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Science and Technology Options Assessment Technologische Optionen zur Ernährung von 10 Milliarden Menschen Optionen zur Bekämpfung der Lebensmittel- verschwendung Zusammenfassung Bewertung wissenschaftlicher und technologischer Optionen Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst Europäisches Parlament Oktober 2013 PE 513.515 DE

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  • Science and Technology Options Assessment

    Technologische Optionen zur Ernährung von 10 Milliarden Menschen

    Optionen zur Bekämpfung der Lebensmittel-verschwendung

    Zusammenfassung

    Bewertung wissenschaftlicher und technologischer Optionen

    Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst

    Europäisches Parlament

    Oktober 2013

    PE 513.515

    DE

  • Technologische Optionen zur Ernährung von 10 Milliarden

    Menschen

    Optionen zur Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung

    Zusammenfassung

    IP/A/STOA/FWC/2008-096/Lot7/C1/SC2 - SC4

    Oktober 2013

    PE 513.515

  • STOA - Bewertung wissenschaftlicher und technologischer Optionen.

    Das STOA-Projekt „Technologische Optionen zur Ernährung von 10 Milliarden Menschen – Optionen

    zur Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung“ wurde vom Institut für Technikfolgenabschätzung

    und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie als Mitglied der European Technology

    Assessment Group (ETAG) durchgeführt.

    VERFASSER

    Carmen Priefer, Projektleitung (ITAS)

    Juliane Jörissen (ITAS)

    Klaus-Rainer Bräutigam (ITAS)

    STOA-FORSCHUNGSADMINISTRATION

    Lieve Van Woensel

    Bewertung wissenschaftlicher und technologischer Optionen (STOA)

    Direktion für Folgenabschätzung und Europäischen Mehrwert

    Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst, Europäisches Parlament

    Rue Wiertz 60 - RMD 00J012

    B-1047 Brüssel

    E-Mail: [email protected]

    SPRACHFASSUNGEN

    Original: EN

    ÜBER DEN HERAUSGEBER

    Kontakt zu STOA: [email protected]

    Dieses Dokument ist im Internet unter folgender Adresse abrufbar:

    http://www.europarl.europa.eu/stoa/

    Redaktionsschluss: August 2013

    Brüssel, © Europäische Union, 2013.

    HAFTUNGSAUSSCHLUSS

    Die hier vertretenen Auffassungen geben die Meinung der Verfasser wieder und entsprechen nicht

    unbedingt dem offiziellen Standpunkt des Europäischen Parlaments.

    Nachdruck und Übersetzung der Veröffentlichung – außer zu kommerziellen Zwecken – mit

    Quellenangabe gestattet, sofern der Herausgeber vorab unterrichtet und ihm ein Exemplar übermittelt

    wird.

    PE 513.515

    ISBN 978-92-823-5111-6

    DOI 10.2861/43003

    CAT BA-03-13-508-DE-N

    mailto:[email protected]://www.europarl.europa.eu/stoa/

  • Technologische Optionen zur Ernährung von 10 Milliarden Menschen – Optionen zur Bekämpfung der

    Lebensmittelverschwendung

    Dieses Dokument ist eine einfach formulierte Zusammenfassung der STOA-Studie

    „Technologische Optionen zur Ernährung von 10 Milliarden Menschen – Optionen zur

    Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung“. Die vollständige Studie und eine

    Kurzdarstellung der Optionen zu diesem Thema sind auf der STOA-Website abrufbar.

    Kurzfassung

    Die Verringerung der Lebensmittelverschwendung gilt für die Sicherstellung der globalen

    Ernährungssicherheit als wichtiges Mittel, um begrenzte Ressourcen für andere

    Verwendungszwecke freizusetzen, Umweltrisiken zu vermindern und finanzielle Verluste zu

    vermeiden. In ihrem Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa hat sich die Kommission

    das Ziel gesetzt, die Menge der anfallenden Lebensmittelabfälle bis 2020 zu halbieren.

    Dieser Studie untersucht die Ansätze zur Vermeidung der Lebensmittelverschwendung auf

    der Grundlage einer eingehenden Analyse des Umfangs, der Ursachen und der Abläufe der

    Lebensmittelverschwendung in der EU-27. Der Schwerpunkt liegt auf Maßnahmen und

    Instrumenten, die in der Literatur oder in der laufenden Debatte als besonders nützlich und

    leicht umsetzbar eingeschätzt werden und/oder die sich in der Praxis bereits als effizient

    erwiesen haben. Dazu gehören unter anderem auch die Verbesserung und die Harmonisierung

    von Datenbanken, die Festlegung von Zielen für die Verringerung auf nationaler und

    regionaler Ebene, die Überarbeitung der geltenden Vorschriften über die

    Lebensmittelkennzeichnung, die Durchführung von Sensibilisierungskampagnen, die

    Einführung wirtschaftlicher Anreize, die Verbesserung der Arbeitsabläufe sowie die

    Umsetzung eines integrierten Managements der Lebensmittelversorgungskette bei der

    Herstellung und im Groß- und Einzelhandel, einschließlich technologischer Innovationen, die

    zur Verringerung der Lebensmittelverschwendung beitragen können.

  • STOA - Bewertung wissenschaftlicher und technologischer Optionen.

  • Technologische Optionen zur Ernährung von 10 Milliarden Menschen – Optionen zur Bekämpfung der

    Lebensmittelverschwendung

    INHALT

    1. HINTERGRUND UND ZIEL DER STUDIE ............................................................................................... 1

    2. DEFINITION DER BEGRIFFE „LEBENSMITTELVERLUST“ UND „LEBENSMITTELVERSCHWENDUNG“ .......................................................................................................... 2

    3. DERZEITIGER FORSCHUNGSSTAND ..................................................................................................... 2

    4. ENTSTEHUNG UND GRÜNDE DER LEBENSMITTELVERLUSTE ENTLANG DER LEBENSMITTELVERSORGUNGSKETTE ........................................................................................................ 4

    4.1 VERLUSTE BEI DER PRIMÄRPRODUKTION .................................................................................................... 4 4.2 VERLUSTE BEI DER VERARBEITUNG UND VERPACKUNG ............................................................................ 4 4.3 VERLUSTE IM VERTRIEB, IM GROß- UND IM EINZELHANDEL ..................................................................... 5 4.4 LEBENSMITTELVERLUSTE IM BEWIRTUNGSSEKTOR ..................................................................................... 6 4.5 VERLUSTE IN PRIVATEN HAUSHALTEN ....................................................................................................... 7

    5. VERFÜGBARE DATEN UND DEREN ZUVERLÄSSIGKEIT ................................................................ 9

    5.1 BERECHNUNGEN AUF DER GRUNDLAGE DER FAOSTAT-DATEN UND DER SIK-METHODE ................... 9 5.2 ERGEBNISSE DER BERECHNUNGEN IM VERGLEICH ZU DEN ERKENNTNISSEN DER BIOIS-STUDIE ......... 10

    6. ABFALLVERHALTEN IN DEN HAUSHALTEN .................................................................................... 13

    7. FOLGEN DER LEBENSMITTELVERSCHWENDUNG ......................................................................... 16

    7.1 RESSOURCENVERBRAUCH ......................................................................................................................... 16 7.2 ZUNAHME DER BIOABFÄLLE ..................................................................................................................... 17 7.3 WIRTSCHAFTLICHE AUSWIRKUNGEN ....................................................................................................... 19

    8. OPTIONEN FÜR MASSNAHMEN ZUR BEKÄMPFUNG DER

    LEBENSMITTELVERSCHWENDUNG ............................................................................................................ 19

    LITERATURVERZEICHNIS ............................................................................................................................... 24

  • STOA - Bewertung wissenschaftlicher und technologischer Optionen.

    VERZEICHNIS DER TABELLEN

    TABELLE 1: ZUSAMMENFASSUNG DER WICHTIGSTEN FAKTOREN, DIE IN DEN VERSCHIEDENEN PHASEN DER

    LEBENSMITTELVERSORGUNGSKETTE IN DEN INDUSTRIELÄNDERN ZUR LEBENSMITTELVERSCHWENDUNG

    BEITRAGEN ........................................................................................................................................................... 8 TABELLE 2: ZUSAMMENSETZUNG DER LEBENSMITTELABFÄLLE DER HAUSHALTE IN SIEBEN EUROPÄISCHEN

    LÄNDERN IN PROZENT ...................................................................................................................................... 14

    VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN

    ABBILDUNG 1: ANTEILE DER VERSCHIEDENEN PHASEN DER LEBENSMITTELVERSORGUNGSKETTE AN DER

    GESAMTEN ENTSTEHUNG VON LEBENSMITTELABFÄLLEN IN DER EU-27 (ITAS-BERECHNUNGEN) .............. 11 ABBILDUNG 2: LEBENSMITTELABFÄLLE PRO KOPF, MIT AUSNAHME DER LANDWIRTSCHAFT UND DER

    BEHANDLUNG NACH DER ERNTE – VERGLEICH DER ITAS-BERECHNUNGEN MIT DEN BIOIS-ERGEBNISSEN

    FÜR DIE EU-27 IM JAHR 2006 ............................................................................................................................ 12 ABBILDUNG 3: ENTSTEHUNG DER LEBENSMITTELABFÄLLE PRO KOPF IN DEN HAUSHALTEN - VERGLEICH DER

    ITAS-BERECHNUNGEN MIT DEN BIOIS-ERGEBNISSEN FÜR DIE EU-27 IM JAHR 2006 ................................... 13 ABBILDUNG 4: ANTEILE DER VERSCHIEDENEN LEBENSMITTELARTEN AN DEN GESAMTEN

    LEBENSMITTELABFÄLLEN IM HAUSHALTSSEKTOR IN DER EU-27 IM JAHR 2006 (ITAS-BERECHNUNGEN) ... 15 ABBILDUNG 5: MATERIAL- UND KOHLENDIOXID-FUßABDRUCK DER JÄHRLICHEN PRO-KOPF-

    LEBENSMITTELVERSCHWENDUNG IN DEUTSCHLAND, EINSCHLIEßLICH DER VORGELAGERTEN STUFEN DER

    VERSORGUNGSKETTE UND UNTERTEILT IN PRODUKTGRUPPEN....................................................................... 17 ABBILDUNG 6: BEHANDLUNG DER SOLIDEN STÄDTISCHEN ABFÄLLE IN VERSCHIEDENEN EUROPÄISCHEN

    LÄNDERN IM JAHR 2010 .................................................................................................................................... 18

  • Technologische Optionen zur Ernährung von 10 Milliarden Menschen – Optionen zur Bekämpfung der

    Lebensmittelverschwendung

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    EINFACH FORMULIERTE ZUSAMMENFASSUNG

    1. HINTERGRUND UND ZIEL DER STUDIE

    Obwohl die Beurteilung der globalen Lebensmittelverluste entlang der Lebensmittelversorgungskette

    mit großen Unsicherheiten verbunden ist, gibt es keinen Zweifel darüber, dass diese Verluste erhebliche

    Ausmaße annehmen. Laut Schätzungen der Ernährungs– und Landwirtschaftsorganisation der

    Vereinten Nationen (FAO) geht weltweit rund ein Drittel der für die menschliche Ernährung erzeugten

    Lebensmittel verloren oder wird weggeworfen, also ungefähr 1,3 Milliarden Tonnen jährlich. Der

    Verlust oder die Verschwendung von Lebensmitteln erfolgt entlang der gesamten

    Lebensmittelversorgungskette, von der landwirtschaftlichen Produktion bis hin zum Endverbrauch in

    den Haushalten. Der FAO zufolge werden in Europa und in Nordamerika pro Person jährlich zwischen

    95 und 115 kg Lebensmittel weggeworfen (Gustavsson et al. 2011). Das Europäische Parlament rechnet

    damit, dass die Lebensmittelverschwendung bis zum Jahr 2020 um 40 % ansteigen wird, wenn keine

    zusätzlichen vorbeugenden Aktionen oder Maßnahmen ergriffen werden (Europäisches

    Parlament 2012).

    Angesichts der Tatsache, dass über eine Milliarde Menschen an Unterernährung leiden, ist die

    Verschwendung von Lebensmitteln vor allem ein ethisches Problem. Obwohl die Frage, ob das

    Konsumverhalten in den industrialisierten Ländern sich auf den Hunger und die ländliche Armut in den

    Entwicklungsländern auswirkt, umstritten ist, kann davon ausgegangen werden, dass der leichtfertige

    Umgang mit Lebensmitteln in den reichen Ländern den weltweiten Nahrungsmittelbedarf erhöht. Eine

    weltweit steigende Nachfrage führt zu höheren Preisen am Weltmarkt, wodurch die Kaufkraft der

    armen Bevölkerung in den Entwicklungsländern weiter geschwächt wird. Nach einer Schätzung der

    Vereinten Nationen zum globalen Bevölkerungswachstum wird die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050

    auf 9,3 Milliarden Menschen ansteigen. Durch den Bevölkerungszuwachs steigt der Druck auf die

    weltweite Nahrungsmittelversorgung zunehmend.

    Unabhängig davon, ob die Lebensmittel verzehrt oder weggeworfen werden, ist ihre Erzeugung mit

    Umweltbelastungen verbunden. Durch die Verschwendung von Lebensmitteln gehen nicht nur

    lebenswichtige Nährstoffe verloren, sondern auch knappe Ressourcen wie Land, Wasser und Energie,

    die für die Erzeugung, die Verarbeitung und den Vertrieb der Lebensmittel aufgewendet wurden. Diese

    Verluste werden dadurch verschärft, dass die bisher überwiegend auf Getreideprodukten beruhende

    Ernährung durch einen immer höheren Konsum von tierischen Erzeugnissen ersetzt wird. Aufgrund des

    zunehmenden Wohlstands in den Entwicklungsländern wird die Pro-Kopf-Kalorienzufuhr aus dem

    Verzehr von Fleisch bis zur Mitte dieses Jahrhunderts voraussichtlich um 40 % steigen (IMECHE 2013).

    Für die Herstellung von tierischen Erzeugnissen werden weit mehr Ressourcen benötigen als für die

    Erzeugung von auf Getreideprodukten beruhenden Lebensmitteln.

    Neben den Umweltbelastungen verursacht die Lebensmittelverschwendung sowohl für den einzelnen

    Verbraucher als auch für die Volkswirtschaft erhebliche finanzielle Verluste. Ähnlich wie die

    Umweltbelastung summieren sich auch die wirtschaftlichen Verluste entlang der

    Lebensmittelversorgungskette, sodass eine Tonne Lebensmittelabfälle in den Haushalten (d. h. am Ende

    der Kette) mit viel höheren ökologischen und ökonomischen Kosten verbunden ist, als eine Tonne

    Lebensmittelabfälle im Herstellungsbereich.

    Vor diesem Hintergrund bietet die Verringerung der Lebensmittelverschwendung eine wichtige

    Möglichkeit, um die globale Ernährungssicherheit sicherzustellen, Umweltrisiken zu verringern,

    begrenzte Ressourcen für andere Zwecke zu bewahren und finanzielle Verluste zu vermeiden. Zur

    Umsetzung dieser Vorbeugungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung muss

    ein Thema dieser Studie die eingehende Auswertung des Umfang, der Ursachen und der Abläufe der

  • STOA - Bewertung wissenschaftlicher und technologischer Optionen.

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    Lebensmittelverschwendung umfassen. Hauptziel war die Erörterung der Maßnahmen und

    Instrumente, die zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung beitragen können, wobei die in

    verschiedenen Ländern bereits gesammelten Erfahrungen berücksichtigt wurden. Der Schwerpunkt lag

    auf den Ansätzen, von denen in der Literatur oder in der laufenden Debatte davon ausgegangen wird,

    dass sie besonders nützlich und leicht umsetzbar sind und dass sie die langfristigen Ziele verwirklichen

    können. Auf der Grundlage dieser Untersuchungen wurden Handlungsoptionen für die europäischen

    und nationalen Regierungen entwickelt, die für deren Umsetzung verantwortlich sind.

    2. DEFINITION DER BEGRIFFE „LEBENSMITTELVERLUST“ UND

    „LEBENSMITTELVERSCHWENDUNG“

    Bisher gab es weder im europäischen und in den einzelstaatlichen Rechtsrahmen noch in der

    wissenschaftlichen Fachliteratur eine allgemein anerkannte Definition für die Begriffe

    „Lebensmittelverlust“ und „Lebensmittelverschwendung“. In Übereinstimmung mit anderen Verfassern

    wird in diesem Rahmen empfohlen, zwischen „Lebensmittelverlust“ und

    „Lebensmittelverschwendung“ zu unterscheiden. Unter Lebensmittelverlust versteht man die Menge an

    Lebensmitteln, der für den menschlichen Verzehr bestimmt ist, aber aus verschiedenen Gründen aus der

    Lebensmittelversorgungskette ausscheidet. Die Lebensmittelverschwendung ist eine Untermenge des

    Lebensmittelverlusts und stellt die Menge an Lebensmitteln dar, die noch zum Verzehr geeignet sind,

    aber als Ergebnis der Handlungen oder der Unterlassungen der Menschen weggeworfen werden. Diese

    Differenzierung ist notwendig, da in früheren Phasen der Lebensmittelversorgungskette Rückstände

    und aussortierte Produkte wieder in der Produktion eingesetzt werden können. Nicht alle

    Lebensmittelverluste sind daher Lebensmittelverschwendung. Andererseits gelten Lebensmittel, die

    ursprünglich für den menschlichen Verzehr bestimmt waren, aber aus der Lebensmittelversorgungskette

    entfernt wurden, als Lebensmittelverschwendung, auch wenn sie einem nicht der Ernährung dienenden

    Zweck zugeführt wurden. Produkte, die nicht mehr verkauft werden können, die aber für den

    menschlichen Verzehr verwertet werden und somit in der Lebensmittelversorgungskette verbleiben,

    gelten weder als Lebensmittelverlust noch als Lebensmittelverschwendung (beispielsweise die

    Weiterverarbeitung von unverkauften Backwaren zu Paniermehl).

    Die Wissenschaftsgemeinschaft unterscheidet nicht nur zwischen Lebensmittelverlust und

    Lebensmittelverschwendung, sondern auch zwischen „vermeidbarer“ und „unvermeidbarer“

    Lebensmittelverschwendung. Vermeidbare Lebensmittelverschwendung bezieht sich auf Produkte, die

    zum Zeitpunkt, an dem sie aussortiert werden, noch genießbar sind, oder Produkte, die genießbar

    gewesen wären, wenn sie rechtzeitig verspeist worden wären. Unvermeidbare

    Lebensmittelverschwendung umfasst Produkte oder Zutaten, die für den menschlichen Verzehr nicht

    geeignet sind. Dazu gehören nicht essbare Bestandteile (z. B. Bananenschalen, Knochen, Eierschalen)

    sowie Produkte, die durch Wettereinflüsse, Krankheiten oder Schädlinge so beschädigt wurden, dass sie

    nicht mehr verzehrt werden können. Die dritte Kategorie, die in der derzeitigen Debatte verwendet

    wird, ist die „möglicherweise/teilweise vermeidbare Lebensmittelverschwendung“ und bezieht sich

    auf Produkte oder Zutaten, die aufgrund der Verbraucherpräferenzen nicht verzehrt werden (z. B.

    Brotrinden, Apfelschalen) oder die nur verzehrt werden können, wenn die Lebensmittel auf bestimmte

    Weise zubereitet werden (so wird bei gebratenem Geflügel die Haut normalerweise gegessen, während

    sie bei gekochtem Geflügel meistens nicht gegessen wird). Diese Kategorie sollte weggelassen werden,

    da die dazugehörigen Mengen im Vergleich zur gesamten Lebensmittelverschwendung lediglich eine

    untergeordnete Rolle spielen.

    3. DERZEITIGER FORSCHUNGSSTAND

    Im Januar 2012 verabschiedete das Europäische Parlament die Entschließung „Schluss mit der

    Verschwendung von Lebensmitteln - Strategien für eine effizientere Lebensmittelversorgungskette in

  • Technologische Optionen zur Ernährung von 10 Milliarden Menschen – Optionen zur Bekämpfung der

    Lebensmittelverschwendung

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    der EU“, in der die Kommission aufgefordert wurde, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die

    Lebensmittelverschwendung bis 2025 zu halbieren. Die Kommission wurde außerdem aufgefordert, die

    gesamte Lebensmittelversorgungskette vom Erzeuger bis zum Verbraucher zu analysieren, um zu

    ermitteln, in welchen Lebensmittelsektoren die Verschwendung von Lebensmitteln am häufigsten

    vorkommt. Auf der Grundlage dieser Analyse sollen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die bis 2014

    von ihnen zu erfüllenden Ziele im Bereich Abfallvermeidung (Abfallrahmenrichtlinie von 2008)

    spezifische Ziele in Bezug auf die Vermeidung von Lebensmittelabfällen vorgegeben werden.

    Bezugnehmend auf diese Initiativen hat die Kommission in ihrem Fahrplan für ein

    ressourcenschonendes Europa das Ziel verankert, die Menge der weggeworfenen genusstauglichen

    Lebensmittel in der EU bis 2020 zu halbieren (Europäische Kommission 2011).

    Auf europäischer Ebene wurden zahlreiche Studien zum Ausmaß, den Ursachen und den

    Auswirkungen der Erzeugung von Lebensmittelabfällen durchgeführt. Für das Vereinigte Königreich,

    die Niederlande, Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen, Frankreich, Italien, Portugal,

    Deutschland, Österreich und die Schweiz liegen nationale Erhebungen vor. Die Forschungstätigkeiten

    und die politischen Initiativen stammen hauptsächlich aus West-, Mittel- und Nordeuropa und weniger

    aus den südeuropäischen Ländern. Einige Länder in Südeuropa und vor allem in Osteuropa sind in der

    laufenden Debatte nicht ausreichend vertreten. Viele unterschiedliche Institute haben Studien zur

    Lebensmittelverschwendung veröffentlicht. Dazu gehören Universitäten, Forschungseinrichtungen,

    NRO, Industrieunternehmen, nationale Ministerien sowie internationale und europäische

    Organisationen. Obwohl die einzelnen Studien dasselbe Thema zum Inhalt haben, ist festzustellen, dass

    die Ergebnisse kaum miteinander vergleichbar sind, was auf Unterschiede in Bezug auf die Definitionen

    der Begriffe „Lebensmittelverluste“ und „Lebensmittelverschwendung“, die Festlegung der

    Systemgrenzen, die Gestaltung und den Rahmen der Untersuchungen und die für die Datenerhebung

    und –analyse verwendeten Methoden zurückzuführen ist.

    Bislang gab es nur eine wichtige europaweite Studie: die „Preparatory study on food waste across EU-

    27“ (Vorbereitende Studie über die Verschwendung von Lebensmitteln in der EU-27, Monier et al. 2010).

    Die Verfasser ermitteln das Ausmaß der Lebensmittelverluste in Europa auf der Grundlage von

    EUROSTAT-Daten und von Daten aus nationalen Studien. Außerdem liegen verschiedene globale

    Übersichtsstudien des WWF und der FAO (Grethe et al. 2011; Gustavsson et al. 2011) sowie

    amerikanische Studien (Buzby & Hyman 2012; Gunders 2012; Hall et al. 2009) vor.

    Derzeit befassen sich zwei EU-Projekte mit der Lebensmittelverschwendung: Im Rahmen des Projekts „Green Cook“ arbeiten verschiedene Länder wie Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Belgien und Deutschland zusammen, um ein nordeuropäisches Modell für einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln zu entwickeln. Dazu gehören die Einführung einer einheitlichen Definition des Begriffs „Lebensmittelverschwendung“ und die Umsetzung eines Bewertungsrahmens für Lebensmittelverschwendung. Beim RP7-Projekt FUSIONS (Food Use for Social Innovation by Optimising Waste Prevention Strategies, Lebensmittel für soziale Innovation durch die Optimierung von Strategien zur Abfallvermeidung) wirken 21 Einrichtungen aus 13 EU-Mitgliedstaaten mit. Das Projekt soll zur Harmonisierung der Überwachung der Lebensmittelverschwendung, zur sozialen Machbarkeit der innovativen Maßnahmen für eine optimierte Nutzung der Lebensmittel in der Lebensmittelversorgungskette und zur Entwicklung von Leitlinien für einheitliche Strategien zur Abfallvermeidung in der EU-27 beitragen.

    In Europa spielt das Vereinigte Königreich durch das im Jahr 2000 aufgestellte Programm WRAP (Waste

    & Resources Action Programme, Aktionsprogramm Abfall & Ressourcen) eine führende Rolle. Das Ziel

    dieser staatlich finanzierten Initiative ist die Verringerung sämtlicher Arten der

    Lebensmittelverschwendung im privaten und industriellen Sektor. Das Thema der

    Lebensmittelverschwendung spielt im Programm WRAP eine bedeutende Rolle und steht für mehrere

    Jahre auf der Tagesordnung. Hauptziel ist die Einschätzung der Lebensmittelverluste im Vereinigten

    Königreich, die Zusammenführung der Interessenvertreter und die Sensibilisierung der Verbraucher für

    das Thema durch Kampagnen wie „Love Food Hate Waste“(etwa: „Wer essen liebt, hasst

    Verschwendung“).

  • STOA - Bewertung wissenschaftlicher und technologischer Optionen.

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    4. ENTSTEHUNG UND GRÜNDE DER LEBENSMITTELVERLUSTE ENTLANG

    DER LEBENSMITTELVERSORGUNGSKETTE

    Aufgrund der Globalisierung der Märkte, der höheren Ansprüche der Verbraucher und einer steigenden

    Nachfrage nach Fleisch, Obst, Gemüse und anderen leicht verderblichen Erzeugnissen wurde die

    Lebensmittelversorgungskette in den vergangenen Jahrzehnten länger und immer komplexer. Durch die

    verstärkte Migration der Menschen aus ländlichen Gebieten in die Städte erhöht sich die Entfernung

    zwischen dem Erzeugungsort und dem Ort des Konsums. Daraus ergeben sich längere Transporte,

    längere Kühlketten und eine höhere Anzahl an Intermediären. Außerdem gibt es beim Umgang mit

    Lebensmitteln deutliche Unterschiede zwischen Stadtbewohnern und Landbewohnern. Auf der

    Grundlage von Analysen zu Lebensmittelabfällen geht aus einer österreichischen Studie hervor, dass die

    Menge der Lebensmittel in den Mülltonnen der Stadtbewohner viel höher ist als jene in den ländlichen

    Gebieten (Obersteiner & Schneider 2006).

    4.1 Verluste bei der Primärproduktion

    In den Industrieländern sind die Lebensmittelverluste bei der Primärproduktion (Landwirtschaft,

    Behandlung nach der Ernte und Lagerung) im Vergleich zu Entwicklungsländern und Schwellenländern

    verhältnismäßig gering. In den Industrieländern gilt die Anpassung der Produktion an die Bedürfnisse

    des Markts als eine mögliche Ursache für die Verluste, was zu Angebotsüberschüssen führen kann.

    Auch strikte Vertragsbedingungen und strenge Qualitätsanforderungen der Großhändler können

    Überschussproduktion verursachen.

    Obwohl die Pflanzenzüchtung den Einsatz von Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften

    ermöglicht, können die Landwirte unter anderem aufgrund unterschiedlicher Wetterbedingungen die

    Ernteerträge nicht vorhersehen. Andererseits müssen die Landwirte die vereinbarte Menge in

    einwandfreier Qualität liefern, um den vereinbarten Preis zu erzielen. Dies führt wiederum dazu, dass

    eine erhebliche Menge der erzeugten Kulturpflanzen auf den Feldern liegen bleibt. Allerdings suchen

    die Landwirte und die verarbeitende Industrie jedoch in der Regel nach alternativen

    Vermarktungswegen für ihre überschüssigen Erzeugnisse.

    Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Analyse der Lebensmittelverluste sind die Rahmenbedingungen.

    Das gesellschaftliche Ziel, Gefahren für das Leben und die Gesundheit der Verbraucher zu vermeiden,

    ist in mehreren EU-Verordnungen und Richtlinien verankert und könnte im Konflikt mit dem Bestreben

    nach einer Vermeidung von Lebensmittelabfällen stehen. Man sollte zwischen der

    Lebensmittelkontamination bei der Produktion, den Pestizidrückständen auf den Kulturpflanzen und

    den Rückständen von Veterinärarzneimitteln in Lebensmitteln tierischen Ursprungs unterscheiden. Für

    alle diese Arten der Kontamination wurden auf europäischer Ebene Konzentrationsgrenzwerte

    festgelegt. Aus einer Studie der Universität Wageningen (Waarts et al. 2011) geht hervor, dass diese

    durch das europäische Recht festgelegten Grenzwerte wesentlich zur Erzeugung von

    Lebensmittelabfällen in der Primärproduktion beitragen.

    4.2 Verluste bei der Verarbeitung und Verpackung

    Das Problem der Überproduktion besteht zum Teil auch in der verarbeitenden Industrie. Obwohl viele

    Produktionsunternehmen versuchen, hohe Lagerbestände durch eine zeitoptimale („just in time“)

    Lieferung zu vermeiden, kann Überschussproduktion nicht ausgeschlossen werden.

    In der Lebensmittelindustrie sind für die Verarbeitung der Produkte bestimmte Größen und Standards notwendig. Durch verschiedene Auswahlverfahren während der einzelnen Verarbeitungsphasen entstehen hohe Abfallquoten. Obst und Gemüse werden oft in Packungen verkauft und daher bei der Verarbeitung oft aussortiert, um einheitlich große und schwere Verpackungseinheiten zu erhalten.

  • Technologische Optionen zur Ernährung von 10 Milliarden Menschen – Optionen zur Bekämpfung der

    Lebensmittelverschwendung

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    Durch den Verkauf in Verpackungen entstehen auch Verluste im Einzelhandel, da es im Fall von beschädigten Produkten zu kostspielig ist, die Verpackung zu öffnen und nur die unbeschädigten Waren zum Verkauf anzubieten. Bei der Verarbeitung von Lebensmitteln entstehen auch Rückstände, die noch für die menschliche Ernährung genutzt werden könnten. Diese Rückstände werden manchmal in anderen Bereichen verwendet, meistens werden sie jedoch weggeworfen, da dies mit weniger Aufwand und Kosten verbunden ist.

    Auch die Produktion unterschiedlicher Marken und bestimmter Warenzeichen eines Produkts kann zu

    Verlusten führen. Milchprodukte beispielsweise werden am Markt in einer großen Bandbreite an

    Marken angeboten und gehören zu den verderblichen Lebensmitteln. Aufgrund unterschiedlicher

    Rezepte sind bei der Herstellung unterschiedlicher Marken Chargenumstellungen erforderlich. Daher

    produziert die Abfüllmaschine eine Mischphase, deren Erzeugnisse in der Regel im Rahmen des

    Allergenmanagements weggeworfen werden. Häufige Chargenumstellungen führen auch zu größeren

    Mengen an Rückständen bei der Reinigung. Zudem können die Hersteller der eigenen Handelsmarken

    der Supermärkte ihre Überproduktion auch nicht anderweitig verkaufen.

    Die Handhabung von tierischen Erzeugnissen wie Milch, Milchprodukte, Fleisch und Wurstwaren

    unterliegt verschiedenen EU-Richtlinien, die strenge Hygienebestimmungen vorschreiben. Die EU-

    Richtlinien verlangen auch eine aussagekräftige Dokumentation der Lebensmittelversorgungskette, die

    durch eine Kennmarke auf der Verpackung rückverfolgbar sein muss. Fleisch und Wurstwaren sind

    aufgrund ihrer mikrobiellen Empfindlichkeit leicht verderbliche Waren. Für die Verarbeitung von

    Rohstoffen ist die strikte Einhaltung der Kühlkette notwendig. In Supermärkten und Discountläden, die

    immer große Mengen und eine große Auswahl an rohen Fleischprodukten anbieten, ist das Risiko von

    Lebensmittelabfällen aufgrund der kurzen Verfallszeit besonders hoch. Unterbrechungen der Kühlkette,

    Temperaturüberschreitungen und Verunreinigungen führen in den meisten Fällen zur Entsorgung der

    Produkte.

    4.3 Verluste im Vertrieb, im Groß- und im Einzelhandel

    Durch die Festlegung von Qualitätsstandards für landwirtschaftliche Erzeugnisse hat der Handelssektor

    einen großen Einfluss auf die Primärproduktion, was dazu führt, dass die beanstandeten Waren bei den

    Herstellern verbleiben. Lebensmittelverluste entstehen, weil aufgrund der festgelegten Standards

    hinsichtlich der Größe, der Form, der Farbe und des Aussehens der Produkte Auswahlverfahren

    notwendig sind.

    Obwohl die Zahl der spezifischen europäischen Vermarktungsnormen für frisches Obst und Gemüse im

    Jahr 2009 von 36 auf 10 reduziert wurde, fordert der Handelssektor noch immer standardisierte

    Produkte, weil die logischen Prozesse für die Lagerung, Verpackung und den Vertrieb unterschiedlich

    große und geformte Waren nicht bewältigen können. Außerdem hat der Handelssektor ein Interesse

    daran, die Standards beizubehalten, da sie einen objektiven Bewertungsmaßstab bieten, der die

    Geschäftsbeziehungen zwischen Herstellern, Erzeugern und Großhändlern erleichtert. Folglich werden

    die ursprünglichen gesetzlichen Standards von verschiedenen Lebensmittelunternehmen weiterhin in

    Form von privaten Normen verwendet.

    Bevor Lebensmittel auf den Markt kommen, müssen sie transportiert und verteilt werden. Verluste

    können auch dann entstehen, wenn die Transportunternehmen den geplanten Zeitraum für die

    Lieferung und das Entladen der Waren überschreiten. Außerdem kann es durch unsachgemäßen

    Transport zum Verlust oder zur Beschädigung der Waren oder der Verpackung kommen. Ein Schaden

    kann auch während des Ladens oder Entladens der Waren oder bei der Stapelung entstehen. Ein

    weiteres logistisches Problem ist die Lagerhaltung, da eine zu lange Lagerung der Waren dazu führen

    kann, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht mehr den Anforderungen für den Verkauf entspricht,

    oder sogar dazu, dass die Waren verderben.

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    Lebensmittelverschwendung im Groß- und Einzelhandel tritt ebenfalls wegen des Erreichens des

    Verfallsdatums auf. Die Neuetikettierung und der Verkauf von Produkten, deren

    Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, sind nicht verboten, soweit davon ausgegangen werden

    kann, dass damit keine Gesundheitsrisiken verbunden sind. Aus haftungsrechtlichen Gründen ist diese

    Praxis jedoch nicht gängig. Waarts et al. (2011) stellten fest, dass die Hersteller die

    Mindesthaltbarkeitsdaten sehr konservativ wählen, um ihre Risiken hinsichtlich der Produkthaftung

    und möglicher Reputationsschäden einzuschränken. Aus demselben Grund ziehen Einzelhändler es vor,

    Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, neu zu etikettieren. Es wird davon

    ausgegangen, dass auch Marketingstrategien wie „Zwei zum Preis von einem“ zur

    Lebensmittelverschwendung im Haushalt beitragen, da sie Verbraucher dazu ermutigen, nicht benötigte

    Produkte zu kaufen.

    Obwohl es mehrere Gründe für die Entstehung von Lebensmittelverlusten im Bereich des Vertriebs

    sowie des Groß- und Einzelhandels gibt, scheint es sich dabei um vergleichsweise geringe Mengen zu

    handeln. Laut einer Schätzung des BIO Intelligence Service und anderen Studien trägt der Handelssektor

    nur 5 % zur gesamten Lebensmittelverschwendung in der EU bei. Allerdings sind die empirischen Daten

    zu diesem Sektor besonders dürftig. Um die Lebensmittelverschwendung besser zu erfassen, sind daher

    unbedingt umfassendere Untersuchungen notwendig.

    4.4 Lebensmittelverluste im Bewirtungssektor

    Bei Restaurants und anderen Lebensmittelanbietern hängt die Menge der verschwendeten Lebensmittel

    in erheblichem Maße von der Größe der angebotenen Portionen ab. In den letzten Jahren konnte in

    Amerika und in Europa beobachtet werden, dass bei größeren Portionen mehr Kunden ihre Mahlzeit

    nicht beenden. Bei Restaurants mit Buffet fallen Lebensmittelabfälle vor allem an, wenn zu viele Speisen

    gekocht werden, die nicht aufbewahrt oder zu einem späteren Zeitpunkt in einem anderen Gericht

    wiederverwendet werden können. Ein Grund ist, dass die Kunden vor allem im gehobenen

    Marktsegment erwarten, dass immer alle Speisen reichlich angeboten werden, und dass sie die Betreiber

    so zwingen, wesentlich mehr Speisen zuzubereiten, als konsumiert werden.

    Auch einige logistische Probleme tragen zu Lebensmittelverlusten im Bewirtungssektor bei: Aufgrund

    der unterschiedlich hohen Anzahl von Gästen sind die Restaurantmanager nicht in der Lage, genau die

    notwendigen Lebensmittelmengen zu kaufen. Durch Reservierungen können die benötigten Mengen

    besser eingeschätzt werden, aber in einigen Arten von Restaurants wie zum Beispiel Cafeterias sind

    diese nicht üblich. Wenn es ein Buffet gibt, kann die Nachfrage durch die Reservierung nur bis zu einem

    gewissen Grad im Voraus berechnet werden.

    Wenn Speisereste wiederverwendet oder erneut angeboten werden, muss es genügend Raum für die

    Kühlung geben. In Stresssituationen ist es jedoch oft einfacher, Lebensmittel zu entsorgen, als sie zu

    verpacken und einzufrieren. Außerdem ist die Wiederverwendung von Resten schwierig, da viele

    Betreiber ihre täglichen Angebote im Voraus festlegen und daher nicht flexibel genug sind, ihren

    Speiseplan zu ändern. In den meisten Einrichtungen werden die Lebensmittelabfälle nicht getrennt

    gesammelt und gewogen. Die Menge der Lebensmittelabfälle bleibt daher nicht erfassbar, d. h. es gibt

    diesbezüglich keine Messungen und keine Überlegungen zu möglichen Verbesserungen der internen

    Arbeitsabläufe, um die Verwendung der Lebensmittel effizienter zu machen.

    Auch Rechtsvorschriften spielen im Verpflegungsbereich eine wichtige Rolle. Aufgrund der

    hygienischen Anforderungen dürfen Lebensmittelreste nur weitergegeben werden, wenn sie die Küche

    nicht verlassen haben. Die Zwei—Stunden-Garantie für ungekühlte Produkte (Teil des

    „Lebensmittelpakets“ der EU) führt zu Lebensmittelverschwendung, da die Lebensmittellieferanten in

    der Regel in Kühlanlagen aufbewahrte Produkte wegwerfen müssen, wenn sie länger als zwei Stunden

    zum Verkauf angeboten wurden. Waarts et al. (2011) stellten außerdem fest, dass die von

    Lebensmittellieferanten, Großhändlern und Restmengenverarbeitern angewendeten Normen oft

    strenger sind als die gesetzlichen Auflagen, um Haftungsrisiken und Reputationsschäden zu vermeiden.

  • Technologische Optionen zur Ernährung von 10 Milliarden Menschen – Optionen zur Bekämpfung der

    Lebensmittelverschwendung

    7

    4.5 Verluste in privaten Haushalten

    Verschiedene Studien belegen, dass bei steigendem Wohlstand tendenziell auch die

    Lebensmittelverschwendung zunimmt. Auch in Ländern mit einem niedrigen bis mittleren

    Durchschnittseinkommen tendieren die wohlhabenderen Teile der Bevölkerung zu einem

    verschwenderischen Umgang mit Lebensmitteln. Außerdem ist der Weltmarktpreis für Lebensmittel im

    letzten Jahrhundert kontinuierlich zurückgegangen und ist demgegenüber im ersten Jahrzehnt des

    neuen Jahrhunderts nur geringfügig gestiegen. Folglich schrumpft der Anteil am Familieneinkommen,

    der für Lebensmittel ausgegeben wird, immer weiter. Während ein durchschnittlicher Haushalt zu

    Beginn des 20. Jahrhunderts mehr als die Hälfte seines verfügbaren Einkommens für Lebensmittel

    ausgeben musste, schwankt dieser Anteil in der EU-27 jetzt zwischen weniger als 10 % und höchstens

    20 %. Aufgrund dieser Entwicklung wird den Lebensmitteln auch weniger Wertschätzung

    entgegengebracht (Gerstberger & Yaneva 2013).

    Auch der demographische Wandel beeinflusst die Erzeugung von Lebensmittelabfällen. Durch die

    Zunahme der Einpersonenhaushalte in den Industrieländern werden immer mehr Lebensmittel

    weggeworfen. Die Lebensmittelabfälle pro Person sind in Einpersonenhaushalten höher als in größeren

    Haushalten, da die Lebensmittel nicht geteilt werden können. Eine dritte Tendenz, die sich auf den

    Umgang mit Lebensmitteln auswirkt, ist die steigende Zahl von erwerbstätigen Frauen. Aufgrund der

    Mehrfachbelastung durch Arbeit und Familie steht ihnen weniger Zeit zum Einkaufen zur Verfügung,

    und es wird schwieriger, täglich Lebensmittel zu kaufen. Daher werden größere Mengen gekauft, die

    eine Woche überdauern müssen, wobei die Wahrscheinlichkeit steigt, dass bestimmte Lebensmittel

    unberührt entsorgt werden. Es ist empirisch belegt, dass Personen mit einer Vollzeitbeschäftigung mehr

    Lebensmittel wegwerfen.

    Auch die Verhaltensmuster der Haushalte spielen eine wichtige Rolle beim Entstehen von

    Lebensmittelabfällen. Die Verbraucher organisieren ihre täglichen Einkäufe schlecht und kaufen mehr,

    als sie benötigen. Das große Angebot an Lebensmitteln und Sonderangeboten verführt die Verbraucher,

    neue und unbekannte Produkte auszuprobieren. Ein Teil der Lebensmittel wird entsorgt, da die

    Verbraucher sie zum ersten Mal gekauft haben und sie ihnen nicht schmecken. Große Produkteinheiten

    verringern den Bedarf an Verpackungsmaterial und an Verpackungsabfällen. Die Produkte können aber

    oft nicht vollständig aufgebraucht werden, obwohl die Lebensmittel noch frisch sind. Kleinere

    Packungsgrößen sind im Vergleich zu den größeren viel teurer. Außerdem sind die Verbraucher über

    den angemessenen Umgang mit Lebensmitteln hinsichtlich der Lagerung und Aufbewahrung oft

    schlecht informiert.

    Gemäß den EU-Vorschriften zur Lebensmittelkennzeichnung muss die Mindesthaltbarkeit von

    Erzeugnissen in Fertigpackungen auf der Verpackung angegeben werden. Es gibt hauptsächlich zwei

    wichtige Hinweise zum Verfallsdatum: das Mindesthaltbarkeitsdatum und das Verbrauchsdatum.

    Während das Verbrauchsdatum den letzten Tag angibt, an dem der Konsum des Produkts aus Sicht der

    Lebensmittelsicherheit (z. B. für Hackfleisch, rohen Fisch) empfohlen wird, bezieht sich das

    Mindesthaltbarkeitsdatum nicht auf die Lebensmittelsicherheit. Es kann als Haftungsgarantie des

    Herstellers angesehen werden, und der Verzehr der Lebensmittel nach diesem Datum müsste noch

    sicher sein. Es gibt jedoch viel Verwirrung bezüglich der Bedeutung dieser Aufschriften, die zu

    zusätzlicher Lebensmittelverschwendung führt. Verschiedene empirische Studien zum Verhalten der

    Haushalte in der EU belegen, dass abgelaufene Mindesthaltbarkeitsdaten eine häufige Ursache für die

    Entsorgung von Lebensmitteln durch die Haushalte sind, da die Verbraucher beide Ausdrücke mit dem

    Verderb und der Ungenießbarkeit der Produkte verbinden.

    In Tabelle 1 wird eine Zusammenfassung der wichtigsten Faktoren erstellt, die in den verschiedenen

    Phasen der Lebensmittelversorgungskette zur Lebensmittelverschwendung beitragen.

  • STOA - Bewertung wissenschaftlicher und technologischer Optionen.

    8

    Tabelle 1: Zusammenfassung der wichtigsten Faktoren, die in den verschiedenen Phasen der

    Lebensmittelversorgungskette in den Industrieländern zur Lebensmittelverschwendung beitragen

    Phasen Verantwortliche Faktoren

    Landwirtschaftliche

    Produktion

    Aussortierung der Produkte im landwirtschaftlichen Betrieb wegen

    strenger Qualitätsanforderungen der Großhändler bezüglich des

    Gewichts, der Größe, der Form und des Aussehens

    Marktpreise, die den Aufwand für die Ernte nicht rechtfertigen

    Überproduktion aufgrund der Lieferverträge mit

    Einzelhandelsketten

    Beschädigung der Kulturpflanzen während der Ernte

    Herstellung

    Produkte in einer von der Norm abweichenden Größe werden

    zurechtgeschnitten oder ganz abgelehnt

    ungleiche Herstellungsverfahren führen zu unförmigen oder

    beschädigten Produkten

    Qualitätsverlust während des Produktionsverfahrens durch

    Kontamination

    Verderben der Lebensmittel durch Probleme mit der Verpackung

    Überschussproduktion der eigenen Handelsmarken von

    Supermärkten, die nicht anderweitig verkauft werden können

    überschüssige Lagerbestände durch Rücknahmesysteme und

    Annullierung von Bestellungen

    Vertrieb und Groß-

    /Einzelhandel

    Mangel an Kühllagern/Unterbrechung der Kältekette

    Verpackungsmängel, die zur Beschädigung der Produkte führen

    Überschüssige Lagerhaltung aufgrund ungenauer Bestellungen und

    Nachfrageprognosen

    Verpflichtung der Einzelhändler, eine breite Palette an Produkten

    und Marken desselben Herstellers zu bestellen, um Vorteilspreise

    nutzen zu können

    Nichteinhaltung der Mindeststandards für Lebensmittelsicherheit

    (z. B. mikrobielle Kontamination, Pestizidrückstände)

    Marketingstrategien wie „Zwei zum Preis von einem“

    Bewirtung und

    Verpflegung

    zu große Portionen

    Buffetangebote zu Pauschalpreisen, die Menschen dazu anregen,

    mehr zu nehmen, als sie essen können

    Unterscheidung zwischen Verpackungen für die Verpflegung in

    Hotels und Restaurants (z. B. für Marmelade, Getreideflocken, Saft

    und Milch) und einzelnen Portionspackungen, die nicht den

    Bedürfnissen der Kunden entsprechen

    Schwierigkeiten bei der Bewertung der Nachfrage (Anzahl der

    Kunden)

    EU-Hygienevorschriften, z. B. Zwei-Stunden-Garantie für

    ungekühlte Produkte

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    Lebensmittelverschwendung

    9

    Haushalte

    Mangelnde(s) Planung/Wissen bezüglich des Einkaufs und der

    Lagerung der Lebensmittel

    Spontankauf (Kauf von Produkten, die nicht benötigt werden)

    Kauf neuer Produkte, die der Verbraucher dann „nicht mag“

    unangemessene Größe der Verpackung (z. B. zu große

    Fertiggerichte)

    schlechte Aufbewahrung (z. B. unangemessene Umhüllung)

    Verwirrung der Datumsangaben (Mindesthaltbarkeitsdatum und

    Verbrauchsdatum)

    Mangelnde Techniken und Fähigkeiten bei der Zubereitung der

    Lebensmittel

    Wenig Erfahrung bei der Planung der Mahlzeiten

    Zubereitung zu üppiger Mahlzeiten

    Mangelnde Fähigkeiten zur Wiederverwendung der Reste in neuen

    Gerichten

    Quellen: Parfitt et al. (2010); Monier et al. (2010); Gustavsson et al. (2011); BFCN (2012); IMECHE (2013)

    5. VERFÜGBARE DATEN UND DEREN ZUVERLÄSSIGKEIT

    Es gibt im Zusammenhang mit gesamteuropäischen Daten zur Entstehung von Lebensmittelabfällen

    hauptsächlich zwei Studien: Die Studie des Bio Intelligence Service (BIOIS) im Auftrag der Kommission

    (Monier et al. 2010) und jene des Swedish Institute for Food and Biotechnology (SIK) im Auftrag der

    FAO (Gustavsson et al. 2011, 2013). In beiden Studien sind Stärken und Schwächen erkennbar. In der

    BIOIS-Studie wird die Erzeugung von Lebensmittelabfällen in verschiedenen Phasen der

    Lebensmittelversorgungskette der EU-27 geprüft. Diese Studie schließt die landwirtschaftliche

    Produktion aus und berücksichtigt nicht die verschiedenen Produktgruppen. Die SIK-Studie behandelt

    die Erzeugung von Lebensmittelabfällen in verschiedenen Phasen der Lebensmittelversorgungskette,

    einschließlich der landwirtschaftlichen Produktion und der Analyse der Produktarten. Im Gegensatz zur

    BIOIS-Studie ist die SIK-Studie global ausgerichtet und teilt die Welt in unterschiedliche Regionen ein.

    Die Gruppe der Länder mit mittlerem/hohem Einkommen schließt die EU-27, Russland und andere

    europäische Länder ein, die nicht zur EU gehören. Die SIK-Studie beruht auf Daten der

    Statistikdatenbank FAOSTAT aus dem Jahr 2007, während die BIOIS-Studie auf EUROSTAT-Daten aus

    dem Jahr 2006 und verschiedenen nationalen Quellen beruht.

    5.1 Berechnungen auf der Grundlage der FAOSTAT-Daten und der SIK-

    Methode

    Für die BIOIS-Studie wurde eine Mischung von Daten verwendet, die von EUROSTAT sowie aus

    nationalen Studien und von BIOIS erstellten Extrapolationen stammen. Alle von BIOIS angegebenen

    Zahlen müssen als annähernde Schätzungen angesehen werden, die auf den besten verfügbaren Daten

    beruhen. Trotzdem gibt es berechtigte Zweifel darüber, ob sie wirklich die Menge der in den

    verschiedenen Phasen der Lebensmittelversorgungskette anfallenden Lebensmittelabfälle reflektieren.

    Die EUROSTAT-Daten (vor allem in Bezug auf den Herstellungsbereich verwendet) werden von den

    einzelnen Mitgliedstaaten übermittelt, es gibt jedoch keine einheitliche Methode für die Sammlung und

    Verarbeitung dieser Daten. In den von BIOIS angestellten Extrapolationen (hauptsächlich für Groß- und

    Einzelhandel und den Sektor der Lebensmitteldienste/Verpflegungssektor) werden Durchschnittswerte

    verwendet, die auf sehr wenigen nationalen Studien beruhen. Außerdem werden aufgrund dieser

    Methode alle bestehenden Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten vermischt. Es wird davon

    ausgegangen, dass nationale Studien sorgfältiger durchgeführt werden und zuverlässigere Daten liefern.

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    10

    Trotzdem gibt es große Unterschiede bei den Definitionen und Berechnungsmethoden der einzelnen

    Mitgliedstaaten, wodurch die Vergleichbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt wird.

    Um die Ergebnisse der BIOIS-Studie einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen, wurden

    Modellrechnungen auf der Grundlage der FAOSTAT-Daten und der von SIK zur Verfügung gestellten

    Methode (Gustavsson et al. 2013) durchgeführt. Diese Berechnungen wurden für verschiedene

    Lebensmittelgruppen der Lebensmittelversorgungskette in jedem der EU-27-Länder getrennt

    vorgenommen. Um einen Vergleich mit den Ergebnissen der BIOIS-Studie zu ermöglichen, wurden für

    die Berechnungen die FAOSTAT-Daten des Jahres 2006 verwendet.

    Die verwendete Methode ermöglicht die Aufdeckung von „Hotspots“ (z. B. Länder, Lebensmittelarten,

    Phasen der Lebensmittelversorgungskette), die am meisten für die Lebensmittelverschwendung

    verantwortlich sind. Aufgrund der Tatsache, dass alle Phasen der Lebensmittelversorgungskette in

    erheblichem Maße angepasst werden können, haben die Lebensmittelverluste in einer bestimmten Phase

    der Lebensmittelversorgungskette erhebliche Auswirkungen auf die Eingangsdaten aller folgenden

    Phasen. Dadurch können Konflikte vermieden werden, die aus der Verwendung von Daten aus

    unterschiedlichen Quellen entstehen.

    Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass es zahlreiche Einschränkungen gibt, die die Zuverlässigkeit der

    Daten begrenzen. Die vom SIK angegebenen prozentualen Lebensmittelverluste in den einzelnen Phasen

    der Lebensmittelversorgungskette stellen in den meisten Fällen Durchschnittswerte für alle

    europäischen Länder dar und berücksichtigen daher nicht länderspezifische Gegebenheiten. Die

    Ergebnisse zeigen hauptsächlich die Unterschiede der Nahrungsmittelbilanz zwischen den einzelnen

    Ländern. Trotzdem bietet dieser Ansatz eine Plausibilitätsprüfung der Ergebnisse anderer Studien und

    ermöglicht eine bessere Auslegung der verfügbaren Daten.

    5.2 Ergebnisse der Berechnungen im Vergleich zu den Erkenntnissen der BIOIS-

    Studie

    In Abbildung 1 werden die Beiträge der einzelnen Phasen der Lebensmittelversorgungskette zur

    Gesamtmenge der Lebensmittelabfälle in der EU-27 angegeben. Die Abbildung zeigt, dass in der ersten

    und in der letzten Phase der Lebensmittelversorgungskette am meisten Lebensmittelabfälle anfallen. Die

    Erkenntnis, dass die landwirtschaftliche Produktion, die Behandlung nach der Ernte und die Lagerung

    in der EU-27 in erheblichem Maße zur gesamten Lebensmittelverschwendung beitragen, steht in einem

    gewissen Widerspruch mit den Ergebnissen anderer Studien. Nach herrschender Meinung können

    Verluste in der Primärproduktion in den Industrieländern im Gegensatz zu den Entwicklungsländern

    vernachlässigt werden.

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    Lebensmittelverschwendung

    11

    Abbildung 1: Anteile der verschiedenen Phasen der Lebensmittelversorgungskette an der gesamten

    Entstehung von Lebensmittelabfällen in der EU-27 (ITAS-Berechnungen)

    Den Berechnungen zufolge gibt es sowohl in den südeuropäischen Ländern Zypern, Spanien,

    Griechenland und Italien als auch in den Niederlanden, Belgien und Polen hohe Abfallquoten. Alle

    dieser Länder haben einen extensiven Produktionszweig für landwirtschaftliche Erzeugnisse, daher

    wird ein hoher Anteil der erzeugten Lebensmittel exportiert und folglich nicht im Land konsumiert.

    Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass der Agrarsektor in eine europäische Strategie zur Verringerung

    der Lebensmittelverschwendung einbezogen werden sollte. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen

    anderer Studien zeigen die ITAS-Berechnungen, dass die Haushalte im Vergleich zu allen anderen

    Phasen der Lebensmittelversorgungskette für den größten Anteil der Lebensmittelabfälle verantwortlich

    sind. Daher sollte das Verhalten der Endverbraucher bei der Entwicklung von präventiven Maßnahmen

    im Mittelpunkt stehen, ohne jedoch die vorangehenden Phasen der Lebensmittelversorgungskette zu

    vernachlässigen.

    Abbildung 2 zeigt die Lebensmittelabfälle in kg pro Kopf für das Jahr 2006 in absteigender Reihenfolge

    auf der Grundlage der durchgeführten Berechnungen. Da die BIOIS-Studie die ersten beiden Phasen der

    Lebensmittelversorgungskette (landwirtschaftliche Produktion und Behandlung nach der Ernte und

    Lagerung) ausschließt und sich nur auf die nachgelagerten Phasen bezieht, beruhen die im Rahmen

    dieser Studie durchgeführten Berechnungen auf demselben Bezugsrahmen. Die Abbildung zeigt eine

    verhältnismäßig gute Übereinstimmung der Ergebnisse. Ausnahmen sind die Niederlande, Belgien und

    Polen, wo die auf EUROSTAT-Daten beruhenden Zahlen des BIOIS nicht plausibel sind, da sie nicht

    durch technologische Ineffizienzen oder die Größe der Lebensmittelindustrie in diesen Ländern erklärt

    werden können.

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    12

    Abbildung 2: Lebensmittelabfälle pro Kopf, mit Ausnahme der Landwirtschaft und der Behandlung

    nach der Ernte – Vergleich der ITAS-Berechnungen mit den BIOIS-Ergebnissen für die EU-27 im

    Jahr 2006

    Es gibt auch erhebliche Unterschiede z. B. in Bezug auf Griechenland, Rumänien, Slowenien, Malta und

    die Tschechische Republik (die Daten der BIOIS-Studie sind weitaus niedriger) sowie auf Estland und

    Zypern (die Daten der BIOIS-Studie sind viel höher). Diese Unstimmigkeiten könnten unter Umständen

    darauf zurückzuführen sein, dass die von BIOIS verwendeten Daten aus den Ergebnissen anderer

    Länder extrapoliert wurden, da es keine empirischen Beweise gibt. Ein weiterer Grund könnte sein, dass

    die vom SIK angegebenen Prozentsätze für die verschiedenen Phasen der Lebensmittelversorgungskette

    nicht zwischen den Ländern differenzieren. Dadurch wird betont, wie wichtig bessere und

    zuverlässigere Daten zur in den verschiedenen Mitgliedstaaten anfallenden

    Lebensmittelverschwendung in den verschiedenen Phasen der Lebensmittelversorgungskette und

    Lebensmittelgruppen sind.

    Um den Vergleich der ITAS-Berechnungen mit den Ergebnissen der BIOIS-Studie abzuschließen, wird in

    Abbildung 3 die Entstehung der Lebensmittelabfälle in den Haushalten dargestellt. In dieser

    Abbildung wurden die EU-27-Länder nach den Quellen der Daten für den Bereich der Haushalte in der

    BIOIS-Studie eingeteilt. Für die Länder auf der linken Seite der Abbildung (Griechenland bis Bulgarien)

    berechnete BIOIS die Lebensmittelabfälle auf der Grundlage eines „Mindestszenarios“. Für alle diese

    Länder ist die von BIOIS geschätzte Menge der Lebensmittelabfälle (kg pro Kopf) viel niedriger als die

    von ITAS berechneten Beträge. Das könnte daran liegen, dass die von BIOIS gewählten Werte für das

    Mindestszenario zu niedrig sind.

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    Lebensmittelverschwendung

    13

    Abbildung 3: Entstehung der Lebensmittelabfälle pro Kopf in den Haushalten - Vergleich der ITAS-

    Berechnungen mit den BIOIS-Ergebnissen für die EU-27 im Jahr 2006

    Für die auf der rechten Seite der Abbildung 3 dargestellten Länder wurden in der BIOIS-Studie Daten

    der nationalen Studien oder von EUROSTAT verwendet. Die Übereinstimmung ist hier in der Regel

    höher als bei den Ländern auf der linken Seite. Größere Unterschiede können für Italien, Polen, Irland

    und Estland festgestellt werden, was auf die Unzuverlässigkeit der EUROSTAT-Daten zurückgeführt

    werden kann. Die Angaben für Italien in der BIOIS-Studie sind viel niedriger als die für andere Länder

    mit einem vergleichbaren Lebensstandard und verfügbaren Haushaltseinkommen, sie erscheinen daher

    nicht plausibel.

    6. ABFALLVERHALTEN IN DEN HAUSHALTEN

    Es gibt deutliche Unterschiede bezüglich des Abfallverhaltens der Haushalte in Bezug auf die einzelnen

    Lebensmittelgruppen, die anhand verschiedener methodischer Ansätze studiert werden können. Die

    verfügbaren nationalen Studien stützten sich auf Haushaltserhebungen, die manchmal mit

    Haushaltsabrechnungen oder Analysen der Abfallzusammensetzung kombiniert werden. Beide Ansätze

    haben Vor- und Nachteile.

    Die Durchführung von Haushaltserhebungen ist methodisch einfach, kann aber meistens nur qualitative

    Informationen liefern, da quantitative Schätzungen aus dem Gedächtnis in Bezug auf das Gewicht der

    gekauften und weggeworfenen Lebensmittel sehr fehleranfällig sind. Die Erfahrungen zeigen außerdem,

    dass die Verbraucher ihre Lebensmittelverluste erheblich unterschätzen, wenn sie selbst Auskunft

    darüber geben. Das Führen von Haushaltsabrechnungen liefert zuverlässige Daten, ist aber für die

    Testpersonen sehr zeitaufwendig und könnte aufgrund der bewussten Teilnahme zu einer Veränderung

    in Bezug auf den Umgang mit Lebensmitteln führen. Dies gilt umso mehr, als das Thema der

    „Lebensmittelverschwendung“ mit emotionalen und moralischen Bewertungen verbunden ist. Die

    Analyse der Abfallzusammensetzung kann ohne das Wissen und die aktive Beteiligung der Haushalte

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    14

    durchgeführt werden und gilt als objektivste und genaueste Methode für die Feststellung der Menge der

    Lebensmittelabfälle auf der Verbraucherebene. Der Schwachpunkt dieses Ansatzes ist, dass es keine

    international genormte Methodik für die Sammlung und keine einheitlichen Definitionen gibt.

    Die meisten verfügbaren Studien verwenden den zweiten Ansatz und geben die Lebensmittelabfälle als

    Prozentsatz der Haushaltsabfälle an. Tabelle 2 bietet eine Übersicht über die Abfallzusammensetzung

    der Haushalte in verschiedenen europäischen Ländern.

    Tabelle 2: Zusammensetzung der Lebensmittelabfälle der Haushalte in sieben europäischen Ländern

    in Prozent

    Zielgebiet

    Fleisch

    und

    Fisch

    Milchprodukte Frisches

    Gemüse

    Frisches

    Obst Backwaren Gerichte Sonstiges

    UK1 9 8 27 16 11 10 19

    Niederlande2 6 13 23 10 17 18 13

    Schweden3 10 3 38 15 27 8

    Norwegen4 10 6 31 27 15 11

    Finnland5 7 17 19 13 13 18 6

    Österreich6 12 15 13 8 13 15 24

    Deutschland7 7 9 27 19 16 13 9

    1(Johnson & Quested 2009), 2(van Westerhoven & Steenhuisen 2010), 3(Andersson 2012), 4(Syversen & Marthinsen

    2010), 5(Silvennoinen et al. 2012), 6(Schneider 2008), 7(Hafner et al. 2012)

    Die Tabelle zeigt, dass in allen untersuchten Ländern frisches Obst und Gemüse bei der

    Zusammensetzung der Lebensmittelabfälle der Haushalte den größten Anteil ausmachen, gefolgt von

    Backwaren und Fertiggerichten. Diese Ergebnisse werden durch die Berechnungen der vorliegenden

    Studie bestätigt. Abbildung 4 zeigt die Prozentsätze der verschiedenen Nahrungsmittelarten an den

    gesamten Lebensmittelabfällen im Haushaltssektor in den verschiedenen Ländern. In den meisten EU-

    Mitgliedstaaten ist die häufigste Lebensmittelart in diesem Zusammenhang Obst und Gemüse, gefolgt

    von Getreideprodukten. Der Anteil an Fleisch und Fisch an den gesamten Lebensmittelabfällen ist

    verhältnismäßig klein, der Anteil an Ölsaaten und Hülsenfrüchten kann vernachlässigt werden.

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    Lebensmittelverschwendung

    15

    Abbildung 4: Anteile der verschiedenen Lebensmittelarten an den gesamten Lebensmittelabfällen im

    Haushaltssektor in der EU-27 im Jahr 2006 (ITAS-Berechnungen)

    Wenn man die Entstehung der Lebensmittelabfälle in den Haushalten nach Ländern und

    Lebensmittelarten unterteilt genauer untersucht, ergibt sich aus den im Rahmen dieser Studie

    angestellten Berechnungen folgendes Bild: Die höchsten Abfallquoten für Obst und Gemüse sind in den

    südeuropäischen Ländern wie Zypern, Italien, Griechenland, Spanien, Malta und Portugal, aber auch in

    Luxemburg, Frankreich, Ungarn und Rumänien erkennbar. Die höchsten Abfallquoten für

    Getreideprodukte gibt es in osteuropäischen Ländern wie Bulgarien, in der Slowakei und in der

    Tschechischen Republik. In den osteuropäischen Ländern wie Polen, Estland, Lettland und Litauen, aber

    auch in Dänemark und im Vereinigten Königreich sind die Abfallquoten für Wurzelgemüse und Knollen

    am höchsten. In Bezug auf Milch und Eier haben die nordeuropäischen Länder wie Schweden, Finnland

    und die Niederlande und die mitteleuropäischen Länder Luxemburg und Deutschland, aber auch

    Litauen die höchsten Abfallquoten. Die Abfallquoten für Fleisch sind in der EU-27 ungefähr gleich hoch.

    Die höchsten Abfallquoten für Fisch können in den südeuropäischen Ländern wie Portugal und Spanien,

    aber auch in nord-, mittel- und osteuropäischen Ländern wie Schweden, Finnland, Frankreich und

    Litauen festgestellt werden. Die Menge der weggeworfenen Ölsaaten und Hülsenfrüchte kann in allen

    Mitgliedstaaten vernachlässigt werden.

    Die Ergebnisse der Berechnungen entsprechen also den Erkenntnissen anderer Studien zu den

    Unterschieden in den Ernährungsgewohnheiten der EU-27. Mit ihrem Anschluss an die EU gaben die

    südeuropäischen Länder (Spanien, Portugal, Italien, Griechenland und Zypern) nach und nach ihre

    traditionelle Ernährungsweise auf und übernahmen die Essgewohnheiten der Kernmitgliedstaaten der

    EU. In den vergangenen 40 Jahren haben die Mittelmeerländer ihren Fleischkonsum deutlich erhöht und

    scheinen jetzt in Bezug auf die Verfügbarkeit von Rotfleisch sogar die mittel- und nordeuropäischen

    Länder zu überholen. Entsprechend wurden die in den 1960er-Jahren festgestellten großen Unterschiede

    zwischen den Mittelmeerländern und den mittel- und nordeuropäischen Ländern in Bezug auf den

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    16

    Konsum von Obst und Gemüse angeglichen (Naska et al. 2006). Trotz der Harmonisierung der

    Essgewohnheiten gibt es jedoch noch immer erhebliche Unterschiede. Im Mittelmeerraum werden

    beispielsweise mehr Rotfleisch, Fisch und Meeresfrüchte und auch mehr Obst und Gemüse verzehrt als

    im Rest Europas. Diese sind leicht verderbliche Produkte, und vor allem aufgrund der

    Wetterbedingungen des Südens führt dies zu überdurchschnittlichen Lebensmittelverlusten im

    Haushalt.

    7. FOLGEN DER LEBENSMITTELVERSCHWENDUNG

    Die Nahrungsmittelerzeugung ist einer der Produktionsbereiche mit dem höchsten

    Ressourcenverbrauch und ein großer Emittent von Schadstoffen. Die direkten Emissionen aus der

    Landwirtschaft erfolgen vor allem als Methan und Distickstoffoxid, die eine viel stärkere Auswirkung

    auf den Klimawandel haben als Kohlendioxid. Die wichtigsten Quellen von Treibhausgasemissionen aus

    der Landwirtschaft sind der Einsatz mineralischer Düngemittel, die Tierhaltung und der Reisanbau.

    Auch der Umbruch von Grünland in Ackerflächen kann in erheblichem Maße zur Freisetzung von

    Treibhausgasen beitragen. Bei der Bewässerungslandwirtschaft werden etwa 70 % der weltweiten

    Süßwasserressourcen verbraucht. Der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden und die durch den

    Einsatz von schweren Maschinen verursachte Bodenverdichtung belasten die Böden und das

    Grundwasser. Die Ausweitung der Intensivlandwirtschaft, die Zunahme von Monokulturen und das

    Vordringen der Agrarproduktion in ökologisch sensible Gebiete haben einen Rückgang der Artenvielfalt

    und eine Verschlechterung der Ökosystemleistungen zur Folge. Die Lebensmittelverschwendung ist

    nicht nur mit Umweltbelastungen verbunden, sondern auch mit wirtschaftlichen Verlusten entlang der

    gesamten Lebensmittelversorgungskette.

    7.1 Ressourcenverbrauch

    Ein verantwortungsvollerer und effizienterer Umgang mit den erzeugten Lebensmitteln würde zur

    Einsparung von Ressourcen in Form von Fläche, Wasser, Energie, Produktionsmitteln und Arbeitskraft

    führen. Die freigesetzten landwirtschaftlichen Produktionskapazitäten könnten für andere Zwecke zur

    Verfügung gestellt werden.

    Ein wichtiger Bereich im Zusammenhang mit der Landnutzung und der Lebensmittelproduktion sind

    indirekte Landnutzungsänderungen (ILUC). Durch die Einfuhr von Lebensmitteln aus Schwellen- und

    Entwicklungsländern werden die Herstellungsorte ins Ausland verlegt. Da die Nachfrage nach

    Agrarerzeugnissen kontinuierlich steigt und die Bodenproduktivität nur bis zu einem gewissen Punkt

    verbessert werden kann, erfolgen in anderen Regionen die Flächenumwandlung als Abholzung der

    tropischen Regenwälder, Umwidmung von natürlichem Grünland für den Ackerbau und Erweiterung

    der landwirtschaftlichen Nutzfläche auf Kosten der geschützten Gebiete. Die Änderungen der

    Essgewohnheiten wie beispielsweise der höhere Fleischkonsum können zu häufigeren

    Landnutzungsänderungen in anderen Teilen der Welt beitragen.

    Auf ähnliche Weise könnte durch die Vermeidung von Lebensmittelverlusten der sog. „Wasser-

    Fußabdruck“ reduziert werden. Der über mehrere Jahre hinweg weltweit systematisch aufgezeichnete

    Wasser-Fußabdruck setzt sich aus dem direkten und dem indirekten Wasserverbrauch zusammen. Der

    direkte Verbrauch bezieht sich auf die Wassermenge, die im Haushalt beispielsweise zum Kochen,

    Waschen und Reinigen genutzt wird. Der indirekte Verbrauch bezieht sich auf die Wassermenge, die im

    eigenen Land und in anderen Ländern für die Waren verbraucht wird, die auf nationaler Ebene

    konsumiert werden. Um dieses in Produkten aller Art (Nahrungsmittel, Kleidung, Papier, technische

    Produkte) verborgene Wasser anzugeben, hat sich der Begriff „virtuelles Wasser“ eingebürgert.

    Der indirekte Wasserverbrauch in Deutschland beispielsweise ist drei Mal höher als der direkte

    Wasserverbrauch. Mehr als zwei Drittel des indirekten Wasserverbrauchs in Deutschland entsteht bei

  • Technologische Optionen zur Ernährung von 10 Milliarden Menschen – Optionen zur Bekämpfung der

    Lebensmittelverschwendung

    17

    der Herstellung von landwirtschaftlichen Kulturpflanzen, fast ein Drittel durch die Herstellung

    tierischer Erzeugnisse. Die meisten der in Deutschland konsumierten landwirtschaftlichen

    Kulturpflanzen (etwa 59 %) werden importiert, und damit auch das für den Anbau und die

    Verarbeitung verbrauchte Wasser. Das bedeutet, dass die heimischen Wasserressourcen auf Kosten jener

    der Herstellerländer gespart werden (Sonnenberg et al. 2009). Dies ist besonders problematisch, da ein

    Teil der importierten Produkte aus trockenen Gebieten mit ungünstigen hydrologischen Bedingungen

    kommt. Für den Anbau von Kulturpflanzen in trockenen Gebieten wird in zunehmendem Umfang

    künstliche Bewässerung eingesetzt. Dies führt zu einer Belastung der natürlichen Wasserressourcen und

    zu Konflikten der anderen Nutzer des Wassers. Zu den Produkten mit einem sehr hohen Wasser-

    Abdruck gehören Kakao, Kaffee, Rindfleisch, Reis, Weizen, Milch und Äpfel. Ein bewussterer Umgang

    mit diesen Produkten würde die Wasserressourcen entlasten.

    Ergänzend zur Schonung der Ressourcen würde ein effizienterer Umgang mit Lebensmitteln die

    Emissionen aus der Landwirtschaft reduzieren. Verschiedene Studien belegen, dass die höchsten

    Emissionen bei der Produktion tierischer Erzeugnisse entstehen, auch wenn diese im Vergleich zu Obst,

    Gemüse und Backwaren verhältnismäßig selten weggeworfen werden. In Abbildung 5 wird der

    Material- und Kohlendioxid-Fußabdruck verschiedener Lebensmittelarten in Bezug auf die jährlichen

    Lebensmittelabfälle in Deutschland angegeben.

    Abbildung 5: Material- und Kohlendioxid-Fußabdruck der jährlichen Pro-Kopf-

    Lebensmittelverschwendung in Deutschland, einschließlich der vorgelagerten Stufen der

    Versorgungskette und unterteilt in Produktgruppen

    Quelle: Göbel et al. 2012

    Die Kreisdiagramme zeigen, dass in Deutschland vor allem Obst und Gemüse weggeworfen werden, mit

    einigem Abstand gefolgt von Getreideprodukten. Fleischprodukte werden zwar am wenigsten

    weggeworfen, aber der Material-Fußabdruck für ihre Herstellung und den Transport ist gleich hoch wie

    der für Obst und Gemüse. Auch Milchprodukte sind mit einem hohen Ressourcenverbrauch verbunden.

    Getreideprodukte haben den kleinsten Material-Fußabdruck, auch wenn ihre Abfallquoten höher sind

    als bei Milchprodukten. Entsprechend haben die Herstellung und der Transport der Fleischprodukte

    den größten Kohlendioxid-Fußabdruck, gefolgt von Milchprodukten, Obst und Gemüse.

    7.2 Zunahme der Bioabfälle

    Zu den Umweltauswirkungen der Lebensmittelverschwendung gehören auch Methanemissionen im

    Zusammenhang mit der Ablagerung organischer Abfälle und die notwendige Erweiterung der

    Gesamtkapazität der Mülldeponien. Große Mengen von Lebensmittelabfällen aus dem Haushaltssektor

    bedeuten hohe Kosten für die Sammlung und den Transport sowie für die Trennung und Aufbereitung

    in Abfallbehandlungsanlagen. Biologisch abbaubare Abfälle haben in der Regel einen hohen

    Wassergehalt und entsprechend niedrige Heizwerte, wodurch die Energieabgabe der

  • STOA - Bewertung wissenschaftlicher und technologischer Optionen.

    18

    Verbrennungsanlagen reduziert wird. Daher werden biogene städtische Abfälle weltweit hauptsächlich

    auf Deponien abgelagert. Außerhalb Europas sind nur wenige Deponien mit den nötigen Vorrichtungen

    für die Sammlung und Nutzung von Methan ausgestattet.

    In Europa ist die Ablagerung unbehandelter organischer Abfälle auf Deponien gesetzlich streng

    verboten. Durch die Deponierichtlinie von 1999 werden die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, den Anteil

    der zu den Deponien gebrachten biologisch abbaubaren städtischen Abfälle zu begrenzen. Den in der

    Richtlinie angegebenen rechtsverbindlichen Quoten zufolge muss die Höchstmenge der biologisch

    abbaubaren Abfälle, die auf Deponien abgelagert werden, mit der Zeit reduziert werden und soll bis

    zum Jahr 2006 höchstens 75 % (des Gewichts), bis 2009 höchstens 50 % (des Gewichts) und bis 2016

    höchstens 35 % (des Gewichts) verglichen mit den Werten des Jahres 1995 betragen. Die Mitgliedstaaten,

    die stark auf Deponien angewiesen waren, erhalten einen zusätzlichen Zeitraum von vier Jahren, um die

    Zielwerte der Richtlinie zu erfüllen.

    Aus einer kürzlich angestellten, länderübergreifenden Analyse der Europäischen Umweltagentur geht

    hervor, dass nur elf Länder im Zeitraum 2001 bis 2010 die angefallenen städtischen Pro-Kopf-Abfälle

    reduzieren konnten, während 21 Länder im Jahr 2010 sogar mehr städtische Abfälle pro Kopf erzeugten,

    als im Jahr 2001. Es gibt jedoch eindeutige Anzeichen für eine Entwicklung weg von Deponien und hin

    zu bevorzugten Abfallbehandlungsansätzen, deren Schwerpunkte auf der Vermeidung, der

    Wiederverwendung, dem Recycling und der Wiederverwertung (der Energie) liegen. Die Zahl der

    Länder, die mehr als 75 % ihrer städtischen Abfälle auf Deponien lagern, ist stark gesunken, während es

    mehr Länder gibt, die mehr als ein Viertel ihrer städtischen Abfälle wiederverwerten. Trotzdem lagerten

    die meisten Länder im Jahr 2010 noch mehr als 50 % ihrer städtischen Abfälle auf Deponien ab (EUA

    2013). In Abbildung 6 wird ein Überblick über die Prozentanteile der soliden städtischen Abfälle

    vermittelt, die im Jahr 2010 in der EU-27 deponiert, verbrannt, wiederverwertet und kompostiert

    wurden.

    Abbildung 6: Behandlung der soliden städtischen Abfälle in verschiedenen europäischen Ländern im

    Jahr 2010 Quelle: Eigene Berechnungen beruhend auf EUROSTAT1

    1 http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_SDDS/en/env_wasmun_esms.htm, 31.7.2013

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    Lebensmittelverschwendung

    19

    Fortschritte bei der Verbesserung der Recyclingraten für solide städtische Abfälle ergeben sich

    hauptsächlich durch die Wiederverwertung von Materialien wie Glas, Papier, Metalle, Kunststoffe und

    Textilien, während die Wiederverwertung von biologisch abbaubaren Abfällen schleppend verläuft.

    Gemäß der Kommission (2010) werden noch immer durchschnittlich 40 % der in der EU-27 entstandenen

    biologisch abbaubaren Abfälle deponiert (in einigen Mitgliedstaaten bis zu 100 %). Im Jahr 2009 erfüllten

    elf Länder das 50 %-Ziel, während sieben Mitgliedstaaten bereits im Jahr 2010 das für 2016 festgesetzte

    Ziel von 35 % verwirklicht haben (EUA 2013).

    7.3 Wirtschaftliche Auswirkungen

    Neben den Umweltbelastungen verursacht die Lebensmittelverschwendung sowohl für den einzelnen

    Verbraucher als auch für die Volkswirtschaft erhebliche finanzielle Verluste. Ähnlich wie die

    ökologischen Auswirkungen häufen sich die Verluste entlang der Lebensmittelversorgungskette. Eine

    Tonne Lebensmittelabfälle im Haushaltssektor (d. h. in der letzten Phase der Kette) verursacht daher viel

    höhere wirtschaftliche Kosten als eine Tonne Lebensmittelabfälle im Agrarsektor. Die verfügbaren Daten

    zu den wirtschaftlichen Verlusten beziehen sich in erster Linie auf die Haushalte. Laut der britischen

    Studie des WRAP-Programms „Waste arisings in the supply of food and drink to households“

    (Aufkommen an Abfällen bei der Erzeugung von Lebensmitteln und Getränken für die Haushalte) (Lee

    & Willis 2010) werfen die Haushalte im Vereinigten Königreich 5,3 Millionen Tonnen Lebensmittel pro

    Jahr weg, was einem wirtschaftlichen Wert von 12 Millionen Pfund entspricht.

    8. OPTIONEN FÜR MASSNAHMEN ZUR BEKÄMPFUNG DER

    LEBENSMITTELVERSCHWENDUNG

    In der aktuellen nationalen und internationalen Debatte wurden zahlreiche Ansätze entwickelt und zum

    Teil auch bereits umgesetzt, die die verschiedenen Akteure entlang der Versorgungskette zu einem

    sparsamen und verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln anregen sollen. Die gesamte Studie

    gibt einen Überblick über die vorgeschlagenen Maßnahmen und Instrumente, wobei die in

    verschiedenen Ländern bereits gesammelten Erfahrungen berücksichtigt werden. Der Schwerpunkt liegt

    auf Maßnahmen und Instrumenten, von denen in der Literatur oder in der laufenden Debatte davon

    ausgegangen wird, dass sie besonders nützlich und leicht umsetzbar sind und dass sie die langfristigen

    Ziele verwirklichen können. Aus dieser Untersuchung gingen die folgenden Optionen hervor, die zur

    Verwirklichung des von der Kommission vorgegebenen Zieles als dringend erachtet werden. Sie sind

    sowohl an die europäischen als auch an die nationalen Regierungen gerichtet, die für die Umsetzung der

    vorgeschlagenen Optionen verantwortlich sind.

    Zielsetzung

    Nach der EU-Abfallrahmenrichtlinie sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bis Ende 2013

    Abfallvermeidungspläne zu entwickeln. In diesen Plänen sollen die Mitgliedstaaten unter anderem

    verpflichtende Zielvorgaben für die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung festlegen. Die

    regionalen und lokalen Behörden müssen die nationalen Zielvorgaben in ihrem jeweiligen

    Einflussbereich umsetzen. Zur Messung der Fortschritte und zur Auswertung der Wirksamkeit der

    verschiedenen Maßnahmen sollte in allen Ländern der EU-27 eine regelmäßige Überwachung der

    Lebensmittelverschwendung entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette eingeführt werden.

    Die einzelnen Sektoren wie Herstellung, Einzelhandel und der Bewirtungssektor sollten sich freiwillig

    verpflichten, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren.

  • STOA - Bewertung wissenschaftlicher und technologischer Optionen.

    20

    Verbesserung der Datengrundlagen

    Bei allen verfügbaren Studien wird deutlich, dass der Mangel an zuverlässigen Daten das größte

    Hindernis für die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur Reduzierung der

    Lebensmittelverschwendung darstellt. Um diese Hürde zu überwinden, sollte im Rahmen von

    EUROSTAT eine gemeinsam beschlossene und verbindliche Definition des Begriffs

    „Lebensmittelverschwendung“ festgelegt werden, die zwischen vermeidbarer und unvermeidbarer

    Lebensmittelverschwendung (bezüglich der nicht essbaren Teile der Rohprodukte) und

    Nebenprodukten unterscheidet. Außerdem sollten die Methoden, die von den Mitgliedstaaten zur

    Sammlung und Berechnung von Daten zur Entstehung von Lebensmittelverschwendung verwendet

    werden, vereinheitlicht werden. Um die Überwachung zu erleichtern, sollte auf freiwilliger Basis oder

    verpflichtend die getrennte Sammlung der angefallenen Lebensmittelabfälle in allen Phasen der

    Lebensmittelversorgungskette eingeführt werden.

    Überprüfung der EU-Gesetzgebung zur Lebensmittelsicherheit

    Das gesellschaftliche Ziel, Gefahren für das Leben und die Gesundheit der Verbraucher zu vermeiden,

    ist in mehreren EU-Verordnungen verankert und könnte im Konflikt mit dem Bestreben stehen, die

    Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Strenge Vorschriften gegen die Kontamination,

    Rückstandshöchstgehalte für Pestizide und Veterinärarzneimittel in Lebensmitteln sowie

    Hygienevorschriften für die Verpackung und Lagerung der Lebensmittel sind als wichtige Faktoren für

    das Wegwerfen essbarer Lebensmittel zu betrachten. Daher sollten die derzeitigen Vorschriften zur

    Lebensmittelsicherheit überprüft werden, um Bestimmungen zu ermitteln, die für den Schutz des

    menschlichen Lebens nicht zwingend notwendig sind, sondern zu unnötiger

    Lebensmittelverschwendung führen. Es besteht weiterhin Forschungsbedarf, um festzustellen, welche

    Grenzwerte überarbeitet werden können, ohne die Lebensmittelsicherheit herabzusetzen.

    Änderung der europäischen Vermarktungsnormen

    Aufgrund der Tatsache, dass durch die Aufhebung spezieller Vermarktungsnormen im Jahr 2009 die

    gewünschten Ziele – Reduzierung der Lebensmittelverschwendung und Erhöhung der

    Auswahlmöglichkeiten für die Verbraucher – nicht verwirklicht werden konnten, sollten die

    europäischen Gesetzgeber darüber nachdenken, ob das derzeitige System nicht vollständig aufgegeben

    werden sollte. Kritiker fordern die Einführung neuer Standards, die nicht auf dem äußeren

    Erscheinungsbild der Produkte beruhen, sondern auf der Qualität für den menschlichen Verzehr im

    Hinblick auf den Geschmack, die Naturbelassenheit, den Nährwert und die Anbaubedingungen. Die

    Gestaltung dieses neuen Systems wirft mehrere schwierige Fragen auf, die in enger Zusammenarbeit mit

    Herstellern, Einzelhändlern, zivilgesellschaftlichen Organisationen und wissenschaftlichen

    Sachverständigen geklärt werden müssen.

    Einführung alternativer Vermarktungswege für Agrarprodukte

    Zur Förderung der Vermarktung von Obst und Gemüse, das die europäischen Vermarktungsnormen

    nicht erfüllt, sollten alternative Vermarktungsstrategien angeregt werden. Die Umgehung der

    Zwischenhändler der Lebensmittelversorgung durch direkte Vermarktungssysteme wie beispielsweise

    Bauernmärkte, Erzeugergenossenschaften, solidarische Einkaufsgemeinschaften und Gemeinschaftshöfe

    kann in erheblichem Maße zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung in der Primärproduktion

    beitragen. Die Formen der Vermarktung schaffen eine engere Verbindung zwischen Herstellern und

    Verbrauchern, kürzen die Transportwege und sensibilisieren die Verbraucher für die schwierigen

    Bedingungen der Lebensmittelerzeugung und für ihre natürlichen und saisonbedingten Grenzen.

    Weitere Forschungsarbeiten sind notwendig, um die Vor- und Nachteile dieser Ansätze sowie ihre

    möglichen Rebound-Wirkungen genauer zu überprüfen.

  • Technologische Optionen zur Ernährung von 10 Milliarden Menschen – Optionen zur Bekämpfung der

    Lebensmittelverschwendung

    21

    Rationalisierung der Lebensmittelkennzeichnung

    In verschiedenen Mitgliedstaaten durchgeführte Verbraucherumfragen belegen, dass unter den

    Verbrauchern erhebliche Verwirrung bezüglich der Lebensmittelkennzeichnung und des Unterschieds

    zwischen dem „Mindesthaltbarkeitsdatum“ und dem „Verbrauchsdatum“ besteht. Die europäischen

    Gesetzgeber sollten daher eine Überarbeitung der derzeitigen Vorschriften zur

    Lebensmittelkennzeichnung in Erwägung ziehen, um die visuelle Darstellung der Verfallsdaten zu

    verbessern. Zudem sollte man darüber nachdenken, neue Mindesthaltbarkeitsdaten festzulegen, die der

    tatsächlichen Lagerfähigkeit der Produkte entsprechen, und die Verfallsdaten für unverderbliche

    Lebensmittel abzuschaffen. Die nationalen Regierungen und die Einzelhändler sollten

    Aufklärungskampagnen zur Lebensmittelkennzeichnung einleiten. Der Einzelhandelssektor sollte

    gemeinsam mit der Lebensmittelindustrie über die Abschaffung zusätzlicher Aufschriften wie „Zu

    verkaufen bis“ und die Einführung von Preisnachlässen für Produkte nachdenken, die fast das

    Verfallsdatum erreicht haben.

    Optimierung der Arbeitsabläufe und Management der Lebensmittelversorgungskette

    Die Optimierung der Arbeitsabläufe in der Lebensmittelindustrie ist ein wichtiger Ansatz für einen

    sparsamen Umgang mit Rohstoffen. Die Hersteller sollten die Produktionsanlagen in Übereinstimmung

    mit dem aktuellen Stand der Technologie verwenden und regelmäßig überprüfen. Rückstände sollten

    überwacht und herausgefallene Produkte wieder in den Produktionsprozess integriert werden. Die

    Herstellung sollte so ablaufen, dass die Behälter minimal gereinigt werden müssen und die Zutaten so

    spät wie möglich eingemischt werden. Die Lebensmittelunternehmen sollten die Koordinierung mit den

    Einzelhändlern verbessern, um eine Einigung über die Produktpalette und die erforderlichen Mengen zu

    erzielen. Die Regierungen sollten diese Bemühungen durch spezielle Beratungsprogramme unterstützen.

    Das Ziel sollte die Schaffung eines integrierten Managements der Lebensmittelversorgungskette sein.

    Sensibilisierungskampagnen

    Alle verfügbaren Studien stimmen darin überein, dass die Information und Aufklärung von

    entscheidender Bedeutung sind, um das Verhalten der Verbraucher zu beeinflussen.

    Sensibilisierungskampagnen sollen die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf das Problem der

    Lebensmittelverschwendung lenken und ihren Respekt vor Lebensmitteln erhöhen. Sie belehren

    Verbraucher über einen wirksameren Umgang mit Lebensmitteln und bieten Informationen und

    Ratschläge zum Einkauf, zur Lagerfähigkeit, Aufbewahrung, Zubereitung und Wiederverwendung von

    Lebensmitteln. Die nationalen Regierungen sollten gemeinsam mit Einzelhändlern und dem

    Bewirtungssektor derartige auf verschiedene Zielgruppen abgestimmte Kampagnen einleiten und

    verschiedene Medien hinzuziehen. Die Aufklärung der Verbraucher muss im Kindesalter beginnen;

    daher sollten alle Mitgliedstaaten das Thema des sparsamen und sorgfältigen Umgangs mit

    Lebensmitteln in die Lehrpläne aufnehmen.

    Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung im Bewirtungssektor

    Die Anpassung der Portionen an die tatsächlichen Bedürfnisse der Verbraucher wäre ein einfacher, aber

    wirksamer Ansatz für die Verringerung der Lebensmittelverschwendung im Bewirtungssektor. Dies

    kann auf verschiedene Weisen umgesetzt werden, beispielsweise indem die Verbraucher die Größe der

    Portion zu abgestuften Preisen auswählen können oder indem „All you can eat“-Buffets durch

    „Bezahlung nach Gewicht“-Systeme ersetzt werden. Restaurants und andere Lebensmittelanbieter

    sollten die Möglichkeit haben, verschiedene Optionen für eine bestimmte Zeit zu testen. Wenn sich

    herausstellt, dass sie diese Optionen nicht auf freiwilliger Basis umsetzen, müssen die nationalen

    Gesetzgeber in Erwägung ziehen, die Optionen verpflichtend einzuführen. Neben der Anpassung der

    Größe der Portionen auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Verbraucher sind eine Optimierung der

    internen Abläufe für den Einkauf, die Lagerung und die Kühlung, die Schulung der Angestellten, eine

  • STOA - Bewertung wissenschaftlicher und technologischer Optionen.

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    sorgfältige Menüplanung und die Sammlung und Aufzeichnung der Daten zu den Lebensmittelabfällen

    von höchster Bedeutung für die Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung im Bewirtungssektor.

    Wirtschaftliche Anreize

    Es herrscht breite Übereinstimmung darüber, dass die geringe Wertschätzung der Lebensmittel auf

    ihrem niedrigen Marktwert beruht. In diesem Zusammenhang sind nach Ansicht vieler Experten

    wirtschaftliche Instrumente besonders vielversprechend, um die Wertschätzung der Lebensmittel

    vonseiten der Verbraucher wiederherzustellen. Die Mitgliedstaaten der EU sollten ihre

    Steuervorschriften, insbesondere bezüglich der Mehrwertsteuer, überprüfen, um alle Anreize zu

    entfernen, die die Entstehung der Lebensmittelverschwendung begünstigen könnten. Man sollte auch

    darüber nachdenken, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel aufzuheben oder je nach den

    Umweltauswirkungen der Lebensmittel unterschiedliche Mehrwertsteuersätze einzuführen. Durch die

    Steuerharmonisierung verursachte soziale Härtefälle sollten durch gezielte staatliche

    Einkommensbeihilfen ausgeglichen werden, die eventuell aus den zusätzlichen Steuereinnahmen

    finanziert werden könnten. Statt der Besteuerung des Lebensmittelkonsums könnte man auch die

    Lebensmittelabfälle besteuern.

    Steuern und Gebühren auf Abfallbehandlung

    Steuern und Gebühren auf die Abfallbehandlung wie Deponie- oder Verbrennungssteuern gelten als

    wirtschaftliche Anreize zur Förderung der Abfallvermeidung, da dadurch die Gesamtkosten für die

    Abfallentsorgung erhöht werden. Für die Nutzung von Steuern auf die Abfallbehandlung als Mittel zur

    Vermeidung von Lebensmittelabfällen müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Erstens muss

    sowohl in den Haushalten als auch in Handelsunternehmen (vor allem im Einzelhandel und im

    Bewirtungssektor) eine verbindliche getrennte Sammlung von Lebensmittelabfällen eingeführt werden.

    Zweitens muss der Steuersatz hoch genug sein, um einen ausreichend starken Anreiz für die

    Abfallminimierung darzustellen. Drittens müssen die geltenden Vorschriften für die Förderung und

    Unterstützung der Nutzung erneuerbarer Energien in Europa überprüft werden, um Anreize zu

    ermitteln, die mit dem Ziel der Vermeidung von Lebensmittelabfällen im Widerspruch stehen.

    Widersprüchliche Anreize können entstehen, wenn die nationalen Gesetzgeber