungselementen die gleiche Spannung an, und
der komplexe Gesamtleitwert ist gleich der Summe der komplexen Einzelleitwerte.
Der Vorteil der komplexen Darstellung liegt darin, daß man bei Induktivitäten und Kapazitä-
ten keine Differentialgleichungen lösen muß und bei der Serien- oder Parallelschaltung von
Impedanzen formal wie bei ohmschen Widerständen vorgehen kann.
3.6 Darstellung in Zeigerdiagrammen
Oft werden komplexe Ströme, Spannungen und Widerstände in einem sog. Zeigerdiagramm
dargestellt. Da die Wahl der Nullphase willkürlich ist, wählt man zweckmäßig i 0ϕ = und
damit u uiϕ = ϕ − ϕ = ϕ , d.h., der Stromzeiger liegt auf der reellen Achse. Mit dem Ohm-
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 12
schen Gesetz uZ u Z ii
= ⇔ = ⋅ erkennt man, daß dann der Widerstands- und der Span-
nungszeiger in die gleiche Richtung zeigen, nur die Länge der Zeiger ist verschieden. Man
erhält z.B. für Schaltung 1 das Zeigerdiagramm Abb. 11. Hier kann man auch die Kirchhoff-
sche Maschenregel nachprüfen. Die Gesamtspannung u ist gleich der Zeigersumme der
Spannungen Ru , Lu und Cu .
Schaltung 1: Reihenschwingkreis11
Abb. 11: Zeigerdiagramm zu Schaltung 112
3.7 Berechnung der Leistung im Wechselstromkreis
In Wechselstromkreisen kann man bekanntlich die Momentanleistung ( )momP t mit der Glei-
chung
( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )
( ) ( )[ ]
momˆ ˆ ˆˆP t U t I t U cos t I cos t UI cos t cos t
1 ˆˆUI cos cos 2 t2
= ⋅ = ω ⋅ ω + ϕ = ⋅ ω ω + ϕ
= ⋅ ϕ + ω + ϕ (1)
berechnen. ( )momP t ist zeitabhängig und zeigt je nach Richtung der Wechselspannung und
des Wechselstroms positive oder negative Energieflüsse. Man interessiert sich meist für die
effektive Leistung effP , die man erhält, wenn man die Momentanleistung über eine Periode
mittelt: ( ) ( ) ( )T
momeff eff eff0
1 1 ˆˆP P t dt UI cos U I cosT 2
= = ⋅ ϕ = ⋅ ϕ∫
Will man die Leistung aus komplexen Größen berechnen, so kann man die komplexe Span-
nung u mit dem konjugiert Komplexen *i des komplexen Stroms multiplizieren. Dabei heben
sich die Zeitabhängigkeiten von Spannung und Strom gegenseitig weg. Man braucht deshalb
keinen zeitlichen Mittelwert zu berechnen:
11 [14] S. 15 12 [14] S. 15
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 13
( ) ( )* j t j t jˆ ˆ ˆˆ ˆˆu i Ue Ie UI e UI cos jsinω − ω +ϕ − ϕ⋅ = ⋅ = ⋅ = ϕ − ϕ (2)
Vergleicht man den Realteil von (2) mit effP , so stellt man eine Übereinstimmung bis auf
einen Faktor 12
fest. In diesem Skript wurde die Darstellung der Zeigergrößen in Scheitel-
werten gewählt. Deshalb erhält man die effektive Leistung als Realteil der Gleichung
*1S u i2
= ⋅ .
Es ist aber auch möglich, eine Zeigerdarstellung in Effektivwerten zu verwenden, d.h.
( ) ( )j t j t j t j teff eff
ˆ ˆU Iu U e e , i I e e2 2
ω ω ω +ϕ ω +ϕ= ⋅ = ⋅ = ⋅ = ⋅ . Dann kann man mit
*S u i= ⋅ die komplexe Leistung berechnen.
Zerlegt man die komplexe Leistung S in Real- und Imaginärteil, so erhält man S P jQ= + .
Dabei entspricht die Wirkleistung P der oben berechneten effektiven Leistung effP . Den
Imaginärteil der komplexen Leistung bezeichnet man als Blindleistung Q .
Der Realteil des Produkts aus der komplexen Spannung und dem komplexen Strom liefert
nicht die Momentanleistung, wie ein Vergleich mit Gleichung (1) zeigt:
( ) ( ) ( ) ( )[ ] ( )
( )
j t j t j 2 t
mom
ˆ ˆ ˆˆRe u i Re Ue Ie Re UI e
ˆˆ ˆˆRe UI cos 2 t jsin 2 t UI cos 2 t
P t
ω ω +ϕ ω +ϕ⋅ = ⋅ = ⋅
= ⋅ ω + ϕ − ω + ϕ = ⋅ ω + ϕ
≠
Eine Unterscheidung zwischen der Darstellung in Effektiv- oder Scheitelwerten ist nur bei der
Berechnung der Leistung relevant, da hier ein Produkt aus zwei komplexen Größen gebildet
wird. Beim Berechnen eines komplexen Widerstandes dagegen, tritt stets ein Quotient aus
einer komplexer Spannung und einem komplexem Strom auf, so daß sich die Faktoren 2
gegenseitig herausheben.
3.8 Anwendung auf einfache Schaltungen
Nun soll das bisher dargestellte Wissen zur Berechnung einfacher Schaltungen, eines sog.
Tiefpasses, einer Meßanordnung für Impedanzen und eines Reihenschwingkreises ange-
wendet werden.
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 14
3.8.1 Tiefpaß
Schaltung 2: Tiefpaß
Wählt man für die Wechselspannung in
Schaltung 2 eine große Frequenz, dann wird
der Scheinwiderstand C1ZC
=ω
klein. Am
Kondensator fällt nur eine geringe Spannung
ab und die Ausgangsspannung ist klein.
Ist dagegen die Frequenz klein, so ist der Scheinwiderstand des Kondensators groß und die
Ausgangsspannung gleich der Eingangsspannung. Der Tiefpaß läßt bevorzugt tiefe Fre-
quenzen passieren. Derartig Schaltungen dienen als Komponenten von Frequenzfiltern.
Es handelt sich um eine Serienschaltung. Deshalb erhält man den Gesamtwiderstand durch
Addition der Einzelwiderstände: R C1Z Z Z R
j C= + = +
ω. Nach dem Ohmschen Gesetz
gilt für den Strom inuiZ
= . Dieser fließt durch den Kondensator und man kann die Span-
nung am Kondensator inout C
1 u 1u iZ ij C Z j C
= = =ω ω
berechnen. Man stellt das Verhältnis
aus Ausgangs- und Eingangsspannung (Übertragungsfunktion) ( )g ω als Funktion der Fre-
quenz dar:
( )
( )
out
in
2
u 1 1 1 1 1 j RCg 1u Z j C j RC 1 1 j RC 1 j RCR j Cj C
1 j RC1 RC
− ωω = = = = = ⋅ ⋅ ω ω + + ω − ω + ω ω− ω=+ ω
Für den Betrag ( )g ω und das Argument ( )ϕ ω der Übertragungsfunktion gilt:
( ) ( )
( )
( )( )( )( )( ) ( )
out out2
in in
Uu 1g g ˆu U RC 1
Im garctan arctan RC
Re g
ω = ω = = =ω +
ωϕ ω = = −ω
ω
Abb. 12 und Abb. 13 zeigen den Verlauf von ( )g ω und ( )ϕ ω für R 47= Ω und
C 1 F= µ .
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 15
Abb. 12: Betrag von ( )g ω in Abhängigkeit der Fre-
quenz ω
Abb. 13: Argument von ( )g ω in Abhängigkeit der
Frequenz ω
3.8.2 Verfahren zur Impedanzmessung
Eine Methode zur Bestimmung von Impedanzen nützt die Darstellung von zwei Spannungs-
momentanwerten im x-y-Modus des Oszilloskops.
Die Serienschaltung (Schaltung 3) aus einer unbekannten Impedanz jZ Z e ϕ= ⋅ und einem
bekannten Widerstand R wird mit einer Wechselspannung versorgt. Diese verursacht einen
Strom ˆi I cos t= ω . Am Widerstand fällt die Spannung yˆu RI cos t= ω ab, die mit dem
Strom in Phase ist. Diese wird an die y-Ablenkung des Oszilloskops angeschlossen. Die an
der Impedanz Z abfallende Spannung ( )xˆu Z I cos t= ω + ϕ dient zur x-Ablenkung. Die
beiden Spannungen beschreiben durch ( )
( )
ˆZI cos t
ˆRI cos t
⋅ ω + ϕ ⋅ ω eine zum Ursprung symmetri-
sche, aber gedrehte Ellipse auf dem Bildschirm des Oszilloskops (Abb. 14). Für 0ϕ = und
ϕ = π entartet diese zu einer Geraden.
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 16
Schaltung 3: Impedanzmessung mit dem Oszilloskop
Abb. 14: Anzeige des Oszilloskops13
Durch Ablesen der Spannungen 1U , 2U und 3U kann man Z Z= und ϕ bestimmen. Bei
1U ist xu maximal, also 1ˆU ZI= . Bei 2U ist ( )cos t 0ω + ϕ = . Dies bedeutet
2k 1t2+ω + ϕ = π . Dann gilt 2k 1t
2+ω = π − ϕ und deshalb:
( ) ( ) ( ) ( ) ( )2k 1 2k 1 2k 1cos t cos cos cos sin sin sin2 2 2+ + +ω = π − ϕ = π ϕ − π ϕ = ± ϕ
Daraus folgt 2ˆU RI sin= ± ϕ . Bei 3U erreicht die y-Komponente ihr Maximum. Deshalb gilt:
3ˆU RI= .
Durch Kombination der drei Spannungen erhält man:
2 2
3
1 1
3
U Uarcsin arcsinˆ URI
U UZ Z Rˆ UI
ϕ = ± = ±
= = =
Das Vorzeichen der Phasenverschiebung bestimmt man aus dem Umlaufsinn der Ellipse
( )
( )
ˆZI cos t
ˆRI cos t
⋅ ω + ϕ ⋅ ω . Ist 0ϕ > , so erreicht xu den Maximalwert 1U , bevor yu den Wert
3U annimmt. Also ist der Umlaufsinn gegen den Uhrzeigersinn. Ist dagegen 0ϕ < , so wird
die Ellipse im Uhrzeigersinn durchlaufen. Bei Frequenzen, die größer als 10 Hz sind, ist es
unmöglich, den Umlaufsinn zu erkennen. Wenn man jedoch durch schnelles Vergrößern der
Wechselspannungsamplitude die Ellipse zu einer Spirale auseinanderzieht, kann man den
Umlaufsinn sichtbar machen.
13 [19] S. 33
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 17
In Schaltung 3 ist die Erdung durch die Verwendung des Oszilloskops festgelegt. Deshalb
muß eine massefreie Spannungsquelle benutzt werden. Außerdem ist der Kanal von yu zu
invertieren, da ansonsten das Bild auf dem Kopf steht.
3.8.3 Reihenschwingkreis
Schaltung 4: Reihenschwingkreis
Schaltung 4 zeigt einen Reihen- oder Serienschwing-
kreis. Für den Gesamtwiderstand gilt:
( )R C L
1Z Z Z Z R j Lj C
1R j LC
= + + = + + ωω
= + ω −ω
Die Wechselspannung u sorgt dafür, daß in allen Bauteilen der gleiche Strom uiZ
= fließt.
Die Spannung Cu wird am Kondensator abgegriffen, deshalb gilt:
C C CC C
Z u Zu Z i uZ u Z
= ⋅ = ⇒ = . Analog ergibt sich R Ru Zu Z= . Bildet man jeweils die
Beträge, dann erhält man das Verhältnis ( )g ω der Spannungsamplituden:
( )
( ) ( )
( )
( )
CC 2 4 2 2 2 2 2
2
RR 2
2
1U 1CgU 1 L C R C 2LC 1R L
CU RgU 1R L
C
ωω = = =ω + ω − ++ ω − ω
ω = =+ ω − ω
Stellt man diese Verhältnisse für nicht zu große Widerstände graphisch als Funktion der
Frequenz ω ( R 47= Ω , L 2 mH= , C 4 F= µ ) dar, so erkennt man, daß die Kurven ein
Maximum haben (Abb. 15, Abb. 16). Es tritt Resonanz auf.
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 18
Abb. 15: Spannungsverhältnis am Kondensator in Ab-
hängigkeit der Frequenz ω
Abb. 16: Spannungsverhältnis am Widerstand in Ab-
hängigkeit der Frequenz ω
Nun muß man noch das jeweilige Maximum bestimmen. Dabei genügt es, mit Hilfe der Diffe-
rentialrechnung das Minimum der Funktion unter dem Wurzelzeichen zu ermitteln. Die Wur-
zelfunktion ist streng monoton wachsend, d.h., man kann die Extremwerte der Funktion unter
dem Wurzelzeichen bestimmen und dann schließen, daß an dieser Stelle auch die Wurzel-
funktion ein Extremum hat. Da das Wurzelzeichen im Nenner steht, und der Zähler nicht von
ω abhängt, hat der Betrag der Übertragungsfunktion ( )g ω an der Stelle rω ein Maximum,
wenn die Wurzelfunktion bei rω ein Minimum hat.
Am Kondensator gilt:
( ) ( )
r
!4 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2
2 2 2
2C
d L C R C 2LC 1 4L C 2R C 4LC 0d
4LC 2R C 1 R2LC LC 2L
ω + ω − + = ω ω + − =ω
−⇒ ω = = −
Die negative Lösung und die Lösung 0ω = entfallen, da sie physikalisch nicht sinnvoll sind.
Die Ableitung hat an der Stelle rCω einen Vorzeichenwechsel von - nach +, d.h., der Nenner
des Spannungsverhältnisses hat dort ein Minimum. Aus diesem Grund liegt bei rCω das Ma-
ximum des Spannungsverhältnisses. rCω heißt Resonanzfrequenz des Schwingkreises.
Betreibt man den Schwingkreis ohne Widerstand, d.h. R 0= , so geht obige Formel für rCω
über in die bekannte Thompsongleichung für die Eigenfrequenz des Schwingkreises
e1LC
ω = . Verwendet man einen großen Widerstand, dann wird 2
21 R 0
LC 2L− < , und es
tritt keine Schwingung mehr auf (Kriechfall).
Eine analoge Rechnung liefert für die Resonanzfrequenz beim Abgriff der Spannung am Wi-
derstand rR
1LC
ω = .
Komplexe Wechselstromlehre (Skript) 19
Zusammenfassung
! Wechselspannungen und Wechselströme lassen sich durch Zeiger beschreiben: ( ) ( ) ( )[ ]
( ) ( ) ( )[ ]
u
i
j tu u
j ti i
ˆ ˆu U e U cos t jsin t
ˆ ˆi I e I cos t jsin t
ω +ϕ
ω +ϕ
= ⋅ = ω + ϕ + ω + ϕ
= ⋅ = ω + ϕ + ω + ϕ
Dabei entspricht der Realteil der komplexen Größe dem Momentanwert der Wechsel-
größe.
! Der Quotient aus Spannung und Strom ist konstant (Ohmsches Gesetz): ( )
( )( )u
u i
i
j tj j j
j t
ˆ ˆ ˆu Ue U UZ e e Ze R jXˆ ˆˆi I IIe
ω +ϕϕ −ϕ ϕ ϕ
ω +ϕ= = = = = = +
Für ideale Bauteile gilt:
# RZ R=
# LZ j L= ω
# C1Z
j C=ω
! Kirchhoffsche Regeln:
# Knotenregel:
Die Summe aller zu- und abfließenden komplexen Ströme in einem Leistungsknoten
ist Null.
# Maschenregel:
Die Summe aller komplexen Spannungen entlang einer Leistungsmasche ist Null.
! Für die Berechnung von Ersatzwiderständen gilt:
# Parallelschaltung: ers kk
1 1Z Z=∑
# Serienschaltung: ers kk
Z Z=∑
! Komplexe Widerstände und Spannungen stellt man oft in Zeigerdiagrammen dar. Meist
wählt man i 0ϕ = , und deshalb zeigen der Widerstands- und der Spannungszeiger in
die gleiche Richtung.
! Für die Berechnung der zeitlich gemittelten Leistung mit komplexen Größen gilt:
# Darstellung in Effektivwerten: *S u i P jQ= ⋅ = +
# Darstellung in Scheitelwerten: *1S u i P jQ2
= ⋅ = +
Komplexe Wechselstromlehre (Versuchsanleitung) 20
Versuchsanleitung
Vorbereitung
Aufbau und Funktionsweise eines Oszilloskops; komplexe Darstellung elektrischer Größen;
Ohmsches Gesetz; Widerstände, Kondensatoren und Spulen im Wechselstromkreis;
Kirchhoffsche Regeln; Ersatzwiderstände bei Serien- und Parallelschaltung; Darstellung von
Kapazitäten, Induktivitäten und ohmschen Widerständen in Zeigerdiagrammen; Tiefpaß,
Hochpaß, Bandpaß; Reihenschwingkreis; Verfahren zur Impedanzmessung
Literatur
Für den Versuch notwendige Kenntnisse:
! Skript „Komplexe Wechselstromlehre“
Zur Vertiefung:
! Beuth, Klaus; Beuth, Olaf; Elementare Elektronik: Mit Grundlagen der Elektrotechnik, 5.
überarb. Aufl., Würzburg: Vogel, 1997
! Eichler, Hans; Kronfeldt, Heinz-Detlef; Sam, Jürgen; Das neue physikalische
Grundpraktikum, 1. Aufl., Berlin u.a.: Springer, 2001
! Hering, Ekbert; Bressler, Klaus; Gutekunst, Jürgen; Elektronik für Ingenieure, 1. Aufl.,
Düsseldorf: VDI, 1992
! Hering, Ekbert; Martin, Rolf; Stohrer, Martin; Physik für Ingenieure, 6. Aufl., Berlin u.a.:
Springer, 1997
! Rost, Albrecht; Grundlagen der Elektronik: Ein Einstieg für Naturwissenschaftler und
Techniker, 3. vollst. überarb. und erg. Aufl., Berlin: Akademie, 1992
! Schwetlick, Horst; Kessel, Werner; Elektronikpraktikum für Naturwissenschaftler, hrsg.
von Bethge, Klaus, 1. Aufl., Braunschweig, Wiesbaden: Vieweg, 1992
! Straumann, Marc; Heidelberg, 22. April 1999, http://mathphys.fsk.uni-
heidelberg.de/skripte/Files/Physik/Elektronik/elektronik_straumann.ps
! Weddigen, Christian; Jüngst, Wolfgang; Elektronik: Eine Einführung für
Naturwissenschaftler und Ingenieure mit Beispielen zur Computer-Simulation, 2.
neubearb. und erw. Aufl., Berlin u.a.: Springer, 1993
Hinweis zur Bedienung des Oszilloskops
Beachten Sie bei der Verwendung des Oszilloskops, daß am Oszilloskop je ein Eingang je-
des Kanals geerdet ist, und bauen Sie die Schaltungen so auf, daß die verwendete Span-
Komplexe Wechselstromlehre (Versuchsanleitung) 21
nungsquelle nicht kurzgeschlossen ist. Dazu ist es bei der Verwendung eines Adapters von
der BNC-Buchse auf Laborkabel notwendig, zu testen, welcher Anschluß mit dem geerdeten
äußeren Metallring des BNC-Kabels verbunden ist.
1. Darstellung einer Wechselspannung mit Hilfe des Oszilloskops
Der Transformator dient als Spannungsquelle. Geben Sie nacheinander 6 V und 12 V
Wechselspannung auf einen Eingang des Oszilloskops. Bringen Sie das Bild zum Stehen,
und machen Sie eine Periodendauer der Sinusschwingung sichtbar, indem Sie eine geeig-
nete Zeitablenkung (TIME/DIV), Triggerung und Amplitudenverstärkung (V/DIV) wählen.
a) Lesen Sie die Amplitude der Wechselspannung am Oszilloskop ab, und vergleichen Sie
sie mit der Ausgangsspannung des Transformators. Messen Sie die Wechselspannung
zusätzlich mit dem Multimeter. Erklären Sie, warum sich die Werte unterscheiden.
b) Bestimmen Sie am Oszilloskop die Frequenz der angelegten Spannung, und vergleichen
Sie diese mit dem erwarteten Wert.
2. Phasenverschiebung
Verwenden Sie nun beide Eingänge des Oszilloskops,
um die Phasenbeziehung der Spannungen an ver-
schiedenen Bauteilen zu untersuchen. Ein Kanal des
Oszilloskops muß invertiert werden, da sonst eine Pha-
senverschiebung der Spannungen von 180° durch die
Schaltung hervorgerufen wird, weil je ein Eingang jedes
Kanals geerdet ist.
Schaltung 5
Bestimmen Sie die Phasenverschiebung R ZU Uϕ = ϕ − ϕ zwischen den Spannungen am
Widerstand und an der Impedanz Z . Messen Sie außerdem die Amplituden der abfallenden
Spannungen. Vergleichen Sie Ihre Beobachtung mit Ihren Erwartungen (Zeigerdiagramm) für
folgende Kombinationen von Widerstand und Impedanz in Schaltung 5:
a) R 47= Ω und R 1k= Ω als Impedanz Z
b) R 1k= Ω und C 4 F= µ als Impedanz Z
Komplexe Wechselstromlehre (Versuchsanleitung) 22
c) R 47= Ω und L 2 mH= als Impedanz Z
(3. Impedanzmessung) Aufgabe 3 ist nicht durchzuführen!!!!!
Verwenden Sie Schaltung 6 zur Impedanzmessung. Einer der Eingänge des Oszilloskops ist
zu invertieren. Lesen Sie die nötigen Spannungswerte ab, um den Betrag und die Phasen-
verschiebung der Impedanz Z berechnen zu können.
a) Verwenden Sie den 6 V -Ausgang des Transformators als Spannungsquelle und einen
1kΩ -Widerstand. Als Impedanz dient ebenfalls ein ohmscher Widerstand mit dem Wi-
derstandswert R 47= Ω . Erklären Sie Ihre Beobachtung.
b) Als Spannungsquelle dient der Funktionsgenerator, der über den 12 V -Ausgang des
Transformators versorgt wird. Verwenden Sie als ohmschen Widerstand R 1k= Ω und
eine Serienschaltung aus R 470= Ω und C 4 F= µ als Impedanz. Wählen Sie zu-
nächst eine sinusförmige Spannung der Frequenz 100 Hz , und lesen Sie die Span-
nungswerte 1U , 2U und 3U ab. Stellen Sie dann eine kleine Frequenz ein, um den
Umlaufsinn der Ellipse erkennen zu können. Berechnen Sie unter der Annahme, daß der
ohmsche Widerstand tatsächlich einen Wert von R 470= Ω hat, die Kapazität und den
ohmschen Widerstandsanteil des Kondensators.
c) Als Spannungsquelle dient wieder der Funktionsgenerator. Stellen Sie bei Schalterstel-
lung „Sinus“ 4 kHz ein. Verwenden Sie als ohmschen Widerstand R 47= Ω und
L 2 mH= als Impedanz. Berechnen Sie aus Ihrer Messung die Induktivität der Spule.
Schaltung 6
Komplexe Wechselstromlehre (Versuchsanleitung) 23
4. Filterschaltungen
Untersuchen Sie die folgenden drei Filterschaltungen:
Schaltung 7
Schaltung 8
Schaltung 9
a) Wechselspannungen welchen Frequenzbereichs können die drei Schaltungen passieren
(qualitative Überlegung)?
b) Fertigen Sie mit dem Funktionsgenerator (an den 12 V -Ausgang des Transformators
anschließen, sinusförmige Ausgangsspannung wählen) für Schaltung 7 und Schaltung 8
eine Meßreihe für den Frequenzgang mit jeweils mindestens 20 Meßpunkten im Bereich
von 10 Hz bis 20 kHz an. Tragen Sie out
in
UU
halblogarithmisch als Funktion der Frequenz
auf, und zeichnen Sie jeweils die theoretisch erwarteten Werte ein.
c) Stellen Sie am Funktionsgenerator die maximale Ausgangsspannung ein, und überzeu-
gen Sie sich, daß diese bei Schaltung 9 im interessanten Frequenzbereich (ab 10 Hz ) im
wesentlichen konstant bleibt. Betrachten Sie nun die Ausgangsspannung des Filters und
bestimmen Sie so den Frequenzbereich, in dem diese ansteigt bzw. absinkt. Folgern Sie
daraus, um welche Art Filter es sich handelt, und überlegen Sie, wie Schaltung 9 mit
Schaltung 7 und Schaltung 8 zusammenhängt.
d) Mit welchen Schaltungen, kann man ähnliche Filtereigenschaften erzielen (nur prinzi-
piellen Aufbau erklären, keine Größen etc. berechnen)?
Komplexe Wechselstromlehre (Versuchsanleitung) 24
5. Reihenschwingkreis
Bei Schaltung 10 treten im Resonanzbe-reich hohe Spannungen auf. Verwenden Sie als Ausgangsspannung des Funk-
tionsgenerators konstant U 1 V= !
Schaltung 10
a) Messen Sie für die Widerstandswerte 0Ω , 23,5Ω (Parallelschaltung aus zwei 47Ω
Widerständen) und 47Ω das Verhalten von out
in
UU
(Frequenzbereich 50 Hz 20 kHz… ,
mindestens 20 Meßpunkte) in Schaltung 10. Greifen Sie dabei die Ausgangsspannung
einmal am Widerstand (für 23,5Ω und 47Ω ) und einmal am Kondensator ab.
b) Prüfen Sie, ob die ermittelte Resonanzfrequenz mit der theoretisch berechneten Fre-
quenz übereinstimmt.
c) Tragen Sie Ihre Meßwerte und die theoretisch erwarteten Werte für die Spannung am
Widerstand und die Spannung am Kondensator in halblogarithmischen Diagrammen auf.
d) Welche Unterschiede erkennen Sie zwischen der Meßkurve beim Abgriff der Spannung
am Widerstand und am Kondensator.
e) Ordnen Sie den Meßkurven die Ihnen z.B. aus der Mechanik bekannten Begriffe für eine
gedämpfte Schwingung zu.
Literaturverzeichnis 25
Literaturverzeichnis
[1] Bergmann, Ludwig; Schäfer, Clemens; Lehrbuch der Experimentalphysik, Band 6
Festkörper, hrsg. von Raith, Wilhelm, Autoren Freyhardt, Herbert et al., 1. Aufl., Berlin,
New York: de Gruyter, 1992
[2] Best, Christoph et al.; Taschenbuch der Physik: Formeln, Tabellen, Übersichten, hrsg.
von Stöcker, Horst, 3. völlig überarb. und erw. Aufl., Frankfurt am Main, Thun: Deutsch,
1998
[3] Beuth, Klaus; Beuth, Olaf; Elementare Elektronik: Mit Grundlagen der Elektrotechnik, 5.
überarb. Aufl., Würzburg: Vogel, 1997
[4] Bronstein, I.N. et. al.; Taschenbuch der Mathematik, 4. überarb. und erw. Aufl. der
Neubearb., Frankfurt am Main, Thun: Deutsch, 1999
[5] Dobrinski, Paul; Krakau, Gunter; Vogel, Anselm; Physik für Ingenieure, 8. überarb. und
erw. Aufl., Stuttgart: Teubner, 1993
[6] Eckstein, Peter; Repetitorium Statistik: Deskriptive Statistik, Stochastik, Induktive Stati-
stik, 4. vollst. überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden: Gabler, 2001
[7] Eichler, Hans; Kronfeldt, Heinz-Detlef; Sam, Jürgen; Das neue physikalische Grund-
praktikum, 1. Aufl., Berlin u.a.: Springer, 2001
[8] Goerth, Joachim; Bauelemente und Grundschaltungen, 1. Aufl., Stuttgart, Leipzig:
Teubner, 1999
[9] Goßner, Stefan; Grundlagen der Elektronik: Halbleiter, Bauelemente und Schaltungen,
1. Aufl., Aachen: Shaker, 2001
[10] Hering, Ekbert; Bressler, Klaus; Gutekunst, Jürgen; Elektronik für Ingenieure, 1. Aufl.,
Düsseldorf: VDI, 1992
[11] Hering, Ekbert; Martin, Rolf; Stohrer, Martin; Physik für Ingenieure, 6. Aufl., Berlin u.a.:
Springer, 1997
[12] Koß, Günther; Reinhold, Wolfgang; Lehr- und Übungsbuch Elektronik, 2. bearb. Aufl.,
München, Wien: Carl Hanser, 2000
[13] Meister, Heinz; Elektrotechnische Grundlagen: Mit Versuchsanleitungen und Rechen-
beispielen, 9. überarb. Aufl., Würzburg: Vogel, 1991
[14] Rost, Albrecht; Grundlagen der Elektronik: Ein Einstieg für Naturwissenschaftler und
Techniker, 3. vollst. überarb. und erg. Aufl., Berlin: Akademie, 1992
[15] Schwetlick, Horst; Kessel, Werner; Elektronikpraktikum für Naturwissenschaftler, hrsg.
von Bethge, Klaus, 1. Aufl., Braunschweig, Wiesbaden: Vieweg, 1992
Literaturverzeichnis 26
[16] Straumann, Marc; Heidelberg, 22. April 1999, http://mathphys.fsk.uni-
heidelberg.de/skripte/Files/Physik/Elektronik/elektronik_straumann.ps
[17] Tietze, Ulrich; Schenk, Christoph; Halbleiterschaltungstechnik, 8. überarb. Aufl., Berlin
u.a.: Springer, 1986
[18] Vogel, Helmut; Gerthsen Physik, 19. Aufl., Berlin u.a.: Springer, 1997
[19] Weddigen, Christian; Jüngst, Wolfgang; Elektronik: Eine Einführung für Naturwissen-
schaftler und Ingenieure mit Beispielen zur Computer-Simulation, 2. neubearb. und
erw. Aufl., Berlin u.a.: Springer, 1993