ooh magazin 2009

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20 Out-of-Home Fotos: Daniela Krautsack, Cannes Lions “Yes, we Cannes“ Die Ambient Media Spezialistin Daniela Krautsack berichtet in ihrem Gastkommentar exklusiv für Out-of-Home vom 56. Cannes Lions International Advertising Festival. Ich schreibe diesen Gastkommentar im kli- matisierten fensterlosen Pressecenter des Palais du Festival, während draußen die Sonne vom wolkenlosen Himmel strahlt. Jedes Jahr das gleiche Prozedere. Meine Freude über Sonne, Strand und Meer ist rie- sengroß und doch bleibt der Bikini zumeist unangetastet im Koffer liegen. Wer annimmt, daß Cannes nur aus Party, Strand und Halli- galli besteht, liegt falsch. 53 Seminare und 19 Workshops laden die ganze Woche über zur Teilnahme ein und obwohl der eine oder andere Vortrag eher als Verkaufsshow für Agenturen und Kun- den wirkt, sind die Shows, die sich mein geschultes Cannes Auge nach achtjährigem Besuch dieses Festivals aussucht, oft lehr- reich, aber stets eine Inspiration. „Yes, we cannes“ war nicht nur unter meinen Facebook Buddies als Motto dieses Festival- jahres zu verstehen. Daß die Besucherzahl aufgrund der weltweiten Wirtschaftslage dramatisch sinken würde, darüber wurde im Vorfeld in on- und offline Medien ausgiebig diskutiert. Fakt ist, daß sowohl die Konfe- renzräume als auch die abendlichen Partys gut besucht waren. Was in den letzten Jah- ren mehr Masse war, glänzt dieses Jahr in reduzierter Klasse. Leo Burnett & Contagious, Bob Greenberg von R/GA, Hermann Vaske und Dentsu reprä- sentierten unter anderem meine „must-see“ Events und es sind genau diese Namen, die Jahr für Jahr auf die Bühne zurückkehren und somit als unausgesprochener Garant für „quality of content“ stehen. Das wird mir auch von den Organisatoren des Events ver- mittelt, die Cows in Jackets heuer zum vier- ten Mal in Folge zum Vortrag baten. Mein Workshop drehte sich ums Thema „Projec- tionsim“, kulturelle Trends und deren krea- tive Inszenierung im öffentlichen Raum von globalen Großstädten. Ich habe in Zusam- menarbeit mit meinem italienischen „do tank“-Partner Marco Bevolo, der wie ich Medien-, Design-, Kunst- und Technologie- trends analysiert, ein Manifest über urbane Städtetrends entwickelt, das wir in Cannes erstmals vorgestellt haben und das auf mei- nem Blog abgerufen werden kann. Nach Durchsicht der hunderten eingereich- ten Kampagnen in den zwei Kategorien ‚Media’ und ‚Outdoor’ zeigen sich in diesem Jahr zwei deutliche Trends: Einerseits die Integration digitaler Anwendungen, ander- seits eine erkennbare stärkere Involvierung der Zielgruppe. „Engagement“ und „user participation“ scheinen als Kernstrategien im Fokus vieler Kampagnen zu stehen. Weil mein Augenmerk dieses Jahr primär den Einreichungen dieser zwei Medienkatego- rien galt, finde ich die folgenden Kampa- gnen besonders erwähnenswert: • „KitKat Mail 2009“ (Kunde: Nestlé Con- fectionery, Agentur: JWT Tokyo): Kluger Markeninsight, hoher Innovationslevel und Fokus auf „consumer engagement“; Ent- wicklung der KitKat Glückwunschkarte, die über die japanische Post national zum Ver- kauf angeboten wurde. • „Trillion Dollar Campaign“ (Kunde: The Zimbabwean Newspaper: Agentur: TBWA Hunt/Lascaris Johannesburg): „clever politi- cal awareness campaign“, Kreativfokus auf wertlose Währung, die als Druckmaterial für Plakate und Flyer diente. • „Melody Road“ (Kunde: Dunlop Falken Tyres, Agentur: Dentsu Razorfish Tokyo): „safety awareness“-Kampagne und hoher Innovationslevel; Reibung der Reifen auf präparierter Straße produziert bei Maximal- geschwindigkeit von 40 km/h Musik. „Dance“ (Kunde: T-Mobile, Agentur: MediaCom London): Exzellenter Link zum Markenslogan „Life’s for sharing“‚ Effizienz durch „optimal seeding“; inszenierte Flash Mob-Kampagne. Die Integration von QR-Code Technologie hat mir besonders bei der MYTOYS.de Kam- pagne gefallen, die Lukas Lindemann Rosin- ski aus Hamburg entwickelte. Die QR-Codes wurden dabei aus bunten LEGO Bausteinen erstellt und in eine interaktive Outdoor Kampagne am City Light transformiert. Das Einscannen der Codes übers Mobiltelefon löste das Rätsel der unterschiedlichen QR Lego-Designs und es bot die Möglichkeit zur Online-Bestellung der dazupassenden Lego Box. Ein besonders innovatives Technikschman- kerl stellte eine Informationswand dar, die Schematic im Auftrag des Festivalveranstal- ters entwickelte. Diese präsentierte nicht nur das Seminar- und Workshop Programm, sondern auch 3D Pläne des Festivalgebäu- des und der Croissette mit Informationen über Eventschauplätze, Restaurants und Bars. Die über Touch Screen zu bedienende interaktive Fläche in der Größe eines 24- Bogen-Plakates diente jedoch auch als Social Networking Plattform. Jeder Zutritts- paß der Festivalbesucher beinhaltete einen RFID Chip, über den Kontaktdaten zwischen den Teilnehmern ausgetauscht und Treff- punkte vereinbart werden konnten. In der Kategorie Media wurden heuer acht Prozent weniger Arbeiten eingereicht als letztes Jahr, dramatischer ist der Rücklauf in der Kategorie Outdoor. Hier sank die Zahl der Einreichungen um 23 Prozent. Der Stel- lenwert der österreichischen Arbeiten im internationalen Vergleich ist mit dem Medail- lenspiegel der Olympischen Sommerspiele zu vergleichen. Vier Media Löwen und ein Outdoor Löwe wurden uns in vier Festival- jahren von 2005 bis 2008 überreicht. Keine überragende Ausbeute, wenn man die fünf Auszeichnungen den Einreichungen von 300 Kampagnen gegenüberstellt. Österreich darf sich dieses Jahr über zwei Goldlöwen - Jung von Matt in der Kategorie Design für Eduard Tscheppe und DraftFCB Kobza in der Kategorie Cyber für eine Eigen- kampagne -, einen Silberlöwen - Jung von Matt in der Kategorie Media für Neuroth - und drei Bronzelöwen - Jung von Matt für Neuroth, Demner, Merlicek & Bergmann für das Weingut Andreas Tscheppe und Draft FCB Kobza für ihre Eigenkampagne - freuen. Besonders unterhaltsam empfand ich den Vortrag von Jureeporn Thaidumrong, Crea- tive Chairwoman von Jeh United im Rahmen des Dentsu Seminars, die einen Überblick über die kreative und sozialpolitische Ent- wicklung ihres Heimatlandes gab. Nachdem sich mein mexikanischer Sitznachbar und ich uns bei jedem thailändischen Spot, den Jureeporn präsentierte, vor Lachen kaum halten konnten, erkannte ich spontan, wie ähnlich der thailändische Humor unserem ist. Der Unterschied liegt meiner Meinung nach im Mut zur Umsetzung. Thailand hat ihn.

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Review über das Werbefestival in Cannes, 2009

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Page 1: OOH Magazin 2009

20 Out-of-Home

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“Yes, we Cannes“Die Ambient Media Spezialistin Daniela Krautsack berichtetin ihrem Gastkommentar exklusiv für Out-of-Home vom56. Cannes Lions International Advertising Festival.

Ich schreibe diesen Gastkommentar im kli-matisierten fensterlosen Pressecenter des Palais du Festival, während draußen die Sonne vom wolkenlosen Himmel strahlt. Jedes Jahr das gleiche Prozedere. Meine Freude über Sonne, Strand und Meer ist rie-sengroß und doch bleibt der Bikini zumeist unangetastet im Koffer liegen. Wer annimmt, daß Cannes nur aus Party, Strand und Halli-galli besteht, liegt falsch. 53 Seminare und 19 Workshops laden die ganze Woche über zur Teilnahme ein und obwohl der eine oder andere Vortrag eher als Verkaufsshow für Agenturen und Kun-den wirkt, sind die Shows, die sich mein geschultes Cannes Auge nach achtjährigem Besuch dieses Festivals aussucht, oft lehr-reich, aber stets eine Inspiration.„Yes, we cannes“ war nicht nur unter meinen Facebook Buddies als Motto dieses Festival-jahres zu verstehen. Daß die Besucherzahl aufgrund der weltweiten Wirtschaftslage dramatisch sinken würde, darüber wurde im Vorfeld in on- und offl ine Medien ausgiebig diskutiert. Fakt ist, daß sowohl die Konfe-renzräume als auch die abendlichen Partys gut besucht waren. Was in den letzten Jah-ren mehr Masse war, glänzt dieses Jahr in reduzierter Klasse. Leo Burnett & Contagious, Bob Greenberg von R/GA, Hermann Vaske und Dentsu reprä-sentierten unter anderem meine „must-see“ Events und es sind genau diese Namen, die Jahr für Jahr auf die Bühne zurückkehren und somit als unausgesprochener Garant für „quality of content“ stehen. Das wird mir auch von den Organisatoren des Events ver-mittelt, die Cows in Jackets heuer zum vier-ten Mal in Folge zum Vortrag baten. Mein Workshop drehte sich ums Thema „Projec-tionsim“, kulturelle Trends und deren krea-tive Inszenierung im öffentlichen Raum von globalen Großstädten. Ich habe in Zusam-menarbeit mit meinem italienischen „do tank“-Partner Marco Bevolo, der wie ich Medien-, Design-, Kunst- und Technologie-trends analysiert, ein Manifest über urbane Städtetrends entwickelt, das wir in Cannes erstmals vorgestellt haben und das auf mei-nem Blog abgerufen werden kann.Nach Durchsicht der hunderten eingereich-ten Kampagnen in den zwei Kategorien ‚Media’ und ‚Outdoor’ zeigen sich in diesem Jahr zwei deutliche Trends: Einerseits die Integration digitaler Anwendungen, ander-

seits eine erkennbare stärkere Involvierung der Zielgruppe. „Engagement“ und „user participation“ scheinen als Kernstrategien im Fokus vieler Kampagnen zu stehen. Weil mein Augenmerk dieses Jahr primär den Einreichungen dieser zwei Medienkatego-rien galt, fi nde ich die folgenden Kampa-gnen besonders erwähnenswert: • „KitKat Mail 2009“ (Kunde: Nestlé Con-fectionery, Agentur: JWT Tokyo): Kluger Markeninsight, hoher Innovationslevel und Fokus auf „consumer engagement“; Ent-wicklung der KitKat Glückwunschkarte, die über die japanische Post national zum Ver-kauf angeboten wurde. • „Trillion Dollar Campaign“ (Kunde: The Zimbabwean Newspaper: Agentur: TBWA Hunt/Lascaris Johannesburg): „clever politi-cal awareness campaign“, Kreativfokus auf wertlose Währung, die als Druckmaterial für Plakate und Flyer diente. • „Melody Road“ (Kunde: Dunlop Falken Tyres, Agentur: Dentsu Razorfi sh Tokyo): „safety awareness“-Kampagne und hoher Innovationslevel; Reibung der Reifen auf präparierter Straße produziert bei Maximal-geschwindigkeit von 40 km/h Musik. • „Dance“ (Kunde: T-Mobile, Agentur: MediaCom London): Exzellenter Link zum Markenslogan „Life’s for sharing“‚ Effi zienz durch „optimal seeding“; inszenierte Flash Mob-Kampagne.Die Integration von QR-Code Technologie hat mir besonders bei der MYTOYS.de Kam-pagne gefallen, die Lukas Lindemann Rosin-ski aus Hamburg entwickelte. Die QR-Codes wurden dabei aus bunten LEGO Bausteinen erstellt und in eine interaktive Outdoor Kampagne am City Light transformiert. Das Einscannen der Codes übers Mobiltelefon löste das Rätsel der unterschiedlichen QR Lego-Designs und es bot die Möglichkeit zur Online-Bestellung der dazupassenden Lego Box. Ein besonders innovatives Technikschman-kerl stellte eine Informationswand dar, die Schematic im Auftrag des Festivalveranstal-ters entwickelte. Diese präsentierte nicht nur das Seminar- und Workshop Programm,

sondern auch 3D Pläne des Festivalgebäu-des und der Croissette mit Informationen über Eventschauplätze, Restaurants und Bars. Die über Touch Screen zu bedienende interaktive Fläche in der Größe eines 24-Bogen-Plakates diente jedoch auch als Social Networking Plattform. Jeder Zutritts-paß der Festivalbesucher beinhaltete einen RFID Chip, über den Kontaktdaten zwischen den Teilnehmern ausgetauscht und Treff-punkte vereinbart werden konnten. In der Kategorie Media wurden heuer acht Prozent weniger Arbeiten eingereicht als letztes Jahr, dramatischer ist der Rücklauf in der Kategorie Outdoor. Hier sank die Zahl der Einreichungen um 23 Prozent. Der Stel-lenwert der österreichischen Arbeiten im internationalen Vergleich ist mit dem Medail-lenspiegel der Olympischen Sommerspiele zu vergleichen. Vier Media Löwen und ein Outdoor Löwe wurden uns in vier Festival-jahren von 2005 bis 2008 überreicht. Keine überragende Ausbeute, wenn man die fünf Auszeichnungen den Einreichungen von 300 Kampagnen gegenüberstellt.Österreich darf sich dieses Jahr über zwei Goldlöwen - Jung von Matt in der Kategorie Design für Eduard Tscheppe und DraftFCB Kobza in der Kategorie Cyber für eine Eigen-kampagne -, einen Silberlöwen - Jung von Matt in der Kategorie Media für Neuroth - und drei Bronzelöwen - Jung von Matt für Neuroth, Demner, Merlicek & Bergmann für das Weingut Andreas Tscheppe und Draft FCB Kobza für ihre Eigenkampagne - freuen. Besonders unterhaltsam empfand ich den Vortrag von Jureeporn Thaidumrong, Crea-tive Chairwoman von Jeh United im Rahmen des Dentsu Seminars, die einen Überblick über die kreative und sozialpolitische Ent-wicklung ihres Heimatlandes gab. Nachdem sich mein mexikanischer Sitznachbar und ich uns bei jedem thailändischen Spot, den Jureeporn präsentierte, vor Lachen kaum halten konnten, erkannte ich spontan, wie ähnlich der thailändische Humor unserem ist. Der Unterschied liegt meiner Meinung nach im Mut zur Umsetzung. Thailand hat ihn.