links! ausgabe 10/2015

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25 Jahre Einheit, 25 Jahre „Frei- heit“. Wirklich? Für wen, wie vie- le und welche Freiheit? Gera- de recht zum Jubiläum kommen zwei Nachrichten, die diese 25 Jahre charakterisieren: 1. Der Verkauf des Salzbergbaus in Bischofferode 1993 an die Kali und Salz AG durch die Treuhand war stets nur eine erwürgende Umarmung zur Beseitigung un- liebsamer Ost-Konkurrenz. Die Verträge der Treuhand bis vor kurzem geheimgehalten, krimi- nelle Bereicherung und absichts- voller Rechtsbruch müssen un- term Deckel bleiben. Man darf an TTIP, TISA und CETA denken! Die Rechnung damals haben die Kumpel gezahlt, mit Arbeitslo- sigkeit, Neuorientierung, sozi- alem Abstieg oder dem Verlas- sen ihrer Heimat. Sicher haben einige auch „Karriere“ gemacht. Das Ganze aber ist kein Einzelfall, sondern flächendeckend und staatlich legalisiert. Die Kum- pel wachten auf, aber ein ganzes Volk schlief und ließ sich von sei- nem „Volkseigentum“ enteignen, hat nie Eigentümerbewusstsein entwickelt. Man lese die Bücher zur Treuhand und über die Wirt- schaſtsentwicklung im Osten seit der „Wende“. Noch heute ist das Bruttoinlandsprodukt der ver- schiedenen DDR nicht wieder erreicht! Drei bis vier Millionen Menschen haben den Osten we- gen Perspektivlosigkeit verlas- sen. Gekürzt werden die Budgets für öffentliche Einrichtungen für Kultur, Kunst und Freizeit. Nie- mals bekommt man einen Ver- gleich zu den Einrichtungen, die die DDR auf diesem Sektor finan- zierte. Ich denke an Kulturhäuser, Orchester, auch an Schwimmhal- len und öffentliche Bibliotheken, an Betriebskulturhäuser, -biblio- theken und -urlaubsobjekte. 2. VW kommt in die Schlagzeilen mit dem Vorwurf vorsätzlichen Massenbetrugs. Der ist nur die Folge kapitalistischen Verwer- tungsdenkens. Da ist keine Ethik, nur das Interesse an Umsatz und Gewinn. Wo die in Gefahr gera- ten, wird betrogen – dazu wird sogar der technische Fortschritt missbraucht. Wo ein Problem im Konkurrenzdruck nicht gelöst werden kann, reichen Wissen- schaſt und Marketing allemal, um das „gute Produkt“ zu plat- zieren. Und schon ist VW nicht mehr allein. Aber die Vorge- hensweise, Soſtware vorsätzlich zum Betrug entwickelt zu haben, könnte Alleinstellungsmerkmal bleiben. Konkurrenzdruck und Akkumulationszwang bedingen kriminelle Energie. Im Jubiläumsjahr hat Deutsch- land eine der größten Heraus- forderungen seiner neuen Ge- schichte zu bewältigen – das Flüchtlingsdrama. Da zeigt sich folgerichtig jenes in 1. und 2. skizzierte Denken als dominant. Die Reaktionen von Politik und öffentlicher Meinung entspran- gen ganz diesem Geist. Dass es zuallererst um physische Exis- tenzbedrohung, Lebensbedro- hung geht, wird gar nicht primär thematisiert. Nicht Überlebens- hilfe, nicht, dass genug Geld in der Welt ist, auch in Deutsch- land, diesen Menschen zu hel- fen, nein, ihre (Nicht-)Berech- tigung, zu kommen, steht im Vordergrund. Alles, was Kosten verursachen könnte, vom Leibe halten! Was soll „die deutsche Wirtschaſt“ mit Frauen und Kin- dern als Kostgängern, was mit jungen Leuten, die nur „besser leben“ wollen, aber nicht gut ausgebildet sind? Aber gut aus- gebildete Arbeitskräſte, Inge- nieure, Wissenschaſtler nimmt „die deutsche Wirtschaſt“ immer gern, spart Ausbildungskosten. Der Staat sekundiert mit Geset- zen, um diese Interessen abzusi- chern. Der „Nützlichkeitsrassis- mus“ (Katja Kipping) kommt aus „der Wirtschaſt“, ist in „Politik“ und Gesetz zu Hause, wird von „den Medien“ bedient. Und dann wundern sie sich noch, wenn Asylheime brennen! Dem „Kapitalismus“ ist nur ei- ne dünne Schicht von Humani- tät auferlegt – in nur wenigen Ländern, in Kämpfen errungen. Nicht der Mensch, sondern nur seine Fähigkeit zu wert-schöp- fender Arbeit ist der Gesichts- punkt dieses Denkens. Die Kehrseite: Alles, was nicht Wert schöpfen kann, ist „Kostenfak- tor“, der reduziert werden muss. Die Extreme: Selbstüberlassung mit Hungertod oder Auschwitz! Wo die Wertschöpfung nicht reicht, wird bestochen, betro- gen, spekuliert, kriminelle Um- verteilung eben – Flick, Schäub- le, Esser, Ackermann, Hoeneß, Winterkorn, sogar ein Blatter. Ein solches Wirtschaſtsdenken kann keinen Humanismus her- vorbringen! Erinnerung an die Ausgangsfrage des Artikels! Nur Zivilgesellschaſt und Staat können dem Einhalt gebieten. In einem Staatswesen, in dem solch primitiver Ökonomismus zur Staatsdoktrin wurde, hat ei- ne sozialistische Partei für diese 25 Jahre nichts zu feiern. „Linke“ sollten wieder mehr auf geostra- tegische und historische Zusam- menhänge achten und nicht bloß parlamentsorientierte Politprag- matik betreiben. Sollte Deutsch- land einen nachhaltigen Beitrag zu einer solidarischen, humanen Lösung des Flüchtlingsproblems leisten – dann gäbe es was zu fei- ern. • Ralf Becker Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Oktober 2015 Gibt‘s was zu feiern? Neu: Links! im Digitalabo. Jede Ausgabe schon drei Tage früher im Mailpostfach! Jetzt kostenlos bestellen: www.links-sachsen.de/abonnieren, [email protected] oder 0351-84 38 9773. Thema: 25 Jahre Deutsche Einheit

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Ausgabe Oktober 2015 inklusive aller Beilagen.

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Page 1: LINKS! Ausgabe 10/2015

25 Jahre Einheit, 25 Jahre „Frei-heit“. Wirklich? Für wen, wie vie-le und welche Freiheit? Gera-de recht zum Jubiläum kommen zwei Nachrichten, die diese 25 Jahre charakterisieren:1. Der Verkauf des Salzbergbaus in Bischofferode 1993 an die Kali und Salz AG durch die Treuhand war stets nur eine erwürgende Umarmung zur Beseitigung un-liebsamer Ost-Konkurrenz. Die Verträge der Treuhand bis vor kurzem geheimgehalten, krimi-nelle Bereicherung und absichts-voller Rechtsbruch müssen un-term Deckel bleiben. Man darf an TTIP, TISA und CETA denken! Die Rechnung damals haben die Kumpel gezahlt, mit Arbeitslo-sigkeit, Neuorientierung, sozi-alem Abstieg oder dem Verlas-sen ihrer Heimat. Sicher haben einige auch „Karriere“ gemacht. Das Ganze aber ist kein Einzelfall, sondern flächendeckend und staatlich legalisiert. Die Kum-pel wachten auf, aber ein ganzes Volk schlief und ließ sich von sei-nem „Volkseigentum“ enteignen, hat nie Eigentümerbewusstsein entwickelt. Man lese die Bücher zur Treuhand und über die Wirt-schaftsentwicklung im Osten seit der „Wende“. Noch heute ist das Bruttoinlandsprodukt der ver-schiedenen DDR nicht wieder erreicht! Drei bis vier Millionen Menschen haben den Osten we-gen Perspektivlosigkeit verlas-sen. Gekürzt werden die Budgets für öffentliche Einrichtungen für Kultur, Kunst und Freizeit. Nie-mals bekommt man einen Ver-gleich zu den Einrichtungen, die die DDR auf diesem Sektor finan-zierte. Ich denke an Kulturhäuser, Orchester, auch an Schwimmhal-len und öffentliche Bibliotheken, an Betriebskulturhäuser, -biblio-theken und -urlaubsobjekte.2. VW kommt in die Schlagzeilen mit dem Vorwurf vorsätzlichen Massenbetrugs. Der ist nur die Folge kapitalistischen Verwer-tungsdenkens. Da ist keine Ethik, nur das Interesse an Umsatz und Gewinn. Wo die in Gefahr gera-ten, wird betrogen – dazu wird sogar der technische Fortschritt missbraucht. Wo ein Problem im Konkurrenzdruck nicht gelöst werden kann, reichen Wissen-schaft und Marketing allemal, um das „gute Produkt“ zu plat-zieren. Und schon ist VW nicht mehr allein. Aber die Vorge-hensweise, Software vorsätzlich zum Betrug entwickelt zu haben,

könnte Alleinstellungsmerkmal bleiben. Konkurrenzdruck und Akkumulationszwang bedingen kriminelle Energie.Im Jubiläumsjahr hat Deutsch-land eine der größten Heraus-forderungen seiner neuen Ge-schichte zu bewältigen – das Flüchtlingsdrama. Da zeigt sich folgerichtig jenes in 1. und 2. skizzierte Denken als dominant. Die Reaktionen von Politik und öffentlicher Meinung entspran-gen ganz diesem Geist. Dass es zuallererst um physische Exis-tenzbedrohung, Lebensbedro-hung geht, wird gar nicht primär thematisiert. Nicht Überlebens-hilfe, nicht, dass genug Geld in der Welt ist, auch in Deutsch-land, diesen Menschen zu hel-fen, nein, ihre (Nicht-)Berech-tigung, zu kommen, steht im Vordergrund. Alles, was Kosten verursachen könnte, vom Leibe halten! Was soll „die deutsche Wirtschaft“ mit Frauen und Kin-dern als Kostgängern, was mit jungen Leuten, die nur „besser leben“ wollen, aber nicht gut ausgebildet sind? Aber gut aus-gebildete Arbeitskräfte, Inge-nieure, Wissenschaftler nimmt „die deutsche Wirtschaft“ immer gern, spart Ausbildungskosten. Der Staat sekundiert mit Geset-zen, um diese Interessen abzusi-chern. Der „Nützlichkeitsrassis-mus“ (Katja Kipping) kommt aus „der Wirtschaft“, ist in „Politik“ und Gesetz zu Hause, wird von „den Medien“ bedient. Und dann wundern sie sich noch, wenn Asylheime brennen!Dem „Kapitalismus“ ist nur ei-ne dünne Schicht von Humani-tät auferlegt – in nur wenigen Ländern, in Kämpfen errungen. Nicht der Mensch, sondern nur seine Fähigkeit zu wert-schöp-fender Arbeit ist der Gesichts-punkt dieses Denkens. Die Kehrseite: Alles, was nicht Wert schöpfen kann, ist „Kostenfak-tor“, der reduziert werden muss. Die Extreme: Selbstüberlassung mit Hungertod oder Auschwitz! Wo die Wertschöpfung nicht reicht, wird bestochen, betro-gen, spekuliert, kriminelle Um-verteilung eben – Flick, Schäub-le, Esser, Ackermann, Hoeneß, Winterkorn, sogar ein Blatter. Ein solches Wirtschaftsdenken kann keinen Humanismus her-vorbringen! Erinnerung an die Ausgangsfrage des Artikels! Nur Zivilgesellschaft und Staat können dem Einhalt gebieten. In einem Staatswesen, in dem solch primitiver Ökonomismus zur Staatsdoktrin wurde, hat ei-ne sozialistische Partei für diese 25 Jahre nichts zu feiern. „Linke“ sollten wieder mehr auf geostra-tegische und historische Zusam-menhänge achten und nicht bloß parlamentsorientierte Politprag-matik betreiben. Sollte Deutsch-land einen nachhaltigen Beitrag zu einer solidarischen, humanen Lösung des Flüchtlingsproblems leisten – dann gäbe es was zu fei-ern. • Ralf Becker

Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Oktober 2015

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Thema: 25 Jahre Deutsche Einheit

Page 2: LINKS! Ausgabe 10/2015

Seite 2Links! 10/2015 Links! im Gespräch

„Diese Digitalisierungseuphorie finde ich richtig gefährlich“2010 erschien erstmalig der Wegweiser Solidarische Ökono-mie. Soeben kam die neue Aufla-ge heraus. Die Autorin Elisabeth Voß nahm auch Teil am Kon-gress Solidarische Ökonomie, dem Solikon, der vom 10. bis 13. September in Berlin stattfand. Ihm war eine „Wandelwoche“ vorgeschaltet, in der konkrete Projekte in Berlin und Branden-burg besucht und vorgestellt wurden. Ralf Richter sprach für „Links!“ mit der Autorin.

Wer den Kongress besuchte, wurde mit einigen Publikatio-nen beschenkt – unter ande-rem einer Sonderausgabe der taz mit einem offensichtlichen „Solök“-Roboter auf dem Titel-bild. Wie findest Du das?

Ehrlich? Naja … Wenn ich nicht involviert gewesen wäre und die Leute, die den Kongress vorbe-reitet haben, nicht persönlich kennen würde, wäre ich bei die-sem doch eher abschreckend wirkenden Titelbild kaum zum Solikon gekommen.

Weshalb?

Die Basis Solidarischer Ökono-mie sind doch Menschen, die miteinander kommunizieren, dis-kutieren, streiten, Ideen austau-schen. Ich habe immer noch ei-nen Kopf und keinen Bildschirm auf meinem Hals. Dieser alberne Solibot-Roboter auf dem Titelbild drückt für mich das genaue Ge-genteil aus von dem, was ich un-ter Solidarischer Ökonomie ver-stehe.

Aber ist die Digitalisierung denn nicht gerade en vogue?

Ja, es gibt einen regelrechten Di-gital-Hype, auch bei den Linken mit ihrem Sozialismus 2.0. Aber diese Digitalisierungseuphorie finde ich richtig gefährlich. In So-lidarischen Ökonomien geht es ja um die Erfüllung der Bedürfnisse aller Menschen, nicht nur eini-ger weniger. Die Fixierung auf ei-ne Technologie, die Jahr für Jahr Millionen Tote fordert, durch die Folgen von Extraktivismus, Ver-treibung und durch die Kriege um Ressourcen, das halte ich für äu-ßerst problematisch.

Wie definiert sich denn Solida-rische Ökonomie?

Es gibt dafür keine feste Defini-tion. Für mich drückt es der Slo-gan „people before profits“ aus, wobei auch darüber beim Soli-kon kritisch diskutiert wurde. Es geht um menschliche Bedürfnis-befriedigung durch das Herstel-len nützlicher Dinge, nicht um Profite. Wo liegen die Wurzeln des Be-griffs? Den Begriff Solidarische Öko-

nomie hat Louis Razeto aus Chi-le geprägt, in den siebziger Jah-ren des letzten Jahrhunderts. Er hat untersucht, wie wirtschaft-liche Selbsthilfe in Krisenzeiten funktioniert. Wir erleben das ja aktuell auch in Griechenland, wo Menschen aus der Not her-aus zur Selbsthilfe greifen, die von sich aus keine Unternehme-rinnen oder Unternehmer sind.

Das ist das engere Verständnis von Solidarischer Ökonomie – wirtschaftliche Selbsthilfe und Kooperation statt Konkurrenz in genossenschaftlichen Unter-nehmungen. Wir hatten uns aber schon in der Vorbereitungsgrup-pe des Kongress „Wie wollen wir Wirtschaften? Solidarische Öko-nomie im globalisierten Kapi-talismus“ 2006 in Berlin auf ein breiteres Verständnis geeinigt, das eine Wirtschaftsweise um-fasst, die insgesamt der Erfüllung von Bedürfnissen dient und nicht dem Profit, und wo die globale Perspektive und soziale Kämp-fe dazu gehören. Ich finde diese Sachverhalte eigentlich wichti-ger als den Begriff – Worte sind ja heute beliebig verwendbar, sogar die NPD hat solidarisches Wirtschaften in ihrem Partei-programm. Ich denke es kommt eher darauf an, sich darüber zu verständigen, was wer ganz kon-kret meint, jenseits irgendwel-cher Labels.

Im Marxismus wird die Grundfrage nach dem Besitz von Produktionsmitteln ge-stellt …

Ja, das ist wichtig, und es geht auch um die Unterscheidung zwischen Eigentum und Besitz. Besitz ist das, was Menschen nutzen, während Eigentum das ist, was verkauft werden kann

– darüber gibt es oft Unklarhei-ten und auch unterschiedliche Auffassungen. Manche sagen, Besitz ist entscheidend, Haupt-sache die Nutzenden kooperie-ren und das Eigentum ist egal, während ich behaupte, dass Ei-gentum überhaupt nicht egal ist, sondern im Gegenteil das Zent-rale, die Basis darstellt.

Stichwort Sharing Economy …

Hier gibt es ganz bedenkliche Entwicklungen. Unternehmen und Konzerne betreiben immer mehr Internetplattformen und generieren Profite oder verdie-nen am Datenhandel. Bei dem ganzen Sharing-Hype fehlt mir oft der kritische Blick auf die Frage nach dem Eigentum, und danach, wer eigentlich mit wem teilt oder was das ist, das da ge-teilt wird. Und dann geht es ja auch um Überwachung und Da-tensammeln durch Konzerne.

Warum ist die Solidarische Ökonomie ein Nischenthe-ma?

Vielleicht fehlt manchmal der größere Blick, die gesellschaft-liche Perspektive. Ich würde es zum Beispiel heute als Fehler der westdeutschen Alternativen bezeichnen, dass wir früher den Staat abgelehnt und uns auf Ni-schen konzentriert haben. Wir haben zentrale Strukturen ab-gelehnt und den Staat praktisch „den anderen“ überlassen. Heu-te stellt sich für mich die Frage: Wem gehört der Staat?

Es gibt ja die großen Themen wie Energie und Wasser. Ge-rade bei alternativen Energi-en gibt es viele aktive Genos-senschaften – sollte alles in genossenschaftliche Hand kommen?

Nein, nicht alles. Für die Ener-giewende und die Energiepro-duktion spielen Genossen-schaften sicher eine wichtige Rolle. Aber in einer Großstadt sollten die Stromnetze von öf-fentlichen Unternehmen be-trieben werden, so wie wir vom Energietisch das fordern. In Ber-lin bewirbt sich zum Beispiel ei-ne Genossenschaft um die Kon-zession für die Stromnetze. Ich halte das für eine Privatisierung. In einer Genossenschaft ent-scheiden diejenigen, die Ge-nossenschaftsanteile haben. Wer sich das aber nicht leisten kann oder will, hätte dann kein Stimmrecht. So gut und wichtig wie Genossenschaften in ande-ren Bereichen sind, so gibt es auch Grenzen. Bei den öffent-lichen Unternehmen kommt es aber darauf an, dass sie demo-kratisch gesteuert und kontrol-liert werden.

Beim Kongress hatte man das Gefühl, von der Themenbrei-te schier erschlagen zu wer-den. Es war einerseits schön, so viele Ansätze zu sehen, an-dererseits suchte man doch nach dem roten Faden, oder?

Ja, ich hatte auch den Eindruck, dass zu viele Ziele gleichzeitig erreicht werden sollten. Viel-leicht hat die Fokussierung ge-fehlt, bei vielen Themen wurde nur an der Oberfläche gekratzt. Was ich ganz hervorragend fand, war die Wandelwoche mit den vielen tollen Projektbesu-chen, wo an ganz konkreten Bei-spielen gezeigt wurde, wie denn

zum Beispiel Solidarische Land-wirtschaft funktioniert. Das stellte gleichzeitig aber wieder-um nur ein kleines Tortenstück aus dem großen Bereich Solida-rische Ökonomie dar.

Was ist für Dich am Wichtigs-ten auf dem Kongress gewe-sen?

Ganz schön fand ich die freund-liche Stimmung, die ganz stark von den tollen jungen Leuten im Orga-Team geprägt war. Und ich freue mich immer, wenn sich Leute die Arbeit machen, einen Rahmen zu organisieren, wo vie-le verschiedene Menschen zu-sammen kommen, gemeinsam diskutieren, sich gegenseitig inspirieren und dann vielleicht auch gemeinsame Projekte ma-chen.

Welche Entwicklung hat sich über die Jahre vollzogen? In Sachsen sieht man in jüngs-ter Zeit ein zaghaftes Aufblü-hen der Repaircafe-Bewe-gung zum Beispiel …

In Berlin gibt es schon mehr als zehn Repaircafes, das ist eine Bewegung aus dem Do-it-your-self-Bereich, die aus den Nie-derlanden zu uns kommt, seit ein paar Jahren. Was mir auffällt, ist, dass es früher in den Kollek-tivbetrieben oder selbstverwal-teten Projekten um verbindliche Zusammenarbeit für den Le-bensunterhalt ging. Heute gibt es eher Teilzeitkollektive oder Freizeitprojekte, wo die Leute vielleicht ein paar Stunden pro Woche arbeiten, oft ehrenamt-lich oder für ein kleines Entgelt. Wer sich hier bewegt, ist mobil, flexibel, jung, meist weiß und oft männlich, aber es gibt auch – erfreulicherweise – immer mehr Frauen zum Beispiel, die hier aktiv sind.

Leserinnen oder Leser fühlen sich vielleicht durch unser Gespräch hier angesprochen, aus der kapitalistischen Öko-nomie auszubrechen und vielleicht sich in der alternati-ven Ökonomie zu versuchen. Was empfiehlst Du ihnen?

Das kommt darauf an, was wer gerne machen möchte. Auch wenn das jetzt nach doofer Ei-genwerbung klingt: Ich empfeh-le meinen „Wegweiser Solidari-sche Ökonomie“. Dort habe ich nicht nur versucht, zahlreiche Beispiele vorzustellen, sondern auch gelegentlich den Finger in die Wunde gelegt, um vor Fall-stricken zu warnen. Gegenüber der letzten Ausgabe ist der Weg-weiser jetzt mehr als doppelt so dick geworden.

Weitere Informationen:www.voss.solioeko.de

Page 3: LINKS! Ausgabe 10/2015

Seite 3 10/2015 Links!

Niemand wird abstreiten, dass die Zahl der in Europa Zu-flucht und Sicherheit suchen-den Menschen sehr groß ist. Das kann nicht ohne Proble-me abgehen. Auf diese wird sehr unterschiedlich reagiert. Zwischen dem „wir schaffen das“ und dem „Grenzen dicht“ oder dem „refugees welcome“ und dem „das Boot ist voll“ ist vieles möglich – Mutiges und Ängstliches, Gutes und Böses. Unter der Überschrift „Auf dem Weg nach rechts“ lese ich: „Die Bundesrepub-lik Deutschland driftet nach rechts ab. Nein, es sind nicht die in jeweils beherrschba-ren Trupps vor Asylbewerber-heimen ihren Frust mit Mo-

lotowcocktails und Steinen abreagierenden Jugendlichen, die – für sich betrachtet – ei-ne solche Aussage stützen. Es ist die dahinter verborgene klammheimliche Zustimmung der ,braven‘ Bürger für den ungebändigten Ausbruch von Haß und Gewalt“: Die Situation ist brandgefährlich. In Oberös-terreich wurde unlängst zum Landtag gewählt. Für 85 % war die Problematik „Flüchtlinge und Asyl“ das beherrschen-de Thema für die Wahl und gut 30 % trauten ihre einschlägi-gen Ängste der rechtspopulis-tischen und offen nationalis-tischen FPÖ an. Bei uns sucht die AfD auf der gleichen Welle ihr unseliges Glück. „Wohnraum beschlagnahmt. Familie muß Asylanten aufneh-men“ oder „Asylanten jetzt auf Schulhöfe. Neue Welle! Und bis Weihnachten kom-men noch 400 000“. Das wa-ren Schlagzeilen von „BILD“. Der Verdacht, den Flüchtlin-gen ginge es zu gut, taucht immer wieder auf. „Warum bringt man diese Leute nicht gleich in einem 5-Sterne-Hotel

unter oder baut ihnen einen Bungalow“, fragt eine Leser-briefschreiberin. Ein anderer meint, „Mein Gewissen gebie-tet es mir, zu dieser Asylpolitik nicht zu schweigen. Was ant-worte ich später, wenn mei-ne Enkelkinder fragen, wie konntet ihr diese Asylpolitik

zulassen und was habt ihr da-gegen getan?“ Der Spiegel ti-telt: „Flüchtlinge Aussiedler Asylanten. Der Ansturm der Armen“. Genug der Zitate. Sie sprechen eine deutliche Spra-che. Diese ist nicht zu überhö-ren. Und die Worte werden oft zu „materieller Gewalt“.Ach so, ich habe vergessen, die Herkunft der Zitate anzu-zeigen. Das erste, mit der War-nung vor dem Abdriften der Bundesrepublik nach rechts, stammt von Roderich Reifen-rath und war in der „Frankfur-ter Rundschau“ vom 7.9.1992 zu finden. Früh gewarnt und

nichts bewirkt, möchte man jetzt sagen. Die beiden BILD-Schlagzeilen fanden sich in der zitierten Reihenfolge in den Ausgaben vom 8.9.1992 und vom 1.9.1992. Die Le-serbriefe waren abgedruckt in „Neue Ruhr Zeitung“ vom 27.8.1992, und auch den Spie-gel-Titel wird man bei Ausga-ben dieser Tage vergebens suchen. Er ist vom 9.9.1991(!). Gefunden habe ich alles in: SchlagZeilen. DISS-Skripten Nr.5, Duisburg 1992.Mag sein, es kam bei dieser oder jenem eine Ahnung auf, schon wegen der alten Schrei-bung von „muß“ oder „Haß“ . Außerdem, BILD? Die promo-ten doch, „Wir helfen!“. Nun, die Zitate sind Reaktionen auf Pogrome gegen Migranten-heime in Hoyerswerda, Ros-tock und anderswo. Sie klin-gen dennoch ziemlich aktuell. Und „BILD“ hat auch nicht immer geholfen. Erstaunlich dabei, dass schon dazumal die vorgeblich große Zahl von Flüchtlingen Angst machte. Im „vollen Boot“, so drohte man, würde zwangsläufig eine Ver-

drängung der „Alteingesesse-nen“ stattfinden. Die Armen der Welt wollen sich in einem „Ansturm“ in unserem Wohl-stand einnisten. Nationalis-tisch genährte Egoismen feier-ten fröhliche Urständ. So viele waren es aber doch damals gar nicht, bemerke ich jetzt ir-ritiert; im Vergleich zu heute eine fast zu vernachlässigen-de Anzahl. Die prognostizier-ten 400.000 waren in dieser Zeit nie und nimmer zu erwar-ten. Was steckt also wirklich hinter der Panikmache? Es ist sehr viel weniger die Angst vor der Zahl als die Ablehnung der Fremden, die Ablehnung des Fremden. Eine zumindest un-terschwellig, aber auch offen angenommene Überlegenheit, die uns vermeintlich Wohl-stand gebracht hat, wird ge-walttätig ausgespielt. Es kom-men welche, die nicht hierher passen, denen das „Unsere“ nicht zusteht. Das ist Rassis-mus – sagen wir es doch ein-fach laut und deutlich! Ras-sisten reicht schon der eine „Mohr“, der spazieren geht vor dem Tor.

Die dritte Seite

Ein Geschwätz von gestern?

Mords-Geräte, Mords-GewinneDie Bundeswehr hatte wieder-mal einen Beschaffungsskan-dal – das Sturmgewehr G 36 (Heckler & Koch). Nun soll es durch ein moderneres ersetzt werden.

Da stürzte doch ein Airbus A400M ab, Ursache: Elektro-nik der Triebwerkssteuerung. Die Entwicklungskosten sind explodiert, laut Bundesvertei-digungsministerium um 9,3 Mrd. Euro. Die vertragsge-mäße Auslieferung verzögert sich, nur Frankreich besitzt schon zwei Maschinen.Wer erinnert sich noch an die Kostenentwicklung und Mängelüberarbeitungen des Euro-Fighter? Kostenentwick-lung von anfänglich geplanten 33 Mio. auf real anfangs ca. 57 Mio. bis inzwischen etwa 138 Mio. Euro. Eine Flugstun-de kostet 88.086 Euro, CO2-Ausstoß ca. 11.000 kg pro Flugstunde. Folgekosten für Umweltschädigung nicht ein-gerechnet.Im Mai war unsere „Nationale Verteidigungs-Mutti“ in Indien, um den Verkauf von Eurofigh-tern schmackhaft zu machen. Schon 2009, bei einer „Ver-kaufs-Show“ in Indien, blieben die Kosten der Vorführung zu über 97 % beim deutschen Steuerzahler hängen, da die Bundeswehr die tatsächlichen Kosten gar nicht in Rechnung stellte. Es gab weitere „Erpro-bungen“, für die die Bundes-wehr die Flieger stellte. So geht Wirtschaftsförderung im Militärisch-Industriellen Kom-

plex. Gut Ding will eben Weile und Wirtschaftsförderung vom Steuerzahler haben ...Die Euro-Hawk-Drohne hat auch nicht funktioniert, vor gut zwei Jahren war das Desa-ster nicht mehr zu verheimli-chen, Entwicklungskosten um 700 Mio. Euro dahin. Nun soll doch weiter erprobt werden – für knapp 200 Mio. Euro. Wel-che Branche bekommt noch solch üppige Förderung für die Entwicklung von Schund-Produkten?Weiter: Kampfhubschrauber „Tiger“. Man könnte das Ka-pitel übergehen mit der Be-merkung „Hast du je einen Tiger fliegen sehen?“ Aber nein, so schlecht ist er auch wieder nicht: Entwicklung ab

1984, Erstflug 1991, Auslie-ferung ab 2003 – bisher an die 80 ausgeliefert. Davon kann man leben, wenn man den Auftrag erst einmal si-cher hat (Airbus Helicopters, Eurocopter). Die Bundeswehr reduzierte ihre Order von 80 auf 57 Stück, wegen Kosten-steigerung. Dann noch der Mehrzweck-Hubschrauber NH 90, der nicht annähernd gute Transportleistungen bringt. Alle Hubschrauber werden „im Paket“ für rund 8,5 Mrd. Euro angeschafft. Auch der neue Schützenpanzer Puma von Krauss-Maffei-Wegmann hat eine ähnliche „Karriere“: geplante Kosten 2009 für 405 Stück 3,1 Mrd. Euro, nun 4,3 Mrd. für nur 350 Stück.

Dann kam ganz passend zum Aufrüstungserfordernis der Bundeswehr die Meldung, die Ausrüstungsüberprüfung habe ergeben, dass viel Kriegsgerät nicht einsatzfähig sei, darun-ter auch viele Euro-Fighter, Tiger, Puma. Wen wundert‘s? Also Einsatzbereitschaft erhö-hen, Kosten folglich auch.Die Beispiele sind nicht er-schöpft. Mords-Geräte – Mords-Gewinne, selbst wenn sie (noch) nicht morden! Stellt sich die Frage: Was hat das mit Verteidigungs-„Erfordernissen“ zu tun, wenn die Ausstattung sich verzö-gert, die Mengen willkürlich kostenbedingt reduziert und bleibende Mängel in Kauf genommen werden? Welche

Verteidigungsfähigkeit wäre da gemeint? Oder sind es nicht vielmehr die bloß teuren technischen Spielzeuge für dekadente Gewinne-Macher und traumwandelnde, halluzi-nierende, aber gerade deshalb gefährliche politische „Geo-Strategen“?70 % der BundesbürgerInnen lehnen laut Umfragen Bun-deswehreinsätze im Ausland ab. Dennoch beschlossen die Bundesregierungen seit dem Bosnienkrieg immer wieder solche Einsätze, erst ver-schämt und verbrämt, dann zunehmend offener, zuletzt mit militaristischer Verbal-Un-terstützung des „Bundesprä-sidenten“. In diesem Sommer nahm die deutsche Marine an NATO-Manövern im Mittel-meer und im Schwarzen Meer teil. Welche Gefahr droht Deutschland dort wohl? Ach nein, das ist ja der „Bündnis-Fall“, das ist etwas ganz an-deres ... Nun eben das G 36-Desaster. Es genügt aber nicht, im Bun-desverteidigungsministerium „aufzuräumen“, wie MdB Mi-chael Leutert im Klaren Blick Chemnitz, Mai 2015, S. 9, for-dert. Denn was stünde dann als nächstes an? Bessere Ausrüstung, bessere Waffen, eben Qualitätsware? Quali-tätssicherung für besseres, genaueres Töten? Nicht Auf-räumen ist gefragt, sondern Abrüsten! Wie viel Frieden könnte mit diesen Summen gestiftet werden!Ralf Becker

Page 4: LINKS! Ausgabe 10/2015

Seite 4Links! 10/2015

Soziologen kennen die „Dritte Generation Ostdeutschland“ als die Gruppe von Menschen, die ihre Kindheit und Jugend teilweise in der DDR und teil-weise in der BRD verbracht haben. Wie blickt sie auf die Deutsche Einheit? „Links!“ hat mit vier politisch aktiven ihrer Mitglieder gesprochen (von links oben nach rechts unten).

Antje Feiks, geboren 1979, Betriebswirtin und Landesge-schäftsführerinLuise Neuhaus-Wartenberg, geboren 1980, Prokuristin und WirtschaftspolitikerinSusanne Schaper, geboren 1978, Krankenschwester und SozialpolitikerinSören Pellmann, geboren 1977, Grundschullehrer und Kommu-nalpolitiker

1. Ihr seid in zwei völlig un-terschiedlichen „Systemen“ aufgewachsen. Was waren die wichtigsten Unterschie-de zwischen dem Leben ei-nes DDR-Kindes und einer/s BRD-Jugendlichen? Wie prägt die DDR-Lebenserfah-rung euch bis heute?

Luise Neuhaus-Wartenberg: Ein Vergleich ist schwierig. Ich bin mit Herrn Fuchs, Frau Els-ter und Alfons Zitterbacke auf-gewachsen. Wir hatten den besseren Sandmann und sind grundsätzlich nackig in den See gehüpft. Mangel und Über-fluss waren ziemlich gleich ver-teilt und in der DDR überall zu finden. Plötzlich hatten alle vermeintlich 1000 Möglichkei-ten, sich zu verwirklichen. Der Begriff Freiheit wurde neu de-finiert. Doch im Praktischen hapert es oft am Leben die-ses Freiheitsbegriffs. Denn es mangelt vielen am Geld. Geld regiert jetzt die Welt und ist für einige der einzige Antrieb, dem sich alles unterordnet. Nach ´89 wurde meine Familie der einzig verlässliche Rückzugs-ort, denn aufgrund von Staats-nähe wurden Freunde plötzlich zu Feinden. Es ist bis heute für mich unverzeihlich, dass die Biografie meiner Eltern in Fra-ge gestellt wird und sie auch noch mit einer Spaßrente be-straft werden. Was bleibt, ist, dass das jetzt auch nicht das Ende der Fahnenstange ist.

Sören Pellmann: Die Un-terschiede sind unverkenn-bar; und sie wirken bis heute nach. So haben mich meine Eltern im Sinne der DDR erzo-gen, zumal wir keinerlei West-verwandtschaft hatten. Aller-dings herrschte bei uns stets ein offener Gedankenaus-tausch über politische Fragen, der es mir erleichtert hat, mit den Wendeereignissen eini-

germaßen klarzukommen. So haben meine Eltern ihr SED-Parteibuch nicht hingeworfen. Ganz anders habe ich das in der Schule erlebt. Schon nach wenigen Wochen drehten sich manche Lehrer um 180 Grad und wollten uns nun die Seg-nungen des Kapitalismus ver-mitteln.

Antje Feiks: Der größte für mich als Kind wahrnehmbare Unterschied beider Systeme

war, dass mit der Wende neue berufliche Perspektiven mei-ner Eltern aufgebaut werden mussten und dass wir nach der Wende Jahre damit zuge-bracht haben, als Familie An-griffe abzuwehren. Leute, die vorher freundlich waren, wur-den zu Hassenden und schon immer Kritischen. Bis heute habe ich ein viel engeres Ver-hältnis zu meinen Eltern als an-dere, wir diskutieren bis aufs Messer und machen es uns nie leicht. Ich habe einen anderen Freundschaftsbegriff als ande-re und reagiere empfindlicher auf Verrat.

Susanne Schaper: Ich kom-me aus einer doch recht „ty-pischen“ DDR-Familie, meine

Eltern waren und sind über-zeugte Sozialisten. Die Wen-de habe ich mit 11, 12 Jahren als tiefen biografischen Ein-schnitt empfunden. Beruflich mussten sich meine Eltern neu orientieren und in der Schu-le spürte man den politischen Anpassungsdruck, der von den neuen Verhältnissen auf die Lehrerschaft ausgeübt wurde. Doch es gab auch Lehrer, die sich nur allzu freiwillig der neu-en Ordnung anpassten. Zum

Glück hatte ich einige Lehrer, die keine Wendehälse waren und nicht sofort den Buckel krümmten.

Findet ihr, dass Deutschland verglichen seit den 90ern, in denen ihr eure Jugend ver-bracht habt, stärker zusam-mengewachsen ist? Welche Rolle spielt Ossi-Wessi-Den-ken in eurer Generation noch?

Susanne Schaper: Ich bin mir nicht so sicher, ob die beiden Landesteile seit der Jahrtau-sendwende wirklich enger zu-sammengerückt sind. Durch harte ökonomische Fakten lässt sich das ja nicht belegen, und nach wie vor wandern ge-

rade junge Frauen massenhaft aus Ostdeutschland in Rich-tung Westen. Auch ich selbst empfinde den Unterschied noch immer als recht stark, wenn ich mit Gleichaltrigen aus den gebrauchten Bundeslän-dern zusammentreffe. Es gibt bei einigen (wenn auch nicht allen) immer noch viel Unwis-senheit und zum Teil sogar eine leicht arrogante Sicht auf den Osten. Gerade das motiviert mich aber auch dazu, mich als Vertreterin der Ostdeutschen zu sehen.

Antje Feiks: Das Zusammen-wachsen erfolgt nur sehr lang-sam. Selbst Jüngere denken in „Ost und West“. Gerechtfer-tigt, wenn man sieht, dass z. B. Renten und Löhne immer noch nicht angeglichen sind und noch immer behauptet wird, dass der Solidaritätszu-schlag nur von Westdeutschen bezahlt werde. Es gibt die Ost-West-Denke nach wie vor, weil der Osten für viele wichtiger Teil der Identität ist und die Menschen auf eine ganz be-stimmte Art und Weise mitei-nander verbunden sind. Selbst Jüngere, die nichts mehr mit der DDR zu tun hatten, haben die Ellbogenmentalität des Westens nicht. Das heißt, dass die Eltern im Osten etwas an-ders machen.

Luise Neuhaus-Wartenberg: Einerseits ja – durch persönli-che Begegnungen konnten ge-genseitige Vorurteile abgebaut werden. Andererseits sind ge-genseitig auch Beurteilungen entstanden, die nur noch sehr schwer aufzulösen sind. So-lange noch Unterschiede im Verhalten zwischen Westdeut-schen und Ostdeutschen be-stehen, solange wird es auch noch Ossi-Wessi-Denken ge-ben: Dieses Schema spielt mei-ner Erfahrung nach aber nur da wirklich eine Rolle, wo struktu-rell oder zwischenmenschlich gravierende Probleme auftau-chen. In solchen Auseinander-setzungen werden gern diese Schemen bedient, das ist ers-tens sehr bequem, zuweilen aber eben auch zutreffend. Al-lerdings sind mir in letzten Jah-ren genügend Westdeutsche begegnet, die im Verhalten sehr an unselige ostdeutsche Vertreter erinnern und umge-kehrt natürlich auch.

Sören Pellmann: Natürlich gab es eine Annäherung zwi-schen Ost und West. Aber über-wunden sind die Unterschiede keineswegs und reproduzieren sich teilweise sogar. Das dürfte zumindest noch für meine Ge-neration gelten. Wenn man ei-ne Kindheit hatte ohne Arbeits-losigkeit der Eltern, dann habe

ich alsbald das ganze Gegen-teil erlebt. Daran sind wir nicht zerbrochen. Aber genau die-se Erfahrungen werden wohl nie aus meinem Gedächtnis verschwinden. Und das ist gut so, motivieren sie nicht zuletzt mein politisches Engagement.

3. Wie seht ihr die Zukunft der deutschen Einheit?

Susanne Schaper: Der Ver-gleich hinkt sicher, aber ich will ihn trotzdem ziehen: In den USA gibt es 150 Jahre nach dem Bür-gerkrieg noch immer gravieren-de Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden. Ähn-lich ist es in Italien, auch wenn es da andere Gründe gibt. Ich sehe ehrlich gesagt schwarz, was die Herstellung gleicharti-ger Lebensverhältnisse in mei-ner Lebenszeit betrifft. Der ökonomische Graben schließt sich einfach nicht. Gerade des-halb bleibt es weiterhin eine der größten Aufgaben unserer Partei, die ostdeutschen Inter-essen zu vertreten. Das macht niemand außer uns und des-halb ist es auch so wichtig.

Antje Feiks: Ich wünsche mir, dass bestimmte Werte geret-tet werden können bzw. gesell-schaftlich wieder eine größere Rolle spielen. Unter anderem dieses ständige Vergleichen mit Menschen, die mehr ha-ben, der Konsumterror, das Treten nach unten sind Verhal-tensweisen, die systembedingt sind. Sie nerven. Und ich habe die Hoffnung, dass das, was wir jetzt haben, nicht das Ende der Fahnenstange ist. Das hat aber weniger mit der deutschen Ein-heit zu tun, sondern mit mei-nem Weltbild.

Sören Pellmann: Ich neige wahrlich nicht dazu, mir etwa die DDR zurückzuwünschen. Und ich halte auch nichts da-von, ewig Unterschiede von Menschen in Ost und West zu suchen. Ich habe inzwischen ganz tolle Menschen aus West-deutschland kennen gelernt wie andererseits Ostdeutsche, mit denen ich am besten nichts zu tun haben möchte. Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis wir gleichwertige Lebensver-hältnisse haben, wenn das überhaupt je gelingt. Deshalb besteht genau der Auftrag von uns Linken, unseren Beitrag für ein solidarisches und sozial ge-rechtes Gesamtdeutschland zu leisten.

Luise Neuhaus-Wartenberg: Wenn Einheit Einigkeit voraus-setzt und die Abwesenheit von kulturvollem Streit um die bes-seren Ideen bedeutet, möchte ich keine Einheit und schon gar keine deutsche.

Hintergrund

Vier Stimmen zur Einheit

Page 5: LINKS! Ausgabe 10/2015

Seite 5 10/2015 Links!

Niemand schöpfte in Bern Verdacht, als am 5. Septem-ber 1915 in der sonntäglichen Morgenruhe früh um zehn Uhr gut drei Dutzend internationale Vogelfreunde in vier Pferdefuhr-werken in das zwölf Kilometer entfernte Bauerndorf Zimmer-wald aufbrachen. Nach zwei Stunden Fahrt durch eine idyl-lische Landschaft erreichte die bunte Truppe, in der sich nur wenige Frauen befanden, den malerisch gelegenen Ort und quartierte sich für die nächsten vier Tage im Hotel „Beau Séjour“ (Schöner Aufenthalt) und der benachbarten Pension Schenk ein. Weder der Landjäger Mei-er, der dem Wirt Anton Eberle lediglich wegen „Überwirtens und unerlaubtem Tolerieren von Tanz“ eine Strafe aufbrummte, noch ein anderer Dörfler ahnte, dass sich hinter den fröhlich ze-chenden Ornithologen eine Ver-sammlung der bekanntesten so-zialistischen Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner Europas ver-barg. Das Verdienst der klande-stinen Zimmerwalder Konferenz – wie sie kurz danach benannt wurde – kam dem Sozialdemo-kraten Robert Grimm zu, der als Redakteur der Berner Tagwacht und Nationalrat zu den profilier-testen Köpfen im politischen Le-ben der Schweiz zählte. An der Konferenz nahmen ins-gesamt 38 Marxistinnen und Marxisten teil, die offizielle De-legationen der sozialistischen Parteien aus Bulgarien, den Nie-derlanden, Lettland, Norwegen, Polen, Schweden, Rumänien und Russland repräsentierten. Ohne Mandat waren Vertreter oppositioneller Gruppen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz erschienen. Zu den namhaften Delegierten zählten aus Russland Pawel Axelrod, Lenin, Julius Martow, Grigori Sinowjew und Leo Trotzki. Aus dem Deutschen Reich kamen zehn Teilnehmer – darunter Ju-lian Borchardt, Georg Ledebour, Ernst Meyer, Willi Münzenberg und Bertha Thalheimer – die stärkste Gruppe. Die polnischen Sozialisten hatten Karl Radek geschickt; Angelika Balabanowa und Giacinto Serrati waren für die italienischen Arbeiterpartei erschienen, und die franzö-sischen Sozialisten hatten Al-bert Bourderon und Alphonse Merrheim entsandt. Zu den we-nigen Frauen zählte Henriette Roland Holst, die aus den Nie-derlanden angereist war. Die Konferenzteilnehmer stan-den vor einer schwierigen Situa-tion. Seit über einem Jahr tobte in Europa der Erste Weltkrieg, der bis 1918 rund 17 Millionen Menschen das Leben kosten sollte. Das Schlachten war nur möglich geworden, weil nahe-zu alle in der II. Internationale organisierten Arbeiterparteien

nach dem 4. August 1914 die früheren Beschlüsse verrieten, zu ihren jeweiligen Regierungen übergelaufen waren und nun aktiv an der sogenannten Va-terlandsverteidigung bzw. am „Burgfrieden“ mitwirkten. Der Schock über diesen Verrat saß tief bei allen linken Kriegsgeg-nern, denn noch bis kurz vor Beginn der Kämpfe hatte es machtvolle Demonstrationen

in ganz Europa gegen das dro-hende Gemetzel gegeben. In den ersten Wochen nach der Entfesselung des Krieges herrschten Ratlosigkeit, Resi-gnation und Wut in den oppo-sitionellen Strömungen der ein-zelnen Arbeiterparteien. Derern schon vor Kriegsbeginn vorhan-dene Ausdifferenzierung in eine rechte und eine linke Strömung sowie ein „Zentrum“ vertiefte sich rasch und spürbar. Unter den Kriegsbedingungen rückte die Auseinandersetzung mit dem zunehmenden Sozialchau-vinismus und Sozialpatriotismus in der Arbeiterbewegung für Le-nin und seine Kampfgefährten in den Mittelpunkt der Arbeit. Das schloss die konsequente Aus-einandersetzung insbesondere mit den Wortführern der Vater-landsverteidigung sowie den international renommiertesten marxistischen Theoretikern Karl Kautsky und Georgi Plechanow ein, die noch immer über groß-en Einfluss in der weltweiten Ar-beiterbewegung verfügten und Illusionen darüber verbreiteten, wie die II. Internationale nach dem Krieg ihre Arbeit angeblich unverändert fortsetzen würde. Im ersten Halbjahr 1915 spitz-ten sich die Auseinanderset-zungen zu, nicht zuletzt weil Karl Liebknechts „Nein“ zu den Kriegskrediten am 2. Dezem-ber 1914 europaweit Resonanz erhielt. Einerseits entstanden immer mehr oppositionelle Gruppierungen in den einzelnen Arbeiterparteien. Andererseits

versuchten die sozialpatrio-tischen Führer der II. Internati-onale, aktions- und mehrheits-fähig zu bleiben. Vor diesem Hintergrund wurde es für die linken Kriegsgegner in der inter-nationalen Arbeiterbewegung immer wichtiger, sich zu vernet-zen. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde aber ein Hauptproblem der künftigen Zimmerwalder Bewegung deutlich, an dem

sich später die Geister scheiden sollten: Spaltung oder Wieder-belebung der II. Internationale.In mehreren Vorbesprechungen im Juli und August wurde an-gesichts dieser zentralen Fragestellung sowohl um die Einladungsliste als auch die Ta-gesordnung der Konferenz hart gerungen. Nach langen Vorbe-reitungen begann sie endlich am 5. September um 16 Uhr im Hotel „Beau Séjour“ , die Grimm mit einem Paukenschlag eröffnete. Unter großem Beifall verlas er eine am 2. Septem-ber hastig im Zug geschriebene Grußadresse von Karl Lieb-knecht, der zu diesem Zeitpunkt als Soldat dienen musste und nicht anreisen konnte. In dem von dessen Ehefrau Sophie überbrachten Brief benannte er die beiden Hauptaufgaben der Konferenz aus seiner Sicht: „Ab-rechnung, unerbittliche Abrech-nung mit den Fahnenflüchtigen und Überläufern der Internati-onale in Deutschland, England, Frankreich und anderwärts. Gegenseitige Verständigung, Ermutigung, Anfeuerung der Fahnentreuen, die entschlossen sind, keinen Fussbreit vor dem internationalen Imperialismus zu weichen, mögen sie auch als Opfer fallen.“ Dann folgte die berühmte Aufforderung: „Burgkrieg, nicht Burgfrieden!“ Zum Schluss seines Briefes be-nannte Liebknecht das Credo der künftigen Zimmerwalder Linken: „Die neue Internati-onale wird erstehen auf den

Trümmern der alten; nur auf den Trümmern der alten kann sie erstehen, auf neuen, feste-ren Fundamenten. Ihr, Freunde, Sozialisten aus allen Ländern, habt den Grundstein heute für die Zukunft zu legen. Haltet unversöhnlich Gericht über die falschen Sozialisten!“ Lenin war über den Brief derart begeistert, dass er ihn zunächst an sich nahm und auszugsweise ab-

schrieb. Nach dieser Abschrift wurde Liebknechts Schreiben 1930 erstmals veröffentlicht, mit Lenins Unterstreichungen im Fettdruck. Laut Protokoll meldete Lenin sich nur fünfmal und jeweils nur erstaunlich kurz zu Wort. Zum Ende der Konferenz schäl-ten sich entsprechend der drei Strömungen in der Teilnehmer-schaft drei Manifestentwürfe heraus: einer von Ledebour, der zweite von Trotzki und Henriette Roland Holst und der dritte von Lenin und Radek, der mit dem programmatischen Satz „Der gegenwärtige Krieg ist durch den Imperialismus erzeugt“ be-gann und ein klares Bekennt-nis zum Basler Manifest von 1912 enthielt. Die Debatte um die drei Vorschläge verlief sehr heftig. Grimm brachte die Auf-fassung der Konferenzmehrheit, die vor einem Bruch mit der II. Internationale zurückschreckte, verklausuliert auf den Punkt: „Wollen wir ein Manifest bloß an die Parteigenossen oder an die breiten Massen der Arbeiter?“ Ähnlich argumentierten dann auch Ledebour und andere Kon-ferenzteilnehmer, worauf Lenin erwiderte: „Grimm irrt sich, wenn er sagt, unsere Resolution und unser Manifest richten sich nicht an die Massen.“ Mühevoll gelang es, sich auf eine Proklamation an die „Pro-letarier Europas“ zu einigen, deren Endredaktion bei Grimm und Trotzki lag. Vorbedingung war, dass eine von Lenin, Sino-

wjew, Radek und drei weiteren unterzeichnete Erklärung ins Protokoll aufgenommen wur-de, die das Manifest als „nicht vollständig“ kritisierten, weil es „keine Charakteristik des offe-nen wie mit radikalen Phrasen zugedeckten Opportunismus (…) und keine klare Charakte-ristik der Hauptkampfesmittel gegen den Krieg“ enthielt. Un-geachtet dieser Kritik von Lenin, der ein halbes Dutzend Anhän-ger hinter sich wusste, war das „Zimmerwalder Manifest“ ein wegweisendes Friedenssignal der revolutionären Arbeiterbe-wegung und zugleich der erste und entscheidende Schritt auf dem noch langen Weg zu einer neuen Internationale. Die Abspaltung von den oppor-tunistisch versumpften Parteien der II. Internationale verlief al-lerdings komplizierter und wi-dersprüchlicher als gedacht. An der Entwicklung in Deutschland wurde das besonders deutlich. Eine organisatorische Selbstän-digkeit des deutschen Kommu-nismus setzte die Spaltung der SPD, die Abtrennung der kriegs-gegnerischen USPD voraus, die aber erst im April 1917 erfolgen sollte. Es dauerte, bis durch die katalysierende Wirkung der Oktoberrevolution 1917 in Rus-sland und den Zusammenbruch vieler Herrschaftsstrukturen im Herbst 1918 die Vorausset-zungen für die Gründung der Kommunistischen Internatio-nale im März 1919 in Moskau geschaffen wurden. Das Dörfchen Zimmerwald fremdelte lange mit seiner weltgeschichtlichen Rolle, auch wenn es auf jedem politischen Atlas zu finden war. Erst nach der Epochenwende veränderte sich auch hier die Welt. 1990 wurde von Freizeitkickern um den Lehrer Caspar Bieler der „FC Lenin“ gegründet. 1996 hob Bieler mit Freunden die Jazzband „Hot Lenin“ aus der Taufe. Im gleichen Jahr fand der Festumzug zum 700. Jahrestag der urkundlichen Ersterwäh-nung statt – mit dabei ein Glatz-kopf, der dem berühmtesten Teilnehmer der Zimmerwalder Konferenz verblüffend ähnlich sah. Und der Dorfladen verkauf-te Ansichtskarten, die Lenin samt der Pension „Beau Séjour“ zeigten. So brachte der Kommu-nist fürs Dorf sogar einen klei-nen marktwirtschaftlichen Nut-zen. Zum 100. Jahrestag gibt es im Regionalmuseum Schwarz-wasser bis zum 22. November die Ausstellung „Grimm und Le-nin in Zimmerwald“. Und vor ei-nigen Wochen erschien ein von Bernard Degen und Julia Richers herausgegebenes Buch mit dem Titel „Zimmerwald und Kiental. Weltgeschichte auf dem Dorfe“, dem eine große Leserschaft zu wünschen ist. Dr. Volker Külow

Geschichte

„Burgkrieg, nicht Burgfrieden!“

Postkarte aus dem Jahr 1904 mit Werbung für die Pension Beau Séjour, Schauplatz der Konferenz von Zimmerwald, 1904.

Page 6: LINKS! Ausgabe 10/2015

Seite 6Links! 10/2015 Rosa-Luxemburg-Stiftung

ImpressumLinks! Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt

Herausgeber: Dr. Monika Runge, Verena Meiwald, Prof. Dr. Peter Porsch, Dr. Achim Grunke

Verleger: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e. V.,

Kleiststraße 10a, 01129 Dresden

Namentlich gekennzeichne-te Beiträge geben nicht un-bedingt die Meinung der Re-daktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinn-wahrende Kürzungen vor.

Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Drucke-rei GmbH in Cottbus gedruckt.

Redaktion: Kevin Reißig (V.i.S.d.P.), Jayne-Ann Igel, Ute Gelfert, Ralf Richter.

Kontakt: [email protected] Tel. 0351-84389773

Redaktionschluss: 28.09.2015

Die nächste Ausgabe er-scheint am 05.11.2015.

Die Zeitung „Links!“ kann kos-tenfrei abonniert werden. Wir freuen uns jedoch über eine Spende, mit der Sie das Er-scheinen unserer Zeitung un-terstützen. Kostendeckend für ein Jahresabo ist eine Spende in Höhe von 12 Euro.

Sollten Sie an uns spenden wollen, verwenden Sie bitte folgende Kontodaten:

Verein Linke Bildung und Kul-tur für Sachsen e.V.IBAN: DE83 8509 0000 3491 1010 07BIC: GENODEF1DRSBank: Dresdner Volksbank Raiffeisenbank

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Sozialreport 2014 „Die deutsche Vereinigung – 1990-2014 – Posi-tionen der Bürgerinnen und Bür-ger“

Am 3. Oktober 2015 jährt sich die deutsche Vereinigung zum 25. Mal. Viel ist seitdem pas-siert. Was bedeutete das für die Menschen, die im östlichen Teil der Bundesrepublik leben? Was hat sich für sie verändert und wie fühlen sie sich heute? Der Sozialreport stellt subjektive Einstellungen zu Bedingungen des sozialen Lebens, Bewertun-

gen der gesellschaftlichen Ent-wicklung seit 1989, Werte und Grundhaltungen sowie Erwar-tungen an gesellschaftliche Ak-teure in den Mittelpunkt. Er wird seit 1990 jährlich durch das Sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut Berlin-Bran-denburg (SFZ) durchgeführt.Einen zentralen Gesichtspunkt der Analysen bildet der Ver-gleich der Ergebnisse zwischen den neuen und alten Bundeslän-dern. Zu den wichtigen Ergeb-nissen des Berichts gehört, dass

sich in beiden Teilen Deutsch-lands die Gesellschaft immer weiter spaltet: in eine Mehr-heit, deren Lebenszufriedenheit steigt und die insgesamt eine positive Bilanz der Entwicklung seit 1990 zieht, und einen Teil der Bevölkerung (20 - 25%), der von den Einheitsgewinnen aus-geschlossen bleibt. Vor diesem Hintergrund ist auch zu inter-pretieren, dass sich jeweils die „Gewinner“ und die „Verlierer“ der Einheit in ihren grundlegen-den Einstellungen, Bewertun-gen und Erwartungen anglei-

chen. Von aktueller Bedeutung sind die Ergebnisse zur sinken-den Solidarität der Menschen in Ost und West.Eine Veranstaltungsreihe der Rosa - Luxemburg - St i f tung Sachsen und der sächsischen Landesgruppe der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag – Mehr In-formationen zum Sozialreport und die vollständige Studie fin-den Sie unter: h t t p ://w w w. r o s a l u x . d e/news/40993/die-deutsche-ver-einigung-1990-bis-2014-positio-

nen-der-buergerinnen-und-bu-erger.html

Pirna, 8. Oktober, Donners-tag, 17.00 UhrMit Dipl. Soz. Heidrun Schmidt-ke, Sozialwissenschaftliches Forschungszentrum Berlin-Brandenburg und MdB Dr. And-ré Hahn.Aktiv-Sportzentrum Pirna, Rott-werndorfer Str. 56 B, 01796 Pir-na

Stollberg, 21. Oktober, Mitt-woch, 17.00 UhrMit Dr. Thomas Hanf, Sozialwis-senschaftliches Forschungs-zentrum Berlin-Brandenburg und MdB Jörn Wunderlich.Kulturbahnhof Stollberg, Bahn-hofstraße 2, 09366 Stollberg

Zittau, 22. Oktober, Donners-tag, 17.00 UhrMit Dr. Thomas Hanf, Sozialwis-senschaftliches Forschungs-zentrum Berlin-Brandenburg und MdB Caren LayVeranstaltungsraum, Sport- und Freizeitzentrum Zittau, Schrammstraße 63, 02753 Zit-tau

Chemnitz, 23. Oktober, Frei-tag, 16.00 UhrMit Dr. Thomas Hanf, Sozialwis-senschaftliches Forschungs-zentrum Berlin-Brandenburg und MdB Michael LeutertSoziokulturelles Zentrum quer-beet, Rosenplatz 4, 09126 Chemnitz

Dresden, 28. Oktober, Mitt-woch, 19.00 UhrMit Dr. Thomas Hanf, Sozialwis-senschaftliches Forschungs-zentrum Berlin-Brandenburg und MdB Katja KippingWIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden

Leipzig, 29. Oktober, Don-nerstag, 18.00 UhrMit Dr. Thomas Hanf, Sozialwis-senschaftliches Forschungs-zentrum Berlin-Brandenburg, MdB Susanna Karawanskij und MdB Dr. Axel TroostPöge-Haus, Hedwigstraße 20, 04315 Leipzig

Vortrag und Diskussion

„Umweltschutz ist Heimat-schutz“

Ökofaschismus – philosophi-sche und geschichtliche Hin-tergründe. Mit Patrick Prit-scha, Kulturwissenschaftler/Historiker (Chemnitz).

„Umweltschutz ist Heimat-schutz“ – unter diesem Mot-to sind rechte Gruppierungen seit Jahren aktiv, wenn es um Ökologie geht. Auf den ersten Blick könnte mensch meinen, es handle sich dabei um einen Versuch, in der Ökologiebewe-gung auf Stimmenfang zu ge-hen, oder, wie schon bei der Kritik am Kapitalismus, ein scheinbar linkes Thema mit ei-genen Inhalten von rechts zu „besetzen“. Bei näherer Be-trachtung zeigt sich jedoch, dass die Verbindung von rech-tem Gedankengut und Ökolo-gie keineswegs ein Phänomen der Gegenwart ist. Bereits im 19. Jahrhundert bildete der Bezug auf Umwelt und Na-tur eine wesentliche Grund-lage für eine rassistische, antisemitische und nationalis-tische Gesellschaftskritik, die in verschiedenen Lebensre-formprojekten praktisch um-gesetzt wurde. Der Vortrag möchte einige geschichtliche und philosophische Hinter-gründe zu diesem Thema be-leuchten und dazu anregen, auch heutige politische Pra-xis kritisch zu hinterfragen. Patrick Pritscha ist Kulturwis-senschaftler und Historiker und lebt in Chemnitz.

Hoyerswerda, 28. Oktober, Mittwoch, 17.00 UhrBürgerbüro Hoyerswerda, Dietrich-Bonhoeffer-Straße 4, 02977 Hoyerswerda

Lesung und Diskussion

Kapitalismus – gestern, heu-te und morgen. „Geschich-ten aus dem Lunapark“.

Mit Prof. Dr. Thomas Kuczyn-

ski, Statistiker, Ökonom und Publizist (Berlin).

In seinen „Geschichten aus dem Lunapark“ behandelt Thomas Kuczynski die Frage nach Altem und Neuem im Ka-pitalismus.

Welche Rolle spielen der Wan-del von sozialen Kräfteverhält-nissen, die wissenschaftlich-technische Entwicklung, die Veränderung von Naturver-hältnissen und unterschiedli-che Strategien des Kapitals? Was hat sich an den Krisen des Kapitalismus verändert? Exis-tieren die berühmten „langen Wellen“ der Konjunktur? Gibt es alternative Ökonomien im oder nur zum Kapitalismus?

Seine historisch-kritischen Analysen sind ursprünglich erschienen in „Lunapark21 – zeitschrift zur kritik der glo-balen ökonomie“. „Lunapark“ assoziiert grenzenloses Ver-gnügen, aber es ist vor allem das Vergnügen der Einen auf Kosten der Anderen. Die Einen strampeln im Hamsterrad; die Anderen kreischen lustvoll beim Looping.

Prof. Dr. Thomas Kuczynski (Berlin) ist Statistiker, Öko-nom und Publizist. Er war der letzte Direktor des Instituts für Wirtschaftsgeschichte der Akademie der Wissenschaf-ten der DDR und schreibt in der Zeitschrift „Lunapark21“ regelmäßig über den Kapita-lismus in Gegenwart und Ver-gangenheit.

Leipzig, 19. Oktober, Montag, 18.00 UhrRLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig

Chemnitz, 20. Oktober, Diens-tag, 19.00 UhrTietz, Moritzstraße 20, 09111 Chemnitz

Dresden, 21. Oktober, Mitt-woch, 19.00 UhrWIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden

Wie denkt und lebt der Osten? Highlights im OktoberTermine

Page 7: LINKS! Ausgabe 10/2015

Seite 7 10/2015 Links!

Eines Tages ist das angenehme Leben vorbei. Die Japaner kom-men, die „Japsen“, wie sie im Buch genannt werden. Das Land heißt noch Malaia und noch nicht Malaysia, gehört unter an-derem mit Singapur zusammen und wird verwaltet von einem „High Commissoner“. Mancher wird sich an eine ähnliche Kon-struktion in Südwestafrika erin-nern: Namibia wurde bis 1989 auch von einem „Generaladmi-nistrator“ widerrechtlich von Südafrika verwaltet – die UNO hatte Südafrika das Mandat ent-zogen, aber in Pretoria scherte das keinen. Auch das Buch von Tan Twan Eng ist eine Kolonial-geschichte, aber eine doppelte. Denn Malaia wurde von Briten und den „Japsen“ kolonialisiert. Nach dem Abzug letztere kehren die Briten zurück. Es entwickelt sich eine Unabhängigkeitsbewe-gung unter den Einheimischen; gleichzeitig aber tobt ein blu-tiger Bürgerkrieg, „Emergency“ genannt, ein kommunistisch-maoistischer Aufstand. Von 1948 bis 1960 werden tausen-de getötet und gefoltert – Chine-sen, Malaysier und Briten.Die Lesenden tauchen ein in eine völlig fremde tropische Welt. Die Heldin des Buches Yun Ling ist eine in Malaia geborene und aufgewachsene Chinesin, Juristin mit einer verstümmelten Hand, weshalb sie stets Hand-schuhe trägt – eine Erinnerung an ihre Zeit als Kriegsgefangene der Japaner. Sie ist die einzige Überlebende des Lagers. Ihre

attraktive Schwester diente den Japanern im Lager als „jugan ianfu“, also „Trostfrau“ – eine von Zehntausenden, die von den Japanern aus den besetzten Ge-bieten zur Prostitution gezwun-gen wurden. Beide Schwestern eint in dieser tiefsten Nacht im Lager der Kriegsgefangenschaft die Vorstellung vom Aufbau eines Gartens, ausgerechnet eines japanischen Gartens. Denn beide haben als jungen Mädchen mit ihren Eltern Japan

besucht und waren fasziniert von der großartigen Garten-kunst – es sich auszumalen, wie sie diesen Garten in Malaysia gemeinsam aufbauen und ge-stalten, ist ihr Rezept, um die Qualen im Gefangenenlager zu überleben. Doch überlebt, wie

gesagt, nur eine Schwester. Als Richterin verfolgt sie unbarm-herzig die japanischen Kriegs-verbrecher – und nie vergisst sie einen der Offiziere zu fragen, wo das Kriegsgefangenenlager gewesen sein könnte. Denn dies gehörte nicht nur seit den Zeiten von CIA-Folterknästen weltweit zum Repertoire von Besatzern: Sie verschleppen ihre Opfer an geheime Orte, von denen die Opfer nicht wissen, wo sie sich befinden. Am Ende wird alles

dem Erdboden gleichgemacht.Um die tote Schwester zu eh-ren, will die Überlebende nun den japanischen Garten anle-gen. Sie findet Aritomo, den Gärtner des Kaisers, der nach dem Krieg in Malaysia zurückge-blieben ist. Das Buch faltet ein

Panorama asiatisch-afrikanisch-europäischer Beziehungen auf, aber es geht auch um Täter und Opfer und immer wieder Kolo-nialgeschichte, die auch heute noch für weite Teile der Welt prägend ist. Im speziellen Fall liegt der Garten des Japaners unweit der Teeplantage eines Südafrikaners, eines Buren, der seinerseits als burischer Kämp-fer gegen die Engländer einen Freiheitskampf geführt hat und dafür als Kriegsgefangener nach

Ceylon verschleppt wurde, wo er den Tee kennenlernte und nun anbaut. Auch die Chinesen in Malaysia wurden zum Teil von der britischen Kolonialmacht nach Malaysia gebracht und stehen den Einheimischen oft feindlich gegenüber, weshalb

die Malaisier manche der Chine-sen „Bananen“ nennen: Außen gelb und innen weiß, waren sie die Verwalter der Interessen der britischen Kolonialmacht. Noch heute sind in Malaysia Englisch und Chinesisch gleichberechtigt. Viele Malaien wurden auch nach Südafrika verschleppt, weshalb die „weiße“ Sprache der Buren (Afrikaans) und die asiatische der Malaien einige Ähnlichkeiten aufweist. Auch der Autor des Buches, Tan Twan Eng, bewegt sich im Dreieck Kuala Lumpur – London – Kapstadt. Das Buch macht deutlich: Ohne ein Grund-wissen von britisch-japanischer Kolonialgeschichte bleibt das Verständnis für asiatische Ent-wicklungen der Gegenwart defi-zitär. Ein unglaubliches Gemisch von vielen Völkern und Nationa-litäten mit den verschiedensten Sprachen ringt in asiatischen Ländern um einen Weg in die Zu-kunft – die Interessen sind ver-schieden, und die Wunden und Folgen von britischer und japa-nischer Fremdherrschaft gehen tief und beeinflussen das Le-ben junger Einwohner in diesen Ländern immer noch sehr stark. Es geht in diesem Buch auch um Aussöhnung, um Respekt vor der Kultur des anderen, um Kunst in verschiedensten Aus-prägungen. Ein Buch, das uns eine neue Welt erschließt. Der erste deutschsprachige Roman aus Malaysia ist etwa 450 Sei-ten stark und erschien im Verlag Droemer für 19,99 Euro.Ralf Richter

Rezensionen

„Bei einem Treffen, das ich mit Herrn Schäuble hatte, sagte er mir, ich hätte das Vertrauen der deutschen Regierung verloren. Und ich sagte ihm: Ich hatte es nie, ich bin Mitglied einer Regie-rung der radikalen Linken“. Für ihn, Yanis Varoufakis, sei etwas anderes wichtiger: „Aber ich habe das Vertrauen des grie-chischen Volkes“. Die Tage von Varoufakis als Finanzminister sind Vergangenheit. Die Hoff-nungen, die – erwartungsge-mäß vergeblich – die deutsche und die europäische Linke in Syriza gesetzt hatten, diese möge die Geschichte von David und Goliath wiederholen und dem Neoliberalismus mit der Troika die Speerspitze abbre-chen, sind zerstoben. Es bestä-tigte sich wieder einmal die alte Binsenweisheit, dass eine linke Regierung nur dann linke Politik macht, wenn es starken außer-parlamentarischen Druck von links gibt. Was geblieben ist, ist die Erinnerung, dass eine mar-xistische Wirtschaftswissen-schaft notwendig ist, die sich nicht auf ein keynesianisches Minimum beschränkt, und dass

zur Kritik des Neoliberalismus eine marxistische Staatskritik unverzichtbar ist.In seinem „Bescheidenen Vor-schlag zur Lösung der Eurokri-se“ wiederholt Varoufakis für die deutschen Leser, dass die angeblich beabsichtigte Ret-tung Griechenlands von Anfang an eine Bankenrettung durch die europäischen Steuerzahler war. Erst dadurch sei die Krise auf Portugal und Irland, dann auf Italien und Spanien über-geschwappt. „Der vielleicht deprimierendste Aspekt des unsinnigen Umgangs mit der unvermeidlichen Eurokrise war das Beharren, der eingeschla-gene politische Weg sei ‚alter-nativlos‘“. Die Anklage fehlt bei Petros Markaris, dem wohl bekann-testen zeitgenössischen Autor Griechenlands. Die Diagnose dagegen ist identisch: „Grie-chenland kann weder eine gi-gantische Umweltkatastrophe verursachen noch die Eurozone in den Abgrund ziehen – es sei denn mit Hilfe von Irland, Portu-gal und vor allem Spanien“. Es handele sich bei Griechenland

um einen Fall von Selbstzer-störung, der bereits vor Jahr-zehnten seinen Anfang genom-men habe. So seine Diagnose in dem Aufsatzband „Finstere Zeiten. Zur Krise in Griechen-land“. Im einleitenden Beitrag schildert er das Erstaunen ei-ner Journalistin über seine Ab-sicht, drei Kriminalromane über die Krise und deren Folgen zu schreiben. Ob er denn tatsäch-lich glaube, dass die Krise so lange dauern werde?Das Projekt einer Trilogie ist längst überholt. Markaris im Jahr 2012: „Entweder füge ich der Trilogie noch einen Epilog hinzu, der das Ende der Krise illustriert, oder ich mache aus der Trilogie eine Tetralogie. Es könnte aber auch sein, dass ich die erste Trilogie abschließe und mit einer neuen beginne“. Noch ist das Ende nicht abseh-bar, aber vier Bände der Krisen-Krimis liegen bereits vor. Man muss keine hellseherischen Fä-higkeiten besitzen, um vom Er-scheinen eines weiteren Bandes auszugehen.Für alle, die den ermittelnden Kommissar Kostas Charitos

kennen, ist das eine gute Nach-richt. Charitos, der seit Jahren vergeblich auf eine Beförderung wartet, seinen uralten Fiat end-lich gegen einen neuen Wagen eingetauscht hat und trotzdem mit öffentlichen Verkehrsmit-teln fährt, da das Benzin uner-schwinglich geworden ist, findet seine Täter zwar regelmäßig. Aber gerade in den Krisenkri-mis wäre es ihm wohl lieber, er hätte seine Arbeit nicht so gut erledigt. Es sind dutzende von Geschichten, die am Rande der „eigentlichen“ Geschichte erzählt werden. Die vom Erstar-ken der faschistischen „Gol-denen Morgenröte“ und ihren Sympathisanten in der Polizei. Die von der Obdachlosigkeit auch alter Menschen und den Versuchen zur Selbsthilfe. Die von der Perspektivlosigkeit gut ausgebildeter jungen Men-schen. Die von der Angst und dem Elend der Geflüchteten. Die vom desillusionierten, aber ungebrochenen Kommunisten, dem nun auch noch seine Ver-folgtenrente gestrichen wird. Die von den angeblichen „Sozia-listen“, die genauso korrupt und

verkommen sind wie die Kon-servativen. Und natürlich immer wieder auch die Geschichte von den Deutschen und ihrer Rolle bei der Krise. Nein: nicht nur bei der Krise. Natürlich auch ihrer Rolle in der Besatzungszeit durch die Nazis und die bis heu-te nicht geleistete Wiedergut-machung. Und, so Varoufakis als Gegenpol, die Geschichte von Deutschland als „Land, das den griechischen Demokraten zuverlässig zur Seite stand“, das mit der „Deutschen Welle“ Bei-stand gegen die „erdrückende staatliche Propaganda“ lieferte. Die Geschichten von Markaris und Varoufakis, sie überschnei-den sich. Volkmar Wölk

Yanis Varoufakis: Time for chan-ge. Wie ich meiner Tochter die Wirtschaft erkläre. München: Hanser, 2015, 179 S., 17,90 €. Yanis Varoufakis: Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eu-rokrise. München: Kunstmann, 2015, 63 S., 5,- €. Petros Marka-ris: Finstere Zeiten. Zur Krise in Griechenland; Zürich. Diogenes, 2012, 175 S., 9,90 €.

Griechenlandkrise: Kapitalismus und Krimi

Buchtipp: Der Garten der Abendnebel

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Unweit vom Zentrum Moskaus gelegen befindet sich der Stadt-teil Arbat, benannt nach des-sen Hauptstraße. Er galt als das Wahrzeichen der Moskauer In-telligenz und war Mittelpunkt der sowjetischen Kunstszene. Zahlreiche Dichter, Musiker und darstellende Künstler fanden in seiner Atmosphäre ihr Domizil. In diesem Milieu wurde Bu-lat Okudshawa am 9. Mai 1924 geboren und verbrachte dort auch seine Jugend. Sein Vater stammte aus Georgien, seine Mutter war Armenierin, und bei-de waren hoch motivierte Mit-glieder der KPdSU, bis sie 1937 Stalins Repression zum Op-fer fielen. Der Vater wurde als „deutscher Agent“ hingerichtet, die Mutter in ein Arbeitslager deportiert. Der junge Bulat wur-de von seiner in Moskau leben-den Großmutter aufgenommen und hatte es als Kind sogenann-ter „Volksverräter“ nicht gerade leicht.1942 ging er im Alter von sieb-zehn Jahren freiwillig zur Ar-mee und an die Front. Nach ei-ner Verwundung, Genesung und Entlassung zog er zu sei-ner Tante, die in Tbilissi wohnte. Dort besuchte er die Universität und studierte Philosophie. Nach dem Abschluss zog er nach Ka-luga, wo er als Lehrer und spä-ter als Journalist Arbeit bekam. Nach Stalins Tod wurden seine Eltern rehabilitiert und er durf-te nach Moskau zurückkehren. 1956 wurde er Redakteur beim Literaturjournal „Literaturnaja Gazeta“ und Mitglied des sow-

jetischen Schriftstellerverban-des. Als freiberuflicher Dichter beschäftigte er sich zunächst mit Prosa und Film- bzw. Thea-terszenarien, bevor er sich dem Romanschreiben widmete. Zur selben Zeit entstanden erste Gedichte, die er selbst verton-te und mit Gitarrenbegleitung, meist in privater Atmosphäre vor Freunden und Bekannten, vortrug. Offizielle Auftritte blie-ben ihm aufgrund seiner nicht angepassten, zum Teil pazifisti-schen Inhalte verwehrt. Verbreitet wurden seine Lieder durch live mitgeschnittene Ton-bandaufnahmen, die als (oft un-beschriftete) Musikkassetten von einem Recorder zum an-deren überspielt wurden. Die meist minderwertige Tonquali-tät bei der Wiedergabe bewirk-te einen wahren Kultstatus der Aufnahmen, da diese durch ih-re ungeschliffene Authentizität in der gesamten Sowjetunion geschätzt wurden. Der Begriff „Tonbandliteratur“ war gebo-ren.In diesem Zusammenhang wird man an den russischen Lieder-macher und Schauspieler Wla-dimir Wyssozki erinnert, der sich ebenso dieser Strategie bediente und mit seinen Songs, die sehr kraftvoll klangen und derb daherkamen, ein Millio-nenpublikum erreichte – das sich mit seinen Texten identifi-zieren konnte. Doch im Vergleich zu Wyssozki, der in seinen Liedern in die Rol-le von Stahlarbeitern, Solda-ten, Gangstern, Raufbolden

und Verlierern der Gesellschaft schlüpfte, blieb Okudshawa in poetischer Form und melancho-lischer Lyrik viel mehr bei sich selbst. Er war der stille, jedoch anarchistische Poet und Sän-

ger, der Chansonnier, der es verstand, Spannung durch Mi-nimalismus zu erzeugen. Das erinnert an westeuropäische Kollegen wie George Brassens, Moustaki oder den Holländer

Herman van Veen, um nur eini-ge zu nennen. Musikalisch orientierte sich Okudshawa an alten russischen Romanzen, die einst von Dich-tern vorgetragen wurden, und

selbstverständlich spielte auch Volksmusik aus Georgien eine wichtige Rolle in der Umsetzung seiner Texte – zumal gerade die-ser Region eine nicht zu unter-schätzende Gesangstradition

zuzuschreiben ist, die auf eine hundertjährige Geschichte zu-rückblicken kann. Die „Grande Dame“ des georgischen Chan-sons, Manana Menabde, die übrigens ein Jahrzehnt lang in Deutschland lebte, seine per-sönliche Bekanntschaft mach-te, mit ihm eine Bühne teil-te, deren Hand einst Jacques Brel küsste, bezeichnete ihren Meister einst als „Russischen Villon mit georgischer Seele“. Und selbst in Polen, das sich getrost als Wiege des europä-ischen Chansons loben kann, fand Okudschawa als russisch-singender Interpret große Be-achtung. In Deutschland wurde Wolf Biermann auf ihn aufmerk-sam und auch der junge, in Leip-zig lebende Sänger Peter Wa-siljewsky sang seine Lieder in deutscher Übersetzung: „Ach, die erste Liebe macht das Herz mächtig schwach …“ Ende der siebziger Jahre tauchten Okud-schawas Lieder auch in Filmen auf. Er entwarf zahlreiche Ma-nuskripte für Theaterstücke und Filmprojekte, schrieb mehre-re Romane, etwas zweihundert Songs und fast tausend Gedich-te. 1991 wurde ihm der Staats-preis der UdSSR überreicht, und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion holte ihn Prä-sident Boris Jelzin in die soge-nannte „Begnadigungskommis-sion“, der er bis zu seinem Tod 1997 angehörte. Sein Herz ver-sagte während einer Tour in Pa-ris. Seine Lieder leben jedoch weiter! Jens-Paul Wollenberg

Immer wieder geschieht es bei politischen Ereignissen, dass sie extrem in das Leben der Menschen eingreifen. So wie seit einigen Jahren in der Ukra-ine. Sie lassen nach Ursachen wie nach gewissen Abläufen fragen und machen neugierig auf Personen, die Träger und Ertragende jener Geschehnis-se sind.Darum: Reden wir über die Uk-raine, den gegenwärtigen Kon-flikt, sowie über Menschen, die ihn tragen aber auch ertra-gen. Vergegenwärtigen wir uns die Situation des zweitgrößten Landes in Europa mit etwa 44 Millionen Einwohnern, für das sich die Bundesregierung bis vor zwei Jahren nicht interes-siert habe, so Ulrich Heyden, der dazu ein Buch vorgelegt hat. Dessen bezeichnender Ti-tel lautet:„ Ein Krieg der Olig-archen“. Zum Anliegen seines Buches erklärte er, es solle Lü-cken schließen und Material für die Debatte liefern. Dass dafür auch ein Bedarf besteht, zeig-te an diesem 4. Mai 2015 die große Zahl der Besucher in der Rosa-Luxemburg-Stiftung, als

sein Buch präsentiert wurde. Die Moderation hatte die bran-denburgische Landtagsabge-ordnete Kerstin Kaiser (LINKE) übernommen.Eindrücklich war schon die Schilderung von Heyden: Er saß im Hotel, und aus der Nähe hör-te er die Artillerieeinschläge. Schon im Vorwort schrieb er, dass die Recherche aufgrund der Kriegshandlungen schwie-rig gewesen sei. Aus Angst vor Artilleriebeschuss fuhr er zum Beispiel nicht in die „um-kämpfte Stadt Slawjansk“. Man müsse schließlich von ei-nem Krieg reden, von dem sich die Menschen hier keine Vor-stellung machten, meinte Hey-den. Stattdessen fuhr er nach Schachtjorsk, wo er gelegent-lich auf Menschen traf, die ihn lautstark für die Politik Angela Merkels kritisierten, obwohl er noch gar nichts gesagt hatte. Eine schwierige und nicht ein-fache Situation für ihn, bekann-te der „Kritisierte“ auf dem Po-dium.Unmittelbarer Anlass, das Buch zu schreiben, war der Brand des Gewerkschaftshauses in Odes-

sa am 2. Mai 2014, bei dem et-wa 100 Menschen umkamen. Beklemmend, als gegen Ende der Veranstaltung ein Zeuge und Überlebender dieses An-schlags das Wort erhielt. Die Stadt stehe immer noch unter Schock – so Heyden, zumal die wahren Täter noch nicht ermit-telt, geschweige denn bestraft wurden. Abgesehen von einer kurzzeitigen Verhaftung zweier Tatverdächtiger im Sommer, die schnell wieder freikamen, be-gannen im November vor dem Gericht von Primorsk in Odessa die Vorverhandlungen für einen Prozess gegen 24 regierungs-kritische Aktivisten. Ein wei-terer Akt in der blutigen ukrai-nischen Tragöde ist ferner das von unbekannten Scharfschüt-zen am 20/21. Februar 2014 angerichtete Massaker auf dem Kiewer Maidan, bei dem et-wa 80 Menschen starben. Al-les deute darauf hin, dass bei den Massakern in Kiew und in Odessa der Rechte Sektor so-wie der Leiter des ukrainischen Sicherheitsrates Andrej Paru-bi ihre Hand im Spiel hatten. Trotzdem bleiben viele Fragen,

die der Autor in den Raum stell-te. Solche mörderischen, ge-waltvollen Zwischenfälle in der Ukraine mögen Ausdruck der in den letzten zwei Jahren er-folgten politischen Radikalisie-rung sein, die ihn so beunruhi-ge, wie der Journalist zugab. In der Regierung sitzen zwar seit den letzten Wahlen keine vier Nazis mehr, aber der aktuelle Kiewer Polizeichef ist erklärter Rechtsradikaler. Doch die Poli-tik der Ukraine nur anhand von Wahlergebnissen zu bewerten, greife zu kurz, wie der Soziologe V. Ishchenko meint, der in Hey-dens Buch ausführlicher zitiert wird. Dass der Ukraine-Konflikt sehr viel komplexer ist, macht auch eine linke Aktivistin deut-lich, die in dem Band gleichfalls nachlesbar ist: „Wer den Mai-dan begreifen will, kommt nicht mit Schubladendenken weiter“.Offenbar Schubladen-Liebende deutsche Politiker machten es sich da einfacher: Außenminis-ter Westerwelle schüttelte auf dem Maidan Hände, und sein Nachfolger Steinmeier war zu feige am Gewerkschaftshaus in Odessa der Opfer zu geden-

ken – daran erinnerte Ulrich Heyden. Das große Verdienst von „Ein Krieg der Oligarchen“ und damit seines Schreibers ist ohnehin, dass viele Zeu-gen befragt wurden, die vor-her niemand hören wollte, und dass Details an die Öffentlich-keit gelangten, die niemand se-hen wollte. Das eröffnet neue Denk-Perspektiven. Bei alldem stellte er vor allem weiter Fra-gen und wies auf Widersprüche hin. Vieles musste an diesem Abend mit diesem Buch den-noch offenbleiben, was auch die anschließende Diskussi-on zeigen sollte. Währenddes-sen herrscht im Land weiter ein Gefühl der Angst. Regierungs-kritische Journalisten und vor allem linke Aktivisten werden bedroht oder gar ermordet. So recht weiß derzeit wohl nie-mand, welchen Weg die Ukra-ine in den nächsten Jahren ge-hen wird, beziehungsweise in welche Richtung sie gedrängt wird. „Das Tauziehen um die Ukraine“ geht also weiter. René LindenauPapyRossa Verlag, ISBN: 978-3-89438-576-7

Die letzte Seite

„Ein Krieg der Oligarchen“

Bulat Okudshawa – politischer Sänger und Poet des Arbat

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10/2015 Sachsens Linke! Seite 1

Zum Wende-Jubiläum blickt Peter Porsch zu-rück in bewegte Zei-ten und erklärt, warum es heute eines Chores bedarf.

Sebastian Scheel be-schreibt einen Vor-schlag, den er jüngst machte, und der der Landtagsfraktion einen

digitalen Sturm der Entrüstung bescherte.

Weitere Themen die-ser Ausgabe sind der soziale Wohnungsbau,

die Forderung nach offenen Grenzen für Geflüchtete oder eine Bewertung des jüngs-ten Wahlerfolges von Syriza.

Aktuelle Infos stets auch unter

www.dielinke-sachsen.de

Sachsens Linke

Oktober 2015

Frage des Klimas

Die Studie der UniQma im Auf-trag der drei großen sächsischen Tageszeitungen konstatiert eine bundesweite Image-Verschlech-terung für Sachsen. Rund 54 % der Befragten (ohne Sachsen) meinen, der Freistaat sei frem-denfeindlicher als der Rest der Republik. Dem widerspricht ei-ne Mehrheit der Sachsen – 54 %. Ich glaube, diese Mehrheit hat Recht. Das mag verwundern. Schließlich ist Sachsen Kernland von PEGIDA, Hotspot rassisti-scher Übergriffe. Aber: Schauen wir auf die Zahlen der Trendbe-fragungen des MDR in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, wird deutlich, dass bei den Fra-gen zu Asyl und Rassismus in allen drei Ländern kaum Abwei-chungen festzustellen sind. Zu-mindest in diesen Ländern sind die Einstellungen keineswegs anders als in Sachsen. Es muss also eine Frage des politischen Klimas sein, wenn rechter Ter-ror auf die Straße getragen wird oder NPD und AfD hohe Werte in der Sonntagsfrage haben. Demokratische Kräfte haben ih-re Bindungswirkung verloren. Das liegt stark an Agieren und Habitus der CDU: De-Legitimie-rung der demokratischen Oppo-sition, Verständnis für die Sor-gen und Nöte für RassistInnen, gern garniert mit rechtspopulis-tischen Ressentiments, keine klaren Botschaften und Worte gegen Fremdenfeindlichkeit und vor allem immer wieder der Ver-such, Links und Rechts gleich-zusetzen, vor allem linke Alter-nativen zu bekämpfen. Allein: Wer rechtspopulistische Motive bedient, legitimiert sie nur. Wer sich davon angesprochen fühlt, wählt dann aber lieber das Ori-ginal von AfD und NPD. Die CDU Sachsen ist verantwortlich für das Image des Freistaates.

Zu den Ergebnissen des 12. Lan-desparteitages

Der Sonntag begann mit ei-ner bösen Überraschung: Über Nacht hatten Unbekannte einen Großteil der Glasflächen der Park Arena Neukieritzsch zer-stört. Die Spezialglasscheiben drohten zusammenzubrechen. Schnell war klar: An diesem Ort konnte der 12. Landesparteitag der LINKEN seine Tagung nicht fortsetzen. Ist es die allgemei-ne Radikalisierung der Rech-ten, die so einen Übergriff – den ersten überhaupt auf ein Partei-tagsobjekt in den 25 Jahren seit der Wiedervereinigung – mög-lich machte? Waren es die deut-lichen Worte zum Thema Asyl und gesellschaftlichem Rassis-mus? Das bleibt Vermutung, solange die Täter nicht ermit-telt werden können. Dank der freundlichen Unterstützung der Gemeinde Neukieritzsch konn-te die Tagung jedoch erfolgreich im örtlichen Gemeindeamt zu Ende gebracht werden.Bereits am Samstag hatte der Landesparteitag den Leitantrag „DIE LINKE 2015 – wo wir ste-hen und worauf wir aufbauen können“, die Anträge C1 „ZEIT FÜR VERÄNDERUNG – DEN AUFBRUCH ERMÖGLICHEN“ und C2 „Was jetzt zu tun ist!“

nach intensiver Debatte und zahlreichen bereits vorher über-nommenen Änderungsanträgen mit jeweils großer Mehrheit an-genommen. Es war ein Zeichen der Einigkeit und sachorientier-ten Debattenkultur, das von der Annahme der zuvor auch medi-al als diametral gegenüberste-henden Anträge ausging. Große inhaltliche Schnittmengen bei den Anträgen bestätigen dieses Bild. Auch wurden die Dringlich-keitsanträge D1 „Solidarität mit den Kurdinnen und Kurden, ih-ren Selbstorganisationen und der HDP“ und D3 „Asyl – Die Herausforderungen annehmen“ einstimmig angenommen. Wei-tere Sach- und Dringlichkeits-anträge mussten wegen der er-schwerten Situation durch den Wechsel des Tagungsortes an den Landesvorstand verwiesen werden.Vielfältige Satzungsänderungen wurden vollzogen. Dabei ent-schied sich der Landesparteitag gegen die Aufnahme einer Man-datszeitbegrenzung in die Lan-dessatzung und vertagte den Vorschlag zur Einrichtung eines Landesausschusses. Noch am Samstag wurde mit den Wahlen zum Landesvor-stand begonnen. Dabei wurde Rico Gebhardt als Landesvor-sitzender bestätigt. Ihm zur Sei-

te stehen Jana Pinka und Ste-fan Hartmann als Stellvertreter. Landesgeschäftsführerin bleibt Antje Feiks. Bernd Spolwig wird neuer Landesschatzmeister. Als Sprecherin für Gleichstel-lung und feministische Politik wurde Anja Eichhorn gewählt, jugendpolitischer Sprecher ist Steffen Juhran. Zu Landesvor-stand gehören außerdem Jay-ne-Ann Igel, Claudia Jobst, Mari-anne Küng-Vildebrandt, Simone Luedtke, Jenny Mittrach, Sabi-ne Pester, Susann Schöniger und Dagmar Weidauer sowie Ti-lo Hellmann, Lars Kleba, Heiko Kosel, Silvio Lang, Tilman Loos, Sören Pellmann und Jörn Wun-derlich. Der 22-köpfige Lan-desvorstand konnte, trotz der Widrigkeiten des Umzuges, voll-ständig gewählt werden und auf seiner Klausur vom 25. bis 27. September seine Arbeit aufneh-men. Delegierte für den Bun-desausschuss sind zukünftig Cornelia Ernst, Susanna Kara-wanskij, Franziska Rieckewald und Luise Neuhaus-Wartenberg sowie Fabian Blunck, Lars Kle-ba, Andreas Naumann und René Strowick. Ersatzdelegierte für den Bundesausschuss sind in dieser Reihenfolge Antje Feiks, Heiderose Gläß und Simone Hock für die Liste zur Sicherung der Mindestquotierung, sowie

Tilman Loos und Torsten Steid-ten für die gemischte Liste.Der Landesschiedskommissi-on gehören zukünftig Heiderose Gläß, Christine Pastor, Heinrich Ruynat, André Schollbach und Dirk Wagner an. Die Landesfi-nanzrevisionskommission wur-de mit Rico Knorr, Rita Kunert, Gudrun Schumann, Eva Sehrt, Eberhardt Sehrt und Wolfgang Siegel neu besetzt. Als neu-en Ombudsmann wählte der 12. Landesparteitag Andreas Salzwedel. Da er noch bis zum 7. November Kreisvorsitzender ist, ruht das Amt bis dahin. Den Abschluss des Parteitages bildete ein Beschluss per Ak-klamation. Letztlich hatte man mit dem feigen Anschlag auf unseren Parteitag gezielt, die Gemeinde Neukieritzsch, die Sportvereine und die vielen an-deren NutzerInnen der Park Are-na getroffen. Deshalb nahm der Parteitag unter großem Beifall die Einladung des Bürgermeis-ters Thomas Hellriegel an, den kommenden Landesparteitag wieder in Neukieritzsch durch-zuführen. Gemeinsam wollen Gemeinde und Partei damit ein Zeichen setzen: Wir lassen uns von solchen undemokratischen Aktionen nicht einschüchtern. Wir kommen wieder! Thomas Dudzak

Nach Neukieritzsch ist nun vor Neukieritzsch

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Sachsens Linke! 10/2015 Seite 2

Zu „Wer hilft eigentlich der Po-lizei?“ (Links! 09/2015, S. 1)Nicht nur der Polizei wäre schon sehr geholfen, wenn sie nicht Proteste für Demokratie, mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Umweltschutz gegen die Inte-ressen des Kapitals und gegen Rassismus bekämpfen oder ras-sistische Personenkontrollen/Flüchtlingsbekämpfung durch-führen müsste. Die Polizei dient ja zuerst der Durchsetzung der Interessen der Herrschenden, einschließlich des von ihnen aufgestellten Rechts. Dies soll-ten wir auch immer mit kritisie-ren. Aber glücklicherweise gibt es auch PolizistInnen, die sich für ein gutes Zusammenleben einsetzen. Sie sollten wir dabei unterstützen und in diesem Zu-sammenhang eine Demokrati-sierung der Polizei fördern. Ge-nau dann ist auch eine Kritik am Personalabbau bei der Polizei sinnvoll. Uwe Schnabel, Coswig

Zu Griechenland und EU (Links! 09/2015, S. 4, Sach-sens Linke! 09/2015, S. 2, 4, 7)Cornelia Ernst und A. Willnow haben begründet, warum selbst viele, die früher an die EU ge-glaubt haben, jetzt davon aus-gehen, dass Demokratisierung, soziale Gerechtigkeit, eine Wirt-

schaft im Dienste der Men-schen, die Lösung der Flücht-lingsfrage und Frieden sich nur gegen die EU durchsetzen las-sen. War dies nicht auch früher so? Bestand der Unterschied nicht nur darin, dass die Gegen-kräfte, die sozialen Bewegungen im Inland und der Realsozialis-mus im Bündnis mit antikoloni-alen Bewegungen stärker waren und die EU deshalb mehr Zuge-ständnisse machen musste? Und müsste deshalb nicht un-ser erstes Ziel darin bestehen, diese Gegenkräfte gemeinsam zu stärken? Dabei gibt es die-se internationalen Bewegungen schon längst, z. B. Blockupy, die Aktivitäten gegen Wasserpriva-tisierungen, gegen TTIP/CETA/TISA, Anti-Nazi-Proteste, Akti-vitäten in Zusammenarbeit mit den Zapatistas oder den ALBA-Staaten, um nur einige zufäl-lig herausgegriffene zu nennen. Somit ist nicht die nationalstaat-liche Orientierung das Problem, sondern eher die Orientierung an den herrschenden Struktu-ren und die Nichtablehnung der aufgezwungenen Diktate. Und wieso will Schäuble eine Politik sozialer und Steuergerechtig-keit und eine nachhaltige Wirt-schaftspolitik in Griechenland, wie René Lindenau erklärt? Will

er nicht das Gegenteil im Inte-resse weniger, hauptsächlich deutscher Kapitaleigner? Dazu würde sowohl seine Inlandspo-litik als auch das Diktat gegen-über Griechenland und damals gegenüber der DDR und die Spende des Waffenlobbyisten Schreiber passen. Rita Kring, Dresden

Was ist links?Wenn jemand meint, dass Hu-mor, Genussfähigkeit und die Eigenschaft, ein unverbesserli-cher Optimist zu sein, genügen, damit jemand als Linker und Ge-nosse bezeichnet werden kann, sagt das womöglich mehr über den Urteilenden als über den Beurteilten. Und wenn der urtei-lende Ex-Aspirant in Moskau die Kennzeichnung des „Wandels durch Annäherung“ als „Aggres-sion auf Filzlatschen“ als „Pro-

paganda“ abtut, sei ihm das un-benommen. Erwartet hätte ich allerdings dann auch ein Nach-denken darüber, ob es sich mit dem Wissen von 25 Jahren wirk-lich ausschließlich um „Propa-ganda“ gehandelt hat. Und wenn man den verstorbenen Egon Bahr als „pragmatischen Visio-när“ beurteilt, dann sollte man – will man Bahr gerecht werden – doch auch überlegen, ob dieser nicht zugleich einer der klügsten und am strategischsten denken-den Vertreter des Großkapitals gewesen ist. Wenn man Bahr treffend beurteilen will, sollte man zumindest kurz erwähnen, dass er bereits 2004 als Tabu-brecher fungierte, indem er, hef-tig kritisiert von der SPD-Spitze, dem ultrarechten Wochenblatt „Junge Freiheit“ ein ganzseitiges Interview gab. Der bürgerliche „Tagesspiegel“ zitiert den dama-

ligen Egon Bahr: „Er unterschrei-be den Satz, ,ich bin stolz, ein Deutscher zu sein‘, sagte Bahr ... Diese Haltung dürfe nicht den Rechtsextremisten überlassen werden. Ohne Stolz auf die eige-ne Nation ,kann ich gar nicht le-ben‘“. Und noch im Herbst des vergangenen Jahres wertete er die „Friedenskonferenz“ des no-torischen Verschwörungstheo-retikers Jürgen Elsässer als Re-ferent auf. Ein Linker, wirklich? Links wohl nur für jemanden für Dietmar Bartsch, der jede Gele-genheit sucht, ein Bündnis mit der SPD zu begründen. Links wohl nur für jemanden, der Dos-siers über andere LINKE in Auf-trag gibt, um seine Vorstellung von links besser durchsetzen zu können. Links? Ich jedenfalls verstehe etwas anderes darun-ter. Volkmar Wölk, Grimma

Meinungen

ImpressumSachsens Linke! Die Zeitung der LINKEN in Sachsen

Herausgeberin: DIE LINKE. Sachsen Verleger: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V.,

Kleiststraße 10a, 01129 Dresden

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wie-der. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kür-zungen vor. Termine der Redakti-onssitzungen bitte erfragen.

Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Drucke-rei GmbH in Cottbus gedruckt.

Der Redaktion gehören an: Ute Gelfert, Jayne-Ann Igel, Thomas Dudzak, Antje Feiks (V.i.S.d.P.), Andreas Haupt, Ralf Richter, Stathis Soudias.

Bildnachweise, wenn nicht gesondert vermerkt: Archiv, iStockphoto, pixelio.

Kontakt: [email protected]. 0351-8532725Fax. 0351-8532720Redaktionsschluss 28.09.2015

Die nächste Ausgabe er-scheint voraussichtlich am 05.11.2015.

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10/2015 Sachsens Linke! Seite 3

Nach 25 Jahren – Der Chor muss auf die Bühne!Es mag vielleicht merkwürdig klingen, aber ich behaupte, mit der Wende 1989/90 gerieten die Ostdeutschen gegenüber den Westdeutschen in einen Vorteil, der bis heute wirkt: Wir im Osten Gebliebenen waren al-lesamt gezwungen, nachzuden-ken – nachzudenken über unser bisheriges Leben, unser Ver-halten, unsere Verantwortung, unsere Visionen und Utopien, unsere Kleinbürgerlichkeiten, Opportunismen, Kompromisse und Kompromisslosigkeiten ... Das mussten die Wessis nicht.

Im Gegenteil, sie konnten ja annehmen, als Sieger aus der Geschichte hervorgegangen zu sein. Ohne Schmerzen ging unser Nachdenken nicht ab. Es begann aber auch eine Zeit neuer Möglichkeiten: Sie waren verbunden mit der Erkenntnis, dass nicht die Vision von einer gerechten Gesellschaft falsch war, wohl aber der gewählte oder auch aufgezwungene oder unkritisch mitgegangene Weg. Plötzlich waren deshalb in der immer noch existierenden DDR Versuche an der Tagesordnung, die Vision in selbstbestimmte Praxis zu verwandeln. Die Uto-pie erhielt plötzlich die einma-lige Chance, kein Ort nirgends mehr zu sein, sondern ein kon-kreter Aktionsraum zu werden. Es begann eine kurze, aber un-glaublich spannende Phase der Selbstverständigung und Selb-storganisation. Neue Formen des Aushandelns des Gemein-wohls entstanden; in Leipzig die Litfaßsäule am damaligen Karl-Marx-Platz oder die Sonn-tagsgespräche im Gewandhaus.

Die Universität versuchte, sich von niemandem als von den Universitätsangehörigen selbst gedrängt und kontrolliert eine Verfassung zu geben. Die Run-den Tische waren eine völlig neue Errungenschaft demokra-tischer Kultur. Alles war Arbeit am praktischen Beweis produk-tiver Anarchie. Lange währte diese Zeit nicht. Die Volkskammerwahl am 18. März 1990 läutete ihr Ende ein. Aber immerhin, wir waren noch DDR – eine neue DDR, allerdings auch eine DDR ohne Zukunft.

Mit der Einführung der D-Mark am 1. Juli 1990 war der „Wirt-schaftsflüchtling DDR“ wohl endgültig in der Bundesrepublik angekommen. Die Auflösung war nicht zu verhindern. Die führenden Politiker setzten dem keinen nennenswerten Wider-stand entgegen. Das ging nicht mehr. Dennoch, es waren noch andere Politiker am Werk, als wir sie von heute kennen. Lothar de Maiziere, Peter-Michael Diestel, Gregor Gysi waren Juristen, die die Lehre aus der Vergangenheit ziehen wollten, dass Recht vor Macht kommt. Sie versuchten, das Ende der DDR mit Respekt vor den Menschen, die in ihr gelebt hatten und die für sie Verantwortung an unterschied-lichsten Stellen und in unter-schiedlichster Art getragen hat-ten, zu vollziehen. Dem Versuch war nicht viel Erfolg beschieden. Der 3. Oktober 1990 brachte die Einheit Deutschlands, am 14. Oktober wurden in den neu gegründeten ostdeutschen Ländern die Landtage gewählt, am 2. Dezember fand die erste

Bundestagswahl im nun wieder großen und einzigen Deutsch-land statt - immerhin (auf Betrei-ben der PDS) mit zwei getrenn-ten Wahlgebieten. Nun sollte wiederum Neues beginnen. Ich stellte mich für die PDS zur Wahl in den Sächsischen Landtag - nicht ohne Skepsis, doch auch voller Hoffnung. Sehr schnell waren wir 16 Abgeordneten der Linke Liste/PDS jedoch auf dem Boden der neuen Realität gelan-det. Dem selbstständigen und selbstkritischen Nachdenken über Vergangenheit und Zukunft

war kaum noch Raum gegeben. Notgedrungen begann eine Zeit des Sich-Behauptens. Wiederum waren Technokraten der Macht am Werk, immerhin mit einer Mehrheit bei Wahlen legitimiert und nicht nur durch die selbst erteilte historische Mission. Die Verhältnisse waren demokra-tische. Eine historische Mission verfolgten die neuen Mächtigen allerdings auch und gar nicht zimperlich. Von der Vergangen-heit sollte nichts übrig bleiben; „Abwicklung“ war das Zauber-wort. Anderes, Schlimmeres dräute jedoch am Horizont.Wir standen vor 25 Jahren mit der deutschen Einheit vor rigo-rosen Veränderungen in Europa und der Welt. Dazu will ich wei-ter ausholen. Es war 1969, als die D-Mark gegenüber anderen Währungen deutlich aufgewer-tet wurde. Die deutsche Wirt-schaft war der Welt wieder zu stark geworden. Die Bild-Zeitung reflektierte dies aber schon da-mals anders. Sie jubelte in einer Schlagzeile, jetzt sei Deutsch-land Nummer 1 in Europa. 24

Jahre nach dem 2. Weltkrieg war freilich noch der Wunsch Vater des Gedankens und die Erinne-rung an diesen Krieg bremste die Euphorie. Heute, 25 Jahre nach der deutschen Einheit, ist dieser Wunsch wieder zu be-drückender Wirklichkeit gewor-den und kaum wer kann dieses Deutschland noch bremsen. Die Systemkonfrontation nach dem 2. Weltkrieg hatte in gewisser Weise Geschichte zum Stillstand gebracht – jedenfalls in und zwi-schen der damals so genannten Ersten (kapitalistischen) und

Zweiten (sozialistischen) Welt. Es war eine Chance für die Dritte Welt. Kolonial unterdrückte Völ-ker konnten zumindest formal ihre politische Unabhängigkeit erreichen. Die Konflikte der Welt verlagerten sich aber auch in diese Regionen. Nach 45 Jahren und dem Ende des „real existie-renden Sozialismus“ explodierte Geschichte. Kein Wunder! – Kein Wunder? Sicher waren die Pulverfäs-ser ungelöster Konflikte über-voll. Die Lunten mussten aber erst gelegt werden. Das einige Deutschland war von Anfang an führend dabei. Der Beginn der Zerstörung Jugoslawiens – der Führungskraft einer blockfreien Welt – war durch die vorzeitige Anerkennung der Unabhängig-keit Sloweniens durch Deutsch-land ausgelöst. Es zeigte sich sehr bald: Kriege sind wieder möglich! Und sie wurden im-mer mehr. Reich beschießt von seinen Zitadellen Arm. Der ge-samte Mittelmeerraum wurde Objekt westlicher Begierde. Der vorletzte Botschafter Sy-

riens in der Bundesrepublik Deutschland (er hatte in der DDR studiert und promoviert) wurde während seiner Amtszeit in allen bedeutsamen Gremien von Wirtschaft, Politik und Wis-senschaft herumgereicht und schließlich 2009 mit dem Bun-desverdienstkreuz nach Hause verabschiedet. Sein Nachfolger wurde bald danach aus dem Land gejagt. Man fürchtet heute den Konflikt mit Russland nicht. Handschlag-Versprechungen von 1990 gelten nicht mehr. „Jähe Wendungen“ in der Politik – einst von Erich Honecker als Warnung bemüht – sind wieder möglich. Deutsche Technokra-tinnen und Technokraten der Politik haben das Sagen. Sie hei-ßen jetzt Thomas de Maiziere, Wolfgang Schäuble, Ursula von der Leyen ... Wir haben jedoch eine Freiheit, die wir so in der DDR nicht kann-ten, die uns aber wenig nützt, obwohl wir sie weidlich nutzten und nutzen. Unter ihrem Schutz halten wir kecke Reden, prote-stieren und demonstrieren, ver-sammeln uns, gründen Vereine und Initiativen, geben Zeitungen heraus. Gut so! – Gut so? In ge-wisser Weise erweist sich diese Freiheit politisch noch verhäng-nisvoller als die Abwicklungen. In der DDR wurde alles auch nur im Keim Kritische oder gar Op-positionelle ernst genommen, krankhaft und deshalb verhäng-nisvoll „ernst“ genommen, wes-halb man auch idiotisch und für die Betroffenen oft in tragischer, unentschuldbarer Weise rea-gierte. Wer mehr darüber wis-sen will, lese zum Beispiel das jüngst erschienene Buch von Gunnar Decker, 1965 Der kurze Sommer der DDR (Carl Hanser Verlag München). Hoffnungsvoll Begonnenes wurde so ruiniert. An der Berliner Mauer verende-te schließlich auch die deutsche Aufklärung, selbst wenn es noch den einen oder anderen vernünf-tigen Grund zu ihrer Errichtung gegeben haben sollte. Die neue Freiheit aber nimmt jeglicher linker Kritik an der gesellschaft-lichen Wirklichkeit, ob in den Parlamenten oder außerhalb, tendenziell ihre Wirkung. Frei heraus Gesprochenes zerfasert so meist in den Labyrinthen des eben auch noch Gesagten. Mo-nolithisch zusammenwirkende Eliten des mainstreams in Wirt-schaft, Politik und Medien wol-len Widersprüche nicht austra-gen, wohl aber Widerspruch und Widerstand zerstören, indem sie ihn einem Pluralismus der Belanglosigkeiten aussetzen. Der „Chor“ kann die Tragödie nicht wirklich verhindern – es sei denn, er tritt aus der Ver-senkung und erobert sich mit seinem Text, unter seiner Regie die Bühne des Agierens! Peter Porsch

Einigungsvertrag BRD-DDR vom 31. August 1990. Beide Exemplare werden im Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin aufbewahrt. Bild: Hadi / Wikimedia Commons / CC BY 3.0

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Sachsens Linke! 10/2015 Seite 4

Deutschland ist seit 25 Jahren vereint – juristisch. Nicht nur in vielen Köpfen besteht die viel-fache Spaltung unserer Gesell-schaft fort. Weniges zeigt das so deutlich wie die Konflikte, die sich aus der Aufnahme von Ge-flüchteten ergeben. Klar bleibt: Personen, die unter Berufung auf politische Verfolgung Asyl beantragen, haben Anspruch auf eine einzelfallbezogene und rechtsstaatliche Prüfung ihres Antrages. Für die Dauer des Ver-fahrens haben sie Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbe-werberleistungsgesetz. Das be-inhaltet die staatliche Verpflich-tung, sie unterzubringen und zu versorgen. Wir alle wissen um das Chaos, das die Staatsregie-rung dabei organisiert hat. Nun steht der Winter vor der Tür, und die Menschen müssen vernünf-tig untergebracht werden.Ich habe als Parlamentarischer Geschäftsführer und im Namen der Linksfraktion öffentlich ei-nen Vorschlag gemacht, der für Furore gesorgt hat. Der Frei-staat solle private Gebäude, die deren Besitzer aus spekulativen oder anderen Gründen leer ste-hen lassen, beschlagnahmen – vorübergehend und gegen eine Entschädigung, die ortsüblichen Vergleichsmieten entspricht. Der rechtliche Rahmen dafür ist vorhanden.An dem Slogan, mit dem wir die-sen Vorschlag im sozialen Netz-werk facebook vermittelt haben – „Der Winter kommt: Asyl-Unterkünfte jetzt per Beschlag-nahme-Strategie beschaffen!“, – gab es viel Kritik. Der Großteil bestand aus einer noch nie da-gewesenen Welle hasserfüllter, böswilliger und zum Teil belei-digender Äußerungen. Einige Grundaussagen: Die SED hat ja Erfahrung mit Enteignungen! Deutsche Obdachlose gehen euch doch am Arsch vorbei! Ihr wollt Deutsche aus ihren Häu-sern werfen! Die Politiker haben es verbockt, und wir müssen es ausbaden! Dieser tagelan-

ge „shitstorm“ bescherte uns hunderte solcher Kommentare – und unserem Beitrag eine Reichweite von fast 400.000 Personen. Damit erreichten wir etwa das 200fache des Perso-nenkreises, den wir beim jet-zigen Ausbaustand unseres Pro-fils üblicherweise ansprechen können. Über all die Tumbheit, Ignoranz, Böswilligkeit, Verach-tung, die uns entgegenschlugen, wollen wir nicht klagen. Sie sind

im Netz längst üblich, und nicht nur dort. Der andere Teil der Kritik aber bereitet uns Sorgen. Er stammt von Gutmeinenden, auch Ge-nossinnen und Genossen, und besagt, wir hätten unseren Vor-schlag missverständlich kom-muniziert, zu reißerisch, hätten der politischen Rechten Zulauf beschert. Gewiss, das Format erfordert es, Inhalte möglichst plakativ und provokant zu prä-sentieren, damit die Netzge-meinde sie selbsttätig verbrei-tet und so viele Menschen wie möglich davon erreicht werden. In diesem Fall aber hatten wir, auch aus eigenem Verschulden,

große Not, gegen bewusste und unbewusste Missdeutungen anzukämpfen. Wir hätten uns einigen Ärger erspart, wenn wir von vornherein stärker auf die folgenden Aspekte hingewiesen hätten: Es geht mitnichten um Enteignung, die etwa bei Berg-bau und Straßenbau möglich wäre. Es geht um eine vorüber-gehende Sicherstellung von leer stehendem Wohnraum, eine Zwangsanmietung durch den Staat mit Gegenleistung. Einge-setzt werden soll sie nur, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. Vorher ist es geboten, alle Al-

ternativen zu prüfen. Es gibt im Freistaat noch viele geeignete öffentliche Liegenschaften, bei-spielsweise die alte Kinderklinik im Leipziger Osten. Auch wissen wir von vielen Gebäudeeigentü-mern, dass sie ihre Häuser zur Unterbringung anbieten; diese werden jedoch nicht abgerufen, weil sie nicht ins Verteilungskon-zept des Freistaates passen. Eine Sicherstellung ist im Einzel-fall besser, als von Eigentümern abhängig zu sein, die unverhält-nismäßig hohen Gewinn machen wollen. Der Steuerzahlerbund hat gewarnt, dass sich Wohnrau-meigentümer mit der Asylunter-bringung „eine goldene Nase“

verdienen könnten. Außerdem wird damit vermieden, dass Unterbringungskapazitäten, die vorübergehend gebraucht wer-den, gekauft werden müssen. Freilich ist es immer besser, wenn Eigentümer Wohnraum freiwillig anbieten. In Thüringen können sie sich unbürokratisch über ein Formular auf der Web-site der Staatskanzlei melden. Es ist beschämend, dass Sach-sen bisher nicht auf die Idee gekommen ist, eine so einfache Möglichkeit umzusetzen. Die Staatsregierung hat die Ultima Ratio Beschlagnahme herauf-

beschworen, da sie nicht in der Lage war, planvoll notwendigen Wohnraum zu akquirieren. Der SPD/GRÜNE-Senat von Hamburg hat jetzt einen Ge-setzentwurf eingebracht, der unserem Vorschlag weitgehend entspricht. Darin heißt es: „Die zuständige Behörde kann zum Zwecke der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asyl-begehrenden zur Abwehr von bevorstehenden Gefahren für Leib und Leben Grundstücke und Gebäude sowie Teile da-von sicherstellen. Die Sicher-stellung ist nur zulässig, wenn 1. das Grundstück, Gebäude oder ein Teil davon ungenutzt

ist; der Nichtnutzung steht eine Nutzung gleich, die aus-schließlich oder weit überwie-gend den Zweck verfolgt, eine Sicherstellung nach Satz 1 zu vereiteln und 2. die in den vor-handenen Erstaufnahme- oder Folgeeinrichtungen zur Ver-fügung stehenden Plätze zur angemessenen Unterbringung der Flüchtlinge oder Asylbegeh-renden nicht ausreichen“. Die Sicherstellung darf nur solange und soweit erfolgen, wie dies zum genannten Zweck erforder-lich ist. Für die Inanspruchnah-me sowie für etwaige Nachteile, die aus den Maßnahmen ent-stehen, ist auf Antrag eine an-gemessene finanzielle Entschä-digung zu leisten. Eigentümer können sich per Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Sicherstellung wehren. Bei all dem ist es übrigens gleich-gültig, ob einheimische oder zugewanderte Wohnungslose untergebracht werden sollen; diese Notmaßnahme wird der-zeit auch in Berlin diskutiert und wurde in den 90er Jahren auch schon angewendet. Wir können gerade im Netz nicht darauf vertrauen, dass Menschen sich die kleine Mühe machen, mehr zu lesen als Schlagzeilen. Viele sind nicht bereit, einen Gedanken intellek-tuell zu durchdringen. Politisch opportun scheinende Fehl-interpretationen können den Diskurs schnell dominieren. All das gilt es zu bedenken. Unser Vorschlag war und bleibt rich-tig, er sollte in Zukunft besser kommuniziert werden. Denn die Akteure und Claqueure von AfD, Pegida und Co. lauern nur auf Gelegenheiten, ihre spalterische Hetze ausspeien, Geschundene gegeneinander ausspielen, Un-frieden säen zu können. Unsere Antwort muss lauten: Soziale Sicherheit und Menschenrechte für alle, die hier leben! Der Staat kann sie garantieren, wenn Ein-kommen und Vermögen endlich gerechter erarbeitet und verteilt werden. Das ist ein einendes und aktuelles Ziel, auch ein Vierteljahrhundert nach 1990. Sebastian Scheel

Partei der Enteigner?

DIE LINKE steht für offene Gren-zen für Menschen in Not und für eine menschenwürdige, dezen-trale Unterbringung. Der Bund muss seine Verantwortung wahrnehmen und die Kommu-nen beziehungsweise die Land-kreise finanziell entlasten. Dazu arbeitet die Bundestagsfraktion der LINKEN an Konzepten, wel-che die Leitsätze umsetzbar machen. Mit dem „Länderfi-nanzausgleich LINKS gedacht“ haben wir ein Konzept mit Ge-genfinanzierung vorgelegt, wo-nach die Finanzierungsverant-wortung für die Aufnahme von Flüchtlingen auf den Bund über-gehen soll, denn es handelt sich

um eine gesamtgesellschaftli-che Aufgabe. Daher sollten auch die Kosten hierfür gesamtstaat-lich verantwortet werden. Die Koalitionsfraktionen wen-den ein, dass eine solche Ver-schiebung der Finanzierung von den Kommunen auf den Bund schon rechtlich nicht funktionie-ren könne. Dies sind billige Ab-lenkungsmanöver. Bis zur letz-ten Wahlperiode galt, dass die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach SGB XII ebenfalls eine bundesgesetz-liche Aufgabe war, die von den Kommunen ausgeführt wurde. Die schwarzgelbe Bundesregie-rung hat dann beschlossen, die-

se Aufgabe schrittweise auf den Bund zu übertragen, was mitt-lerweile abgeschlossen ist. Das zeigt, dass bei entsprechendem politischem Willen immer auch eine Lösung möglich ist. Die Forderung, Flüchtlinge dezent-ral unterzubringen statt in zen-tralen Sammelunterkünften in Gewerbegebieten, erfordert vor Ort Akteure, die den politischen Willen auch teilen. Nur dann nüt-zen flankierende bundesgesetz-liche Regelungen etwas. Die Fortschritte, die LINKE Landrä-tinnen bei der dezentralen Un-terbringung beispielsweise in Thüringen erzielen konnten, waren möglich, weil sowohl die

Einwohnerschaft als auch die politischen Ebenen frühzeitig in Entscheidungen einbezogen wurden. In einigen Kommunen, vor allem in den Ballungsräu-men, ist bezahlbarer Wohnraum schon Mangelware. Hier muss auch ein neues Programm für sozialen Wohnraum aufgelegt werden. Rückbauprogramme müssen beendet und wieder deutlich mehr in den sozialen Wohnungsbau investiert wer-den. Hier sind Bund und Länder gleichermaßen gefordert. Dem tief verankerten Rassis-mus bei erheblichen Teilen der Bevölkerung, verbunden mit Wohlstandschauvinismus und

anderen unappetitlichen Denk-weisen, stehen auf der ande-ren Seite aber auch – und das ist ein Unterschied zu den 90er Jahren – sehr viele Menschen mit einem gewachsenen Ver-ständnis für Flüchtlinge gegen-über. Der Weg zu einer über-greifenden Willkommenskultur ist noch ziemlich weit. Die Ent-scheidungsträger auf den ver-schiedenen politischen Ebenen stehen in der Verantwortung, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen und nicht nur in „der Problembeschreibung“ zu ver-haften. Wir LINKE müssen da-für weiterhin die treibende Kraft sein. Susanna Karawanskij

Offene Grenzen für Menschen in Not!

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10/2015 Sachsens Linke! Seite 5

Mittlerweile dürfte akzeptiert sein, dass trotz oft hoher Leer-stände an Wohnraum in Sach-sen verstärkter Neubau und Sanierung von Wohnungen erforderlich sind. Die Leer-stände sind ungleich verteilt. Neben weiter schrumpfen-den Städten und Gemeinden wächst die Einwohnerzahl vor allem der Großstädte deutlich an. Im Ergebnis ist in Dresden der marktgängige Leerstand auf unter 3 % gesunken und unter Berücksichtigung der notwendigen Fluktuationsre-serve de facto nicht mehr vor-handen. Das Wesen von Im-mobilien ist nun einmal, dass sie immobil sind. Ein leerste-hendes Haus kann also nicht einfach an einen Ort mit Be-darf verschoben werden. Des-halb auch sind selbst in einer Situation starker Zuwande-rung Rückbau und Neubau von Wohnungen nach wie vor zwei Seiten ein und derselben Medaille, zumal es eine Kon-zentration von Zuwanderern im Sinne guter Integration eher zu verhindern gilt. Unbe-nommen sollen für mögliche Erstaufnahmeeinrichtungen sanierungsfähige Leerstands-wohnungen hergerichtet wer-den, vonnöten ist eine diffe-renzierte und sensible Prüfung vorhandenen Wohnraums. Da-rauf sollte auch die staatliche Förderung für Neubau und Ab-riss flexibler reagieren.Der durch Binnenwanderung und natürliches Bevölkerungs-wachstum verursachte Woh-

nungsnotstand in den Bal-lungszentren verstärkt sich durch die Fluchtbewegungen aus den Krisen- und Kriegsge-bieten. Das Pestel-Institut er-rechnete jüngst einen bisher durch Neubau nicht gedeck-ten Bedarf an Wohnungen von

bundesweit 770.000. Entspre-chend der Bevölkerungszahl Sachsens, die anders als pro-gnostiziert seit Jahren nahe-zu konstant bleibt, bedeutet das, dass ca. 38.000 zusätzli-che Wohnungen benötigt wer-den, inklusive des Wohnraums für asylsuchende Menschen. Spätestens die Zweitunter-bringung von Flüchtlingen und

Asylsuchenden in Deutsch-land muss für eine erfolgrei-che Integration dezentral in Wohnungen erfolgen. Sowohl Neubau in allen Marktseg-menten, also insbesondere auch im sozialen Wohnungs-bau, als auch eine Sanierung

leerstehender Wohnungen zu marktgängigen Angeboten sind hier erforderlich.Wie kann diese Neubau- und Sanierungsleistung staatlich unterstützt werden? Dabei stehen wir vor dem grundsätz-lichen Problem der Differenz aus der für die Refinanzierung aufgrund der hohen Baukos-ten notwendigen Nettokalt-

miete von 8 bis 10 Euro pro m² und der durch die geringeren Einkommen in Sachsen verur-sachten leistbaren Miethöhe pro Haushalt von bis zu 6,50 Euro pro m². Diese Problemla-ge wird aufgrund der stärker steigenden Mietnebenkos-

ten verschärft. Vor allem die Energiekosten sind in den ver-gangenen 12 Jahren um 117 % gestiegen. Der geringe Ein-kommensanstieg und die zu niedrigen Transferleistungen wie z. B. das Wohngeld tun ihr Übriges.Die beschriebene Differenz kann kurzfristig nur durch staatliche Förderung des

Wohnungsbaus geschlossen werden. Hierzu können un-terschiedliche Formen sinn-voll eingesetzt werden. Neben die Subjektförderung wie z. B. Wohngeld muss als Instru-ment die Objektförderung tre-ten. Dabei müssen wegen der niedrigen Marktzinsen ver-mehrt echte Zuschüsse ein-gesetzt werden, an die eine Belegungsbindung für Asylsu-chende und eine Mietpreisbin-dung für bedürftige Haushalte gebunden werden sollte.Seit Jahren fördert der Frei-staat Sachsen keinen sozialen Wohnungsbau, weder durch eigene Mittel noch durch die Verwendung von Bundesmit-teln der Wohnraumförderung zu diesem Zweck. Zur Vermei-dung von Segregationspro-zessen und zur Förderung der sozialen Durchmischung der Wohngebiete wäre diese För-derung jedoch dringend not-wendig und dabei nicht, wie beispielsweise bei der Förde-rung der energetischer Sanie-rung durch zinsvergünstigte Darlehen, sondern nur durch echte Zuschüsse mit Miet-preisbindung.Die vom Bund im Rahmen des „Asylkompromisses“ kürzlich beschlossenen zusätzlichen 55 Millionen Euro für Sach-sens sozialen Wohnungsbau müssen auch wirklich hierfür eingesetzt und um Landes-mittel ergänzt werden. Damit lässt sich der zusätzliche Be-darf tatsächlich finanzieren. Enrico Stange

Flüchtlinge – Legale Zugangswege schaffen!Die Zuwanderung von Flücht-lingen vor allem in die west- und nordeuropäischen Staa-ten der EU stellt eine der zentralen politischen Heraus-forderungen der kommenden Jahre dar. Dies gilt auch hier-zulande und für unsere Partei. Unsere solidarische Haltung gegenüber Menschen in Not alleine reicht nicht aus. Wir müssen als LINKE tragfähige Konzepte auf allen Ebenen der Flüchtlingspolitik entwi-ckeln: für die Herkunfts- und Erstzufluchtsländer, für die EU und für Deutschland. Un-ter anderem ist es wichtig, dass wir dem Slogan „Refu-gees welcome“ eine konkrete Bedeutung geben, indem wir Vorschläge für die Schaffung legaler Zugangswege nach Deutschland machen. Die Bundesregierung hat keine, sondern hält an dem für die aktuelle Situation nicht ge-schaffenen Asylrecht und an willkürlichen Sonderkontin-genten fest. Das ist gefährlich, denn in dieses Vakuum stoßen die Rechten, indem sie Ängste

und rassistische Vorurteile schüren. Doch braucht DIE LINKE die Debatte nicht zu scheuen.Für die Schaffung legaler, hu-manitärer Zugangsregeln für Flüchtlinge nach Deutschland wie in die EU bietet sich die Verzahnung dreier Maßnah-men an:

1. Das Resettlement-Pro-gramm des UNHCR: Es zielt auf eine legale und ge-regelte Aufnahme größerer Kontingente von Flüchtlin-gen. Wie das Beispiel Syrien zeigt, flüchten Menschen aus Kriegs- und Krisenstaaten vor allem in Nachbarstaaten. Häufig sind dies jedoch selbst arme Länder, die mit der Auf-nahme von Hundertausenden Flüchtlingen überfordert sind. Die Neuansiedlung in aufnah-mebereite Drittstaaten, das „Resettlement“, ist daher oft die einzige Lösung. Das Reset-tlement-Programm existiert bereits unter der Leitung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Bis jetzt beteiligen

sich aber erst wenige Staa-ten daran. Bei einem Bedarf von jährlich 800.000 Plätzen stehen nur 80.000 zur Verfü-gung. Die 27 Mitgliedsstaaten der EU stellen davon gerade einmal 5.500. Folgerichtig kritisierte das UNHCR erst kürzlich die Entscheidung der EU, zwar 120.000 Flücht-linge in der EU zu verteilen, doch keine Maßnahmen vor-zuschlagen, um geregelte, legale Wege nach Europa zu schaffen – genau das, was das Resettlement-Programm leisten kann. DIE LINKE sollte sich dafür einsetzen, dass Deutschland Resettlement als Chance begreift. Massen-haftes Elend und die Flucht über gefährliche Routen wür-den verhindert, zugleich eine Regelung, die bei der gegen-wärtigen Entwicklung die Aufnahme hierzulande legali-siert und ordnet, geschaffen. Deutschland sollte sich ent-sprechend des Prozentsatzes seiner finanziellen Beteiligung an UN-Friedensmissionen mit mindestens 7,2 Prozent dyna-

misch am jährlichen Bedarf beteiligen.

2. Ein Einwanderungsge-setz: Flüchtlinge, die nicht vor Krieg oder Bürgerkrieg flüch-ten, bekommen schnell den Stempel „Wirtschaftsflücht-linge“ aufgedrückt. Doch ha-ben Menschen, die in Armut leben, nicht auch ein Recht auf ein besseres Leben? Für solche Flüchtlinge greift we-der das Resettlement-Pro-gramm noch das Asylrecht. Für sie brauchen wir eine legale Zugangsmöglichkeit, die auch die letztlich nicht unbegrenzten Möglichkeiten unserer Gesellschaft berück-sichtigt. Das kann ein Einwan-derungsgesetz leisten, vor dem die Bundesregierung bis heute zurückschreckt. Da es nur ein Instrument der Flücht-lingsaufnahme neben dem Resettlement-Programm und dem Asylrecht sein soll, wäre auch die Sorge, dass Zuwan-derung ausschließlich nach Nützlichkeitskriterien geregelt wird, hinfällig.

3. Das Recht auf Asyl: Das Recht auf Asyl ist ein im Grund-gesetz verankertes individu-elles Grundrecht auf Schutz für politisch Verfolgte. Es war nie für die Aufnahme größe-rer Flüchtlingskontingente gedacht. Das Resettlement-Programm und ein Einwande-rungsgesetz zielen nicht nur genau in diese Leerstelle, sie würden zudem dazu führen, dass die Asylgesetzgebung wieder auf seine eigentliche Aufgabe zurückgeführt wird: ein Individualrecht für poli-tisch Verfolgte. Die Gerichte und Behörden würden massiv entlastet, und dem Gerede vom „Asylmissbrauch“ wäre der Nährboden entzogen. In der Konsequenz könnten in weiteren Schritten die Ein-schränkungen des Asylrechts rückgängig gemacht werden: Dies beträfe unter anderem das ohnehin gescheiterte Du-blin-Verfahren und die nur zur Aushebelung des Asylrechts geschaffene Regelung der „si-cheren Herkunftsländer“. Michael Leutert

Wohnungsmarkt differenziert betrachten, sozialen Wohnungsbau fördern!

Der Karl-Marx-Hof in Wien - Musterbeispiel für sozialen Wohnungsbau.Bild: Dreizung / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0

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Sachsens Linke! 10/2015 Seite 6

Auf, auf! Vom 30.10. bis zum 01.11.2015 heißt es für alle, die sich mit der Ju-gend assoziieren: Auf nach Oschatz zum nächsten Landesjugendplenum/-tag! Am Freitag wollen wir, nach der Konstituierung, gleich mit den ersten Entlastungen star-ten, damit wir im Anschluss die ersten Gremien wieder neu besetzen. Dieses Mal müs-sen wir die Landeskassen-prüfung, die Landesschieds-kommission, eine*n neue*n Schatzmeister*in und einen neuen Beauftragtenrat wäh-len. Wenn Du Interesse hast, Dich wählen zu lassen, dann schick Deine Bewerbung doch einfach per Mail an [email protected]. Am ersten Abend gibt es dann noch eine Gameshow! Also lass Dich überraschen und ha-

be viel Spaß! Am Samstag ha-ben wir dieses Mal zwei Work-shop-Schienen geplant. Das eine Mal geht es um Links-jugend-interne Positionen, die diskutiert werden sollen. Zur Auflockerung, damit es

ganz bestimmt nicht langwei-lig wird oder einem Sitzungs-marathon ähnelt, werden wir noch Anträge diskutieren wie auch die Wahlgänge durchfüh-

ren. Die zweite Workshopp-hase wird sich darum drehen, dass wir alle ganz fleißig Infor-mationen aufsaugen können, wenn wir wieder Mal draußen auf der Straße unsere Posi-tionen vertreten wollen und

schlagfertig zu argumentieren suchen (bspw. Asyl, Schwan-gerschaftsabbruch, …). Am Abend, einen Trommelwirbel bitte, findet eine fette Danke-

schönparty unserer jungen MdLs statt. Anja und Marco tüfteln da schon eine Weile an der Abendgestaltung! Wir wür-den uns riesig freuen, wenn Du zum Landesjugendplenum/-tag vorbeischauen würdest!Wir suchen auch noch Men-schen, die bei den Kommis-sionen mitarbeiten. Also auf geht’s! Damit wir besser pla-nen können, melde Dich bitte zum Landesjugendtag/-ple-num an und gib Bescheid, ob Du einen Übernachtungsplatz brauchst und wie deine Er-nährungswünsche aussehen (omnivor (alles), vegan, ve-getarisch). Das geht ganz un-kompliziert über das Anmelde-tool unter https://anmeldung.linksjugend-sachsen.de/Wir sehen uns!Mit den besten Grüßen, der Be-auftragtenrat Sachsen

Vom 13. bis 15. November wird in Leipzig ein Kongress der linksjugend [ solid] Sach-sen zu prekären Lebens- und Arbeitsverhältnissen stattfin-den. Inzwischen befindet sich das Vorbereitungsteam in den letzten Phasen der Vorberei-tung. Wir leben in prekären Zeiten. Viele der Menschen, die heute in ihren Zwanzigern sind, ken-nen es nicht anders. Ihr Nor-malarbeitsverhältnis ist ein prekäres. Sie sind oft unfrei-willig in unsicheren Jobs oder nehmen die Unsicherheit in Kauf, um an „Projekten“ zu ar-beiten, in denen sie sich selbst „verwirklichen“ können. Diese Situation hat sich jedoch nicht erst in den letzten Jahren zur Norm entwickelt. Während in Westdeutschland in den 2000ern der Wandel zu dem einsetzte, was heute ist, gab es im Osten nach der Wen-de nie etwas anderes. Der im Westen ausgehandelte Klas-senkompromiss verzögerte, was in Ostdeutschland der Untergang der DDR abrupt mit sich brachte – Unsicher-heit und Armut. Menschen müssen, um studieren zu kön-nen, ihren Lebensunterhalt in schlecht bezahlten Neben-jobs verdienen. Viele haben ihre eigenen Produktionsmit-tel, ihr Humankapital und den Laptop, zu Hause, mit denen sie versuchen, als Freelancer über die Runden zu kommen, indem sie beispielsweise lay-outen oder programmieren. Sie sind bedroht von Selbst-ausbeutung und haben kei-nerlei Garantie, dass nicht doch jemand flexibler und bil-liger ist als sie, vielleicht sogar ihr*e WG-Mitbewohner*in. Schüler*innen sehen die Brü-

che in den Erwerbsbiografien ihrer Eltern und auch die Zwän-ge, die ihnen leben erschwe-ren. Sie werden zu erbitterten Konkurrenten in der Schule. Um die immer knapper wer-

denden Aufstiegschancen ist ein Kampf entbrannt, der je-den Funken Solidarität zum Erlöschen bringt. Der Druck, allein seines eigenen Glückes Schmied zu sein, macht die Leute krank. Liegt die Verant-wortung für Scheitern oder Er-

folg in den eigenen Händen, ist man permanent dazu ver-pflichtet, jeden Bereich seines Alltags zu effektiveren.Die Auseinandersetzung mit dem, was ist und dem, was zu

tun ist, ist bei diesem Thema nicht leicht eingrenzbar. Ho-he Mieten, zu viel Arbeit, Ab-strampeln im Hamsterrad, kei-ne Zeit für Muße. Wo und wie kommt die Traurigkeit der Welt zum Ausdruck? Ich-AG, Zeitar-beit, Befristung – was sind pre-

käre Arbeitsverhältnisse? Wie solidarisch ist solidarische Ökonomie? Wie könnten Wege der Organisierung in einer Zeit der Vereinzelung und Privati-sierung von Problemen ausse-hen? Wie könnte ein soziales Sicherungssystem aussehen, das prekären Lebensverhält-nissen beikäme? Können Ge-werkschaften dazu beitragen? Auf welche Art und Weise schlägt sich der Neoliberalis-mus auf der individuellen Ebe-ne nieder? Dynamisierung des Alltags und Selbstausbeutung als Dauerzustand? Burnout und Depression – Krankheiten politisieren? Was bedeuten Urbanität, wie verändert sich die Stadt momentan? Ort ef-fizientester Konsumtion oder Aufeinandertreffen sozialer Konflikte? Prekär Leben/Ar-beiten ist europäische Reali-tät, wo bleibt die europäische Bewegung dagegen?Deshalb wurde sich bei der in-haltlichen Vorbereitung für ei-nen Call entschieden, der un-terschiedlichsten Akteuren, Netzwerken, Gruppen, Einzel-kämpfer_innen die Möglich-keit schaffen sollte, ihre spezi-fischen Zugänge, Erfahrungen und Diskussionen in den Kon-gress einfließen zu lassen. Das weite Spektrum ist uns be-wusst. Doch wir erarbeiten ge-rade ein Programm, das Raum und Zeit bietet, die vielfälti-gen Herangehensweisen, ob ästhetisch, theoretisch oder praktisch, ob reflexiv, pro-grammatisch oder utopisch, ob fragend oder antwortend, zu entdecken und zu verknüp-fen. Wir sind also mitten in den letzten Phase der inhalt-lichen Vorbereitung – die ein-getroffenen Beiträge zu einem stimmigen Kongresswochen-

ende zusammenzustellen. An-spruch war und ist es, sich in der Weite des Themas nicht zu verlieren und den Kongress dennoch nicht zu verengen. Es sei schon jetzt verraten, dass Katja Kipping, Robert Misik, Thomas Ebermann und Kristof Schreuf Teil des Kongresses sein werden. Das Organisationsteam

Prekarität und AlltagJugend

Termine

Call for Landesjugendplenum/-tag Ende Oktober in Oschatz

01.10.2015 – 05.10.2015: Herbstakademie des SDS „Krieg, Frieden und Imperia-lismus“. Joachimsthal, Joach-imsthaler Straße 20, EJB Wer-bellinsee. Infos: http://gleft.de/10h

09.10.2015 – 11.10.2015: Stadtjugendtag der Linksju-gend Leipzig, Leipzig, Demme-ringstr. 34, INTERIM!

09.10.2015 – 18:00 Uhr: Mietrebellen – Widerstand ge-gen den Ausverkauf der Stadt. Dresden, Rudolf-Leonhard-Straße 39, AZ Conni! Infos: ht-tp://gleft.de/11x

17.10.2015 – 12:00 Uhr: Sit-zung des Beauftragtenrates. Chemnitz, Rosenplatz 4, im Bü-ro der Linksjugend

17.10.2015 – 13:00 Uhr: Bite Back! Wut in Aktion wandeln. Workshop, Kunst trifft auf Akti-on. Realistische Notfalldarstel-lung als Demonstrationsmittel. Dresden, Rudolf-Leonhard-Straße 39, AZ Conni. Infos: ht-tp://gleft.de/11y

19.10.2015 – 19:00 Uhr: Ge-walt, Militanz und emanzipa-torische Praxis – Machen die Richtigen alles falsch? Kobur-ger Str. 3, Conne Island! Infos: http://gleft.de/11A

25.10.2015 – 14:00 Uhr: Stadtjugendplenum der Links-jugend Dresden. Dresden, Martin-Luther Str. 21, Wir-AG.

30.10.2015 – 01.11.2015: Lan-desjugendplenum, Oschatz, Berufsschulstraße 20, Europä-isches Jugendcamp.

06.11.2015 – 20:00 Uhr: Der lange Schatten der Festung Eu-ropa. Fluchtursachen – Flucht-wege.Leipzig, Windscheidstraße 51, Frauenkultur. Infos: http://gleft.de/11z

13.11.2015 – 15.11.2015: Kon-gress zu prekären Lebens/Ar-beitswelten. Leipzig. Nähere Informationen folgen, aber hal-te Dir das Wochenende schon frei!

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Page 15: LINKS! Ausgabe 10/2015

10/2015 Sachsens Linke! Seite 7

Ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen sollte es werden. Bis zum Wahlabend sahen Wahl-forscher das Linksbündnis SY-RIZA von Alexis Tsipras und die konservative Nea Dimokratia (ND) gleichauf in der Wähler-gunst: Ausgang ungewiss. Die neoliberalen Regierenden in der EU freuten sich schon auf ein Ende der linken Ära in Grie-chenland. Doch daraus wurde nichts: SYRIZA gewann die Neu-wahlen überraschend hoch mit 35,5 Prozent und wurde wieder stärkste Kraft im griechischen Parlament. Die eng mit der kor-rupten Elite verbundene ND er-reichte nur 28,1 Prozent. Neuwahlen wurden ausgeru-fen, nachdem die SYRIZA-Re-gierung im August zurücktrat. Tsipras wurde im Juli als einzi-ger linker Regierungschef in der EU von den Gläubigern aus EZB, IWF und der Eurozone erpresst und öffentlich gedemütigt: Sie zwangen ihn, ein weiteres un-soziales Kürzungsdiktat zu un-terschreiben, um sein Land vor dem Staatsbankrott zu retten. 32 Abgeordnete verließen die SYRIZA-Fraktion, weil sie sich für einen Euroaustritt (Grexit) stark gemacht hatten. SYRIZA spaltete sich und die Gegner der Juli-Vereinbarung gründeten die Partei „Volkseinheit“ (LAE). In der deutschen und europäi-schen Linken entbrannte eine Debatte darüber, ob mit diesem Euro und in der heutigen neoli-beralen EU linke Politik über-haupt machbar ist. Einige Linke fordern jetzt, ge-gen den Euro und die EU zu mobilisieren. Diese neolibera-le EU könne nicht von links ver-ändert werden. Der Euro solle

aufgelöst oder wenigstens in ei-nen anderen Währungsmecha-nismus umgewandelt werden. Auch wenn der jetzige Frust vie-ler Linker verständlich ist, poli-tisch ist eine solche Strategie fragwürdig. Die Folgen des Gre-xit wären für Griechenland fa-tal gewesen. Eine eigene Wäh-rung wäre abgestürzt und hätte die importabhängige Wirtschaft erdrosselt. Das hätte die hu-manitäre Krise verschlimmert. Keine Option für eine linke Re-gierung. Beim Referendum im Juni stimmten die Menschen ge-gen die gescheiterte Kürzungs-politik, nicht gegen den Euro. Daran ändert sich nichts, wenn man das Ergebnis des Referen-dums im Nachhinein als Nein zum Euro umdeutet. Die LAE ist mir einer Grexit-Kampagne ge-rade an der Drei-Prozent-Hürde gescheitert. Diejenigen, die wieder mehr Kompetenzen an die Mitglied-staaten geben wollen, über-schätzen die Macht des Natio-nalstaats. In einer Welt, in der Kapitalströme international flie-ßen und transnationale Kon-zerne ihre Waren weltweit her-stellen und verkaufen, kann ein Staat allein immer weniger aus-richten. Auch die Kosten einer Rückkehr zu nationalen Wäh-rungen werden unterschätzt. Dramatische wirtschaftliche und soziale Verwerfungen wä-ren in der gesamten EU vorpro-grammiert. Trotz aller Fehlent-wicklungen in der EU sollten gerade Linke nicht vergessen, dass die Mitgliedstaaten seit 70 Jahren nicht mehr militärisch übereinander hergefallen sind. Nach den Ereignissen um Grie-chenland müssen die Linken in

der gesamten EU über ihre Stra-tegie nachdenken. Warum konn-ten wir nicht mehr Menschen ge-gen die unsoziale Krisenpolitik mobilisieren? Welche Alternati-ven zum neoliberalen Kürzungs-diktat sind nötig und machbar? Wir müssen uns als Linke fra-

gen, wie wir mit objektiven Wi-dersprüchen und bestehenden Kräfteverhältnissen umgehen. Nur Missstände zu benennen, reicht nicht. Linke Politik, die sich wie in Griechenland auf Mehrheiten in der Bevölkerung stützen kann, gleichzeitig allein gegen die Herrschenden in der EU anrennt, braucht mehr eu-ropäische Unterstützung. Ha-ben wir genug getan, um das Bild von „faulen Griechen“ und von der „lästigen“ griechischen Regierung in der europäischen Öffentlichkeit ins Wanken zu

bringen? Eine Schlussfolgerung aus der Vereinbarung vom 12. Juli wäre jetzt fatal: die EU den marktradikalen Eliten zu über-lassen. Statt den Euro abzu-schaffen, brauchen wir Regeln und Ausgleichsmechanismen, die den Ungleichheiten zwi-

schen Euroländern entgegen-steuern. Jetzt werden öffentli-che Ausgaben gebraucht, um eine nachhaltige Entwicklung anzustoßen: ein öko-sozialer „EU-Marshall-Plan“. Durch ge-rechte Besteuerung hoher Ein-kommen und großer Vermögen können Einnahmen erhöht und wieder in Bildung, Gesundheit, soziale Sicherheit und Infra-struktur investiert werden. Und die Linke muss für mehr Demo-kratie und direkte Beteiligung der Bürger in der EU streiten. Das ist nur zu schaffen, wenn

die Linken EU-weit stärker zu-sammenarbeiten, Kampagnen und Aktionen besser abstim-men und mehr Menschen mo-bilisieren.Auch vor SYRIZA liegen schwie-rige Aufgaben. Auf dem Partei-tag im Dezember sind viele of-fenen Fragen zu klären. Die Aus- und Rücktritte führender Mitglieder zwingen SYRIZA ge-radewegs dazu, sich als Partei zu stabilisieren. Als Regierungs-partei muss sie die humanitä-re Krise bekämpfen, die Wirt-schaft stabilisieren und mit Vetternwirtschaft und Korrup-tion aufräumen. Dass Tsipras als Regierungspartner auf die schwache ANEL mit ihren frag-würdigen politischen Zielen setzt, ist seine Achillesferse. Und zum zweiten Mal sind die Ministerien fast ausschließlich in Männerhand. Auf EU-Ebe-ne gibt es zwei drängende He-rausforderungen: über die un-tragbare Schuldenlast weiter zu verhandeln und sich in der Flüchtlingskrise für eine soli-darische und menschenwürdi-ge Lösung der EU-Staaten ein-zusetzen. Dabei müssen ihn die Linken in der EU unterstützen.Tsipras‘ Wiederwahl ist nicht nur eine Chance für SYRIZA, sondern für alle europäischen Linken. Gemeinsam müssen wir für einen Politikwechsel strei-ten: für eine bessere, soziale EU! Gabi Zimmer, MdEP und An-dré Seubert

DIE LINKE im Europäischen Parlament

SYRIZA nach der Wahl

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Von „gleichgeschalteten Medien“, der AfD und dem „Verfassungsschutz“Als im Untersuchungsausschuss „Neonazistische Terrornetzwer-ke in Sachsen“ ein Zeuge die Einstellungspraxis beim hiesi-gen Geheimdienst in dessen An-fangszeit schilderte, herrschte allgemein entweder ungläubi-ges Staunen oder verlegenes Lächeln. Konnte es damals tat-sächlich so gewesen sein, dass man als Friseur oder Fliesenle-ger beim beschönigend als „Ver-fassungsschutz“ bezeichneten Dienst anheuern und nach we-nigen Wochen Lehrgang den Dienst antreten konnte, wenn man eine unverzichtbare Grund-voraussetzung erfüllte, nämlich eine deutliche Ferne zum unter-gegangenen Staat DDR? Es war so. Und nicht nur in Sachsen, sondern in allen neuen Bundes-ländern. Die Qualität der Arbeit war entsprechend.Aber heute, heute ist doch alles anders!? Man hat doch aus dem NSU-Desaster gelernt, oder?

Man hat doch Köpfe rollen las-sen und an der Spitze des Amtes inzwischen den Schwiegermut-ter-Typ Gordian Meyer-Plath, der versprochen hat, dem Amt eine neue Philosophie einzutrich-tern? Nun ja, wir wissen: kaum versprochen, schon gebrochen. Inzwischen wissen wir, dass sich durch ihn tatsächlich etwas ge-ändert hat. Die Situation ist noch schlimmer geworden. Bei bevorstehenden rassistischen Pogromen gibt sich das Amt ah-nungslos, stattdessen verbrei-tet es Tipps für „asylkritische“, sprich: rassistische Bürgeriniti-ativen, damit diese sich vor „Un-terwanderung“ vor Rechtsextre-misten schützen können.Aber zumindest herrschen doch nicht mehr die Zustände wie zu Zeiten der Gründung des Am-tes, oder? Oder! Wer damals so ungefähr mein Jahrgang war, al-so Mitte zwanzig, ist heute Ende vierzig. Die Chancen, dass die

damals frisch zu Beamten ge-kürten Personen noch immer bei den Schlapphüten arbeiten, sind also gut. Wenn also jemand von sich schreibt: „Aufgrund der re-ligiösen Einstellung war ich auch nicht Mitglied der Freien Deut-schen Jugend (FDJ) während der Schulzeit und entschied mich aus Überzeugung den Wehrdienst zu verweigern, was zur Folge hatte, dass ich nicht zum Abitur zugelassen wurde“, dann hat er schon einmal das Kriterium der Systemferne er-füllt. Instandhaltungsmechani-ker lernte die betreffende Per-son, nennen wir sie Hendrik S., nach der Wende. 1994 wechsel-te er „nach einem langwierigen Auswahlverfahren“ in das säch-sische Innenministerium, wur-de 1996 Verwaltungsbeamter. Wörtlich weiter: „Dort begleite ich seither mehrere Aufgaben in Bezug auf Innere Sicherheit mit Schwerpunkt Extremismus und

verfasse entsprechende Analy-sen“. Die Metadaten geben Aus-kunft darüber, dass die Biografie von Hendrik S. zumindest teil-weise auf seinem Dienstcompu-ter entstanden ist: „lfv23011“. Es handelt sich um kein internes Schreiben; es ist für die Öffent-lichkeit bestimmt. Für die Par-tei-Öffentlichkeit jedenfalls.Hendrik S. nämlich fühlt sich zu Höherem berufen, für einen Sitz im Landtag geeignet. S., der nebenberuflich mit „Falt-garagen“ handelt, beobachtet keineswegs die rechtslastige „Alternative für Deutschland“ (AfD), sondern er wollte für sie kandidieren wegen der „zahl-reichen Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft, die unbe-dingt gestoppt werden müssen“ und die „eindeutig auf die Kon-zeptionslosigkeit und Unfähig-keit der Regierenden zurückzu-führen“ seien. Und im Duktus der extremen Rechten heißt es

weiter: „Die Medien sind gleich-geschaltet und lassen keine ob-jektive Betrachtung von Sach-verhalten mehr zu, geschweige eine anderslautende Meinung. Dazu missachten die etablierten Parteien den Wählerwillen und schaden mit ihrem Politikstil Deutschland in seinem Bestand. Ein zunehmender Werte- und Normenverfall ist das Ergebnis“. Hendrik S. ist nicht irgendwer. Er ist stellvertretender Kreis-vorsitzender der AfD in Mittel-sachsen, er lobt auch schon mal eine rassistische Leipziger Initi-ative, deren NPD-Nähe bekannt ist, mit den Worten „sehr gut“ und „weiter so“. Eine öffentliche Stellungnahme von seinem Chef oder gar dem Minister? Fehlan-zeige! Er ist weiterhin Beamter. An inzwischen bekannter Stel-le. Übrigens: Verrat von Dienst-geheimnissen ist strafbar, sogar beim sächsischen „Ver-fassungsschutz“. Kerstin Köditz

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Sachsens Linke! 10/2015 Seite 8

Ich wunderte mich nicht, als ein Journalist am Rande des Willkommensfestes für Flüchtlinge in Heidenau frag-tr: „Frau Lay, warum gibt es gerade in Sachsen so viele Anschläge auf Flüchtlinge?“ In der Tat: Allein in diesem Jahr gab es über 60 Brandanschlä-ge auf Flüchtlingsunterkünfte, davon ein Viertel in Sachsen. Insgesamt waren es über 100 rechte Angriffe aller Art seit Jahresbeginn. Freital und Hei-denau sind hier nur die Spit-ze des Eisberges. In Sachsen gibt es doppelt so viele An-schläge wie in allen anderen Ländern. Hinzu kommen die Angriffe auf Andersdenkende, wie beispielsweise Ende Ju-li auf das Auto des Genossen Michael Richter, der im Freita-ler Stadtrat sitzt. Auch mein Büro in Hoyerswerda war wie-derholt Ziel. Den Anschlag auf unseren Parteitag haben noch viele Genossinnen und Genossen in lebhafter Erinne-rung. Die Liste der Beispiele allein der letzten Wochen lie-ße sich beliebig fortsetzen.Und auch bei den Wahlumfra-gen sieht es nicht anders aus: Die „Alternative für Deutsch-land“ käme in einer aktuellen repräsentativen Umfrage auf 13 Prozent der Stimmen. Die NPD, noch weiter rechts und eigentlich schon abgeschrie-ben, würde mit fünf Prozent wieder den Sprung in den Landtag schaffen. Umfrageergebnisse sind das eine, das Handeln des brau-

nen Mobs auf der Straße das andere. Auch hier sieht es in Sachsen düster aus. Die frem-denfeindlichen Pegida-De-monstrationen, auch ein säch-sisches Original, sind leider

n o c h die harm-loseste Aus-prägung. Aber ist Sachsen denn per se rech-ter als andere Bundesländer? Ich glaube das nicht. Denn auch in Sachsen gibt es Wi-derstand überall da, wo Na-zis und Fremdenfeinde auf-

tauchen. Ein breites Bündnis von Kirchen, Gewerkschaf-ten über SPD, LINKE und Grü-ne bis hin zu Antifa-Gruppen stellt sich ihnen dann in den Weg und zeigt, dass die nicht

willkom-men sind. Wer

in der Regel fehlt, ist die säch-sische CDU. Ausgerechnet die Partei, die Sachsen seit 25 Jahren regiert. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer!

Meistens schweigt sie zu rechter Gewalt, und wenn sie etwas sagt, dann relati-viert sie. Sie spricht lieber von „Extremismus“ und findet die Linken mindestens genauso

schlimm. Damit le-gitimiert man den alltäglichen Rassis-mus. Wenn Frank Kupfer, der Frak-tionsvorsitzende der CDU im Säch-sischen Landtag, bei einer Debatte zu fremdenfeind-licher Gewalt lie-ber Angst vor der dem Islam schürt und davor warnt, den Vorwurf des Rechtsextremis -mus zu schnell zu erheben, ver-kennt er jede Re-alität in „seinem“ Land. Und wenn Sachsens Polizei tagelang zuschaut, wenn Flüchtlingsun-

terkünfte angegriffen werden, es kaum Fest-

nahmen gibt und Innen-minister Markus Ulbig

immer noch im Amt ist, ist das ein deutliches Signal an alle Rassistinnen und Rassis-ten, so weiter zu machen. Da kam es viel zu spät, wenn der Ministerpräsident die Gewalt jetzt zaghaft verurteilt.Es ist ja auch nicht erst seit gestern so. Schon als sich all-jährlich Tausende von Neona-zis in Dresden versammelten,

um mit unsäglichen Begrif-fen wie „Bombenholocaust“ die Shoa zu relativieren, wa-ren es die couragierten Akti-vistinnen und Aktivisten von „Dresden Nazifrei“, die in den Augen der CDU das Problem waren – obwohl ihre Blocka-den dem braunen Spuk letzt-endlich ein Ende bereitet ha-ben.Laut CDU sind wir übrigens auch wieder schuld am oben genannten Erfolg der AfD. Zu den aktuellen Umfragewerten erklärte Frank Kupfer: „Wenn sich am rechten Rand etwas formiert, bleibt das am linken Rand nicht folgenlos“. So ein-fach und so brandgefährlich ist und bleibt das politische Weltbild der sächsischen CDU.Das sollte uns als LINKE nicht entmutigen, weiterhin ganz vorne zu stehen, wenn sich Fremdenfeinde wieder for-mieren. Auf die CDU waren wir noch nie angewiesen, um deutlich zu machen, dass wir Hetze und Gewalt gegen Flüchtlinge und alle anderen nicht dulden werden! Es gibt ein anderes Sachsen, in dem sich Tausende verantwor-tungsvoll für Flüchtlinge ein-setzen. Ich bin froh, dass LIN-KE hier stets mit dabei sind!Caren Lay

Mit diesem Logo, dass auch auf www.caren-lay.de herun-tergeladen werden kann, kann man seine Haltung gut zum Ausdruck bringen.

Viele der Flüchtlinge, die es nach Deutschland schaffen, werden hier dauerhaft oder für eine längere Zeit bleiben. Derzeit stehen die Fragen der Unterbringung und siche-ren Fluchtwege im Vorder-grund. Vergessen werden darf aber nicht, Flüchtlinge zeitnah und gleichberechtigt auf dem Weg in Arbeit zu unterstüt-zen. Nur so können die Betrof-fenen eigenständig für ihren Lebensunterhalt sorgen und gleichberechtigter Teil unse-rer Gesellschaft sein. Die alte Asyl- und Arbeitsmarktpolitik hat weitgehend auf Abschot-tung gesetzt. Sie muss grund-legend umgekrempelt wer-den. Die ankündigten Maßnahmen der Bundesregierung greifen zu kurz oder gehen in die fal-sche Richtung. Schranken zum Arbeitsmarkt müssen beseitigt, alle Flüchtlinge ge-fördert und unterstützt wer-den. Dazu gehören ausrei-chend Sprachkurse und die Vorsorge, dass sie nicht als

billige Arbeitskräfte und zum Lohndumping missbraucht werden. Um Flüchtlingen den Weg in Arbeit und gesell-schaftliche Teilhabe zu ermög-lichen, brauchen Flüchtlinge schnell aufenthaltsrechtliche Sicherheit und sollten vom ersten Tag arbeiten können. Sprachkurse muss es für alle geben, die Verfahren zur Aner-kennung ihrer im Ausland er-worbenen Qualifikation müs-sen vereinfacht werden.Gleichzeitig ist eine Wende in der Arbeitsmarktpolitik nö-tig. Individuellere Vermittlung und Unterstützung in der Ar-beitsförderung, mehr Wei-terbildungs- und Unterstüt-zungsmaßnahmen, Initiativen gegen Langzeiterwerbslosig-keit – seit Jahren macht sich DIE LINKE dafür stark. Es ist im Interesse aller Erwerblo-sen überfällig, dass hier et-was passiert. Und es ist jetzt noch dringlicher, den Niedrig-lohnsektor und prekäre Be-schäftigungsverhältnisse zu-rückzudrängen. Das heißt: die

Ausnahmen vom Mindestlohn abschaffen, Leiharbeit ver-bieten, den Missbrauch von Werkverträgen angehen und befristete und geringfügige Beschäftigung eindämmen. Das sind die Einfallstore für Lohndumping. Es muss ver-hindert werden, dass im Inte-resse von Arbeitgebern und neoliberaler Politik Löhne und Arbeitnehmerrechte weiter abgesenkt werden. Flüchtlin-ge dürfen nicht als billige Ar-beitskräfte und Lohndrücker missbraucht werden.Es ist ein schmutziges Spiel, das Finanzminister Schäuble nun spielt, wenn er die Gelder zur Flüchtlingshilfe anderen sozialen Ausgaben gegenüber stellt. Er und seine Unionspar-teien haben (mit Hilfe ande-rer wie der SPD oder FDP) die soziale Ungleichheit in unse-rem Land verschärft und sind nicht bereit den wachsenden Reichtum einiger weniger in Deutschland abzuschöpfen. Nun wird den Flüchtlingen der schwarze Peter zugeschoben.

Lassen wir uns nicht spalten, sondern streiten gemeinsam für eine bessere Zukunft für alle. Geld ist in Deutschland genug da. Die Regierung soll-te endlich einmal die Reichen und Vermögenden zu Kasse bitten, anstatt einzelne Bevöl-kerungsteile gegeneinander auszuspielen.Um den Sozialstaat zu sichern und die Willkommenskultur zu stärken, fordert DIE LINKE deshalb eine Millionärssteu-er für große Vermögen und Erbschaften, und gleichzeitig, Durchschnittsverdienerinnen und Durchschnittsverdiener zu entlasten. Wir wollen den Hartz IV-Regelsatz auf 500 Euro erhöhen und durch eine sanktionsfreie Mindestsiche-rung auf wirklich existenzsi-cherndem Niveau ersetzen. Der gesetzliche Mindestlohn muss auf mindestens 10 Eu-ro ohne Ausnahmen steigen, ein soziales Wohnungsbau-programm aufgelegt und der Bau von 500.000 kommuna-len und genossenschaftlichen

Wohnungen kurzfristig geför-dert werden. Das würde der großen Mehrheit der Bevölke-rung helfen: Den Menschen, die in unserem Land bereits leben und den Geflüchteten, die eine neue Heimat suchen oder längere Zeit bei uns le-ben müssen. Sabine Zimmermann

DIE LINKE im Bundestag

Warum Sachsen?

Wie denkt und lebt der Os-ten? Hinweise auf eine Reihe von Veranstaltungen zum So-zialreport 2014 der RLS, an denen auch Bundestagsab-geordnete teilnehmen, finden sich auf der Seite der Stiftung im Mantelteil.

Flüchtlinge beim Weg in Arbeit unterstützen, Sozialstaat sichern

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Kommunal-Info 8-2015

InternetMöglichkeiten eines Internetzugangs für Asyluchende und Geflüchtete

Seite 3

Seminare �Herbstseminar für junge

KommunalpolitikerInnen 23.-25. Oktober

� Seminar Aufsichtsräte in kommunalen Unternehmen 20./21. November

Seite 4

Neuer LeitfadenDemnächst erscheint Leitfaden „Rechte und Pflichten von Aufsichtsräten“

Seite 4

K o m m u n a l p o l i t i s c h e s F o r u m S a c h s e n e . V .K F S

Online-Ausgabe unter www.kommunalforum-sachsen.de

29. September 2015

Anschluss- und BenutzungszwangIm Interesse des öffentlichen Wohls

können Gemeinden nach § 14 der Säch-sischen Gemeindeordnung (SächsGe-mO)1 „durch Satzung für die Grund-stücke ihres Gebietes den

�Anschluss an Anlagen zur Wasser-versorgung, Ableitung und Reinigung von Abwasser, Fernwärmeversorgung und ähnliche dem öffentlichen Wohl, insbesondere dem Umweltschutz die-nende Einrichtungen (Anschlusszwang) und

� die Benutzung dieser Einrichtungen, der Bestattungseinrichtungen, der Ab-fallbeseitigungseinrichtungen und der Schlachthöfe (Benutzungszwang) vor-schreiben.“

Durch die Satzung können bestimmte Ausnahmen vom Anschluss- und Be-nutzungszwang zulassen werden. Der Zwang kann auf bestimmte Teile des Gemeindegebietes oder auf bestimmte Gruppen von Grundstücken, Gewer-bebetrieben oder Personen beschränkt werden.

AnschlusszwangAnschlusszwang ist immer grund-

stückbezogen und kann nur für solche Einrichtungen angeordnet werden, die grundstücksbezogene Aufgaben erfül-len. Mit dem Anschlusszwang werden Grundstückseigentümer und andere dinglich Berechtigte an einem Grund-stück (Erbbauberechtigte, Pächter) da-zu veranlasst, Vorkehrungen zu tref-fen, um an eine öffentliche Einrichtung angeschlossen zu werden und diese Einrichtung auch benutzen zu können.

Mit dem Anschlusszwang allein ist noch nicht vorgeschrieben, dass die öffentliche Einrichtung auch tatsäch-lich benutzt werden muss. Die Ge-meinde wird jedoch in aller Regel dem Anschlusszwang für die betreffenden Anlagen auch den Benutzungszwang

folgen lassen, weil das allein sinnvoll ist.2

Ein Anschlusszwang besteht vor allem bei leitungsgebundenen Einrich-tungen (Abwasserbeseitigung, Was-serversorgung, Fernwärme). Im wei-teren Sinne fällt darunter auch die Reinigung der Straßen innerhalb der Gemeinde. Nach § 51 Abs. 5 des Säch-sischen Straßengesetzes sind die Ge-meinden berechtigt, durch Satzung die Verpflichtung zur Reinigung der An-liegerstraßen und Gehwege „ganz oder teilweise den Eigentümern oder Besit-zern der durch öffentliche Straßen er-schlossenen Grundstücke aufzuerlegen oder sie zu den entsprechenden Kosten heranzuziehen.“

BenutzungszwangDer Benutzungszwang ist stets an

Personen (natürliche wie juristische Personen) gerichtet, es besteht hier im Unterschied zum Anschlusszwang kein unmittelbarer Bezug zum Grund-stück. Der Benutzungszwang beinhal-tet die rechtliche Verpflichtung, für be-stimmte Leistungen ausschließlich die betreffenden kommunalen Einrich-tungen in Anspruch zu nehmen. Damit ist die Benutzung eigener und frem-der bisher demselben Zweck dienender Einrichtungen (z.B. eigene Brunnen) untersagt.

Der Benutzungszwang ist aber nicht auf Einrichtungen begrenzt, für die auch ein Anschlusszwang besteht. Er kann darüber hinaus auch für Einrich-tungen vorgeschrieben werden, für die ein Anschlusszwang der Sache nach nicht infrage kommt, so insbesondere für die in § 14 Abs. 1 SächsGemO aus-drücklich genannten Einrichtungen: Bestattungseinrichtungen, Abfallbe-seitigungseinrichtungen und Schlacht-höfe.

Dem Benutzungszwang unterliegen nicht nur Eigentümer oder sonstige dinglich Berechtigte von Grundstü-cken, sondern alle Personen, die in der Gemeinde wohnen oder sich dort auf-halten. Je nach Art der Benutzung kann sich der Benutzungszwang auf alle Ein-wohner (z.B. Wasserversorgung) oder nur auf eine bestimmte Bevölkerungs-gruppe erstrecken, für die die angebo-tenen Leistungen von Interesse sind (z.B. Schlachter für den Schlachthof-zwang).

Öffentliches WohlDer Anschluss- und Benutzungs-

zwang kann nur angeordnet werden, wenn dafür Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen. Nach vorherrschen-der Meinung in Rechtsprechung und Literatur handelt sich hierbei um einen sog. unbestimmten Rechtsbegriff, des-sen Auslegung und Anwendung der un-eingeschränkten Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt.3

Das öffentliche Wohl muss für die Gemeinde im Ganzen vorliegen und bedarf nicht der Begründung des Nach-weises bei jedem einzelnen Einwohner oder bei jedem einzelnen Grundstück.

Ausreichende Gründe öffentlichen Wohls liegen allgemein dann vor,

wenn Leben und Gesundheit der Be-völkerung vor Gefahren geschützt wer-den müssen und der Anschluss- und Benutzungszwang aus hygienisch-ge-sundheitlichen und dem Umweltschutz geschuldeten Erwägungen geboten ist;

wenn aus Gründen der Wirtschaft-lichkeit und Rentabilität ein An-schluss- und Benutzungszwang erfor-derlich ist und ohne diesen ein Betrieb der im öffentlichen Interesse notwen-digen Einrichtung wirtschaftlich nicht möglich wäre.

Eine bessere Rentabilität einer öffent-

lichen Einrichtung zu sichern, reicht für sich allein zur Begründung des An-schluss- und Benutzungszwanges nicht aus, maßgebend als Grund muss blei-ben, die Gesundheit der Bevölkerung und die Umwelt schützen zu müssen.4

Aber nur wenn möglichst alle Ein-wohner in einer Solidargemeinschaft an die betreffenden Anlagen ange-schlossen sind bzw. betreffende Ein-richtungen benutzen, kann dadurch deren Finanzierung mit gesichert wer-den. Deshalb wird die Erfüllung wich-tiger öffentlicher Gemeinschaftsauf-gaben der Gemeinden im Rahmen der Daseinsvorsorge in vielen Fällen erst durch den Anschluss- und Benutzungs-zwang möglich.

Anlagen und EinrichtungenAnlagen und Einrichtungen, für die

der Anschluss- und Benutzungszwang vorgesehen ist, unterliegen teilwei-se auch speziellen gesetzlichen Rege-lungen:

� WasserversorgungNach § 43 des Sächsischen Wasserge-setzes (SächsWG) haben die Gemein-den im Rahmen ihrer Leistungsfähig-keit die Pflicht, in ihrem Gebiet die Bevölkerung und die gewerblichen und sonstigen Einrichtungen ausreichend mit Trinkwasser zu versorgen, so-weit diese Verpflichtung nicht auf an-dere Körperschaften des öffentlichen Rechts übertragen wurde (z.B. Zweck-verbände). Der Anschluss- und Benut-zungszwang für eine öffentliche Was-serversorgungsanlage dient in erster Linie dem Schutz vor Krankheit durch schlechtes, verschmutztes oder mit Schadstoffen belastetes Wasser.

Fortsetzung auf folgender Seite

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Seite 2Kommunal-Info 8/2015

ImpressumKommunalpolitisches

Forum Sachsen e.V.Großenhainer Straße 99

01127 DresdenTel.: 0351-4827944 oder 4827945

Fax: 0351-7952453info@kommunalforum-sachsen.dewww.kommunalforum-sachsen.deRed., Satz und Layout: A. Grunke

V.i.S.d.P.: P. PritschaDie Kommunal-Info dient der kommunalpolitischen Bildung und Information und wird aus finanziellen Zuwendungen des

Sächsischen Staatsministeriums des Innern gefördert.

� AbwasserbeseitigungNach § 50 SächsWG obliegt den Ge-meinden oder der Körperschaft des öf-fentlichen Rechts, soweit die Aufgaben auf diese übertragen werden (Zweck-verbände) die Pflicht der Abwasser-beseitigung. Dabei sind das Abwasser, der Schlamm aus Kleinkläranlagen und der Inhalt abflussloser Gruben dem Abwasserbeseitigungspflichtigen oder seinem Beauftragten von demjenigen, bei dem sie anfallen, zu überlassen. Da es der Gemeinde im Allgemeinen nur auf diese Weise möglich ist, als besei-tigungspflichtige Körperschaft das Ab-wasser zu beseitigen, ist damit der An-schluss- und Benutzungszwang bereits vorgezeichnet.

� FernwärmeversorgungIm Erneuerbare-Energien-Wärmege-setz wird in § 16 darauf verwiesen, dass

die Gemeinden und Gemeindeverbän-de über den Gemeinwohlgrund der Luftreinhaltung hinausgehend auch zum Zwecke des Klima- und Ressour-censchutzes den Anschluss- und Be-nutzungszwang bestimmen können, wenn eine entsprechende landesrecht-liche Bestimmung allgemein einen Anschluss an ein Netz der öffentlichen Nah- oder Fernwärmeversorgung zu-lässt (wie in § 14 SächsGemO).

In der Praxis führen die Gemeinden heute immer seltener einen Anschluss- und Benutzungszwang für Fernwärme ein. Denn die Einführung eines An-schluss- und Benutzungszwanges führt nicht nur zu einer Anschluss- und Ver-sorgungspflicht, sondern auch zu ei-ner Monopolstellung mit einer entspre-chend kritischen Prüfung der Preise.5

� BestattungseinrichtungenNach § 2 des Sächsischen Bestattungs-gesetzes (SächsBestG) obliegt es den Gemeinden als Pflichtaufgabe, Fried-höfe anzulegen und zu erweitern so-wie Leichenhallen zu errichten, soweit hierfür ein öffentliches Bedürfnis be-steht, und diese Einrichtungen zu un-terhalten.

Diese Pflicht umfasst auch die Sor-ge dafür, dass die notwendigen Bestat-tungseinrichtungen zur Verfügung ste-hen.

Davon unberührt bleibt, dass auch andere Friedhöfe (z.B. von Kirchen und Kirchgemeinden) und Bestat-tungsplätze (z.B. Friedwald) nach den Vorschriften des SächsBestG angelegt werden können.

� AbfallbeseitigungNach § 3 des Sächsischen Abfallwirt-schafts- und Bodenschutzgesetzes (SächsABG) obliegt den Landkreisen und Kreisfreien Städten die Pflicht zur Entsorgung der in ihrem Gebiet an-fallenden Abfälle im Sinne des Kreis-laufwirtschafts- und Abfallgesetzes. Sie regeln durch Satzung, was als an-fallender Abfall zu gelten hat und legen fest, welche verwertbaren Abfälle den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträ-gern getrennt von anderen Abfällen zu überlassen sind. Durch Vereinbarung kann den Gemeinden auf deren Antrag die Einsammlung und Beförderung von Abfällen sowie die Kompostierung von Garten- und Parkabfällen übertra-gen werden. Mit Zustimmung der obe-ren Abfallbehörde können auch andere Aufgaben durch Vereinbarung übertra-gen werden.

� SchlachthöfeFür Schlachthöfe als Einrichtung gibt es keine spezialgesetzlichen Rege-lungen. Sie werden in § 14 SächsGemO zwar noch als Einrichtung genannt, für die der Benutzungszwang festgelegt werden kann. Jedoch haben Schlacht-höfe ihre einstige praktische Bedeu-tung in Deutschland fast verloren. Schlachtungen finden immer mehr in der Privatwirtschaft statt, wo die tier-ärztliche Aufsicht bei den kommunalen Veterinärämtern liegt.

Nur durch Satzung Weil mit dem Anschluss- und Be-

nutzungszwang in die Handlungsfrei-heit der Einwohner und sonstigen Ver-pflichteten eingegriffen wird, kann er nur durch eine Satzung geregelt werden und nicht etwa nur durch eine ortspoli-zeiliche Vorschrift angeordnet werden. In dieser Satzung sind als Mindestin-halt insbesondere folgende Dinge zu regeln und zu bestimmen:

� die Bereitstellung der betreffenden Einrichtung zur öffentlichen Benut-zung für den betroffenen Einwohner-kreis;

� die Art des Anschlusses und der Be-nutzung der Einrichtung;

� der Kreis der zum Anschluss oder zur Benutzung Verpflichteten;

� das Gebiet, für das der Anschluss- und Benutzungszwang gilt;

� die Ausnahmen, die vom Anschluss- und Benutzungszwang zugelassen wer-den können;

�Art und Umfang der Beschränkung des Anschluss- und Benutzungszwangs

(auf bestimmte Teile des Gemeindege-bietes oder auf bestimmte Gruppen von Grundstücken, Gewerbebetrieben oder Personen).

Das Betreiben der Einrichtungen für den Anschluss- und Benutzungszwang erfordert mitunter beträchtliche Inve-stitionen. Zudem haben die Einwohner für Anschluss und Benutzung Beiträge und Gebühren zu entrichten. Bevor die Satzung im Gemeinderat beschlossen wird, gilt hier § 11 Abs. 2 SächsGemO: Über Planungen und Vorhaben der Ge-meinde, die für ihre Entwicklung be-deutsam sind oder die die sozialen, kulturellen, ökologischen oder wirt-schaftlichen Belange ihrer Einwohner berühren, sind die Einwohner frühzei-tig und umfassend zu informieren.

Die Verteilung der finanziellen La-sten sowie die Maßstäbe und Bemes-sungsgrundlagen für Anschlussbeiträ-ge und Benutzungsgebühren müssen nicht selbst in der Satzung geregelt werden, hierzu wird in der Regel zeit-gleich eine Abgabensatzung beschlos-sen.

Das Entgelt muss nicht als öffent-lich-rechtliche Beitrags- und Gebüh-renregelung festgelegt werden, es kann auch in Form eines privatrechtlichen Nutzungsentgelts geregelt werden. Die Entgeltregelung wird sich in erster Li-nie danach richten, ob es sich bei der öffentlichen Einrichtung um öffent-lich-rechtliche (z.B. Eigenbetrieb) oder privatrechtliche (z.B. GmbH) Rechts-form handelt. Grundsätzlich sind die Gemeinden in der Entscheidung frei, ob sie das Benutzungsverhältnis pri-vatrechtlich oder öffentlich-rechtlich regeln wollen. Die Gemeinden sollten aber zumindest für diejenigen öffentli-chen Einrichtungen, die sie ausschließ-lich aus eigenen Mitteln herstellen und unterhalten, soweit sie nicht als (formell) selbständige private Unter-nehmen geführt werden, die öffent-lich-rechtliche Entgeltregelung anstre-ben.6

AusnahmenDa nach dem allgemeinen Gleich-

heitsgrundsatz des Artikel 3 des Grundgesetzes auch die Belastung der durch den Anschluss- und Benut-zungszwang Betroffenen gleichmäßig sein soll, bedürfen die Ausnahmen ei-ner Begründung, die sich auf sachliche Erwägungen stützt. Ausnahmen kom-men speziell dann in Betracht, wenn der Anschluss- und Benutzungszwangs enteignend wirken würde oder sonst unbillig erscheinen würde.7

Besondere Umstände, die eine Aus-nahme begründen, können in der ört-lichen Lage oder in der sachlichen Besonderheit, in der Art der Grund-stücksnutzung oder im Beruf der die Einrichtung benutzenden Personen lie-gen.

Die eine Ausnahme rechtfertigenden Sachverhalte sind in der Satzung nach den jeweils besonderen Merkmalen hinreichend zu beschreiben. Da aber nicht alle Einzelfälle vorausgesehen werden können, in denen eine Aus-nahmeregelung erforderlich wäre, ist es auch zulässig, eine allgemeine Aus-nahme-Generalklausel für alle Fälle in der Satzung vorzusehen, in denen die Anordnung des Anschluss- und Benut-zungszwangs unbillig erscheint, wenn und soweit der Anschluss aus schwer-wiegenden Gründen auch unter Be-

rücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls nicht zugemutet werden kann.

Ausnahmegründe können nicht nur zu Gunsten des Pflichtigen, sondern auch des Einrichtungsträgers in Be-tracht kommen, und zwar hauptsäch-lich dann, wenn die Durchführung des Anschluss- und Benutzungszwangs im Einzelfall in einem besonderen Maße unwirtschaftliche Aufwendungen ver-ursachen würde, aber das öffentliche Wohl insgesamt durch die Ausnahme aber nicht gefährdet wird.

Die Beschränkung auf bestimmte Teile des Gemeindegebiets kann ge-rechtfertigt sein wegen der Entfernung vom Siedlungschwerpunkt, der beson-deren topographischen Lage oder der wirtschaftlichen Struktur (z.B. rein landwirtschaftlicher Ortsteil).

Gruppen von Grundstücken oder Ge-werbebetrieben sind in der Satzung durch ein festzulegendes objektives Merkmal gekennzeichnet (z.B. Wohn-grundstücke, Kleingärten, Braue-reien). Das Gruppenmerkmal von Per-sonen kann etwa der ausgeübte Beruf sein (z.B. Landwirte). Die Ausnahme kann auch wegen eines besonders ho-hen Wasserverbrauchs (z.B. Gärtne-reien) oder wegen eines Bedarfs nach besonderer Wassergüte (z.B. Braue-reien) in Betracht kommen. 8

AG——

1 § 12 der Sächsischen Landkreisord-nung enthält eine analoge Bestimmung für die Landkreise. 2 Vgl. Gemeindeordnung für den Frei-

staat Sachsen. Ergänzbarer Kommentar mit weiterführenden Vorschriften, Er-ich Schmidt Verlag, Kommentar zu § 14, Rn. 2 u. 3. 3 Vgl. ebenda, Rn. 16.4 Vgl. ebenda, Rn. 19 und Vogelsang/

Lübking/Ulbrich, Kommunale Selbst-verwaltung, E. Schmidt Verlag, 3. Aufl., S. 160. 5 Siehe unter www.agfw.de./: Die AG-

FW | Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e. V. hat auch einen „Leitfaden Öffentlich-rechtlicher Anschluss- und Benutzungszwang für Fernwärme“ herausgegeben. 6 Vgl. Gemeindeordnung für den Frei-

staat Sachsen. Ergänzbarer Kommentar …, Kommentar zu § 14, Rn. 35.7 Vgl. A. Gern, Sächsisches Kommunal-

recht, 2. Aufl., Verlag C.H. Beck 2000, S. 271.8 Vgl. Gemeindeordnung für den Frei-

staat Sachsen. Ergänzbarer Kommentar …, Kommentar zu § 14, Rn. 61.

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Seite 3 Kommunal-Info 8/2015

Internet für AsylsuchendeVon KonrAd Heinze, CHemnitz

Ein Internetzugang leistet in einer di-gitalen Gesellschaft einen erheblichen Beitrag zur Teilhabe am gesellschaft-lichen Leben. Er ermöglicht Informa-tion, Meinungsbildungsprozesse, Be-teiligung, den Ausbau und die Nutzung von e-Governence und lässt die räum-liche Distanz zwischen Menschen schrumpfen. Insbesondere letzteres gilt für die Bevölkerung eines länd-lichen geprägten Flächenkreises eben-so wie für Asylsuchende und Geflüch-tete. Die Fragen nach Breitbandausbau und freiem Internetzugang via WLAN berühren von daher Querschnittsthe-men der Gesellschaft.

Die allermeisten Asylsuchenden und Geflüchteten, nicht nur jene aus den Herkunftsstaaten des afrikanischen Kontinents und des Nahen Ostens, ver-fügen über ein Smartphone und da-mit über einen mobilen Internetzu-gang.1 Der Migrationsforscher Vassilis Tsianos: „Ich bin noch nie einem Mi-granten begegnet, der nicht zumindest ein einfaches Handy gehabt hätte.“2

Der Nutzen von Smartphones und mobilem Internet liegt auf der Hand: sie dienen der Navigation via Goo-gleMaps, der Kommunikation mit Freund_innen und Familie in der Hei-mat über WhatsApp und Skype, der Beschaffung von Informationen und sie sind ein Speicher für Dokumente. Dies gilt nicht nur während des Flucht-weges, sondern auch vor Ort, etwa um den Weg zu einem Amt zu finden oder um sich über YouTube-Videos und On-line-Wörterbücher selbst Deutsch-kenntnisse zu vermitteln. Von beson-derer Bedeutung ist es, sich mangels flächendeckender Angebote zur Asyl-verfahrensberatung Informationen und Hilfe zur Rechtsberatung per Internet zu organisieren.

Jedoch ist es für Asylsuchende und Geflüchtete schwer in Deutschland ei-nen entsprechenden Mobilfunkvertrag abzuschließen, besonders dann, wenn sie über kein Bankkonto verfügen. Demnach bleiben PrePaid-Guthaben, welche allerdings in Zeiten günstiger Flatrate-Verträge sehr ungünstige Kon-ditionen aufweisen und angesichts der Leistungen nach AsylblG schnell zu teuer werden.

Insofern sind Asylsuchende und Ge-flüchtete im besonderen Maße auf ei-nen stetigen und kostenlosen Zugang zum Internet angewiesen. Eine Klei-ne Anfrage vom März 2015 zeigt ein differenziertes Bild: so gibt es in den sächsischen Erstaufnahmeeinrich-tungen3 generell keinen WLAN-Zu-gang, in den Unterbringungseinrich-tungen der Kommunen findet sich ein solcher vereinzelt, aber meist gegen die Entrichtung einer Gebühr. Allein eine Unterkunft im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge bietet einen kostenlosen Zugang an.4 Die Antwort des SMI verweist zwar auf die tatsäch-lich gegebene Möglichkeit, dass bspw. über den Dresden-Pass die Internetzu-gänge in den städtischen Bibliotheken zu nutzen sind. Ein Ausbau des An-gebots von kommunalen Sozialpäs-sen ist zwar prinzipiell zu begrüßen,

allerdings muss in diesem konkreten Fall klar sein, dass solche Internetplät-ze begrenzt sind und in der Frage nach der räumlichen Nähe nur in den großen Ballungsräumen praktikabel erschei-nen.5

Eine Möglichkeit der Kommunen die in dieser speziellen Notlage helfen kann und darüber hinaus der Allge-meinheit zu Gute kommt6, ist die Ein-richtung eines kommunalen WLAN. Allerdings stehen die Kommunen hier-bei vor dem Problem der sogenann-ten Störerhaftung7: demnach ist der WLAN-Betreiber für etwaige Rechts-verletzungen Dritter, bspw. das unbe-rechtigte downloaden von Filmen, Mu-sik etc., haftbar zu machen. Letztlich wäre die Kommune der haftbar zu ma-chende Betreiber.

Dies kann aber umgangen wer-den, wenn die Einrichtung, der Be-trieb und damit die Verantwortung des WLAN auf eine dritte Partei übertra-gen wird. Konkret ist die Freifunk-In-itiative zu nennen, die sich bundes-weit für den Ausbau frei zugänglicher WLAN-Netzwerke einsetzt. So wur-de diese vom Göttinger Integrations-rat angesprochen, ob sie die Kommu-ne bei der Einrichtung von WLAN an Unterkünften unterstützen kann, wo-raufhin diese die nötige Technik in-stallierte.8 Ähnliches gilt für Stuttgart: hier brachte zwar die Verwaltung Be-denken vor, toleriert aber die von der örtlichen Freifunk-Initiative geschaf-fenen Tatsachen.9 In Dortmund arbei-tet ebenfalls die Freifunk-Initiative an entsprechenden Lösungen, in München ist mit „Refugees Online“ eine eigen-ständige Initiative entstanden.10 Jüngst wurde in Chemnitz, wiederum von lo-kalen Freifunker_innen, eine Außen-stelle der EAE mit WLAN ausgerüstet.

Einen weiteren Ausbau lehnte jedoch das für die Unterkunft verantwortliche SMI ab.11

Das ein solches Netzwerk auch stadt- und gemeindeweit denkbar ist, darauf verweist ein entsprechender Antrag der FDP-Fraktion im Erlangener Stadtrat: hierin wird explizit formuliert, eine Zusammenarbeit mit der Freifunk-In-itiative zu prüfen.12

Zu beachten ist allerdings eine vor kurzem verabschiedete Gesetzesände-rung des Telemediengesetzes. Diese wurde von der Bundesregierung initi-iert, um Rechtssicherheit hinsichtlich der Störerhaftung zu schaffen, wird aber von IT-Verbänden, Vereinen und Initiativen harsch kritisiert. Im neu geschaffenen § 8 Abs. 4 Telemedien-gesetz soll demnach der WLAN-Be-treiber aus der Haftung genommen werden, wenn er „zumutbare Maß-nahmen“ ergreift. Im Gesetzesent-wurf der Bundesregierung, welcher in der Fassung vom 15.06.2015 übernom-men und am 16.09.2015 verabschiedet wurde heißt es, dass eine Verschlüs-selung des Netzes und eine freiwillige Registrierung der Nutzer_innen hier-für in Frage kämen. Weiterhin sollen nur denjenigen Nutzer_innen Zugang zum Internet gewährt werden, welche erklären, im Rahmen der Nutzung kei-ne Rechtsverletzungen zu begehen.13 Die Kritik der IT-Verbände, darunter die Freifunk-Initiative, geht nun dahin, dass jede Verschlüsselung und Pass-wortabfrage, jede Registrierung der Nutzer_innen und das Einholen von deren Nutzungserklärungen den Sinn und Zweck eines offenen, frei zugäng-lichen WLAN ad absurdum führen.

Insofern ist von kommunaler Seite in den kommenden Monaten zu beobach-ten, wie IT-Verbände und Initiativen,

welche mit der nötigen Expertise aus-gestattet sind, auf diese neuerliche Si-tuation reagieren. Es ist sehr zum emp-fehlen, diese bei den Überlegungen hinsichtlich eines kommunalen WLAN frühzeitig anzusprechen und um Mit-arbeit zu bitten. Ebenso ist die Einrich-tung eines kostenlosen WLAN über ei-nen privaten Betreiber in der Leipziger Innenstadt von Interesse. Zurückge-hend auf einen Antrag der Fraktion der LINKEN im Leipziger Stadtrat14 soll zum Jahresbeginn 2016 dessen Betrieb aufgenommen. Nähere Details sollen allerdings erst zum Start des Angebots bekanntgegeben werden.

—— 1Dies liegt mit darin begründet, dass in

vielen Staaten des afrikanischen Konti-nents und des Nahen Ostens Mobiltele-fone in Ermangelung eines ausgebauten, stationären Telefon- und Datennetzes weit verbreitet sind. Die Netzanbieter und Mobiltelefonhersteller haben dem-entsprechend reagiert, den Netzausbau vorangetrieben und bieten für die regi-onalen Märkte in der Qualität der Aus-stattung reduzierte, aber günstig zu er-werbende Smartphones an. In diesem Zusammenhang ist auch an die jüngste Vergangenheit zu denken: der „ara-bische Frühling“ ist ohne einen mas-siven Ausbau der digitalen Infrastruktur und die entsprechende Zahl von Nutzer_

Fortsetzung auf der folg. Seite

Page 20: LINKS! Ausgabe 10/2015

Seite 4Kommunal-Info 8/2015

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Energie und Wasser, Bahnen und Busse, Straßen und Stadtreinigung ... gute Infrastruktur ist die Pflicht jeder Kommune. Zunehmend arbeiten die Städte und Gemeinden dabei auch mit privaten Partnern zusammen oder kommunale Betriebe werden »auf dem Papier« privatisiert. Aufgabe der kommunalen Vertreter in den Aufsichträten ist es, hier genau hinzuschauen und das öffentliche Interesse zu vertreten.

Ein zuverlässiger Helfer dabei ist dieser Leitfaden. Diplom-Verwaltungswirt Alexander Thomas hat öffentlich-private-Kooperationen genau analysiert und erklärt transparent alle rechtlichen Grundlagen.

Der Autor ist seit dem Jahr 2000 parlamenta-rischer Berater der Linksfraktion im Sächsischen Landtag – davor war er Fachbediensteter für das Finanzwesen der Stadt Meißen.

Alexander Thomas

Rechte und Pflichten kommunaler Vertreter in

Aufsichts- räten

Ein Leitfaden

ISBN 978-3-945564-02-8 € 6,90

Demnächst erscheint beim KFS:

Hrsg.: Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V.ISBN 978-3-945564-02-8; 6,90 EUREnergie und Wasser, Bahnen und Busse, Straßen und Stadtreinigung ... gute Infra-struktur ist die Pflicht jeder Kommune. Zunehmend arbeiten die Städte und Ge-meinden dabei auch mit privaten Partnern zusammen oder kommunale Betriebe werden »auf dem Papier« privatisiert. Aufgabe der kommunalen Vertreter in den Aufsichträten ist es, hier genau hinzuschauen und das öffentliche Interesse zu vertreten. Ein zuverlässiger Helfer dabei ist dieser Leitfaden.Diplom-Verwaltungswirt Alexander Thomas hat öffentlich-private-Kooperati-onen genau analysiert und erklärt transparent alle rechtlichen Grundlagen. Der Autor ist seit dem Jahr 2000 parlamentarischer Berater der Linksfraktion im Sächsischen Landtag – davor war er Fachbediensteter für das Finanzwesen der Stadt Meißen.

Herbstseminar für junge KommunalpolitikerInnen

Freitag 23.10.2015 ab 18:00 Uhr bis Sonntag 25.10.2015 13:30 Uhr„Alte Schule Cunnersdorf“, Schulweg 10, 01920 Schönteichen

Die Themen:

� „Regeln geben wir uns selber - Arbeiten mit der Geschäftsordnung in der Gemeinde“Damit nicht jedeR macht was er und sie will und dann noch alle mitmachen, gibt sich der Gemeinderat eine eigene Geschäftsordnung. Hier werden Pflichten und vor allem auch Rechte der Kommunalen VertreterInnen geregelt. Wer re-gelmäßig reinschaut und damit arbeitet ist meist klar im Vorteil. Anfragerecht, Niederschriften oder die Zusammenarbeit in Fraktionen. Alles ist geregelt und alles kann geändert werden.

� „Ideen umsetzen - Anträge erfolgreich stellen“Ideen sind immer schnell da. Ein neuer Bandproberaum, mehr Geld fürs Ju-gendhaus oder der umfassende Ausbau vom Radwegenetz. Doch wie schreiben wir dazu einen Antrag? Was ist zu beachten? Und wie erreichen wir damit die Mehrheit des Gemeinderates? Referentin: Sylke Zehrfeld (Dipl. Juristin, Dipl. Verwaltungswirtin, Stadträtin)

� „Bauen, wohnen und leben - Grundlagen der Stadtentwicklung - und Stadtplanung“Wir geben eine grundlegende Einführung in die Planungsbereiche des Bau-gesetzbuches und der Sächsischen Bauordnung sowie weiterer städtebaulicher Planungsinstrumente mit Überblick zum Verfahrensablauf und der Bürgerbe-teiligung. Stuttgart 21 aber auch kleinere Bauprojekte sind alle irgendwann mal in einem langen Prozess entstanden. Immer auch durch Arbeit von Gemeinderä-ten. Doch warum stehen neue Bäume so wo sie sind und sind Bänke einfarbig oder kunterbunt? Die Bauleitplanung ist eine der wichtigsten Aufgaben unserer Gemeinden. Ihnen obliegt die Planungshoheit, die im Flächennutzungsplan und den daraus entwickelten Bebauungsplänen ihren Ausdruck findet. Hier gibt es verschiedene Interessen. Wie sieht das Aufstellungsverfahren aus? Wann gibt es Fördermittel?

Referent: Patrick Pritscha (Kulturwissenschaftler/Geschäftsführer KFS)

� „Praktische Problemlösung und Erfahrungsaustausch zur Gemeinderatsarbeit“Es gibt noch hunderte kleiner Dinge, die ihr schon immer mal ansprechen und geklärt haben wolltet? Meistens Fragen die während der Sitzungen auftauchen und nicht sofort besprochen werden können. Dafür ist hier genau die richtige Stelle und ausreichend Platz. Ebenso für konkrete Planungen, die ihr schon länger mal angehen wolltet.

�Dazwischen, danach und davor bieten wir Lagerfeuer, Sauna, Freizeit, Stein-bruch, und ganz viel Natur; natürlich mit W-Lan

Teilnahmegebühr: 10,00 EUR

SeminarKommunale Unternehmen und die Rechte und Pflichten

von kommunalen Vertretern in Aufsichtsräten.Grundlagen der kommunalen Wirtschaft

Freitag 20.11.2015 ab 18:00 Uhr bis Sonnabend 21.11.2015 15:30 UhrHotel „Schwarzes Roß“, Freiberger Straße 9,

Großschirma OT SiebenlehnThemen sind u.a.:

�Welches sind die pflichtigen Mindestinhalte, die im Gesellschaftsvertrag ei-ner GmbH enthalten sein müssen, welche „fakultativen“ Regelungen sind mög-lich?

�Welche Aufgaben hat ein Aufsichtsrat in einer GmbH, unter welche Voraus-setzungen kann ein „fakultativer“ Aufsichtsrat gebildet werden, welche wesent-lichen Unterschiede bestehen zum „pflichtigen“ Aufsichtsrat?

�Welches sind wesentliche Rechte und Pflichten kommunaler Vertreter in Or-ganen von Unternehmen des Privatrechts (Rechte und Pflichten nach AktG und GmbHG, Pflichten nach § 98 SächsGemO)?

�Der Interessenkonflikt – wessen Interessen haben die kommunalen Vertreter in Organen von Unternehmen des Privatrechts vorrangig zu vertreten?

Referent: Alexander Thomas, Dipl.-Verwaltungswirt, Parlamentarisch-wissenschaftlicher Berater

Teilnahmegebühr: 20,00 (Studenten u. AlG II-/SoHi-Empfänger 5,00 EUR)inkl. Übernachtung und alkoholfreie Tagungsgetränke

Anmeldungen für beide Seminare bitte an:Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. 01127 Dresden, Großenhainer Straße 99

Tel.: 0351-4827944 oder 4827945Fax: 0351-7952453

[email protected]

innen der gewachsenen, digitalen Ver-netzung nicht zu denken. 2Vgl. Tsianos, Vassilis/Köver, Chris:

Smartphones sind für Flüchtlinge überle-benswichtig, Interview vom 23.08.2015. 3Im September 2015 unterbreitete die

Telekom den Vorschlag, die Einrichtung von WLAN in den Erstaufnahmeeinrich-tungen zu unterstützen, bittet aber ange-sichts der Vielzahl an Anfragen um Ver-ständnis, sollten sich Verzögerungen ergeben. 4Vgl. Nagel, Juliane: Kleine Anfrage

„Möglichkeit zur Internetkommunika-tion für Asylsuchende“, Drs.-Nr. 6/981 vom 11.03.2015, Anlage zu Drs.-Nr. 6/981. 5Vgl. ebenda, S. 2. 6Gerade dieser Punkt ist angesichts ei-

ner öffentlichen „Neiddebatte“ nicht ge-nug zu betonen. 7Zurückzuführen auf § 8 Telemedienge-

setz (TmG). 8Vgl. Brakemeier, Michael: Göttinger

Freifunker bieten Flüchtlingen kosten-losen Internet-Zugang, vom 15.04.2015. 9Vgl. Breithut, Jörg: Internet für Ge-

flüchtete. Gar nicht so einfach, gutes zu tun, vom 21.07.2015. 10Vgl. Weckwerth, Christopher: Freies

WLAN hilft gegen die Isolation 11Vgl. Peters, Jana: Verein stellt kosten-

loses Internet an Flüchtlingsunterkünf-ten bereit, vom 11.09.2015. 12Vgl. Fraktion FDP im Stadtrat Erlan-

gen: Antragsnr. 092/2015 „WLAN in Er-langen“, vom 12.05.2015. 13Vgl. Referententwurf für ein zweites

Gesetz zur Änderung des Telemedienge-setzes vom 15.06.2015, S. 13/14. 14Vgl. Fraktion DIE LINKE im Stadt-

rat Leipzig: Antrag V/A 306 „Kosten-loses Internet in der Leipziger Innen-stadt“, Neufassung vom 14.02.2013; Ratsbeschluss V-1522/13, beschlossen am 20.02.2013.

Fortsetzung von Seite 3

Internet für Asylsuchende

Page 21: LINKS! Ausgabe 10/2015

Geburtstage sind Anlässe zum Feiern. Dieser allerdings nicht: Hartz IV ist zehn Jahre alt! Zwar sind die Arbeitslo-senzahlen im Langzeittrend gesunken, zumindest in der offiziellen Statistik, die Zahl der Hartz-IV-Betroffenen blieb aber relativ konstant. Der Niedriglohn-sektor und prekäre Beschäftigung hin-gegen haben sich weiter ausgebreitet. Die Kinderarmut hat sich bundesweit verdoppelt, laut dem Kinderhilfswerk sind 2,8 Millionen junge Menschen betroffen. Das sind auch Ergebnisse der Hartz-Gesetze.

Die Linksfraktion hat deren Auswir-kungen stets verfolgt und das Jubiläum zum Anlass genommen, die Staatsre-gierung per Großer Anfrage (Drucksa-che 6/1093) zur Bilanz aufzufordern. Wir richteten insgesamt 205 detail-lierte Fragen an sie, um ihre Einschät-zungen zur Hartz-Bilanz diskutieren zu können. Das ist das gute Recht der Opposition. Die Regierung missach-tete dieses Recht jedoch in großem Umfang: Nur 68 Fragen wurden sach-gerecht beantwortet, 91 Fragen über-haupt nicht, 46 immerhin teilweise.

Die Sozialexpertin der Linksfrak-tion, Susanne Schaper, kritisierte das scharf: „Nicht mehr als ein Drittel unserer Fragen wurde beantwortet. Dies ist eine Unverschämtheit gegen-über der Opposition. Vielleicht han-delte man auch nach dem biblischen Vorsatz aus dem Buch Sirach, Kap. 5, Satz 12: ,Antworte einem anderen nur, wenn Du weißt, wovon Du redest. Sonst halte lieber den Mund‘“. Die Ant-wortpraxis lasse genug Raum für derar-tige Spekulationen.

Die wenigen verwertbaren Aussagen gaben Anlass zu harscher Kritik. So schätzt die Regierung ein, dass sich Hartz IV auch in Sachsen als tragfähig erwiesen habe und fortgesetzt werden sollte. Was sich bewährt hat und was nicht, sagt sie nicht. Schaper: „Wir sehen die Folgen von zehn Jahren Hartz IV in Sachsen völlig anders. Hartz IV führte zu einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft“. Im Freistaat sind noch immer fast 400.000 Menschen von Hartz IV betroffen. Die Tatsache, dass immer weniger Mittel für die Ver-mittlung Arbeitsuchender aufgewendet werden, während die Verwaltungskos-ten gleich bleiben, lasse den Schluss zu, dass die Staatsregierung das auch nicht ändern will – in der Annahme, der Arbeitsmarkt werde schon alles regeln. Folglich hat man auf Bundesebene auch nichts unternommen, um die Hartz-Regelungen wenigstens sozial verträglicher zu machen. Das Interesse der Staatsregierung an der Situation der Betroffenen ist offen-sichtlich gering. Einen Lebenslagenre-port für Sachsen, den die Linksfraktion

gefordert hat, lehnt sie ab. Dabei geht es aber um wichtige Informationen, so Schaper: „Wie wirken Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen? Wie viele sogenannte Zwangsumzüge wurden wegen zu teurer Wohnungen veran-lasst? Wie viele Menschen wurden genötigt, nach Vollendung des 63. Lebensjahres mit dauerhaften Abschlä-gen in Rente zu gehen, damit sie aus dieser Statistik fallen? Außerdem ist es wichtig zu wissen, in welchem Famili-enstand sich Mitglieder einer Bedarfs-gemeinschaft befinden und ob es sich

um Menschen mit Behinderung han-delt, ob Wohnungslosigkeit vorliegt oder welches Qualifikationsniveau erreicht wurde“.

Doch nicht nur das: Um nicht eingeste-hen zu müssen, dass Arbeitslosengeld II und andere Leistungen auf Sozialhil-feniveau zu Armut führen, definieren CDU und SPD den Armutsbegriff ein-fach neu. Wegen der unterschiedli-chen Durchschnittseinkommen in den Bundesländern müssten sächsische, keine bundesweiten Vergleichswerte gelten, um zu ermitteln, welcher Teil der Bevölkerung armutsgefährdet ist. Abgesehen davon, dass die CDU Nied-riglohnpolitik aktiv gefördert hat und Ostdeutschland beim Lohnniveau hin-terher hinkt, ist für Schaper klar: „Alle, die Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld beziehen, gelten nach EU-Kriterien nicht nur als arm, sie sind es tatsäch-lich!“ Der Regelsatz verhindere Armut nicht, was auch das Bundesverfas-sungsgericht so sieht. Wenn er dann noch per Sanktionen gekürzt wird, drückt das die Betroffenen oft vollends unter das Existenzminimum.

Ihre Schlussfolgerungen zu den Ant-worten hat die Linksfraktion per Entschließungsantrag (Drucksache 6/2727) zur Debatte gestellt. Das Parlament sollte sich unter anderem gegen die fragwürdige Beantwortungs-

praxis aussprechen. Es sei anzuerken-nen, dass die Hartz-Regelungen eine Hauptursache für Ausgrenzung und Armut seien. Die Staatsregierung solle sich dafür einsetzen, dass Langzeitar-beitslose, vor allem Jugendliche und Schwerbehinderte, umfassender durch ein sächsisches Beschäftigungspro-gramm sowie die Aktivierung des zwei-ten Arbeitsmarktes gefördert werden. Der Regelsatz für langzeitarbeitslose Einzelpersonen und Partner in Bedarfs-gemeinschaften müsse auf monat-lich mindestens 500 Euro angehoben

werden. Die Arbeitsagenturen sollten endlich wieder angemessene Renten-beiträge für die Betroffenen einzahlen, um Altersarmut zu verhindern. Es über-rascht nicht, dass die Koalitionsfraktio-nen dem nicht folgten.

Richtig wären diese Schritte dennoch. Auch zehn Jahre nach dessen Einfüh-rung dürfen und können wir uns mit dem System Hartz IV nicht abfinden.

Unsere Bewertungen zu den lückenhaf-ten Antworten der Staatsregierung auf die Große Anfrage haben wir als Bro-schüre veröffentlicht. Diese kann als Druckexemplar bestellt (Kontaktdaten siehe Impressum) oder im Internet ein-gesehen werden: http://bit.ly/1MDWjYp

ParlamentsrePortOktober 2015 Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

10 Jahre Armutsbeschaffungsprogramm

Liebe Leserinnen und Leser,jüngst rief uns ein Arzt an. Er bekannte höflich, mit uns zu sympathisieren, Asyl-suchende freiwillig betreut zu haben. Wir sollten aber erkennen, , forderte er,dass „niemand so viele Flüchtlinge haben will“. Wenn wir „die eigenen Leute“ ver-gäßen, werde er uns nicht mehr wählen.

Es gibt viele solcher Äußerungen. Offen-bar sagen wir noch nicht klar genug, dass zwischen den Interessen von Einheimischen und Zuwanderern kein natürlicher Gegensatz besteht. Für uns spielt es keine Rolle, wer arm ist. Armut haben wir nie toleriert, bei nieman-dem. Wir sagen: Dieser Staat hilft nicht plötzlich den einen Armen, weil weniger andere Arme kommen. Er bekämpft Ungerechtigkeit nicht, weil nur noch die einen Armen übrig sind. Der Ausweg lautet: Reiche stärker belasten! Mein Traum ist: Die Prekarisierten aller Länder machen gemeinsame Sache. Denn der syrische Pizzabäcker, dem die Agentur für Arbeit mit europaweiter Vorrangprü-fung die Chance auf selbstverdientes Geld raubt, und der hochqualifizierte deutsche Schweißer, der in unterbe-zahlte, unsichere Leiharbeitsverhältnisse gedrängt worden ist, haben ein gleiches Interesse: Ein selbstbestimmtes Leben in Menschenwürde!

Grenzschließungen verhindern nicht, dass Menschen zu uns fliehen. Das Problem bleibt, dass Einkommen und Vermögen im Kapitalismus nie gerecht erarbeitet und verteilt werden können. Das Anklopfen des Elends bestärkt uns im Kampf für Gerechtigkeit! Natürlich bin ich Gutmensch. Wer will schon Bösmensch sein? Viele sind es, mit stolzgeschwellter Brust. Sie sind keine „Besorgten“ oder „Asylkritiker“, sondern stets auch Menschen, die verhindern, dass es soziale Sicherheit für alle gibt. Ihnen wollen wir in den Arm fallen.

Rico Gebhardt Fraktionsvorsitzender

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Page 22: LINKS! Ausgabe 10/2015

PARLAMENTSREPORTSeite 2 Oktober 2015

Friedensstiftung am 1. SeptemberDer soziale Frieden in Sachsen ist in Gefahr. Er ist in Gefahr wegen der Hetze und der Verschwörungstheo-rien gegen Flüchtlinge. Er ist in Gefahr wegen der chaotischen Reaktion der Regierenden auf die vielen Flüchtlinge. Er ist in Gefahr, weil ein Teil der CDU lieber Hass schürt, anstatt mit dem Ministerpräsidenten für ein mensch-liches Miteinander einzutreten. Er ist in Gefahr, weil die politische Rechte die Veränderung unserer bisher ziem-lich geschlossenen Gesellschaft durch Zuwanderung zum Anlass nimmt, Zwie-tracht zu säen. Friedensstiftung ist nicht nur ein Thema für Geschichtsbü-cher, sondern tägliche Aufgabe.

Auch mit einer Landtags-Sondersit-zung, die wir gemeinsam mit den GRÜ-NEN angestoßen haben, stellten wir uns am Weltfriedenstag dieser Her-ausforderung. Auf der Tagesordnung standen Regierungserklärungen des Innenministers und der Integrationsmi-nisterin, die kaum neue Erkenntnisse brachten. Größere Aufmerksamkeit galt einer Erklärung des Ministerpräsi-denten. Zum zweiten Mal fand Tillich nach Monaten des Schweigens klare Worte zum Rassismus-Problem. Wie-der gab es Äußerungen aus der Sach-sen-CDU, die ihn bloßstellten. Es ist bekannt, dass CDU-Abgeordnete wie Alexander Krauß (Asylbewerber ohne Ausweis in den Knast!) oder Sebas-tian Fischer mindestens in Asylfragen der AfD zuneigen. Schlimmer ist, dass selbst der CDU-Fraktionschef Frank Kupfer von „Asylmissbrauch“ schwa-droniert, Stimmung macht gegen den Islam: „Die muslimische Religion ist keine Religion, die hier in Sachsen ihre Heimat hat. Dass sie kein Schweine-fleisch essen und keinen Alkohol trin-ken, kann man ja noch tolerieren, das ist ja sogar gesund. Aber dass die Töch-ter oft nicht freiwillig ihren Lebenspart-ner suchen können, sondern zwangs-verheiratet werden, das sind Fragen, und diese muss man beantworten. Es gibt also Fragen von ganz normalen Bürgern“. Dabei fliehen bekanntlich vor allem liberal eingestellte Muslime vor dem Terror des radikalislamischen IS, und manche scheinbar „normale Bür-ger“ entpuppen sich oft als Rassisten.

Oppositionsführer Rico Gebhardt dankte dem Ministerpräsidenten und sah dessen Worte als „Grundlage, die gemeinsames Handeln ermöglicht“. Im Freistaat hätten organisierte Nazis

schon vor Jahren mit bürgerlichen Mit-läufern kooperiert – Stichwort Schnee-berg. „Im Moment erweckt Sachsen den Eindruck, es steuere auf einen Bürgerkrieg im Kampf der Kulturen zu. An dessen Ende werden alle Menschen in Sachsen Verlierer sein. Suchen wir stattdessen gemeinsam einen Weg, der alle zu Gewinnern macht“. Gebhardt

bot der Regierung gemeinsame Maß-nahmen an – darunter einen zivilgesell-schaftlichen Asylgipfel, Runde Tische zum Thema Asyl, Hilfe bei der Beseiti-gung bürokratischer Hindernisse bei der Unterbringung. „Die Geflüchteten sind keine Belastung, sondern eine Herausforderung für unsere Gesell-schaft. Sie sind in erster Linie eine Anfrage an unsere Menschlichkeit“. Seit 1990 sind 800.000 Menschen aus Sachsen abgewandert. An Platz für neue Mitbürgerinnen und Mitbür-ger mangelt es schon deshalb nicht. Wir alle müssten langfristig daran arbeiten, sie in die Gesellschaft einzu-binden, so Gebhardt. Der Verantwor-tung, Geflüchtete aufzunehmen, könne sich die westliche Welt nicht entzie-hen. Schließlich habe sie in fast allen Kriegs- und Krisenherden, aus denen Menschen nach Europa fliehen, mit-gemischt. „Die Ergebnisse sind zum Davonlaufen. Das kann man den Men-schen nicht vorwerfen. Statt Unsum-men in die Festung Europa zu inves-tieren, müssen wir legale Fluchtwege schaffen“, forderte er.

Außerdem stand der Antrag „Kon-zept der Staatsregierung zur Gewähr-leistung menschenwürdiger Auf-nahme sowie verlässlicher Teilhabe-,

Bleibe- und Zukunftsperspektiven für Flüchtlinge in Sachsen“ (Drucksache 6/2500) von LINKEN und GRÜNEN zur Debatte. Der LINKE Innenpoliti-ker Enrico Stange schrieb dem CDU-Fraktionschef ins Stammbuch: „Wenn Sie von ganz normalen Menschen sprechen, dann sage ich, ohne die, die Sie meinen, stigmatisieren zu wollen:

In den Jahren von 1933 bis 1945 und auch danach ist man gemeinhin über-rascht gewesen, was ganz normale lie-bevolle Familienväter und -mütter in den Lagern der Holocaustmaschinerie angestellt haben“.

Eine handlungsfähige Polizei sei wich-tiger denn je – die Krawalle in Heide-nau zeigten allerdings deren Hand-lungsunfähigkeit. Ursächlich seien aber weder Demos noch Fußballspiele, sondern der Stellen- und Personalab-bau, den die Regierung noch immer nicht gestoppt hat. Deshalb werde es in zehn Jahren gerade einmal 200 Beamte mehr geben als jetzt.

Juliane Nagel, Sprecherin für Flüchtlings- und Migrationspoli-tik, beschrieb mit vielen Beispielen das Kommunikations- und Unterbrin-

gungsdesaster. Es entstand, weil die Staatsregierung wertvolle Zeit ver-streichen ließ, anstatt Planungsvorlauf zu schaffen. Die Folgen: Unsicherheit und Skepsis in der Bevölkerung, Wut bei Bürgermeistern und Landräten, schlimme Zustände in der Erstauf-nahme – monatelanges Hausen in Großräumen ohne Privatsphäre, frag-würdige hygienische Bedingungen, mangelhafte medizinische Versorgung und sozial-psychologische Betreuung, Unwissenheit über das eigene Schick-sal. „In den letzten 15 Jahren ging die Bevölkerung um fast eine halbe Million Menschen zurück. Was sind dagegen 12.000 Asylsuchende im letzten Jahr oder 40.000 Asylsuchende in diesem Jahr und in den folgenden Jahren? Von denen kann und will sowieso nur ein Teil bleiben. Wir haben die Chance, sie in unserer Gesellschaft aufzunehmen. So oder so sind wir quasi ein Entwick-lungsland, was die Öffnung in die Welt betrifft“, so Nagel. DIE LINKE forderte in ihrem Antrag ein Gesamtkonzept für Aufnahme und Unterbringung sowie für Asylverfahrens- und Kommunikati-onsabläufe. Ziele seien die Sicherung der Menschenwürde und die Teilhabe der Geflüchteten, ohne Sonderbehand-lung für irgendjemanden. Die Koalition schlug die Hand der Opposition erneut aus.

Die Integration unserer neuen Mitbür-gerinnen und Mitbürger wird Anstren-gungen kosten. Niemand von den „Einheimischen“ darf und wird aber Nachteile erleiden, weil wir ihnen hel-fen. Eines ist klar: Niemand würde mehr Lohn oder höhere Sozialleis-tungen bekommen, wenn Flüchtlinge nicht unterstützt würden. Das Grund-problem bleibt die Art und Weise, wie Einkommen und Vermögen in Deutsch-land erarbeitet und verteilt werden. Ziel aller Politik muss es sein, dau-erhafte soziale Sicherheit für alle zu schaffen, die in Sachsen leben – egal, woher oder warum sie kommen. Frie-den ist die wichtigste Voraussetzung.

Die gesellschaftlichen Veränderun-gen, die uns im Zuge von Zuwande-rung, demografischem Wandel und Binnenmigration in den nächsten Jahren beschäftigen werden, ver-langen langfristige Antworten. Sie bergen Sprengstoff. Während die einen mit Verunsicherung reagie-ren und sich an die neue Norma-lität gewöhnen mögen, werden andere verbissen das hochhalten, was sie als „ihre Kultur“ oder „ihre Identität“ bezeichnen. Mit der Ver-teidigung des Asylrechts wird es nicht getan sein. Staatliches Han-deln darf Einheimische und Zuwan-dernde keinesfalls gegeneinander ausspielen.

Kurzfristig geht es darum, Stan-dards für die Unterbringung, Teilhabe und Integration von Asylsuchenden zu setzen. Das Ver-

waltungs-Chaos muss überwunden werden. Wir haben 45 Vorschläge für eine menschliche und geord-nete Asylpolitik gemacht. Dieses „Handlungskonzept Asyl“, das auf der Fraktionsklausur in Meerane beschlossen wurde, umfasst prakti-sche Forderungen zu Erstaufnahme, dezentraler Unterbringung, kom-munikativer Begleitung von Unter-künften, Asylverfahrensberatung, sozial-psychologischer Betreuung, Sprachunterricht, Qualifizierung, Kostenerstattung für Kommunen und vielem mehr. Dieses Konzept haben wir, ebenso wie unsere Rede-beiträge in der Sondersitzung und den dort behandelten Antrag, als Broschüre veröffentlicht. Diese kann als Druckexemplar bestellt (Kontaktdaten siehe Impressum) oder im Internet eingesehen wer-den: http://bit.ly/1KQZ6K7

45 Punkte für humane Flüchtlingspolitik

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Page 23: LINKS! Ausgabe 10/2015

PARLAMENTSREPORTOktober 2015 Seite 3

Kleingärten sind keine Spekulationsobjekte!Der Chemnitzer Kaßberg ist eines der größten Gründerzeit- und Jugendstil-viertel in Deutschland. An seinen Rän-dern waren einst namhafte sächsische Industriebetriebe sesshaft, darunter die Sächsische Maschinenfabrik, die Maschinenfabrik Germania oder die Textilfabrik der Brüder Goeritz. Heute zählt der Kaßberg zu den gefragtesten Wohnlagen. Inmitten seiner mondänen Straßenzüge, an der Kanzlerstraße, liegt die Kleingartenanlage „Einigkeit“. Seit 1923 bietet sie auf einem landeseigenen Flurstück Naherholung im Grünen.

Seit August schweben dunkle Wolken über dem Gartenglück. Wie die BILD berichtete, will der Freistaat das etwa 3.300 m² umfassende Grundstück ver-kaufen – meistbietend. Heimlich hatte der Staatsbetrieb Sächsisches Immo-bilien- und Baumanagement (SIB) auf seiner Internetseite Entsprechendes inseriert, zwei seiner Mitarbeiter hat-

ten das gefragte Bauland inkognito inspiziert. Die Kleingärtnerinnen und Kleingärtner rieben sich die Augen – sie hatten von all dem nichts gewusst. Hin-tergrund ist ein schon 2012 gestartetes Vorhaben des Finanzministeriums, lan-deseigene Bodenflächen mit kleingärt-nerischer Nutzung zu veräußern – Mil-lioneneinnahmen könnten winken. Die Durchführung dieser „Verkaufsaktion Kleingärten“ obliegt dem SIB. Schon früh hatte die Regierung versichert, die Flächen sollten möglichst an Kommu-nen und Kleingärtner übergehen, denen man attraktive Vorkaufsangebote ver-sprach. Die „Einigkeit“ bot man ihren Nutzern jedoch gar nicht erst an, wohl in der Hoffnung auf einen höheren Erlös. Dabei verhandelt der SIB seit Februar mit dem Chemnitzer Stadtverband der Kleingärtner über den Verkauf von sie-ben weiteren Gartenvereinen.

Die Linksfraktion forderte im Landtag: „Spekulative Veräußerung von klein-gärtnerisch genutzten Bodenflächen auf landeseigenen Grundstücken im Frei-staat Sachsen sofort stoppen!“ (Druck-sache 6/2582). Die Staatsregierung sollte unverzüglich über den Stand der „Verkaufsaktion Kleingärten“ informie-ren: Welche Kleingärten sind schon ver-kauft worden? Wurde den Nutzerinnen und Nutzer angeboten, die Flächen zu

Sonderkonditionen zu erwerben? Bis zur Klärung dieser Fragen sollte die Staats-regierung alle Kleingartenverkäufe stop-pen, auch den auf dem Kaßberg.

Klaus Bartl, Sprecher für Rechtspo-litik und Chemnitzer Abgeordneter der LINKEN, verwies auf den Koali-tionsvertrag von CDU und SPD: „Die Koalitionspartner werden darauf hinwir-ken, dass die Kommunen den Bestand an Kleingärten pflegen und halten“. Für nichts anderes setze sich die LINKE ein. Der damalige Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, Frank Kup-fer. hatte 2012 behauptet: „Dem Gar-tenglück steht seitens der Staatsregie-rung nichts im Wege. Daran ändert auch die geplante Veräußerung von Klein-gartenflächen nichts“. DIE LINKE zwei-felte. Drei Jahre später zeigt sich nun, dass die Bedenken berechtigt waren. Bartl: „Man muss nicht der Opposition angehören, um in Sorge zu sein, dass diese Verkaufsgebaren auch andern-orts in Sachsen angewandt werden“. Die gemeinnützige, ökologische, soziale und kulturelle Bedeutung des Kleingar-tenwesens werde ignoriert. Der Antrag wurde in die Ausschüsse überwiesen. Wir bleiben dran! Der Freistaat darf keine krummen Geschäfte mit Kleingär-ten machen – weder auf dem Kaßberg noch anderswo.

Im Zweifel für die FreiheitDer Rechtsstaat in Sachsen hat sich blamiert. Auch Heidenau ist zum Syn-onym geworden – für Fremdenhass, für das Bündnis ansonsten unbeschol-tener Bürger mit Nazis. Zwei Krawall-nächte lang musste sich die zahlen-mäßig unterlegene Polizei vom rechten Mob verprügeln lassen, der den Einzug von Geflüchteten in einen Ex-Baumarkt verhindern wollte. Mehr als 30 Beamte wurden verletzt. Das Innenministerium behauptet, die etwa 150 eingesetzten Polizisten hätten ausgereicht – eine Ein-schätzung so realitätsfern wie die des SED-Politbüros 1989, so unser Dresd-ner Abgeordneter André Schollbach.

In Reaktion auf diese Ausschreitungen hatte das Bündnis „Dresden Nazifrei“ für den 28. August ein Willkommens-fest an der Unterkunft angemeldet. Das Landratsamt Sächsische Schweiz/Osterzgebirge verhängte daraufhin ein Versammlungsverbot für das Stadtge-biet, das von Freitag, 28. August 2015, 14 Uhr bis Montag, 31. August 2015, 6 Uhr reichen sollte. Man berief sich auf das Vorliegen eines polizeilichen Notstandes. In Eilentscheidung hob das Verwaltungsgericht Dresden noch am Freitag das Verbot auf; das Landrats- amt erhob Beschwerde beim Sächsi-schen Oberverwaltungsgericht, das es wieder in Kraft setzte. Ein eifriger Jura-Student in Baden-Württemberg, der am Willkommensfest teilnehmen wollte, verfasste einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den er beim Bundesverfassungsgericht einreichte. Das kippte das Versammlungsverbot dann endgültig. Karlsruhe verwies auf die besondere Rolle, die Heidenau in

der öffentlichen Debatte spiele, wes-halb die Bevölkerung in der Lage sein müsse, mit Versammlungen zur Mei-nungsbildung beizutragen. Es könne auch nicht belegt werden, dass jede Durchführung von Versammlungen für das ganze Wochenende zu einem Not-stand führen werde.

Das war bereits das vierte Versamm-lungsverbot in diesem Jahr. Noch erin-nerlich ist die Aussetzung des Versamm-lungsrechts in Dresden am 19. Januar 2015 im Zuge der „Pegida“-Aufzüge. Im Februar geschah Ähnliches in Leipzig. Hinzu kamen die ekelhaften Auseinan-dersetzungen am Hotel „Leonardo“ in Freital, deretwegen das Landratsamt Sächsische Schweiz/Osterzgebirge für den 30. Juli ein achtstündiges Demons-trationsverbot erließ. Das angestrebte 64-stündige Versammlungsgebot in Heidenau war nun ein weiterer Tief-punkt. Die Linksfraktion brachte einen Antrag (Drucksache 6/2601) ein, mit dem sie Aufklärung über das Zustande-kommen des Versammlungsverbotes in Heidenau forderte. Außerdem sollte die Staatsregierung darlegen, wie sie Ein-griffe in die Versammlungsfreiheit künf-tig verhindern will.

Klaus Bartl Rechtsexperte der LIN-KEN, verwies darauf, dass in der momentanen Krisensituation zu Recht nach pragmatischen Lösungen geru-fen werde. „Das darf aber um Him-mels Willen nicht darauf hinauslaufen, dass wir elementare Grundrechte auf-geben“. Versammlungsverbote seien zwar aus pragmatischer Sicht nachvoll-ziehbar. „Aber nicht nur im Lichte des

25. Jahrestages der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands, sondern auch aus Sicht der gesamten Demokratieentwicklung in der Bundes-republik ist der eingeschlagene Weg gehäufter Totalsuspendierungen der Versammlungsfreiheit völlig unannehm-bar“. Ohne das Recht, sich zu versam-meln, könnten Bürgerinnen und Bürger kaum an der politischen Willensbildung teilnehmen. Das Bundesverfassungs-gericht habe im Fall Heidenau eindeu-tig klargestellt, dass bei der Abwägung zwischen vermeintlichen Sicherheitsin-teressen auf der einen und den Grund- und Freiheitsrechten auf der anderen Seite im Zweifelsfall stets die Freiheits-rechte Vorrang haben. Bartl zitierte einen Kommentar zum Versammlungs-recht, der 1968 erschien – ebenfalls eine Zeit des Aufruhrs. Dort heißt es: „Versammlungen und Demonstratio-nen zum Zeichen einer demokratischen Gesellschaft sind ein dynamisches Ele-ment. Nicht Ruhe und Ordnung sind der Maßstab, an dem sie zu werten sind, sondern ihr Einfluss auf das Neudurch-denken von Problemen. Eine Gesell-schaft, die Probleme offen diskutiert, bleibt imstande, sie zu lösen“. Nur das sei der richtige Weg, so Bartl. Die Koali-tion sah das anders.

Probleme wegschieben, wenn man sich selbst überfordert sieht – das versucht nicht nur die Bundesregierung mit Ver-schärfungen des Asylrechts (denen das Bundesverfassungsgericht hoffentlich ebenfalls Einhalt gebietet). Das ver-suchen zunehmend auch sächsische Versammlungsbehörden. Wahrlich kein Ruhmesblatt.

Plenarspiegel

September 2015Die 19. und 20. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages fanden am 16. und 17. September 2015 statt. Die Fraktion DIE LINKE war mit folgenden parlamentarischen Initi-ativen vertreten:

Aktuelle Debatte

„Alle Jahre wieder: Das Märchen vom reibungslosen Start ins neue Schuljahr“

Große Anfrage

„10 Jahre Hartz IV in Sachsen: Ergebnisse, Erfahrungen, Schluss-folgerungen“ (Drs 6/1093)

Gesetzentwurf

„Gesetz über die Einführung einer kommunalen Privatisierungs-bremse im Freistaat Sachsen“ (Drs 6/2583)

Anträge

– „Keine weitere Aushöhlung des Versammlungsrechts durch zuneh-mende flächendeckende präven-tive Versammlungsverbote im Freistaat Sachsen per Allgemein-verfügung“ (Drs 6/2601)

– „Situation und Perspektive der Lehramtsausbildung an sächsi-schen Hochschulen“ (Drs 6/2073)

– „Spekulative Veräußerung von kleingärtnerisch genutzten Boden-flächen auf landeseigenen Grund-stücken im Freistaat Sachsen sofort stoppen!“ (Drs 6/2582)

Sammeldrucksache 6/2667 – darin enthalten sind die Anträge der Fraktion DIE LINKE

– „Teilnahme Sachsens am Schulobstprogramm der Europäi-schen Union“ (Drs 6/252)

– „Asylsuchende und Flüchtlinge im Freistaat Sachsen menschen-würdig unterbringen und ihre Sicherheit und die Sicherheit aller Unterstützer und Helfer schützen“ (Drs 6/2297)

Drucksachen (Drs) und Redebei-träge unter www.linksfraktion-sachsen.de

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Page 24: LINKS! Ausgabe 10/2015

PARLAMENTSREPORTSeite 4 Oktober 2015

Bericht einer Teilnehmerin zur Konferenz „Altersbilder – so differenziert wie das Leben“ am 14.09.2015 im Landtag

„Oma, willst Du schaukeln, dann gebe ich Dir Schwung. Ja komm und gib mir Schwung, mein Herz, dann bin ich wie-der jung!“ In diesem Lied hat Gerhard Schöne hervorragend die Generations-beziehungen und Rückblicke der Älte-ren beschrieben. Alles wäre so einfach, wenn das alles wäre! Heute bezeichnet Alter mindestens 20 bis 25 Jahre nach dem Erwerbsleben. Die wollen nicht nur gelebt sein. Alles zu genießen heißt: Aktiv sein, gebraucht werden, teilha-ben am gesellschaftlichen, kulturellen und sportlichen Leben. Das fordert uns und die Gesellschaft, deren besonderer Teil wir sind. Im Erwerbsleben haben wir nicht nur für unsere Kinder gesorgt, sondern auch für die damals ältere Generation. Alles war selbstverständ-lich. Heute scheint ein Teil der anderen Generationen mit uns, unseren Ansprü-chen und unserem Willen, auch für uns etwas zu erstreiten, Probleme zu haben.

Wie jede Generation ist auch unsere differenziert: Klug, gebildet, kulturin-teressiert, sportlich oder auch zurück-gezogen, den Garten und häusliche Ruhe liebend usw. Eines aber eint uns: Wir wollen selbst entscheiden, wie wir leben wollen und nicht wie wir sollen. Wir wollen unsere Teilhabe am Leben so gesichert sehen, wie es allen Generati-onen ermöglicht wird. Wir wollen unse-ren Lebensmittelpunkt bestimmen und nicht finanziellen und anderen Zwän-

gen genügen. Einfach ist das nicht. Um unsere Forderungen der Gesellschaft zu präsentieren, um in Kreis, Land und Bund mitbestimmen und entscheiden zu können, brauchen wir mindestens ein Seniorenmitwirkungsgesetz. Um das zu erreichen, brauchen wir nicht nur die Zusammenarbeit mit der Fraktion DIE LINKE im Landtag, sondern auch mit Kreistagsfraktionen. Unsere selbststän-digen Forderungen dürfen nicht nur von einer kleinen bewegten Menge erhoben werden. Wenn wir so ein Gesetz haben – wer füllt es aus? Eine doppelte Aufgabe.

An der Konferenz nahmen Vertreter von Gewerkschaften, Sozialverbänden, Seniorenbeauftragte der Kreise sowie die Landtagsabgeordneten Horst Weh-ner, Susanne Schaper, Marion Junge und der Bundestagsabgeordnete Jörn Wunderlich ebenso wie Genossinnen und Genossen aus den Kreisen und aus der LAG Senioren teil. Ein Erfolg! Aber es geht ja erst los, Oma will schaukeln. Claudia Bähr, Referentin der LINKEN Bundestagsfraktion, stellte die Alters-bilder aus dem VI. Altenbericht der Bundesregierung vor. Differenziert und individuell, wandelbar und gestaltbar wurden sie dort genannt. Im Grunde zeigte sich, dass Altersbilder nur nötig sind, um die starken Ressourcen und damit die ökonomische Verwertbar-keit der Alten herauszuheben. Ja, wir wollen uns einbringen, jedoch nicht als Ressource! Große soziale Unterschiede bis zur Altersarmut wurden im Beitrag von Dr. Dietmar Pellmann hervorge-hoben. Er zeigte die Differenziertheit

der Älteren, aber ebenso die zwischen Männern und Frauen auf Basis der Ein-kommenszwänge. Elke Pohl vom Paritä-tischen Wohlfahrtsverband schilderte die Zwänge der Altersbilder mit Blick auf Frauen und auf das Wohnen.

Die Podiumsdiskussion, die drei Gene-rationen (Susanne Schaper, Alexandra Wolf von der LAG und Nick Kloß, Stu-dent) bestritten, zeigte: Nur gemein-sam werden wir die Lebenslagen aller Generationen bewältigen. Ein Mitein-ander über das Private hinaus fördert jede Generation und die Gesellschaft. Es reicht nicht, aufeinander zuzugehen, Räume (etwa Mehrgenerationenhäuser) müssen Begegnungsstätten bieten. Nur im Gespräch können Lebenssituationen, Lebensvorstellungen und das gelebte wie bevorstehende Leben Platz haben. So können Hass, Neid und Unverständ-nis ausgeräumt werden, kann ein Mitei-nander entstehen.

Um die Belange der älteren Generatio-nen in den Fokus zu rücken, brauchen wir ein humanistisches solidarisches Altersbild, das alle Facetten erfasst und dennoch ein Dach aufbaut. Dafür müs-sen wir intensiver in das Thema einstei-gen. Einerseits sind Aspekte bedeut-sam, die für alle Generationen wichtig sind, wie barrierefreies/-armes Woh-nen, Mobilität und Einkommen. Für die Fraktion wichtig sind auch Bereiche, die Seniorinnen und Senioren differen-ziert betreffen. Ausschlaggebend ist die Frage des Einkommens. Sie schließt einen wachsenden Teil der Älteren

von Teilhabe aus und zwingt ihnen ein Lebensniveau auf, das der Menschen-würde entgegensteht.

In Stadt und Land muss Daseinsvor-sorge für Seniorinnen und Senioren gesichert sein. Ebenso müssen sie früh-zeitig überlegen, wo ihr Lebensmittel-punkt sein soll. Eine Diskussions-auf-gabe vor allem für die Kommunen. Unter dem Dach eines humanistischen, solida-rischen Altersbildes werden wir für die Lebensbereiche der Seniorinnen und Senioren Ziele und Forderungen for-mulieren - zu Daseinsvorsorge, Pflege, Gesundheit, Einkommen, Wohnen, Mobilität und dem ländlichen Raum. Daran und an konkreten Fakten muss sich die parlamentarische Arbeit aus-richten. Heidemarie Lüth

ImpressumFraktion DIE LINKE im Sächsischen LandtagBernhard-von-Lindenau-Platz 101067 Dresden

Telefon: 0351/493-5800Telefax: 0351/493-5460

E-Mail: [email protected]

V.i.S.d.P.: Marcel BraumannRedaktion: Kevin Reißig

Es war einmal, vor langer, langer Zeit in einem fernen Lande, als eine Kultusmi-nisterin alle Jahre wieder ihren Unter-tanen weismachen wollte, sie könnten problemlos ins neue Schuljahr starten … Halt: Es ist hier und heute, in Sach-sen, und die Märchen erzählt Brunhild Kurth (CDU). Wischen wir das Mär-chenbuch vom Tisch: Einen reibungslo-sen Schuljahresstart gibt auch weiter-hin nur im Märchen.

Mit einer Aktuellen Debatte im Land-tag, bestritten von der LINKEN Bil-dungsexpertin und Lehrerin Cornelia Falken, räumten wir mit den Legenden auf. Die Unterrichtsqualität, so Falken, nehme rapide ab. „Das größte Problem liegt darin, dass die Staatsregierung, das Kultusministerium und die Ministe-rin nicht bereit sind, die Situation, die wir an den Schulen haben, zu erken-nen“. Die jahrzehntelange verfehlte Personalpolitik habe absehbar zu Leh-rermangel geführt. Ein Personalent-wicklungskonzept für den Schulbereich gibt es noch immer nicht. Es genüge nicht, dass vor jeder Klasse eine Lehr-kraft stehe, so Falken. Entscheidend sei zum Beispiel, ob diese auch quali-fikationsgemäß eingesetzt ist, wie viele Kinder und Jugendliche in der Klasse sitzen, welche Lernmittel sie einsetzen können. 20 Prozent der jüngst einge-stellten Lehrerinnen und Lehrer, knapp

200 Pädagogen, sind an einer anderen Schulart eingesetzt, als ihre Studien-qualifikation vorsieht. Weitere 20 Pro-zent, also ebenfalls 200, sind Seiten-einsteiger, die sofort eine Fortbildung besuchen müssten. Im Freistaat gibt es aber bisher nur einen einzigen Kurs dafür – mit ganzen 25 Teilnehmenden.

Kurth hat stolz verkündet, dass mit dem aktuellen Doppelhaushalt 964 Pädagogen unbefristet eingestellt wor-den sind. Das ist gut. Allerdings ist der Bedarf damit längst nicht befriedigt. Erstens gibt es im Haushaltsplan noch 176 unbefristete Lehrerstellen, die zügig besetzt werden müssten. Zwei-

tens gibt es in diesem Schuljahr etwa 6.000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler, für die allein schon 270 zusätz-liche Pädagogen gebraucht würden. Das zugesagte vollständige Ersetzen aller ausscheidenden Lehrkräfte funk-tioniere nur rechnerisch und auf dem Papier, kritisierte Falken. „In der Rea-

lität leiden darunter die Qualität des Unterrichtes und die individuelle Förde-rung von Schülerinnen und Schülern“.

Es gebe zunehmend aus dem ganzen Land – von Eltern, Schülern, Lehrern, Schulleitern – Anfragen zur Unter-richtsversorgung. In manchen Klassen

habe noch nicht eine Stunde Biologie, noch nicht eine Stunde Chemie statt-gefunden. Die Stundentafel sei vieler-orts schon zu Beginn des Schuljahres extrem gekürzt worden. „Der Minis-terpräsident hat schon zur Haushalts-debatte gesagt: So viele Lehrer, wie gebraucht werden, so viele Stellen ste-hen auch zur Verfügung. Dies fordern wir ein“, so Falken.

Hinzu kommt eine weitere personal-intensive Herausforderung: Die Inte-gration von Flüchtlingskindern, die alle schulpflichtig sind, auch während ihres Asylverfahrens. Im Haushalt gebe es dafür 150 zusätzliche Stellen, die nicht aus dem Kultusbereich kommen, so Falken. Jedoch: „Wo sind denn die? Integrationsstunden werden sofort verwendet, wenn Unterrichtsausfall stattfindet“. Man stopft Löcher, anstatt diese Kräfte im Fach Deutsch als Zweit-sprache (DaZ) auszubilden und ein-zusetzen. Hinzu kommt, dass diese Stellen sämtlich befristet sind. Das sei falsch. „Denn in den Flüchtlingskindern liegt für uns im Bildungsbereich und für die Gesellschaft eine riesige Chance“.

Wir bleiben dran – denn die Situation, in der sich die sächsischen Schulen befinden, ist alles andere als märchen-haft. Und wenn sie nicht geschlossen sind, dann kämpfen sie bis heute.

Märchenstunde im Landtag

Oma, willst Du schaukeln?