neues aus der demenzforschung

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7. Workshop des „Zukunftsforum Demenz“ 15. März 2003 im Kloster Eberbach Dokumentationsreihe · Band 3 Neues aus der Demenzforschung Herausgeber Professor Dr. med. Ingo Füsgen Professor Dr. med. Johannes Kornhuber Zukunftsforum Demenz

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Die Forscher haben dem Alzheimer den Kampf angesagt – sokönnte man die vielfältigen Forschungsbestrebungen aufdem Sektor demenzieller Erkrankungen zusammenfassen.Diese Forschungsoffensive ist aber auch dringend nötig, da dieZahl der Patienten bedingt durch die demographische Entwicklungstetig steigt.

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Page 1: Neues aus der Demenzforschung

7. Workshopdes „Zukunftsforum Demenz“15. März 2003 im Kloster EberbachDokumentationsreihe · Band 3

Neues aus der DemenzforschungHerausgeberProfessor Dr. med. Ingo FüsgenProfessor Dr. med. Johannes Kornhuber

Zukunftsforum Demenz

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Editorial

Die Forscher haben dem Alzheimer den Kampf angesagt – sokönnte man die vielfältigen Forschungsbestrebungen aufdem Sektor demenzieller Erkrankungen zusammenfassen.Diese Forschungsoffensive ist aber auch dringend nötig, da dieZahl der Patienten bedingt durch die demographische Ent-wicklung stetig steigt.

Derzeit gibt es etwa eine Million Menschen mit einer Alz-heimer-Demenz in Deutschland, jedes Jahr tritt bei 200 000Menschen die Erkrankung erstmals auf. Wenn man den Zeit-raum betrachtet von der Diagnosestellung bis zum Tod, dannist der einzelne Mensch etwa acht bis zehn Jahre betroffen –das ist für viele Kranke annähernd ein Zehntel ihres Lebens. So-mit ist nicht nur ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung betrof-fen – außer dem Kranken selbst ist auch seine Familie phy-sisch, psychisch und finanziell über viele Jahre stark belastet.

Insgesamt ist die Alzheimer-Demenz als ein Massenphäno-men mit immenser Bedeutung zu betrachten. Deshalb ist esauch eine anspruchsvolle wissenschaftliche Herausforderung,eine Therapie zu finden, die das damit verbundene Leiden bes-ser als bisher vermindern kann. Eine solche Therapie hilft abernicht nur dem Einzelnen, sie ist auch von großer gesellschaftli-cher Bedeutung: Denn eine Therapie kann dazu beitragen,dass die Menschen länger selbstständig in ihrer häuslichenUmgebung leben können, also zu einem späteren Zeitpunkterst hohe Heimkosten verursachen und somit die Pflegekas-sen entlasten.

Erste Früchte hat die Forschung bereits getragen: So konntedie Diagnostik dahin gehend verbessert werden, dass heuteaus dem Liquor Marker identifiziert wurden, die die DiagnoseAlzheimer als positive Diagnose und nicht als Ausschlussdia-gnose ermöglichen.

Auch durch die bildgebenden Verfahren ist es heute möglichfestzustellen, in welchen Hirnregionen die Defekte liegen. Au-ßerdem tragen diese Verfahren ebenfalls dazu bei, die Alzhei-mer-Demenz von anderen Demenzformen zu unterscheiden.

Nicht nur die Früherkennung hat große Fortschritte ge-macht, auch die Behandlungsmöglichkeiten haben sich erwei-

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Editorial

Günther SauerbreyLeiter Zukunftsforum Demenz

tert: Bei den nichtmedikamentösen Verfahren konnte – zumin-dest für einige Methoden – der qualitative Eindruck der Verbes-serung wissenschaftlich auf sichere Füße gestellt werden. Al-lerdings besteht hier noch ein gewaltiger Forschungsbedarf.

Bei den immunologischen Verfahren hat es Fortschritte ge-geben, auch wenn hier der endgültige Durchbruch noch fehlt.Die so genannte Alzheimer-Impfung, bei der über induzierteAntikörper die Plaques im Hirn abgebaut werden, funktioniertbei Versuchstieren gut, auch beim Menschen funktioniert dasPrinzip, doch leider ist auf Grund der Nebenwirkung bei eini-gen Versuchspersonen diese Therapie noch nicht für eine brei-te Anwendung geeignet. Doch die Forscher arbeiten weiterdaran, einen besser verträglichen „Impfstoff“ zu gewinnen.

Keine Zukunftsmusik ist die bei Merz entwickelte SubstanzMemantine, mit der die Progression der Erkrankung verlang-samt oder gebremst werden kann. Memantine steht heute fürdie Behandlung der mittelschweren und schweren Alzheimer-Demenz zur Verfügung. Und das Unternehmen Merz stelltsich auch weiterhin der Herausforderung in der Demenz-For-schung: Merz unterstützt das Kompetenznetzwerk Demen-zen, bei dem unter anderem die Kombinationstherapie ausCholinesterasehemmern und NMDA-Rezeptor-Antagonistenbei der Alzheimer-Erkrankung untersucht wird. Dieses Kompe-tenznetz wird vom Bundesforschungsministerium gefördert.

Auch mit dem Zukunftsforum Demenz will das Unterneh-men dazu beitragen, das Know-how der Diagnostik und Thera-pie zu verbreiten und so die Versorgung der Demenzkrankenzu verbessern – gemäß dem Motto des Zukunftsforums „Fürein lebenswertes Morgen“.

Angelika Ramm-FischerZukunftsforum Demenz

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Editorial

Die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft ist voneiner deutlichen Zunahme des Anteils älterer Menschen ander Gesamtbevölkerung bestimmt. 1950 lebten doppelt soviele Menschen unter 20 Jahren wie Menschen über 60 Jah-re, dagegen werden es im Jahr 2050 mehr als doppelt so vie-le 60-Jährige wie Kinder und Jugendliche unter 20 Jahrensein. Aus diesem „umgekehrten Altersaufbau“ erwachsenChancen und Herausforderungen für unsere Gesellschaft.

Mit der Absicht, diesen Wandel positiv zu gestalten, hatdie Fa. Merz das „Zukunftsforum Demenz“ für das Krank-heitsbild Demenz eingerichtet. Dem Krankheitsbild Demenzkommt zahlenmäßig auf Grund seiner direkten Altersab-hängigkeit, der hohen Kosten im Krankheitsverlauf für unse-re Gesellschaft und auf Grund der Einschränkung für den Be-troffenen und die Angehörigen eine große Bedeutung zu.

Das Themenspektrum der zu behandelnden Fragen bzw.Bedürfnisse ist weit gesteckt. Bei dem Thema des 7. Work-shops „Neues in der Demenzforschung“ spielt natürlich dieFrühdiagnostik eine zentrale Rolle. Es ist Herrn Prof. Dr. Wilt-fang von der Universitätsklinik Erlangen-Nürnberg zu dan-ken, dass er den jetzigen Stand der „Neurochemie“ darstell-te. Eine attraktive zukunftsweisende Forschung für die HerrProf. Dr. Wiltfang mit dem Preis für Hirnforschung in der Ge-riatrie der Universität Witten/Herdecke gewürdigt wurde.

Prof. Dr. Maurer ging anschließend auf die bildgebendeDiagnostik ein. Neben der fachlich eindrucksvollen Darstel-lung der bestehenden Möglichkeiten beeindruckte beson-ders immer wieder der Bezug auf die erste von Alzheimer do-kumentierte Patientin „Auguste D.“. Wie weit inzwischenhier die Technik der bildgebenden Verfahren fortgeschrittenist, macht die Aussage von Prof. Maurer deutlich: „Man kannheutzutage dem Gehirn beim Denken zusehen“.

Der zweite Teil des Workshops war der Therapie gewid-met, und hier stand nach der Darstellung der nichtmedika-mentösen Therapieformen durch Herrn Privatdozent Dr.Gräßel natürlich die medikamentöse Therapie unter beson-derer Berücksichtigung des Einsatzes von Memantine im

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Editorial

Professor Dr. med. Ingo Füsgen

Vordergrund. Prof. Dr. Kornhuber zeigte in seinem Referatauf, wie eine optimale Medikation aussehen kann und dassder Substanz Memantine hier besondere Bedeutung zu-kommt. Deutlich wurde aber auch in den Ausführungen vonProf. Dr. Kornhuber, dass der Wirkstoff Memantine nicht nursymptomatisch, sondern auch neuroprotektiv wirken kann.

Der anschließende Vortrag von Herrn Prof. Dr. Hock gingauf künftige Entwicklungen in der Therapie ein. Dabei wurdevon ihm gefordert, dass für einen Wirkansatz bei der Medi-kation nicht nur ein symptomatischer Erfolg bestehen soll,sondern auch eine modulierende Wirkung auf das Krank-heitsbild gegeben sein sollte.

Insgesamt war es ein hoch interessanter Workshop, undHerrn Prof. Dr. Kornhuber als Leiter sowie den anderen Refe-renten und Diskutanden sei vielmals gedankt. Wiedereinmal wurde deutlich, welch riesige Aufgabe uns mit derBewältigung der Demenz bevorsteht, obwohl Kenntnisseund Handlungsoptionen vorliegen.

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Herausgeber

Professor Dr. med. Ingo FüsgenGeriatrische Kliniken Wuppertalder Kliniken St. AntoniusLehrstuhl für Geriatrie derUniversität Witten-HerdeckeCarnaper Str. 6042283 Wuppertal

Prof. Dr. med. Johannes KornhuberDirektor der Klinik fürPsychiatrie und Psychotherapieder Universität Erlangen-NürnbergSchwabachanlage 6 und 1091054 Erlangen

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Privatdozent Dr. med. Elmar GräßelKlinik für Psychiatrie und Psychotherapie,Universität Erlangen-Nürnberg

Prof. Dr. med. Johannes KornhuberLeiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie,Universität Erlangen-Nürnberg

Prof. Dr. med. Christoph HockPsychiatrische Forschung,Universitätsklinik Zürich

Prof. Dr. med. Jens WiltfangKlinik für Psychiatrie und Psychotherapie,Universität Erlangen-Nürnberg

Referenten

Referenten des WorkshopsMediziner diskutierten die neuen Erkenntnissezu Diagnostik und Therapie bei der Demenz vomAlzheimer-Typ.

Prof. Dr. med. Konrad MaurerKlinik für Psychiatrie und Psychotherapie,Universität Frankfurt am Main

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Impressum

© 2003 Zukunftsforum DemenzPostfach 11 13 5360048 Frankfurt am MainE-Mail: [email protected]

Redaktion, Gestaltung und Produktion:Medical Tribune Verlagsgesellschaft mbHWiesbaden

Oktober 2003

Printed in GermanyISBN 3-922264-54-9

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Inhalt

Professor Dr. med. Konrad Maurer

Dem Gehirn beim Denkenzuschauen 11

Professor Dr. med. Jens Wiltfang

Welche Möglichkeiten gibt esfür die Frühdiagnose? 23

Privatdozent Dr. med. Elmar Grässel

Kognitive Fähigkeiten positivbeeinflussen 31

Professor Dr. med. Johannes Kornhuber

Professor Dr. med. Jens Wiltfang

So kann optimal therapiertwerden 39

Professor Dr. med. Christoph Hock

Wohin geht der Weg? 49

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Das Zukunftsforum Demenz hat sich zum Ziel gesetzt,die Versorgung der Demenzkranken in Deutschland zuverbessern, um ihnen möglichst lange ein würdevolles und– entsprechend ihren noch vorhandenen Fähigkeiten –erfülltes Leben zu ermöglichen. Daher auch das Motto desZukunftsforums: Für ein lebenswertes Morgen.

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Zu Alzheimers Zeitenbestand die bildge-bende Diagnostik imBlick durch das Mi-kroskop, mit demnach dem Ablebender Patienten die Ge-hirnschnitte untersuchtwurden, um die gefundenenVeränderungen anschließend nachzuzeichnen (Abbildung 1).„Damals war es also eine mühevolle Angelegenheit“, erinner-te Professor Dr. med. Konrad Maurer, Klinik für Psychiatrie und

Abbildung 1

Bildgebende Diagnostik

Dem Gehirn beim DenkenzuschauenProfessor Dr. med. Konrad Maurer

„Oh wie schön wäre es doch, wenn ich den Schädel nichtimmer öffnen müsste“ – dieser Wunsch von Alois Alzheimer(1864-1915) zur Diagnostik der nach ihm benannten Demenzist mittlerweile Wirklichkeit. Funktionelle bildgebendeVerfahren machen heute die bildhafte Erfassung vonkognitiven Prozessen wie Denken und Erkennen sowie auchvon Demenz-assoziierten Wahrnehmungsstörungenmöglich. Mit Methoden wie SPECT (single photon emissioncomputertomographie) und PET (Positronenemissionscom-putertomographie) lassen sich Durchblutungsstörungenund Stoffwechselverhältnisse darstellen. Die FDG(18F-Fluor-deoxy-glukose)-PET hat sich bei der Frühdiagnosevon Demenzen bewährt. Das beste bildgebende Verfahrenzur Demenz-Diagnostikist aber derzeit die fMRT,die eine Funktionsanalysebei MRT-typischer räumli-cher Exaktheit erlaubt.

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Psychotherapie der Universität Frankfurt. Diese Situ-ation hat sich mit der Entdeckung der Computerto-mographie und der Magnet-Resonanz-Tomographie(MRT, Kernspintomographie) grundlegend verändert.Denn mit diesem Verfahren wurde es möglich, Atro-phien und Erweiterungen der äußeren und inneren Li-quorräume in vivo darzustellen. Die MRT ermöglichteine bildhafte Darstellung der Alzheimer-bedingtenAtrophien und Neuronenverluste in den vorwiegendbetroffenen Regionen (Abbildung 2) im parietalenKortex, temporalen Kortex, Hippokampus und ento-rhinalen Kortex. Der Substanzverlust in diesen Regi-onen erklärt letztlich die Alzheimer-typischen Sym-

ptome wie Vergesslichkeit und emotionale Veränderungen.Bereits Alois Alzheimer hat räumliche Wahrnehmungs-

störungen bei seinen Patienten beobachtet. Beispiel: Die his-torische Schriftprobe der „Auguste D.“, die eine agraphischewie auch eine deutliche räumliche Störung dokumentiert

Prof. Dr. med.Konrad Maurer

Fortschreiten der Hippokampusatrophiebeim Alzheimer-Patienten

Erstuntersuchung 12 Monate später

Abbildung 2: Mit der MRT ist heute eine bildhafte Darstellung derAlzheimer-bedingten Atrophien und Neuronenverluste wie hier imHippokampus möglich. nach Förstl, 1997

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(Abbildung 3). Alzheimer konnte damals nurvermuten, was sich dahinter verbirgt.

Heute bezeichnet man dieses Phänomenals „Hemineglect-Problematik“: So schauenPatienten mit einem rechtsseitigen Neglect-Zeichen häufiger nach links. Und mit moder-nen funktionellen Verfahren, wie zum Bei-spiel SPECT, kann man dies auch bildlich do-kumentieren (Abbildung 4).

EEG zeigt Verlagerungen undAbnahme der Gehirnaktivität

Bereits in den 30er Jahren wurden De-menz-typische Veränderungen im EEG be-schrieben – so zum Beispiel die Verlangsa-mung der EEG-Wellen. Diese Verlangsa-

Abbildung 4: Bei Hemineglect sind linksseitige Störungen im Kortex mit einer vermindertenWahrnehmung im rechten Gesichtsfeld verbunden. nach Meguro et al., 2001

Hemineglect-Problematik alstypisches Alzheimer-Symptom

Abbildung 3: Schriftprobe der„Auguste D.“aus: Maurer et al., Lancet, 1997; 349

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mung kann man nach den Erfahrungen von Prof. Maurerauch im ärztlichen Alltag nutzen: Bei einer Gehirnschädi-gung nimmt die langsame Gehirntätigkeit zu und dierasche Tätigkeit ab. „Wir wissen ja auch, dass Kognitionzum Beispiel mit Beta-Tätigkeit verbunden ist.“ Bei Alzhei-mer-Patienten ist dagegen vor allem eine Zunahme an The-ta-Tätigkeit in den vorderen Hirnbereichen festzustellen,während die Alpha-Tätigkeit gleichzeitig abnimmt (Abbil-dung 5). Dies ist auch in der Routine-Diagnostik guteinsetzbar.

Diagnostisch hinweisend ist bei Demenz-Patienten auchdie Untersuchung der so genannten P300-Welle: „Das ist dererste biologische Marker in der Psychiatrie“, betonte Prof.Maurer. Hierbei handelt es sich um eine besonders hohe

Typische EEG-Veränderungen bei Morbus Alzheimer

Abbildung 5: Bei Alzheimer-Patienten ist vor allem eine Zunahme an Theta-Tätigkeitin den vorderen Hirnbereichen festzustellen, während die Alpha- und Beta-Tätigkeitabnimmt.

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EEG-Welle, die in einem standardisierten Ton-Provokations-Verfahren nach der Wahrnehmung von seltenen Tönen (Fre-quenz 2000 Hz), auf die die Probanden achten und mitKnopfdruck reagieren müssen, entsteht. Bei der Demenzvom Alzheimer-Typ ist die Topographie und Amplitude dieserWelle verändert (Abbildung 6). In der Routine-Diagnostikeignet sich dieses Verfahren vermutlich auch für die Diffe-renzierung zwischen Alzheimer-Demenz und vaskulärer De-menz.

PET – „Königin der bildgebenden Verfahren“Den entscheidenden Durchbruch in den bildgebenden

Verfahren zur Demenz-Diagnostik brachte die Positronen-Emissions-Tomographie (PET), die sich durch ein verbesser-tes räumliches Auflösungsvermögen auszeichnet. Vorallem die 18FDG-PET, bei der die Patienten intravenös eineInjektion von 18Fluor-Desoxyglukose erhalten, hat sich beider Früh- und Differenzialdiagnose der Demenzen be-währt. Diese Methode ermöglicht eine visuelle Beurteilungoder Berechnung des metabolischen Index und zeigt ein-drucksvoll die Unterschiede zwischen verschiedenen De-menz-Ursachen (Abbildung 7).

P300-Welle

Abbildung 6: Bei der Demenz vom Alzheimer-Typ ist die Topographie und Amplitude derP300-Welle verändert.

Kontrollen DAT

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Die diagnostische Wertigkeit der 18FDG-PET wurde in ei-ner großen prospektiven Studie bei 146 Patienten unter-sucht. Über eine Zeitspanne von drei Jahren wurden PET-Folgeuntersuchungen durchgeführt, beim Tod eines Pati-enten wurde darüber hinaus auch der postmortale patho-logische Befund erhoben. Dabei zeigte sich, dass progressi-ve Demenzformen mit Hilfe der 18FDG-PET mit einer Sensi-tivität von 93 % und einer Spezifität von 76 % erkannt wer-den konnten. Patienten mit Alzheimer-Demenz wurdenmit einer Sensitivität von 94 % und einer Spezifität von73 % erkannt.

Auch für den In-vivo-Nachweis der Acetylcholinesterasegibt es einen geeigneten Tracer – also eine Substanz, dieman mittels PET darstellen kann: das 11C-markierte N-Me-thyl-4-Piperidyl-Acetat ([11C]-MP4A). Vergleichende Untersu-chungen mit 18FDG-PET und MP4A-PET machen deutlich,dass bei Alzheimer-Patienten die Reduktion des Glukose-stoffwechsels auch mit einer Abnahme der Neurotransmit-ter, vor allem im parietalen und temporalen Bereich, gekop-pelt ist (Abbildung 8 und 9). „Also eine recht elegante Me-

Differenzialdiagnose der Alzheimer-Demenzmittels Glukosestoffwechsel-PET

Abbildung 7: In der typischen Verteilung der Gebiete mit einem pathologischenGlukosestoffwechsel erkennt man Unterschiede zwischen den verschiedenen Demenzformen.

gesund55 Jahre

Alzheimer-Demenz60 Jahre

vaskuläre Demenz50 Jahre

Morbus Pick69 Jahre

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thode, um bei der Frage des Neurotransmitter-Verlustes wei-terzukommen“, betonte Prof. Maurer.

Neben Acetylcholin sind aber auch andere Transmitter-Systeme bei der Alzheimer-Demenz beeinträchtigt. Auchdiese lassen sich mit spezifischen PET-Verfahren darstellen.

Beeinträchtigungen im Serotonin-System erklären zumBeispiel die bei Alzheimer-Patienten häufigen depressivenSymptome, die aus klinischer Sicht die Differenzialdiagno-se zu anderen depressiven Syndromen erschweren. Denngenerell spielt die Reduktion des Serotoninstoffwechsels inder Entwicklung depressiver Erkrankungen eine wichtigeRolle. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass es alters-abhängig zu einer allgemeinen Reduktion von Serotonin-Rezeptoren im gesamten Neokortex und im limbischen

Signifikante Reduktion derAcetylcholinesterase-Aktivität bei Morbus Alzheimer

Abbildung 8: Im Vergleich zu den Normalbefunden (oben) machen die Untersuchungs-befunde bei Alzheimer-Patienten (unten) deutlich, dass die Reduktion des Glukosestoff-wechsels im CMRGlu mit einer Abnahme der Neurotransmitter im MP4A gekoppelt ist.

aus: Herholz et al., J Neurol Transm (2000), 107

CBF CMRGIu MP4A0 – 2 min

MP4A10 – 60 min

MRI

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In-vivo-Nachweis von aktivierter Mikroglia

Abbildung 9: Mit der [10C]-(R)-PK11195-PET kann man bei Alzheimer-Patienten (AD-Patient)eine Aktivierung der Mikroglia nachweisen – dies ist die Grundlage für immunologischeTherapieansätze. nach Cagnin et al., 2001

74- jährigerKontrollproband AD-Patient

System kommt, was die allgemein höhere Prävalenz vonendogenen Depressionen im Alter erklären könnte. Bei derAlzheimer-Demenz ist die Reduktion der Serotonin-Rezep-torendichte aber noch deutlich stärker ausgeprägt.

Auch die Bedeutung der Mikroglia in der Pathogenese derAlzheimer-Erkrankung konnte mit Hilfe eines spezifischenPET-Verfahrens bestätigt werden: Es gibt im Gehirn Bereiche,in denen bei Alzheimer-Patienten die Mikroglia in aktivierterForm vorliegt: Die Hauptlokalisationen hierfür sind Temporal-lappen, parietaler Assoziationskortex, entorhinaler Kortex so-wie Amygdala – Gebiete also, die auch von anderen pathologi-schen Prozessen der Alzheimer-Demenz besonders betroffensind. Die Mikroglia besteht aus Makrophagen, die sich norma-lerweise im Hirnparenchym befinden und in bestimmten Si-tuationen aktiviert werden. Diese Aktivierung geht einher mit

MTGITG

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einer Vervielfachung des Stoffwechsels und des Energieum-satzes dieser Zellen sowie mit einer Produktion von zahlrei-chen Entzündungsmediatoren – dies ist letztlich die Grundla-ge für immunologische Ansätze in der Alzheimer-Therapie.Mit der [10C](R)-PK11195-PET hat man mittlerweile die Möglich-keit, diese aktivierte Mikroglia in vivo nachzuweisen (Abbil-dung 9).

Für den Neurotransmitter Glutamin gibt es ebenfalls dieMöglichkeit der spezifischen PET-Darstellung. Hierbei kannman natürlich auch Medikamenteneinflüsse darstellen, be-tonte Prof. Maurer: „Ich nehme an, dass dies auch für Koope-rationsprojekte mit Cholinesterasehemmern und Memanti-ne interessant ist.“

Insgesamt gewinnt man mit den unterschiedlichen PET-Untersuchungen auch gute Einblicke in die Pathomechanis-

Gestörtes Uhrenzeichnen bei Alzheimer-Patienten

Abbildung 10: Anhand dieser Versuche von Alzheimer-Patienten, Uhren zu zeichnen,wird deutlich, dass die Alltagsfähigkeit des Uhrenlesens oft gestört ist.

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fMRT zeigt bei Alzheimer verminderteAktivität während des Uhrenlesens

Abbildung 11: In diesem Versuch wurden die Probanden während desUhrenlesens mittels fMRT untersucht. Die bei gesunden Kontrollperso-nen gefundene Aktivität in der Parietalregion war bei Alzheimer-Patienten erheblich vermindert. nach Prvulovic et al., 2002

men, die letztlich zur Alzheimer-Demenz führen, resümierteMaurer.

Dass man heutzutage tatsächlich kognitive Prozesse inbildgebenden Verfahren darstellen kann, machte Maureram Beispiel des Uhrenlesens deutlich: Diese Alltagstätig-keit ist bei Alzheimer-Patienten erheblich gestört (Abbil-dung 10). „Diesem Phänomen haben wir uns gewidmetund gingen der Frage nach, warum Patienten mit Alzhei-mer-Demenz Uhren nicht lesen können, warum sie in die-sen Dimensionen sozusagen nicht denken können“, berich-

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tete Prof. Maurer. Dazu wurden den Probanden mehrereZifferblätter mit verschiedenen Zeigerstellungen gezeigt,und sie mussten angeben, bei welchen Darstellungen dieUhrenzeiger zehn Minuten (entsprechend einem Winkelvon 60°) auseinander liegen. Während dieser visuell-räum-lichen Verarbeitung wurde das kortikale Aktivierungsmus-ter mittels fMRT untersucht.

Das Ergebnis: Bei gesunden Kontrollen war in der Parietal-region eine deutliche Aktivität nachweisbar. Diese Aktivie-rung war bei Alzheimer-Patienten erheblich vermindert (Ab-bildung 11).

Fazit „Wir haben jetzt die Möglichkeit, kognitive Prozesse auf-

zuzeichnen, wir müssen aber auch immer daran denken,dass alles miteinander gekoppelt ist – Kognition, Emotionund Bewegung.“ Letztlich kann aber mit modernen bildge-benden Verfahren ein Einblick in kognitive Prozesse im Ge-hirn gewonnen werden – man kann also nach Einschätzungvon Prof. Maurer tatsächlich sagen, dass man heutzutagedem „Gehirn beim Denken“ zusehen kann.

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Labor-Diagnostik

Welche Möglichkeiten gibt es fürdie Frühdiagnose?Professor Dr. med. Jens Wiltfang

Bei der Alzheimer-Demenz sollten medikamentöseTherapien möglichst früh einsetzen, um einen weiterenFunktionsverlust zu verhindern. Dies macht allerdingseine verbesserte Früh- und Differenzialdiagnostik erfor-derlich. Deshalb wird derzeit eine neurochemischePositivdiagnostik der Alzheimer-Demenz, basierend aufbiologischen Markern im Liquor cerebrospinalis, entwi-ckelt. Mittlerweile ist durch die kombinierte Erfassungmehrerer Demenzmarker mit ausreichend guter Sensiti-vität die Abgrenzung der Alzheimer-Demenz von nicht-demenziellen Erkrankungen möglich. Auch die Abgren-zung von anderen demenziellen Erkrankungen erscheintmöglich, hier sind aber weitere Forschungsanstrengun-gen erforderlich.

„Time is brain“ – mit diesem Leitsatz brachte Pro-fessor Dr. med. Jens Wiltfang, Klinik für Psychiatrieund Psychotherapie, Universität Erlangen-Nürn-berg, die Ziele einer zeitgemäßen Betreuung vonAlzheimer-Patienten auf den Punkt. Dies bedeutetauch eine verbesserte Frühdiagnostik der Demenz-erkrankung. Deshalb wurde in den letzten Jahrenauch intensiv nach spezifischen neurochemischenDemenzmarkern gesucht. Die inzwischen identifi-zierten Marker sind eng mit der Pathophysiologieder Alzheimer-Demenz verknüpft, die pathophysio-logisch als Protein- und Peptidfaltungskrankheitaufgefasst werden kann.

Unter den pathologisch veränderten Proteinen ist insbe-sondere das so genannte Tau-Protein von Bedeutung. Tau ist

Prof. Dr. med.Jens Wiltfang

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ein Mikrotubulus-assoziiertes Protein (MAP), das im Körperfür die Stabilisation des Mikrotubulus und für den Transportvon Substanzen entlang des Mikrotubulus zuständig ist.

Im Rahmen der Alzheimer-Erkrankung kommt es zu einerüberschießenden Phosphorylierung des Tau-Proteins. Das soveränderte Tau kann dann weniger gut den Mikrotubulusstabilisieren, was zu Störungen des axonalen Transportesführt (Abbildung 12).

Die �-Amyloidpeptide (A�-Peptide) sind auch bei Gesundenvorhandene Stoffe, wobei physiologisch ein rascher Umsatzmit einer Halbwertszeit von drei bis vier Stunden stattfindet.Die Liquorkonzentration der A�-Peptide liegt im unteren Na-nogramm-/Milliliterbereich. Sie entstehen über den proteo-lytischen Abbau des �-Amyloidvorläuferproteins. Die bekann-

Struktur und Funktion des Tau-Proteins

Abbildung 12: Physiologisch ist das Tau-Protein für die Stabilisation des Mikrotubulus undfür den Substrattransport entlang des Mikrotubulus zuständig.

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testen Vertreter sind A�1-42 und A�1-40. Alle A�-Peptide ver-fügen über einen hydrophilen und einen hydrophoben Pol.

Die Aggregationsneigung der A�-Peptide steigt mit der Zu-nahme der Länge des hydrophoben Endes und mit derVerkürzung des hydrophilen Amino-terminalen Anfangs. Soist zum Beispiel bei A�1-42 der hydrophobe Pol nur um zweiAminosäuren verlängert, dies führt aber zu einer massivenZunahme der Aggregationsneigung, und die Löslichkeit vonA�1-42 ist 100fach geringer als die von A�1-40. Besonders ge-fährlich sind aber Fragmente, die sowohl am hydrophilen Polverkürzt als auch am hydrophoben Pol verlängert sind – zumBeispiel das Fragment A�2-42. Fazit: Die A�-Protein-Derivatelagern sich leicht aneinander, d.h. es besteht eine hohe Aggre-gationsneigung. Diese Aggregate sind toxisch für Neurone.

Klinische Suchenach Demenzmarkern

In einer internationalen Multizenterstudie1, an der zehnUniversitätskliniken in Europa und den USA beteiligt waren,wurden bei 413 Patienten mit unterschiedlichen ZNS-Erkran-kungen – darunter 150 Patienten mit einer Alzheimer-De-menz (AD) – das Gesamt-Tau sowie A�1-42 im lumbalen Li-quor gemessen. Zusätzlich fand auch eine ApoE-Genotypi-sierung statt, denn ApoE ist ein bekannter Risikofaktor füreine Alzheimer-Demenz: Je mehr e4-Allele vorhanden sind,desto geringer ist die Konzentration von A�1-42, unabhängigdavon, ob eine Alzheimer-Demenz vorliegt.

Die Messung der beiden Demenz-Marker ermöglichteeine gute Abgrenzung gegenüber anderen nichtdemenziel-len ZNS-Erkrankungen, aber eine nach den Worten von Prof.Wiltfang „enttäuschend geringe“ Spezifität von 58 % in derAbgrenzung von Alzheimer-Demenz zu anderen demenzi-ellen Erkrankungen.

In der Abgrenzung gegenüber nichtdemenziellen Erkran-kungen konnte dagegen auch eine hohe Spezifität von 86 %erzielt werden. Dies liegt daran, dass bei diesen Erkrankungeneben keine neuronale Schädigung abläuft und das psycho-

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neurologische Defizit weitgehend reversibel ist, wenn die The-rapie greift. Insgesamt lassen sich bereits mit diesen beidenMarkern reversible und irreversible Demenzformen sehr gutabgrenzen, so das Fazit von Prof. Wiltfang: „Doch die Differen-zierung innerhalb der progressiven Demenzerkrankungen isthiermit noch viel zu gering.“

Phospho-Tau199 als aussagekräftigsterEinzelmarker

Auf der Suche nach einer weiteren Differenzierungsmög-lichkeit innerhalb der primär-progressiven Demenzerkran-kungen wurde eine weitere internationale Multizenterstu-die2 mit 570 Patienten – davon 236 mit Alzheimer-Demenz –durchgeführt. Hier wurde neben dem Gesamt-Tau das an Po-sition 199 phosphorylierte Tau (Phospho-Tau199) gemessen.

In dieser Studie wurde deutlich, dass Gesamt-Tau ein un-spezifischer Marker für eine neuronale Degeneration ist: So la-gen zum Beispiel bei den zehn Patienten mit Creutzfeld-Jakob-

Krankheit die Werte von Gesamt-Tau um einVielfaches höher als bei Patienten mit anderenDemenzerkrankungen. Phospho-Tau199 warbei diesen Patienten nicht erhöht, wohingegendieser Wert bei den Patienten mit Alzheimer-Demenz signifikant erhöht war. Über Phospho-

Tau199 war insgesamt eine deutlich bessere Abgrenzung derAlzheimer-Demenz von anderen Demenzformen möglich.

Bezüglich der Diagnostik der Alzheimer-Demenz hatteGesamt-Tau in dieser Studie eine Sensitivität von 77,1 % undeine Spezifität von 77,6 %. Für Phospho-Tau199 lag die Sen-sitivität bei 85,2 % und die Spezifität bei 85,0 % – das sindderzeit die höchsten Werte für einen einzelnen bekanntenBiomarker, betonte Prof. Wiltfang: „Man muss immer be-rücksichtigen, dass dies klinisch diagnostizierte Patientensind. Und autopsiekontrollierte Studien zeigen überein-stimmend, dass selbst an spezialisierten gerontopsychia-trischen Zentren bei mittelschweren bis schweren Demen-zen maximal eine diagnostische Genauigkeit von etwa

„Jede größere Studie, die IhnenSpezifitäten von knapp100 % vorgaukelt, ist mitSkepsis zu betrachten.“

Prof. Dr. Jens Wiltfang

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90 % erreicht wird. Das heißt: Sie müssen bei solchen Studi-en mit mindestens 10 % Falschdiagnosen rechnen und kön-nen eigentlich keine Spezifität über 90 % erzielen. Jede grö-ßere Studie mit Einschluss einer ausreichend höheren An-zahl anderer Demenzerkrankungen, die Ihnen Spezifitätenvon knapp 100 % vorgaukelt, ist mit Skepsis zu betrachten.“

Mix aus verschiedenen Markernverbessert Differenzialdiagnose

In einer kleineren Pilotstudie3 wurde untersucht, ob es vor-teilhaft sein könnte, das Verhältnis verschiedener neuroche-

Differenzialdiagnose mit zwei Markernrelativ zuverlässig möglich

Abbildung 13: Bei Betrachtung der Relation zwischen A�-Amyloidpeptiden und derKonzentration an Gesamt-Tau ließen sich in dieser Pilotstudie Alzheimer-Patienten relativzuverlässig von denen mit Non-Alzheimer-Demenz abgrenzen (rote Linie).

1600

1200

80

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Aβ-Peptid-Konzentrationen in CSF (%)

0 28

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mischer Marker zu bestimmen. Untersucht wurden 22 Pa-tienten mit Alzheimer-Demenz, 11 Patienten mit Nicht-Alz-heimer-Demenz sowie als Kontrollgruppe 35 Patienten mitnichtdemenziellen neuropsychiatrischen Erkrankungen. Inder Tat erwies sich das Verhältnis A�42/A�40 als aussage-kräftiger als der alleinige A�42-Wert. Das Gesamt-Tau warbei Patienten mit Alzheimer-Demenz im Vergleich zur Kon-trollgruppe wie auch im Vergleich zu den Patienten mitNicht-Alzheimer-Demenz erhöht. Bei Berücksichtigung bei-der Parameter – Relation zwischen A�-Amyloidpeptideneinerseits und Konzentration von Gesamt-Tau andererseits –ließen sich die Alzheimer-Patienten auffallend zuverlässigvon den Patienten der Kontrollgruppe und denen mit Non-Alzheimer-Demenz abgrenzen (Abbildung 13): Lediglich vierPatienten dieser beiden Gruppen lagen mit ihrer Relation imBereich der Patienten mit einer Alzheimer-Demenz. Keinerder Alzheimer-Patienten lag mit seiner Relation unterhalbdes als Grenze ermittelten Bereichs.

Positivdiagnostik der Alzheimer-Demenzist möglich

Zusammenfassend lässt sich aus heutiger Sicht zurLiquordiagnostik der Alzheimer-Demenz feststellen:� Es besteht eine inverse Korrelation zwischen der Gendo-

sis an ApoE e4 und der Konzentration von A�1-42 imLiquor, und zwar unabhängig vom Vorliegen einerAlzheimer-Demenz.

� Der Quotient A�1-42/A�1-40 bietet wahrscheinlich einehöhere diagnostische Spezifität im Vergleich zur alleini-gen Bestimmung von A�1-42.

� Die kombinierte Erfassung von Demenzmarkern ermög-licht eine gute Differenzierung zwischen primär-progres-siven Demenzerkrankungen und prinzipiell reversiblendemenziellen Syndromen, wie zum Beispiel der depressi-ven Pseudodemenz.

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� Durch die Bestimmung von Phospho-Tau kann im Ver-gleich zu Gesamt-Tau die Differenzierung innerhalb derprogressiv-demenziellen Erkrankungen verbessertwerden.

FazitDie Alzheimer-Demenz muss heute keine reine Aus-

schlussdiagnose sein. Die neurochemische Positivdiagnostikder Alzheimer-Demenz basierend auf biologischen Liquor-Markern ist heute durchaus möglich.

Literatur

1 Hulstaert F, Blennow K, Ivanoiu A, Schoonderwaldt HC, Riemenschneider M,De Deyn PP, Bancher C, Cras P, Wiltfang J, Mehta PD, Iqbal K, Pottel H,Vanmechelen E, Vanderstichele H (1999): Improved discrimination of ADpatients using beta-amyloid(1-42) and tau levels in CSF. Neurology 52: 1555-62

2 Itoh N, Arai H, Urakami K, Ishiguro K, Ohno H, Hampel H, Buerger K,Wiltfang J, Otto M, Kretzschmar H, Moeller HJ, Imagawa M, Kohno H,Nakashima K, Kuzuhara S, Sasaki H, Imahori K (2001): Large-Scale, Multicen-ter Study of Cerebrospinal Fluid Tau Protein Phosphorylatedat Serine 199 for the Antemortem Diagnosis of Alzheimer´s Disease.Annals of Neurology 50: 150-156.

3 Lewczuk P, Esselmann H, Otto M, Maler JM, Henkel A, Henkel K, EikenbergO, Antz C, Krause WR, Reulbach U, Kornhuber J, Wiltfang J (2003), Neuroche-mical Diagnosis of Alzheimer´s dementia by Ab42, Ab42/Ab40 ratio andtotal tau.Neurobiology of Aging, im Druck

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30

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31

Unter nichtmedikamentösen Therapieverfahrenwerden alle mehr oder weniger gezielten Hilfe-maßnahmen zur nichtmedikamentösen Beein-flussung demenzieller Symptome zusammenge-fasst, erläuterte Privatdozent Dr. Elmar Gräßel,Psychiatrische Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg. Das Spektrum reicht von unimodalenVerfahren wie Musik-, Kunst-, Bewegungs- und Er-innerungstherapie sowie Gedächtnistrainingüber multimodale Konzepte wie Realitäts-Orien-tierungs-Training, Validation und Selbsterhal-tungstherapie hin zu allgemeinen Therapieprinzi-pien wie Verhaltens- und Milieutherapie, die aufspezifische Demenzsituationen angepasst wer-den.

Privatdozent Dr. med.Elmar Gräßel

Ziel nichtmedikamentöser Therapieformen

Kognitive Fähigkeiten positivbeeinflussenPrivatdozent Dr. med. Elmar Grässel

Vorrangiges Ziel der nichtmedikamentösen Therapie ist es,die Symptomatik demenzieller Erkrankungen günstig zubeeinflussen und verbliebene Fähigkeiten des Erkranktenzu stärken – entweder durch eine gezielte Ausrichtung destherapeutischen Vorgehens auf bestimmte Demenzsym-ptome oder durch indirekte Beeinflussung. Es handelt sichhier also um eine rein symptomatische Therapie. Meistfehlt bei nichtmedikamentösen Therapieformen derWirksamkeitsnachweis auf der Ebene kontrollierterrandomisierter Studien, und ihr potenzieller Nutzen wirdaus Studien ohne Kontrollgruppe abgeleitet. Bei den ambesten untersuchten Verfahren – Musik- und Milieuthera-pie – lassen sich durch neuere Studien Hinweise auf einespezifische Wirksamkeit feststellen.

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Generell bieten Demenzsyndrome eine Vielzahl kogniti-ver, emotionaler und verhaltensbezogener Auffälligkeiten –und damit auch eine Vielzahl potenzieller Ansatzpunkte fürHilfemaßnahmen. Im Moment ist bei progredienten Demen-zen eine zunehmende Einschränkung der spontanen Aktivi-täts- und Ausdrucksmöglichkeiten kaum aufzuhalten. „Dawir also langfristig den Krankheitsprozess nicht stoppenkönnen, stellt sich die Herausforderung, helfend tätig zuwerden – und nichtmedikamentöse Therapieverfahren sindin erster Linie stützende und helfende Verfahren“, betonteDr. Gräßel.

Dazu bieten sich bei der Alzheimer-Demenz, die nicht nurmit kognitiven, sondern auch mit emotionalen und Verhal-

Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei Demenzen

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�Musiktherapie

� Kunsttherapie

� Bewegungstherapie

� Erinnerungstherapie

� Gedächtnistraining

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� Realitäts-Orientierungs-Training

� Validation

� Selbsterhaltungs-Therapie

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� Verhaltenstherapie

�Milieutherapie

� Schulung des Pflegepersonals bzw. der Angehörigen

.

Tabelle 1

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tensveränderungen assoziiert ist, viele Ansatzpunkte. Hinzukommt, dass Patienten mit Alzheimer-Demenz mit Fort-schreiten des Krankheitsprozesses immer inaktiver werden –auch dem lässt sich durch nichtmedikamentöse Verfahrengegensteuern.

Limitiert wird der Einsatz der nichtmedikamentösen Ver-fahren durch den Personalbedarf und die damit zusam-menhängenden Kosten. „Deswegen müssen wir uns kon-kret fragen, was wir über die Wirksamkeit wissen“, betonteDr. Gräßel. Für einzelne Verfahren liegen tatsächlich Unter-suchungsergebnisse zur Wirksamkeit vor – dazu zählt zumBeispiel die Musiktherapie.

MusiktherapieHier gibt es sehr unterschiedliche Ansatzpunkte. Das

Spektrum reicht von musikalischer Improvisation, die nochkreative Fähigkeiten erfordert, über das Singen vertrauterLieder, mit dem das Langzeitgedächtnis aktiviert wird, biszum schlichten Anhören von Musik.

In einer Metaanalyse von Koger et al. aus dem Jahre 1999wurde der Einfluss der Musiktherapie auf demenzielle Sym-ptome untersucht. Insgesamt wurde bei der Auswertungvon 21 empirischen Studien eine signifikante Besserung ge-funden: Insbesondere bei Unruhe ergab sich eine Besserung.Bei eher apathischen Patienten nahm die Fähigkeit, Kontak-te zu anderen Bewohnern ihrer Pflegeeinrichtung aufzuneh-men, zu. Bei depressiven Patienten besserte sich die Stim-mungslage. Es gibt leider laut diesen Autoren weltweit keineeinzige recherchierbare randomisierte Studie, die eine Ver-gleichsgruppe aufzuweisen hätte, bemängelte Dr. Gräßel.

KunsttherapieBei der Auswahl von nichtmedikamentösen Therapiever-

fahren gilt es grundsätzlich, an individuelle Vorlieben undStärken anzuknüpfen. „Es macht keinen Sinn, einem Patien-ten, der sein Leben lang ungern einen Stift in die Hand ge-nommen hat, eine Kunsttherapie angedeihen lassen zu wol-

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len“, betonte Dr. Gräßel. Man sollte sich also bei jedem Pati-enten individuell die Frage stellen, was aus dem Langzeitge-dächtnis sinnvoll aktivierbar ist, um es dann in ein therapeu-tisches Setting einfließen zu lassen.

Gerade bei der Kunsttherapie gibt es „interessante Einzel-belege“, so Dr. Gräßel weiter. Als Beispiel erinnerte er an denbekannten deutschen Werbegrafiker Carolus Horn (1921-1992). Auf Grund seiner Lebensgeschichte hatte er sozusa-gen den „inneren Antrieb“ zum Malen und Zeichnen gehabt.Während seiner sechsjährigen Erkrankungszeit hat man ihmdazu auch aktiv die Möglichkeit geschaffen. Die Ehefrau hatspäter über die positiven Einflüsse dieses Ansatzes berichtet:„… und dann, während seiner Krankheit hat ihm seine Lei-denschaft fürs Malen und Zeichnen das traurige Dahinvege-tieren erspart und mir die Pflege ungemein erleichtert.“ Die-ses Beispiel zeigt nach Einschätzung von Dr. Gräßel, dass sichbei nichtmedikamentösen Therapieansätzen Verbesserun-gen nicht nur für die Patienten, sondern auch für ihr sozialesUmfeld ergeben.

GedächtnistrainingBei der Alzheimer-Erkrankung gilt es insbesondere, das

Kurzzeitgedächtnis zu verbessern oder zu erhalten. Schon lan-ge wurde vermutet, dass sich das Gedächtnis durch entspre-chende Übungen trainieren lässt. Mittlerweile gibt es, wie Dr.Gräßel berichtete, dazu interessante Studienergebnisse.

In zwei kontrollierten Studien wurden die Patienten ge-nau eingestuft und randomisiert auf Interventions- undKontrollgruppe verteilt. In der ersten Studie, die von Ermini-Fünfschilling und Meier im Jahre 1995 veröffentlicht wurde,blieb bei Patienten mit einer leichten Alzheimer-Demenz dieGedächtnisfunktion und der MMSE-Wert im Trainingszeit-raum von einem Jahr auf dem gleichen Niveau, während inder Kontrollgruppe (ohne Gedächtnistraining) eine signifi-kante Verschlechterung festzustellen war.

In einer zweiten Studie untersuchte die gleiche Arbeits-gruppe anschließend die Wirksamkeit eines „kognitiven

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Kompetenztrainings“ mit Übungen zu Konzentrations-, Ge-dächtnis-, Sprach- und Rechenfähigkeit sowie zu Bewälti-gungsstrategien. Das Training wurde also um einen psycho-therapeutischen Aspekt ergänzt. In dieser Untersuchungkonnte bei Demenzpatienten im Anfangsstadium kein signi-fikanter Unterschied zur Kontrollgruppe festgestellt werden(Meier et al., 1996). „Das Endergebnis: Wir brauchen weitereStudien, um klar sagen zu können, was ein Gedächtnistrai-ning in welchen Stadien der Alzheimer-Erkrankung bringt.“Offenbar besteht bei einem Gedächtnistraining auch ein ge-wisses „Risiko unerwünschter Wirkungen“, indem das Erle-ben der eigenen Defizite verstärkt wird, was zu Frustration,depressiven Reaktionen und sozialem Rückzug führen kann.

Eine interessante Frage wäre für Dr. Gräßel, ob vielleichtdie Kombination aus medikamentöser und nichtmedika-mentöser Therapie den Gedächtnisleistungsabfall stärkerabbremsen kann als die medikamentöse Therapie alleine.Dies ist aber offenbar bisher nicht in kontrollierten Studienuntersucht worden.

MilieutherapieZur Definition der Milieutherapie zitierte Dr. Gräßel die

Autoren Woynar und Gutzmann (1996): „Mit Milieutherapiewird ein bewusstes therapeutisches Handeln bezeichnet,das sich auf eine Konzeption zur Anpassung der materiellenund sozialen Umwelt an die krankheitsbedingten Verände-rungen der Wahrnehmung, des Empfindens, des Erlebensund der Kompetenzen der Demenzkranken stützt.“ Das Zielist es, die Defizite möglichst nicht wirksam werden zu lassenund die verbliebenen Ressourcen zu stärken. Für milieuthe-rapeutische Maßnahmen gibt es, wie Dr. Gräßel erläuterte,drei Möglichkeiten:1. globale Milieuunterschiede,2. umschriebene milieutherapeutische Einzelverfahren,3. Milieuveränderungen im Detail.Die damit verbundenen Möglichkeiten machte Dr. Gräßelam Beispiel des Gradmann-Hauses in Stuttgart deutlich: Be-

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reits bei der Gebäudestruktur, die unter „globale Milieuun-terschiede“ fällt, wurden die Bedürfnisse von Demenzpati-enten berücksichtigt: So gibt es keine langen Flure, stattdes-sen eine helle, kreisförmige Wandelhalle. Ein großer, einla-dend gestalteter Ess- und Aufenthaltsraum bietet zudem dieMöglichkeit zu sozialen Kontakten. Nach den Erfahrungenaus dem Gradmann-Haus lassen sich drei „Bedürfnisprofile“unterscheiden:� „Wanderer“, die oft in Bewegung sind und wenig Kon-

takt suchen,� „Kontaktsuchende“, die unterschiedlich oft in Bewegung

sind, primär aber nach Sozialkontakten suchen, und� „Apathische“, die weder Bewegung noch Kontakt suchen

– diese profitieren auch nicht von einer solchen Milieu-therapie.Doch etwa die Hälfte der Demenzerkrankten profitiert, so

die Erfahrungen im Gradmann-Haus.Unter sensorischer Stimulation versteht man die Ermögli-

chung von Sinneserfahrungen im optischen, taktilen undakustischen Bereich, sozusagen „einen Sinnesraum schaffenfür Erlebnisse“, erläuterte Dr. Gräßel. Kontrollierte Studienliegen dazu leider nicht vor. In vier Fallstudien berichtetenSpaull et al. (1998), dass bei hochbetagten (77 bis 84 Jahre)hospitalisierten männlichen Demenzpatienten vermehrtesoziale Interaktionen nach solchen „Therapiesitzungen“stattgefunden hatten. Das subjektive Wohlbefinden hattesich allerdings nicht verändert.

Zur Schaffung subjektiver Barrieren gegen Weglauf-Ten-denz liegen dokumentierte Erfahrungsberichte vor. Mayerund Darby (1991) untersuchten die Wirkung einer verspie-gelten Ausgangstür. Eine Verspiegelung wird von Demenz-erkrankten als optische Barriere wahrgenommen. Hewa-wasam berichtete 1996 seine Erfahrungen mit optischenStreifenmustern vor der Ausgangstüre, die offenbarebenfalls als Hindernis wahrgenommen wurden. BeideMaßnahmen führten etwa zu einer Halbierung der Kontak-te mit der Ausgangstür. Allerdings gab es auch Patienten,

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die sich durch diese Maßnahmen nicht haben „beeindru-cken lassen“.

FazitEs gibt Studienbeobachtungen, dass emotionale Störun-

gen wie Depression, aber auch Verhaltensauffälligkeiten wieUnruhe und Umherwandern durch gezielte nichtmedika-mentöse Therapiemaßnahmen gebessert werden können.Unter Berücksichtigung individueller Vorlieben und Abnei-gungen ist eine Besserung des emotionalen Befindens undeine positive Beeinflussung von Verhaltensauffälligkeitenmöglich. Klar ist aber auch, dass solche Maßnahmen nichtlänger wirken, als sie angewendet werden.

Doch man sollte nichtmedikamentöse Verfahren ernstnehmen und in kontrollierten randomisierten Studien mitausreichender Stichprobengröße überprüfen, forderte Dr.Gräßel. Und: „Was einigermaßen gesichert ist, sollte natür-lich auch umgesetzt werden – und da braucht es sehr vielÜberzeugungsarbeit“. Fazit von Dr. Gräßel: „Die Kombinati-on aus medikamentösen und nichtmedikamentösen Verfah-ren könnte eine Effizienzsteigerung bringen.“

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Memantine bei Alzheimer-Demenz

So kann optimal therapiertwerdenProfessor Dr. med. Johannes Kornhuber

Professor Dr. med. Jens Wiltfang

Bei der Alzheimer-Erkrankung sind neben dem choliner-gen System auch verschiedene andere Neurotransmitter-systeme beeinträchtigt. Außer der Gabe von Cholinergikakönnen daher noch weitere Therapieansätze sinnvoll sein.Der für die Behandlung der mittelschweren und schwerenAlzheimer-Demenz zugelassene NMDA-Rezeptorant-agonist Memantine moduliert die glutamaterge Neuro-transmission. Memantine optimiert das Signal-zu-Rausch-Verhältnis und entfaltet klinisch einen symptomatischenEffekt. Zusätzlich wirkt Memantine in präklinischenModellen neuroprotektiv, so dass für den Menschenzumindest die Option einer Neuroprotektion gegeben ist.Auf Grund der unterschiedlichen Wirkungsmechanismenkönnen Cholinergika und Memantine sinnvoll kombiniertwerden.

Bei der Demenz gehen sowohl Nervenzellen wieauch die Verbindungen zwischen Nervenzellen zuGrunde. Davon ist, wie man heute weiß, nicht nurdas cholinerge Nervensystem betroffen, betonteProfessor Dr. med. Johannes Kornhuber, Direktorder Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie derUniversität Erlangen-Nürnberg. So kann auch dasglutamaterge Neurotransmittersystem beein-trächtigt sein.

Das cholinerge System degeneriert bei Alzhei-mer-Patienten. Deshalb ist eine pharmakologischeSubstitution durch Cholinergika bei Alzheimer-Pa-tienten sinnvoll. Allerdings wirkt diese Therapierein symptomatisch: In klinischen Studien hat sich

Prof. Dr. med.Johannes Kornhuber

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PlazeboDonepezil 5 mg/TagDonepezil 10 mg/ Tag

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Plazebo-Washout

Endpunkt

klinische Abnahme

klinische Verbesserung

p < 0,0001

p = 0,0007

p < 0,0001

p = 0,0012

p < 0,0001p < 0,0001

Ausgangswert

gezeigt, dass nach Absetzen der cholinergen Therapie inner-halb kurzer Zeit der Vorteil gegenüber der Plazebogruppeverloren geht (Abbildung 14).

Bedeutung von Glutamatbei der Alzheimer-Demenz

Als neue Option steht die Therapie mit Memantine, dieam glutamatergen System ansetzt, zur Verfügung. Glutamatist der wichtigste erregende Neurotransmitter im Gehirn:Etwa ein Drittel aller Synapsen des ZNS sind glutamatergeSynapsen. Unter den Subtypen der Glutamat-Rezeptorenwiederum ist der NMDA(N-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptor amwichtigsten. Er ist in der Zellmembran des postsynaptischenNeurons lokalisiert und im Ruhezustand durch ein Magnesi-

Symptomatische Therapie mit Cholinergika

Abbildung 14: Die pharmakologische Substitution cholinerger Neurone mit Donepezilführte bei Alzheimer-Patienten zu einer signifikanten Besserung der Kognition, dieallerdings nach Absetzen wieder vollständig verschwand. Rogers et al., 1998

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Ca2

bei Aktivierung und Depolarisation wird Mg2+-Block aufgehoben

Mg2+

Ca2Mg2+-Block unter Ruhebedingung

Glutamat Glutamat GlycinGlycin

Ca2NMDAGlutamat Glycin

Zn2+

RedoxH+

PolyaminePhosphorylierung

Mg2+

PCPMg2+

umion (Mg2+) blockiert. Bei Aktivierung wird der Magnesi-umblock aufgehoben, so dass Kalziumionen (Ca2+) einströ-men können (Abbildung 15). Für diese Aktivierung müssenzwei Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens muss Glutamatan den Rezeptor binden, und zweitens muss die Zellmemb-ran bereits durch andere Einflüsse aktiviert sein. Diese dop-pelte Kontrolle ist biologisch betrachtet sinnvoll, weil Kalzi-um potenziell toxisch ist.

Glutamat ist einerseits als exzitatorischer Neurotrans-mitter wichtig für Lernen und Gedächtnis. „Aber die ande-re Seite der Medaille: Glutamat ist auch das wichtigsteNeurotoxin, das wir mit uns herumtragen“, so Prof. Korn-huber weiter. So ist Glutamat auch in verschiedene For-men des Zelluntergangs involviert. Bei Energiemangel

Funktion des glutamatergen NMDA-Rezeptors

Abbildung 15: Im Ruhezustand ist der NMDA-Rezeptor durch ein Magnesiumion blockiert.Bei Aktivierung wird der Magnesiumblock aufgehoben, so dass Kalziumionen einströmenkönnen.

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kommt es zu einer tonischen Glutamatfreisetzung und zueinem reduzierten Membranpotenzial – denn die Aufrech-terhaltung des Membranpotenzials ist ein energieabhängi-ger Prozess. „Das sind genau die beiden Voraussetzungen,die für die Aktivierung des NMDA-Rezeptors erforderlichsind“, betonte Prof. Kornhuber. Das Problem ist, dass es imRahmen eines solchen Energiemangels zu einer Dauerde-polarisation kommt und nicht zu einer kurzen Depolarisati-on wie unter physiologischen Bedingungen. Intrazellulärführt der massive Einfluss der Kalziumionen zur überschie-ßenden Aktivierung verschiedener kataboler Enzyme unddadurch letztlich zum Zelltod. Dies ist nach den Worten vonProf. Kornhuber die „gemeinsame Endstrecke aller Formenvon neuronalem Zelltod“, wie er nicht nur bei der Alzhei-mer-Demenz, sondern auch bei anderen neurodegenerati-ven Erkrankungen auftritt.

Anhand dieser Grundlagen kann man auch die Bedeutungdes glutamatergen Systems in der Pathophysiologie der Alz-heimer-Demenz ableiten: Hier kommt es zunächst unter der

Neuroprotektion durch Memantine –nur bei fortgeschrittener Alzheimer-Demenz?

Präklinische Daten sprechen dafür, dass die neuroprotektivenEigenschaften von Memantine nicht nur beim MorbusAlzheimer, sondern auch bei anderen neurodegenerativenErkrankungen hilfreich sein könnten. Auf Grund des Wir-kungsmechanismus muss man annehmen, dass jeglicheForm von chronischem Nervenzelluntergang im glutamater-gen System durch diesen Therapieansatz gebessert werdenkann, betonte Prof. Kornhuber. Entsprechende klinischeStudienergebnisse stehen zwar derzeit noch aus, doch essind bereits auch bei anderen neurologischen Erkrankungenentsprechende Untersuchungen im Gange. Als Beispielenannte Prof. Kornhuber die Neurodegeneration beim Glau-kom oder auch die Makuladegeneration. Derzeit wird auchder Einsatz bei Patienten mit leicht- bis mittelgradigerAlzheimer-Demenz geprüft.

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Einwirkung verschiedener Faktoren zu einer lokalen Erhö-hung der glutamatergen Transmission. Über die oben ge-nannten Mechanismen führt dies in den betroffenen Area-len zum Zellverlust und zur Diskonnektion der Neurone, wasletztlich insgesamt in einer reduzierten glutamatergen Si-gnalübertragung resultiert.

Konsequenzen für die TherapieAn diesen Erkenntnissen zur biologischen Bedeutung von

Glutamat wird aber auch die Chance in der therapeutischenIntervention deutlich, erläuterte Prof. Kornhuber: „Glutamatist also ein für die Langzeitpotenzierung wichtiger physiolo-gischer Neurotransmitter. Auf der anderen Seite ist es aberauch ein Neurotoxin.“ Glutamat-Antagonisten würden zwardie Neurotoxizität verhindern, aber auch die für Lernen und

Verbesserung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses

Abbildung 16: Mit Memantine wird die Überexzitation am NMDA-Rezeptor gemindert,ohne dass die normale glutamaterge Neurotransmission blockiert würde.

Erinnerungsbildung Erinnerungsbildung

Glutamat-Überschuss am NMDA-Rezeptor

Glutamat-Überschuss am NMDA-Rezeptor

+ Memantine

ausreichendes Signal-zu-Rausch-Verhältnis

unzureichendes Signal-zu-

Rausch-Verhältnis verringertes

Rauschen

ausreichendes Signal-zu-

Rausch- Verhältnis

normal

Lärm

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Gedächtnisfunktionen wichtige Langzeitpotenzierung. MitGlutamat-Agonisten könnte man diese physiologischen Vor-gänge verbessern, dafür aber auch die Zelltoxizität und denZelluntergang verstärken. Ein Ausweg aus diesem therapeu-tischen Dilemma ist nur möglich, wenn man einerseits denexzitotoxischen Zellschaden verhindert, ohne die physiologi-sche Neurotransmission an glutamatergen Synapsen zuhemmen.

Genau dies ist mit dem NMDA-RezeptorantagonistenMemantine möglich, betonte Prof. Kornhuber. Das Wirk-prinzip: Memantine ersetzt Magnesium im Ionenkanal desNMDA-Rezeptors, wobei es im Vergleich zu Magnesiumeine stabilere, aber reversible Bindung eingeht. In elektro-physiologischen Untersuchungen und Bindungsstudienkonnte gezeigt werden, dass mit dieser mittelaffinen Sub-stanz, die rasch wieder von ihrer Bindungsstelle dissoziiert,die Überexzitation gemindert werden kann, ohne dass dienormale glutamaterge Neurotransmission blockiert wird.In diesem Fall ist es also wünschenswert, dass die Substanznicht hochaffin ist, denn dies würde die physiologische Si-gnalübertragung zu sehr beeinträchtigen. Auf Grund dermoderaten und rasch reversiblen Hemmung des NMDA-Re-zeptors trägt Memantine somit einerseits zu einem verbes-serten Signal-zu-Rausch-Verhältnis bei und kann durch dieHemmung andererseits auch neuroprotektiv wirken.

Therapeutischer BenefitAnhand dieser Wirkung wird auch das Potenzial von Me-

mantine bei Morbus Alzheimer deutlich: Denn bei der Alz-heimer-Demenz kommt es durch Energiemangel zu einerÜberaktivierung infolge mangelnder Repolarisation – sozu-sagen zu einem erhöhten „Grundrauschen“. Diese Überakti-vierung kann man durch Memantine vermindern, so dasseinerseits die Nervenzelldegeneration vermindert und ande-rerseits die normale Signalübertragung verbessert wird (Ab-bildungen 16 und 17). Insofern entfaltet Memantine sowohlsymptomatische als auch neuroprotektive Effekte.

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Memantine ist seit Mitte 2002 in der EU zur Therapie dermittelschweren bis schweren Alzheimer-Demenz zugelas-sen. Die Entscheidungsgrundlage dieser Zulassung warenzwei plazebokontrollierte Doppelblindstudien (Tabelle 2).Die Therapie wird über vier Wochen aufdosiert (Memantine5, 10, 15, 20 mg ). Die Rate unerwünschter Wirkungen liegt imPlazebobereich. Da Memantine nicht über das Cytochrom-P450-System metabolisiert wird, ist auch das Risiko von Me-dikamenteninteraktionen gering.

Der Nutzen der Memantine-Therapie bei Alzheimer-Pa-tienten wurde unter anderem in der Studie von Reisberg, B etal.1 gezeigt. Insgesamt 252 Patienten erhielten über 28 Wo-chen Memantine in einer Dosierung von 20 mg/Tag oderPlazebo. Im SIB-Score, mit dem die kognitiven Fähigkeiten

Memantine als Antidementivum

Abbildung 17: Durch die Verminderung der Überaktivierung am NMDA-Rezeptor entfaltetMemantine sowohl symptomatische als auch neuroprotektive Effekte.

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bei höhergradigen Demenzen gemessen werden, zeigte sichfür die Patienten der Memantine-Gruppe ein signifikant bes-serer Verlauf als in der Plazebogruppe: Während sich die Pla-zebogruppe von Anfang an kontinuierlich verschlechterte,konnte mit Memantine anfänglich sogar eine leichte Verbes-serung erzielt werden. Zwar war auch hier langfristig eineVerschlechterung nicht aufzuhalten, doch der Vorteil gegen-über der Plazebogruppe blieb dennoch bis zum Studienendesignifikant (p = 0,002) (Abbildung 18). Dieser Unterschiedbestätigte sich auch in weiteren gemessenen Effektivitäts-parametern.

Die Kombination mit Acetylcholinesterasehemmern(AChEH) ist möglich und auch sinnvoll, weil Memantine über

Studien zur Alzheimer-Demenz

Tabelle 2

Patientenzahl n = 166* n = 252**

Diagnose primäre Demenz Alzheimer-KrankheitAlzheimer-Demenz,vaskuläre Demenz,gemischte Typen

Alter 60 bis 80 Jahre ��50 Jahre

Mini-Mental- < 10 3-14Status-Examination

Global 5-7 5-6DeteriorationScale

Dosis/Dauer 10 mg/Tag/ 20 mg/Tag/12 Wochen 28 Wochen

Wirksamkeits- CGI-C, CIBIC-plus,Parameter BGP (Untergruppe ADCS-ADL severe

Pflege- SIBabhängigkeit)

* Winblad et al., 19992; ** Reisberg et al., 20031

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Memantine bei Morbus Alzheimer

Abbildung 18: Während sich die Plazebogruppe von Anfang an kontinuierlichverschlechterte, konnte mit Memantine anfänglich sogar eine Verbesserung undlangfristig ein signifikanter Vorteil erzielt werden. Reisberg et al., 2003

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einen anderen Mechanismus wirkt. Die Vorteile einer solchenKombination wurden in einer US-Studie deutlich: Patienten, diesechs Monate lang mit Donepezil (5 oder 10 mg/Tag) behandeltworden waren, erhielten ab ihrer Randomisierung für weiteresechs Monate zusätzlich entweder Memantine (20 mg/Tag)oder Plazebo. Die Kombination mit Memantine führte im Ver-gleich zu Plazebo zu einer signifikanten Verbesserung kogniti-ver, funktionaler und globaler Leistungen.

Die Kombination des NMDA-Rezeptorantagonisten mit ei-nem AChEH (Galantamin) wird auch im Rahmen des Kompe-tenznetzes Demenzen in Deutschland geprüft. Dieses vom Bun-desministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderteProjekt hat die Ziele, die Demenzdiagnostik auf einen wissen-schaftlich geprüften und bundesweit einheitlichen Standard zu

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bringen und aktuelle Erkenntnisse in diesem Indikationsge-biet durch Öffentlichkeitsarbeit und Diskussionsforen pra-xisnah bekannt zu machen. „Diese Patienten sollen ja nichtnur diagnostiziert werden“, betonte Prof. Kornhuber. Des-halb besteht im Rahmen des Kompetenznetzes Demenzenauch die Möglichkeit, an Therapiestudien teilzunehmen, indenen entweder nur ein Cholinesterasehemmer oder dieKombination mit Memantine gegeben wird.

Die erste klinische Studie untersucht Patienten mit leich-ten kognitiven Beeinträchtigungen (Mild Cognitive Impair-ment). Hierbei arbeiten 14 Gedächtnisambulanzen an deut-schen Universitätskliniken mit regionalen Kliniken und nie-dergelassenen Ärzten zusammen, um zu untersuchen, obdie Kombination von Galantamin und Memantine den Be-ginn der Alzheimer-Demenz besser verzögern kann als eineGalantamin-Monotherapie oder Plazebo. Die ersten Patien-ten werden bei entsprechender Erkrankung seit kurzem indie zweijährige doppelblinde Therapiestudie aufgenom-men.

1 Reisberg B et al., Memantine in moderate-to-severe Alzheimer’s DiseaseNEJM 2003, 348, 1333-1342

2 Winblad B and Poritis N, Benefit and Efficacy in severely demented patientsduring Treatment with Memantine (M-BEST-Study), Int. J. Geriat. Psychiatry1999, 14, 135-146

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Künftige Entwicklungen in der Therapie

Wohin geht der Weg?

Prof. Dr. med.Christoph Hock

Kernbestandteil der Alzheimer-Pathophysiologie istdas so genannte A�-Peptid, das unter der Einwir-kung der �- und �-Sekretase aus einem Vorläufer-Protein entsteht und zu Fibrillen aggregieren kann.„Diese Strukturen sind die toxischsten, die aggres-sivsten und gefährlichsten bei der Entstehung derAlzheimer-Demenz“, betonte Professor Dr. med.Christoph Hock, Abteilung Psychiatrische Forschungder Universitätsklinik Zürich. Diese Fibrillen könnensich weiter zu Amyloid-Plaques formieren.

Die Toxizität der �-Peptide wurde in verschiede-nen Modellen gezeigt. So wird in vitro durch die Zu-gabe von A�-Peptiden die Überlebensfähigkeit vonNeuronen drastisch reduziert.

In der pathophysiologischen Kaskade, die letztlich in derAblagerung von Amyloid im Gehirn resultiert, finden sichverschiedene mögliche therapeutische Ansätze (Abbil-dung 19). Wie Prof. Hock erläuterte, bestehen prinzipiell fol-gende Möglichkeiten der Amyloid-Reduktion:� Sekretasemodulation, entweder über eine

Aktivierung der �-Sekretase oder über eine Hemmungder �- und ��-Sekretase;

Professor Dr. med. Christoph Hock

Die Bildung von toxischen A�-Peptiden und ihre zerebraleAblagerung in Form von �-Amyloid, verbundenmit Neurodegeneration, sind zentrale Bestandteile derpathogenetischen Kaskade bei der Alzheimer-Demenz.In der Hemmung dieser Prozesse liegen auch die Ansätzefür die Therapie. Ein wichtiger Fortschritt wäre es, nichtnur symptomatisch einzugreifen, sondern auch denVerlauf der Alzheimer-Erkrankung in Richtung Normalitätzu modulieren.

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� Hemmung der Aggregation von A�-Peptiden zu�-Amyloid durch Aggregationshemmer, nach denenderzeit noch gesucht wird;

� Stimulierung der Amyloid-Clearance aus dem Gehirn,zum Beispiel über eine Aktivierung endogener A�-Peptidasen oder über eine Modulation der Gliazell-Aktivität;

� Schutz der Nervenzellen über eine NMDA-Modulation.Leider befinden sich derzeit die meisten Ansätze immer

noch in der präklinischen Erforschung. Als Tiermodell wer-den in der Regel transgene Mäuse mit genetisch determi-nierter Neigung zur Deposition von �-Amyloid verwendet.

„Alzheimer-Impfung“ im Tiermodell erfolgreichIn einem solchen Mausmodell wurde auch die Möglich-

keit der Impfung mit A�42 untersucht (siehe auch Beitragauf Seite 23). Es konnte gezeigt werden, dass mit diesem Vor-gehen die Bildung von Antikörpern gegen �-Amyloid indu-ziert werden kann. Die so geimpften Mäuse waren anschlie-ßend in der Lage, die Amyloid-Ablagerungen im Gehirn zubeseitigen. „Das war ein sehr überraschender Befund“, soProf. Hock weiter. Deshalb wurde diese Therapieform weiterevaluiert und von verschiedenen Arbeitsgruppen reprodu-ziert. Dabei hat man auch eine Verbesserung der Lernfähig-keit der geimpften Mäuse beobachtet.

Bei der Suche nach den zu Grunde liegenden Mechanis-men hat man gesehen, dass wahrscheinlich die Bildung vonAntikörpern für diese Wirkung verantwortlich ist, denn anden �-Amyloid-Plaques geimpfter Mäuse waren Antikörpervom Typ IgG nachweisbar. „Und das war wiederum eineÜberraschung“, betonte Prof. Hock, denn bisher ging mandavon aus, dass die Blut-Hirn-Schranke für Antikörper kaumdurchlässig ist. „Es ist nach wie vor nicht ganz klar, auf wel-chem Weg die Antikörper aus dem Blut ins Gehirn kommen.“

In weiteren Experimenten wurde geprüft, ob die Antikör-per auch tatsächlich an der Beseitigung von Amyloid betei-ligt sind. Dazu wurden die durch eine solche Impfung indu-

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zierten Antikörper direkt auf die Kortex-Oberfläche dertransgenen Mäuse aufgebracht. Drei Tage nach Applikationdes Anti-A�-Antikörpers 10D5 waren 70 % der vorher vor-handenen Amyloid-Plaques im behandelten Areal ver-schwunden. Der Anti-Tau-Antikörper 16B5 führte dagegennur zu einer Reduktion um 20 %. „Antikörper scheinen alsoeine Rolle zu spielen“, resümierte Prof. Hock.

Mikroglia baut durch Antikörpermarkierte Amyloid-Plaques ab

Die Rolle der Mikroglia in der Pathogenese der Alzhei-mer-Demenz ist bisher schwer einzuordnen: Auf der einenSeite scheint eine überschießende Reaktion der Mikrogliazur Neurotoxizität beizutragen, auf der anderen Seite ist dieMikroglia offenbar auch in der Lage, Amyloid abzubauen. Inden Tierexperimenten mit transgenen Mäusen wie auch inZellkultur-Experimenten konnte gezeigt werden, dass A�-Antikörper die Phagozytoseaktivität der Mikroglia induzie-ren können und diese Zellen damit in die Lage versetzen, dieAmyloid-Plaques abzubauen.

Die so gewonnene Modellvorstellung ging somit vom fol-genden Mechanismus aus: Wenn man das aggregierte A�-Peptid als Impfstoff gibt, dann ist der Körper in der Lage, imBlut Antikörper gegen diese pathologischen Eiweißstrukturenzu bilden. Diese Antikörper können im Gehirn an die entspre-chenden Plaques binden und dadurch die Zellen der Mikrogliazur Phagozytose dieser Plaques und zum Abbau veranlassen.

Auf Grund dieser Daten wurden erste klinische Studiender Phase I und II initiiert. Im Rahmen der Phase-II-Studiebehandelte Prof. Hock in Zürich eine Gruppe von 30 Patien-ten. Die Ergebnisse werden derzeit ausgewertet. Bei den Zü-richer Patienten, die zwei Impfungen mit aggregiertemA�42-Protein oder Plazebo erhalten haben, wurde immun-histochemisch untersucht, ob die anschließend gewonne-nen Seren und Liquorproben der Patienten entsprechendeAntikörper enthalten, die mit den Amyloid-Plaques dertransgenen Mäuse reagieren. Während bei den Patienten

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der Plazebogruppe keine wesentliche Reaktion nachweisbarwar, fand sich bei den Immunseren der Verumpatienten eine„drastische Reaktion“ mit den Amyloid-Plaques wie auchmit diffusen A�-Ablagerungen der Mäuse, berichtete Prof.Hock. „Das heißt: Diese Patienten haben im Serum ein Reper-toire an Antikörpern gegen Alzheimer-Plaques entwickelt.“Diese Antikörper reagierten offenbar nicht mit anderen phy-siologischen Strukturen, waren also spezifisch für die patho-logisch veränderten Peptidstrukturen.

Auch bei immunhistochemischen Untersuchungen mitpostmortal gewonnenem Hirngewebe von Alzheimer-Pa-

Bedeutung von A�-Peptiden und therapeutischeAnsatzmöglichkeiten bei Morbus Alzheimer

Abbildung 19: In der pathophysiologischen Kaskade, die letztlich in der Ablagerung vonAmyloid im Gehirn resultiert, finden sich verschiedene therapeutische Ansatzmöglich-keiten.

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tienten konnten diese Befunde bestätigt werden. Darüberhinaus konnten die Antikörper nicht nur im Serum, sondernauch im Liquor der Geimpften nachgewiesen werden, beton-te Prof. Hock: „Unabhängig vom Blut-Hirn-Schranken-Statusfinden sich im Liquor Antikörper, die sehr stark die Amyloid-Plaques erkennen. Wie die Antikörper aus dem Serumdorthin gelangen, ist nicht bekannt.“

Probleme gab es allerdings bezüglich der Verträglichkeitder Impfung. Die Nebenwirkungsrate lag etwa bei 5 bis 6 %.Als Nebenwirkungen wurden vor allem Entzündungsreakti-onen und aseptische postvakzinale Meningoenzephalitidenbeobachtet. Deswegen wird es die Therapie zumindest in derbisherigen Form nicht weiter geben, betonte Prof. Hock: „Eswird sicher sehr wichtig sein herauszufinden, wie diese Ne-benreaktionen entstanden sind, um sie in der weiteren Ent-wicklung dieser Therapie weitgehend auszuschalten.“

Derzeit werden die bereits behandelten Patienten weiterüberprüft und ihr kognitiver Verlauf ermittelt. Gleichzeitigwird diese Form der Therapie weiter evaluiert, indem nachImpfoptionen mit einem besseren Nutzen-Risiko-Verhältnisgesucht wird.

Modulation der Erkrankungversus symptomatische Therapie

Grundsätzlich zielen die verschiedenen Therapie-Ansätzedarauf ab, die zu Grunde liegenden Prozesse der Erkrankungzu beeinflussen – sei es über eine Prävention der Amyloid-Ablagerung oder über eine Neuroprotektion. Letztlich ent-scheidet aber der klinische Verlauf, in welche Richtung dieWirksamkeit einer Therapie geht – ob sie primär symptoma-tisch ist, wie zum Beispiel bei den Cholinesterasehemmern,die lediglich die Verlaufskurve nach hinten verschieben, oderob sie insgesamt den Verlauf der Erkrankung zu verändernvermag. Um diesen klinischen Verlauf besser abschätzen zukönnen, braucht es zuverlässige Surrogatmarker – dazu ge-hören zum Beispiel Messungen von Amyloidpeptiden undmoderne bildgebende Verfahren. „Und man wird über kurz

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oder lang auch eine direkte Bildgebung der Amyloid-Ablage-rungen brauchen“, meinte Prof. Hock.

Die bisher übliche Therapie mit Cholinesterasehemmernhat lediglich eine symptomlindernde Wirkung gezeigt. Trotzder Therapie war ein langfristiger Verlust der kognitivenFunktion nicht aufzuhalten. Memantine ist nach den Wortenvon Prof. Hock ein sehr guter neuer Ansatz: „Ich finde es sehrwichtig und interessant, dass Memantine in dieser Richtungweiter untersucht wird.“ Denn vom Wirkungsansatz her hät-te diese Substanz das Potenzial, nicht nur symptomatisch,sondern auch modulierend auf die Alzheimer-Erkrankungeinzuwirken (Abbildung 20). Insofern hält es Prof. Hock füreine Herausforderung, weiter zu prüfen, ob bei Patienten mitleichten bis mittelgradigen Demenzen die Verlaufskurvenoch stärker normalisiert werden kann.

Symptomatische oder modulierende Behandlung?

Abbildung 20: Während die bisher beim Morbus Alzheimer eingesetzten Medikamente einerein symptomatische Therapie ermöglichen, hätte Memantine das Potenzial, auch modulie-rend zu wirken und so möglicherweise den Abfall der Leistungsfähigkeit aufzuhalten.

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Kornhuber J, Bormann J, Retz W, Hübers M, Riederer P (1989) Memantine displaces [3H]MK-801at therapeutic concentrations in postmortem human frontal cortex. Eur J. Pharmacol.166: 589-590Reference ID: 143

Kornhuber J, Bormann J, Hübers M, Rusche K, Riederer P (1991) Effectsof the 1-amino-adamantanes at the MK-801-binding site of theNMDA-receptor-gated ion channel: a human postmortem brain study.Eur J. Pharmacol. Mol. Pharmacol. Sect. 206: 297-300Reference ID: 133

Kornhuber J, Weller M, Schoppmeyer K, Riederer P (1994) Amantadineand memantine are NMDA receptor antagonists with neuroprotective properties.J. Neural Transm. Suppl. 43: 91-104Reference ID: 141

Kornhuber J, Quack G (1995) Cerebrospinal fluid and serum concentrations of theN-methyl-D-aspartate (NMDA) receptor antagonist memantine in man.Neurosci. Lett. 195: 137-139Reference ID: 196

Kornhuber J, Weller M (1997) Psychotogenicity and NMDA receptor antagonism:implications for neuroprotective pharmacotherapy.Biol. Psychiatry 41: 135-144Reference ID: 212

Kornhuber J, Bleich S (1999) Memantin. In: Riederer P, Laux G, Pöldinger W (eds)Neuro-Psychopharmaka. Ein Therapie-Handbuch. Band 5:Parkinsonmittel und Antidementiva. Springer Verlag, Wien, pp 685-704Reference ID: 273

Kroemer RT, Koutsilieri E, Hecht P, Liedl KR, Riederer P, Kornhuber J (1998)Quantitative analysis of the structural requirements for blockade of theNMDA receptor at the PCP binding site. J. Med. Chem. 41: 393-400Reference ID: 270

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Zukunftsforum DemenzDas Zukunftsforum Demenz hat sich zum Ziel gesetzt, die

Versorgung der Demenzkranken in Deutschland zu verbes-sern, um ihnen möglichst lange ein würdevolles und – ent-sprechend ihren noch vorhandenen Fähigkeiten – erfülltesLeben zu ermöglichen.

Dass die Versorgung der Demenzkranken verbesserungs-würdig ist, ist unter den an der Versorgung Beteiligten un-strittig. Das Spektrum dieser Beteiligten reicht von den Ärz-ten der verschiedenen Fachrichtungen über Pflegepersonalbis zu Krankenkassen, Selbsthilfegruppen und Sozialbehör-den. Leider ist es häufig so, dass diese Personen nur wenigvoneinander wissen – vor allem zu wenig, um Synergismenzu erzeugen oder fehlerhafte Versorgungsstrukturen zu ver-bessern. Hier will das Zukunftsforum Hilfestellung leistenund den interdisziplinären Dialog fördern.

Dazu wurden verschiedene Aktivitätsfelder entwickelt:� Workshops für verschiedene Fachgruppen� Informationsveranstaltungen für Angehörige und

Pflegedienstleistende� Informationsmaterialien wie Broschüren,

Ratgeber oder Newsletter� Kongressbeteiligungen

Bei den Workshops des „Zukunftsforum Demenz“ werdenwichtige Aspekte des Versorgungsproblems bei Demenz the-matisiert und von Vertretern der verschiedenen mit der Ver-sorgung betrauten Gruppen diskutiert. Das Zukunftsforumversteht sich bei diesen Workshops allerdings nicht nur alsDiskussionsplattform. Es wird vielmehr angestrebt, auf denWorkshops Konzepte zur Versorgung der Demenzkranken zuerarbeiten bzw. durch Verabschiedung eines Thesenpapiersweiterzuentwickeln. Diese Informationen und Konzepte sol-len dann – je nach den Möglichkeiten – in die Arbeit der ein-zelnen Teilnehmer einfließen und so dazu beitragen, die Ver-sorgung der Demenzkranken letztlich zu verbessern.

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Zu den folgenden Themenbereichen haben bisher Work-shops stattgefunden:� „Geriatrisches Assessment“� „Die Arzneimittelversorgung des Demenzkranken unter

den Gesichtspunkten der aktuellen Gesetzgebung“� „Probleme bei der Pflege Demenzkranker“� „Betreuungsrecht – Wer wahrt die Rechte des

Demenzkranken?“� „Demenz – auf dem Weg zu einem

Disease-Management-Programm?“� „Der Demenzkranke im Leistungsstreit

zwischen Kranken- und Pflegeversicherung“� „Neues aus der Demenzforschung“� „ Demenz – Prävention und Erkennung von

Risikofaktoren“��„Sprech- und Schluckstörungen – Problemfeld

in der Demenztherapie“��„Die Rolle des Apothekers in der Demenzberatung“

Bei den Informationsveranstaltungen werden die Zuhörerüber Verlauf und Therapie der Demenz und insbesondere derAlzheimer-Erkrankung aufgeklärt und bekommen prakti-sche Tipps im Umgang mit den Demenzkranken.

Dieses Informationsangebot richtet sich vor allem an diebetreuenden Angehörigen, aber auch an Interessierte ausdem Pflegebereich. Vor allem für diese Zielgruppe wurdendrei Broschüren vom Zukunftsforum Demenz entwickelt.

Das Zukunftsforum Demenz ist ständig um Weiterent-wicklung bemüht und daran interessiert, seinen Aktions-kreis auszuweiten. Weiterführende Informationen sind er-hältlich unter:

Zukunftsforum DemenzEckenheimer Landstr. 10060318 Frankfurt am MainE-Mail: [email protected]

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Folgende Broschüren können über das„Zukunftsforum Demenz“ angefordert werden:

� „Umgang mit dem Demenzkranken“soll helfen, den Alltag mit einem Alzheimer-Patientenzu bewältigen

� „Das schleichende Vergessen“gibt Hintergrundinformationen zum Krankheitsbild derAlzheimer-Demenz und erläutert Therapiemöglichkeiten

� „Die Rechte der Kranken- und Pflegeversicherten“erläutert, was Versicherten zusteht und wie daszu erreichen ist

Dokumentationsbände zu unterschiedlichenWorkshops des „Zukunftsforum Demenz“:

� „Demenz – auf dem Weg zu einemDisease-Management-Programm?“Dokumentationsband zum 5. WorkshopEr wendet sich an alle, die sich für Dementen-versorgung im Rahmen von Netzwerken engagieren.

� „Demenzkranke – im Leistungsstreit zwischenKranken- und Pflegeversicherung“Dokumentationsband zum 6. Workshop

��„Neues aus der Demenzforschung“Dokumentationsband zum 7. Workshop

All diese Informationen sind auch auf der Homepagedes „Zukunftsforum Demenz“ nachzulesen:www. zukunftsforum-demenz.de

Zukunftsforum DemenzEckenheimer Landstr. 10060318 Frankfurt am MainE-Mail: [email protected]

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