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1 links 2.09 Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch Editorial // Täglich steigt die Zahl der Arbeitslosen in der Schweiz um 200 Personen an. Firmen, die vor einem Jahr noch an Expansion dachten, sind heute bankrott. Die schrankenlose Marktwirtschaft hat totalen Schiffbruch erlitten. Leidtragende dieses Zusammenbruchs sind wir alle: Arbeitsplätze sind bedroht, die Pensionskassen haben schwere Ertragseinbussen erlitten. Jetzt muss sofort gehandelt werden, damit Arbeitsplätze und Kaufkraft erhalten bleiben und langfristig ein neues Wirtschaftsmodell aufgebaut werden kann. Die kantonale SP hat ein rotes Konjunkturpaket mit konkreten Massnahmen zur Stärkung unserer Realwirtschaft zusammengestellt. Es ist unverständlich, dass die bürgerlichen Parteien eine Sondersession dazu im Kantonsrat abgelehnt haben. Volkswirtschaftschef Josef Keller beklagt, dass man nichts tun könne. Die Hände im Schoss zu falten hat aber noch nie zur Bewältigung einer Krise bei- getragen. Die 311 Mio. Franken Überschuss aus der Staatsrechnung 2008 können sofort und ganz gezielt für konjunkturpolitische Massnahmen einge- setzt werden. Zudem müssen für die Neuausrichtung der stark exportorientier- ten Industrie auf Bundesebene in internationaler Zusammenarbeit neue, weltweite Spielregeln auf der Grundlage einer gerechteren Verteilung von Res- sourcen, Arbeit und Wohlstand festgelegt werden. Diese Krise bietet auch eine Chance. Wir alle sind verantwortlich, dass daraus eine ökologische und so- ziale Weltwirtschaftsordnung entsteht. Claudia Friedl, Parteipräsidentin Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch Inhalt April 2009 // Nr. 2 2 Rotes Konjunkturpaket 4 Neues SP-Präsidium in St.Gallen 5 HSG-Schönredner am Werk 6 Schluss mit der Pauschalbesteuerung 9 Grüningers Verhinderer 11 Zwängerei beim Ladenschluss Ein Armutszeugnis für Josef Keller Die Tageszeitungen sind voll mit neuen Hiobsbotschaften über getrübte Konjunkturaussichten und Massenentlassungen. Doch das St.Galler Volkswirtschaftsdepartement weigert sich noch immer, aktiv gegen die Krise vorzugehen. M itte März gab das Staatssekretariat für Wirt- schaft (Seco) seine Konjunkturprognosen be- kannt. Im Jahr 2009 soll die Schweizer Wirtschaft um 2,2% schrumpfen, und auch für das Jahr 2010 ist ein Minus von 0,1% vorgesehen. Wobei aufgrund der mo- mentanen Turbulenzen klar gesagt werden muss, dass Prognosen für das Jahr 2010 mit grossen Unsicher- heiten verbunden sind. Sicher ist: Wir befinden uns in der tiefsten Rezession seit den 1970er Jahren. Auch hinsichtlich der Arbeitslosenquoten über- brachte das Seco schlechte Neuigkeiten. Noch im Jahr 2009 soll die Arbeitslosenquote auf rund 3,8% steigen. Im Jahre 2010 sollen dann über 5% arbeitslos sein, also mehr als 200000 Personen. Dass der Kanton St.Gallen überdurchschnittlich hart von der Krise betroffen ist, zeigt sich daran, dass rund 400 Betriebe im Kanton Kurzarbeit angemeldet haben. Es ist zu befürchten, dass die Kurzarbeit allein nicht über die Krisenzeit hin- weghilft, dass also weitere Unternehmungen mit Ent- lassungen nachziehen werden, wenn sich ihre Markt- situation nicht rasch verbessert. Diese trüben Konjunkturaussichten sollten ei- gentlich auch im bürgerlichen Lager die Alarmglocken läuten lassen. Doch in der Februarsession des Kan- tonsrates wurde die SP-Forderung nach einer Son- dersession zur Wirtschaftskrise mit 82:16 Stimmen abgeschmettert. Die Bürgerlichen und die Regierung setzen ihre Hoffnung stattdessen auf eine nebulöse Task Force des Volkswirtschaftsdepartements, die im April erste Vorschläge präsentiert hat. Die bisherigen Verlautbarungen aus dem Volkswirtschaftsdeparte- ment müssen aber skeptisch stimmen. Ganz offen- sichtlich wurde das Ausmass der Krise nicht erkannt, und ganz bestimmt fehlt der politische Wille, über den eigenen Schatten zu springen und mittels staatli- cher Intervention das Scheitern des neoliberalen Wirt- schaftens einzugestehen. Die Folgen der Passivität // Mit der lustlosen Einsetzung einer Task Force hat das Volkswirtschafts- department aber auch wichtige Zeit vertrödelt und ist daher am Ausmass der Krise mitschuldig. Eine proak- tive Wirtschaftspolitik hätte frühzeitig interveniert und nicht wertvolle Monate zur Einsetzung einer Task Force benötigt – eines Gremiums, das nicht über Vor- schläge hinausgeht, die man nicht bereits vor Mona- ten hätte machen können. Die Folgen der Passivität unserer Regierung sind in den Betrieben ersichtlich, momentan am deutlichsten bei der Firma Benninger in Uzwil. Im vergangenen November stand die 150jäh- rige Traditionsfirma bereits einmal vor dem Aus. Die Exportmöglichkeiten für Textilmaschinen waren in- nert kürzester Zeit zusammengebrochen. Gleichzeitig wurde es immer schwieriger, an Kredite zu kommen, so dass der Firma die Schliessung drohte. Die Ben- Fortsetzung auf Seite 2 Arbeitslose im RAV warten auf Beratung. Bild links

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Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen Herausgeberin: SP des Kantons St.Gallen

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Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch

E d i t o r i a l // Täglich steigt die Zahl der Arbeitslosen in der Schweiz um 200 Personen an. Firmen, die vor einem Jahr noch an Expansion dachten, sind heute bankrott. Die schrankenlose Marktwirtschaft hat totalen Schiffbruch erlitten. Leidtragende dieses Zusammenbruchs sind wir alle: Arbeitsplätze sind bedroht, die Pensionskassen haben schwere Ertragseinbussen erlitten. Jetzt muss sofort gehandelt werden, damit Arbeitsplätze und Kaufkraft erhalten bleiben und langfristig ein neues Wirtschaftsmodell aufgebaut werden kann. Die kantonale SP hat ein rotes Konjunkturpaket mit konkreten Massnahmen zur Stärkung unserer Realwirtschaft zusammengestellt. Es ist unverständlich, dass die bürgerlichen Parteien eine Sondersession dazu im Kantonsrat abgelehnt haben. Volkswirtschaftschef Josef Keller beklagt, dass man nichts tun könne. Die Hände im Schoss zu falten hat aber noch nie zur Bewältigung einer Krise bei-getragen. Die 311 Mio. Franken Überschuss aus der Staatsrechnung 2008 können sofort und ganz gezielt für konjunkturpolitische Massnahmen einge-setzt werden. Zudem müssen für die Neuausrichtung der stark exportorientier- ten Industrie auf Bundesebene in internationaler Zusammenarbeit neue, weltweite Spielregeln auf der Grundlage einer gerechteren Verteilung von Res-sourcen, Arbeit und Wohlstand festgelegt werden. Diese Krise bietet auch eine Chance. Wir alle sind verantwortlich, dass daraus eine ökologische und so- ziale Weltwirtschaftsordnung entsteht. Claudia Friedl, Parteipräsidentin

Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch

I n h a l t April 2009 // Nr. 2 2 Rotes Konjunkturpaket 4 Neues SP-Präsidium in St.Gallen 5 HSG-Schönredner am Werk 6 Schluss mit der Pauschalbesteuerung 9 Grüningers Verhinderer 11 Zwängerei beim Ladenschluss

Ein Armutszeugnis für Josef KellerDie Tageszeitungen sind voll mit neuen Hiobsbotschaften über getrübte Konjunkturaussichten und Massenentlassungen. Doch das St.Galler Volkswirtschaftsdepartement weigert sich noch immer, aktiv gegen die Krise vorzugehen.

Mitte März gab das Staatssekretariat für Wirt-schaft (Seco) seine Konjunkturprognosen be-

kannt. Im Jahr 2009 soll die Schweizer Wirtschaft um 2,2% schrumpfen, und auch für das Jahr 2010 ist ein Minus von 0,1% vorgesehen. Wobei aufgrund der mo-mentanen Turbulenzen klar gesagt werden muss, dass Prognosen für das Jahr 2010 mit grossen Unsicher-heiten verbunden sind. Sicher ist: Wir befinden uns in der tiefsten Rezession seit den 1970er Jahren. Auch hinsichtlich der Arbeitslosenquoten über-brachte das Seco schlechte Neuigkeiten. Noch im Jahr

2009 soll die Arbeitslosenquote auf rund 3,8% steigen. Im Jahre 2010 sollen dann über 5% arbeitslos sein, also mehr als 200’000 Personen. Dass der Kanton St.Gallen überdurchschnittlich hart von der Krise betroffen ist, zeigt sich daran, dass rund 400 Betriebe im Kanton Kurzarbeit angemeldet haben. Es ist zu befürchten, dass die Kurzarbeit allein nicht über die Krisenzeit hin- weghilft, dass also weitere Unternehmungen mit Ent-lassungen nachziehen werden, wenn sich ihre Markt-situation nicht rasch verbessert. Diese trüben Konjunkturaussichten sollten ei-gentlich auch im bürgerlichen Lager die Alarmglocken läuten lassen. Doch in der Februarsession des Kan-tonsrates wurde die SP-Forderung nach einer Son-dersession zur Wirtschaftskrise mit 82:16 Stimmen abgeschmettert. Die Bürgerlichen und die Regierung setzen ihre Hoffnung stattdessen auf eine nebulöse Task Force des Volkswirtschaftsdepartements, die im April erste Vorschläge präsentiert hat. Die bisherigen Verlautbarungen aus dem Volkswirtschaftsdeparte-ment müssen aber skeptisch stimmen. Ganz offen-sichtlich wurde das Ausmass der Krise nicht erkannt, und ganz bestimmt fehlt der politische Wille, über den eigenen Schatten zu springen und mittels staatli-cher Intervention das Scheitern des neoliberalen Wirt-schaftens einzugestehen.

D i e F o l g e n d e r P a s s i v i t ä t // Mit der lustlosen Einsetzung einer Task Force hat das Volkswirtschafts-department aber auch wichtige Zeit vertrödelt und ist daher am Ausmass der Krise mitschuldig. Eine proak-tive Wirtschaftspolitik hätte frühzeitig interveniert und nicht wertvolle Monate zur Einsetzung einer Task Force benötigt – eines Gremiums, das nicht über Vor-schläge hinausgeht, die man nicht bereits vor Mona-ten hätte machen können. Die Folgen der Passivität unserer Regierung sind in den Betrieben ersichtlich, momentan am deutlichsten bei der Firma Benninger in Uzwil. Im vergangenen November stand die 150jäh-rige Traditionsfirma bereits einmal vor dem Aus. Die Exportmöglichkeiten für Textilmaschinen waren in-nert kürzester Zeit zusammengebrochen. Gleichzeitig wurde es immer schwieriger, an Kredite zu kommen, so dass der Firma die Schliessung drohte. Die Ben-

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Arbeitslose im RAV warten auf Beratung.

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ninger AG entliess daraufhin Ende Jahr 50 Angestell-te und verkaufte einen ihrer Teilbereiche mit rund 110 Angestellten an ihren grössten Konkurrenten auf die-sem Markt: die deutsche Karl Mayer AG. Die Vermu-tung, dass dieser Kauf nur getätigt wurde, um einen Konkurrenten auszuschalten, liegt nahe. Auch nach der Übernahme wurde in den Industriehallen in Uzwil kaum gearbeitet: Kurzarbeit. Schon Ende März gab die neue Firmenleitung bekannt, dass sie sich von 35 An-gestellten am Standort Uzwil trennen müsse. Der wei-tere Ablauf ist leider allzu durchsichtig: Irgendwann wird die Zentrale in Deutschland von «Standortberei-

nigung» sprechen und deshalb mitteilen, dass man das Werk in Uzwil leider, leider schliessen und damit wei-tere 80 Personen auf die Strasse stellen müsse. Bis jetzt hat sich weder Regierungsrat Josef Keller noch jemand anders aus dem Volkswirtschaftsdepartement zur dro-henden Schliessung vernehmen lassen. Kein Wort, dass man etwas dagegen unternehmen wolle. Kein Signal, dass sich der Kanton StGallen bei der «Standortberei-nigung» der Karl Mayer AG für den Standort Uzwil ein-setzt. Stillschweigend sieht man zu, wie in den Indus-triehallen der Ostschweiz langsam die Lichter gelöscht werden. Ein Armutszeugnis für eine Regierung.

Felix Birchler

Fortsetzung von Seite 1

Ein rotes Konjunktur-paket für den Kanton St.Gallen

Der Kanton St.Gallen hat Geld im Überfluss. Der letztjährige Gewinn von 312 Mio. Franken soll sofort wie-der investiert werden. Das fordert die SP im Kantonsrat.

Der Kanton St.Gallen kann einen äusserst erfolg-reichen Rechnungsabschluss vorweisen. Mit

einem Überschuss von 312 Mio. Franken hat bei der Er-stellung des Voranschlags wohl niemand gerechnet. Sonst wäre der Steuerfuss noch stärker gesenkt wor-den. Bereits jetzt rufen die Exponenten der SVP wieder nach Steuersenkungen. Ein ganz klar falsches Signal. Im Zuge der globalen Finanzkrise gerät die Realwirt-schaft auch im Kanton St.Gallen ins Stocken. Der aus-serordentliche Gewinn kommt somit zur richtigen Zeit. Denn jetzt braucht es finanzielle Mittel, um die Wirtschaft zu stärken. Die SP-Fraktion im Kantonsrat hat ein rotes Konjunkturpaket geschnürt. Darin zeigt sie auf, wie dieser Gewinn nun sofort investiert wer-den kann.

D e n ö V f ö r d e r n // Die SP-Fraktion fordert Inves- titionen im Bereich des öffentlichen Verkehrs. Schie-neninfrastrukturprojekte des Bundes sollen durch den Kanton vorfinanziert werden, damit zum Beispiel end-lich der Doppelspurausbau im St.Galler Rheintal reali-siert werden kann. Ein anderer Schwerpunkt liegt bei der energetischen Sanierung der kantonseigenen Lie-genschaften und weiteren Massnahmen zur Energieef-fizienz. Die Mittel dazu sind im Überfluss vorhanden. Bereits im November wollte die SP im Baudepartement zusätzliche Stellen schaffen, damit möglichst viele Bauprojekte der öffentlichen Hand sofort umgesetzt

werden. Nach dem Einsturz einer Turnhalle in der Stadt St.Gallen sind die personellen Ressourcen noch knapper geworden. Das Geld für grosse Bauvorhaben ist vorhanden, die Planung hinkt jedoch hinterher. Neben der raschen Verwirklichung dieser Bau-vorhaben fordert die SP Investitionen im Bereich der Gesundheitsprävention und der Weiterbildung. Heu-te besteht ein breites Angebot an Weiterbildungsmög- lichkeiten. Diese werden kostendeckend angeboten und sind somit für etliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kaum finanzierbar. Gerade in wirt-schaftlich schwierigen Zeiten ist die berufliche Wei-terbildung meistens die einzige Möglichkeit, nicht aus

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Claudia Friedl und Barbara Gysi schnüren das rote Konjunkturpaket

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dem Erwerbsleben auszuscheiden. Die SP-Fraktion fordert ein kantonales Weiterbildungsgesetz, das die öffentliche Hand verpflichtet, unqualifizierte Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer gezielt materiell und ideell zu unterstützen.

E t w a s t u n f ü r S c h u l a b g ä n g e r I n n e n // In ei-ner Wirtschaftskrise kommen die Lehrstellen oftmals unter Druck und werden abgebaut. Es sind deshalb besondere Anstrengungen notwendig, um genügend Lehrstellen für unsere Schulabgängerinnen und Schul-abgänger anbieten zu können. Gerade im Bereich der Ausbildungsplätze im Gesundheits- und Kinderbe-treuungsbereich fehlt es akut an Lehrstellen. Die SP-Fraktion fordert die Regierung auf, ab Sommer 2009 diese Schaffung solcher Ausbildungsplätze gezielt fi-nanziell zu unterstützen. Die jetzige Wirtschaftskrise, die insbesondere das Rheintal stark trifft, lässt befürchten, dass die Zu-sammenarbeit zwischen Hochschulen und der Privat-wirtschaft zurückgefahren wird. Forschungsaufträge für die Hochschulen drohen zu entfallen, weil Unter-nehmen nicht mehr in der Lage sind, ihren Anteil an

Wechsel im Partei-sekretariatDer Sekretär der SP-Kantonalpartei, Peter Olibet, nimmt eine berufliche Chance wahr. Er wird sich nächstes Jahr in einem Schulprojekt engagieren und daher mit seiner Familie nach Südamerika umziehen.

Aus diesem Grund gibt er auf Ende Juli 2009 seine Stel-le als Parteisekretär auf. Olibet war seit 2004 in dieser Funktion. «links» wird sein Wirken später noch aus-führlich würdigen, wünscht ihm schon jetzt für seine künftige Aufgabe alles Gute! Die Stelle wird nun neu ausgeschrieben (vgl. Inserat in dieser Ausgabe).

der vereinbarten Arbeitsleistung oder der Finanzie-rung zu erbringen. Ein finanzielles Engagement sei-tens des Kantons ist nötig, denn der Bildungsstandort St.Gallen darf nicht geschwächt werden Weitere Forderungen im SP-Konjunkturpaket zielen auf eine Stärkung der Kaufkraft. Mit einer Stan-desinitiative fordert die SP-Fraktion, dass Kranken-kassenprämien von Kindern vollumfänglich vom Staat übernommen werden. Auch im Kanton St.Gallen be-steht noch genügend finanzieller Spielraum, um Ent-lastung bei den stetig steigenden Krankenkassen- prämien zu gewähren. Die Beiträge für die individu-elle Prämienverbilligung müssen endlich erhöht und vollumfänglich ausgeschüttet werden. Der Kanton St.Gallen ist äusserst knausrig bei der Vergabe von Sti-pendien. Hier sind deutliche Verbesserungen nötig, damit ein Studium nicht länger zur finanziellen Zitter-partie wird. Die SP-Fraktion steigt gut gerüstet in die April-session und in die bevorstehende Debatte über die Wirtschaftskrise. Von den anderen Parteien kommen leider kaum Ideen und Projekte. Das rote Konjunktur-paket serviert griffige Vorschläge, die nur noch umge-setzt werden müssen. Peter Olibet

Fortsetzung von Seite 2

M a i l b o xLinks 1/09«O diese armen Nazis»

Die polemische, unsachliche Besprechung und die den Ausstellungsmachern implizit unterstellten Nazi- Sympathien erfordern eine Richtigstellung. In der Aus-stellung wird die Situation der in Gefangenschaft gera-tenen Soldaten von der Gefangennahme bis zur Heim-kehr dargestellt. Es werden keine Anklagen erhoben, und es wird nicht um Mitleid für die deutschen Ge-fangenen gebeten. Am Rande wird zudem auf die Fra-ge eingegangen, weshalb sich Schweizer und Ausland-schweizer überhaupt freiwillig für den Kriegsdienst in Deutschland gemeldet hatten. Dabei wird u.a. auf eine Publikation von Vincenz Oertle verwiesen. Es ist be-kannt, dass diese von Ralph Hug erwähnte Arbeit in Bezug auf Fragestellung und Wertungen mit Mängeln behaftet ist. Das Buch bietet dennoch viele Informa-tionen zu den Schweizer Freiwilligen in Wehrmacht und Waffen-SS. Auch Peter Mertens kommt nicht um-hin, in seiner kritischen publizistischen Auseinander-setzung mit dem Thema wiederholt die Informatio- nen von Oertle zu benutzen. Im Anmerkungsapparat verweist er bei 63 Anmerkungen mindestens zehn Mal auf Oertle. Ralph Hug unterstellt den beiden Kuratoren der Ausstellung, Achim Schäfer und Nathalie Zellweger, sie würden mit ihrer Ausstellung alte antikommunistische Reflexe gegenüber den «bösen» Russen wecken. Dieser

Vorwurf ist entschieden zurückzuweisen. Vermutlich hat Hug das Textbanner zu den russischen Kriegsge-fangenen in Deutschland absichtlich übersehen. Di-rekt daneben hängt ein Banner, das die Lage der Deut-schen in russischer Kriegsgefangenschaft beschreibt. Beim Vergleich der beiden Texte kann unschwer fest-gestellt werden, wie inhuman die Deutschen mit den Russen umgegangen sind und wie anderseits die Rus-sen versuchten, die deutschen Kriegsgefangenen ge-nau gleich wie die eigene Bevölkerung zu behandeln. Es erstaunt, dass Hug nicht zu wissen scheint, wie schwer es ehemaligen Kriegsgefangenen gefal-len ist, über ihre Erlebnisse zu sprechen, diese zu ver-arbeiten und Worte für das Erlebte zu finden. Weil er dies nicht wissen will, versteht er auch nicht, dass die Inszenierung etwas Unbehagen wecken soll. Das ner-vende «Dawai – Dawai», das Windgeräusch, die Enge, der sich langsam entwickelnde, etwas unangenehme Geruch in der Ausstellungsbox. All diese Mittel, eben-so der Wachturm vor dem Museum und der inszenierte Eingang zur Ausstellung, werden von Hug als reine «Events» deklassiert. Er scheint nicht begriffen zu ha-ben, dass komplexe, in reinen Text-Ausstellungen dar-gestellte historische Themen die Besucher/innen heut-zutage nicht mehr ansprechen und demzufolge kein Publikum mehr finden.

Daniel Studer, Direktor Historisches und Völkerkundemuseum St.Gallen

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Stadt St.Gallen:Junge übernehmen das Ruder

Die stärkste Partei in der Stadt St.Gallen hat ein neues Co-Präsidium. Bettina Surber und Felix Birchler stehen für den Aufbruch der SP.

Wir wollen der bürgerlich dominierten Gesell-schaft etwas entgegensetzen. Unser Weg ist ei-

ne klar linke Politik.» Bettina Surber bringt auf den Punkt, wohin der Weg der Stadtpartei aus ihrer Sicht gehen wird. Felix Birchler doppelt nach: «Die SP steckt in einer Krise. Aus dieser Krise kommen wir nur, wenn wir wieder eine lebendige, aktive Partei werden.» Bet-tina Surber und Felix Birchler haben gemeinsam für das Präsidium der Stadtpartei kandidiert und wurden an der Hauptversammlung einstimmig gewählt. Sie ist 27 Jahre alt, Juristin und politisiert seit einigen Jahren im Stadtparlament. Er ist 30, Gewerkschaftssekretär und wohl der aktivste Unterschriftensammler im Kan-ton.

F r i s c h e r W i n d // Bereits an der Hauptversamm-lung wurde klar, dass ein frischer Wind durch die Par-tei fegen wird. Surber und Birchler wollen die SP aus dem Formtief führen. Ein Tief, das die SP in der Stadt St.Gallen bei den letzten Wahlen zwar nicht abstürzen

liess wie andernorts. Aber eine Schwäche, die in Felix Birchlers Analyse auch hausgemacht ist. Ein fehlender Parteinachwuchs, eine Basis, die sich hauptsächlich als Passivmitgliedschaft versteht, und eine sehr defen-sive, reaktive Haltung bei vielen politischen Themen seien Gründe für den momentanen Zustand. Bettina Surber bedauert, dass von der SP bis anhin ausserhalb des Parlamentsbetriebes kaum politische Themen aufgegriffen wurden. Die meisten Leute, die die Par-tei aktiv gestalten, sitzen im Parlament. Zudem sind die Möglichkeiten der Mitgestaltung für die Basismit-glieder eher gering. Beide sind sich bewusst, dass die Partei nicht ein neues Präsidium wählen kann und dann alles au-tomatisch gut wird. So einfach möchten sie es ihrer Ba-sis nicht machen. Als erste «Amtshandlung» luden Sur-ber und Birchler alle Mitglieder ein, gemeinsam von einem Hügel auf die Stadt zu blicken. Bettina Surber erklärt: «Den Aufbruch müssen wir gemeinsam anpa-cken. Die Weitsicht als ganze Partei zurückgewinnen.» Felix Birchler unterstreicht die Notwendigkeit dieses Diskurses mit der Basis: «Wir wollen unsere Mitglieder fragen, was ihnen wichtig ist, wohin sie wollen. Wir können das nicht als Präsidium alleine entscheiden. Unsere Rolle als Co-Präsidium verstehen wir vor allem auch darin, die Leute mitzunehmen und der Partei Le-ben einzuhauchen.»

N e u e H e r a u s f o r d e r u n g e n // Beide wollen sich aber nicht vor den kommenden Herausforderungen drücken. Einige Projekte und Themen stehen bereits auf der politischen Traktandenliste. Bettina Surber kennt diese Geschäfte nur zu gut. Die Privatisierung der VBSG muss verhindert werden, da sonst sofort ei-ne Verschlechterung der Anstellungsbedingungen des Personals droht. Die Umgestaltung des Marktplatzes zu einem Begegnungsort, aber ohne zusätzliche Park-garage sei eine klare Forderung der Partei. Die Förder-konzepte an den Schulen dürfen nicht zu einer Spar-übung verkommen. Diese Aufzählung zeigt, dass die SP wiederum nur reagieren kann und die Politik des bürgerlich do-minierten Stadtrates bekämpft. In welchen Bereichen soll die Partei denn aktiv werden und die Themenfüh-rerschaft übernehmen? Für Bettina Surber steht die Wohnungspoltik im Vordergrund: «In den letzten Jah-ren ging auch in St.Gallen zuviel günstiger Wohnraum verloren. Da brauchen wir neue Modelle, um diese Ten-denz zu stoppen.» Felix Birchler will endlich ein Stand-ortmarketing, das diesen Namen auch verdient. «Die Bürgerlichen verstehen unter Standortmarketing nur gerade tiefe Steuern und unbeschränkte Parkplätze in der Innenstadt. Wir müssen diesen Begriff erobern und mit linken Inhalten füllen: gute Schulen, tiefe Mieten, ein breites Kulturangebot etc.» Im Gespräch mit Bettina Surber und Felix Birch-ler wird schnell klar, dass beiden die Lust und die Freu-de, etwas in der Stadt zu bewegen, im Blut liegt. Dass nun zwei Junge an der Spitze der grössten Sektion im Kanton stehen, ist ein erstes Zeichen für einen Genera-tionenwechsel innerhalb der SP. Gelingt es den beiden, die bisherigen Mitglieder mitzunehmen und vor allem Neue zu gewinnen, wird die Formschwäche der SP be-reits morgen eine kleine Episode in der wechselvollen Geschichte der Partei sein. Peter OlibetNeues Co-Präsidium der städtischen SP: Felix Birchler und Bettina Surber

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An der HSG sind die Schönredner am Werk

Von Hans Fässler, St.Gallen

Professoren der Universität St.Gallen versuchen in einer neuen Publikation das Scheitern des Neoliberalismus mit schönen Worthülsen zu überdecken. Ein Dokument der Hilflosigkeit.

An der Uni St. Gallen geht die Geschichte um, dass letzten Oktober ein HSG-kritischer Leserbrief

(«... die Ökonomie als Hilfswissenschaft der kapita-listischen Geldvermehrung...») einen HSG-Professor sehr erschreckt habe. Da man auf dem Rosenberg aber nicht davon ausgehen kann, dass das akademische Personal das «Tagblatt» liest und darüber informiert ist, was man hier unten im Tal über sie denkt, habe besagter Professor den Leserbrief eingescannt und an KollegInnen versandt. Daraus sei dann die Publika-tion «Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise» ent-standen. Wenn die 60 Seiten der 30 ProfessorInnen der Versuch sein sollen zu belegen, dass man an der HSG gemerkt hat, wie tief die aktuelle Wirtschaftskrise (nicht «Finanzmarktkrise»!) geht und wie nötig grundsätzliche Denkansätze sind, so ist dieser Ver-such gründlich gescheitert. Die HSG ist nicht Teil der Lösung, sie bleibt bis auf weiteres Teil des Problems. Während 20 Millionen chinesische Wanderarbeiter- Innen arbeitslos geworden sind und in den USA die Häuser der Armen mit Waffengewalt zwangsgeräumt werden, während weltweit 11 Billionen Steuerfranken in die Wirtschaft gepumpt werden und der Hunger sich in Afrika weiter ausbreitet, während die meisten US-Banken faktisch insolvent sind und Millionen Menschen sich um ihre Altersvorsorge sorgen, emp-fiehlt der Rektor der Uni die Schaffung eines «Blasen- barometers, d. h. eines Informationssystems über Bla- senrisiken». Sollte das für jemanden aus der «allge-meinen Öffentlichkeit», an welche sich die Broschüre der «Exzellenzinitiative» unter anderem richtet, etwas wenig sein, so hilft vielleicht eine andere Empfehlung weiter: «Profis und Amateure müssen auch in Zukunft offene Positionen einnehmen können, nur so kann die Vertrauensdividende überhaupt realisiert werden.»

W o r t h ü l s e n v o m R o s e n b e r g // Überall wort-reiche Ratlosigkeit («Es scheint Zeit für ein Pausieren zu sein», S. 34), haufenweise unbeantwortete Fragen («Welche Konsequenzen ziehen wir für unsere be-triebs- und volkswirtschaftlichen Modelle und The-

orien?» S. 6), ausgewalzte Banalitäten («Eine Interpre-tation und eine Ursachenforschung der Finanzkrise gestaltet sich aufgrund der vorliegenden Polykausali-tät nicht leicht», S. 43), lautes Pfeifen im Walde («...die Rolle von Bioprodukten unter dem Label ‹Natura-plan›...», S. 55), präventives Gegensteuer («...verhindern, dass in der Panik zunächst populistisch einfach nach möglichst viel mehr Regulierung gerufen wird», S. 12), dunkles Geraune («Eine adäquate Behandlung von Li-quiditätsfallen, Risikoprämien, marktpsychologischen Effekten oder der Rolle von Finanzinstituten ist nur möglich, wenn das Zusammenspiel von Geldangebot und Geldnachfrage explizit gemacht und die Motive der beteiligten Akteure thematisiert werden», S. 19). Die Wörter «Kapitalismus» und «Neoliberalismus» kom-men in der ganzen Aufsatzsammlung denn auch genau nullmal vor.

P f a l z u n d E l f e n b e i n t u r m Die SP-Fraktion hatte im St.Galler Kantonsrat von der Regierung wissen wollen, ob die HSG nicht eine Mitver-antwortung an der aktuellen Finanzkrise trage. Haben doch gerade HSG-gebildete Führungskräfte in den Teppichetagen der Wirtschaft versagt. Die SP wollte auch wissen, ob jetzt endlich die Lehrinhalte geändert werden und ob zum Beispiel das Institut für Wirtschafts- ethik gestärkt werde, das seit Jahren für ein nach- haltiges und solidarisches Wirtschaftssystem eintritt. In der Antwort verneint die Regierung eine Mitverant- wortung der HSG an der Krise. Deren Ursachen müssten erst wissenschaftlich untersucht werden. Im Übrigen widme sich die Uni bereits neuen Fragestellungen im Bereich Nachhaltigkeit und Ökologie. Weiter macht die Regierung auf zahlreiche Lehrveranstaltungen dieser Art aufmerksam. Die HSG überprüfe ihre Lehre lau-fend, jedoch sehe sie ihre Rolle nicht darin, Konzepte für ein «vermeintlich ideales Gegenbild zum heute realen Wirtschaftsleben» zu entwickeln. Wie wahr! (SP)

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Eingang zum Institut für Wirtschaftsethik an der Universität St.Gallen.

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Schluss mit der Pauschal-besteuerung!

Von SP-Kantonsrat Peter Hartmann, Flawil

Seit einigen Jahren können reiche Aus-länderInnen, die in der Schweiz nicht erwerbstätig sind, mit dem Steuer- amt einen Deal machen. Diese Bevor- zugung einiger weniger Personen ist un-gerechtfertigt und gehört abgeschafft.

Ein gut ausgebautes Verkehrsnetz erlaubt allen, möglichst direkt und bequem zu reisen. In der

Volksschule erhalten unsere Kinder die Grundausbil-dung, die in eine Berufsausbildung oder in eine wei-terführende Schulen mündet. Eine intakte Natur, ei-ne gepflegte Landwirtschaft, ein breites kulturelles Angebot, Sicherheit im öffentlichen Raum und vieles mehr bringen Lebensqualität. Ein ausgebautes Ge-sundheitswesen und eine soziales Netz sichern uns in schwierigeren Zeiten ab. All diese und noch viele wei-tere Leistungen lassen wir den Staat organisieren. Für die Kosten kommen wir gemeinsam auf.

S t e u e r n g e r e c h t e r h e b e n // Die Verteilung der Lasten basiert auf einem in der Verfassung umschrie-benen Prinzip: Die wirtschaftliche Leistungsfähig-keit bestimmt den Beitrag, den die einzelnen Einwoh-nerInnen mit den Steuern beizutragen haben. Dieser breite Konsens wird zwar von bürgerlichen Parteien immer mehr in Frage gestellt. Sie vertreten in den Par-

lamenten die Interessen weniger reicher, vermögender Personen und finanzstarker Unternehmen. Dies ist nicht verwunderlich, denn die bürgerlichen Parteien werden durch diese Kreise auch bezahlt. Im normalen Sprachgebrauch heisst dieser Vorgang eigentlich Be-stechung oder Korruption. Wir alle füllen jedes Jahr die Steuererklärung aus. Angestellte mit einem Lohnausweis sitzen dabei im Glashaus, denn alle Einkünfte werden ausgewie-sen. Das steuerbare Einkommen und allfällige Ver-mögenswerte bilden als Einkommen die Grundlage der Steuerrechnung. Jetzt gibt es aber seit einigen Jah-ren eine eigene Sorte von Steuerpflichtigen: Sie müs-sen Ausländer oder Ausländerin sein und dürfen in der Schweiz keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Die-se können zum Steueramt gehen und dort einen Deal aushandeln. Auch wenn sie ein Millionenvermögen besitzen und die Erträge daraus enorm sind, müssen sie nur einen pauschalen Steuerbetrag bezahlen.

I n a k z e p t a b l e U n g e r e c h t i g k e i t // Im Kanton St.Gallen machten im Jahr 2005 insgesamt 55 Auslän-derInnen von dieser so genannten Pauschalbesteue-rung Gebrauch. Sie zahlten dem Kanton und den Ge-meinden durchschnittlich 63’000 Franken an Steuern. Müssten sie ihr Einkommen und das Vermögen wie wir alle normal versteuern, so bezahlten sie ein Vielfaches! Dies ist eine inakzeptable Ungerechtigkeit, denn al-le staatlichen Angebote stehen auch diesen Personen zur Verfügung. Für den Kanton und die Gemeinden haben die Erträge bei den pauschalbesteuerten Aus-länderInnen keine Bedeutung. Sie sind im 0,15%-Be-reich der gesamten Steuererträge und damit voll ver-nachlässigbar. Die Pauschalbesteuerung bringt vor allem Nach- teile. So untergräbt sie die Steuergerechtigkeit und die Steuermoral: Warum sollen wir alles offen legen müssen, wenn einzelne AusländerInnen dies umge-hen können? Ausserdem treibt sie die Liegenschafts-preise hoch: Mit einem kleinen Teil des eingesparten Geldes kann das Angebot für den Erwerb oder Mie-te der Liegenschaft an einer guten Lage unschlagbar erhöht werden. Sie bringt Kanton und Gemeinden Er-tragsausfälle: An diesen guten Lagen würden sich auch erwerbstätige und vermögende Schweizerinnen und Schweizer niederlassen, die ihr Einkommen und Ver-mögen ganz normal versteuern! Es ist jetzt Zeit, mit dieser ungerechtfertigten Bevorzugung von wenigen reichen AusländerInnen Schluss zu machen. Der Kanton Zürich hat es vorge-macht, einer Initiative zugestimmt und damit die Pau-schalbesteuerung abgeschafft. Der Kanton St.Gallen kann dies auch! Nachdem der Kantonsrat eines Stan-desinitiative zur Abschaffung der Pauschalbesteue-rung beschlossen hat, kommt die Initiative der SP St.Gallen zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung zum richtigen Zeitpunkt.

P a u s c h a l b e s t e u e r u n g k o n k r e tDie Aufwandsteuer berechnet sich nach den jährlichen Lebenshaltungskosten. Die Summe der jährlichen Lebenshaltungskosten muss mindestens das Fünffache des Mietzinses oder des Mietwertes des Eigenheims betragen.Bi

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Kantonales Steueramt

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Oberstufe: Bald mehr Integration statt Trennung?

Bildungschef Stefan Kölliker stösst eine Oberstufenreform an. Dabei hat er die SVP-Stammlande im Blick. Doch das Projekt könnte durchaus einen Fortschritt bringen.

In vielen Kantonen der Schweiz absolvieren alle Kin-der gemeinsam Kindergarten und Primarschule.

Dann werden sie fein säuberlich aussortiert: Die gu-ten SchülerInnen (rund zwei Drittel) landen in der Se-kundar-, die schlechten in der Realschule. Die ganz gu-ten machen den Weg über das Gymnasium mit Eintritt nach der 2. Sek. Das Untergymnasium, das direkt an die Primarschule anschliesst, gibt es nur noch in der Stadt St.Gallen. Früher vertraute man zur Trennung der guten von den schlechten Schülern ausschliesslich auf Prüfungen, heute verlässt man sich auf das Urteil der Primarschullehrkräfte.

I m f a l s c h e n S c h u l t y p // Das dreigliedrige Ober-stufenmodell ist ein Abbild unserer Gesellschaft. Im Gymnasium sind Kinder von Oberschichteltern krass übervertreten, in der Sekundarschule ist die Durch-mischung grösser, in der Realschule aber landen fast ausschliesslich Kinder aus der Unterschicht, viele von ihnen haben ungenügende Kenntnisse der Schulspra-che Deutsch. Die Resultate der Pisa-Tests zeigen, dass viele Schülerinnen und Schüler (rund 40%) nicht in dem Schultyp sind, der ihrer Leistungsfähigkeit ent-sprechen würde. Diese Einsichten sind nicht neu, doch im Kanton St.Gallen war bisher der Widerstand gegen eine grundlegende Reform der Oberstufe gross. Dass nun ausgerechnet SVP-Regierungsrat Ste-fan Kölliker ein Projekt startet, bei dem die Struktur der Oberstufe unter die Lupe genommen wird und neue Modelle geprüft werden, das überrascht auf den ersten Blick: Die Bildungspolitik seiner Partei ist ja ausgesprochen konservativ, um es höflich zu sagen. Auch verkündet er landauf und landab, was die Schule brauche, das sei Ruhe, nicht neue Experimente. Woher kommt die Offenheit für eine Reform der Oberstufe? Die Sache ist einfach: Gerade in den SVP-Stammlanden (z.B. im Toggenburg) fehlen die Kinder, die es braucht, um in den Schulgemeinden weiterhin eine Oberstufe mit getrennter Sekundar- und Realschule führen zu können. Darum lässt der Bildungschef nach Modellen suchen, die den Schulgemeinden mehr Spielraum las-sen und ihnen erlauben, ihre eigene Oberstufe weiter-zuführen.

D i e « F l a d e » a l s P r o b l e m // In den ländlichen Gebieten unseres Kantons ist die rigorose Separie-rung von Sekundar- und Realschule, wie wir sie in der Stadt St.Gallen kennen, nicht üblich. In den Oberstu-fenzentren leben die SchülerInnen häufig unter einem Dach, Zusammenarbeit der Lehrkräfte ist möglich. Der Schritt zu einem Modell, das die Mauern zwischen Re-al- und Sekundarschule weiter abbaut oder ganz ein-reisst, ist dort nicht so gross. In der Hauptstadt aber gibt es die die Katho-lische Kantonssekundarschule («Flade»). Wird die Struktur der Oberstufe im Kanton verändert, muss sich auch die «Flade» ändern. Sie zu diesen Änderungen zu zwingen, wird nicht einfach sein: Sie ist alt (sie feiert im Juni ihren 200. Geburtstag), angesehen und einfluss-reich. Sie drückt der Oberstufe in der Stadt ihren Stem-pel auf – mit ihrem hohen Niveau, wie sie behauptet; mit der Absorbierung eines beträchtlichen Anteils städ-tischer SekundarschülerInnen, wie die Schulbehörden meinen. Auf jeden Fall muss verhindert werden, dass die «Flade» und ihre katholischen Schwesterschulen in Wil und Gossau die Schulpolitik des Kantons in Sachen Oberstufe bestimmen. Sollten die katholischen Schu-len sich weigern, bei der Reform der Oberstufe mitzu-ziehen, muss der Kanton ihnen den Geldhahn zudre-hen – rund 90% ihrer Kosten trägt der Kanton. Das Projekt Oberstufenstruktur bietet für die SP die Chance, bei der Umsetzung ihrer Bildungspolitik einen Schritt weiterzukommen: Selektion und Segre-gation auf der Oberstufe müssen zurückgedrängt, In-tegration gefördert werden. Die SP muss sich für ein flexibles Modell mit klaren Rahmenbedingungen ein-setzen, Bedingungen, die für alle gelten, damit nicht jede Schulgemeinde und jede Privatschule machen kann, was sie will. Hansueli Baumgartner

Katholische «Flade» in St.Gallen

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Ja zum Berufs-bildungsfonds!

Von Pascal Kübli, Stadtparlamenta-rier Juso, St.Gallen

Es gibt einen Weg, Jugendlichen berufliche Perspektiven und Chancengleichheit zu eröffnen – mit einem Berufsbildungsfonds. Das Projekt verdient ein überzeugtes Ja.

Im Februar 2008 hat im Kanton St.Gallen das Sam-meln für die Lehrstelleninitiative begonnen. Das

Ziel war es, einen Berufsbildungsfonds zu schaffen, in den alle Betriebe höchstens eine Promille der AHV-pflichtigen Lohnsumme einzahlen. Den Betrieben, die Lernende ausbilden, werden Aufwendungen im Zu-sammenhang mit der Lehrlingsausbildung aus dem Fonds mitfinanziert. Auch Ausgaben für die Berufs-bildung allgemein und die berufliche Weiterbildung und Ausgaben für die Lehrstellenbesetzung und die Eingliederung Jugendlicher in die Arbeitswelt werden durch den Berufsbildungsfonds entlastet. Die Verwal-tung des Fonds übernimmt eine tripartite Kommissi-on, die aus VertreterInnen aus Arbeitgeberorganisati-onen, Arbeitnehmerorganisationen und des Kantons bestehen. Das Initiativkomitee erhofft sich aus einem solchen Fonds mehr Lehrstellen. Es braucht mehr Be-triebe, die bereit sind, mehr Lernende auszubilden. Nur so kann die Zeitbombe der Jugendarbeitslosigkeit entschärft werden.

Ü b e r z e u g e n d e I d e e // Am 11. Juli 2008 wurde die Initiative mit 4558 Unterschriften beim Kanton einge-reicht. Da das Anliegen in Form einer einfachen An-regung eingereicht werden sollte, wären 4’000 Unter-schriften nötig gewesen. Die Juso hat sich sehr stark an der Unterschriftensammlung beteiligt. Unterstützt wurde sie durch die SP und den Kantonalen Gewerk-schaftsbund. Das Sammeln war insofern relativ ein-fach, da sich viele Leute auf der Strasse von der Idee überzeugen liessen. Was den Sammelnden ebenfalls zur Hilfe kam, ist, dass vergleichbare Fonds in anderen

Kantonen schon seit längerem existieren, etwa in den Kantonen Wallis, Neuenburg, Genf und Freiburg. Im Herbst 2008 hiessen auch die Zürcher Stimmberech-tigten die Einrichtung eines entsprechenden Fonds gut. Mit 58% der Stimmen war das Ja sehr deutlich. Nun, ein halbes Jahr später, sieht die wirtschaft-liche Situation anders aus. Gemäss dem Schweize-rischen Gewerkschaftsbund (SGB) trifft die Krise die Ju-gendlichen besonders hart. Es wird für 2010 von einem Drittel mehr Jugendarbeitslosen gesprochen. Heute sind schweizweit bereits 20'000 Jugendliche in einer Zwischenlösung. Die Tatsache, dass nur jeder zweite arbeitslose Jugendliche sich bei der Arbeitslosenversi-cherung einschreibt, lässt aber eine höhere Zahl ver-muten. Serge Gaillard, Direktor für Arbeit im Staatsse-kretariat für Wirtschaft, sieht Handlungsbedarf.

F a u l e A r g u m e n t e d e r R e g i e r u n g // Obwohl die Zahlen nicht zu bestreiten sind, lehnt die St.Galler Re-gierung die Schaffung eines Berufsbildungsfonds ab. Sie begründet ihren Entscheid damit, dass ein solcher Fonds keine zusätzlichen Lehrstellen schaffen würde, sondern bisherige gefährde. Das sei deshalb der Fall, weil Betriebe, die schon Lehrstellen haben, sich somit von dieser Aufgabe freikaufen können. Der Gewerbe-verband unterstützt diese Entscheidung. Die Wirt-schaft nehme ihre Verantwortung wahr und stelle ge-nügend Ausbildungsplätze zur Verfügung. Es fällt auf, dass sich die Regierung nicht rich-tig mit dem Inhalt der Initiative befasst hat. Dass ge-rade in kleineren Betrieben die finanzielle Unterstüt-zung Anreize zur Schaffung neuer Ausbildungsplätze schafft, lässt die Regierung in ihrer Antwort aus. Wei-ter werden Betriebe, die bereits Lernende ausbilden, finanziell entlastet. Wieso sollen also genau diese Be-triebe die Ausbildungsplätze aufgeben? Die Antwort der Regierung ist nicht nur löchrig, sie ist auch ver-fehlt, da sie nicht fundierte Behauptungen aufstellt. Die Vermutung liegt nahe, dass die St.Galler Regierung den Berufsbildungsfonds partout nicht haben will.

K n a u s r i g b e i S t i p e n d i e n // Ein weiterer Versuch, mehr Chancengleichheit und Perspektiven in der Aus-bildung zu schaffen, ist in der Regierung und im Kan-tonsrat ebenfalls gescheitert. Donat Ledergerber (SP) hat in einer Motion den Beitritt zum Internationalen Konkordat zur Harmonisierung des Stipendienwe-sens gefordert. In der Schweiz ist das Stipendienwesen sehr unterschiedlich. In den einen Kantonen bekommt man mehr, in den anderen weniger. Eine Harmonisie-rung des Stipendienwesens ist angebracht. Der Kanton St.Gallen gewährt, im Vergleich zu anderen Kantonen, sehr wenig Stipendien. Bei einer Harmonisierung wür-de das also heissen, dass die St.Galler Studierenden endlich mehr Stipendien erhalten würden. Der Kan-tonsrat und die Regierung haben die Motion nicht er-heblich erklärt. Die Begründung: Es würde den Kanton teuer zu stehen kommen. Doch überall, wo Fortschritt ist, braucht es fi-nanzielle Mittel. Ein chinesisches Sprichwort trifft den Nagel auf den Kopf: «Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmüh-len.» Es bleibt zu hoffen, dass das St.Galler Volk die Chance, Windmühlen zu bauen, mit einem Ja zum Be-rufsbildungsfonds wahrnimmt.Bi

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Grüningers Verhinderer

Der Historiker Wulff Bickenbach enthüllt, wie die St.Galler Regierung die Rehabilitierung von Paul Grüninger nach Kräften behindert und hintertrieben hat.

Die Rehabilitierung von Polizeihauptmann Paul Grü-ninger, der Hunderten von Juden das Leben gerettet hat und dafür entlassen und verurteilt wurde, war ein jahrzehntelanger Eiertanz. Erst 1993, im zehnten An-lauf, wurde Grüninger nachträglich freigesprochen. Dies auf Betreiben des Vereins «Gerechtigkeit für Paul Grüninger» mit Grüningers Tochter Ruth Roduner, WoZ-Autor Stefan Keller und SP-Nationalrat Paul Rech- steiner. Die St.Galler Regierung hat Grüningers Aner-kennung lange Zeit verhindert. «Sie gab nur dann nach, wenn es sich nicht mehr vermeiden liess», schreibt Wulff Bickenbach in seiner eben erschienenen Disser-tation. Dies aus politischen Gründen: Sie wollte par-tout keine früheren Fehler eingestehen. Und in den Aktivitäten des Vereins erblickte sie einen Angriff von Linken auf die offizielle Asylpolitik, den es unbedingt abzuwehren galt. Bickenbach schildert minutiös diesen zähen, letztlich doch erfolglosen Kleinkrieg machtgewohner Magistraten mit ihrem veralteten Geschichtsbild, von dem sie nicht ablassen konnten. Bis Mitte der 1980er-Jahre habe man sich hinter dem Argument ver-schanzt, man könne keine Urteile aufheben, weil das st.gallische Recht den Begriff der Rehabilitierung nicht kenne. Gleichzeitig habe die Regierung den kursieren-den Gerüchten gegen Grüninger über dessen angeb-liches Fehlverhalten nicht nur nicht widersprochen, sondern diese sogar noch geschürt. Bickenbach be-legt dies anhand diverser Ablehnungsbescheide nach Grüningers Tod im Jahr 1972. Selbst nach Stefan Kellers Buch «Grüningers Fall», in dem mit all diesen Gerüch-ten gründlich aufgeräumt wurde, habe die Staatskanz-lei weiterhin versucht, Grüninger zu verunglimpfen und Beweise gegen ihn zu manipulieren. Staatsschrei-ber Dr. Dieter J. Niedermann (CVP) hielt daran fest, dass «Fragen offen» blieben und dass «50 Jahre spä-ter keine Gewissheit mehr erreichbar» sei. Bickenbach zeiht den Beamten gar versteckt antisemitischer Argu-mentationen. Weiter zählt er auch den damaligen Chef des Amtes für Kultur, Walter Lendi (CVP), zu den Ver-hinderern. Dieser führte in einem Schreiben aus, dass der Fall Grüninger «von Paul Rechsteiner und Konsor-ten» politisch missbraucht werde. Noch als der öffent-liche Druck derart anwuchs, dass eine Prozessaufnah-me unvermeidlich wurde, riet der Beamte in einem

Schreiben an den Regierungsrat, die ganze Sache aus-zusitzen. Dieser blieb denn auch passiv und rührte für die rechtliche Rehabilitierung keinen Finger.

A l t g e d i e n t e M a g i s t r a t e n // Bickenbachs Ent-hüllungen machen klar, warum die Lokalbehörden bis auf den heutigen Tag Mühe mit dem Fall Grüninger be-kunden. Zu sehr hatten sie sich auf die offensiv agie-renden Verfechter Grüningers eingeschossen, als dass sie noch hätten über ihren Schatten springen können: Stets machtgewohnt, sahen sie sich plötzlich an die Wand gespielt und reagierten mit Verweigerung. Es gab Krach um die Stiftung, das Grüninger-Buch wur-de nicht in den Lehrmittelverlag aufgenommen. In St.Gallen wurde zunächst nur ein unbekannter Feld-weg in Grüninger-Weg umbenannt, bis es dann doch zum Grüninger-Platz kam. Und die Benennung des Stadions Krontal in «Paul Grüninger Stadion» lief als ähnliches Trauerspiel ab. Auch hier agierten im Hin-tergrund altgediente CVP-Magistraten. Prof. Jacques Picard von der Universität Basel spricht von einer «knirschenden Anerkennung» in der Heimat, während Grüninger sonst in aller Welt geehrt wurde. Bickenbachs Buch ist ein Stück historische Auf-klärung im besten Sinne, bringt es doch unbequeme Wahrheiten ans Licht. Der in Deutschland lebende Autor wurde während des Studiums auf den Fall Grü-ninger aufmerksam und entschloss sich, ihn zu unter-suchen. Kein einheimischer Historiker hat es gewagt, sich mit diesem Thema die Karriere zu vermiesen. (rh)

Wulff Bickenbach, Gerechtigkeit für Paul Grüninger. Verur-teilung und Rehabilitierung eines Schweizer Fluchthelfers (1938-1998), Böhlau-Verlag Köln, 2009

Flüchtlingsretter Paul Grüninger (1891–1972)

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68 Mia verzockt: Und unsere Sozialwerke?

1.MaiSt.G

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17 Uhr BesammlungBahnhofplatz

17.20 Uhr Demobeginn

18 Uhr KundgebungMarktplatzVania Aleva, Unia Geschäfts-leitung, SGB VorstandAna Maria Polo Pollares, Consejo pro BoliviaAnnemarie Gantenbein, PdA, comediaPhillip Enzler, Juso/Unia-Jugend

19 Uhr Festwirtschaft im Zelt bei GrabenhalleKultur in Grabenhalle20.30 Uhr Poetry Slam21.30 Uhr, Briganti, Band aus Italien

Nachfeier:So, 3. Mai, ab 15 UhrRestaurant EngelFestwirtschaft bis 23 Uhr16.30 Uhr Referat von Raul Zelik, Berlin: Lateinamerikanische sozia-listische Alternativen zum KatastrophenkapitalismusEssen ab 18.30 Uhr

Im KinoK

Do, 30. April 20.30 Uhr«Testamento»Eine Geschichte der lateinamerikanischen Revolutionen

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Volkswidrige Zwängerei beim Ladenschluss

Trotz zweimaligem Volks-Nein hat der St.Galler Kantonsrat eine Motion gutgeheissen, die den Ladenschluss an Werktagen von heute 19 Uhr neu auf 20 Uhr und samstags von 17 auf 18 Uhr hinausschieben will.

Immer wieder und überall wird am Ladenschluss ge-schraubt – auch im Kanton St.Gallen. Dabei ist längst

bekannt, dass längere Öffnungszeiten den Geschäf-ten nichts bringen, denn die Umsätze verteilen sich einfach auf mehr Stunden. Gleichzeitig steigen aber die Kosten, denn längere Öffnungszeiten brauchen mehr Personal und mehr Energie. Der spätere Laden-schluss belastet insbesondere das Privatleben der An-gestellten im Verkauf. Doch von solchen Argumenten wollten die drei bürgerlichen Kantonsräte Armin Eugster (CVP, Wil), Hans M. Richle (SVP, St.Gallen) und Hansruedi Spiess (FDP, Rapperswil) nichts wissen. In ihrer gemeinsam eingereichten Motion hatten sie ur-sprünglich einen täglichen Abendverkauf bis 21 Uhr sowie Samstags-Öffnungszeiten bis 18 Uhr für alle De-tailhandelsgeschäfte auf dem gesamten Kantonsgebiet verlangt. 23 weitere Ratsmitglieder hatten die Motion mitunterzeichnet. Der Regierung ging die Forderung eines täg-lichen Abendverkaufs bis 21 Uhr zu weit. Sie lehnte die Motion ab. Der Gewerkschaftsbund gab schon im Vor-feld der letzten Session seine Opposition gegen ein er-neutes Schräubeln am Ladenschlussgesetz bekannt. Die GewerkschafterInnen erinnerten daran, dass schon zweimal – 1996 und 2003 – derart weit gehende Ladenöffnungszeiten in Volksabstimmungen geschei-tert sind. Die angekündigte Opposition veranlasste die Motionäre zumindest zu einem Teilrückzieher: Statt jeden Abend bis 21 Uhr, forderten sie nun nur noch die Ausdehnung bis 20 Uhr, samstags bis 18 Uhr. Gleich-zeitig akzeptierten sie, dass der heutige Abendverkauf – einmal in der Woche bis 21 Uhr – abgeschafft wird.

J o s e f K e l l e r k i p p t // Mit diesem Kompromiss könne er leben, gab Regierungsrat Josef Keller seine ursprüngliche Opposition gegen die Motion auf. Er musste auch klein beigeben, weil die Regierung erst im letzten November für Rapperswil-Jona eine gene-relle Ausnahmeregelung bewilligt und so den Vorstoss recht eigentlich provoziert hatte. In der Rosenstadt dürfen seit April die Läden täglich bis 20 Uhr offen ha-

ben. Diese «Lex Rapperswil-Jona» entstand, weil die lokalen Ladenbesitzer – zusammengeschlossen in der Organisation «Einkaufsziel Rapperswil» – so lange in St.Gallen «stürmten», bis die Regierung nachgab. Das Hauptargument: Auf der anderen Seeseite, im See-dammzentrum auf Schwyzer Kantonsgebiet, seien die Läden auch bis 20 Uhr offen, das schade dem Rappers-wiler Gewerbe. Aber noch sind die Läden im Kanton St.Gallen nur bis 18.30 Uhr offen, an einigen Orten inzwischen bis 19 Uhr. Bevor alle bis 20 Uhr verkaufen dürfen, braucht es eine erneute Revision des erst viereinhalb Jahre alten Gesetzes über Ruhetag und Ladenöffnung. Zuerst muss nun die Regierung die Änderungen dem Kantonsrat beantragen, dann wird es zu einer neuen Diskussion im Rat kommen. Klar ist, dass die Gewerk-schafterInnen, viele Linke, Grüne und die EVP, aber auch einige CVP-PolitikerInnen dann noch einmal da-gegen stimmen werden. Dass aber das Parlament ei-nen Ladenschluss um 20 Uhr gutheissen wird, ist an-gesichts der Mehrheitsverhältnisse leider so gut wie sicher.

W o b l e i b e n d i e G AV ? // Am Gewerkschaftsbund wird es liegen, ob die Bevölkerung danach ein drittes Mal über das Thema abstimmen muss. Ob das Refe-rendum ergriffen wird, hängt davon ab, ob sich Regie-rung und Kantonsrat bereit erklären, endlich einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für das gesamte Verkaufs-personal auf Kantonsgebiet zu erlassen. Bisher haben nur die Angestellten der Grossverteiler Migros und Coop firmeneigene Verträge und – dank dem Einsatz der Gewerkschaften – auch das Personal der Tankstel-lenshops. Der Tankstellenshop-GAV war Teil des Kom-promisses bei der Gesetzesrevision von 1994, bei dem diese Shops Öffnungszeiten bis 22 Uhr zugestanden bekamen. Dieser GAV ist zwar kein Meilenstein für die Arbeitnehmerrechte, doch immerhin stellt er sicher, dass die schlimmste Lohndumpingpraxis mit der Ar-beit auf Abruf in diesem Bereich unterbunden wird. Wie wichtig solche Schutzbestimmungen für alle Verkaufsberufe wären, zeigte sich an einer Ta-gung, die der Gewerkschaftsbund St.Gallen im März im Auftrag der Grenzpartnerschaft «Eures-Bodensee» durchgeführt hatte. Dort berichtete unter anderem Karl Raggenbass, Leiter des Arbeitsinspektorats des Kantons St.Gallen, wie die längeren Öffnungszeiten vor allem in Kleinbetrieben mitunter zu gesetzeswid-rigen Zuständen führen: Zu lange Einsatzzeiten fürs Personal, nicht bewilligte Sonntagsarbeit und Berufs-krankheiten treffen die Kontrolleure immer wieder an. Die Tagungsteilnehmer aus Deutschland, Österreich und Liechtenstein schilderten übereinstimmend, wie mit den längeren Öffnungszeiten der Druck auf die Ar-beitsbedingungen zunimmt. (kgb)

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AZB9000 St.Gallen

S e r v i c eLinks Nr. 2/2009 Redaktionsschluss: 28. April 2009Erscheinen: 25. Mai 2009

SP Goldach23. April, Hauptversammlung, Restaurant «Wildä Stiär», 20 Uhr

SP Flawil22. April, Mitgliederversammlung, Rest. Ochsen, 20 Uhr

SP Rapperswil-Jona23.April, Mitgliederversammlung

SP Rheintal21. Juni, Brunch, Lüchingen, ab 10 Uhr

SP St.Margrethen16. April, Höck, Pizzeria da Franco, 19.30 Uhr

SP Uzwil6. Mai, Hauptversammlung, Restau-rant «Wespiwiese»

SP Walenstadt6. April, Hauptversammlung, Hotel Churfirsten, 20.15 Uhr

SP Wil8. Juni, Mitgliederversammlung zum Thema «Energie»

19.00 Uhr Festwirtschaft bei Gra-benhalle, 20.30 Uhr GrabenhallePoetry Slam, 21.3o BrigantiSt.Gallen 1.Mai-Nachfeier Sonntag, 3. Mai Restaurant Engel 15–23 Uhr Festwirtschaft, 16.30 Referat Paul Zelik, Essen ab 18.30 Uhr

SP-Vorstösse aus der Februarsession

Vorstösse «Rotes Konjunkturpaket» Motionen (alle im Namen der SP-Fraktion)Mit den 180 Millionen Gewinn 2008 die St.Galler Wirtschaft an-kurbeln; Standesinitiative zur Auf-hebung der Begrenzung der Ein-speisevergütung für erneuerbare Energien; Ausbildungsplätze im Gesundheits- und Kinderbetreu-ungsbereich fördern; Standesini-tiative Krankenkassenprämien von Kindern übernimmt der Bund; Ein Weiterbildungsgesetz für den Kan-ton St.Gallen

InterpellationenGemperle-Goldach: Massnahmen für mehr Energieeffizienz; Gadient-Walenstadt: Wie setzt die IV in der Krise ihre 5. Revision um?; Friedl- St.Gallen: Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Hoch-schulen sichern

Impressum «links». // Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen. Erscheint mindestens 5x jährlich. Herausgeberin: SP des Kantons St.Gallen, Postfach, 9001 St.Gallen, Tel. 071 222 45 85, [email protected] An dieser Nummer haben mitgearbeitet: Hansueli Baumgartner, Felix Birchler, Fredy Fässler, Ralph Hug, Peter Olibet, Beda Suter u.a. Markus Traber: Gestaltung, Layout Druck: Tschudy Druck AG, St.Gallen

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Weitere Vorstösse:MotionSP-Fraktion: Pauschalbesteuerung jetzt abschaffen

Interpellationen Bachmann-St.Gallen: Selbstver-teidigungskurse als Beitrag zur Verminderung von Gewalt gegen Mädchen; Blumer-Gossau und an-dere: Sicherstellung von Pflege-leistungen – heute und morgen; Friedl-St.Gallen: Verbesserung der Wasserqualität für die Steinach – und für den Bodensee?

Einfache Anfragen Hartmann-Flawil: Ausschreibung Unterhaltsreinigung für kantonale Verwaltungsgebäude; Lederger-ber-Kirchberg: Bedeutung des Bil-dungsstandortes Wattwil

Der jährliche Parteitag der SP Kanton St.Gallen war-tet mit einem spannenden Programm auf. Neben ver-schieden Referaten zur aktuellen Wirtschaftskrise (u.a. von Nationalrätin Hilde Fässler und dem Juso Schweiz Präsidenten Cédric Wermuth) steht die Diskussion über die Lancierung einer kantonalen Volksinitiative zur Abschaffung der Pauschalsteuer im Zentrum der Debatte. Die Delegiertenkarten für den Parteitag wur-den an die Sektionspräsidentinnen und -präsidenten versandt. Interessierte Mitglieder und Sympathisant-Innen sind als Gäste ebenfalls herzlich willkommen.

Samstag, 25. April, 10.30 – 15 Uhr im Toggenburgerhof in Kirchberg SG

10.30 Uhr Ordentliche Traktanden Eröffnungsrede Claudia Friedl, Parteipräsidentin

11.45 Uhr Schwerpunkt Lohngerechtigkeit Referat Cédric Wermuth, Co-Präsident

SP Schweiz12.00 Uhr Parolenfassungen für kantonale Abstimmungen vom 17. Mai 0912.30 Uhr Mittagessen13.30 Uhr Schwerpunkt Wirtschaftsgerechtigkeit;

Referate Hilde Fässler, Nationalrätin, Präsidentin WAK, Barbara Gysi, Frak- tionspräsidentin

14.00 Uhr Kultureller Zwischengang14.20 Uhr Schwerpunkt Steuergerechtigkeit; Referat Peter Hartmann, Kantonsrat, Fla-

wil; Lancierung Kantonale Volksinitiative zur Abschaffung der Pauschalsteuer «Schluss mit den Steuervorteilen für aus-ländische Millionärinnen und Millionäre»

14.40 Uhr Schwerpunkt Bildungsgerechtigkeit; Referat Felix Birchler, Präsident SP Stadt St.Gallen,

ab 15 Uhr Apéro offeriert von der Gemeinde Kirch-berg; Grussworte von Christoph Häne, Gemeindepräsident

Kantonaler Parteitag: Soziale Gerechtigkeitin der Krise

1. Mai-FeiernWil Hof zu Wil, 19.30 Uhr National-rätin Jacqueline Fehr, anschl. Schef-tenauer Saitensprung

Rorschach mit Andrea Hämmerle, 19 Uhr

Walenstadt «zur Säge», 17.30 UhrApéro, 19 Uhr Hildegard Fässler,20 Uhr «Blues with a feeling»

Rapperswil-Jona Fischmarktplatz, 11.30 – 17 Uhr Festwirtschaft,15 Uhr Barbara Gysi

St.Gallen, KinoK Donnerstag, 30. April, 20.30 Uhr «Testamento» St.Gallen Bahnhofplatz, 17 Uhr De-mo, 18 Uhr Kundgebung Marktplatz: Vania Aleva, Ana Maria Polo Polla-res, Consejo pro Bolivia, AnnemarieGantenbein, Phillip Enzler